presente 1/2002 - Christliche Initiative Romero eV
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Bulletin der Christlichen Initiative Romero 1/02 Schwerpunkt: Umwelt und Entwicklung Von den Glaubwürdigkeitslücken der Entwicklungspolitik Namenlos-4 1 02.10.2006, 12:35 Gastkommentar Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik I n unserer Entwicklungspolitik verbindet sich ein aufgeklärtes Interesse mit grundlegenden ethisch-humanitären Werten. Solidarität mit den Schwachen in der Weltgesellschaft muss auch in der globalisierten Welt ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Die neu begründete Entwicklungspolitik folgt der Erkenntnis, dass Entwicklungsprobleme nicht nur einzelne Länder betreffen, sondern zunehmend regionale und globale Bedeutung erlangen. Grenzüberschreitende Umweltprobleme können nur miteinander bewältigt werden; regionale Krisen und Konflikte erfordern das Engagement der internationalen Gemeinschaft und den Aufbau regionaler Sicherheitsstrukturen, eine nationale isolierte Handels- und Wirtschaftspolitik ist nicht mehr möglich. Deshalb ist die Entwicklungspolitik international in einer Phase der Neuorientierung. Sie entfernt sich von einer stark an Einzelprojekten orientierten Hilfe. Sie versucht, ihren Schwerpunkt auf strukturelle Entwicklungsprobleme zu lenken, staatliche und zivilgesellschaftliche Strukturen zu stärken. Entwicklungspolitik muss in Zukunft stärker dazu beitragen, dass durch internationale und regionale Regelwerke und Konzepte, die Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern verbessert werden. Das verstehe ich unter dem Begriff: „Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik“. Wir stehen dabei nicht am Anfang: die Weltkonferenzen der 90iger Jahre – Umwelt und Entwicklung, Weltsozialgipfel, Weltfrauenkonferenz, Welternährungsgipfel, um nur einige zu nennen – haben richtungsweisend Analysen erstellt und Beschlüsse gefasst, die alle entwicklungsrelevanten Fragen betreffen. Zu Beginn der neuen Dekade kommt es nun darauf an, diese anspruchsvollen Programme und Ziele in die Praxis umzusetzen. Herausgeberin: Christliche Initiative Romero e.V. Frauenstraße 3-7 D-48143 Münster Tel.: 02 51 - 89 503 Fax 02 51 - 82 541 e-mail: [email protected] www.ci-romero.de Beirat: Johann Baptist Metz, Helmut Frenz,Norbert Greinacher, Dorothee Sölle Redaktion: Sabine Broscheit (verantw.), Thomas Krämer, Anne Nibbenhagen, Maik Pflaum, Albrecht Schwarzkopf Titelbild : Antonio Turok, Chiapas März 2002 Bankverbindung: Konto 3 11 22 00 DKM Darlehnskasse Münster BLZ 400 602 65 Uschi Eid MdB, Bündnis 90/Die Grünen Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ G8-Beauftragte des Bundeskanzlers für Afrika 2 Namenlos-4 2 02.10.2006, 12:35 Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Freundinnen und Freunde, die Bilanz der zurückliegenden Dekade für die globale Umwelt und die Entwicklung in den ärmsten Ländern dieser Welt fällt ernüchternd aus: viele Worte, wenig Taten. Noch immer dominiert kurzfristiges wirtschaftliches Vorteilsdenken gegenüber dem Ziel, die drängendsten Probleme in der globalisierten Welt gemeinsam anzugehen. Dieses Verhalten gilt auch für die rot-grüne Bundesregierung, obgleich sie sich in Sachen Umwelt und Entwicklung weniger Vorwürfe machen lassen muss, als andere Regierungen der westlichen Welt. Und tatsächlich sind einige positive Initiativen von ihr ausgegangen, so im Bereich Entschuldung und Armutsbekämpfung. Seit dem 11. September steht die Entwicklungspolitik wieder höher auf der Tagesordnung der Mächtigen dieser Welt. Doch die Fehler der westlichen Interessenspolitik der letzten Jahrzehnte lassen sich nicht mit dem Scheckheft beseitigen. Und erst recht nicht mit weiteren Kriegen. Mehr Geld für die Lösung der globalen Probleme ist zwar wichtig, aber noch wichtiger sind strukturelle Veränderungen, wie sie Uschi Eid in ihrem Gastkommentar oder Barbara Unmüßig und Roger Pelzer in ihren Artikeln anmahnen. Wir wünschen eine anregende Lektüre. Inhalt Umwelt und Entwicklung Schwerpunkt Barbara Unmüßig Zwischen Nachhaltigkeitsrhetorik und Wettbe werbsfixierung – 4 Marcus Müller Die WestLB macht sich schuldig – 8 Roger Peltzer Die Antwort auf den Terror: Mehr Entwicklungshilfe? – 12 Projekte –16 El Salvador Michael Krämer Der gewalttätige Frieden – 18 Guatemala Mario Minera Übergangszeit nach Friedensverträgen – 22 Haiti Reporter ohne Grenzen fordert: Sanktionen gegen Aristide – 25 Einnahmen/Ausgaben 2001 Service Materialien – 30 Bestellschein – 31 Ihr CIR-Team 3 Namenlos-4 3 02.10.2006, 12:35 – 28 Schwerpunkt Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg: Zwischen Nachhaltigkeitsrhetorik und Wettbewerbsfixierung Johannesburg wird vom 2. bis 11. September 2002 den Weltgipfel der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung ausrichten. Dieser Gipfel will zehn Jahre nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro vom Juni 1992 Bilanz ziehen und „aktionsorientierte Entscheidungen“ (Bundesumweltministerium) auf den Weg bringen. Doch fährt der Norden zehn Jahre nach Rio mit einer riesigen Glaubwürdigkeitslücke nach Johannesburg. Was ist zu erwarten? Die Empirie lässt wenig Zweifel zu: Der Klimawandel beschleunigt sich, der Verlust der biologischen Vielfalt geht ungebremst weiter, lebensnotwendige öffentliche Güter wie Trinkwasser werden knapp, die Kluft zwischen Arm und Reich zwischen und innerhalb der Staaten nimmt zu statt ab. Obwohl gerade sie Ausgangspunkt für politische Umsteuerung sein müsste, will sich keiner der verschiedensten Akteure so richtig an eine vertiefte Ursachenanalyse heranwagen. In Rio – so schien es – war ein Konsens zwischen den Regierungen in Nord und Süd erzielt worden. Die wichtigsten Dokumente der Rio-Konferenz – die Agenda 21 und die Rio-Erklärung –, wenn gleich völkerrechtlich nicht verbindlich, hielten fest, l dass das nördliche Wohlstandsmodell aus ökologischen Gründen – Grenzen der Ressourcen und Begrenztheit der Verschmutzung der Atmosphäre – nicht globalisierbar sei. l Sie beschworen die prinzipielle globale Partnerschaft beim Schutz der globalen Ökosysteme. l Der industrialisierte Norden hat die Hauptverantwortung für die globale ökologische Krise anerkannt, ökologische Abrüstung 4 Namenlos-4 4 02.10.2006, 12:35 versprochen, um Entwicklungsspielräume für die Entwicklungsländer zu erhalten und Zusagen beim Finanz- und Technologietransfer für eine öko-soziale Entwicklung gemacht. l Den Entwicklungsländern wurde das Recht auf Entwicklung zugestanden, und sie haben ihrerseits die gemeinsame, aber verschiedene Verantwortlichkeit anerkannt und sich zu grundlegenden Prinzipien der Umweltpolitik wie dem Vorsorge- und Verursacherprinzip verpflichtet. Doch nach zehn Jahren ist zu konstatieren: Der Norden fährt mit einer riesigen Glaubwürdigkeitslücke nach Johannesburg. Ökologische Abrüstung? Entlang der Prinzipien von Rio haben sich die Industrieländer im Kyoto-Protokoll zwar zu Treibhausgasreduktionen ab 2008 verpflichtet, bis dahin steigen die Treibhausgasemissionen in nahezu allen Industrieländern jedoch weiter an. Mit allen Schlupflöchern und Zugeständnissen liegt das Kyoto-Protokoll nicht nur weit unterhalb des klimapolitisch Notwendigen, auch der weltweit größte Pro-Kopf-Emittent, die USA, sind nicht einmal dabei, wenn es bis Johannesburg endlich die nötigen Ratifizierungen bekommt und in Kraft treten kann. Das letzte Jahrzehnt war nicht einmal ein Jahrzehnt der „Effizienzrevolution“. So sind trotz technischer Machbarkeit und dem Wissen um die riesigen Effizienzpotentiale, z.B. im Energiesektor, die weltweiten Investitionen in die Energieeffizienz und Energieeinsparung zurückgegangen. Die Ursachen dafür liegen u.a. in der Liberalisierung der Energiemärkte und den riesigen Subventionen für fossile und nukleare Energieträger (weltweit geschätzte 180 Mrd. Euro). Sie drücken die Energiepreise und verringern somit die Anreize für Investitionen in die Energieeffizienz und in erneuerbare Energien, insbesondere in Solarenergie. Der weltweite Anteil erneuerbarer Energien (ohne Wasserkraft) liegt gerade einmal bei knapp zwei Prozent. Gebrochene Verspr echen gegenüber dem Süden Zur Glaubwürdigkeitslücke gehört auch, dass die nördlichen Industrieländer ihrem Versprechen, mehr Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, in keiner Weise nachgekommen sind. Auf dem Erdgipfel in Rio wurde die Bereitstellung neuer und zusätzlicher Finanzmittel als eine Kernbedingung für den Erfolg der Beschlüsse von Rio de Janeiro angesehen. Die Entwicklung in den 90er Jahren ist niederschmetternd. Die Mittel für internationale Entwicklungszusammenarbeit stagnierten zunächst auf niedrigem Niveau und haben nun mit 0,22 Prozent des Bruttosozialprodukts der Industrieländer einen historischen Tiefstand erreicht. Global gab es 2000 zum ersten Mal genauso viele Menschen, die an Über- wie an Unterernährung litten: 1,1, Milliarden. Foto: Antonio Turok, Chiapas 5 Namenlos-4 5 02.10.2006, 12:35 Konfliktfeld Sustainable Development Auf die ökologischen Gefährdungen hat die internationale Staatenwelt insbesondere nach Rio mit einer Vielzahl internationaler Verhandlungen reagiert. Sie werden jedoch äußerst selektiv und entlang verschiedenster Macht- und InteressensGuatemalas W aldgemeinden bündnisse bearbeitet. Mit Waldgemeinden der Klima- und BiodiverDie Waldgemeinden des guatemalsitätskonvention (und tekischen Tropenwaldes im Petén weiteren weniger „durchwollen als ansässige Bevölkerung verhandelten“ Problenicht umgesiedelt werden. Deshalb men wie Wasserkrise, sind sie für nachhaltige BewirtschafWaldverlust und Bodentung. Sie haben sich im Verband der degradation) haben wir es Waldgemeinden im P etén, ACOFOP, längst mit Verhandlunorganisiert. ACOFOP motiviert seine Mitglieder, gen zu tun, die in ihrer das Holzzertifikat für