Vorlage für Berichte, Stellungnahmen, Protokolle

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Vorlage für Berichte, Stellungnahmen, Protokolle
Deutscher
Gewerkschaftsbund
Bezirk
Nordrhein-Westfalen
Stellungnahme
des DGB Bezirk NRW
zum Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 16/8643
„Landesregierung muss innovative Modelle zur
Finanzierung und zum Bau von Bundesfernstraßenprojekten voranbringen“
Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Bauen,
Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr
am 22. September 2015
Düsseldorf, den 15.09.2015
DGB Stellungnahme
Vorbemerkung
NRW benötigt dringend mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur,
besonders im Verkehrsbereich. Der DGB NRW begrüßt daher grundsätzlich
das Bestreben, hier mehr Mittel für Infrastrukturvorhaben einzusetzen. Wir
teilen auch die Ausgangsüberlegung des Antrags der Fraktion der CDU,
dass NRW als verkehrsreichstes Bundesland auf ein leistungsfähiges Fernstraßennetz angewiesen ist.
Hinsichtlich der Vorschläge der sog. Fratzscher-Kommission zur Gründung
von Infrastrukturgesellschaften wie auch zur Notwendigkeit einer stärkeren
Nutzung von ÖPP-Projekten zur Finanzierung der Infrastruktur vertreten die
Gewerkschaften eine andere Auffassung.
Wir verweisen auf die abweichende Positionierung der beteiligten Gewerkschaften IG Metall, ver.di, IG BCE, IG BAU und DGB im Bericht der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ („FratzscherKommission“) zur Frage einer von Bund und Ländern getragenen „Infrastrukturgesellschaft für Kommunen“ (IfK) oder alternativ mehrerer regionaler oder infrastrukturspezifischer Gesellschaften.
Wir greifen hier die grundsätzlichen Argumente noch einmal auf, die aus
gewerkschaftlicher Sicht dafür sprechen, dass ÖPP keine effiziente und kostengünstigere Alternative zur konventionellen Beschaffung darstellt:

ÖPP-Projekte kommen in der Regel nicht deshalb zustande, weil die
öffentliche Hand sich gegen Investitionsrisiken absichern will, sondern
weil sie in ÖPP vielmehr eine Notlösung für fehlende Haushaltsmittel
sieht. Bei ÖPP-Projekten ergeben sich im Zusammenhang mit der langen Laufzeit besonders große Vertragsrisiken.

Die Ansicht, ÖPP-Projekte seien durch bessere Wirtschaftlichkeit, Termintreue oder eine bessere Risikoanalyse gekennzeichnet, steht nicht
im Einklang mit den vorliegenden wirtschaftstheoretischen und empirischen Erkenntnissen. Auch in Großbritannien, dem Land mit der umfangreichsten Erfahrung bei der Anwendung des ÖPP-Ansatzes, sind –
so das Ergebnis einer Untersuchungskommission des britischen Unterhauses – durch ÖPP-Projekte eher Kostensteigerungen erzeugt worden. Vor der Durchführung von ÖPP-Projekten realisierte Wirtschaft-
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DGB Stellungnahme
lichkeitsuntersuchungen sind bislang in der Regel nicht objektiv und
verzerrt zugunsten von ÖPP durchgeführt worden.

Die Berichte des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe
bestätigen, dass ÖPP mit höheren Kosten verbunden sind, gleichzeitig
aber häufig auch mit höheren Risiken.

Als Gewerkschaften müssen wir besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen von ÖPP auf Beschäftigung und Gute Arbeit richten. Hier
legen internationale Erfahrungen nahe, dass ÖPP einen negativen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und ihre kollektive
Interessenvertretung hat.
Die Bundesregierung will die deutsche Verkehrsfinanzierung und –planung
durch die Gründung einer überwiegend unabhängigen Infrastrukturgesellschaft neu gestalten.
