Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie

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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
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aja
Kinder haben das Recht auf
eine (heile) Familie
Eine Arbeitshilfe für Gemeinden
zu den Familien-Themen der
UN–Kinderrechtskonvention
aja _
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arbeitshilfen für die jugendarbeit
Herausgeber: Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland
Redaktion: Wolfgang Saulheimer
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Eine Arbeitshilfe für Gemeinden zu den Familien-Themen
der UN–Kinderrechtskonvention
Mit Beiträgen von
Erika Georg-Monney
Wolfgang Saulheimer
Amt für Jugendarbeit der EKiR
Ingrid König
Ev. Kirchengemeinde Meckenheim
Doris Riffelmann
Zentrale für Jugendarbeit der Lippischen Landeskirche
Christiane Zimmermann-Froeb
Rheinischer Verband für Kindergottesdienst
Düsseldorf November 2006
Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland
Graf-Recke-Str. 209, 40237.Düsseldorf
http://www.jugend.ekir.de
Tel. 0211 3610 – 285
Fax 0211 3610 – 280
E-Mail: [email protected]
Druck:
Druckerei Haus Landeskirchliche Dienste Düsseldorf
Bestellungen (Schutzgebühr: € 2,00 + Porto und Verpackung):
Tel. 0211 3610 – 285
E-Mail: [email protected]
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aja
Kinder haben das Recht auf
eine (heile) Familie
Eine Arbeitshilfe für Gemeinden
zu den Familien-Themen der
UN–Kinderrechtskonvention
Arbeitshilfe für Gemeinden
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Inhalt
Vorwort
1. Information und Reflexion
1.1
Wie geht´s der Familie
1.2
Alte und neue Werte
1.3
Was heißt hier eigentlich heil?
2. Realitäten und Erkundungen
2.1
Wie lebt ihr eigentlich?
2.2
Alle Jahre wieder
2.3
Das ist meine Familie
3. Aktion und Ideen
3.1
Wir sind Familie (Gemeindefest)
3.2
Bei uns zu Haus
(Kinderbibeltag/ Kindergottesdienst/ Kindergruppe)
3.3
Zu Hause bei Familie Jeri (Familiengottesdienst)
3.4.
Wir sind auch noch da (Gemeindeversammlung mit
Kindern)
3.5
Wir sind die Zukunft (Zukunftswerkstatt mit Kindern)
4. Rückmeldebogen
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Arbeitshilfe für Gemeinden
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) – Auszug
Artikel 5 [Respektierung des Elternrechts]
Die Vertragsstaaten achten die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern oder gegebenenfalls,
soweit nach Ortsbrauch vorgesehen, der Mitglieder der weiteren Familie oder der Gemeinschaft;
des Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen, das Kind bei der
Ausübung der in. diesem Übereinkommen anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen.
Artikel 6 [Recht auf Leben]
1.
2.
Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jedes Kind ein angeborenes Recht. auf Leben hat.
Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die
Entwicklung des Kindes.
Artikel 7 [Geburtsregister, Name, Staatsangehörigkeit]
1.
Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat das
Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben,
und soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden…
Artikel 8 [Identität]
1.
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Recht des Kindes zu achten, seine Identität, einschließlich seiner Staatsangehörigkeit, seines Namens und seiner gesetzlich anerkannten
Familienbeziehungen, ohne rechtswidrige Eingriffe. zu behalten…
Artikel 20 [Von der Familie getrennt lebende Kinder; Pflegefamilie; Adoption]
1.
Ein Kind, das vorübergehend oder dauernd aus seiner familiären Umgebung herausgelöst
wird oder dem der Verbleib in dieser Umgebung im eigenen Interesse nicht gestattet werden kann, hat Anspruch auf den besonderen Schutz und Beistand des Staates…
Artikel 21 [Adoption]
Die Vertragsstaaten, die das System der Adoption anerkennen oder zulassen, gewährleisten, dass
dem Wohl des Kindes bei der Adoption die höchste Bedeutung zugemessen wird; die Vertragsstaaten
Artikel 27 [Angemessene Lebensbedingungen; Unterhalt]



Die Vertragsstaaten erkennen das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard an.
Es ist in erster Linie Aufgabe der Eltern oder anderer für das Kind verantwortlicher Personen, im. Rahmen ihrer Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten die für die Entwicklung des Kindes notwendigen Lebensbedingungen sicherzustellen.
Die Vertragsstaaten treffen gemäß ihren innerstaatlichen Verhältnissen und im Rahmen
ihrer Mittel geeignete Maßnahmen, um den Eltern und anderen für das Kind verantwortlichen Personen bei der Verwirklichung dieses Rechts zu helfen, und sehen bei Bedürftigkeit materielle Hilfs- und Unterstützungsprogramme insbesondere im Hinblick auf Ernährung, Bekleidung und Wohnung vor…
Der vollständige Text der UN-Kinderrechtskonvention ist zu finden unter:
www.kinderpolitik.de/bibliothek/content/3_1.htm oder unter www.national-coalition.de
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Vorwort
Heile Familie?
„Heile Familie“ kennen wir eigentlich nur noch in denunziatorischem Zusammenhang: Als verlogene Kaschierung einer bürgerlichen Zwangsinstitution: Emanzipationsgeschichten waren immer auch Geschichten der
Emanzipation von der Familie.
Und in der Tat: Gerade heute wird gegen die „Degenerationserscheinungen“ der Familie (Scheidung/ Inzest/ Partnerschaftsdauerkrisen …) wieder
das Idealbild der Vater-Mutter-Kind/er-„Normal“-Familie propagiert. Vermischt mit esoterischem Ganzheitlichkeits-Geschwiemel und nostalgischer Vergangenheitsverklärung werden Ein-Eltern-, Ein-Kind- und
Patchwork-Familien als Krisenerscheinungen einer orientierungslos dahintaumelnden Gesellschaft beschrieben. Und die Kirchen sollen es doch
bitte richten – mit ihrer Erfahrung in der Wertevermittlung!
Wir aber wollen die, in der Tat z.T. dramatischen, gesellschaftlichen Veränderungen ernst nehmen und die Denunziation von Familien als „unvollständig“ oder als „Ersatz“, von ausländischen „Sippen“ als Bedrohung,
von Frauen als „herzlos“ und von Kindern als wahlweise bedauernswert,
gefährdet oder verwahrlost nicht mitmachen.
Wir machen Vorschläge, wie sich mit Kindern innerhalb ganz traditioneller Formen von Gemeindearbeit das Thema „Familie“ phantasie- und lustvoll und mit Neugier auf deren Vielfalt behandeln lässt. (Mit diesem Heft
setzen wir die Tradition fort, zu einzelnen Rechten aus der UNKinderrechtskonvention Material für Gemeinden vorzustellen.)
Dass wir dabei ein ganz anderes Verständnis von „Heil“ voraussetzen als
es das höhnische Gerede von der ach so „heilen Familie“ nahe legt, wird
sich hoffentlich zeigen …
Erika Georg-Monney
Ingrid König
Doris Riffelmann
Wolfgang Saulheimer
Christiane Zimmermann-Froeb
_______ 7
Hinweis
Im dieser Arbeitshilfe wird immer
mal wieder auf
Internetseiten mit
z.T. langen URLs
verwiesen. Diese
Links sind in der
PDF-Fassung
anklickbar!
Arbeitshilfe für Gemeinden
1. Information und Reflexion
1.1 Wie geht’s der Familie?
So gut wie noch nie – geht man nur nach der Flut der Beiträge in den
Wer die Nase voll
hat von demografischer Panikmache, verwirrenden
Statistiken und
moralisierender
Apokalyptik angesichts des „Verfalls der Familie“,
und wer wissen
möchte, wie alles
gekommen ist, der
nehme dieses
wunderschöne
Bilder- und Lesebuch in die Hand:
Ingeborg WeberKellermann: Die
Familie. Eine Kulturgeschichte der
Familie. Frankfurt
1996.
Ein Tipp für die,
die mehr Zeit haben:
Geschichte des
privaten Lebens. 5
Bde. [Verschiedene
Ausgaben]
Hrsg. v. Philippe
Aries und Georges
Duby
Medien, der Akademieveranstaltungen, der Initiativen der Verbände,
der Politikerinterviews zum Thema. „Wir wollen mehr Kinder in den
Familien und mehr Familie in der Gesellschaft“ heißt es an prominenter Stelle im Koalitionsvertrag vom November 2005. Neue Wortschöpfungen entstehen: Kindertagesstätten werden zu „Familienzentren“, „die neuen Mehrgenerationenhäuser übersetzen das Prinzip der Großfamilie in die heutige Zeit“ (U. von der Leyen). „Lokale
Bündnisse für Familie“, die "Allianz für die Familie", das „Forum:
Familie stark machen“ und „mamamoto“ – die Initiative „für ein
zeitgemäßes Familiendesign“ suggerieren den Reformwillen einer
sich rasant verändernden Gesellschaft. Es gibt nicht nur das Zertifikat zum Audit „berufundfamilie®“, sondern auch die Website „fast
4ward“ zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie – natürlich öffentlich gefördert, genauso wie das Programm "Erfolgsfaktor Familie –
Unternehmen gewinnen". Roland Berger und die Bosch-Stiftung
machen Politikberatung mit „Unternehmen Familie“, und die EKD
fragt auf einer Fachtagung besorgt: „Gehen Kirche und Diakonie voran?“. Dieses Jahr sah auch den ersten „Deutschen Familientag“ (Motto: „Jetzt ist Familie drin!“), ein „Monitor Familienforschung“ erscheint regelmäßig, und das „Generationenbarometer“ nahm seine
Messungen auf, um „die Klimaveränderungen zwischen den Generationen in Deutschland“ kartografieren zu können. Und wer bei all
diesen semantischen und aktionistischen Saltos verzagen sollte, für
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
den hat das BMFSFJ ja den kostenlosen „Familienwegweiser“ zur
Hand …
Ob diese Omnipräsenz des Themas „Familie“ nun eher ein Teil des
Problems ist, dass sich in der „reflexiven Moderne“ Beziehungen,
Verwandtschaftsverhältnisse und Vergesellschaftungsformen unkalkulierbar verändern, oder ob damit der Abschied vom Familienbild
des 19. und der Weg in eine „familienfreundliche“ Gesellschaft des
21. Jahrhunderts signalisiert wird, bleibt vorerst offen.
1.2 Alte und neue Werte
„Werte erwachsen“ – unter diesem
Die Ausdrücke „soziale Werte“ und „Wertsysteme“ sind
gequält-wortspielerischen Motto
Barbarismen, die die Sozialwissenschaften der Um-
startete im Frühjahr das „Bündnis
gangssprache aufgenötigt hat. Ich gestehe, dass ich nie
für Erziehung“. Ein Schelm, wer
verstanden habe, was „ein Wert“ ist. Er ist kein Ding.
sich dabei an das rechtskonservative
Wenn er Bestandteil der Sprache ist, mit der die Men-
Forum „Mut zur Erziehung“ aus
dem Jahr 1978 oder an die „Werteinitiative 93“ erinnert fühlte. Wer
schen ihre Welt rationalisieren, dann sollte man den
Wert lieber als Element der Ideologie bestimmen.
Wenn „ein Wert“ eine „allseits geschätzte Idee“ sein
soll, wird der Begriff vollend undurchschaubar …
schloss da ein Bündnis? Nun ja,
Staat und Kirchen eben – offenbar
die natürlichen Verbündeten im
Richard Sennett: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens.
Die Tyrannei der Intimität. 1986.
Kampf gegen Traditionsabbruch
und Werteverlust!
„Ach, die Werte!“ hört man da Hartmut von Hentig murmeln, der in
seinem gleichnamigen zornigen Essay von 1999 mit den „Wertevermittlern“ ins Gericht geht, die von der Erziehung erwarten, „in den
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Arbeitshilfe für Gemeinden
Kindern das gemeinsame Ethos (die Haltung und Tatkraft) ins Leben
(zu) rufen, das in den Erwachsenen erstorben ist“.
Dabei sind es die immer gleichen Missverständnisse, denen eine orientierungslose und scheinbar vom Auseinanderfallen bedrohte Gesellschaft aufsitzt:
Wertewandel (z.B. hin zu stärkerer Individualisierung und zu postmateriellen Werten) wird verwechselt mit Werteverlust, milieuabhängig sich wandelnde Mentalitäten und Prinzipien der Lebensführung werden verwechselt mit Traditionsabbruch. Die Erfolgsgeschichte des modernen Staates mit seiner Trennung von privat und
öffentlich wäre nur um den Preis des „Verfassungstotalitarismus“
(der ehemalige Verfassungsrichter E.-W. Böckenförde) rückgängig zu
machen. „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ (Böckenförde). Da er
seinen eigenen moralischen Kitt also nicht produzieren kann, sucht
er nach „Werteagenturen“ und Bündnispartnern (s.o.). Und die Kirchen tappen in diese Falle.