nachhaltige wirtschaftspolitischen Waldbewirtschaftung, das Forest Steund gesellschaftspolitiwardship Council-Siegel ( FSC), zu schen Dimension mit anerlangen. Bislang haben sechs Mitderen sektorspezifischen gliedsgemeinden dieses Siegel erhalUmweltabkommen (Naten, weitere fünf haben es beantragt. turschutz, LuftreinhalDas FSC-Siegel verbindet Interessen tung) nicht mehr zu verim Süden mit jenen des Nordens bezogen auf Umwelt und Entwicklung. gleichen sind. In der inNachhaltige Waldbewirtschaftung ternationalen Klima- und heißt für ACOFOP und seine 28 MitBiopolitik geht es um ingliedsgemeinden, die Gemeinden im ternationale Wettbeökologischen Umgang mit dem Wald werbs- und Standortvorzu unterstützen. teile, um Investitionen Zur Stärkung der der Waldgemeinund Geschäfte in Milliarden im Petén bittet die CIR Sie unter denhöhe. Erfolg oder dem Stich wort „Waldgemeinden in Misserfolg, Stagnation Guatemala“ um Spenden. oder Fortschritt in internationalen Verhandlungsprozessen oszillieren um mächtige innergesellschaftliche und internationale Verteilungskonflikte und Machtverhältnisse. Globale Player wie internationale Energie-, Wasser-, Chemieund Saatgutmultis dominieren das Verhandlungsgeschehen. Interes- senskonflikte verlaufen jedoch auch zwischen und innerhalb der Entwicklungsländer. Die Regierungen der Entwicklungsländer verhandeln in den Umweltzusammenhängen in der Regel genauso wie ihre nördlichen Counterparts um die Wettbewerbsvorteile ihrer modernen (weltmarktfähigen) Sektoren. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Armen (gleiche Zugangsrechte zu Ressourcen, Recht auf sauberes Trinkwasser etc.) steht dabei nicht auf der Tagesordnung. Zwar unterliegen auch die Umweltverhandlungen der traditionellen Machtasymmetrie zwischen Nord und Süd und zweifellos sind die Entwicklungsländer mit den schwächeren (auch diplomatischen) Verhandlungsressourcen ausgestattet. Die zehnjährige Bilanz nach Rio kommt jedoch nicht darum herum einzugestehen, dass die kooperative Bearbeitung grenzüberschreitender ökologischer Probleme bis heute ein Wunschbild geblieben ist. Das viel zitierte und in den umweltpolitischen Diskursen hochgehaltene Leitbild der „nachhhaltigen Entwicklung“ ist eben kein wirklich konsensuales Leitbild, das die verschiedensten Akteure gemeinsam erreichen wollen. Die Herausforderung, den Grundkonflikt zwischen der ökologischen Begrenzung der Erde einerseits und der Dynamik wirtschaftlicher Globalisierung andererseits, so zu bearbeiten, dass sowohl soziale und ökologische Gerechtigkeit als auch ein anderer Umgang mit begrenzten Ressour- 6 Namenlos-4 6 02.10.2006, 12:35 cen Ziel politischen und wirtschaftlichen Handelns werden, ist faktisch weder von den Eliten im Norden noch von denen im Süden anerkannt worden. Die gleichen Regierungen in Nord und Süd, die in Rio wortreich die NichtGlobalisierbarkeit des nördlichen Entwicklungsmodells beschworen, lösten schon drei Jahre später mit den WTO-Verträgen einen neuen Liberalisierungsschub aus. Die 90er Jahre werden jedenfalls nicht als Jahrzehnt der „Nachhaltigkeit“, sondern als Jahrzehnt der neoliberalen Globalisierung in die Geschichte eingehen. Aussichten für Johannesburg Die größte Chance des Johannesburger Gipfels liegt darin, das Wechselverhältnis zwischen Naturund Ressourcenaneignung einerseits und gesellschaftlichen Transformationsprozessen, wie sie durch die ökonomische Globalisierung erfolgen, zu diskutieren. Diese Herausforderung sollte vor allem die internationale globalisierungskritische Bewegung aufgreifen, die auf diesem Auge bislang auffällig blind ist und den oben benannten Grundkonflikt zwischen ökologischer Grenzziehung und ökonomischer Entgrenzung bislang nicht bearbeitet. Nach den Terroranschlägen in Washington und New York könnte es sein, dass Armutsbekämpfung die Rhetorik des Gipfels prägen wird. Für das Dauerthema Finanztransfer hieße das, dass neue Finanzmittel bewilligt oder zumindest in Aussicht gestellt werden. Auf EU-Ebene jedenfalls ist eine größere Bereitschaft zu erkennen, für die beiden UN-Gipfel im nächsten Jahr wenigstens einen konkreten Zeitplan für die stufenweise Umsetzung des alten 0,7-ProzentZiels vorzulegen. So wichtig dieses sich abzeichnende Signal für die Verhandlungen in Johannesburg ist, grundsätzlichere Überlegungen zur Gestaltung der künftigen Umweltfinanzierung könnten dabei auf der Strecke bleiben. Darüber hinaus sind in Johannesburg einige Absichtserklärungen in Richtung vermehrter Ressourcenschonung (Wasser) und Energieeffizienz zu erwarten. Der Konkretionsgrad hierzu ist jedoch neun Monate vor Johannesburg äußerst dürftig, und sie machen ohne Einbettung in die Kreditvergabepolitik der internationalen Finanzinstitutionen und die WTO-Verhandlungen auch wenig Sinn. Die positiven Ansätze jeder Effizienz- und Ressourcenschonungspolitik sind leicht zu konterkarieren, wenn dort die Weichen durch verfehlte Liberalisierungs- und Privatisierungspolitiken in eine andere Richtung gestellt werden. Barbara Unmüßig, WEED Ein „Erfolg“ seit Rio: Der Anteil der Menschen in Entwicklungsländern, die unter einem Dollar am Tag verdienen, ist von 29 auf 23 Prozent oder 1,2 Milliarden Menschen zurückgegangen. Foto: José Angel Rodríguez, Chiapas Mit freundlicher Genehmigung gekürzt aus: WEED-Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung, Sonderdienst Nr. 5/2001. Probeexemplare kostenlos über: WEED, Bertha-von-Suttner-Platz 13, 53111 Bonn, Tel. 0228/766130, oder über : www.weedbonn.org. 7 Namenlos-4 7 02.10.2006, 12:35 Schwerpunkt Umwelt und Entwicklung Die WestLB macht sich schuldig Unlängst in die Schlagzeilen geriet die nordrheinwestfälische Landesbank, besser bekannt unter dem Namen WestLB. Sie hat sich an die Spitze eines Bankenkonsortiums für die Finanzierung eines höchst zweifelhaften Erdölförderungsprojektes in Ecuador gestellt. Das Geschäft, stolz zitiert als „Deal of the Year“, sei die „einzige Chance“ für die Wirtschaft „eines der ärmsten Länder Lateinamerikas“, so Vorstandsmitglied Seibert. Aber nicht alles, was Gold ist, glänzt, und am allerwenigsten das schwarze Gold. Wäre die Westdeutsche Landesbank (WestLB) dem Beispiel der Deutschen Bank gefolgt, hätte sie sich und der rot-grünen Koalition in Düsseldorf eine Menge Ärger erspart. Die Deutschbänker bewiesen einen guten Riecher: Obwohl lange Zeit als potenzieller Krediteur einer umstrittenen Öl-Pipeline in Ecuador im Gespräch, machten sie im letzten Jahr einen Rück- zieher. „Auf Grund der Umweltproblematik“, wie eine Sprecherin verkündete. Eine weise Entscheidung. Denn so hat nun die WestLB den schwarzen Imagepeter in den Händen. Sie stellt in Kooperation mit 14 anderen Banken die Kredite in Höhe von rund einer Milliarde Euro für das Projekt – als „BankFührer der Kreditvergabe“ (WAZ) . Drei international renommierte Fachzeitschriften hätten das Finanzierungsmodell der Düsseldorfer Bank zum „Deal of the Year“ gekürt, verkündete WestLB- Vorstandsmitglied Andreas Seibert unlängst stolz. 500 Kilometer weit soll die Röhre sich unterirdisch durch den Amazonasdschungel bis zum pazifischen Ozean erstrecken und ihre 30 Jahre alte Vorgängerin ersetzen. Doch nicht alle sind von dem Gedanken so begeistert wie 8 Namenlos-4 8 02.10.2006, 12:35 Seibert. Denn die Pipeline würde nicht nur elf Naturschutzgebiete und Regionen, die stark erdbebengefährdet sind, durchlaufen. In den letzten Jahren haben linke Guerilleros zudem immer wieder Anschläge auf bereits bestehende Pipelines verübt. Seit die Kreditvergabe im August öffentlich wurde, steht die WestLB, die sich zu 43 Prozent in Besitz des Landes befindet, massiv unter Beschuss von Umweltschutzorganisationen. Auch die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn sprach sich mehrmals vehement gegen den Kredit der Bank aus – bisher vergebens. Immer wieder hatte die WestLB in den letzten Monaten darauf verwiesen, dass die Röhre den Umweltstandards der Weltbank entspräche. Bis diese sich im Dezember von dem Projekt distanzierte und auf „schwer wiegende Umweltrisiken“ hinwies. Da wurde selbst Landesvater Clement nachdenklich, der sonst für jedes Großprojekt zu haben ist, wenn es nur hinreichend unsinnig ist. Die Planungen dürften so nicht bleiben, verkündete er Mitte Dezember am Rande einer Kabinettssitzung. Und er erteilte der WestLB eine schallende Ohrfeige: Ihre Auskünfte über die Umweltverträglichkeit der Pipeline entsprächen nicht der Wahrheit, polterte Clement. Er verlangt ständige Umweltkontrollen, will das Projekt aber fortsetzen. Gleich fünf Öko-Gutachten hat die ecuadorianische Regierung in Auftrag gegeben, um die vermeintliche Ungefährlichkeit des Pipeline-Projektes zu belegen. Indes: Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Amazon Financial Information Service wurden die Umweltstudien ausgerechnet vom Projektbetreiber Oleodecto de Crudos Pesados (OCP) finanziert. Das Konsortium von sieben Öl-Multis aus fünf Ländern habe der Regierung des Andenstaates im April letzten Jahres 50 Millionen Dollar dafür zur Verfügung gestellt. Das Erdöl ist der wichtigste Devisenbringer Ecuadors. Die Regierung unter Präsident Gustavo Noboa will die zuletzt schwächelnde Ölproduktion des krisengeschüttelten Landes verdoppeln. Dafür braucht sie die geplante Pipeline, die nach Noboas Angaben 54.000 Arbeitsplätze schaffen werde. „Wer sich dem Projekt widersetzt, nur um Schmetterlinge; Kolibris, Bäume und Wälder zu schützen, begreift nicht, dass es Interessen gibt, die Vorrang haben“, lautet Noboas Credo. Ein Argument, dass Landesbänker Seibert gerne aufgreift. Die wirtschaftliche Situation Ecuadors sei kritisch. Und: „Experten sprechen von zusätzlichen Exporteinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden US-Dollar nach Fertigstellung des Projekts.