Für die Gewerkschaften in NRW ist dagegen vorrangig, dass unabhängig
von einer möglichen Bildung von Infrastrukturgesellschaften die personellen
und institutionellen Kapazitäten des Landesbetriebs Straßen.NRW wieder
gestärkt werden müssen. Das wäre ein Kurswechsel gegenüber der seit Jahren anhaltenden Sparpolitik.
Zu den Einzelfragen:
Frage 1: Welche Erfahrungen wurden bisher mit ÖPP-Projekten
gemacht (Dauer, Effizienz, Wirtschaftlichkeit)?
 Generelle Einschätzung
Es existiert eine umfangreiche Literaturlage zu Geschichte und Wirkung von
ÖPP-Projekten, von den Anfängen in den 1980er Jahren im Großbritannien
der Regierung Thatcher bis heute. Für die beteiligten privaten Unternehmen
– Banken, Unternehmensberatungen, Kanzleien und sonstige Wirtschaftsbetriebe – stellen ÖPP-Projekte ein äußerst attraktives Geschäftsfeld dar,
weil ein einziger Vertrag sichere Einkünfte über einen sehr langen, oft über
Jahrzehnte laufenden Zeitraum verspricht.
Schon in der Frühphase wurden ÖPP-Projekte dafür kritisiert, dass sie im
Vergleich zur öffentlichen Finanzierung zu teuer seien, öffentliche Dienst-
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leistungen gefährdeten und den Regierungen ein Schlupfloch böten, um die
tatsächliche öffentliche Verschuldung zu verschleiern. Zugleich forcieren einige Netzwerke aus Unternehmen, internationalen Organisationen und
großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ÖPP-Modelle auf internationaler
wie nationaler Ebene.
In Europa bewirbt die EU-Kommission ÖPP nach wie vor als Finanzierungsinstrument für Infrastrukturinvestitionen, obwohl sie ÖPP in Portugal und
Zypern als Mitverursacher für die Haushaltskrise identifiziert hat. Auch der
IWF stellte mit Blick auf Portugal fest, dass ÖPP-Projekte zu erheblichen finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand geführt haben - rund 74 %
aller ÖPP-Projekte bezogen sich auf den Straßensektor.
Die Hälfte aller ÖPP-Projekte befindet sich in Europa, wobei der größte Anteil mit etwa 15 % aller Infrastrukturinvestitionen auf Großbritannien entfällt. Das Wachstum von ÖPP-Projekten bis Mitte der 2000er-Jahre wurde
von der Krise abrupt unterbrochen. Nach Angaben der Europäischen Investitionsbank waren die Länder mit der intensivsten Nutzung von ÖPPProjekten in den letzten Jahren Zypern, Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Großbritannien.
2012 waren Anzahl und Umfang von ÖPP-Projekten in Europa auf dem
niedrigsten Stand seit zehn Jahren (66 neue Projekte/ Umfang: 11,7 Mrd.
€), die Hälfte davon im VK. Überraschenderweise liegen aus Großbritannien, das über die längsten und größten ÖPP-Programme verfügt, keine systematischen Evaluationen über den Nutzen von ÖPP-Projekten vor.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der ÖPP-Ansatz in Europa
derzeit in der Defensive befindet. Nach Berichten von NGO´s wie „Public
Services International“, einem Gewerkschaftszusammenschluss von 669
Gewerkschaften des öffentlichen Sektors, ist eine massive Lobbyarbeit im
Gang, um ÖPP-Projekte in Europa wieder stärker zu befördern.
Eine umfassende und systematische Bewertung der Wirkung von ÖPPProjekten (Dauer, Wirtschaftlichkeit, Effizienz) ist uns an dieser Stelle nicht
möglich. Wir beschränken uns auf wenige Hinweise:
 Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit scheint ein zentrales Motiv für die Gründung von ÖPP zu
sein, doch gibt es keinen Beweis dafür, dass es sich dabei tatsächlich um
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eine effiziente Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen handelt. Gerade
in der aktuellen Niedrigzinsphase können sich Regierungen billiger Geld
leihen als private Unternehmen. Wenn ÖPP-Projekte dennoch günstiger
sein wollen, müssen sie deutlich effizienter arbeiten als bei einer herkömmlichen Umsetzung. Dies geht in der Regel nur zulasten der Beschäftigten in
den privaten Unternehmen.