Und das, obwohl die Regulierungskräfte der Religion längst ihre
Bindekraft verloren haben. 65 % der Jugendlichen sagen, die Kirchen
hätten keine Antworten auf die Fragen, die sie wirklich bewegen (15.
Shell-Jugendstudie 2006). Und gar 68 % meinen: „Kirche muss sich
ändern, wenn sie eine Zukunft haben will.“ Im Klartext: Kirche sollte
nicht in einem „Bündnis für Erziehung“ versuchen, Kinder und Jugendliche zu ändern, sondern …
Und das, obwohl z.B. die letzten Shell-Jugendstudien in schöner Regelmäßigkeit bestätigen, dass Werte und Ideale überhaupt nicht verschwunden sind – nur genauer hingucken müsste man schon mal.
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Und das, obwohl es von einigem Hochmut zeugt nicht wahrzunehmen, dass das Gefühl für Werte wie Schönheit, Leben, Gesundheit,
Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Anerkennung, Lieben können …
sich durchaus nicht aus unserer Gesellschaft verabschiedet hat (selbst
wenn diese noch so maskiert z.B. in verlogenen Fernsehserien begegnen).
Und das, obwohl man sich der Realitätsblindheit verdächtig macht zu
verkennen, dass die Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft
verbunden ist mit der Abwanderung verschiedener „Werte“ in unterschiedliche Milieus.
Und das, obwohl es einer (im übrigen wirkungslosen) Holzhammerpädagogik gleichkäme, „Werteerziehung“ (wenn es sie denn neben
„Erziehung“ überhaupt gibt) zu verwechseln mit der Abarbeitung von
Wertekatalogen. Die 10 Gebote als Tugendkatalog? Aber was ist es
denn sonst, wenn Oda-Gebbine Holze-Stäblein in ihrer Einbringungsrede des Kundgebungsentwurfs „Keiner lebt für sich allein“
(EKD-Synode 2004) mahnt: „Verantwortung für die Weitergabe …
der Werte, die in den Geboten ihren Ausdruck finden, das ist ein für
uns heute wichtiger Punkt.“
Und das, obwohl man ja mal darüber nachdenken könnte, dass „Werte“ nicht nur als gesellschaftlicher Leim, sondern auch als Mittel der
Kritik der Wirklichkeit dienen könnten?
Übrigens:
Sollten wir nicht ein bisschen dankbar sein, dass es in den letzten
Jahrzehnten in unserer Kirche gewaltige „Traditionsabbrüche“ gegeben hat und den „Verlust“ von Werten, die in der Geschichte der
Kirche außerordentlich wirkmächtig gewesen sind? Dass der „autori_______ 11
Arbeitshilfe für Gemeinden
tär-punitive Komplex“ (E.W. Russell) abgewandert ist in fundamentalistische Milieus? Dass Lustfeindlichkeit, Diskriminierung von Frauen und Absonderung von Behinderten nur noch marginal mit der
Kirche in Verbindung gebracht werden können? Dass Erziehung mit
Angst und jede 5 Minuten-vor-12-Pädagogik in die Nachbarschaft von
Kindesmisshandlung geraten sind? Dass einst heilswirksame „Werte“ zu „Sekundärtugenden“ degradiert worden sind?
Wie endlich soll im „Bündnis für Erziehung“, in Bildungseinrichtungen, Seminaren, Eltern-Kind-Gruppen … „Kindern und Elternwertegestützte Orientierung vermittelt“ werden (U. v.d.Leyen) – wenn
die Gesellschaft schlicht nicht mitmacht? „Mit ihren Fernsehprogrammen und ihrem Verhalten im Verkehr, mit den Gesprächen am
Abendbrottisch und in den Preisen ihrer Waren“ (H. v.Hentig) ?
Vielleicht sollte man die Zumutung einfach umdrehen? Dann käme
es nicht mehr darauf an, von oben nach unten Werte zu „vermitteln“
(was wäre das anderes als Indoktrination?), sondern darauf, Kindern
Auseinandersetzungen und Erfahrungen zu ermöglichen – incl. der
Erfahrung der vielgeschmähten Orientierungslosigkeit und des
Scheiterns. Es käme also darauf an, die Würde und den „Wert“ des
Kindes zu entdecken. Vielleicht so, wie in den Erinnerungen von Albert Camus: „In Monsieur Germains Klasse fühlten die Kinder zum
ersten Mal, dass sie existierten und Gegenstand höchster Achtung
waren: Man hielt sie für würdig, die Welt zu entdecken.“ (A. Camus: Der
erste Mensch. Reinbek 1996. Hervorhebung von mir. WS.))
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
1.3 Was heißt hier eigentlich „heil“?
„Das Wort ‚Familienbande’ hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“
Gegen alle „Heile-heile-Gänschen“-Sentimentalität lässt das bekannte
Bonmot von Karl Kraus (in: Die Fackel Nr.237) ahnen, dass es etwas
zu „ent–decken“ gibt, wenn man der heilen Familie die Decke wegzieht. Wohl nicht zufällig zu der Zeit formuliert, als Sigmund Freud
die Familie als pathologischen Raum entdeckte, ist es heute nicht
weniger aktuell: Familientherapie ist ein boomender Berufszweig,
Familienberatungsstellen sind überlaufen, familiale Gewalt und
Missbrauchsfälle beschäftigen nicht nur die Boulevardpresse,
403400 Menschen sprachen im Jahr 2005 dem Modell Familie das
Misstrauen aus (durch Scheidung, Stat. Bundesamt).
Umso erstaunlicher die gegenwärtige erneute Heiligsprechung der
Familie, von Frank Schirrmachers „Schicksalsgemeinschaft“ („Minimum“. 2006.) bis Eva Herrmanns Retro-Familie („Das EvaPrinzip“. 2006.), von „Jetzt ist Familie drin!“ (s.o.) bis Elterngeld.
Zäh hat sich der Sprachgebrauch von der „unvollständigen“ Familie
gehalten – als je nach Interesse sorgenvolle oder abwertende Bezeichnung aller nicht ins Vater–Mutter–Kind(er)–Schema passenden
Konstellationen. Und das gegen die offensichtliche gesellschaftliche
Realität der Familienentwicklung:
– Das generative Verhalten: Immer weniger Kinder werden in immer
weniger Familien geboren.
– Nur noch 30 % der erwachsenen Bevölkerung sind Ehepaare mit
Kind(ern).
– Der Anteil der nicht-ehelichen Partnerschaften mit Kindern steigt
kontinuierlich stark an.
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Praktisch:
Viele Fragen von
Familienberatung
bis Familienforschung werden
beantwortet im
OnlineFamilienhandbuch:
http://www.familie
nhandbuch.de.
Arbeitshilfe für Gemeinden
– 1,4 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern sind EinEltern-Familien (davon 86 % Kinder mit Mutter).
– Stark zugenommen haben die Lebensformen ohne Kinder: 20 %
Single-Haushalte und 35% Paare ohne Kinder.
– Jedes dritte in Deutschland geborene Kind hat (mindestens) ein ElEinen leicht verständlichen Überblck über die
Entwicklung der
letzten Jahrzehnte gab die Familienforscherin Rosemarie Nave-Herz
auf der EKDSynode 2004:
Das Verhältnis der
Generationen gestern und heute.
In: Keiner lebt für
sich allein. Texte
zum Schwerpunktthema …Hannover
2005. Nachzulesen
auch auf
http://www.ekd.de
ternteil mit Migrationshintergrund.
– Insgesamt sind Familien kleiner geworden, seltener, mobiler und
veränderlicher.
Das weite Spektrum heute anzutreffender Lebensformen, von der
living-apart-together-Beziehung am einen Ende bis zur PatchworkFamilie am anderen erscheint den einen als Verfall, den anderen als
Bedrohung von Staat und Wirtschaft und Infragestellung überkommener Werte.
Und über allem schwebt eine vage „Ganzheitlichkeits“-Nostalgie.
Ganzheit und Ganzheitlichkeit sind im biblischen Zusammenhang
und in christlicher Tradition eschatologische Begriffe. Christen setzen das Unvollkommene, das Unvollständige, das Fragmentarische
und Imperfekte beim Menschen und in menschlichen Beziehungen
voraus. Die Bibel spricht nicht vom saftigen Halm, sondern vom „geknickten Rohr“, das nicht zerbrochen, nicht vom lodernden Feuer,
sondern vom „glimmenden Docht“, der nicht ausgelöscht werden
soll. (Jes.42; Mt 12)
Und so betrachten wir in unseren u.a. Vorschlägen die vielfältigen
Familienformen und Lebensstile nicht als defizitär, sondern als Bereicherung, nicht romantisierend, sondern als Herausforderung in
einer Situation, die historisch ohne Beispiel ist und darum ohne Vorbilder, Leitbilder, Regeln. Wie Aufwachsen von Kindern unter diesen
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Bedingungen möglich ist, wie das Zusammenleben und das gegenseitige Akzeptieren, Unterstützen, Voneinander-Lernen in vielfältigen, sich weiter verändernden Familienkonstellationen „funktioniert“
– das herauszufinden und damit zu experimentieren, dazu sollen die
folgenden Praxisbeispiele ermutigen.
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Arbeitshilfe für Gemeinden
2. Realitäten und Erkundungen
2.1 Wie lebt ihr eigentlich?
Kinder wachsen in Familien auf. Diese Feststellung gilt nach wie vor
für den größten Teil unserer Kinder.
Nach Datenerhebungen der Bertelsmannstiftung im Jahr 2003 lebte
http://www.bertels
mann-stiftung.de
jeder zweite in Deutschland in familiären Lebensformen, d.h. in einer Familie, in der mindestens zwei aufeinander bezogene Generationen, die zueinander in einer Eltern-Kind-Beziehung stehen.
Um in Kirche und Gemeinde angemessene Angebotsformen und
Konzepte zu finden, die die Realität der Familien treffen, die um den
Kirchturm wohnen, ist es notwendig zu recherchieren. Kinder fragen
viel und gerne und sind deshalb ideale Partner für ein solches Vorhaben.
Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn viele Menschen empfinden das
Zusammenleben in ihrer Familie als intime Angelegenheit und betrachten es als Verletzung ihrer Intimsphäre, wenn sie zu ihren „Familienverhältnissen“ ausgefragt werden.
Also kann es nur darum gehen in eher anonymer Form und mit
kindgerechten Fragen Informationen zusammen zu tragen, die helfen, das Gemeindekonzept und die Angebtosstruktur familienfreundlicher und angepasst an die regionalen Verhältnisse auszugestalten.
Wir schlagen vor, gemeinsam mit Kindern einen Fragebogen „Familienfreundliche Gemeinde“ zu entwickeln.
Ausgestattet mit Fragebogen und Stiften oder Fragebogen und Aufnahmegerät interviewen Kinder sich gegenseitig, ihre Eltern, Gottesdienstbesucher, Gruppen in der Gemeinde, Mitarbeiter des Gemein16 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
deamts, das Presbyterium, Menschen auf der Strasse vor der Kirche
oder dem Supermarkt im Ort ...
Sie sammeln Informationen zur Lebenslage von Familien auf dem
Gebiet ihrer Gemeinde, zu Angeboten in der Gemeinde, an denen
Familien teilnehmen können und fragen nach Verbesserungsvorschlägen und Wünschen. Fotos aus Gruppen der Gemeinde, von
Familien, selbst gemalte Bilder der Kinder etc. ergänzen und bereichern die Aussagen.
Die gesammelten Informationen werden von den Kindern anschaulich zusammengefasst. Eine Gemeindeversammlung z.B. im Anschluss an einen Familiengottesdienst würdigt die Ergebnisse und
wertet aus, was umsetzbar ist. Oder es findet ein Aktionstag mit Ausstellung der Ergebnisse und Diskussionsforen (im „Tandem“ Kinder
und Erwachsene geleitet) statt.
Mögliche Fragen könnten sein?
Was verstehst Du/ was verstehen Sie unter Familie?
-
-
-
-
-
Ein verheiratetes Ehepaar mit Kindern
Ein unverheiratet zusammenlebendes Paar mit Kindern?
Drei Generationen, die zusammenleben (Großeltern, Eltern,
Kinder)
Ein alleinerziehender Vater, eine alleinerziehende Mutter mit
Kind oder Kindern
Ein verheiratetes Paar ohne Kinder
Ein unverheiratet zusammenlebendes Paar ohne Kinder
Zwei Männer oder zwei Frauen, die in einer festen Lebensgemeinschaft mit Kindern leben
Zwei Männer oder zwei Frauen, die in einer festen Lebensgemeinschaft leben
Nichts davon
Welche Angebote für Familien gibt es in unserer Gemeinde?