“ Doch nicht nur des- Die Schuldenlast von Entwicklungs- und Schwellenländern stieg seit Rio um 34 Prozent auf 2,5 Billionen Dollar im Jahr 2000. Fotos: José Angel Rodríguez, Chiapas 9 Namenlos-4 9 02.10.2006, 12:35 halb weist er die Forderungen nach Streichung des Kredits scharf zurück. Dies wäre ein Vertragsbruch, der zu erheblichen Schadensersatzforderungen seitens der Partnerbanken führen würde. Zudem drohe eine Rufschädigung. Kurz: „Zum Bau der Pipeline gibt es keine Alternative.“ In der Tat würde dem südamerikanischen Land eine Finanzspritze gut tun. Ecuador weist die höchste Pro-K opf-Verschuldung aller lateinamerikanischen Länder auf. Die Lebenshaltungskosten explodieren, seit die Regierung rigide Maßnahmen gegen die Hyperinflation einführte. Selbst den Benzinpreis erhöhte die Regierung des ölexportierenden Ohne Moos nix los! Landes im Dezember um zehn ProDie CIR ist seit 20 Jahren eine kritische und zent. unabhängige Stimme in der nationalen und Dass die ecuinternationalen Nord-Süd-Politik. Wir unteradorianische Bestützen Menschen in Mittelamerika dabei, völkerung künftig sich selbst von Unterdrückung und wirtvon dem geplanschaftlicher Not zu befreien und ihr e Vorten Ölboom profistellungen eines menschenwürdigen Datieren wird, ist seins entfalten und umsetzen zu können. allerdings eher unWir informieren Sie in regelmäßigen Abständen über die aktuelle Lage in Mittelamerika; wahrscheinlich. und wir versuchen durch Kampagnen, LobDie Pipeline werby- und Öffentlichkeitsarbeit die deutsche de allenfalls 6.300 Politik und Wirtschaft im Interesse der Mendauerhafte Arschen in Mittelamerika, vor allem der arbeibeitsplätze schaftenden Kinder, der Frauen, der Indígenas und fen, sagt der Jourarmen Bauern, zu beeinflussen. Denn neben nalist Alberto Alder konkreten Hilfe streben wir Ver ändecosta, der die SPDrungen des politischen und wirtschaftlichen nahe FriedrichHandelns an. Die CIR will eine Zukunft für alle schaffen – für heute lebende wie für Ebert-Stiftung bezukünftige Generationen – im Süden wie im rät. Das SiegburNorden. ger Institut für Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit: BeteiÖkonomie und ligen Sie sich an unseren Aktionsaufrufen, Ökumene „Südvor allem im Rahmen der Kampagne für ‘Sauwind“ befürchtet bere’ Kleidung. Bitte spenden Sie unter dem derweil, dass sie die Stichwort „Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit der CIR“. Schuldenkrise durch die neue Pipeline noch verschärfen wird. Das Projekt lasse Zins- und Tilgungszahlungen steigen. Südwind fordert stattdessen einen Schuldenerlass – und die Streichung des Pipelinekredits. Einen Auftrieb erhielten die Pipelinekritiker im Januar diesen Jahres durch eine Anhörung des „Eine-Welt“-Ausschusses desnordrhein-westfälischen Landtags, auf der auch Umweltschützer aus der Bundesrepublik und Ecuador zu Wort kamen. Yvonne Ramos, Sprecherin von Acción Ecológica, der ecuadorianischen Partnerorganisation des BUND, betonte, dass 2,4 Millionen Hektar Amazonas-Regenwald durch die Pipeline bedroht seien. Sie befürchtet gravierende Öl-Verschmutzungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bevölkerung. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung seien international gültige Prinzipien der Weltbank „aufs Gröbste“ verletzt worden, sagte Heffa Schücking von „Urgewald“. Schücking begutachtet seit 15 Jahren Weltbankprojekte. Sie forderte wie Ramos, dass die WestLB von dem Milliardenprojekt Abstand nimmt. Für die grüne Landtagsfraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann steht fest: „Die Anhörung hat klipp und klar ergeben, dass die Umweltstandards der Weltbank nicht eingehalten werden.“ Doch die WestLB will weitermachen wie bisher. Denn die Pipeline in Ecuador wäre nicht das erste ökologisch höchst bedenkliche Projekt, das die Düsseldorfer Bank finanziert. So kreditierte sie in den letzten Jahren nach GreenpeaceAngaben eine Gaspipeline in Argentinien, die den Urwald zer- 10 Namenlos-4 10 02.10.2006, 12:35 schnitt, sowie eine Öl-Pipeline vom Tschad an die Atlantikküste Kameruns, für die das Waldvolk der Pygmäen vertrieben wurde. Und, so Andreas Seibert: „Die Bank wird sich auch künftig in Fragen der nachhaltigen Entwicklung engagieren.“ Löhrmann indessen warnt die Landesbank: „Diese Methode Kopf durch die Wand wird den Herren der WestLB nur heftige Kopfschmerzen bereiten – ich würde die Tür empfehlen.“ Marcus Müller Mit freundlicher Genehmigung aus: taz-NRW, Januar 2002. Das Ländernetzwerk Ecuador, in dem sich etliche Entwicklungsorganisationen zusammengeschlossen haben, will an der aktuellen Frage der Erdölpipeline in Ecuador auf die Begründungszusammenhänge zwischen den hohen Auslandsverpflichtungen, dem Zwang zu kontinuierlichen Exportsteigerungen und den damit verbundenen ökologischen und soziokulturellen Auswirkungen hinweisen. Aber es geht nicht nur um den Stopp der Pipeline. Es geht um viel mehr. Der Teufelskreis von Exportsteigerungen für den Schuldendienst muss durchbrochen werden. Zum Schutz der eigenen Ressourcen und zur Stabilisierung der Zahlungsbilanz kommt die internationale Gemeinschaft um einen Schuldenerlass nicht herum. Grundsätzlich bedarf es zu einem effizienten Schuldenma- nagement einer Verfahrensreform. In einem transparenten Verfahren sollte nach Konsultationen mit allen Beteiligten, inklusive zivilgesellschaftlicher Gruppen, von einer neutralen Instanz über ein aus entwicklungspolitischer, ökologischer und menschenrechtlicher Sicht wirklich tragfähiges Maß der Auslandsverschuldung entschieden werden. Nur dann könnte Ecuador in Zukunft seine natürlichen Ressourcen, wie zum Beispiel den Regenwald, nachhaltig nutzen, anstatt sie durch Überausbeutung zu zerstören. Hierzu hat das Netzwerk eine Postkartenaktion an das Finanzministerium gestartet. Nähere Informationen gibt es bei SÜDWIND , Lindenstr. 58-60, 53721 Siegburg. Die Postkarte kann auch bei der CIR bestellt werden. 11 Namenlos-4 11 02.10.2006, 12:35 Schwerpunkt Die Antwort auf den Terror: Mehr Entwicklungshilfe? Zur Zeit wird die „Dritte Welt“ wiederentdeckt, erlebt die Diskussion über Entwicklungspolitik, die weitgehend in der Versenkung verschwunden war, eine Renaissance. Vorschläge für einen neuen gigantischen „Marshallplan“ machen die Runde. Die Einigkeit, dass mehr getan werden muss, um sich mit den negativen Folgen der Globalisierung auseinander zu setzen, ist zumindest auf verbaler Ebene groß. Die Frage ist nur, was? Dieser Beitrag formuliert Gedanken, die quer zum Mainstream der Diskussion liegen. Es ist ein Kennzeichen der dominierenden westlichen Kultur – und dies schließt „Linke“ und „Rechte“ gleichermaßen ein –, dass als Antwort auf die Globalisierungsprobleme fast allen nichts anderes einfällt als Geld. Dabei ist diese Denkund Handlungsweise schon ein Teil des Problems. Das in den sogenannten Entwicklungsländern weit verbreitete Gefühl der Ausgrenzung und permanenten Unterlegenheit gegenüber dem westlichen Kultur- und Entwicklungsmodell speist sich nicht nur aus Armuts- und Elendserfahrung, sondern aus dem Erleben, dass unser Way of Life dazu tendiert, kulturelle Differenzen einzuebnen und Anerkennung nur im Rahmen der Maßstäbe und Erfolgskriterien des eigenen Zivilisationsmodells zu erteilen. Auch die Tatsache, dass die „Dritte Welt“ bei uns nach den Terroranschlägen vom 11. September wieder verstärkt als Sozialhilfefall betrachtet wird, nimmt die Elite dieser Länder als Beleidigung ihrer Potentiale und Fähigkeiten wahr. Das und nicht Gehirnwäsche ist einer der Gründe, warum gut ausgebildete junge Menschen es dem als übermächtig empfundenen Westen zeigen wollen und sich dabei in letzter Konsequenz bis in den aberwitzigen Terror hinein steigern. 12 Namenlos-4 12 02.10.2006, 12:35 Respekt, Anerkennung und Selbstachtung – Schlüsselbegriffe in der Auseinandersetzung mit Globalisierung Die Spaltung der Welt in arm und reich ist natürlich auch ein materielles Problem. Wer aber dauerhaft Brücken der Verständigung bauen will, muss die ideologische Dimension des Konflikts erfassen und sich mit Themen wie Respekt, Anerkennung, Würde und Selbstachtung der Kulturen oder Nationen beschäftigen. Die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit leidet dagegen unter dem Diktat einer Armutsbekämpfung, die ausschließlich materiell orientiert ist, und vor diesem Hintergrund die GesprächspartnerInnen auf der anderen Seite häufig nicht als gleichwertig betrachtet. Der Dialog muss aber auf gleicher Augenhöhe stattfinden: So hat zum Beispiel die lateinamerikanische Befreiungstheologie maßgeblich dazu beigetragen, den Armen eine Stimme und gesellschaftliche Macht zu geben. Die befreiungstheologisch inspirierte Landlosenbewegung in Brasilien ist heute ein Garant dafür, dass sich Energie und Kreativität der ausgegrenzten LandarbeiterInnen Brasiliens auf ideelle und materielle Teilhabe an den Reichtümern ihres Landes konzentrieren und eben nicht in verzweifelten Terror münden. Und die Befreiungstheologie hat in der Katholischen Weltkirche mit der Diskussion über die „Option für die Armen“ eine Diskussion ausgelöst und provoziert, in der sich das Nord-Süd-Gefälle des Diskurses teilweise umkehrte. Dabei konnte sie sich aber auch auf Lehrstühle stützen, die aus deutschen Kirchensteuergeldern finanziert wurden. Die größte Katastrophe, die die Globalisierung – und das schließt manchmal wohlmeinende Hilfe ein – bei den Armen und Intellektuellen in der sogenannten Dritten Welt anrichtet, ist, ihnen ihre Würde und Selbstachtung zu nehmen. Eine Politik, die nur auf mehr Entwicklungshilfe setzt, stößt schnell an Grenzen Unter dem Spardiktat von Finanzminister Eichel schrumpfte der Entwicklungshilfeetat derart zusammen, dass Deutschland zum Teil nicht mehr in der Lage war, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Der Trend zu einer weiteren Kürzung des BMZ -Haushaltes konnte nach dem 11. September jedoch gestoppt werden. Wenn sich