 Effizienz, Tempo, Kosten
Die Wirkungen von ÖPP-Projekten hinsichtlich Effizienz, Tempo und Kosten
sind ambivalent, eine generelle Überlegenheit gegenüber herkömmlicher
staatlicher Leistung ist empirisch nicht zu belegen. Der Bundesrechnungshof
kommt in seinem Bericht von 2014 zu der Auffassung, dass die im Auftrag
des Bundes tätigen Landesauftragsverwaltungen bei einer angemessenen
Personal- und Finanzausstattung große Bauvorhaben so koordinieren, dass
sie termingerecht fertiggestellt werden können (BRH 2014, S.7).
 Vorhersagen, Transparenz
Wie Studien belegen, werden die Kosten von ÖPP-Projekten im Vorfeld systematisch unterschätzt und der erwartete Bedarf systematisch überschätzt.
Dieser Fehler der Vorhersage tritt nahezu ausschließlich zugunsten dieser
Vorhaben auf. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es sich hier nicht
mehr um zufällige Fehler handeln kann, sondern um gezielte Desinformation im Vorfeld von politischen Entscheidungen über ÖPP-Projekte (Flyvbjerg
et al., 2002: Cost underestimation in public works projects: Error or lie?
Journal of the American Planning Association, 68 (3), 279-295).
Fehlende Transparenz und die Zurückhaltung von Informationen durch private Unternehmen sind typische Kritikpunkte. Die entsprechenden Verträge
füllen meist mehrere Aktenordner, zu denen die Öffentlichkeit und selbst
Abgeordnete nur sehr eingeschränkten Zugang haben. Ein öffentliches Controlling über die Einhaltung der Vertragszusagen ist oft kaum möglich.
 Transaktionskosten, Bürokratie
Die hohe Komplexität von ÖPP-Projekten verursacht bei staatlichen Institutionen und bei Unternehmen hohe Kosten für Beratung und rechtliche Unterstützung. Die Financial Times hat 2011 die Kosten für Anwälte und Berater für ÖPP-Projekte auf 2,8 Mrd. Pfund beziffert.
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 Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ÖPP-Projekte bedrohen die Beschäftigungssicherheit von Beschäftigten im
öffentlichen Dienst. Private Unternehmen haben einen höheren Anreiz zur
Nutzung von atypischer und schlechter entlohnter Beschäftigung, um Effizienzgewinne zu erzielen.
Die gewerkschaftliche Interessenvertretung wird erschwert, da die Beschäftigten oft auf zahlreiche kleinere Firmen unterschiedlicher Branchen verteilt
sind.
Fragen 4-6: Vorteile von ÖPP
ÖPP wird zugeschrieben, dass sie die Projektabwicklung aus einer Hand
ermöglichten. Die Projektkoordinierung als eigentlich öffentliche Aufgabe
wird jedoch zur ÖPP verschoben, weil die personellen Ressourcen der öffentlichen Verwaltungen sukzessive abgebaut werden.
Der Lebenszyklus-Ansatz – angeblich der privaten Realisierung vorbehalten
– ist auch bei konventionell durchgeführten Projekte nicht mehr unüblich.
Frage 8: Einsparpotentiale
Der Bundesrechnungshof kommt in seiner Untersuchung von ÖPPBundesfernstraßenprojekten zu dem Ergebnis, dass diese unwirtschaftlich
sind. Statt der vom BMVI ermittelten Kostenvorteile von bis zu 40% sind
die fünf untersuchten Projekte demnach um 1,9 Mrd. € teurer als bei einer
konventionellen Realisierung (BRH 2014, S.4). Private Ersteller müssten im
operativen Geschäft fast 20 % einsparen, um ihre Finanzierungsnachteile
wieder auszugleichen.