_______ 17
Bitte diese Liste
lediglich als Anregung verstehen.
Je kürzer und präziser die Fragen,
um so mehr lässt
sich mit den Antworten anfangen
und je kürzer der
Fragebogen, um so
mehr Menschen
können beteiligt
werden.
Arbeitshilfe für Gemeinden
(evtl. Liste mit bestehenden oder möglichen Angeboten zur Auswahl
anbieten und an Veranstaltungen denken, auf denen nicht Familie
draufsteht, mit denen aber auch Familien gemeint sind)
Wer nimmt daran teil? Eher Mütter mit Kindern, die ganze Familie,
nur die Kinder?
Wo kommen die Familien her? Von hier, zugezogen, Migranten…?
Welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die Arbeit mit Familien verantwortlich?
Welche Räume/Plätze stehen in unserer Gemeinde Familien zur Verfügung?
Welche Menschen befassen sich mit dem Thema Familie in unserer
Gemeinde?
Was ist für dich/sie familienfreundlich?
Wie sieht eine familienfreundliche Gemeinde aus?
Was sollte eine familienfreundliche Gemeinde anbieten?
Welche Rechte haben Familien in unserer Gemeinde?
…
Um die Realität der Lebenssituation von Familien in der Gemeinde
zu erfassen, kann eine Recherche nur ein Teil der Arbeit sein.
Begegnungsmöglichkeiten schaffen ist die andere Seite:
Wo finden in der Gemeinde Begegnungen zwischen Familien unterschiedlicher Herkunft statt (Familien mit Migrationshintergrund, aus
unterschiedlichen sozialen Lagen, kinderreiche Familien, Familien
mit Kindern mit Behinderungen)? Beim Basar? Bei gemeinsamen
Festen, in Gruppen…?
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
2.2 Alle Jahre wieder
Immer wieder kehrende Rituale, Feste und Bräuche halten seit
Menschengedenken Familien zusammen und stiften Identität.
Vieles ist im modernen Leben verloren gegangen (wer lässt heute
noch sein Haus vor dem Einzug segnen?), vieles ist aus dem Hoheitsgebiet der Kirchen ausgewandert in weltliche Rituale (Trauung
im Standesamt im weißen Kleid).
Fast alles, was Wegstationen im Leben markiert, spielt eine große
Rolle im Leben einer Familie. Geburt, Taufe, Geburtstag, Hochzeit,
Beerdigung werden gemeinsam gefeiert und tragen zum Zusammenhalt der Familie bei.
Immer wieder beklagen Großeltern, dass Kinder keine Bräuche mehr
kennen, und Kindern wird in ihren Familien nur noch ein kleiner
Teil traditioneller Rituale vorgelebt.
Wenn Kinder ein Recht auf Familie haben, dann verbindet sich damit
auch das Recht auf das Kennenlernen von Ritualen und Bräuchen.
Kinder lieben Rituale, sie geben ihnen Halt und Geborgenheit. Rituale schaffen ein Zugehörigkeitsgefühl. Dabei ist es egal, ob es sich um
kleine Momente im Alltag einer Familie handelt (Tischgebet, GuteNacht-Geschichte) oder große Feiern mit zeremoniell festgelegtem
Ablauf (Hochzeit, Schützenfest).
Ein Blick über den Tellerrand des eigenen Wissens lohnt sich. Bei
Internetrecherchen oder beim Stöbern in der Bibliothek tun sich ungeahnte Dimensionen religiöser und weltlicher Rituale auf, die sich
mit Kindern erkunden und ausprobieren lassen.
_______ 19
Das kulturwissenschaftliche Standardwerk:
Ingeborg WeberKellermann: Saure
Wochen – frohe
Feste. Fest und
Alltag in der
Sprache der Bräuche. München
Arbeitshilfe für Gemeinden
Kindern haben Freude am Entdecken und vor allem feiern sie geNominiert für den
deutschen Jugendliteraturpreis
2006 in der Kategorie Sachbücher
ist „Das große
Familienbuch der
Feste und Bräuche“ von Christa
Holtei.
Ebenfalls modern
und empfehlenswert ist das „Aktionsbuch Feste,
Bräuche, Rituale“
von Brigitte VomWege, Herder Verlag, 2005
Interessante und
oft hierzulande
völlig unbekannte
Bräuche finden
sich in zahlreichen Internetseiten. Empfehlenswert sind:
www.religioesesbrauchtum.de
www.weihnachtsst
adt.de
nauso gerne wie Erwachsene.
Hätten Sie´s gewusst:
Luzientag
Beim vorwiegend in Skandinavien verbreiteten Brauch der Luzienbraut trägt am Morgen des 13. Dezember das älteste Mädchen der
Familie einen Kranz aus Preiselbeeren mit brennenden Kerzen. Sie
ist bekleidet mit einem langen, weißen Kleid und einer Lichterkrone
auf dem Kopf. Ihre Begleiter sind Mädchen und Jungen, die ebenfalls weiße Gewänder tragen. Sie wecken alle Familienmitglieder
und bringen ihnen Frühstück ans Bett.
Die Eierweihe
Die erste Eierweihe wird im 12. Jahrhundert durchgeführt und hat
wohl den gleichen Ursprung wie die Weihe anderer Speisen zu Ostern. Nach dem Fasten sollte das lange Verbotene als geweihte Speise genossen werden. Früher wurden vor allem die „Antlasseier“ (Eier, die am Gründonnerstag gelegt wurden) zur Weihe getragen. Die
geweihten Eier galten als Schutz gegen das Heben von Lasten, wur-
www.advent-ist-imdezember.de
den in Äckern vergraben, um das Wachstum zu fördern und die
www.osterseiten.d
e
Ernte vor Unwettern zu bewahren. Oder Schalen dieser Eier wurden
www. wikipedia.de
Suchwort: Jüdisches Brauchtum
mit der Asche des Osterfeuers auf die Äcker gestreut, um den Ertrag
zu vergrößern.
www.fificus.de/an
lass.html
20 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
2.3 Das ist meine Familie
Von Patchworkfamilien und Fortsetzungsfamilien, Ein-ElternFamilien, Pflegefamilien und Mehrgenerationenhaushalten wird
nicht nur in der Familienpolitik geredet. Neue Formen familiären
Zusammenlebens prägen heutige Kinder, und Kinder kennen sich in
einer Fülle von Familienkonstellationen aus.
Mit den genannten Begriffen ist das Spektrum des Zusammenlebens
von Kindern und Erwachsenen noch längst nicht abgedeckt. Für Kinder werden Heimgruppe, Familiengruppe im SOS Kinderdorf oder
im Friedensdorf International, die Gruppe in der Einrichtung für behinderte Kinder, die alten Menschen im Wohnprojekt oder die
Freunde in der Wohngemeinschaft zu gleichrangigen Familienmitgliedern.
In der Regel sind alle genannten Einrichtungen offen für Besucher
und gesprächsbereit. Kinder, die nicht in ihren leiblichen Familien
leben, können und wollen frei erzählen, wo und mit wem sie zusammenleben und vor allem, was sie dort in der Gemeinschaft erleben.
Das Bild vom abgeschotteten Heimkind hinter Mauern gehört in die
Mottenkiste der Geschichte, und die Familienfreundlichkeit einer
Kirchengemeinde zeigt sich auch an ihrer Offenheit und Kooperationsbereitschaft gegenüber Einrichtungen, die für Kinder zur Ersatzfamilien werden.
Wir möchten dazu ermutigen, am jeweiligen Ort Kontakt zu Einrichtungen aufzunehmen, in denen Kinder leben und von denen Kinder
sagen: „Das ist meine Familie“.
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Arbeitshilfe für Gemeinden
Die Internetseite der deutschen SOS Kinderdörfer startet mit dem
Satz „Wir sind Familie!“
Der Name SOS-Kinderdorf signalisiert: Hier finden Mädchen und
www.soskinderdorf.de
www.friedensdorf.
de
Jungen , die nicht in ihrem Elternhaus aufwachsen können, ein Zuhause. Sie leben zusammen mit ihrer SOS-Kinderdorf-Mutter und
Geschwistern in einem Haus, rund um die Uhr. Dort wird gespielt,
gelacht, gestritten und gefeiert wie in einer richtigen Familie.
Informationen
finden sich u.a.
unter:
www.wohnbundberatung-nrw.de
oder
www.werkstattstadt.de
In Projekten wie „Generationenwohnen“ wird der Wunsch vieler
Menschen nach einem Zusammenleben von Alt und Jung verwirklicht. Ältere verlassen ihr zu groß gewordenes Haus und Familien
ihre zu klein gewordene Wohnung und ziehen in Wohnprojekte.
Auf freiwilliger Basis helfen und unterstützen sich ältere Menschen
und Familien gegenseitig. Kinder finden Ersatzgroßeltern und Menschen, die sich nicht mehr so gut bewegen können, Nachbarn, die
ihnen Einkäufe bringen und den Alltag erleichtern.
Fast alle Projekte verfügen über großzügige Gemeinschaftsräume, in
denen auch einmal eine Kindergruppe oder sonstiger Besuch einer
Kirchengemeinde Platz für ein Kennen lernen finden kann.
In Wohngemeinschaften leben nicht nur Studenten oder Aussteiger,
sondern auch Familien, die sich für ein gemeinschaftliches Leben
entschieden haben und nicht nur Zeit, sondern oft auch ihr Geld und
ihre Freizeit miteinander teilen.
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Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Es lohnt sich zu suchen und mit Kindern diese Form des Zusammenlebens zu erkunden, gemeinsam zu feiern und sich kennen zu
lernen.
Kinder mit Behinderungen sind in vielen Gemeinde nicht sichtbar,
weil sie entweder tagsüber in einer Ganztagsschulen sind oder außerhalb ihrer Familien in Einrichtungen leben. Inzwischen gehen
viele, auch die großen Einrichtungen wie Bethel in Bielefeld oder
Hephata in Mönchengladbach, dazu über, Kinder und Jugendliche in
Wohngruppen zusammenzufassen und in familienähnlicher Atmosphäre miteinander zu leben. Auch diese Gruppen sind „Familie“,
und Besuche hin oder her bereichern eine Gemeinde.
Eine Kurzinformation zum Erfolg der Wohngruppen der evangelischen Stiftung Hephata findet sich unter
www.vnr.de/vnr/personalfuehrung/sozialmanagement/praxistipp_23
627.html
_______ 23
Informationen zu
evangelische Gemeinschaften und
Klöstern auch in
ihrer Nähe finden
sich unter:
www.kommunitaet
en.de,
aber auch unter
www.ordenonline.de
Wohn- und Dorfgemeinschaften,
die naturnahes
Leben zum Ziel
haben, finden sich
unter:
www.gemeinschaft
en.de
Arbeitshilfe für Gemeinden
3. Aktion und Ideen
3.1 „Wir sind Familie …“
Anregungen für die Gestaltung eines Gemeindefests
Ein Gemeindefest zum Thema „Familie“ – dieser Vorschlag klingt
irgendwie absurd. Was sind Gemeindefeste anderes als Familienfeste. Kinder und Jugendliche, Väter und Mütter, Omas und Opas und
alle die alleine leben sollen miteinander feiern und sich als Gemeinschaft erleben. Das ist selbstverständlich.
Warum also nicht das Thema „Familie“ deutlich benennen und versuchen als Gemeinde, Familien zu würdigen und zu ihrem Zusammenhalt beizutragen?
Warum also nicht gezielt Aktionen und Ideen zusammentragen, die
die Generationen untereinander vernetzen und zu einem besseren
Kennenlernen beitragen?
Warum also nicht in der Planung fragen und entdecken, wo gemeinsame Interessen von Jung und Alt liegen und im Rahmen eines Festes Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung aufzeigen?
Werbung und Einladung
Schließen wir nicht alle aus, die nicht in Familien leben, die unseren
herkömmlichen Vorstellungen entsprechen, wenn wir als Gemeinde
zu einem Fest zum Thema „Familie“ einladen? Diese Frage ist ernst
zu nehmen und schon im Motto des Festes zu bedenken. Wie kann
es gelingen, neben Familien auch alle die anzusprechen, die alleine
leben oder in Partnerschaften, die sie selbst nicht als Familie definieren?
24 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Alle noch so schönen Plakate und Handzettel verfehlen ihre Wirkung, wenn nicht persönlich eingeladen wird. Wie wäre es, wenn die
Kinder aus der Kindertagesstätte oder einer Kindergruppe in den Seniorenkreis oder in die Altentagesstätte gehen und einladen. Oder:
der Frauenkreis besucht die Spielgruppe oder den Krabbelgottesdienst. Ehrenamtliche aus dem Besuchsdienstkreis erweitern ihren
monatlichen Plan und besuchen alle jungen Eltern. Presbyter teilen
sich die Gruppen und Kreise der Gemeinde und alle, die das Gemeindehaus als Veranstaltungsort mieten, untereinander auf und
werben im persönlichen Gespräch.
