Wie bezahle ich mein Haus? - IW Medien

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Wie bezahle ich mein Haus? - IW Medien
Nr. 105
Michael Voigtländer
Wie bezahle ich mein Haus?
Inhalt
1. Der Traum vom Eigenheim
1
Kein gewöhnlicher Kredit 1
Eigenkapital bleibt wichtig
2
Fest oder variabel?
2
Tilgung und Laufzeit
4
Qual der Wahl
6
Die Rolle des Kapitalmarkts
7
2. Implikationen
für die Gesamtwirtschaft
8
Ein Stück Altersvorsorge
8
Die Riesterrente
8
Gefahr der Überschuldung
9
Immobilienfinanzierung und Konjunktur 10
Fazit
12
Immobilienkredite:
Wichtig für die ganze Volkswirtschaft
Hypothekendarlehen in Prozent des jeweiligen
Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2005
Niederlande
97
Dänemark
94
Vereinigtes Königreich
80
Irland
62
Schweden
55
Portugal
54
Spanien
53
Deutschland
52
Finnland
43
Belgien
33
Frankreich
29
Griechenland
25
Österreich
Italien
22
Quelle: European Mortgage Federation
17
Thema Wirtschaft Nr. 105
1. Der Traum vom
Eigenheim
Für die meisten Menschen ist der Kauf einer eige­
nen Wohnung oder eines eigenen Hauses die größte
Investition ihres Lebens – verbunden auch mit dem
größten Kredit, den sie jemals aufnehmen, da die
wenigsten sich den Traum von den eigenen vier Wän­
den ohne finanzielle Hilfe von außen leisten können.
Sie sind darauf angewiesen, sich Kapital von Banken,
Bausparkassen oder anderen Institutionen oder Per­
sonen zu leihen.
Das beweist auch die Statistik. Rund 50 Prozent
aller Kredite in Deutschland werden für Immobilien
ausgegeben. Im Jahr 2006 standen die Häuslebauer
mit rund 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Das ent­
spricht in etwa der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts
(BIP), das die gesamte Wirtschaftsleistung eines
Landes wiedergibt.
Die Immobilienkredite spielen in einer Volkswirt­
schaft schon allein aufgrund ihrer Größe eine wichtige
Rolle – in anderen Ländern noch mehr als hierzu­lande.
In Großbritannien zum Beispiel erreichten Immobi­
lienkredite im Jahr 2005, gemessen am BIP, 80 Pro­
zent, in Dänemark 94 Prozent und in den Niederlanden
sogar 97 Prozent. Auf der anderen Seite ist der Markt
für Immobilienkredite in Italien und Österreich eher
klein (Grafik links auf der Umschlagseite).
Bevor jedoch die volkswirtschaftliche Dimension
der Immobilienfinanzierung näher beleuchtet wird,
sollen zunächst die Grundlagen des Immobilienkredits
erläutert werden. Denn ob sich der Traum vom eigenen
Heim für den Einzelnen realisieren lässt, hängt in
erster Linie von der Finanzierung ab. Da die Kredite
in der Regel über einen langen Zeitraum abgezahlt
werden müssen und die monatlichen Raten einen
Großteil des verfügbaren Einkommens verbrauchen,
können Fehlentscheidungen hier gravierende Konse­
quenzen nach sich ziehen. Für zukünftige Wohneigen­
tümer stehen deshalb vor der Vertragsunterzeichnung
gewichtige Entscheidungen an. Sie müssen sorgfältig
rechnen und planen, sich den richtigen Kreditgeber
aussuchen und mit ihm Punkt für Punkt die einzelnen
Vertragsdetails aushandeln.
Kein gewöhnlicher Kredit
Am Anfang ist mancher Bankkunde überrascht:
Denn im Vergleich zu Krediten für Autos, Waschma­
schinen oder andere Gebrauchsgegenstände sind Im­
mobilienkredite in der Regel deutlich günstiger. Dies
Seite 1
hat einen einfachen Grund: Die Kreditgeber können
sich hier besser absichern; sie tragen weniger Risiko.
Denn für den Fall des Zahlungsausfalls steht ihnen das
„Verwertungsrecht an der Immobilie“ zu. Das heißt
konkret: Sollte der Kreditnehmer die monatlichen
Zahlungen nicht mehr leisten können, kann die Bank
die Immobilie übernehmen und gegebenenfalls ver­
äußern, um so ihre Forderungen einzutreiben.
Dieser Anspruch des Kreditgebers wird über die
so­genannte Grundschuld – oder alternativ über eine
Hypothek – ins Grundbuch eingetragen. Daher werden
Immobilienkredite auch oft als Hypothekendarlehen
bezeichnet.
Die Grundschuld sichert der Bank das Zugriffsrecht
auf das Immobilienvermögen, bevor andere Gläubiger
zum Zuge kommen.
Außerdem verliert die Immobilie im Vergleich zu
anderen Gebrauchsgegenständen wie etwa Fernsehern
oder Autos weniger schnell an Wert, weil Grundstücke
insgesamt gesehen immer knapper werden. Allein in
den letzten fünf Jahren hat sich das Bauland in West­
deutschland um mehr als 60 Prozent verteuert. Die
Immobilie ist für die Banken daher eine besonders
wertvolle Sicherheit. Allerdings müssen sie bei den
meisten Zwangsvollstreckungen damit rechnen, dass
sie die Immobilie nur mit einem deutlichen Preisab­
schlag verkaufen können.
Für die Überlassung der Sicherheit erhält der Im­
mobilienkäufer von der Bank zwar günstige Zinskon­
ditionen. Hinzu kommen aber Zusatzkosten, wie sie
in der Tabelle auf Seite 2 aufgeführt sind, die bei der
Lernziel
Dass nahezu jeder vom eigenen Heim träumt, ist
verständlich, denn ein eigenes Zuhause bietet nicht nur
Sicherheit und Schutz sowie einen festen Bezugspunkt
im Leben. Es ist auch ein hervorragender Baustein für
die Altersvorsorge. Die Entscheidung für die eigenen
vier Wände gehört für die meisten Menschen zu den
wichtigsten Drehpunkten in ihrem Leben. Sie müssen
sich deshalb auch der finanziellen Tragweite einer solchen Verpflichtung bewusst sein. Schließlich müssen die
allermeisten von ihnen nicht unerhebliche Kredite aufnehmen, die jahrzehntelang zurückzuzahlen sind.
Für den privaten Investor heißt es dabei: Je eher er
den Grundstein für seine Immobilie legt, desto früher
kann er von seinen Vorteilen profitieren. Junge Leute
können beispielsweise mit dem Abschluss eines Bausparvertrags einen wichtigen Anfang machen.
Die Immobilienfinanzierung ist aber nicht nur für den
Einzelnen von großer Bedeutung, sondern auch für die
gesamte Volkswirtschaft.
Denn Veränderungen in diesem Markt können die
gesamte Wirtschaftsentwicklung eines Landes sowohl
positiv als auch negativ beein­flussen.
Thema Wirtschaft Nr. 105
Seite 2
Steuern und Gebühren als Kostentreiber
So viel Euro musste ein Immobilienerwerber im Durchschnitt bei einem
Kaufpreis von … Euro im Jahr 2006 an Nebenkosten zahlen
Kaufpreis
Maklerprovision*
Grundbuch/Registrierung
100.000
300.000
4.060
12.180
260
635
Notarkosten
1.000
1.740
Grunderwerbssteuer
3.500
10.500
* Makler nehmen für ihre Dienste zwischen 3 und 6 Prozent des
Kaufpreises als Provision, unterstellt wurden hier 3,5 Prozent zzgl.
Mehrwertsteuer; Quelle: Faller, Heising und Dübel, 2006
Finanzierung mit berücksichtigt werden müssen. Die
Eintragung ins Grundbuch ist von einem Notar vor­
zunehmen und kostet in der Regel etwa 1 bis 1,5 Pro­
zent vom Kaufpreis. Weitere Einmalkosten entstehen
durch die Grunderwerbssteuer in Höhe von 3,5 Prozent des Kaufpreises und gegebenenfalls durch die
­Maklergebühren.