Fragen 14-15: Investitionsstau
Die Investitionslücke bei den Bundesfernstraßen ist nur ein Teil des Problems: laut Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“,
(2012) nur 1,3 von insgesamt zusätzlich 7,2 Mrd. € jährlich allein für Erhaltung und Nachholbedarf. (2012) nur 1,3 von insgesamt zusätzlich 7,2 Mrd.
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Euro jährlich allein für Erhaltung und Nachholbedarf. ÖPP für Autobahnen
lösen also das Problem der Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur mit
der Folge schwindender Leistungsfähigkeit in allen Bereichen nicht.
Bereich
Erhaltung
Nachholbedarf
Summe
Straße, davon:
1,55
1,0
2,55
- Bund
0,8
0,5
1,3
- Land
0,45
0,3
0,75
- Kreis
0,3
0,2
0,5
Schiene, davon
1,2
0,2
1,4
- Bund incl. SPNV
1,0
0,2
1,2
- NE-Bahnen
0,2
k.A.
0,2
Wasser*
0,5
- Bundeswasserstraßen
0,5
k.A.
- Landeswasserstraßen
k.A.
k.A.
Gem.str./ÖSPV, davon:
1,3
1,45
2,75
- Gemeindestraßen
0,95
1,2
2,15
- ÖSPV
0,35
0,25
0,6
4,55
2,65
7,20
0,5
0,5
Verkehrsinfrastrukturinvestitionen müssen ähnlich wie andere öffentliche
Güter vorrangig aus Steuermitteln finanziert werden. Bei einer gerechteren
Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen wäre dies auch in der
Vergangenheit möglich gewesen.
Selbst unter den Bedingungen der Schuldenbremse sollte der Verschuldungsspielraum (inkl. 2017 ca. 84,5 Mrd. €) ausgeschöpft werden, um den
Investitionsstau abzubauen.
Solange für den Staat die Zinsen so niedrig sind wie derzeit, ist die PPPVariante nicht zu rechtfertigen. Nie zuvor war die Finanzierung von Projekten, von denen vor allem zukünftige Generationen profitieren, so günstig
wie heute.
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Frage 22-25: Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen
 Infrastrukturgesellschaft und Finanzierung
Neben planerischen und operativen Aufgaben der Straßenbauverwaltung
wollen ambitionierte Vertreter einer Bundesinfrastrukturgesellschaft diese
auch zu einer Art Finanzierungsagentur für Straßeninfrastrukturprojekte
machen. In dieser Funktion oblägen der Gesellschaft auch die Erhebung von
Mautgebühren und die Abwicklung von ÖPP-Projekten.
Zu den kontraproduktiven Effekten einer Bundesinfrastrukturgesellschaft für
das System der staatlichen Bauverwaltung nehmen wir weiter unten Stellung. An dieser Stelle wollen wir betonen, dass wir solche Aufgabenübertragungen schon deshalb für verfehlt halten, weil beide Instrumente – ÖPP
und Nutzungsentgelte – nicht geeignet sind, um Infrastrukturprojekte bzw.
die operativen Aufgaben wie zum Beispiel Betrieb und Erhalt des Straßennetzes zu finanzieren.
Eine Finanzierung der Bundesstraßen ausschließlich oder zu einem überwiegenden Anteil aus Nutzungsentgelten (Maut) erfordert im Gegenzug zur
Kompensation für die Nutzer eine deutliche Absenkung bestimmter Steuerarten (Fratzscher-Kommission) oder einen festen Anteil an bestimmten
Steuereinnahmen (Schweizer Modell, Fratzscher-Kommission). Wer aber
Kfz-Steuer oder Energiesteuer als Bestandteil einer „Nutzerfinanzierung“
der Verkehrsinfrastruktur vereinnahmen will, stellt das Steuersystem mit
dem Gesamtdeckungsprinzip insgesamt in Frage. Steuern finanzieren öffentliche Güter, die allen zu Gute kommen. Eine dauerhafte Zweckbindung
von Einnahmen dient demgegenüber den dadurch begünstigten Einzelinteressen und geht automatisch zu Lasten aller anderen Interessen.