Die Schulen werden besucht, der Sportverein, die katholische Gemeinde, der Jugendtreff und die Diakoniestation…
Vorbereitung
Wenn möglichst viele Menschen und Personengruppen angesprochen werden sollen, ist es notwendig, auch möglichst viele an der
Vorbereitung zu beteiligen. Wenn es gelingt, schon den Vorbereitungskreis generationenübergreifend zu besetzen, dann kann es auch
gelingen alle Generationen, Gruppen und Kreise zu motivieren ein
Angebot zu machen.
Das Fest
Eröffnung und Abschluss des Gemeindefestes sollten in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Motto und dem Ziel des Festes
stehen. Beteiligung und Mitgestaltung möglichst vieler sollte das Ziel
sein.
_______ 25
Ein Vorschlag für
einen Familiengottesdienst findet sich auf Seite….
Arbeitshilfe für Gemeinden
Aktionen und (Mitmach)Angebote, Essen und Trinken, Information
und Unterhaltung, Spiel und Spaß, Musik und Kreatives bilden das
Gerüst eines fröhlichen Familienfestes.
Hier einige Anregungen für Aktionen, die verschiedene Zielen dienen können:
Familien würdigen und in ihrem Zusammenhalt stärken, Familien und
einzelne Personen in der Gemeinde miteinander bekannt machen und
vernetzen
Familien treten als Team bei verschiedenen Wettspielen an und spielen entweder mit- oder gegeneinander, einzelne Personen suchen
sich eine Familie und schließen sich als Teammitglied an.
Mit Sicherheit beliebt sind Klassiker wie Schubkarren- oder Eierlauf,
Spielideen aller
Art finden sich
unter
www.spieledatenba
nk.de , die Spielkarte der Evangelischen Kirche im
Rheinland.
Sackhüpfen und Stafetten, Knobel- und Denkspiele oder auch kooperative Spiele und Partnerspiele.
Generationen miteinander in Kontakt bringen
Aktionsstand „Familienfoto“
In der Vorbereitung
 Gegenstände für „familiäre“ Kulissen suchen und bereithalten
(Omas Sofa, Tisch mit Kaffeegedeck, gemalte Küchenkulisse,
Gartenbank, Spielzimmer etc.)
 Sachen zum Verkleiden (Mamas Brautkleid, Opas Mantel, Hüte und Perücken, Tücher, Hemd und Schlips, Schürze und
Babylätzchen, cooles T-Shirt und rosa Pullover … was auch
immer die Kleiderkammer der Gemeinde, die Verkleidungskiste der Kindertagesstätte oder die Theater-AG der Schule
ausleihen können) und Schminken
 Kameras ausleihen (möglichst digitale, gleich mit Notebook
und Drucker, damit die Fotos ausgedruckt und aufgehängt
26 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
werden können, oder anbieten, dass die Fotos als Ausstellung
im Gemeindehaus zu besichtigen sein werden)
Während des Gemeindefestes können sich alle Besucher aus den
Reihen der Anwesenden Familien zusammenstellen, um sich selbst
mit „fremden“ Kindern, Omas, Tanten etc. fotografieren zu lassen.
Back- oder Kochstube „Alt und Jung zusammen“
Unter der Bedingung, dass immer Kinder/Jugendliche mit Erwachsenen/Senioren zusammenarbeiten, werden während des Festes
Waffeln gebacken oder Snacks vorbereitet, die auch gleich verkauft
oder verteilt werden können. D.h. über ein schwarzes Brett machen
sich Kinder/Jugendliche oder Erwachsene /Senioren bekannt, die
Koch- oder Backpartner für bestimmte Uhrzeiten suchen.
Oder im Vorfeld des Festes wird in der Gemeindeküche generationenübgreifend gekocht oder gebacken.
Bastel-oder Kreativstand: “So machten wir das früher“
Senioren basteln mit Kindern, Jugendlichen oder jüngeren Erwachsenen so wie in ihrer Kindheit (Strohpuppen, Topflappen häkeln,
Laubsägearbeiten, Papier falten… welche Talente auch immer in der
Gemeinde vorhanden sind).
Erzähl- oder Geschichtenzelt: „Meine Lieblingsgeschichte“
Alte und Junge, Kinder und Erwachsene erzählen sich gegenseitig
Geschichten, die sie lieben, oder lesen aus Lieblingsbüchern vor.
Oder ein offenes Gesprächsangebot: „So war das früher, so ist es heute!“
Themen wie Schule, Spielen im Freien, Urlaub, Berufswahl …. werden im Dialog zwischen Alt und Jung besprochen.
_______ 27
Arbeitshilfe für Gemeinden
Gemeinsame Interessen entdecken und pflegen
„Ich kann, ich suche, ich biete, ich wünsche mir…“
Pinwände und schwarze Bretter laden ein zum Bekenntnis zu Hobbys, Leidenschaften, Interessengebieten oder Problemen und Fragen.
Beispiele:
Ich habe eine tolle Briefmarkensammlung und zeige sie gerne – wer
hat Interesse am XX um XX Uhr ins Gemeindehaus zu kommen?
Ich sehe nicht mehr so gut und brauche Hilfe beim Basteln an meiner Modelleisenbahn…
Wer kann mir zeigen, wie man Socken strickt?
Ich würde gerne Babykleidung tauschen…
Wer hat Interesse an Pflanzenablegern aus meinem Garten? Oder an
Kompost? Wer hilft mir beim Obst pflücken?
Wer kann mir zeigen, wie man tapeziert?
Ich kann gut Englisch und habe nachmittags Zeit und Lust, Englisch
zu reden, Vokabeln abzuhören…
Ich spiele Flöte und langweile mich, wenn ich immer alleine spielen
soll….
„Was geht zusammen?“
Musikalische Angebote während des Festes (Offenes Singen, Volkstanz…) führen zusammen und machen allen Freude. Gemeinsam
singen geht immer. Die interessante Frage ist, welche Lieder, wenn
junge und alte Menschen gemeinsam singen wollen.
28 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Möglichkeiten gegenseitiger Hilfe und Unterstützung entdecken
Schon wieder waren die privaten Medien schneller. Seit einigen Wochen läuft erfolgreich die Abendsendung „Familie gesucht“. Warum
sind wir nicht schon längst in unserer Gemeinde auf so eine Idee gekommen? Es geht um „Omas und/oder Opas“, die Zeit für und Lust
auf eine Familie haben. Sei es gelegentlicher Aufpasserdienst, wenn
Mama und Papa mal ins Kino wollen, oder regelmäßige Anwesenheit
und (Mit)Leben in der Familie zu gemeinsam festgelegten Zeiten.
Oder es macht Sinn, einfach Zeit mit Kindern außerhalb von deren
Familie zu verbringen und zu tun, was Omas und Opas so tun: Im
Park spazieren gehen, Eis essen, gemeinsam einkaufen…
Über einen Infotisch mit motivierten Ansprechpartnern, über Aktionen oder ein kleines Theaterstück könnte ein Familien-Gemeindefest
der Startschuss für eine solche Aktivität sein.
Denkbar ist auch die Einrichtung eines „Babysitterdienstes“ mit Jugendlichen, die ihr Taschengeld aufbessern wollen. Selbstverständlich mit vorheriger Schulung (selbst organisiert durch erfahrene Mütter oder über Vermittlung in Kurse der Familienbildung).
Informationen über die eigene Gemeinde weitergeben
Stellwand mit Auszügen aus dem Gemeindebrief, die besten Fotos
der letzten Jugendfreizeit und das Programm der Frauenhilfe – das
kennen wir und ist eine wichtige Informationsquelle für Besucher
eines Gemeindefests.
Aber was ist mit Informationen wie:
Was wünschen sich Kinder, Jugendliche, Familien, Senioren von und
für unsere Gemeinde?
_______ 29
Arbeitshilfe für Gemeinden
Was muss sich ändern, damit sich alle wohlfühlen?
Wie kindgerecht, senioren- oder behindertengerecht ist unser Gemeindehaus?
Wer lebt um unseren Kirchenturm? (Kinder, Jugendliche, Erwachsene erstellen/malen eine Statistik der Gemeinde)
Um dem Ziel einer stärkeren Vernetzung der Gemeinde näher zu
kommen, ist es notwendig nach allem zu fragen, was im Argen liegt.
Selbstverständlich tun dies eine Gemeindeleitung und/oder die
hauptamtlich in der Gemeinde arbeitenden Menschen regelmäßig.
Detaillierte Antworten und die wirklichen Bedürfnisse aller Generationen sind allerdings nur zu erfahren, wenn eine Gemeinde im Gespräch mit Familien ist bzw. alle Generationen ins Gespräch bringt.
Ein Gemeindefest kann auch für eine solche Erhebung einen Startschuss darstellen, indem auf Plakaten Wünsche gesammelt werden.
Mehr Beteiligung an solchen Fragen und das Finden von umsetsiehe auch 3.4.
„Gemeindeversammlung“
zenswerten Projekten ist allerdings nur im Vorfeld zu erreichen.
Gruppen und Kreise, der Besuchsdienst oder wer auch immer organisiert Befragungen, Fotosafaris, ein Forum,oder einen Talk am runden Tisch.
30 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Ergebnisse werden auf dem Gemeindefest präsentiert und zur Umsetzung aufgefordert.
Eine andere Möglichkeit wäre, an einem Stand die Problemanzeigen
einzeln auf Wandzeitungen zu benennen und um Lösungsvorschläge
Eine Fülle von
Ideen zum generationenüberschreitenden Arbeiten in
der Gemeinde findet sich in der
Arbeitshilfe
„Neugier und
mehr“,
zu bitten.
Ein Beispiel:
Problem
Lösungsvorschläge
Die oberen Räume im Gemein-
Spendensammlung zum Einbau
dehaus sind für gehbehinderte
eines Lifters, Hilfe durch Begleiter
Menschen unerreichbar
vor und nach Veranstaltungen, zu
denen Menschen mit Gehbehinderung erwartet werden…, Räume
tauschen,…
_______ 31
zu beziehen zum
Preis von 2,-- € +
Porto über: Amt
für Jugendarbeit
der EKiR, Tel.:
0211/3610-285 oder
als download unter
http://www.jugend
.ekir.de  Shop,
sonstige Arbeitshilfen
Arbeitshilfe für Gemeinden
3.2 Bei uns zu Haus
Kindergottesdienst/ Kinderbibeltag/ Kindergruppe
Der folgende Vorschlag für einen Kindergottesdienst, einen Kinderbibeltag, einen Gruppennachmittag lässt sich nicht nur im Ganzen
durchführen, sondern er ist mit geringen Abwandlungen durchaus
für eine kleine Reihe oder mehrere Nachmittage geeignet.
Zum Beispiel beim ersten Treffen Familienfotos stellen, beim zweiten die Geschichte vom verlorenen Sohn hören und besprechen und
zum Abschluss die kreative Nacharbeit.
Musik zum Ankommen
Begrüßung
Menschenskinderlieder Bd. 2, Nr. 28
Lied: Ein jeder kann kommen
Eingangswort
„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.“
32 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Kerzenritus
„Die erste Kerze zünden wir an für Gott. Er hat uns das Leben gegeben und zu ihm kehrt es auch wieder zurück.
Die zweite Kerze zünden wir an für Jesus. Er hat uns gezeigt, dass
Gott uns liebt und wie wir liebevoll miteinander umgehen können.
Die dritte Kerze zünden wir an für den Heiligen Geist. Er gibt uns
Hoffnung und tröstet uns, wenn wir traurig sind.“
Zwischen den einzelnen Sätzen kann das Lied: Du bist da, wo Menschen leben. Menschenskinderlieder, Bd. 1, Nr. 42, gesungen werden. Je ein Vers nach jedem Satz.
Psalmgebet nach Psalm 46:
Bei dir, Herr, bin ich zu Hause, alles wird gut, wenn du da bist.
Darum bin ich dankbar für alle Geborgenheit und Liebe, die ich erlebe.
Für den Kerzenritus werden drei
große Kerzen benötigt.
Schön ist es, wenn
die Kerzen von
Kindern verziert
wurden (Wachsplatten). Die erste
Kerze mit Symbolen für Gott (z. B.
das Auge im Dreieck, der Regenbogen), die zweite
mit Symbolen für
Jesus (z. B. Kreuz,
Brot, Weinkelch)
und die dritte mit
Symbolen für den
Heiligen Geist (z.
B. Taube, Flamme).
Außerdem sollten
für das Anzünden
lange Streichhölzer verwendet
werden, damit sich
die Kinder nicht
die Finger
verbrennen.