jetzt allerdings die Vorschläge häufen, mit einem mit vielen Milliarden US-Dollar ausgestatteten „Marshallplan“ oder neuen zu schaffenden Fonds, die Probleme der Entwicklungsländer sozusagen auf einen Schlag zu lösen, dann sollte in der Hitze der Diskussion nicht das hinunterfallen, was als Stand der Diskussion zur Nord-Süd-Problematik festgehalten werden kann. Der Anteil von Entwicklungsgeldern am Bruttoinlandsprodukt der Industrieländer fiel von 0,35 Prozent 1992 auf 0,22 Prozent 2000. Foto: Antonio Turok, Chiapas 13 Namenlos-4 13 02.10.2006, 12:35 Der Marshallplan von 1947 war deshalb so erfolgreich, weil er in Deutschland Geld zur Mobilisierung von bereits bestehenden effizienten Strukturen einer entwickelten Industriegesellschaft mit ausgebildeten Facharbeitern und orgaVom Süden lernen nisierter Eigeninitiative bereitgestellt Als vor zehn Jahren die Mehrzahl der Einhat. Genau diese wohnerInnen des nicaraguanischen ÖrtStrukturen existiechens Malpaisillo arbeitslos wurde, weil ren aber in den ärmsder Anbau von Baumwolle eingestellt werden musste, da nahmen eine Hand ten Entwicklungsvoll Frauen all ihren Mut zusammen und ländern nicht. Dort gründeten das Frauenzentrum Xochilt gibt es vielmehr ein Acalt. Programme zur Ziegenaufzucht doppeltes Absorptiund zum Gemüseanbau sollten vielen onsproblem: Jede erFrauen und ihren Familien aus der Misere fahrene Mitarbeiteverhelfen. Anfangs, der Ziegenmilch und rin oder Mitarbeiter der Tomaten wegen verlacht, war einieiner Nichtregiegen, vor allem Männern, schon bald nicht rungsorganisation mehr zum Lachen zu Mute. Besitztitel des wird bei jedem Invesvon Frauen bestellten Landes gingen mit Hilfe von Xochilt Acalt an die Frauen. Viel titionsprojekt, wie zu groß war das Risiko, dass die Männer beispielweise dem es hätten verspielen oder versaufen könBau von Wassernen. brunnen, auf einer Heute verfügt ein Grossteil der LandfrauEigenleistung der en in Malpaisillo dank Xochilt Acalt über Zielgruppe in Höhe ein sicheres Einkommen. Das Frauenzenvon min-destens 50 trum hat A grarexpertinnen und VeteriProzent bestehen, närinnen ausgebildet; und auch die Rindviehzucht, eigentliche Domäne des Mansoll es nachhaltig und nes, wird von ihnen betrieben. erfolgreich sein. Zur Fortsetzung der Projektarbeit unseAnderenfalls ist die rer Partnerorganisation Xochilt Acalt bitGefahr groß, dass die ten wir unter dem Stichwort „Frauen in Brunnen nicht geNicaragua“ um Ihre Spende. wartet werden und wieder verrotten. Es macht auch keinen Sinn, mit viel Entwicklungshilfegeldern zum Beispiel teure Straßen zu bauen, wenn der Regierung hinterher die Gelder und Strukturen fehlen, um diese ordentlich zu warten. Eine Entwicklungspolitik, die auf die Mobilisierung eigener Kräfte setzt, muss deshalb sinnvoller Weise ihre Limitation in den begrenzten Ressourcen ärmerer Länder anerkennen. Auch mit Blick auf deren geringe administrative Kapazitäten ist das gegenwärtige Modell hochbürokratisierter Entwicklungshilfe vielfach an die Grenze der Aufnahmefähigkeit der Nehmerländer gelangt. Es geht auch in diesem Zusammenhang um den Respekt für die Eigeninitiative des Südens. Ein guter Freund, Geschäftsführer einer kamerunischen Nichtregierungsorganisation, die mit großem Erfolg und im wesentlichen aus eigener Kraft ein gut funktionierendes System von Dorfbanken mit jetzt schon über 25.000 Mitgliedern aufbaut, erzählte, dass er und seine KollegInnen aus anderen afrikanischen Ländern sich kaum noch gegen die vielen Angebote von Krediten seitens internationaler Geber wehren könnten. Mikrofinanzierung sei en vogue. Sie hätten Mühe, die Europäische Investitionsbank davon zu überzeugen, dass ihr Weg, Schritt für Schritt lokale Ersparnisse zu mobilisieren, zwar mühselig aber langfristig der einzig erfolgversprechende sei. Hilfsgelder können Eigeninitiative auch erschlagen. Die Liste der Beispiele ist leider lang. Vom Süden lernen Praktisch alle bemerkenswerten Initiativen zur nachhaltigen Bekämpfung von Armut kommen aus dem Süden selbst. Das gilt für die Graheem Bank in Bangladesh genauso wie für die Landlosenbewegung in Brasilien. Deshalb 14 Namenlos-4 14 02.10.2006, 12:35 möchte ich abschließend die Erfahrung einer marokkanischen Stiftung referieren (vgl. Jeune Afrique vom 25. Dezember 2000), die bisher Schulplätze für 5000 Kinder in entlegenen Zonen des Landes finanziert hat. Das Erfolgsrezept beruht auf der Diagnose des Versagens der staatlichen Grundschulen in entlegenen Landesteilen: Die buchstäblich in die Wüste geschickten LehrerInnen staatlicher Universitäten sind nicht nur teuer, sondern auch demotiviert. Der staatliche Schulalltag orientiert sich zudem nicht an den Bedürfnissen der Kinder, die alle in der einen oder anderen Form arbeiten müssen. So findet der Unterricht auch während der Erntezeit oder an Markttagen statt, obwohl die meisten Kinder keine Zeit haben, in die Schule zu kommen. Andererseits ist am Sonntag schulfrei, wenn ohnehin alle frei haben, oder nach der Aussaat, weil gerade die staatlichen Schulferien sind. Die von einem marokkanischen Publizisten gegründete Stiftung Zakoura, die sich bisher ausschließlich aus Spenden vermögender MarokkanerInnen finanziert, hat all dies geändert. Sie baut für wenig Geld einfache Schulgebäude. Die Schulzeiten sind dem dörflichen Lebensrhythmus angepasst, und die LehrerInnen werden unter AbiturientInnen und AbsolventInnen staatlicher Schulen rekrutiert, die mangels Arbeit in ihre Dörfer zurückkehren. Für sie sind auch bescheidene Gehälter schon ein großer Fortschritt. Ihre Motivation ist größer und wird in regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen weiter gefördert. Der Erfolg ist überwältigend. In den 102 von Zakoura geförderten Schulen erreichen die SchülerInnen ihren Grundschulabschluss bereits nach drei Jahren. An den staatlichen Schulen brauchen sie dafür sechs Jahre. Eine Schule mit zwei Klassen à 30 SchülerInnen kostet für einen Zyklus von drei Jahren alles inklusive rund 15.000 Euro. Ließe man die Weltbank oder die GTZ auf dieses Problem los, würden die Kosten ein Dutzendfaches betragen. So können die MarokkanerInnen stolz darauf sein, aus eigener Kraf t eine bemerkenswerte Initiative auf den Weg gebracht zu haben. Wer aus dem 11. September lernen will, sollte die Fähigkeit entwickeln, im Süden genauer hinzuschauen, was es dort an erfolgreichen Politiken zur Armutsbekämpfung gibt und daraus lernen. Das bedeutet aber, den landläufigen Diskurs vielfach auf den Kopf zu stellen. Die Lücke zwischen Jungen und Mädchen bei den Bildungschancen hat sich seit Rio vergrößert. Zwei Drittel der weltweiten AnalphabetInnen sind Frauen. Foto: Antonio Turok, Chiapas Rundreise von Gästen aus Mittelamerika Zu dem von der Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung organisierten Sportkongress am 3./4. Mai 2002 in Köln wird die CIR Gäste aus Mittelamerika einladen, die über die Situation in den Weltmarktfabriken für Bekleidung referieren können. Sie stehen für eine Rundreise durch Deutschland zur Verfügung. Interessierte Gruppen melden sich bitte bei der CIR. Roger Peltzer, Mitglied der CIR 15 Namenlos-4 15 02.10.2006, 12:35 info Projekte Nicaragua Arbeitende Kinder stärken! Foto: CIR-Archiv Hundert Kinder und Jugendliche, die arbeiten müssen und zum Teil auf der Straße leben, kommen jeden Tag in den Jugendclub, dem Club Infantil, in Jinotega. Dort können sie sich ausruhen und spielen, lesen und schreiben lernen oder eine Ausbildung zur Schneiderin oder zum Schreiner absolvieren. Angesichts wachsender Armut sind die Familien im Norden Nicaraguas auf die Arbeit der Kinder angewiesen – in den Club kommen die Kinder nur, wenn nicht nur Ausbildung oder Freizeitspaß dabei herausspringen, sondern auch die Aussicht auf besseren Verdienst. Die KinderarbeiterInnen in Jinotega wollen, dass ihre Arbeit, die sie für ihre Familien, für die Gesellschaft leisten, wertgeschätzt wird. Sie fordern: „Schluss mit der Diskriminierung von arbeitenden Kindern!“ In einer eigenen Radiosendung, die einmal wöchentlich zu hören ist, bringen die KinderarbeiterInnen ihre Forderungen zum Ausdruck. Ihre Sendung richtet sich vor allem an Erwachsene, die sie für ihre konkreten Probleme, ihre Interessen und Bedürfnisse sensibilisieren wollen. Und sie können die Radiosendung nutzen, um auf die Verletzung ihrer Rechte aufmerksam zu machen. Die Christliche Initiative Romero will das Radioprojekt des Club Infantil in Jinotega auch in diesem Jahr unterstützen. Denn es ist Sprachrohr der Kinder, die sonst nicht gehört werden. Bitte unterstützen Sie unsere PartnerInnen in Mittelamerika. Spenden „Arbeitende Kinder“ auf das Konto der CIR 3 11 22 00 bei der Darlehn 16 Namenlos-4 16 02.10.2006, 12:35 (MEC) bezahlt werden, das vor den Werkstoren die ArbeiterInnen im Falle von Arbeitsrechtskonflikten berät. Diese Erfahrung soll nun auf andere mittelamerikanische Länder übertragen werden. Unsere Projektpartnerinnen sind im sog. „Netzwerk in Solidarität mit den MaquilaarbeiterInnen“ zusammengeschlossen. Denn die Arbeitsbedingungen in den Weltmarkfabriken können nur dann wirksam verbessert werden, wenn in der mittelamerikanischen Region die gleichen Standarts gelten und eingehalten werden. amerika. Spenden Sie unter dem Stichwort „Maquila-Solifonds“ oder 0 bei der Darlehnskasse Münster, BLZ 400 602 65. 