Eigenkapital bleibt wichtig
Wer sich eine eigene Immobilie kaufen möchte,
wird nicht darum herumkommen, vorher kräftig zu
sparen. In der Regel finanzieren die Banken nämlich
nicht den vollen Kaufpreis, sondern nur 60 bis
80 Prozent des Beleihungswertes.
Der Beleihungswert ist dabei der Wert der Immo­
bilie, der sich nach Einschätzung der Sachverständigen
auch bei schlechter Marktlage erzielen lässt. Er liegt
im Durchschnitt 10 bis 15 Prozent unter dem Kauf­
preis. Immobilienkäufer müssen also über ein relativ
hohes Eigenkapitalpolster verfügen oder sich Geld
von Verwandten oder auch dem Arbeitgeber leihen.
In letzter Zeit aber finanzieren immer mehr Geld­
geber Haus und Wohnung komplett per Kredit, was in
den Niederlanden oder in Großbritannien schon seit
einigen Jahren der Fall ist. Vor allem ausländische
Banken sind es, die neuerdings auf den deutschen
Markt drängen und 100-Prozent-Finanzierungen an­
bieten. Einige Geldgeber gehen bis zu 105 Prozent,
um die Kaufnebenkosten und eine Liquiditätsreserve
(schnell zur Verfügung stehende Geldmittel) gleich
mit abzudecken; und besonders großzügige Banken
offerieren für Neubauten sogar bis zu 125 Prozent des
angemessenen Kaufpreises – dann ist die Einbauküche
gleich mit bezahlt.
Allerdings steigen die Kreditkosten für die Kunden
auch deutlich an. Je höher der Beleihungsauslauf
ausfällt, das heißt: je größer das Verhältnis zwischen
Kredit und Beleihungswert ist, desto größer ist das
Risiko für die Banken. Daher verlangen sie bei hohen
Beleihungsausläufen auch höhere Zinsen. Bei einer
Vollfinanzierung, bei der der komplette Kaufpreis
­ nanziert wird, kann der Zins durchaus einen
fi
halben Prozentpunkt höher liegen als bei einer
klassischen 60-Prozent-Finanzierung. Dies klingt
nicht nach viel, bedeutet bei einem Kreditbetrag
von 200.000 Euro aber immerhin eine monatliche
Zusatzbelastung von 83,33 Euro.
Bei hohen Beleihungsausläufen stellen die
Geldgeber zudem besonders hohe Anforderungen
an die Bonität der Kunden. Nur wer ein regelmä­
ßiges und hohes Einkommen erzielt, eine feste
Stelle hat und bislang jeden Kredit zurückgezahlt
hat, wird berücksichtigt. Zielgruppe sind beispiels­
weise junge Familien mit gutem Verdienst.
Insgesamt dürfte der Trend zu höheren Beleihungs­
ausläufen weitergehen. Damit reagieren die Banken
unter anderem auch auf den Wegfall der Eigenheim­
zulage im Jahr 2006, die Vater Staat früher zuschoss
und die die Kunden wie Eigenkapital in die Finanzie­
rung mit einbringen konnten.
Fest oder variabel?
Eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Im­
mobilienfinanzierung betrifft die Wahl der Zinsbin­
dung. Der Kreditzins gibt den Preis eines Darlehens
an und bestimmt, welchen jährlichen Betrag der Kre­
ditgeber für die Überlassung des Kapitals verlangt.
Dieser Preis – beziehungsweise der Zins – ist jedoch
nicht immer konstant, sondern kann im Zeitablauf
deutlich schwanken.
Verändert beispielsweise die Zentralbank die Zin­
sen, etwa weil sie die Inflation bekämpfen will, so hat
dies direkte Auswirkungen auf die Kreditzinsen.
Darüber hinaus ist auch der Kreditmarkt ein Markt
wie jeder andere und reagiert auf Angebot und Nach­
frage. Wenn viele Menschen sparen und dieses Geld
verleihen möchten, steigt das Kreditangebot und der
Zins sinkt. Wenn auf der anderen Seite viele Menschen
einen Kredit brauchen, die Kreditnachfrage also steigt,
zieht der Zins an.
Allerdings: An den Kredit- oder auch Geldmärkten
verändern sich die Konditionen täglich. Würde der
Zinssatz für das Hypothekendarlehen ebenso häufig
angepasst, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die
Planungssicherheit der Haushalte. Schließlich kann
ein Zinsanstieg um 1 Prozentpunkt schnell das Haus­
haltsbudget sprengen. Aus diesem Grund bieten die
Banken Hypothekendarlehen mit längerer Zinsbin­
dung an, das heißt: Der Zins wird für eine bestimmte
Laufzeit fixiert; er bleibt so lange gleich.
Üblich ist eine Zinsbindung von fünf, zehn oder 15
Jahren. Damit übernimmt die Bank für die Dauer der
Zinsbindung das Preisrisiko beziehungsweise das
Thema Wirtschaft Nr. 105
Seite 3
Bei den Zinsen kostet Sicherheit extra
So hoch war der durchschnittliche Zinssatz für eine Immobilienfinanzierung in Abhängigkeit von der Zinsbindungsdauer
Jan. 2003
Apr. 2003
Juli 2003
Okt. 2003
Jan. 2004
Apr. 2004
Juli 2004
Okt. 2004
Jan. 2005
Apr. 2005
Juli 2005
Okt. 2005
Jan. 2006
Apr. 2006
Juli 2006
Okt. 2006
Jan. 2007
Zinsbindung
über 1 bis 5 Jahre
Zinsbindung über
5 bis 10 Jahre
Zinsbindung
über 10 Jahre
4,94
4,48
4,16
4,48
4,65
4,32
4,51
4,48
4,20
4,13
3,94
3,94
4,27
4,42
4,66
4,80
4,87
5,39
5,03
4,70
5,00
5,15
4,91
4,92
4,89
4,56
4,50
4,17
4,11
4,29
4,45
4,67
4,65
4,64
5,38
5,17
4,85
5,08
5,19
4,95
5,11
4,88
4,62
4,58
4,23
4,18
4,35
4,56
4,80
4,65
4,67
Quelle: Deutsche Bundesbank
Zinsänderungsrisiko. Dies macht sie nicht ohne Ei­
gennutz, sondern verlangt dafür einen Zinsaufschlag.
Aus der Tabelle oben geht hervor, dass die Zinsen für
Hypothekendarlehen mit einer Zinsbindung zwischen
einem und fünf Jahren im Normalfall günstiger sind
als für diejenigen mit einer längeren Laufzeit. Im
Durchschnitt mussten die Kunden zwischen 2003 und
2006 einen Zinsaufschlag von 0,35 Prozentpunkten
zahlen, wenn sie eine Zinsbindung von mehr als zehn
Jahren wünschten.
Die Differenz zwischen den Zinsen kann zu ande­
ren Zeiten jedoch auch wesentlich größer sein.
In letzter Zeit sind die Banken von weitgehend
stabilen beziehungsweise künftig sogar fallenden
Zinsen ausgegangen, so dass längerfristige Zinsbin­
dungen sogar günstiger waren als kurzfristige. Auf­
grund der jüngsten Leitzinserhöhungen dürften sich
die Erwartungen jedoch ändern, so dass sich das Blatt
schnell wieder wenden kann.
Durchschnittlich höhere Zinsen sind nicht der ein­
zige Nachteil von langen Laufzeiten. Wenn ein Dar­
lehen unvorhergesehenermaßen früher zurückgezahlt
(abgelöst) werden soll, kann das teuer werden, weil
man ja noch gebunden ist. Wer beispielsweise eine
Erbschaft erhalten hat und die Immobilie entschulden
möchte, muss bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits
eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung leisten
(vgl. Textkasten oben).
Weiterer Nachteil der langen Zinsbindung: Zwar
ist der Kreditnehmer vor Zinsanstiegen geschützt, auf
der anderen Seite kann er aber auch nicht von Zins­
senkungen profitieren.
Warum muss ich ein
Vorfälligkeitsentgelt bezahlen?
Dies wird sich so mancher Bankkunde denken, der
seinen Immobilienkredit vor Ablauf der Zinsbindung
zurückzahlen möchte. Und dass es sich hierbei um keine
unerhebliche Summe handelt, zeigt beispielsweise eine
Untersuchung des Instituts für Finanzdienstleistungen. Bei
einer Kreditsumme von 100.000 Euro und einer zehnjähri­
gen Zinsbindung kann bei einer vorzeitigen Rückzahlung
nach fünf Jahren eine Vorfälligkeitsentschädigung von über
10.000 Euro fällig werden. Die Vorfälligkeitsentschädi­
gung dient dazu, den zukünftigen Gewinn der Bank und
deren entstandene Kosten zu berücksichtigen. Wenn der
Zins seit Vertragsabschluss gefallen ist, kann die Bank
die zurückgezahlten Mittel nur zu für sie ungünstigeren
Konditionen neu verleihen. Da sie durch die Kündigung
des Kreditvertrages keinen Schaden haben soll, darf sie
den Gegenwartswert des entgangenen Zinsvorteils dem
Kunden in Rechnung stellen.