Drei Kinder werden ausgewählt
und beim Anzünden der Text gesprochen
Gut, dass es Menschen gibt, die mich verstehen:
Mutter, Vater, Geschwister Freunde.
Sie meinen es gut mit mir.
Gut, dass ich ein Zuhause habe, ein Zimmer, wo es richtig gemütlich
ist.
Dort kann ich mich wohl fühlen.
Bei dir, Herr, bin ich zu Hause, alles wird gut, wenn du da bist.
_______ 33
Aus: „Sagt Gott,
wie wunderbar er
ist“, Nr. 40, alte
Ausgabe
Arbeitshilfe für Gemeinden
Darum brauche ich nicht zu verzweifeln, wenn es mir schlecht geht.
Schlimm ist es, wenn Angst über mich kommt:
Hoffentlich passiert meinen Eltern nichts. Manchmal kann ich nicht
einschlafen.
Dunkle Gedanken halten mich fest.
Schlimm ist es, wenn ich etwas angestellt habe.
Dann sind plötzlich alle gegen mich.
Sie reden auf mich ein, und ich weiß nicht, wie ich es wieder gut machen soll.
Bei dir, Herr, bin ich zu Hause, alles wird gut, wenn du da bist.
Darum kann ich mich unbeschwert freuen.
Es gibt so viel Schönes in meinem Leben.
Schön ist es, wenn mir etwas gelingt:
Wenn ich arbeite oder lerne, bastle oder spiele.
Ich habe etwas geschafft, und es ist gut geworden.
Schön ist es, wenn ich einen Nachmittag frei habe.
Da kann ich spielen, herumtollen und mit Freunden losziehen.
Ich habe gesunde Hände und Füße, kann sehen, hören und riechen.
Bei dir, Herr, bin ich zu Hause, alles wird gut, wenn du da bist. AMenschenskinderlieder, Bd. 2. Nr.29
men
Lied: Einander brauchen
Hinführung zum Thema:
Familienfotos stellen
34 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Die Kinder stellen nacheinander ein „Foto“ ihrer eigenen Familie.
Sie suchen andere Kinder aus, die verschiedene Mitglieder ihrer Familie verkörpern und ordnen sie nach ihrer Vorstellung an. Wenn
das „Foto“ für sie stimmt, wird es spielerisch „geknipst“. Oder besser,
mit einer vorhandenen Digitalkamera festhalten und später den Kindern zur Verfügung stellen.
Überleitung
Jetzt haben wir uns Zeit genommen, einen Blick auf unsere eigenen
Familien zu werfen. Da gab es ganz verschiedene Fotos zu sehen:
wer darauf war, wie die Familie angeordnet war. Ich möchte euch
nun eine Familie vorstellen. Von der Jesus erzählt hat.
Geschichte: Der verlorene Sohn (Lk 15, 11-32)
„Da war einmal ein Vater, der hatte zwei Söhne. Er lebte mit ihnen
auf seinem Bauernhof. Er hatte einen großen Hof mit Feldern und
Tieren, Knechten und Mägden. Seine Söhne arbeiteten fleißig mit.
Der ältere Sohn würde einmal den ganzen Hof erben, dann, wenn
der Vater tot ist. Der jüngere Sohn bekäme Geld, damit er sich einen
eigenen Bauernhof kaufen kann. So war es üblich. Doch eines Tages
dachte der Jüngere: „Warum soll ich eigentlich hier auf dem Bauernhof von meinem Vater noch weiter mitarbeiten? Später bekommt ihn
ja sowieso mein Bruder. Am liebsten würde ich jetzt sofort weggehen
und ein eigenes Leben anfangen. Aber dazu brauche ich Geld. Hm,
hm. Ich hab’s! Ich bitte einfach meinen Vater darum, dass er mir
mein Geld jetzt schon gibt. Warum soll ich warten bis er tot ist. Jetzt
will ich ein neues Leben anfangen!“ Und wirklich, der Jüngere ging
_______ 35
(Noch mehr Spaß
macht eine solche
Aktion, wenn es
auch einen schönen Hintergrund
für die Fotos gibt.
Zum Beispiel ein
Sofa auf dem die
Familie Platz
nimmt, eine neutrale Wand, damit
die Familie nicht
vor irgendwelchen Plakaten
oder gebastelten
Kindergottesdienst-Schätzen
steht oder draußen im Grünen…)
Arbeitshilfe für Gemeinden
zu seinem Vater. „Vater,“ sagte er. „Ich möchte nicht mehr hier bleiben. Der Hof wird doch eines Tages eh meinem älteren Bruder gehören. Ich möchte jetzt schon los und mein eigenes Leben leben. Bitte,
kannst Du mir nicht schon mein Geld geben?“ Sein Vater wurde
traurig, als er das hörte. Denn er hatte seinen Sohn lieb und hätte ihn
gern noch länger bei sich gehabt. Aber weil er ihn lieb hatte, war er
auch bereit ihn gehen zu lassen. „Es ist gut,“ sagte der Vater, „wenn
du meinst, dass du das tun musst. Ich will dich gern unterstützen
und dir dein Geld jetzt schon geben.“ Und so geschah es. Der Jüngere Sohn bekam sein Geld, packte seine Sachen, verabschiedete sich
bei seinem Vater und seinem Bruder und ging los. Der Vater und der
ältere Bruder sahen ihm nach. „Ich verstehe nicht, warum er weggeht?“ sagte der Ältere. „Ich schon,“ meinte der Vater. „Er will sein
Leben leben, nicht unseres hier auf dem Bauernhof. Ich wünsche
ihm viel Glück. Aber ich bin auch traurig. Gut, dass du noch bei mir
bist!“ Dann gingen beide wieder an ihre Arbeit. Auf einem Bauernhof ist immer viel zu tun.
Der jüngere Sohn wanderte vergnügt los. Endlich war er sein eigener
Herr und konnte tun und lassen, was er wollte. Keiner sagte ihm
mehr „Geh aufs Feld!“ oder „Füttere die Ziegen!“ Fröhlich pfeifend
lief er, bis er in einen Ort kam. „Ach, ich habe Hunger und Durst!“
dachte er. „Da vorn ist ein Wirtshaus! Und ich habe ja Geld! Ich gehe
rein und bestelle mir etwas zu essen und trinken.“ Das tat er auch.
Und am nächsten Tag. Und am übernächsten... Die anderen, die im
Wirtshaus saßen, hatten bemerkt, dass der junge Mann wohl Geld
hatte. Sie sprachen ihn an, freundeten sich mit ihm an. Der jüngere
Sohn fand das toll. „Ihr seid jetzt meine Freunde!“ rief er. „Ich lade
euch ein! Was wollt ihr essen? Was trinken? Ich bezahle für euch!“
36 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
So ging es viele Tage lang. Immer bezahlte der Jüngere für seine
neuen Freunde. Und immer wurden es mehr, die sagten: „Wir sind
doch deine Freunde!“ Tja, und eines Tages, da war sein Geld alle. Er
hatte alles ausgegeben. Was sollte er nun tun? „Ich werde einfach
meine Freunde fragen. Die können nun ja auch mal für mich bezahlen.“ Doch als er seine Freunde fragte, da lachten die ihn aus. „Wir
sollen für dich bezahlen? Nee, nee, das kommt gar nicht in Frage!“
sagten sie. „Aber wir sind doch Freunde,“ rief der jüngere Sohn.
„Wenn du kein Geld mehr hast, sind wir auch nicht mehr deine
Freunde!“ Und damit drehten sie sich lachend um und ließen den
jüngeren Sohn stehen. „Was soll ich bloß machen? Hier kann ich ja
nicht bleiben.“ Der Jüngere ging durch die Straßen des Ortes. Er hatte Hunger. Er fragte Menschen nach essen. Schließlich bettelte er.
„Ich brauche Arbeit,“ dachte er. „Ich kann Tiere hüten. Das habe ich
zu Hause auch gemacht.“ So ging er zu einem Bauern und fragte
nach Arbeit. „In Ordnung,“ sagte der Bauer. „Du kannst die Schweine hüten, da draußen, wo es dreckig ist. Aber wehe, du isst den
Schweinen ihr Futter weg!“ Nun saß der jüngere Sohn bei den
Schweinen im Dreck. Er hatte ständig Hunger, denn viel bekam er
nicht. Und manchmal fischte er sich wirklich eine Kartoffelschale aus
dem Schweinefutter und aß sie heimlich auf. „Was mache ich hier
bloß!“ Er war ganz verzweifelt. „Es geht mir so schlecht. Zu Hause
bei meinem Vater geht es keinem so schlecht wie mir hier. Ach,
wenn ich doch wieder zu Hause wäre. Aber so kann ich nicht zu
meinem Vater zurück. Ich habe ihn enttäuscht. Alles Geld habe ich
ausgegeben. Sein Sohn kann ich nicht mehr länger sein. Doch ich
will ihn fragen, ob ich vielleicht für ihn arbeiten darf als ganz einfacher Knecht auf seinem Hof. Ja, das tue ich!“ Der jüngere Sohn
_______ 37
Arbeitshilfe für Gemeinden
sprang auf, ließ die Schweine Schweine sein und lief los. Immer den
Weg nach Hause zu.
Zu Hause war unterdessen alles wie immer. An diesem Mittag stand
der Vater vor seiner Haustür und schaute den Weg entlang. Da kam
einer auf dem Weg. Der Vater strengte seine Augen an. Wer konnte
das nur sein? Irgendetwas an diesem Menschen kam dem Vater bekannt vor. War es die Kleidung? Der Vater blinzelte. Nein, der sah ja
ziemlich zerlumpt aus. War es die Art, wie dieser Mensch ging? Der
Vater sah noch einmal hin. Diesen Gang kannte er, sogar gut. War
nicht sein jüngerer Sohn immer so gegangen? Der Vater sprang auf
und rannte los. Er lief dem anderen entgegen. Ja, es war sein jüngerer Sohn. Der Vater breitete seine Arme aus. Da blieb der jüngere
Sohn ein bisschen vor ihm stehen. „Vater, ich habe alles Geld einfach
ausgegeben. Jetzt bin ich ein Bettler. Ich habe dich enttäuscht. Ich
kann nicht mehr dein Sohn sein. Aber darf ich als Knecht für dich
arbeiten. Ich habe solchen Hunger!“ Da machte der Vater noch einen
Schritt auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. „Meine Junge,“
murmelte er, „mein Junge, dass du wieder da bist!“ Er führte ihn
zum Hof. Dann rief er die Knechte: „Mein Sohn ist wieder da! Macht
das Badewasser heiß. Holt frische Kleider! Schlachtet ein Kalb und
bereitet ein Festessen. Das muss gefeiert werden!“ Und so geschah
es.
Mitten im fröhlichen Fest kam der ältere Bruder nach Hause. Er hatte den ganzen Tag auf dem Feld gearbeitet. „He, Knecht, was ist das
für ein fröhlicher Lärm aus dem Haus?“ „Weißt du es noch nicht?
Dein Bruder ist wieder da. Er war ziemlich verlottert. Aber dein Vater
freut sich so, dass wir gleich ein Kalb schlachten mussten und jetzt
wird gefeiert.“ Da wurde der ältere Sohn eifersüchtig und wütend
38 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
und wollte nicht ins Haus gehen. Sein Vater kam heraus. „Komm
herein, feiere mit uns! Dein Bruder ist wieder da!“ „Nein,“ schrie der
Ältere, „das ist ungerecht! Der haut ab, gibt dein ganzes Geld aus und
taucht hier wieder auf, als ob nichts gewesen wäre. Du machst sogar
ein Fest für ihn. Wenn meine Freunde und ich mal feiern wollten,
dann hast du uns noch nie ein Kalb gegeben!“ Da legte der Vater seinem Großen den Arm um die Schulter. „Weißt du, du bist die ganze
Zeit bei mir gewesen. Und darüber bin ich sehr froh. Alles, was mir
gehört, gehört auch dir. Du kannst es dir nehmen. Aber dein Bruder
war weg. Ich wusste nichts mehr von ihm. Er hätte tot sein können,
ohne dass ich es wusste. Er hat mir gefehlt. Nun ist er wieder da, lebendig und heil. Darüber bin ich so froh. Und es tut ihm sehr leid.
Ach, komm. Freu dich doch mit mir!“ Und der Vater zog seinen
Großen mit ins Haus, zum Fest und zu seinem Bruder.“
Kreative Vertiefung
Zunächst stellen die Kinder Familienfotos zu verschiedenen Szenen
der Geschichte.
(Auch hier ist es gut, die Szenen tatsächlich zu fotografieren)
Gemeinsam wird überlegt, ob die Szenen getroffen sind. Dann wird
überlegt, wie wohl ein Abschlussfoto der Familie aussehen würde.