Eine vollständige Nutzerfinanzierung wäre zudem sozial ungerecht. Gebühren berücksichtigen im Gegensatz zur progressiven Einkommenssteuer die
individuelle Leistungsfähigkeit nicht. Deswegen müssen im Vorfeld einer
Umstellung der Finanzierung auf Nutzungsentgelte zunächst die verteilungs- und verkehrspolitischen Auswirkungen abgeschätzt und in der öffentlichen Debatte gewürdigt werden.
ÖPP haben sich nicht als geeignetes Finanzierungsinstrument für öffentliche
Infrastrukturprojekte erwiesen.
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DGB Stellungnahme
 Die Landesstraßenbauverwaltung stärken
Eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft des Bundes, die Aufgaben der Planung, der Vergabe, des Controllings, des Neu- und Ausbaus von Fernstraßen sowie des laufenden Betriebs und Erhalts der Bundesfernstraßen würde
aus unserer Sicht die öffentlichen Straßenbauverwaltungen der Länder in ihrer Existenz bedrohen. Wenn die Bundesfernstraßen aus dem Produktportfolio herausfallen, ist eine effiziente Bewirtschaftung der Landstraßen über
alle Dienststellen/Betriebe und Landesteile kaum möglich. Es droht ein
massiver Personalabbau. Die Gewerkschaft ver.di schätzt, dass bundesweit
mehr als die Hälfte der insgesamt rund 30.000 Arbeitsplätze in den Länderbauverwaltungen bundesweit betroffen sein könnten. Gleichzeitig würde auf das Erschließen von Optimierungspotenzialen im bestehenden System der Straßenbauverwaltung ohne Not verzichtet. Wir empfehlen, diesem
Weg nicht zu folgen, sondern vielmehr die Steuerungssysteme zu effektivieren. Diesbezüglich sehen wir in NRW den Landesbetrieb Straßen.NRW gut
aufgestellt. Im Hinblick auf Infrastrukturprojekte ist es vorrangig, den Kompetenzabfluss im Ingenieursbereich zu stoppen und rückgängig zu machen.
 Das System der Öffentlichen Straßenbauverwaltung
Nach Art. 90 in Verbindung mit Art. 85 des Grundgesetzes verwalten die
„Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften“ (Art. 90) die Bundesfernstraßen im Wege der Bundesauftragsverwaltung (Art.85). Die Kompetenzen für Planung, Bau und Betrieb der
Fernstraßen obliegen darum Landesstraßenbauverwaltungen.
Zu diesem Zweck bedient sich die Landesregierung des öffentlichen Unternehmens Straßen.NRW, das im Jahr 2000 durch die Fusion der Straßenbauverwaltungen der beiden Landschaftsverbände gebildet wurde. Zum Geschäftsbereich von Straßen.NRW gehören Planung, Bau und Betrieb der
Bundesautobahnen sowie der Bundes- und Landesstraßen. Das Unternehmen unterhält Kooperations- und Informationsbeziehungen mit den Kommunen, für die auch informationstechnische Möglichkeiten des egovernment genutzt werden, und bietet bei unterschiedlichen Problemen
Hilfestellungen an.