Je stärker nun der Marktzins im Vergleich zum verein­
barten Zins gefallen ist und je länger noch die Restlaufzeit
des Darlehens ist, desto höher fällt die Vorfälligkeitsent­
schädigung aus. Dagegen wird bei gestiegenem Zins nur
eine vergleichsweise geringe Summe fällig.
In einigen Ländern, wie beispielsweise in Frankreich
oder in Belgien, wird die Höhe des Vorfälligkeitsentgelts
gesetzlich begrenzt. Dies ist jedoch für alle Kunden, also
auch die, die nicht vorzeitig kündigen wollen, mit einem
Zinsaufschlag verbunden. In Dänemark gibt es sowohl Fest­
zinsdarlehen, bei denen ein Vorfälligkeitsentgelt erhoben
wird, als auch solche, bei denen hierauf verzichtet wird.
Je nach Marktlage müssen die Kunden für den Ausschluss
der Vorfälligkeitsentschädigung einen Zinsaufschlag von
0,3 bis 0,8 Prozentpunkten bezahlen. Dafür haben sie
jedoch die Möglichkeit, bei fallenden Zinsen einen güns­
tigeren Vertrag abzuschließen.
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile einige Kre­
ditinstitute, die solche Hypothekendarlehen anbieten.
Außerdem werden Zusatzversicherungen offeriert, die es
in Härtefällen wie etwa Arbeitslosigkeit oder Tod eines
Angehörigen erlauben, den Kreditvertrag ohne Vorfällig­
keitsentgelt abzulösen.
Wer beispielsweise 1995 ein Hypothekendarlehen
mit zehnjähriger Zinsbindung abgeschlossen hatte,
wurde mit einem Zinssatz von etwa 8 Prozent belastet.
Nur drei Jahre später lagen die Zinsen rund 3 Prozent­
punkte niedriger, was bei einer Finanzierungssumme
von 200.000 Euro eine Ersparnis von immerhin
500 Euro im Monat bedeutet hätte.­
Die Vor- und Nachteile von langen Zinsbindungen
sind demnach genau abzuwägen. Wer hohe Planungs­
sicherheit bevorzugt und in einer Niedrigzinsphase
kauft, steht sich mit einem lange laufenden Festzins­
darlehen gut. Wer jedoch flexibel bleiben möchte und
auf sinkende Zinsen spekuliert, sollte eher kurze
Zinsbindungen wählen (vgl. Textkasten auf Seite 4).
Im Jahr 2006 haben die deutschen Häuslebauer in rund
70 Prozent der Neuabschlüsse eine Zinsbindung von
Thema Wirtschaft Nr. 105
Seite 4
Die Zinsgestaltung
Darlehen mit Festzinsvereinbarungen sind die gängigste
Form von Hypothekenkrediten in Deutschland. Im Rahmen
einer Festzinsvereinbarung garantiert die finanzierende
Bank einen bestimmten Zinssatz für eine festgelegte Lauf­
zeit. Da Hypothekenkredite in der Regel eine sehr lange
Laufzeit (bei Tilgungsraten von 1 Prozent oft weit über
30 Jahre) besitzen, werden solche Festzinsvereinbarungen
nicht für die gesamte Laufzeit, sondern für einen kürzeren
Zeitraum, den Zinsbindungszeitraum, getroffen.
Für Darlehensnehmer haben Festzinsvereinbarungen
den Vorteil, dass sie während des Zinsbindungszeitraums
vor einem Anstieg der Zinsen geschützt sind und somit die
Zinsbelastung genau kalkulierbar ist.
Auf der anderen Seite profitieren sie jedoch nicht von
eventuellen Zinssenkungen. Der Darlehensgeber hat sei­
nerseits den Vorteil, mit einem festen Zinsertrag kalkulieren
zu können.
Im Gegensatz zum Festzins werden variable Zinssätze
gemäß der aktuellen Marktentwicklung angepasst. Für
Darlehensnehmer bedeutet dies, dass ihre monatliche
Belastung aus ihrem Darlehen steigen oder sinken kann
– je nach Entwicklung der Zinsen. Sie profitieren also
von sinkenden Zinssätzen, tragen jedoch auch das Risiko
steigender Zinssätze.
Quelle: PSD Bankengruppe
über fünf Jahren gewählt (vgl. Grafik unten). Noch
größer ist die Dominanz des Festzinsdarlehens bei
Betrachtung der Bestandsgrößen. Bei über 96 Prozent
der ausstehenden Hypothekendarlehen beträgt die
anfängliche Zinsbindung über fünf Jahre. Dies spricht
dafür, dass Kredite mit einer kurzen Zinsbindung,
insbesondere mit Festlegungen unter einem Jahr, die
auch als variable Darlehen bezeichnet werden, schon
nach kurzer Zeit wieder abgelöst werden.
Im Ausland sind variable Darlehen weit stärker
verbreitet. In Großbritannien, Spanien und Australien
Deutsche Haushalte bevorzugen lange
Zinsbindungen
Im Jahr 2006 wurden in Deutschland folgende
Wohnungsbaukredite an private Haushalte vergeben
Zinsbindung:
Variabel oder
bis zu 1 Jahr
1 bis 5
Jahre
29.055
(15,4)
57.032
Neu(30,3)
geschäftsvolumina in 28.734
Millionen Euro (15,3)
(Anteil in
Prozent)
73.334
(39,0)
Quelle: Deutsche Bundesbank
5 bis 10
Jahre
0,6 3,0
Zum
Vergleich:
Anteil der Zinsbindung im
Bestand, in
Prozent
96,4
Über 10
Jahre
etwa liegt der Anteil der Darlehen mit einer Zinsbin­
dung von unter fünf Jahren bei rund 95 Prozent aller
Finanzierungen (vgl. Grafik Seite 10).
Ein Grund für die unterschiedliche Verbreitung
kurzer Zinsbindungen liegt in unterschiedlichen Ver­
haltensweisen auf den einzelnen Märkten. Die Deut­
schen neigen dazu, sich nur ein einziges Mal eine
Immobilie zu kaufen, in der sie dann wunschgemäß
bis ans Ende ihres Lebens wohnen. Die Briten dagegen
sind daran gewöhnt, ihre Häuser und Wohnungen
immer wieder zu verkaufen und neue zu kaufen. Des­
halb müssen sie auch finanziell beweglich bleiben und
entscheiden sich meist für Hypothekendarlehen mit
kurzen Zinsbindungen.
Gerade in den südeuropäischen Ländern wie Spa­
nien, Italien oder Griechenland ist der hohe Anteil an
variablen Darlehen dagegen historisch bedingt. Dort
war es lange üblich, den Kindern zur Hochzeit eine
Immobilie zu schenken – dementsprechend waren
Hypothekendarlehen eher unüblich. Der kleine Markt
für Hypothekendarlehen wurde direkt mit den Einla­
gen der Sparer bedient, die wiederum typischerweise
variabel verzinst werden. Mittlerweile boomt jedoch
gerade in Spanien der Hypothekenmarkt. Zwischen
1995 und 2005 ist der Anteil der Hypothekendarlehen
gemessen am Bruttoinlandsprodukt von 16 auf
53 Prozent gestiegen. Dies schlägt sich auch in einer
zunehmenden Produktauswahl nieder.
In den letzten Jahren versuchen die Anbieter von
Immobilienfinanzierungen zunehmend neue Produkte
aufzulegen, die die Vorteile von festen und variablen
Darlehen zusammenführen sollen. So werden soge­
nannte Cap-Darlehen angeboten: Das sind normale
variable Darlehen, bei denen der Zinssatz alle drei
oder sechs Monate angepasst wird – aber mit einer
Zinshöchstgrenze. Beispielsweise wird vertraglich
festgelegt, dass der Zins die 6-Prozent-Marke niemals
überschreiten wird.