Die Kinder können an diesem Abschlussfoto ändern, Personen ergänzen oder weglassen. Bei jedem gestellten Foto wird überlegt, ob
so eine Familie ist und ob es wohl eine heile Familie ist.
Mögliche Fragen an die Kinder können sein:
_______ 39
Arbeitshilfe für Gemeinden
„Ich frage mich, warum Jesus wohl diese Geschichte erzählt? Ich frage mich, wer die Brüder wohl in Wirklichkeit sind? Ich frage mich,
wer wohl der Vater in Wirklichkeit ist? Ich frage mich, ob ich wohl in
der Geschichte vorkomme?“
Anschließend gestalten die Kinder Collagen zum Thema „Heile FaRechtzeitig dran
denken, alte Zeitschriften oder
Bilder zu sammeln! Große Papierbögen zum
Bekleben besorgen
milie ist...“ Dazu sucht sich jedes Kind zwei Fotos oder Ausschnitte
aus zwei Fotos aus.
Fotos oder Ausschnitte ausreißen, nicht schneiden. Das macht die
Collage interessanter.
Jedes Kind überlegt sich, wo es auf seinem Papier die Bilder anordnet. Dann werden die beiden Bilder aufgeklebt. Mit Wachmalstiften
oder Kreiden wird das Bild weiter gestaltet (z. B. das Bild mit einer
eigenen Zeichnung verlängern oder ergänzen oder beide Fotos/Ausschnitte miteinander in Beziehung setzen.
Menschenskinderlieder, Bd. 2, Nr.
119
Menschenskinderlieder, Bd. 1, Nr. 91
Lied:
Wie ein Fest nach langer Trauer
Oder: Komm, bau ein Haus
Gebet/Fürbitte (Dank, dass Gott uns als Familie annimmt und wir
seine geliebten und gewünschten Kinder sind / Bitte für Familien in
allen ihren Konstellationen)
Vaterunser
Segen
Menschenskinderlieder, Bd. 2, Nr.82
Lied: Möge die Straße
40 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
3.3 Zu Besuch bei Familie JERI
Ein Familiengottesdienst zum Thema „Familie“
Am Eingang erhalten alle GottesdienstbesucherInnen eine blanco
Spielkarte, auf deren Rückseite ein J oder E oder R oder I aus dem
Fingeralphabet eingetragen ist, und einen Liederzettel
Ablauf
Das Fingeralaphabet findet sich
unter
http://de.wikipedia
.org/wiki/Fingeral
phabet
Musik zum Ankommen
Begrüßung und Hinführung zum Thema
(Worum geht es in diesem Gottesdienst?)
Lied: Kommt alle her
Psalmgebet nach Psalm 86
Kindergesangbuch
Nr. 185
Weise mir Herr Deinen Weg
Zum Beispiel nach Nr. 737 Evangelisches Gesangbuch (EG))
Andreas Eber, Kindergesangbuch,
Claudius Verlag,
€15,80
Lied: Lasst uns miteinander
Kindergesangbuch Nr. 189
Dieses und alle
folgenden Lieder
finden sich aber
auch in vielen der
gebräuchlichen
Liederbücher für
Gemeinde und
Kindergottesdienst
Eingangsgebet
Zum Beispiel Nummer 317 aus dem Kindergesangbuch
Aktion: J E R I
Wer es noch nicht
hat, hier die Bezugsquelle:
(1)
Alle GottesdienstbesucherInnen werden gebeten, während der Erzählpredigt die Person, dessen Anfangsbuchstabe auf ihrer Spielkarte
steht, besonders in den Blick zu nehmen, genau zu beobachten.
_______ 41
Arbeitshilfe für Gemeinden
Erzählpredigt mit 6 Standbildern (siehe unten)
Aktion: J E R I (2)
Alle GottesdienstbesucherInnen werden gebeten eine Verhaltensweise der entsprechenden Person einzutragen und zu beurteilen was
daran familienfreundlich ist (gegenseitige Hilfestellung ist erwünscht). Die Ergebnisse werden mit den Banknachbarn ausgeDas Vater unser
mit Gebärdensprache zu unterstützen ist inzwischen
in vielen Kindergottesdienstgruppen üblich, und
die Kinder können
den Erwachsenen
die Gebärden vormachen
tauscht.
Lied: Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
Kollektenankündigung für ein Familienprojekt
Fürbitten und Vater unser
Lied: Gott dein guter Segen
(Kindergesangbuch Nr. 220)
Wenn sich beim
Segen alle an der
Hand fassen, entsteht viel Gemeinschaft und Nähe
IN den Pass werden alle Familienmitglieder eingetragen, dazu ihre
positiven Eigenschaften, ihre
familienfreundlichen Verhaltensweisen, aber auch
häufige Streitthemen und wer
mit wem streitet
und Vorschläge
zum positiven Umgang mit den Familienkonflikten
Segen
Musik zum Ausgang
Am Ausgang bekommen alle GottesdienstbesucherInnen einen blanco Familienpass, den sie zu Hause ausfüllen können.
Erzählpredigt mit 6 Standbildern zu
1. Mose 25, 19-34 + 27,1-45 + 32,2-22 + 33,1-16
42 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Vorbereitungen zur Erzählpredigt:
Während der Erzählpredigt treten die 4 Familienmitglieder immer
wieder in unterschiedlichen Konstellationen auf und bilden je ein
Standbild/Dia, das zum Geschehen passt.
Hierzu wird zunächst ein großes weißes Tuch/Bettlaken nach vorne
gebracht. Dahinter treten die jeweiligen Familienmitglieder auf und
„erstarren“ zu einem Bild. Jetzt wird das Tuch fallen gelassen und die
Geschichte mit den Personen erzählt. Dann wird das Tuch wieder
hochgehoben und die nächste Szene „eingefroren“. Das Tuch wird
wieder fallen gelassen (wie das Klicken bei einer Diashow) das nächste Standbild gezeigt und die Geschichte dazu weiter erzählt. Zwischendurch stellt ein Kind/Jugendliche/r, eine Mutter, ein Vater, aus
der Gemeinde (von der Bankreihe aus) immer wieder Fragen zu dem
Erzählten und nimmt so als „Anwalt der Familie“ an dem Geschehen
teil.
Ein weißes Tuch wird nach vorne gebracht und hochgehalten
Erzähler/in:
Familien sind so eine Gruppe für sich. Wir kennen das. Alle Menschen auf der Welt haben eine Familie. Es gibt Großfamilien, Kleinfamilien, Ein-Eltern-Familien, Patchwork - Familien usw. Manche
Familien verstehen sich gut, manche gar nicht. Einige kennen sich
sehr gut und andere kennen sich nicht wirklich. Es gibt Streit und
Versöhnung, Liebe und Hass. So wie bei uns in unseren Familien.
Ich möchte euch jetzt von einer alten Familie erzählen. Ich besuchte
die Familie JERI vor langer Zeit. Und wie es so üblich ist, machte ich
ein paar Bilder zur Erinnerung an meinen Besuch. Sechs Bilder habe
ich heute morgen mitgebracht. Ich finde sie zeigen deutlich, wie es
so zugeht, wenn Familien zusammen leben und ...na ja, seht selbst.
_______ 43
Diese Erzählpredigt muss im Vorfeld des Gottesdienstes wie ein
Theaterstück eingeübt werden.
Arbeitshilfe für Gemeinden
1. Bild : Isaak + Rebekka treten auf - beide sind stolz auf ihre Elternschaft (stolz stehen sie da - das Tuch wird fallen gelassen)
Erzähler/in:
Das sind sie. Isaak und Rebekka. Vielleicht habt ihr auch schon von
ihnen gehört ? Isaak ist der Sohn von Abraham und Sara. Isaak heiratete Rebekka. Er war gerade 40 Jahre alt. Beide wollten ein Kind und
beteten zu Gott, er möge ihnen ein Kind schenken. Aber es dauerte
20 Jahre lang bis Rebekka endlich schwanger war. Während der
Schwangerschaft hatte sie große Schmerzen, denn es waren 2 Kinder
in ihrem Bauch, Zwillinge also. Die Kinder stießen sich miteinander
in ihrem Bauch und Rebekka wollte wissen was das bedeutete. Und
Gott sagte zu ihr: „Zwei Kinder sind in deinem Bauch. Der Ältere
wird dem Jüngeren dienen und aus beiden werden große Völker
wachsen.“ - Und Isaak und Rebekka waren sehr stolz als ihre beiden
Kinder endlich geboren wurden...
Kind/Jug. : Was soll denn das heißen ? Das ist doch ungerecht. Beide
werden große Familien haben, aber einer ist Chef über den anderen ?
Der Ältere soll dem Jüngeren dienen. Nee, das ist doch blöd. Warum
soll man darauf stolz sein ?
Das Tuch wird hochgezogen (einen Augenblick Stille)
2. Bild : Esau + Jakob treten auf - beide sind in sich selbst verliebt –
44 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
(selbstverliebt stehen sie da – das Tuch wird fallen gelassen)
Erzähler/in:
Das erste Kind war ein Junge. Er hatte rote Haare und ganz raue
Haut. Sie nannten ihn Esau. Und das zweite Kind war auch ein Junge, aber ganz anders als der Erstgeborene. Er hatte sich an der Ferse
Esaus festgehalten und wurde so praktisch mit raus gezogen. Sie
nannten ihn Jakob, den Hinterlistigen. Beide waren sehr unterschiedlich. Esau lernte das Jagen. Er kam oft mit großer Beute zurück, nachdem er durch die Wälder gestreift war. Er war ein rauer
Mann geworden. Jakob war ein ruhiger Mensch. Er wurde Hirte und
war immer in der Nähe der Zelte. Die beiden haben sich nicht so oft
gesehen, obwohl sie doch Zwillinge waren. Sie haben wohl auch
nicht viel miteinander geredet. Jeder lebte sein eigenes Leben. Und
das war auch gut so. Denn wenn sie ständig etwas zusammen gemacht hätten, hätte es viel Streit und Ärger gegeben. Und so gingen
sie sich meist aus dem Weg.
Kind/Jug. :
Ich kann mir das schon vorstellen. Der Große schlägt irgendwann
den Kleinen und macht ihn fertig. Der sieht schon so stark aus. Und
sicher ist der Kleine Mamas Liebling, da wird der Vater auch nicht
begeistert sein. Wie kann man nur soooo unterschiedlich sein in einer Familie und dann noch als Zwillinge ?
Das Tuch wird hochgezogen (einen Augenblick Stille)
_______ 45
Arbeitshilfe für Gemeinden
3. Bild : Esau und Jakob stehen sich belauernd gegenüber
(beide trauen dem anderen nicht über den Weg, aber beide wollen
etwas vom anderen haben – das Tuch wird fallen gelassen)
Erzähler/in:
Eines Tages ist Esau mal wieder mit tierischem Hunger nach Hause
gekommen. Jakob hatte gerade leckere Linsensuppe gekocht, da lief
einem schon mal das Wasser im Munde zusammen. So auch dem
hungrigen Esau. Er wollte sofort und auf der Stelle ganz viel Essen
haben. Jakob war nicht dumm und wusste, dass er jetzt etwas von
seinem Zwillingsbruder bekommen könnte, wenn er ihm zu essen
gab. Nun war endlich die Gelegenheit da, von Esau das Erstgeburtsrecht zu fordern. Und Esau verkaufte seinem jüngeren Bruder das
Recht auf den Segen des Vaters, weil er meinte, sonst vor Hunger
umzukommen. Und Jakob ließ ihn schwören, dass er jetzt alle Rechte des Erstgeborenen bekam. Dann überließ er seinem Zwillingsbruder das gut schmeckende Linsengericht.
Ein Vater:
So einfach geht das aber nicht. Wenn in unserer Familie das Oberhaupt, also ich, der Vater, entscheidet, wer das Haus oder das Grundstück erbt, kann ein Bruder nicht einfach mal eben dagegen sein.
Und wen ich bevorzuge, entscheide ich. Nee, so geht das nicht.
Eine Mutter:
Stimmt, so geht das auch nicht. Wo leben wir denn? Wieso bekommt
der eine mehr als der andere, oder gar alles und der andere nichts ?
46 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Wenn der eine Hunger hat und der andere das Essen gekocht hat, ja
dann kann er doch auch etwas dafür verlangen, etwas worauf er Hunger hat, oder ?
Das Tuch wird hochgezogen (einen Augenblick Stille)
-----------------------------------------Zwischenmusik-----------------------------------------
4. Bild : Rebekka, Jakob und Isaak treten auf
(Rebekka legt schützend ihre Hand auf Jakobs Schulter, während er
von Isaak gesegnet wird)
Erzähler/in:
Rebekka hatte Jakob besonders lieb und Isaak hatte Esau besonders
lieb. Es war eben so, wie es in vielen Familien ist: einer mag den einen lieber als den anderen. Schlimm ist das nicht. Schlimm wird es,
wenn sich zwei hinterlistig zusammen tun gegen die anderen zwei.