17 Namenlos-4 17 02.10.2006, 12:35 Mittelamerika Fast 90 Prozent der in Deutschland verkauften Kleidung stammt aus Osteuropa oder der „Dritten Welt“. In Mittelamerika hat die Bekleidungsindustrie in den vergangenen zehn Jahren einen rasanten Aufschwung genommen. Die Arbeitsbedingungen gelten jedoch in den meisten Betrieben, den sog. Maquilas, als katastrophal. Der größte Teil der Beschäftigten sind junge Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Arbeitsrechte und Schutzbestimmungen werden regelmäßig missachtet. Lange Arbeitszeiten, ungenügende Bezahlung sind die Regel. Aus Angst um ihre Arbeitsplätze wagen die Frauen es nicht, sich zur Wehr zu setzen. Die Christliche Initiative Romero hat einen „Solidaritätsfonds für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken für Bekleidung“ eingerichtet. Dank der Unterstützung unserer SpenderInnen konnte in Nicargua daraus ein Anwaltsteam der Bewegung „María Elena Cuadra“ Foto: Jasinto Bendaña Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Frauen Länderbericht El Salvador 10 Jahre nach Kriegsende in El Salvador Der gewalttätige Frieden Am 16. Januar jährte sich zum zehnten Mal die Unterzeichnung des Friedensabkommens, mit dem der zwölfjährige Bürgerkrieg in El Salvador beendet wurde. Viele Hoffnungen auf ein „anderes“, gerechteres El Salvador wurden seit dem enttäuscht. Die erkämpften politischen Freiheiten konnten jedoch ausgebaut werden und bilden die demokratische Grundlage für einen Prozess, bei dem mittelfristig selbst die Regierungsübernahme durch die ehemalige FMLN-Guerilla möglich scheint. Zwei Hauptgründe werden gemeinhin als Ursachen für den Krieg in El Salvador genannt: Erstens die extreme soziale Ungleichheit, insbesondere auf dem Land. Zweitens das Verschwinden jeglicher politischer Freiräume für eine zivile politische Opposition. Der Mord an Erzbischof Oscar Arnulfo Romero im März 1980 markierte das Ende einer Epoche. Wenn Militär, Polizei und Todesschwadrone nicht einmal mehr vor dem Mord am Oberhaupt der sal- vadorianischen Kirche zurückschreckten, dann war gar kein ziviler Protest mehr möglich. Der Trauerzug für den ermordeten Erzbischof war mit mehr als 100.000 Menschen die letzte große Mobilisierung der zu dieser Zeit wohl stärksten Volksbewegung des Kontinents – und endete in einem Massaker der Polizei, die auf die Trauernden das Feuer eröffnete und mindestens 50 Menschen ermordete. Alle Versuche einer gesellschaftlichen Veränderung auf legalem und friedlichem Weg waren gescheitert. Die verschiedenen seit 1970 entstandenen Guerillagruppen hatten immer mehr Zulauf. Nachdem sie sich im Oktober 1980 zur FMLN zusammengeschlossen hatten, wagten sie Anfang 1981 eine „Endoffensive“, die zum Beginn von zwölf Jahren Bürgerkrieg wurde. Washington machte El Salvador zum Experimentierfeld für seine Strategie eines „Krieges niedriger 18 Namenlos-4 18 02.10.2006, 12:35 Intensität“, dem bis 1992 rund 80.000 Menschen zum Opfer fielen, und duldete oder unterstützte unzählige Menschenrechtsverletzungen. Spätestens die groß angelegte FMLN-Offensive im November 1989 machte allerdings deutlich, dass zwar ein militärischer Sieg der Guerilla verhindert, diese aber auch nicht besiegt werden kann. Zudem wuchs nach der Ermordung von sechs Jesuiten während der Offensive durch eine von den USA ausgebildete Eliteeinheit der Druck im US-Kongress, die Unterstützung der salvadorianischen Streitkräfte einzustellen. Umgekehrt musste auch die FMLN erkennen, dass der bewaffnete Kampf in absehbarer Zeit zu keiner grundlegenden Veränderung der Kräfteverhältnisse führen würde. Und die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung wuchs. Neue Zeiten brachen an, das Ende des Kalten Krieges zeichnete sich ab. Auf beiden Seiten wuchs der Pragmatismus. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen begann ein Verhandlungsprozess, der nach einigen Rückschlägen in das am 16. Januar 1992 unterzeichnete Abkommen von Chapultepec mündete. Das Friedensabkommen Das Friedensabkommen umfasst auf rund 100 Seiten drei Hauptbereiche: Reformen des Militärs und der Polizeieinheiten, politische und sozio-ökonomische Reformen. Der mit Abstand detaillierteste Bereich betrifft das Militär und die Polizei. Immerhin: Die Streitkräfte wurden offiziell der zivilen Gewalt untergeordnet, ihre Aufgaben auf den Schutz der „nationalen Souveränität und territorialen Integrität“ beschränkt und ihr Einsatz bei internen Konflikten fortan untersagt. Die fünf Elitebataillone, die für eine Vielzahl an Massakern und Verbrechen verantwortlich waren, wurden aufgelöst. Eine „Wahrheitskommission“ untersuchte die schwersten Menschenrechtsverletzungen von Armee und FMLN. Auf deren Ergebnisse antwortete die Regierung 1993 allerdings umgehend mit einer Generalamnestie. Besonders wichtig war die Auflösung der drei berüchtigten Polizeieinheiten (Nationalpolizei, Finanzpolizei und Nationalgarde) sowie der Aufbau einer neuen „Zivilen Nationalpolizei“ (PNC). Vager und unverbindlicher formuliert waren hingegen die Kapitel über die politischen Reformen. Die FMLN wurde legalisiert und ihre Teilnahme an Wahlen ermöglicht. Die Reform des unzulänglichen Wahlgesetzes steht in wichtigen Punkten jedoch bis heute aus. Und auch die Justizreform schleppte sich hin. Korrupte und zwielichtige Richter und Staatsan- Familienangehörige von „Verschwundenen“ in El Salvador mahnen zu Wahrheit und Erinnerung an die Opfer von in den 80er Jahren begangenen Menschenrechtsverletzungen. Foto: CIR-Archiv 19 Namenlos-4 19 02.10.2006, 12:35 wälte, die für die Verschleierung zahlreicher Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit verantwortlich waren, konnten über Jahre hinweg im Amt bleiben. Der eindeutige Schwachpunkt des Friedensabkommens ist allerdings der sozio-ökonomische Bereich. Die seit 1989 regierende ARENA konnte ihre neoliberale Transformation der Ökonomieunbehindert fortführen, die bestehenden EigenSuche nach den tumsverhältnisse wurverschwundenen Kindern den nicht angetastet. Seit acht Jahren sucht unser Projektpartner Pro-Búsqueda nach den verschwundenen Kindern, die vom Militär in El Salvador Anfang der 80er verschleppt worden sind. Vielfach konnte bereits der Kontakt zu den überlebenden Verw andten hergestellt werden. Für die Kinder ist diese Zusammenkunft oft ein schwieriges, aber auch befreiendes Ereignis. Sie erlangen einen Teil ihrer Identität zurück. Für die Eltern grenzt es oft an ein Wunder, nach so vielen Jahren des Hoffens und Suchens ihre Kinder wiederzusehen. „In der salvadorianischen Gesellschaft ist es immer noch schwer, die Mauern des Schweigens zu durchbrechen“, so Jon Cortina. Insbesondere die Militärs, aber auch die S.O.S.-Kinderdörfer, die teilweise mit den Soldaten kooperiert haben, sind kaum zu einer Zusammenarbeit mit Pro-Búsqueda zu bewegen. Die CIR möchte auch in diesem Jahr ProBúsqueda bei seinen Nachforschungen in den Archiven von Gerichten, Kinderheimen, Polizei und anderen Institutionen unterstützen. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort „Versch wundene Kinder“. Law and order Trotz hoher wirtschaf tlicher Wachstumsraten in den ersten Jahren nach Kriegsende verbesserte sich die Situation für die breite Bevölkerungsmehrheit nur wenig. Konnte Präsident Cristiani noch damit werben, Frieden geschaffen zu haben, so hatte sein Parteifreund Calderón Sol kaum noch Erfolge anzubieten. Armut und Arbeitslosigkeit, Privatisierung von Staatsbetrieben und Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel und öffentliche Dienste – die neoliberale Transformation der Gesellschaft kannte nur wenige Gewinner. Neben dem Handels- und Finanzkapital waren dies immer wieder auch Regierungsfunktio- näre, die immer neue Wege der Korruption und Bereicherung fanden. Doch die Schrecken des Neoliberalismus verblassten angesichts der grassierenden Gewalt im Lande, die die Menschen auf unterschiedlichste Art bedrohte. Neben den bereits erwähnten Übergriffen der Polizei und der organisierten Kriminalität war in den Jahren nach 1992 ein enormer Zuwachs an teils höchst brutaler Alltagskriminalität zu verzeichnen. Seit Jahren führt El Salvador die Gewaltstatistik in Lateinamerika an, im Vergleich zur Bevölkerungszahl werden in keinem Land des Kontinents so viele Menschen Opfer eines Verbrechens mit tödlichem Ausgang. Die verunsicherte Opposition Die FMLN hat den Übergang von einer politisch-militärischen hin zu einer politischen Organisation vergleichsweise gut geschafft. Aber es sollte sich auch das bewahrheiten, was einige vorsichtigere comandantes bereits zum Ende des Krieges erahnten: „Nicht jeder gute Guerillero, ist auch ein guter Politiker“. Abgesehen von der Ver nachlässigung der eigenen Basis in den früheren Guerillahochburgen, die häufig beklagt wurde, zielt diese Feststellung auch auf die ideologische Verunsicherung, wie und wo sich die neue Partei gesellschaftlich und politisch verorten sollte. Die Mehrheit der FMLN-Abgeordneten wirkte angesichts der neoliberalen Regierungspolitik manchmal merkwürdig defensiv: so wurde die Privatisierung von 20 Namenlos-4 20 02.10.2006, 12:35 Staatsbetrieben zunächst nicht abgelehnt und auch kein alternatives Konzept vorgelegt, sondern lediglich eine „transparente Privatisierung“ gefordert. Auch zeigte die FMLN zu große Distanz gegenüber den ohnehin schwächer werdenden sozialen Bewegungen, ganz als ob sie Angst gehabt hätte, von der Rechten der Destabilisierung des Landes oder der Behinderung des Friedensprozesses bezichtigt zu werden. So hatten die sozialen Organisationen, bis zum Kriegsende fast alle fest in die Strategie der FMLN eingebunden, seit 1992 enorme Probleme ihren eigenen Platz in der salvadorianischen Nachkriegsgesellschaft zu finden. Eine Verunsicherung, die lange Zeit nicht überwunden werden konnte, zumal einige der fähigsten Kader in die Partei abberufen wurden. ne Zerstrittenheit und fehlende politische Reife ist. Dabei ist die einst stärkste Guerilla Lateinamerikas zehn Jahre nach Kriegsende die einzige politische Kraf t, die der Vorherrschaft der alten Machteliten ein Ende bereiten könnte. Und die Menschen dieses geschundenen Landes, das nach Jahren des Krieges nun von Hurrikanen und Erdbeben, Dengue-Epidemien und Dürrekatastrophen heimgesucht wird, haben wahrlich etwas besseres verdient als die immergleiche Rezeptur aus neoliberaler Ausbeutung und