Bei langen Zinsbindungen werden immer häufiger
auch Sondertilgungsrechte gewährt. Durch die Mög­
lichkeit, 5 bis 10 Prozent des Kreditbetrages pro Jahr
tilgen zu dürfen, gewinnen die Kunden an Flexibilität.
Allerdings verlangen die Banken für alle diese Opti­
onen Zinsaufschläge.
Tilgung und Laufzeit
In der Praxis gibt es gleich eine ganze Reihe von
Varianten, wie Schuldner ihre Darlehen zurückzahlen,
sprich: tilgen, können. Dabei ist neben dem Zinssatz
die Anfangs­tilgung mit von ausschlaggebender Be­
deutung. Üblich ist beispielsweise eine Anfangstilgung
von 1 Prozent des Kreditbetrages. Hieraus lässt sich
Thema Wirtschaft Nr. 105
dann die monatliche Belastung
ausrechnen. Beträgt der Zinssatz
beispielsweise 5 Prozent und die
Anfangstilgung 1 Prozent, so
müssen bei einem Kreditbetrag
von 100.000 Euro jährlich 6.000
Euro beziehungsweise monatlich
500 Euro an die Bank gezahlt
werden. Bleibt dieser Betrag
konstant, spricht man von einer
Annuität (Jahreszahlung von Zin­
sen und Tilgung) oder auch einem
Annuitätendarlehen.
Es ist derzeit die gebräuch­
lichste Form der Darlehensrück­
zahlung. Da die monatliche Be­
lastung bei sinkendem Kreditbe­
trag gleichbleibt, wird beim Annuitätendarlehen
im Zeitablauf ein immer größeres Stück des Dar­lehens getilgt. Würde der Tilgungssatz konstant ge­
halten, würde mit der Zeit die monatliche Belastung
kleiner werden. Eine solche Vereinbarung ist in der
Praxis aber selten. Im Regelfall wird eine Annuität
vereinbart.
Die Wahl des Tilgungssatzes hat nicht nur Aus­
wirkungen auf die monatliche Belastung, sondern
auch auf die Laufzeit des Kreditvertrages. Die Rech­
nung scheint banal: Je höher der Tilgungssatz, desto
schneller ist der Kredit abgetragen. Nicht ganz so
banal sind die Auswirkungen: Während man bei einem
Zinssatz von 4,5 Prozent und einer Anfangs­tilgung
von 1 Prozent insgesamt 38 Jahre benötigt, um sein
Haus abzubezahlen, sind es bei einer Anfangs­tilgung
von 2 Prozent nur rund 26 Jahre (Tabelle).
Außerdem gilt: Je höher der Zins, desto schneller
wird der Kredit abgetragen (vgl. ebenfalls die Tabelle
rechts) – aus einem einfachen Grund: Die Gesamt­
belastung für den Schuldner ist zwar größer. Weil er
sich bei hohen Zinsen durch die Tilgung aber stärker
entlastet als bei niedrigen Zinsen, ist er mit der Rück­
zahlung früher fertig.
Auch im Bereich der Tilgung gibt es zunehmend
flexiblere Lösungen. Neben den schon erwähnten
Sondertilgungsmöglichkeiten bieten viele Banken
auch die Möglichkeit an, den Tilgungssatz während
der Zinsbindungsphase zu verändern. Besonders be­
liebt waren seinerzeit sogenannte Tilgungsausset­
zungsdarlehen, auch „endfällige Baufinanzierungsdar­
lehen“ genannt. Hierbei wird der Kreditvertrag mit
einem Anlagevertrag, zum Beispiel einer Lebensver­
sicherung oder einem Bausparvertrag (vgl. Abschnitt
„Qual der Wahl“), gekoppelt. Bis Laufzeitende zahlen
Seite 5
die Darlehensnehmer lediglich die Zinsen, die sich
aus dem Darlehensnennbetrag errechnen. Mit Ablauf
der Darlehenslaufzeit muss die Tilgung dann auf einen
Schlag erfolgen. Nach einer vorher vereinbarten
Laufzeit von zum Beispiel 30 Jahren wird dazu das
durch Lebensversicherung oder Bausparvertrag ge­
bildete Kapital eingesetzt.
Eine solche Vereinbarung kann vorteilhaft sein,
wenn mit der Geldanlage eine höhere Rendite erzielt
wird, als die Belastung durch den zu zahlenden Kre­
ditzins ausmacht. Allerdings gibt es auch das Risiko,
dass die Anlage weniger rentabel ist. Bei Bausparver­
trägen kann zum Beispiel niemand mit 100-prozen­
tiger Sicherheit den genauen Zeitpunkt der Darlehens­
zuteilung vorhersagen, so dass eine teure Finanzierungs­
lücke entstehen kann.
In der Vergangenheit waren Tilgungsaussetzungen
besonders aus steuerlichen Gründen interessant, weil
die Erträge aus Lebensversicherungen steuerfrei wa­
Darlehensrückzahlung:
Schnelldurchgang oder lebenslänglich?
So lange dauert es, ein Hypothekendarlehen zurückzuzahlen –
je nach Wahl der Anfangstilgung und des Zinssatzes
Anfangstilgung
in Prozent
Laufzeit
(Zinssatz: 4,5 Prozent)
Laufzeit
(Zinssatz: 6 Prozent)
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
51 Jahre, 4 Monate
38 Jahre
30 Jahre, 11 Monate
26 Jahre, 3 Monate
23 Jahre
20 Jahre, 5 Monate
18 Jahre, 5 Monate
16 Jahre, 10 Monate
15 Jahre, 6 Monate
14 Jahre, 4 Monate
42 Jahre, 11 Monate
32 Jahre, 7 Monate
26 Jahre, 11 Monate
23 Jahre, 2 Monate
20 Jahre, 6 Monate
18 Jahre, 5 Monate
16 Jahre, 9 Monate
15 Jahre, 4 Monate
14 Jahre, 2 Monate
13 Jahre, 3 Monate
Quelle: Bank für internationalen Zahlungsausgleich
Thema Wirtschaft Nr. 105
ren und die Kreditzinsen steuerlich geltend gemacht
werden konnten. Mittlerweile sind solche Vorteile
jedoch abgeschmolzen worden, so dass die Bedeutung
dieses Modells zurückgegangen ist.
Seite 6
Die meisten Bankengruppen bieten vergleichbare
Produkte an. Zwei Ausnahmen machen
• die Bausparkassen mit ihrem Angebot von Bau­
sparverträgen und Bauspardarlehen sowie
• die Banken mit Sonderaufgaben wie beispielsweise
Qual der Wahl
die KfW Bankengruppe.
Nicht nur über die Art der Immobilienfinanzierung,
1.Anders als bei einem gewöhnlichen Hypotheken­
sondern auch über den Anbieter muss sich ein Kredit­
kredit setzen Bauspardarlehen voraus, dass der Kunde
nehmer Gedanken machen. In Deutschland gibt es
erst spart und dann den Kredit erhält. Die Summe, die
über 1.000 Institute, die Immobilienfinanzierungen
er eingezahlt hat, wird in der Regel geringer verzinst,
anbieten. Darunter sind die Sparkassen, die Geschäfts­
als es der Markt eigentlich hergibt. Dafür erhält er
banken, Bausparkassen, öffentliche Banken und auch
bei Zuteilung des Bausparvertrags einen Kredit unter
Direktbanken.
Marktzins. Bauspardarlehen sind üblicherweise eine
Außerdem gibt es eine wachsende Zahl von Ver­
Ergänzung von Hypothekendarlehen. Sie sind im Re­
mittlern, die für ihre Kunden die günstigsten Angebote
gelfall auch bei höheren Beleihungswerten günstig,
heraussuchen. Die Übersicht in diesem Markt zu be­
weil kein Risikoaufschlag erhoben wird. Schließlich hat
halten, ist nicht leicht – vor allem, weil die Produkte
der Kunde über den vorherigen Sparprozess bewiesen,
oftmals nicht direkt verglichen werden können. Denn
dass auf ihn Verlass ist. Beliebt sind Bauspardarlehen
die Beachtung der Zinshöhe allein reicht nicht aus, da
darüber hinaus bei Geringverdienern, da sie zusätzlich
mitunter unterschiedliche Optionen wie Sonder­
vom Staat eine Wohnungsbauprämie in Höhe von der­
tilgungen ermöglicht werden oder in den Produkten
zeit maximal 90,11 Euro pro Jahr erhalten können.
unterschiedliche Zinsbindungen enthalten sind. Auch
Allerdings gibt es im Bausparsystem auch ein Ri­
müssen die Kunden je nach Wissensstand entscheiden,
siko: Da die Kredite durch die Ersparnisse der jeweils
ob sie bereit sind, für eine persönliche Bera­tung gege­
neuen Bausparkunden finanziert werden, sind die
benenfalls einen höheren Kreditzins zu tragen.­
Bausparkassen darauf angewiesen, stetig neue Kunden
Mit einem Marktanteil von fast 25 Prozent sind die
zu gewinnen. Dies ist den Bausparkassen jedoch in der
Sparkassen aktuell die Marktführer (Tabelle). Darauf
Vergangenheit, auch aufgrund der gezahlten Woh­
folgen die privaten Kreditbanken, zu denen auch die
nungsbauprämie, immer wieder geglückt.