So wie in der Familie JERI. Jakob und Rebekka schmieden den Plan,
Isaak und Esau zu hintergehen. Rebekka hatte mitbekommen, dass
ihr Mann seinem erstgeborenen Sohn Esau den Segen geben wollte.
Deshalb verkleidete sich Jakob als Esau, als dieser weit weg auf der
Jagd war, und betrog seinen Vater und seinen Bruder, indem er sich
als Esau ausgibt und sich von seinem alten Vater Isaak segnen lässt.
_______ 47
Arbeitshilfe für Gemeinden
Kind/Jug.:
Das ist doch richtig. Der Esau hat doch das Erstgeburtsrecht verkauft.
Da hat Jakob doch jetzt ein Recht drauf. Warum dieser Jakob so eine
Verkleidung nötig hat, verstehe ich nicht.
Eine Mutter:
Na ja, ich kann die Mutter schon verstehen. Sie kennt schließlich ihren Mann und auch ihre Söhne. Der Isaak wäre sauer, wenn er
wüsste, dass sein ältester Sohn das Erstgeburtsrecht freiwillig abgegeben hätte. Also lässt sie den aufkommenden Streit nicht zu, sondern versucht, ihm aus dem Weg zu gehen.
Ein Vater:
Na super. Der Vater wird betrogen, und das nur, weil die Familie sich
nicht an die Spielregeln hält. Es war doch klar, dass der Erstgeborene
den Segen (oder das Haus und das ganze Erbe) bekommt. Warum
halten sich nicht alle an diese Abmachung ?
Das Tuch wird hochgezogen (einen Augenblick Stille)
5. Bild : Familie J E R I tritt auf -– Rebekka steht hinter Jakob + Isaak
hinter Esau
(Jakob ist ängstlich, seine Mutter beruhigt ihn; Esau ist wütend, sein Vater
sieht traurig zu - das Tuch wird wieder fallen gelassen)
Erzähler/in:
48 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Jakob hatte Angst vor seinem Bruder, als der nach Hause kam und
erleben musste, dass sein Segen schon vergeben war. Esau tobte vor
Zorn, aber Isaak konnte den Segen nicht zweimal aussprechen. Fassungslos und traurig, hilflos und erschrocken stand Isaak da. Rebekka hatte einen neuen Plan und schickte Jakob zu ihrem Bruder Laban, damit er sich dort vor Esaus Rache verstecken konnte.
Kind/Jug.:
Das ist doch gut. Bevor es richtig zur Sache geht, haut einer ab. Besser so, als sich zu prügeln.
Das Tuch wird hochgezogen (einen Augenblick Stille)
6. Bild : Familie J E R I tritt auf – Jakob + Esau vertragen sich wieder
( Jakob und Esau bekräftigen ihre Versöhnung mit einem Handschlag und Rebekka und Isaak klatschen dazu)
Erzähler/in:
Jahre vergehen. Beide Brüder gehen ihre eigenen Wege. Sie gründeten verschiedene Familien und lebten ihr eigenes Leben. Aber Jakob
erkannte, dass er nicht richtig gehandelt hat, damals, als er seinen
Bruder hinterlistig betrog. Er bittet Esau um Verzeihung. Und Esau
nimmt die Entschuldigung an. Er glaubt seinem Bruder, dass er es
ehrlich mit ihm meint. Und Jakob hat begriffen, dass Gott ihn segnet, trotz seiner Schuld, jedenfalls dann, wenn er sie bereut und bekennt. Sie beide erfahren, dass es nicht mehr um Herr oder Diener
Sein geht, sondern um Brüder, um Geschwister, um eine Familie.
_______ 49
Arbeitshilfe für Gemeinden
Und sie begreifen, dass Gott beide segnet, jeden so wie sie es jeweils
brauchen.
Kind/Jug.:
Puh, das ging ja noch mal gut. Vorhin dachte ich noch, abhauen sei
cool. Jetzt sehe ich das anders. Versöhnung ist noch cooler.
Ein Vater:
Dass der Segen des Vaters nicht von ihm kommt, sondern von Gott,
daran hatte ich gar nicht gedacht. Da muss ich noch mal drüber
nachdenken.
Eine Mutter:
So einfach wie hier der Schluss wird es wohl nicht immer sein. Aber
wenn wir das nächste mal Streit in unserer Familie haben, dann will
ich mich daran erinnern, dass Gottes Segen uns allen gilt. Ich hoffe,
dass wir ihn auch alle annehmen können. Darum lohnt es sich, zu
bitten und dafür dankbar zu sein.
Das Tuch wird hochgezogen (einen Augenblick Stille)
50 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
3.4 Wir sind auch noch da!
Gemeindeversammlung mit
Kindern
Aus der Kirchenordung der EKiR
Artikel 35
(1) Das Presbyterium muss die Mitglieder und Mitarbeitenden der Kirchenge-
Was wird in Gemeindever-
meinde mindestens einmal im Jahr zu einer Gemeindeversammlung einladen.
In Gesamtkirchengemeinden findet die Gemeindeversammlung in den Ge-
sammlungen besprochen?
meindebereichen statt. Die Gemeindeversammlung ist öffentlich, soweit das
Das neue Gemeindekon-
Presbyterium im Einzelfall nicht etwas anderes beschließt.
zept, die Finanzsituation,
(2) Zeit und Ort der Gemeindeversammlung sowie die Tagesordnung sind im
die Renovierung der Orgel,
die Gründung eines Fördervereins…?
Gottesdienst durch zweimalige Kanzelabkündigung und in sonst geeigneter
Weise mitzuteilen. Mitglieder der Kirchengemeinde können Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung der Gemeindeversammlung stellen; darüber entscheidet die oder der Vorsitzende.
(3) Die Leitung der Gemeindeversammlung liegt bei der oder dem Vorsitzen-
Kommen Familien mit ih-
den des Presbyteriums. Sie kann vom Presbyterium auch einer anderen Person
ren Bedürfnissen, Kinder
übertragen werden.
mit ihren Ideen vor? Gab es
(4) In der Gemeindeversammlung wird über die Arbeit der Kirchengemeinde
und über die Gesamtlage der Kirche berichtet und beraten. Insbesondere sind
schon einmal eine Gemein-
in der Gemeindeversammlung folgende Angelegenheiten zu besprechen: eine
deversammlung mit dem
beabsichtigte Veränderung der Zahl der regelmäßigen Gottesdienste oder eine
Ziel: Kinder- und familienfreundliche Gemeinde zu
werden?
Änderung der Gottesdienstordnungen, die Gesamtkonzeption gemeindlicher
Aufgaben, Bauvorhaben, die Planung gemeindlicher Einrichtungen mit besonderem Kostenaufwand, die Planung der Teilung oder Aufhebung der Kirchengemeinde oder die Zusammenlegung der Kirchengemeinde mit einer anderen
sowie die Überlegungen des Presbyteriums im Blick auf die Pfarrstellenbesetzung. Die Gemeindeversammlung wirkt bei einer Änderung des Presbyterwahlverfahrens mit.
Vielleicht ja. Wenn nein,
(5) Die Ergebnisse der Gemeindeversammlung sind in einem Protokoll
dann hier die Werbung für
festzuhalten. Das Presbyterium hat hierüber zu beraten und die Gemeinde
dieses lohnende Unterneh-
in geeigneter Weise über seine Entscheidungen zu unterrichten.
men zur Bereicherung der
Gemeinde.
_______ 51
Arbeitshilfe für Gemeinden
Kinder lernen Beteiligung und demokratisches miteinander verhandeln und Erwachsene lernen, dass das Reden über eine familienfreundliche Gemeinde erst dann glaubhaft wird, wenn Kinder beteiligt sind und ihre Bedürfnisse vorbringen können.
Das Kind hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die
Freiheit ein, ungeachtet der Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder
Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere vom Kind gewählte Mittel sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.
Art. 13,1 UN-Kinderrechtskonvention
Nach dem Vorbild kommunaler Kinderversammlungen lässt sich eine Gemeindeversammlung mit Kindern planen und durchführen.
1. Einladung
Eine Gemeindeversammlung mit Kindern kann durchaus 614jährige ansprechen, die nicht nur über Gruppen und Angebote für
Kinder und Konfirmanden, sondern auch über Gottesdienst, Gemeindebrief und Plakate eingeladen werden sollten.
2. Rolle der Erwachsenen
Verantwortliche und Entscheidungsträger einer Gemeinde, Eltern
und interessierte Erwachsene stehen den Kindern in beratender
Funktion während der Vorbereitung und in der Versammlung zur
Seite. In der Nachbereitung kommt ihnen die Verantwortung zu, die
Anliegen der Kinder zu verwirklichen. Sie können z.B. in Form von
„Patenschaften“ für je ein Thema oder Anliegen die Verantwortung
übernehmen und erstatten Bericht (z.B. in den Kindergruppen oder
öffentlich im Familiengottesdienst).
3. Vorbereitung
Kinderversammlungen sind vorbereitungsintensiv. Gemeinsam mit
Kindern müssen in einem Organisationsteam Themen, Fragen oder
ein Problem formuliert werden, die in der Versammlung zu behan52 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
deln sind. Ein Beispiel wäre: Wie kann unsere Kirchengemeinde familienfreundlich werden?
Aus der Frage, dem Thema, der Problemanalyse wird eine Tagesordnung , die nach einer Phase der Analyse, bzw. der Problembenennung auf konkrete Ziele oder Aufgaben hin arbeitet.
4. Moderation
Eine Versammlung von und mit Kindern wird in der Regel von einem Erwachsenen moderiert, der/die durch die Veranstaltung führt
und zwischen Fachleuten, Verantwortlichen, anderen Erwachsenen
und den Kindern vermittelt und wenn nötig „Erwachsenensprache“
übersetzt. Der/die Moderator/in achtet auf die Einhaltung der Tagesordnung und die Ernsthaftigkeit, bzw. die Verbindlichkeit von Aussagen.
5. Sitzordnung und RederechtFür die Sitzordnung ist es eine gute Praxis, die Kinder in einem inneren Kreis oder alternativ vorne sitzen zu lassen und die Erwachsenen außerhalb dieses Kreises oder hinten. Damit wird deutlich, dass
die Kinder im Mittelpunkt stehen und immer das erste Rederecht
haben. Erwachsene sind eher Zuhörer, es sei denn, die Kinder brauchen ihre Beratung oder Antworten, die nur Erwachsene geben können.
6. Durchführung
Kernpunkt der Gemeindeversammlung mit Kindern ist die Ergebnisorientierung. Zum Ziel gelangen können alle gemeinsam über
Anträge , die von den Kindern formuliert und mit allen zur Abstimmung gestellt werden. Beschlüsse werden schriftlich festgehalten,
_______ 53
Arbeitshilfe für Gemeinden
und es wird notiert, wer für die Umsetzung verantwortlich ist, bzw.
bis wann ein Ergebnis oder ein Bericht wo vorliegen soll.
Eine solche Struktur ist erst einmal an Erwachsenenformen angelehnt und entspricht nicht unbedingt den Bedürfnissen von Kindern.
Im Sinne einer Ergebnisorientierung ist ein solcher Rahmen aber
wichtig.
Damit alle Kinder – auch die, die nicht gerne reden – ihre Meinung
Gute Aktionen
und Ideen zur
Vorbereitung mit
Kindern und zur
Frage der Kinderfreundlichkeit
einer Gemeinde
finden sich in der
Arbeitshilfe
„Der KÜV kommt!“
Ein Projekt zur
Beteiligung und
Partizipation von
Kindern,
zu bestellen im
Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von
Westfalen,
Tel. 02304/755186
oder www.aejhaus-villigst.de
einbringen können, ist es gut, zu einzelnen Themenaspekten in kleinen Gesprächsrunden zu arbeiten. Nur in kleinen Runden wird ein
freier Dialog zwischen Kindern und Erwachsenen möglich, und Ergebnisse können kurz und knapp vorgetragen werden.
Nach 2 Stunden sollte eine solche Versammlung beendet sein.
7. Nacharbeit
Die Phase der Nacharbeit ist vielleicht die wichtigste, denn die Gemeindeversammlung mit Kindern ist kein Selbstzweck, sondern zielt
auf konkrete Verabredungen, bzw. Verbesserungsvorschläge. Im optimalen Fall haben sich für alle Anliegen und Beschlüsse „Paten“ gefunden, also Erwachsene, die versprechen, sich für die Umsetzung
stark zu machen. Symbolisch kann den Paten eine Gedächtnisstütze
überreicht werden, z. B. ein Taschentuch mit Knoten. Das Organisationsteam hält Kontakt zu den „Paten“ und überprüft den Fortgang
der Umsetzung von Beschlüssen und erinnert an die Berichterstattung in betroffenen Gruppen, dem Presbyterium, im Gottesdienstwas auch immer verabredet wurde.