autoritärer Entmündigung. Literaturtipp „Friedensprozess in El Salvador – Noch nicht am Ziel“ lautet der Titel der Januar-Ausgabe der Lateinamerika Nachrichten. Diese umfassende Bestandsaufnahme der jüngsten Geschichte El Salvadors ist für 4,00 Euro bei der CIR erhältlich. Michael Krämer, INKOTA Mit freundlicher Genehmigung gekürzt aus: Lateinamerika Nachrichten 331. Januar 2002. . Verschenkte Chancen Immerhin: Von Wahl zu Wahl legt die FMLN zu und regiert auf kommunaler Ebene inzwischen – oft erfolgreich – in fast allen großen Städten und über die Mehrheit der Bevölkerung. Auch überflügelte sie bei den letzten Abgeordnetenwahlen erstmals ARENA und ist nun stärkste Partei im Parlament. Den möglichen Sieg bei den letzten Präsidentschaftswahlen 1999 hat sie allerdings verspielt, als sie sich Monate lang lähmte und auf keinen Kandidaten beziehungsweise keine Kandidatin einigen konnte. Inzwischen ist eine erneute Spaltung der FMLN nicht auszuschließen, und so scheint es, als ob ihr gefährlichster Gegner die eige- . Am 24. März 2001 vor der Kathedrale von San Salvador in Gedenken an die Ermordung von Erzbischof Oscar Arnulfo Romero. Foto: Thomas Krämer 21 Namenlos-4 21 02.10.2006, 12:35 Länderbericht Guatemala Übergangszeit nach Friedensverträgen Kürzlich jährte sich zum fünften Mal die Unterzeichnung der Friedensverträge in Guatemala, womit offiziell der über drei Jahrzehnte dauernde bewaffnete Konflikt, der das Land zerriss, beendet wurde. Der Bürgerkrieg traf, wie meistens in solchen Fällen, die Zivilbevölkerung, das heißt in Guatemala vor allem die Maya-Völker. Mit der Unterzeichnung der Friedensverträge legte die Guerilla die Waffen nieder und handelte im Gegenzug politische Zugeständnisse sowie eine Amnestie aus. Insbesondere wurden hierdurch die politischen Spielräume erweitert und eine größere Bürgerbeteiligung ermöglicht. Heute wird in der Öffentlichkeit der Wiedereinstieg in eine bewaffnete Auseinandersetzung grundsätzlich abgelehnt. In den organisierten Teilen der Zivilgesellschaft besteht der Wille, Konflikte auf dem Verhandlungsweg zu lösen und so einen Beitrag am Wiederaufbau eines sozialen Netzes zu leisten. Und doch sind die Ursachen, die den bewaffneten Konflikt aus- lösten oder ihn rechtfertigten, fünf Jahre nach Friedensunterzeichnung weiterhin ungelöst: Die Armut erstreckt sich auf etwa 70 Prozent der insgesamt 11 Millionen EinwohnerInnen Guatemalas; und die Arbeitslosigkeit stieg mit dem Fall der Kaffeepreise im vergangenen Jahr erneut enorm an. Über die Hälfte der Erwerbsbevölkerung ist unterbeschäftigt oder arbeitslos. Die kürzlich angewiesene Erhöhung des Mindestlohns mit jetzt vier Dollar pro Tag wird von etlichen Arbeitgebern unterlaufen. Die strukturellen Probleme, wie die ungleiche Verteilung des Reichtums und des Bodenbesitzes, sind mit den Friedensverträgen nicht behoben worden. So fragt man sich, welcher Unterschied zur Vergangenheit besteht. Die herrschenden schlechten politischen und sozialen Bedingungen lösten den bewaffneten Konflikt aus, was auf der anderen Seite die Verteidigung von Privilegien bedeutete. Und das Resultat? 22 Namenlos-4 22 02.10.2006, 12:35 l Die ehemalige Guerilla steht ohne ausreichende Verbindungen zur Gesellschaft da. Sie verschließt sich einer inhaltlichen und strukturellen Erneuerung und hat so selbstverschuldet ihre politische Position verschlechtert. Es gibt nur geringe Zeichen einer politischen Erholung. l Die Armee machte sich im Bürgerkrieg schwerster Menschenrechtsverstöße schuldig. Ebenso wie für die Guerilla gilt die Amnestie auch für sie. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind von der Amnestieregelung jedoch ausgenommen. Die Verringerung der Streitkräfte, die gänzliche Auflösung der paramilitärischen Kräfte und des geheimdienstlich genutzten Präsidentiellen Generalstabs stehen noch aus. l Die Gesellschaft steht verunsichert da, ohne dass die Wunden aus dem Bürgerkrieg verheilt wären; und noch immer schimmert das Trauma von Angst und Furcht durch. Sie hat ein unterentwickeltes Selbstwertgefühl und sucht nach Wegen der psychosozialen Erholung. Friedensverträge: politische Konzessionen versus Demobilisierung Wichtig im Gefolge der Friedensverträge ist die kontinuierliche Öffnung politischer Spielräume und die Möglichkeit sozialer Partizipation. Die Herausforderung ist, eine Kultur des Friedens zu errichten, in der langsam aber sicher Toleranz, Akzeptanz von Unterschieden und Debatten gedeihen. Der Austausch der Gesellschaft mit den Bevölkerungssektoren, die am meisten ausgeschlossen und marginalisiert sind, muss noch verstärkt im Staatsgebilde berücksichtigt werden. Zur Umsetzung bestimmter Inhalte der Friedensverträge sollen beispielhaft drei Bereiche genannt werden: für den produktiven Bereich die Landfrage, für die Staatstätigkeit die Steuergesetzgebung und für die Rahmenbedingungen die Reform im Justizwesen. Begrenzte Fortschritte Bezogen auf die ungleiche Landverteilung sind öffentliche Fonds zum Erwerb von Land für Campesinos bereitgestellt. Viele Hektar Land sind verteilt worden, und es gibt eine „Plattform für Landfragen“, in der die wichtigsten Campesino-Organisationen vertreten sind. Aber in ländlichen Gebieten gibt es weder ausreichende Anbindungen an Straßen, genug Trinkwasser, Strom und Dränagen, noch wurde eine tatsächliche ländliche Entwicklungsstrategie entworfen. Bei dem in Guatemala schwierigen Thema „Steuergerechtigkeit“ hat es insofern Fortschritte gegeben, als dass es unter Beteiligung aller relevanter Sektoren zu Verhandlungen über das Steuer „Der Staat muss sich öffentlich zu den Ereignissen und seiner Verantwortung für die massive und systematische Verletzung der Menschenrechte gegenüber der guatemaltekischen Bevölkerung bekennen und diese als Unrecht eingestehen.“ (REMHI 1999) Foto: CIR-Archiv 23 Namenlos-4 23 02.10.2006, 12:35 system gekommen ist. Allerdings sind die Widerstände groß, insbesondere von wirtschaftlich mächtigen Sektoren, die in der Vergangenheit durch Steuerhinterziehung ihre Reichtümer ausdehnen konnten. Nun versuchen sie ihre Privilegien zu verteidigen, indem sie zusätzliche Steuern ablehnen mit dem nicht unbegründeten Argument, diese blieben in korrupten Regierungsstrukturen hängen. Dies ist aber nur ein Vorwand gegen die bereits angelaufenen Modernisierungsmaßnahmen, um den eigenen Indígenafrauen fordern Steuerbeitrag gering zu halten. Wahrheit Im Gerichtswesen Die indianische Frauen- und Witwensind die positiven Folgen organisation Guatemalas CONAVIGUA der Friedensverträge streitet für die Rechte der Indianersichtbar. Es wurde eine innen. Ein Bestandteil ihrer Arbeit zur Kommission für die ReWiedererlangung der Würde der Indíform des Gerichtswesens genas sind Exhumierungen von wäheingerichtet, auf deren rend des Bürgerkrieges ermordeten Empfehlungen hin VerAngehörigen. Das Auffinden der Überänderungen eingeleitet reste der Angehörigen ist psycholowurden. Dies heißt noch gisch enorm wichtig und zudem Voraussetzung für die Inanspruchnahme nicht, dass das Justizwevon Entschädigungsr echten. Die Exsen vollständig funktiohumierungen sind insofern eine poliniert und alle es in gleitische Arbeit, als dass sie den Frauen cher Weise in Anspruch Kraft geben, die Vergangenheit nicht nehmen können. Aber in zu v ergessen und auf diese Weise den allerjüngster VergangenEmpfehlungen der Wahrheitskomheit sind Fälle von Menmission zur Aufklärung der Menschenrechtsverletzunschenrechtsverbrechen während des gen vor Gericht gekomBürgerkrieges Nachdruck zu verleihen. Zur Unterstützung dieser Arbeit men, die früher schlicht bitten wir unter dem Stichwort „COnicht aufgegriffen worNAVIGUA“ um Ihre Spende. den wären. In punkto Menschenrechte ist zu beobachten, dass nun mehr nicht nur die klassischen Menschenrechte verteidigt, sondern auch die sozio-ökonomischen Rechte berücksichtigt werden. Zukünftige Aussichten bei der Friedensumsetzung Was den zukünftigen Umgang mit den Friedensverträgen angeht, so sind zwei Dinge festzuhalten. Zum einen ist es ein Fehler, bei der Friedensumsetzung zu sehr auf die internationale Gemeinschaft, als nahezu einziger Finanzierungsquelle, zu schielen, statt den eigenen Haushalt in einem Umstrukturierungsprozess ins Visier zu nehmen. Dies ist nicht nachhaltig, da die internationalen Gelder versiegen werden und dann das eigene Haus nicht ausreichend bestellt ist. Zum anderen gibt es angesichts der Tatsache, dass viele Teile der Friedensverträge noch nicht umgesetzt worden sind, gegenwärtig eine Reprogrammierung der Umsetzung. In diesem Prozess, in den auch inhaltliche Dinge hineinspielen, sind wichtige gesellschaftliche Kräfte, insbesondere parteiunabhängige Organisationen der Zivilgesellschaft, nicht vertreten, andererseits wird an der Ex-Guerilla als Friedensvertragspartnerin festgehalten. Dies entmutigt bestimmte gesellschaftliche Bereiche, sich an der Friedensumsetzung zu beteiligen, und lässt die Friedensverträge und ihre Inhalte noch stärker in den Hintergrund treten. Mario Minera (Übersetzung: Albrecht Schwarzkopf, CIR) Mario Minera ist im Vorstand des guatemaltekischen Menschenrechtszentrums CALDH und langjähriger Projektpartner der CIR. 24 Namenlos-4 24 02.10.2006, 12:35 Länderbericht Haiti Reporter ohne Grenzen fordert: Sanktionen gegen Aristide Reporter ohne Grenzen fordert: kein Visum für die USA und Einfrieren aller ausländischen Konten für Präsident Aristide, Cherestal, den inzwischen zurückgetretenen Premierminister, Innenminister Menard sowie weitere Minister, Senatoren, Polizeioffiziere und Richter. Ihnen allen wird vorgeworfen, kraft ihres Amtes aktiv die Aufklärung der Morde an den haitianischen Journalisten Jean Dominique (ermordet am 3. April 2000) und Brignol Lindor (ermordet am 3. Dezember 2001) zu verhindern. Reporter ohne Grenzen verlangt – zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International – seit Monaten die juristische Aufklärung des Mordes an Jean Dominique, einem ehemaligen Weggefährten von Aristide, und führt dazu umfangreiche Recherchen in Haiti durch. Jean Dominique war der Grandseigneur der haitiani- Der französische Zweig von Reporter ohne Grenzen forderte am 11. Januar diesen Jahres Sanktionen gegen 24 Repräsentanten der haitianischen Regierung. Diese Forderung markiert eine neue Qualität in der Beurteilung der Situation Haitis durch internationale Menschenrechtsorganisationen. Wir informieren nachfolgend über die Lage in Haiti, dessen Regime auch vor Mord und Brandstiftung nicht zurückzuschrecken scheint. schen M edien. Von den Duvaliers ins Exil getrieben, baute er seine Radiostation unmittelbar nach dem Sturz Duvaliers wieder auf und wurde zur unermüdlichen Stimme für eine grundlegende Veränderung der haitianischen Gesellschaft. Dieser Grundhaltung wegen unterstützte er zunächst auch Aristide, scheute sich später jedoch nicht, Mitglieder von Aristides Partei, die die Reformbewegung von ihren Prinzipien entfernen wollten, öffentlich zu kritisieren. Das kostete ihm das Leben. Hauptverdächtiger im Mordfall Jean Dominique ist Danny Toussaint, einer der gegenwärtigen 25 Namenlos-4 25 02.10.2006, 12:35 Weggefährten von Präsident Aristide, der in den Drogen- und Waffenhandel des Landes verstrickt ist. Toussaint, der nach den international nicht anerkannten Wahlen inzwischen zum Senator avancierte, verfügt über die parlamentarische Immunität. Solange diese durch den Senat nicht aufgehoben wird, kann er strafrechtlich nicht verfolgt werden. Und nachdem der erste Untersuchungsrichter auf Grund von Drohungen sein Mandat niedergelegt hatte, wurde am 23. Januar 2002 der zweite Untersuchungsrichter per Präsidialdekret von Aristide von diesem Fall entbunden. Vom Hoffnungsträger der Demokratie zum Autokraten 1991 wurde Präsident Aristide, seiner Zeit Hoffnungsträger für viele, von der Armee seines Landes gestürzt. Die große Mehrheit der HaitianerInnen, die unter der harten Repression des folgenden Militärregimes unter General Cedras litt, forderte mit großem Nachdruck erfolgreich die Rückkehr Aristides und unterstützte das Embargo, das gegen Haiti verhängt worden war und schließlich in eine vollständige Blockade mündete. Auf Grund dieser eindeutigen Haltung der haitianischen Bevölkerung verteidigte die Christliche Initiative Romero damals das Embargo auch in Deutschland und Europa und forderte die Rückkehr Aristides ins Präsidentenamt. Als sich die Demokratiebewegung in Haiti 1997 offen in eine Aristide-treue Fraktion und in einen unabhängigen Flügel spalte- te, der stärker auf die Willensbildung durch politische Parteienstrukturen setzte, schien dies zum Teil noch auf das Problem unterschiedlicher Seilschaften zurückzuführen zu sein. Doch schon im April 1997 stellte die Internationale Gemeinschaft die Ordnungsmäßigkeit der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Senats- und Kommunalwahlen in Zweifel. Im folgenden Jahr wurde Pater Jean-Pierre Louis, von seinen Freunden kurz Ti-Jean genannt, Spiritus Rector der kirchlichen Basisgruppe SEDEP, ermordet. Er hatte vor seinem Mord im August 1998 mehrfach den autoritären und undemokratischen Charakter des Aristide-Regimes öffentlich kritisiert. Vieles deutete auf eine Beteiligung der Aristide-Anhänger hin, es fehlte aber an aussagekräftigen Beweisen. Was Aristide von Gewaltenteilung hält, beweist er in seiner drastischen Rede, die er im Juni letzten Jahres an der Polizeiakademie in Port-au-Prince hielt: Angesichts einer unkontrollierbar wachsenden Kriminalität sagte Aristide den Polizisten: „Null Toleranz für Kriminelle! Wenn ihr Kriminelle auf frischer Tat ertappt, bringt sie nicht zur Justiz. Erledigt es selbst.“ Die unheilvollen Folgen dieser Rede werden in der französischen Zeitschrift Le Monde vom 11. Dezember dokumentiert. Unter der Überschrift „Ich nahm an 50 extra-legalen Hinrichtungen teil“ beschreibt ein haitianischer Polizist detailliert, welchen Niederschlag Aristides Aufforderung hat: Bestimmte Verdächtige werden nicht dem Richter vorgeführt, sondern in 26 Namenlos-4 26 02.10.2006, 12:35 eine geheime Zelle gesperrt. Eine Patrouille, die um Mitternacht Dienst hat, fährt mit drei oder vier Verhafteten an einen verlassenen Ort, wo sie umgebracht werden. Am nächsten Morgen kommt eine andere Patrouille, lädt die Leichen auf und bringt sie zur Leichenhalle, wo sie als „von Unbekannten Ermordete“ registriert werden. Der Polizist beschreibt seine Situation als Befehlsnotstand; um nicht weiter an solchen Verbrechen beteiligt zu sein, versucht er, den Nachtdienst zu vermeiden. Die Veröffentlichung seines Zeugnisses in Le Monde und anderen Zeitungen ist ein Hilferuf an die internationale Gemeinschaft. Mit Ausnahme einiger Intellektueller schweigt die haitianische Gesellschaft zu diesem Phänomen. Zu massiv ist das Problem der Kriminalität, die wohl auch als Teil der Strategie des Regimes eingesetzt wird. Wo G erechtigkeit nicht zu haben ist, weil die Justiz käuflich und unwirksam ist, werden alle Händel auf andere Weise erledigt. Eine Gesellschaft, die auf Grund einer funktionsunfähigen Justiz in permanenter Angst vor Kriminellen lebt, hat wenig Kraft, sich um eine Veränderung der politischen Situation zu kümmern. Wenige Tage vor Weihnachten wurde in Haiti ein Überfall auf den Präsidentenpalast inszeniert. 30 Bewaffnete sollen angeblich die Palastwache überfallen haben. Bei der anschließenden Schießerei gab es sechs Tote. Das AristideRegime rief seine Anhänger auf den Plan, die vor allem Häuser von Oppositionellen angriffen, darunter das Haus von Suzy Castor und Gerard Pierre Charles, zwei bedeutenden haitianischen Intellektuellen, die das Forschungs- und Ausbildungszentrum CRESFED leiten. Auch das Gebäude von CRESFED und drei Büros von politischen Parteien der Opposition wurden zerstört, regierungskritische Radiostationen überfallen und die Journalisten gezwungen, Hochrufe auf Aristide anzustimmen. Hatte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) noch den „Versuch eines Staatsstreiches“ in einer ersten Erklärung verurteilt, so geht die Erklärung der OAS vom 14. Januar in eine ganz andere Richtung: Die Gewalt vom 17. Dezember wird verurteilt und die Regierung aufgefordert, die Opfer, deren Häuser von Anhängern des R egimes ausgeraubt, verbrannt und zerstört wurden, zu entschädigen. Die CIR schließt sich der Forderung nach gezielten Sanktionen gegen die führenden Mitglieder des Aristide Regimes an: Keine Visa, Einfrieren der Konten. Wo Straflosigkeit regierungsamtlich wird, kann Demokratie nicht wachsen. „Aristide ist ein volkstümlicher Anarchist, dem Wahlen und Demokratie völlig egal sind. Er hat sich vom bescheidenen katholischen Pfarrer zum gefährlichen Spießbürger im Maßanzug mit dunkler Brille gewandelt. Manchmal mit, manchmal ohne sein Wissen haben seine Anhänger Volksordnungstrupps gebildet, die Gegner auf die Todeslisten setzen.“ Jean Claude Bajeux, ehemaliger Minister Aristides und Vorsitzender der haitianischen Menschenrechtsgruppe Centre Oecoumenique. Foto: Heiner Rosendahl 27 Namenlos-4 27 02.10.2006, 12:35 Einnahmen/Ausgaben der CIR 2001 Ausgaben Einnahmen in EURO 74.683 413.269 15.804 59.258 168.638 225.814 Spendeneinnahmen - Nicaragua - El Salvador - Guatemala - sonstige Länder - ohne Angabe Projektzuwendungen Projekteinnahmen gesamt 957.465 Spenden Öffentlichkeitsarbeit Zuschüsse Verkauf Infomaterialien sonstige Einnahmen Entnahme aus Rücklagen 40.934 83.173 23.853 76.891 120.305 Gesamt 1.302.621 Im Jahre 2001 hatte die CIR mit 772.585 Euro (ca. 1,5 Mio. DM) das zweitbeste Spendenergebnis in ihrer Geschichte zu verbuchen. Zurückzuführen ist das vor allem auf die rasche und großzügige Unterstützung unserer SpenderInnen nach den beiden heftigen Erdbeben in El Salvador Anfang letzten Jahres. Fast die Hälf te der Gesamtspenden gingen für den Wiederaufbau in El Salvador ein. Die relativ hohe Projektunterstützung auch in Nicaragua und Guatemala geht auf ein mehrjähriges, von der Europäischen Union kofinanziertes Projekt „Gegen Gewalt an Frauen“ zurück, das wir mit fünf Frauenorganisationen in Guatemala, Nicaragua und El Salvador durchführen. Da Projektaufwendungen - Nicaragua - El Salvador - Guatemala - sonstige Länder in EURO 247.230 515.014 155.350 61.421 Projektausgaben gesamt 979.016 Öffentlichkeitsarbeit Verwaltung Einkauf Infomaterialien Gesamt 28 1.302.621 die EU-Zuschüsse für dieses Projekt bereits im Vorjahr verbucht wurden, mussten im Jahr 2001 für die Ausgaben ca. 120.000 Euro aus den dafür gebildeten Rücklagen entnommen werden. Neben der Unterstützung unserer ProjektpartnerInnen in Mittelamerika hat die entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland für die CIR zentrale Bedeutung. Dies spiegelt sich in den fast200.000Euro wieder, die dafür in2001 insbesondere im Rahmen der Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung ausgegeben wurden. Finanziert wurden diese Arbeit und die Verwaltungskosten (mit rund 123.000 Euro ca. 9,4 Prozent der Gesamtausgaben) primär durch ausdrücklich dafür bestimmte Spenden, öffentliche und kirchliche Zuschüsse sowie einen zehnprozentigen Abzug von den Projektspenden. Allen UnterstützerInnen unseren herzlichen Dank! 28 Namenlos-4 193.365 123.026 7.214 02.10.2006, 12:35 In eigener Sache: Unsere Verw altungsarbeit wird erleichtert, wenn Sie Ihren Namen, Anschrift und den Verwendungszweck Ihrer Spende deutlich angeben. Eine weitere Erleichterung ist die Ausstellung v on Einzugsermächtigungen bei DauerspenderInnen. Füllen Sie doch einfach dieses Formular aus und senden Sie es uns zu. Kurz und bündig Damit meine Hilfe der Arbeit der CIR ohne Abzug von Bankgebühren zugute k ommt, ermächtige ich Sie hiermit, meine Spende bei Fälligkeit zu Lasten meines Kon