Onlinebanken und die großen börsennotierten Banken
2.Die KfW (ehemals Kreditanstalt für Wiederaufbau)
gehören, mit knapp 20 Prozent sowie die Kreditge­
ist eine öffentliche Bank, die sich unter anderem in
nossenschaften mit etwa 15 Prozent.
der Bildungsfinanzierung, Mittelstandsfinanzierung
und eben in der Immobilienfi­
Sparkassen sind Marktführer
nanzierung engagiert. In den
So groß waren die Anteile der einzelnen Bankengruppen in Deutschland
letzten Jahren hat sie speziell
an den Hypothekenfinanzierungen im September 2006
verschiedene Kreditprogramme
Hypothekenkredite
Veränderung
Veränderung
Marktanteile
auf Wohngrundstücke gegenüber Vorjahr gegenüber Vorjahr in Prozent
für ökologisch orientierte Woh­
in Millionen Euro
in Millionen Euro in Prozent
nungsbauprojekte entwickelt.
Sparkassen
253.260
10.099
4,2
24,9
Darüber hinaus bietet sie mit
Kreditbanken
(Großbanken und
dem Wohneigentumsprogramm
Regionalbanken)
197.085
11.179
6,0
19,4
auch ein klassisches Hypothe­
Kreditkendarlehen an, bei dem sie
genossenschaften
156.821
10.013
6,8
15,4
Realkreditinstitute
in Ergänzung zu den privaten
(Spezialinstitute für ImInstituten bis zu 30 Prozent
mobilienfinanzierung)
126.725
-13.418
-9,6
12,5
des Kaufpreises finanziert – zu
Auslandsbanken
und sonstige Banken
95.264
1.205
1,3
9,4
einem Kreditzins, der meistens
Private Bausparkassen
78.536
-406
-0,5
7,7
leicht unterhalb des Marktni­
Banken mit Sonderveaus liegt.
aufgaben (zum
Beispiel die KfW
Für die KfW-Kunden ist das
Bankengruppe)
59.072
13.489
29,6
5,8
erfreulich. Auf der anderen Sei­
Landesbanken
49.877
-427
-0,9
5,0
te gehen die entgangenen Ge­
Summe
1.016.640
winne der Bank zulasten der
Quelle: Deutsche Bundesbank
steuerzahlenden Allgemeinheit.
Thema Wirtschaft Nr. 105
Angesichts einer Ausweitung des Kreditvolumens um
45 Prozent allein im letzten Jahr sollte die weitere
Expansion der KfW daher sorgsam verfolgt werden.
Die Rolle des Kapitalmarkts
Nicht nur die Haushalte müssen sich Geld besorgen,
sich „finanzieren“, wie die Fachleute sagen, sondern
auch die Banken. Früher setzten sie für ihr Kreditge­
schäft vor allem die Spareinlagen ihrer Kunden ein,
um aus der Differenz von Zinsen für Spareinlagen und
für ausgegebene Kredite ihre Gewinne zu erwirtschaf­
ten. Das tun sie auch heute, doch zunehmend wichtiger
wird die Finanzierung über den Kapitalmarkt. Dabei
verkaufen die Banken Forderungen an Kunden, die
etwa auf Hypothekendarlehen beruhen, an Versiche­
rungen, Pensionsfonds oder Investoren.
Das Ganze wird „Verbriefung“ genannt und bietet
den Banken den Vorteil, dass ihr Kapital nicht gebun­
den wird und sie gegebenenfalls Risiken an andere
Investoren weitergeben können. Nicht nur Hypotheken
werden verbrieft, sondern auch Autokredite oder
Unternehmenskredite.
Als Produkte stehen den Banken dabei unter ande­
rem Schuldverschreibungen, Mortgage-Backed Secu­
rities (MBS; mortgage backed = hypothekarisch ge­
sichert) oder aber Pfandbriefe zur Verfügung. Sie
unterscheiden sich vor allem in unterschiedlichen
Seite 7
Europäischer Verbriefungsmarkt
mit rasantem Wachstum
So viele Milliarden Euro wurden zuletzt in Europa
auf dem Verbriefungsmarkt investiert
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal Summe
14,1
16,4
21,4
26,3
78,2
20,5
43,2
22,7
66,2
152,5
24,3
42,6
35,7
55,1
157,7
43,3
51,9
39,7
82,4
217,3
55,8
59,0
53,2
75,5
243,5
47,8
94,4
41,5
143,3
327,0
66,1
105,4
110,3
177,1
458,9
Quelle: European Securisation Forum
Ausfallrisiken: Der Pfandbrief etwa unterliegt gesetz­
lichen Standards, die ihn als sehr sicher gelten lassen.
So kommen für einen Pfandbrief beispielsweise nur
Hypothekenkredite bis zu einem Beleihungswert von
60 Prozent in Frage.
Über MBS können dagegen auch Hypothekendar­
lehen mit höheren Beleihungswerten an risikobereite
Investoren abgetreten werden.
Insgesamt erlebt das Geschäft einen rasanten Auf­
schwung. Allein zwischen 2000 und 2006 ist der eu­
ropäische Verbriefungsmarkt um fast 500 Prozent auf
nunmehr rund 459 Milliarden Euro gewachsen (Ta­
belle) – eine Summe, die wegen statistischer Probleme
eher noch zu niedrig angegeben sein dürfte.
Seite 8
Thema Wirtschaft Nr. 105
2. Implikationen für die
Gesamtwirtschaft
Allein aufgrund seiner Größe ist der Markt für
Immobilienfinanzierungen, wie schon belegt, auch für
die Wirtschaftspolitik interessant.
Gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass
Veränderungen auf diesem Markt die allgemeine
Konjunktur eines Landes sowohl positiv als auch ne­
gativ beeinflussen können. Darüber hinaus aber ist die
Immobilienfinanzierung ein wesentlicher Baustein der
individuellen Altersvorsorge.
Ein Stück Altersvorsorge
Wer seine Immobilie per Kredit finanziert, wird
eine Reihe von Jahren finanziell stärker belastet sein
als ein vergleichbarer Mieter. Schließlich soll der
Kredit möglichst schnell, spätestens jedoch bei Ren­
teneintritt, abgetragen sein.
Ist das allerdings gelungen, ändert sich das Verhält­
nis drastisch: Nun liegen die Wohnkosten des Eigen­
tümers deutlich unter denjenigen eines Mieters, da
dann nur noch die Nebenkosten des Wohnens wie
Müllentsorgung, Heizung und Grundsteuer beglichen
werden müssen.
Beispiel (vgl. Tabelle): Während ein typischer Ei­
gentümer im Alter von 40 Jahren fast 30 Prozent
seines Haushaltsnettoeinkommens für das Wohnen
ausgibt, liegt der Anteil bei einem vergleichbaren
Mieter bei nur 15 Prozent.
Im Rentenalter ist alles anders: Die Wohnkosten
des Selbstnutzers sinken auf 7 Prozent, während der
Anteil beim Mieter aufgrund der niedrigeren Einkom­
men im Rentenalter auf 19 Prozent ansteigt.