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DGB Stellungnahme
 Bundesauftragsverwaltung: Verbindung von föderaler Demokratie und
Effizienz
Die grundgesetzlich verankerte Kooperation von Bund und Ländern im System der Bundesauftragsverwaltung zielt auf die Verbindung von Dienstleistungseffizienz und Demokratie. Dezentrale Handlungsspielräume sind sachlich geboten und im Geiste von Föderalismus und Selbstverwaltung auch
normativ gewollt. Die Einschätzung der Verkehrsministerkonferenz vom
13.07.2015 ist unseres Erachtens zutreffend. Sie stellte fest, dass die „…
Verwaltung der Bundesfernstraßen durch die Länder ein bewährtes Systemsei. In diesem System wird die dezentrale Verantwortung im Rahmen der
parlamentarisch legitimierten Verkehrsplanung des Bundes gefordert und
gestärkt. Dezentrale Strukturen ermöglichen und erleichtern potenziell die
Einbeziehung von Bürger*_innen und Nutzer* _innen in die Verkehrsprojekteplanung.
Diese demokratische Praxis verbindet sich mit einem effektiven und wirtschaftlichen dezentralen Handeln. Dezentralität ist im Rahmen der Straßenbauverwaltung unverzichtbar, da viele Baumaßnahmen nicht unabhängig
von ihrer räumlichen Umgebung geplant und durchgeführt werden können.
Wenn zum Beispiel Verkehrsströme auf andere Verkehrsträger ausweichen
oder sich neue Wege suchen können, ist ein dezentrales Vorgehen bei Planung, Bau und Unterhaltung öffentlicher Straßeninfrastruktur von großer
Bedeutung.
Frage 26 ff.: Landesbetrieb Straßen.NRW
 Steuerungsinstrumente nutzen und ausbauen
Das Unternehmen Straßen.NRW war in der Landesverwaltung ein Vorreiter
des „New Public Management“. Heute verfügt es über ein ausgebautes betriebswirtschaftliches Steuerungssystem mit Elementen wie einem externen
Rechnungswesen, einer produktorientierten Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung und Projektmanagement. Straßen.NRW kann darum
grundsätzlich marktorientiert handeln, ohne dabei öffentliche Verantwortung aus dem Blick zu verlieren. Das gilt auch im Hinblick auf ökologische
und nachhaltige Zielsetzungen.
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DGB Stellungnahme
Vorschläge für eine zentrale Infrastrukturgesellschaft, die zur Schwächung
der dezentralen Leistungserbringung führen, lehnen wir ab. Allerdings sehen wir Handlungsbedarf im Hinblick auf die Steuerung der Investitionen
bei der Implementierung des Bundesverkehrswegeplans. Hier geht es darum, ein effizientes Controlling- und Kostenmanagement zwischen dem
Bund als Auftraggeber und den Auftragsverwaltungen in den Ländern aufzubauen. Es empfiehlt sich die Implementierung von Kostenmanagement,
Steuerungs- und Controllingsystemen durch das zuständige Bundesministerium. Diese Optimierungsleistung kann im bestehenden System erbracht
werden. Straßen.NRW wäre aus den genannten Gründen in einem solchen
Steuerungssystem gut aufgestellt.
Die Optimierung des Controllingsystems kann auch die länderübergreifende
Kooperation unterstützen. Dass diese bereits heute erfolgreich praktiziert
werden kann, zeigt Straßen.NRW in Zusammenarbeit mit dem Land Hessen
in einem gemeinsamen Projekt der Brückenertüchtigung im Bereich der
A 45.
 Negative Personalentwicklung umkehren – Planerische Kompetenzen
ausbauen
Wir halten einen anderen Weg für notwendig. Straßen.NRW hat sich als betriebswirtschaftlich gesteuertes Landesunternehmen aufgestellt. Dennoch
konnte sich das Unternehmen einem politisch gewollten Stellenabbau nicht
entziehen. Im Hinblick auf Planung, Durchführung und Kontrolle von Infrastrukturprojekte ist neben dem betriebswirtschaftlichen Know-How der Bestand an Ingenieuren ausschlaggebend. Hier ist eine negative Personalentwicklung zu kritisieren. Von 2008-2015 sank die Beschäftigung in dieser
Gruppe um 76 Menschen. Diese Entwicklung darf nicht fortgeschrieben
werden. Stattdessen gilt es sie unter Ausnutzung personalwirtschaftlicher
Anreizinstrumente umzukehren.
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