54 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
3.5 Wir sind die Zukunft – Zukunftswerkstatt mit Kindern
Um möglichst viele Ideen zur Veränderung einer Gemeinde hin zu
mehr gemeinsamen Programmen von und mit Familien zusammenzutragen, bietet es sich an, mit Kindern eine „Mini- Zukunftswerkstatt“ durchzuführen. „Mini“ – nicht deshalb, weil Kinder die Hauptakteure sind, sondern weil wir es für möglich halten, die große Idee
einer „Zukunftswerkstatt“ mit allen Phasen auf ca. 2,5 Stunden zu
beschränken.
Zukunftswerkstätten schaffen Neues, in dem möglichst viele an der
Planung und/oder Ausgestaltung von „Neuem“ beteiligt werden. Sie
gelten als Instrument der innovativen und demokratischen Gestaltung der Gesellschaft und sind für die Beteiligung von Kindern gut
geeignet, wenn die einzelnen Phasen in kindgemäße Sprache übersetzt und Ergebnisse im kreativen Miteinander entstehen.
Hintergrundinformationen für eine Zukunftswerkstatt mit Kindern
finden sich in der Arbeitshilfe „…damit du leben kannst“ . Herausgeber: Amt für Jugendarbeit der EKiR, Schutzgebühr €2,--. Bestellung
unter 0211/3610-285 oder [email protected]
Zu den Grundprinzipien einer Zukunftswerkstatt zählen:
-
-
-
-
Neues ausdenken geht mit großen und kleinen Gruppen (bei
großen Gruppen empfiehlt es sich, Untergruppen zu bilden, je
ca. 15 Teilnehmer)
Angstfrei und ohne Einschränkung mit viel Phantasie über die
zu bearbeitenden Themen/Fragen nachdenken
Neue Ideen entwickeln und die Ohnmachtgefühle „wir können
ja doch nichts ändern“ überwinden
Alle Ideen und Diskussionsbeiträge werden für alle sichtbar
festgehalten (Plakate, Wandzeitungen)
_______ 55
Zahlreiche Beispiele für Zukunftswerkstätten
mit Kindern hat
Waldemar Stange
in dem Reader
„Planen mit Phantasie“ gesammelt.
Herausgeber:
Schleswig Holstein – Land für
Kinder und Deutsches Kinderhilfswerk. Zu beziehen über Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Tel.
030/2795656
Die Internetseite
des ZukunftswerkstattNetzwerk www.zw2003.de
informiert kurz,
wenn auch umständlich zu finden, über Idee,
Zweck und Durchführung von Zukunftswerkstätten
Arbeitshilfe für Gemeinden
-
-
Moderator/innen lassen kreative Ideen zu, sind keine Leiter,
sondern „Geburtshelfer“ für Neues
Der Ablauf folgt dem Drei-Phasen-Modell: Kritik, Phantasie,
Umsetzung
Im Folgenden ist ein Vorschlag für eine Zukunftswerkstatt mit Kindern mit Zeiteinheiten abgedruckt, die je nach örtlichen Gegebenheiten und Gruppengröße und je nach Ausgangsfrage zu verändern ist.
Benötigtes Material:
Viel großes Papier, bunte Kartonpapierkärtchen, Stifte, Wachsmaler,
Tesakrepp, Stellwände, Nadeln, Schere, evtl. Klebepunkte
Wir schlagen vor, die Phasen einer Zukunftswerkstatt mit Kindern
wie folgt zu benennen:
1. Motzen
(Beschwerde- und Kritikphase)
2. Träumen
(Phantasiephase)
3. Klotzen
(Verwirklichungs- und Praxisphase)
Ablauf für ca. 2,5 Std. (Pause einplanen, mind. 15 min, wo es gerade
Auch als Kopiervorlage geeignet!
inhaltlich passt!)
56 ________
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Phasen
Einführung
Motzphase
Träumphase
Einzelschritte
Kennen lernen (falls nötig), z.B. auf Ballzuwurf den
Namen sagen
Kurze Einführung in die Methode „Zukunftswerkstatt“
Kurze Einführung in die Thematik „Familienfreundliche Gemeinde werden“
Einführung in die Motzphase
Mögliche Fragen:
Was gefällt mir nicht, was passt mir nicht?
Was sollte unbedingt geändert werden?
Zeit
5 min
______
3 min
_____
2 min
3 min
_____
15 min
An der Wand oder auf dem Boden große Papierbahnen ausbreiten, das Thema der
Motzphase in die Mitte schreiben. Die Kinder werden aufgefordert, ihre Kritik, Beschwerden, das Unbehagen kurz und laut zu
nennen und/oder kreuz und quer auf die Papierbahnen zu schreiben (oder die Kinder
nennen ihre Punkte und ein Erwachsener
schreibt. Dauert etwas länger)
Gewichten der genannten Kritik, z.B. durch ______
Punktevergabe. Alle Nennungen werden un- 10 min
ter Auslassung von doppelten Stichworten
noch einmal vorgelesen. Die Kinder vergeben ______
Punkte (Punkt malen oder Klebepunkte) für
Themen , die ihnen jeweils besonders wichtig sind. Je nach Größe der Gruppe bekommt
jedes Kind 1-3 Punkte und kann seine Punkte
unterschiedlich verteilen oder ein ihm besonders wichtiges Thema mit allen Punkten
versehen
Die hochbepunkteten Themen werden aus2 min
geschnitten oder auf ein gesondertes Blatt
geschrieben
Einführung in die Träumphase (hier gilt vor 5 min
allem: nichts ist unmöglich! Alle Ideen werden festgehalten, egal wie utopisch sie sind.
Alle Vorschläge werden angehört, egal wie
_______ 57
Arbeitshilfe für Gemeinden
verrückt sie klingen) Evtl. den Kindern erzählen, dass sie für die nächsten 30 min König/Königin sind und alle Macht der Welt
und alles Geld der Welt haben, um all dass,
was sie kritisiert haben positiv zu verändern.
(Evtl. jedem Kind eine Krone aus Papier aufsetzen. Das Symbol der Krone unterstreicht
seine/ihre Macht.
In einer ersten Runde werden die ausgewählten Kritik- bzw. Motzpunkte positiv umformuliert, gewissermaßen auf den Kopf gestellt. Am besten nimmt die Gruppenleitung
einen nicht ausgewählten Kritikpunkt und
wandelt ihn als Beispiel um.
Aus z.B. „nervigen Geschwistern in Gruppen“ werden „stets freundliche Geschwister“.
Alle positiven Formulierungen werden auf
Karten oder einzelnen Blättern festgehalten.
Die so entstandenen positiven Themen, Forderungen, Wünsche werden in einem nächsten Schritt kreativ in Kleingruppen umgesetzt: Jede Gruppe nimmt sich eine gleich
große Zahl an Karten oder Blättern mit
Themen, Forderungen, Vorschlägen. Die
Kinder malen, basteln, schreiben dazu ihre
Ideen, wie das jeweilige positive Ziel zu erreichen sein könnte (Nicht vergessen: Alles
ist erlaubt und sei es noch so unrealistisch.
Es geht in dieser Phase um den Spaß am
Phantasieren. Nervige Geschwister können
mittels Zauberbonbon in freundliche Geschwister verwandelt werden.).
Anschließend präsentieren alle Kleingruppen
ihre Ergebnisse und die gesamte Gruppe hat
die Möglichkeit die vorgelegten Träume zu
ergänzen (auf Blättern oder Karten festhalten).
Abschließend muss wieder aussortiert werden. Die Kinder entscheiden sich erneut
durch Punkte für ihre Lieblingsträumerei.
Dran denken: Noch ist Träumphase, beim
Auswählen muss nicht darauf geachtet wer58 ________
____
30 min
10 min
______
5 min
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Klotzphase
den, was am ehesten verwirklicht werden
kann.
Einführung in die Klotzphase:
Es beginnt das Konkretwerden, das
Planen und das Prüfen, welche Chance
in welcher Idee steckt, was wie verwirklicht werden kann. Die faszinierenden
Ideen der Träumphase nutzbar zu machen heißt, Übersetzungsarbeit zu leisten und zu überlegen, ob es eine solche
Idee vielleicht schon irgendwo gibt.
Die ausgewählten Träume werden ausgeschnitten oder je auf ein gesondertes
Blatt geschrieben. Gemeinsam wird
überlegt, was hinter der jeweiligen Idee
steckt und wie der jeweilige Traum so
mit anderen Worten ausgedrückt werden kann, dass eine Verwirklichung
möglich wird. Das Zauberbonbon zum
Verwandeln der Geschwister wird z.B.
in „Lieblingsessen kochen“ übersetzt.
Die „Übersetzungen“ werden in Stichworten festgehalten.
Forderungen aufstellen:
Die Träume und Ideen werden mit ihren „Übersetzungen“ sichtbar aufgehängt. Kleingruppen suchen sich je
nach Zahl der Träume 1-3 drei Themen
aus und überlegen sich Forderungen.
Was muss gefordert werden, damit die
Träume und Ideen tragfähig werden?
Gut lesbar auf Plakate schreiben.
Um die Forderungen der anderen
kennen zu lernen, müssen die Gruppen nicht unbedingt hintereinander alles vorlesen. Die Gruppen können sich
auch vor dem Plakat je einer anderen
Gruppe versammeln, Traum und Forderung lesen und anschließend zum
nächsten Plakat wechseln. Über diese
Gruppenrotation lernen alle Gruppen,
alle Forderungen kennen.
5 min
______
15 min
_____
15 min
_______ 59
Arbeitshilfe für Gemeinden
-
60 ________
In einer letzten Gesprächsrunde im
Plenum sammelt die Gruppe Ideen zur
Verwirklichung ihrer Forderungen oder befasst sich mit einer – vorher mit
Mehrheitsentscheidung – ausgewählten Forderung.
Eine Hilfestellung zur Entwicklung einer praktischen Idee sind die sog. 5-WFragen:
Was wollen wir tun? (Eine Forderung
präzisieren)
Wie wollen wir es tun? (Vorgehensweise und Inhalte nennen)
Wer mit wem tut es? (Unterstützung
und Hilfe einbeziehen)
Wann wird begonnen? (Termin
bestimmen)
Wo geschieht das Ganze? (Ort des Beginns festlegen)
15 min
Kinder haben das Recht auf eine (heile) Familie
Rückmeldebogen
Bitte kopieren und per Fax senden an 0211/3610-280
Gemeinde / Gruppe....................................................................................................
.........................................................................................................................................
Name/Anschrift / Tel.(Ansprechpartner/in):
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
Wir haben Aktionen zur „familienfreundlichen Gemeinde“ durchgeführt.
Ja
Nein
Was wir gemacht haben...............................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
Dazu haben wir die Arbeitshilfe benutzt.
Ja
Nein teilweise
Darüber hinaus haben wir folgende Materialien benutzt:
.................................................................................................................................................
......................................................................................................................................
.......................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
_______ 61
Arbeitshilfe für Gemeinden
Gut gelungen ist............................................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
Probleme haben sich ergeben......................................................................................
.........................................................................................................................................
.........................................................................................................................................
Sonstiges.......................................................................................................................
62 ________
Arbeitshilfen zu Themen der
UN-Kinderrechtskonvention
In den letzten zehn Jahren haben wir – jeweils zum Weltkindertag –
Materialien zu einzelnen Kinderrechten nach der UNKinderrechtskonvention erarbeitet. Die Arbeitshefte sind in begrenztem
Umfang weiterhin lieferbar:
„Kinder haben Rechte und zwar ganz gerechte“ – Partizipation
„…und siehe es war gut“ – Recht auf eine gesunde Umwelt
„ 4 YOU“ – Recht auf Bildung
„Hatschiii“ – Recht auf Gesundheit
„Rambo Zambo“ – Recht auf Schutz vor Gewalt
„ Platz da – mein Platz“ – Kinder mit Behinderungen haben ein Recht auf
aktive Teilhabe
„Wie ein Fenster zum Himmel“ – Recht auf Religion
„… damit du leben kannst!“ – Recht auf einen angemessenen
Lebensstandard
Alle Arbeitshilfen sind gegen eine Schutzgebühr von € 2,00 (+ Versandkosten) zu
beziehen beim Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland:
Tel. 0211 3610-285; E-Mail: [email protected].
Die Arbeitshilfen stehen auch zum Download (PDF-Format) bereit:
http://www.jugend.ekir.de  Archiv