Damit weist die Immobilienfinanzierung einen
ähnlichen Verlauf wie eine klassische Kapitalanlage
auf. Nachdem in der Erwerbsphase fleißig gespart
wurde, wird das Kapital in der Rentenphase ausgege­
Immobilieneigentümer:
Geringere Wohnkosten im Rentenalter
So entwickeln sich die durchschnittlichen Wohnkosten von Mietern
und Eigentümern im Verhältnis zum Haushaltsnettoeinkommen –
in Prozent
Alter Wohnkosten eines davon: Belastung
Wohnkosten eines
Selbstnutzers
aus Zins und Tilgung gleichaltrigen Mieters
39
28
25
15
47
20
18
15
56
11
7
15
63
8
4
18
68
7
3
19
Quelle: Pfeiffer und Braun (2006)
Die umgekehrte Hypothek
Das typische Ziel einer Immobilienfinanzierung besteht
darin, am Ende der Laufzeit den Kredit vollständig zu­
rückzuführen und damit über eine schuldenfreie Immobilie
zu verfügen. Doch es geht auch anders: In den USA und
Großbritannien können Hauseigentümer ihre Rechte an eine
Bank abtreten und bekommen im Gegenzug eine monatliche
Rente plus lebenslanges Wohnrecht. Beim Tod geht die
Immobilie in das Eigentum der Bank über.
Der Vorteil der „umgekehrten Hypothek“: Hauseigentü­
mer bekommen eine Rente und können in ihrem gewohnten
Wohnumfeld bleiben. Allerdings entfällt damit die Mög­
lichkeit, die Immobilie zu vererben.
In den USA sind umgekehrte Hypotheken zunehmend
beliebt. Allein im Jahr 2005 wurden 43.000 solcher Ver­
träge abgeschlossen. In Deutschland konnte dieses Produkt
bisher noch keinen Fuß fassen. Da aufgrund der geringen
Geburtenrate das Vererbungsmotiv jedoch zunehmend un­
wichtiger wird, dürfte sich auch hier bald ein ent­sprechender
Markt finden.
ben. Bei der Anlage in Immobilien erfolgt die Aus­
zahlung allerdings nicht als monatliche Rente, sondern
in Form von monatlich gesparten Kosten, was ökono­
misch gesehen gleichwertig ist. Dabei wird das Kapi­
tal, anders als etwa bei einer Lebensversicherung,
nicht aufgezehrt, sondern bleibt erhalten. Die Immo­
bilie kann immer noch verkauft oder später auch
vererbt werden.
Mittlerweile ist es grundsätzlich möglich, eine
Immobilie auch voll und ganz für die Altersvorsorge
einzusetzen: durch die sogenannte umgekehrte Hypo­
thek (Textkasten) – bislang allerdings nur in den USA
und im Vereinigten Königreich.
Fazit: Insgesamt ist davon auszugehen, dass der
Immobilienerwerb hierzulande für die Altersvorsorge
zunehmend wichtiger wird. Schließlich ist das Ver­
sorgungsniveau in der gesetzlichen Rentenversiche­
rung spürbar abgesenkt worden, und daran wird sich
wegen der niedrigen Geburtenrate in Deutschland so
bald auch nichts ändern.
Die Riesterrente
Da dies auch die Politik mittlerweile erkannt hat,
sollen Immobilien künftig auch in der staatlich geför­
derten Altersvorsorge, der Riesterrente, berücksich­tigt
werden. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU
wurde festgehalten, dass sie als gleichberechtigte
Vorsorgeform neben Lebensversicherungen und In­
vestmentfonds in die Altersvorsorge mit einbezogen
werden sollen, ursprünglich schon zum 1. Januar 2007,
was allerdings noch auf sich warten lässt.
Die Umsetzung der Pläne würde bedeuten, dass es
auch für die Tilgung von Hypothekendarlehen Zulagen
und steuerliche Vorteile gäbe. Außerdem sollte es
Thema Wirtschaft Nr. 105
möglich sein, die bereits gesparten Mittel in die Im­
mobilie zu überführen. Denn bislang ist es nur mög­
lich, sich selbst mit den gesparten Riestermitteln einen
zinslosen Kredit zu gewähren – das entnommene
Kapital muss bis zum Renteneintritt wieder auf das
Riesterkonto zurückgeführt werden.
Dass die Reformpläne bisher noch nicht umgesetzt
wurden, hängt in erster Linie mit den komplexen
steuerlichen Problemen zusammen. Das Einkommen,
das in die Riestervorsorge fließt, wird nämlich nicht
versteuert. Dafür hält das Finanzamt die Hand auf,
sobald das Kapital im Alter peu à peu ausgezahlt wird.
Diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung ist bei
selbst genutztem Wohneigentum aber nur schwer
möglich. Denn die Besitzer erhalten keine Auszah­
lungen – sie sparen lediglich die Miete. Deren Höhe
kann das Finanzamt jedoch objektiv kaum feststellen
und deshalb auch nicht besteuern.
Die Folge: Wohneigentum bliebe im Rahmen der
Riestervorsorge vom Zugriff des Fiskus verschont – und
andere Altersvorsorgeprodukte wären im Nachteil.
Zur Lösung dieses Problems wurden mittlerweile
die verschiedensten Modelle vorgeschlagen. So haben
die Bausparkassen angeregt, beim Immobilienkauf auf
die nachgelagerte Besteuerung und andere steuerliche
Vorteile im Rahmen der Riesterförderung zu verzich­
ten. Im Gegenzug bekämen die Wohnraumkäufer nur
80 Prozent der üblichen Riesterzulagen.
Die Idee klingt einfach, hat jedoch ihre Tücken,
weil es sich dann für manche Einkommensgruppen
stärker lohnen würde, in Wohnraum zu investieren, als
für andere, die sich mit den gegenwärtigen Riester­
produkten besser stehen. Die angestrebte Gleichbe­
handlung der Altersvorsorgemöglichkeiten erreicht
das Konzept somit ebenfalls nicht.
Ein Alternativvorschlag sieht vor, die im Rahmen
der Riesterrente erbrachten Tilgungsleistungen auf
Basis einer fiktiven Rendite zu besteuern. Dabei wird
so getan, als ob die Mittel am Kapitalmarkt angelegt
worden wären – das heißt: Sie werden mit einem
Standardsatz verzinst, der etwa der durchschnittlichen
Rendite anderer Riesterprodukte entspricht. So ent­
steht über die Jahre hinweg ein fiktiver Kapitalstock.
Bei Renteneintritt legt das Finanzamt fest, welche
Auszahlungen die virtuellen Ersparnisse brächten und
berechnet auf dieser Grundlage die fälligen Steuern.
Damit würde die Gleichbehandlung der Immobilien
weitestgehend gewährleistet werden. Allerdings gilt
das Konzept als sehr komplex und dürfte in der Be­
völkerung auf wenig Gegenliebe stoßen, weil Steuern
auf fiktive Auszahlungen fällig würden, die es in
Wirklichkeit also gar nicht gibt.
Seite 9
Nach einem dritten Modell, das vom Institut der
deutschen Wirtschaft Köln entwickelt wurde, sollen
Immobilienkäufer schon während ihres Arbeitslebens
anhand eines neu entwickelten Entnahmetarifs besteu­
ert werden. Dieser ist so berechnet, dass Immobilien­
käufer im Rahmen der Riesterförderung so stark
steuerlich belastet werden, wie dies ansonsten bei
einer Auszahlung der Mittel im Rentenalter zu erwar­
ten wäre. Auf diese Weise garantiert das Modell, dass
der Fiskus alle Riesterprodukte gleich behandelt.
Die Politik hat sich bisher noch auf keine Lösung
verständigt. Sie steht mittlerweile aber unter Zeit­
druck. Denn derzeit wird die Immobilie gegenüber
anderen Anlageprodukten schließlich deutlich benach­
teiligt. Außerdem verunsichern die verschobenen Re­
formpläne die Bürger. Dies führt im Zweifelsfall dazu,
dass diese ihre Altersvorsorge ebenfalls aufschieben
und damit vermutlich zu wenig vorsorgen.
Gefahr der Überschuldung
Dass der Erwerb von Immobilien freilich nicht
immer ohne Risiko ist, zeigte sich Anfang dieses
Jahres in den USA, wo der Markt sich zeitweise stark
überhitzte. Die Immobilienpreise dort waren in den
letzten Jahren enorm gestiegen – in Kalifornien und
Florida hatten sie sich zwischen 2000 und 2005 sogar
verdoppelt. Das hatte wichtige Immobilienfinanzierer
dazu verleitet, zunehmend Kredite auf dem sogenann­
ten Sub-Prime-Markt zu vergeben, an Haushalte also
mit unregelmäßigem Einkommen oder wenig Eigen­
kapital, die teilweise schon in der Vergangenheit
Kredit­probleme hatten. Falls die Kunden ihre Zinsund Tilgungsraten einstellen müssten, so das Kalkül
der Kreditgeber, könnten sie sich immer noch über
die gestiegenen Immobilienpreise schadlos halten.