tos Nummer bei der BLZ mittels Lastschrift einzuziehen. Verwendungszweck: Projektarbeit Öffentlichkeitsarbeit Projekt- u. Öffentlichkeitsarbeit Wenn mein Konto nicht ausreichend gedeckt ist, ist mein kontoführendes Kreditinstitut nicht verpflichtet, den Betrag einzulösen. Diese Einzugsermächtigung ist jederzeit kündbar. Name, Vorname Straße, Hausnummer Foto: Sabine Broscheit Ich unterstütze die Arbeit der Christlichen Initiativ e Romero. Als Beitrag zahle ich ____________ DM monatlich vierteljährlich halbjährlich bis auf Widerruf beginnend am María López Vigil in Deutschland Die Journalistin und Chefredakteurin der nicaraguanischen Zeitschrift envío befindet sich im April auf Einladung des Nordelbischen Missionswerks, Hamburg und der Christlichen Initiative Romero in Deutschland. Sie gehört zu den großen Kennerinnen von Politik und Gesellschaft in Mittelamerika. Ihre Artikel bestechen durch analytischen Scharfsinn. Für ihren Artikel zum Thema „Inzest und sexueller Missbrauch in Nicaragua“ erhielt sie einen internationalen JournalistInnenpreis. Veranstaltungstermine: 14.04. Berlin 16.04. Hambrug 18.04. Wuppertal 20.04. Münster Postleitzahl, Ort Datum, Unterschrift Spendenkonto: Darlehnskasse Münster BLZ 400 602 65, Konto 3 11 22 00 Nähere Informationen: Anne Nibbenhagen (CIR), Tel.: 0251-89503 oder Bärbel Fünfsinn ( NMW), Tel.: 040-88181 392 29 Namenlos-4 29 02.10.2006, 12:35 Materialien Versandbedingungen: Porto und Verpackung werden zusätzlich berechnet. Bei Bestellung von Plakaten bitte vermerken, ob wir sie gefaltet oder in der Rolle zuschicken sollen. Beachten Sie bitte, dass aus Platzgründen nicht alle Titel, die in unserer presente erwähnt werden, auf dem Bestellschein genannt sind! Bankverbindung: DKM Darlehnskasse Münster, BLZ 400 602 65 Konto: 3 11 22 00 Spendenquittungen: Unser Computer ist so programmiert, dass Quittungen alle drei Monate ausgestellt werden. Sollten Sie 14 Tage nach Quartalsende trotzdem nichts von uns gehört haben, melden Sie sich bitte bei uns. Arbeitende Kinder achten statt Kinderarbeit ächten neu * neu * neu Material zur Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung „Kinderarbeit“ als Thema für die Bildungsarbeit. Hg.: CIR, Münster 1999, 52 S., 6,00 Euro Behandelt das Thema „Kinderarbeit“ aus der Sicht der arbeitenden Kinder und schafft ein Gegengewicht zu vielen Schriften und Materialien, die ein Nachdenken über Kinderarbeit darauf beschränken, wie sie am besten abzuschaffen sei. Bietet ausführliche Informationen mit didaktischen Hinweisen zu Sichtweisen und Forderungen der arbeitenden Kinder. Nähen für den Weltmarkt. Maquilas in Mittelamerika Diareihe. Hg.: CIR, Münster 2001, Verkauf: 13 Euro, Verleih: 9,00 Euro Die Diareihe enthält 17 Dias mit ausführlichem Begleittext über die Lebens- und Arbeitssituation der Näherinnen in Mittelamerika. Geeignet ist sie für den Unterricht und die Gemeindearbeit. Fit for Fair Aktionszeitung u.a. zu adidas. März 2002. Fit for Fair Unterschriften-Postkarte an die Sportartikelhersteller Fit for Fair Werkmappe für bessere Arbeitsbedingungen in der Sportswearindustrie. Hintergrundinfos und didaktische Vorschläge, 2000, 72 S. 6,00 Euro) Elsa Tamez Visionen in Zeiten messianischer Dürre Eine feministische Befreiungstheologin ergreift das Wort. Hg.: CIR, Münster 1997, 56 S., 5,00 Euro Elsa Tamez gehört zu den ersten feministischen Befreiungstheologinnen, die dem Ausschluss der Frauen von ökonomischer, politisch-sozialer und kirchlicher Macht entgegengetreten sind. Sie liest die Bibel aus der Sicht der Unterdrückten. Ihre Auslegungen beziehen indianische Wurzeln wie auch moderne globale Herausforderungen ein. Sie macht Quellen aus, die Kraft zu Widerstand und Aufbruch geben. Fit for Fair Programm zum Kölner Sportkongress Fit for Fair-Poster zur Sportwearindustrie Diese Materialien werden, wenn nicht anders angegeben, kostenlos gegen Übernahme der Portokosten verschickt. Liturgische Bausteine zu ‚Saubere‘ Kleidung Kann denn Mode Sünde sein? Kleiderkonsum als Thema für Gottesdienst und Gemeindearbeit. Vorwort von Dorothee Sölle. Hg.: CIR, Münster 1997, 48 S., 5,00 Euro Bietet drei Gottesdienstvorschläge mit Predigten, Meditationen, Dias und Liedern, eine Meditation zur “weißen Weste” sowie Hintergrundinformationen zur Produktion unserer Kleidung. Die Gottesdienste - darunter eine Beatmesse setzen unterschiedliche Akzente. Doch das Anliegen ist das gleiche: Menschenrechte und Menschenwürde dürfen an den Toren der Nähfabriken nicht enden. 30 Namenlos-4 30 02.10.2006, 12:35 Bestellschein El Salvador James R. Brockmann: Oscar Romero.Eine Biographie 25,50 Euro & Unterrichtsreihe O. A. Romero 5,00 Euro & Werkmappe Romero: Falsche Propheten gibt es genug. 6,00 Euro Romero-Plakat 2000 (dreifarbig) Neu: 1,50 Euro CD Requiem für Romero. 10,00 Euro Nicaragua & Werkmappe Alphabetisierung 4,00 Euro Bleistift Die Hoffnung buchstabieren lernen. Neu: bis 30 St. je 1,00 Euro ab 30 St. je 0,50 Euro Sergio Ramirez: Adios, Muchachos! 17,90 Euro Guatemala Nie wieder - nunca más. Menschenrechtsverletzungen im Bürgerkrieg. REHMI 1998 & Werkmappe Wissen ist Macht.Bildung und Herrschaft am Beispiel Guatemalas 14,50 Euro 5,00 Euro Saubere Kleidung Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung & Werkmappe „Todschicke” Kleidung – Zu welchem Preis? 5,00 Euro & Liturgische Bausteine Kann denn Mode Sünde sein? & WerkmappeFit for Fair – für bessere Arbeitsbedingungen in der Sportswearindustrie 5,00 Euro 6,00 Euro Monika Balzer: Gerechte Kleidung – Fashion Öko Fair, ein Handbuch für Verbraucher 24,80 Euro Tondiashow auf Video Go f air. Produktionsbedingungen in der Sportschuhindustrie 13,00 Euro Video Kleider machen Leute. Kurzbeiträge zur Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung 13,00 Euro R. Köpke: Nationaler Wettbewerb und Kooperation. Freie Produktionszonen in Mittelamerika Bettina Musiolek: Gezähmte Modemultis. Rolle von Verhaltenskodizes SÜDWIND: Das Kreuz mit dem Faden. Studie zur Kleiderproduktion in Indonesien Neu: Diareihe Nähen für den Weltmarkt. Maquilas in Mittelamerik a Verleih: 9,00 Euro 20,50 Euro 15,50 Euro 8,70 Euro Verkauf: 13,00 Euro Kinder in Lateinamerika & Werkmappe: Unser Leben ist k ein Spiel. Straßenkinder in Lateinamerika & Werkmappe: Arbeitende Kinder achten statt Kinderarbeit ächten! 6,00 Euro 6,00 Euro Manfred Liebel u.a. (Hg): Arbeitende Kinder stärken! 20,50 Euro B. Dulisch, M. Liebel & E. M. Mars: Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass ein O rund ist. 17,80 Euro Andere CIR-Werkmappen & Texte v on Elsa Tamez: Visionen in Zeiten messianischer Dürre 5,00 Euro & Werkmappe Feindbild Mensch 5,00 Euro & Seminarentwurf Fairer Kaffeehandel 3,00 Euro Andere Literatur und Geschenkideen Eduardo Galeano: Der Ball ist rund und Tore lauern überall P. G. Schönborn: Alphabete der Nachfolge. Märtyrer des politischen Christus B. Fünfsinn, L.C. Hoch, C. Rösener (Hg.): Töchter der Sonne 12,80 Euro G. Belli: Waslala 22,50 Euro Drei bunte Plakate naive Malerei:Bauern lernen von Bauern Sonstige Materialien 13,00 Euro Freundschaftsbändchen á 1,50 Euro; Kreuze aus El Salvador,geknüpft Holzkreuze aus El Salvador ab 30 à 1,30 Euro; ab 100 à 1,00 Euro _ _ _ _ St à 0,80 Euro; ab 100 à 0,60 Euro _ _ _ _ St Anhänger à 3,00 Euro _ _ _ _ St Christliche Initiative Romero e.V. Frauenstraße 3-7 D-48143 Münster Fax 02 51 - 82 541 13 cm à 8,00 Euro _ _ _ _ St 20 cm à 10,00 Euro _ _ _ _ St AbsenderIn: Tel. Namenlos-4 15,50 Euro 12,70 Euro 31 02.10.2006, 12:35 Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung Fit for Fair – der Kongress in Köln Die Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung veranstaltet am 3. und 4. Mai in der Sporthochschule Köln den „Fit for FairSportkongress – Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Sportswearindustrie“. Durch öffentliche Aktionen in der Kölner Innenstadt und bei Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen in der Sporthochschule Köln stehen die Arbeitsbedingungen in der weltweiten Sportbekleidungsindustrie und deren Kontrolle ganz oben auf der Tagesordnung. Gemeinsam mit ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen aus dem Süden und Osten, VertreterInnen der Sportartikelindustrie, SportlerInnen und PolitikerInnen sowie KonsumentInnen aus dem Norden soll die Einhaltung sozialer Mindeststandarts bei der Herstellung von Sportkleidung stärker ins öffentliche Interesse gerückt werden. Erste Erfolge und Verbesserungen auf dem Weg hin zu menschenwürdigen Konditionen werden aufgezeigt und weitere Schritte gemeinsam diskutiert. Arbeitsgruppen bieten Einblick in die Arbeit der United Students against Sweatshops aus den USA, Erfahrungen mit unabhängiger Kontrolle aus den Pilotprojekten der Kampagne für ‘Saubere’ Kleidung anderer europäischer Länder und laden ein zur Diskussion über „Selbstverpflichtung oder Gesetzesinitiative“. Um die Anliegen der ArbeiterInnen „des Südens“ dabei nicht aus den Augen zu verlieren, hat die CIR zwei Frauen aus Mittelamerika zum Kongress nach Köln eingeladen: Sandra Ramos, die Vorsitzende der Nicaraguanischen Frauenorganisation MEC, sowie Sonia Campos, Näherin aus El Salvador. Die beiden stehen auch im Rahmen einer Rundreise für lokale Veranstaltungen zur Verfügung. Weitere Informationen über den Kongress und die Rundreise gibt es bei der CIR. es karten gibt Aktionspost ern! rd fo an l el Schn bei der CIR. Rudi Assauer, Manager beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04: „Fit for Fair sollte nicht nur auf dem Spielfeld gelten, sondern auch für die Arbeitsbedingungen, unter denen Sportbekleidung hergestellt wird.“ Zur Unterstützung der Aktivitäten der CIR in der Aktion Fit for Fair bitten wir um Spenden auf das Konto 3 11 22 00 bei der Darlehnskasse Münster (BLZ 400 602 65). Stichwort „Saubere Kleidung“. Namenlos-4 32 02.10.2006, 12:35