US-Hypothekenmarkt:
Boom mit bösem Ende?
Anzahl der ausgegebenen Sub-Prime-Darlehen
Wahrscheinlichkeit für Zwangsvollstreckungsverfahren
in Prozent
1998
962.273
9,8
1999
1.132.280
12,8
2000
911.369
14,6
2001
918.557
11,5
2002
1.046.072
9,8
2003
1.505.854
12,1
2004
2.219.547
15,7
2005
3.259.908
19,4
2006
3.219.749
19,4
1998 bis 2006
15.175.609
15,6
Quelle: Center for Responsible Lending
Seite 10
Thema Wirtschaft Nr. 105
Wohnimmobilien: Wie die Zinsen auf die Preise wirken
So viel Prozent
der Hypothekendarlehen haben
einen variablen
Zinssatz oder
eine Zinsbindung
von weniger als
fünf Jahren
Eine unerwartete Verringerung
der kurzfristigen Zinsen um
1 Prozentpunkt bewirkte im
Zeitraum von 1970 bis 2005
einen durchschnittlichen
Anstieg der Wohnimmobilienpreise um ... Prozent im Laufe
der folgenden zwei Jahre
97
6,7
95
6,4
98
91
5,5
3,9
FIN
UK
AUS
3,4
3,3
26
25
25
NL
DK
USA
2,9
22
J
2,1
20
F
2,0
E
30
0,5
D
Hypothekendarlehen: 2005 bzw. letztverfügbarer Stand; unerwartete Verringerung der kurzfristigen Zinsen: Abweichung von
der Gleichgewichtsprognose des IW-Schätzmodells; Ursprungsdaten: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, OECD
Dabei wurde nicht gekleckert, sondern mächtig
geklotzt. Während im Jahr 2000 die Zahl der verge­
benen Sub-Prime-Darlehen noch unter einer Million
lag, stieg sie bis zum Jahr 2005 auf über drei Millionen
an (Tabelle auf Seite 9). Zudem wurden die Kunden
noch mit zeitlich begrenzten Zinsrabatten und varia­
blen Dar­lehen gelockt.
Weil die Immobilienpreise aber plötzlich weniger
stark anstiegen, stattdessen aber die Zinsen, setzte sich
eine allgemeine Abwärtsspirale in Gang: Viele Eigen­
tümer konnten sich angesichts der höheren Zinsen die
Ratenzahlungen nicht mehr leisten. Dass dies auch in
Zukunft noch anhalten wird, schlägt sich gerade in
der Sub-Prime-Statistik deutlich nieder: Nach einer
Studie des US-amerikanischen Center for Responsible
Lending werden rund 16 Prozent der zwischen 1998
und 2006 vergebenen Sub-Prime-Darlehen in der
Zwangsvollstreckung enden (Tabelle auf Seite 9).
Da außerdem die Immobilienpreise nicht mehr so
stark nach oben gingen, stellten einige Immobilienfi­
nanzierer fest, dass ihre Rechnung nicht aufging, und
sie mussten Insolvenz anmelden. Über den Verbrie­
fungsmarkt wurden ihre Probleme an andere Inves­
toren weitergegeben, was an den Börsen zu kurzfris­
tigen Kursbewegungen nach unten geführt hat. Aller­
dings ist ein nachhaltiger Effekt auf die US-Wirtschaft
unwahrscheinlich. Mit 20 Prozent des Hypotheken­
marktes und einem Kreditvolumen von 600 Milliarden
US-Dollar hat der Sub-Prime-Markt in den USA zwar
eine beachtliche Größe erreicht, jedoch reicht die
Insolvenz einiger Unternehmen nicht aus, um eine
Kettenreaktion hervorzurufen.
Die Sub-Prime-Krise in den USA verdeutlicht je­
doch die Risiken des Hypothekengeschäfts – für die
Immobilienfinanzierer, vor allem aber auch für die
Immobilienerwerber. Schließlich hat sich für viele
US-Haushalte der Traum vom Eigenheim in einen
Schuldenalbtraum verwandelt.
Gefordert ist daher eine Bankenaufsicht, die die
Kreditvergabe der Banken kontrolliert. Hier gibt es in
den USA deutliche Lücken im Regelwerk. In Deutsch­
land ist eine solche Krise auch aus einem anderen
Grund sehr unwahrscheinlich. Hier ist das Angebot an
Mietwohnungen derzeit so umfangreich und attraktiv,
dass Haushalte mit Kreditschwierigkeiten nicht unbe­
dingt ein Eigenheim erwerben müssen, um gut zu
wohnen. So sind hierzulande auch nur vereinzelt SubPrime-Produkte auf dem Markt.
Immobilienfinanzierung und Konjunktur
Der US-Immobilienmarkt kann aber durchaus einen
Einfluss auf die konjunkturelle Wirtschaftsentwick­
lung hierzulande haben. Wenn die Konjunkturrisiken
in Deutschland aufgezählt werden, ist der US-Immo­
bilienmarkt immer dabei. Grund: Weil die Kauflaune
der Amerikaner entscheidend von der Höhe ihres
Vermögens bestimmt wird, das zu einem Gutteil aus
Eigenheimen sowie Ansprüchen an Immobilienfonds
besteht, beeinflusst die Wertentwicklung von Immo­
bilien den Konsum in den USA. Und dieser wiederum
gibt den Konjunkturtakt jenseits des Atlantiks und
damit auch für den Rest der Welt vor.
Die Immobilienpreise wiederum hängen maßgeb­
lich von den Zinsen ab. Schließlich können sich bei
sinkenden Zinsen sehr viel mehr Haushalte den Traum
vom Eigenheim erfüllen als in einer Hochzinsphase.
Wie stark Immobiliennachfrage und -preise bei
steigenden Zinsen tatsächlich in die Knie gehen be­
ziehungsweise bei sinkenden Zinsen aufwärtsstreben,
hängt allerdings auch davon ab, ob die Hypothekendar­
lehen mit variablen oder festen Zinssätzen ausgestat­
tet sind. Dies wurde in einer Studie des Instituts der
deutschen Wirtschaft Köln (IW) nachgewiesen. Sinken
die Zinsen, erhöht sich bei Haushalten mit variabel
verzinslichen Hypothekendarlehen automatisch das
verfügbare Einkommen. Dieses zusätzliche Einkom­
men kann dann auch in die Immobiliennachfrage
fließen und wirkt preissteigernd.
Bei überwiegend festverzinslichen Hypothekendar­
lehen dagegen profitieren von den gesunkenen Zinsen
nur diejenigen Haushalte, die gerade in einen neuen
Vertrag einsteigen oder deren Vertrag soeben ausge­
laufen ist und verlängert werden soll. Dann ist der
Preiseffekt aber wesentlich kleiner.
Thema Wirtschaft Nr. 105
Seite 11
Zwischen den Industrieländern bestehen gravie­
rende Unterschiede (Grafik auf Seite 10): In Deutsch­
land haben nur 30 Prozent der Hypothekendarlehen
einen variablen Zinssatz oder eine Zinsbindung von
maximal fünf Jahren. Nur bei einer von 100 Hypothe­
ken kann der Zinssatz auch unterjährig schwanken.
Ganz anders sieht es beispielsweise in Finnland
oder Großbritannien aus. Dort haben nahezu alle
Baufinanzierungskredite flexible Zinsen. Während
daher in Deutschland Zinsänderungen kaum Auswir­
kungen auf die Immobilienpreise haben, kann in
Großbritannien schon eine Zinssenkung um 1 Pro­
zentpunkt die künftigen Immobilienpreise um über
6 Prozent verteuern. Nur Spanien passt nicht ins
Bild. Hier reagierten die Wohnimmobilienpreise
trotz überwiegend variabler Darlehen nur schwach
auf Zinsänderungen. Das kann aber daran gelegen
haben, dass der spanische Markt für Hypotheken­
darlehen, wie erwähnt, erst neuerdings stark gewach­
sen ist und die Studie einen 30-Jahres-Zeitraum
umfasste. Neuerdings dürften die Wohnimmobilien­
preise dort ebenfalls spürbar auf Zinsveränderungen
reagieren.
Die Situation in den USA unterscheidet sich indes
zurzeit gar nicht so wesentlich von der deutschen:
Auch in den Staaten hat lediglich ein Viertel der Hy­
pothekendarlehen eine Zinsbindung von weniger als
fünf Jahren. Im historischen Durchschnitt traf dies
dort noch auf ein Drittel der Immobilienkredite zu.
Im Vergleich zu vielen anderen Ländern erweisen sich
die US-Wohnimmobilienpreise nur mittelmäßig zins­
reagibel: Eine unerwartete Verringerung der kurzfris­
tigen Zinsen um 1 Prozentpunkt bewirkte in den
Vereinigten Staaten binnen zwei Jahren einen Häuser­
preisanstieg von durchschnittlich 3,3 Prozent.
Dass der Anteil der variablen Zinsen derzeit unter
dem Durchschnitt liegt und damit die Zinsen eher noch
einen kleineren Einfluss auf die Immobilienpreise
­haben, hat einen Grund: das niedrige Zinsniveau.
­Wertet man die Daten der US-Aufsichtsbehörde für
Hypothekenbanken (FHFB) aus, zeigt sich, dass die
amerikanischen Haushalte rational mit den unter­
schiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten für den Haus­
kauf umgehen. Sind die Zinsen hoch, schließen die
Häusle­bauer vermehrt Hypotheken mit variablem
Zinssatz ab, um von sinkenden Zinsen profitieren zu
können (Grafik unten). Ein niedrigeres Zinsniveau
sichern sie dagegen über eine lange Kreditlaufzeit von
bis zu 30 Jahren ab.
Durch dieses Vorgehen wird ein von niedrigen
Zinsen ausgelöster Immobilienboom tendenziell ver­
stärkt, während ein drohender Abschwung gemildert
wird. Grund dafür ist, dass die steigenden Zinsen das
verfügbare Einkommen kaum tangieren – und so
genügend finanzieller Spielraum für weiteren Vermö­
gensaufbau wie für Konsum bestehen bleibt. Das
spielt der deutschen wie der weltweiten Wirtschafts­
entwicklung in die Hände.
Für Deutschland folgt hieraus, dass eine etwas
größere Verbreitung von variablen Darlehen durchaus
wünschenswert wäre. Dann könnten im Fall sinkender
Zinsen auch konjunkturelle Vorteile ausgespielt wer­
den. Derzeit liegen die Zinsen zwar noch auf einem
niedrigen Niveau. Doch ist nicht auszuschließen, dass
die Zinsen auch wieder in die Höhe steigen und dann
variable Darlehen an Attraktivität gewinnen.
Ein Grund für deren derzeit geringe Verbreitung
wurde schon genannt: Die Möglichkeit, den Kredit
wieder schnell zu tilgen und durch einen anderen für
ein neues Objekt zu ersetzen, ist in Deutschland we­
niger bedeutend, weil die Menschen hierzulande in
aller Regel nur einmal in ihrem Leben ein Haus oder
eine Wohnung finanzieren. Es gibt jedoch auch noch
einen anderen Grund: Variable Darlehen sind hierzu­
Zinsbindung in den USA: Geschickte Wahl
Anteil der variablen Darlehen in Prozent im Vergleich zum Leitzinssatz (Federal Funds Rate) der Federal Reserve Bank der USA
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Federal Funds Rate (linke Achse)
Anteil der variablen Hypothekendarlehen (rechte Achse)
70
60
50
40
30
20
10
0
1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Quellen: Federal Reserve Bank und Federal Housing Finance Board
Thema Wirtschaft Nr. 105
Seite 12
lande sehr teuer – verglichen mit un­
Mittlerweile ist es sogar ein europä­
Variable Zinsen
seren Nachbarn, den Niederlanden,
isches Thema. Die EU-Kommission
in Deutschland teuer
zum Beispiel fast durchgängig um
möchte
die nationalen Hypotheken­
Durchschnittliche variable
Hypothekensinssätze in
einen Prozentpunkt (Tabelle). Dies
märkte zu einem europäischen Ge­
Deutschland und den Niederlanden
hängt unter anderem mit Regulie­
samtmarkt zusammenführen. Insbe­
Niederlande
Deutschland
rungen zusammen.
sondere sollen dann grenzüberschrei­
4,17
Jan.
03
5,45
Im Ausland ist es durchaus üblich,
tende Finanzierungen erleichtert
3,90
Apr. 03
auch bei variablen Darlehen längere
werden, wobei wichtige Einzelfragen
5,23
3,49
Laufzeiten zu vereinbaren. Dann
noch offen sind. Ein Verbot der Vor­
Juli 03
4,58
­können die Banken die Verwaltungs­
fälligkeitsentschädigung, wie es teil­
3,48
Okt. 03
4,44
kosten des Kreditvertrags – wie bei­
weise in der Diskussion ist, würde
3,45
Jan. 04
4,57
spielsweise die Bearbeitungskosten
beispielsweise die Kosten eines Dar­
3,24
Apr. 04
oder die Vermittlungsgebühr – über
lehens mit langfristiger Zinsbindung
4,26
3,35
einen längeren Zeitraum verteilen.
deutlich verteuern. Andererseits darf
Juli 04
4,26
Wird der Vertrag dann schneller ge­
der Verbraucherschutz nicht zu kurz
3,35
Okt. 04
4,3
tilgt, kann die Bank ähnlich wie bei
kommen. Die Bankenaufsicht ist ge­
3,11
Jan.
05
festverzinslichen Darlehen ein Vor­
4,37
fordert und muss Exzesse im Kredit­
3,21
Apr. 05
fälligkeitsentgelt einfordern, was in
markt, wie sie in den USA beobach­
4,28
3,18
Deutschland nicht erlaubt ist. Hier
tet wurden, vermeiden. Nur unter
Juli 05
4,15
müssen die Zinsen so kalkuliert
dieser Voraussetzung können die
3,24
Okt. 05
4,22
­werden, dass die Verwaltungskosten
vielfältigen Möglichkeiten der Im­
3,51
Jan. 06
schon nach kurzer Zeit eingespielt
4,55
mobilienfinanzierung den Wohlstand
3,81
sind – mit entsprechender Verteuerung
Apr. 06
der einzelnen Haushalte wie auch der
4,74
für die Kunden. Eine Änderung
Gesamtwirtschaft fördern.
Quellen: Deutsche Bundesbank und
de Nederlandsche
­(Deregulierung) könnte variable
Gefordert sind aber auch die Kre­
Bank
­Hypothekendarlehen daher attraktiver
ditnehmer selbst. Mit einem Hypo­
machen, womit die gesamtwirtschaftlichen Vorteile
thekendarlehen wird eine oftmals jahrzehntelange
der Immobilien­finanzierung besser genutzt werden
Verpflichtung eingegangen, so dass sie sich im Vorfeld
könnten.
ausreichende Informationen über die einzelnen Pro­
dukte verschaffen müssen, wobei sie vor allem auch
Fazit
die eigenen finanziellen Möglichkeiten nicht falsch
Die Immobilienfinanzierung ist nicht nur für den
einschätzen dürfen. Schließlich ist es letztlich eine
einzelnen Immobilienkäufer, sondern auch für die
Frage der Eigenverantwortung, welche Risiken sie
Gesamtwirtschaft und die Wirtschaftspolitik wichtig.
bereit zu tragen sind.
Der Autor:
Michael Voigtländer, Dr. rer. pol.
geboren 1975 in Leverkusen; Studium der Volkswirtschaftslehre­
in Münster und Köln; von 2000 bis 2005 wissenschaftlicher
Assistent am Wirtschaftspolitischen Seminar der Universität
zu Köln, Lehrstuhl Prof. Dr. J. Eekhoff; seit Oktober 2005 im
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Forschungsstelle Immobilienökonomik innerhalb des Wissenschaftsbereichs Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik.
3/2007
Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln,
Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT
Redaktion: Dipl.-Volkswirt Wolfgang Larmann
Telefon: 0221 4981-728 · Fax: 0221 4981-592
[email protected] · www.iwkoeln.de
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Gustav-Heinemann-Ufer 84–88, 50968 Köln
Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH, Meckenheim
ISBN: 978-3-602-24305-1
ISBN 978-3-602-24305-1