Gutachten - Bundesrechnungshof
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Gutachten - Bundesrechnungshof
Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zur Neuordnung der Verwaltung im Bundesfernstraßenbau Gz.: V 4 - 2004 – 1303 vom 11.10.2004 Dieser Bericht ist urheberrechtlich geschützt. 2 Inhaltsverzeichnis Seite 0 Zusammenfassung 3 1 Einleitung 7 2 Bundesfernstraßenverwaltung 8 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.3 2.4 2.5 Historischer Rückblick Entscheidung des Bundes für die Auftragsverwaltung der Länder Änderungsvorschläge seit 1949 Wesentliche rechtliche Grundlagen Verkehrliche Entwicklung auf den Bundesfernstraßen Bundesverkehrswegeplanung und Finanzierung der Bundesfernstraßen Heutige Bedeutung der Straßen des Bundes für den Fernverkehr 8 8 10 14 15 20 21 3 Auftragsverwaltung: Probleme und Ursachen 22 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 22 23 23 26 28 30 3.2.6 3.2.7 3.3 Auftragsverwaltung als Organisationsmodell der Agenturtheorie Probleme bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen Planung der Straßenbaumaßnahmen Abstufen von Bundesstraßen Planung und Bau von Ortsumgehungen Ausbau von Ortsdurchfahrten während des Baus der Ortsumgehung Ausbau von Umleitungsstrecken für vorübergehend gesperrte Bundesfernstraßen Kostenteilung bei Straßenkreuzungsmaßnahmen Verwaltungskosten und Zweckausgaben Systembedingte Schwächen der Auftragsverwaltung 31 32 33 33 4 Lösungsmöglichkeiten 36 4.1 4.2 4.3 4.4 Systemkonforme Weiterentwicklung der Auftragsverwaltung Lösungsmodelle ohne Auftragsverwaltung Mischformen bei der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern Mischform am Beispiel Österreich 37 38 38 40 5 Vorschlag des Bundesbeauftragten 43 3 0 Zusammenfassung Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sieht es als seine Aufgabe an, Anregungen zur Verbesserung von Organisationsstrukturen zu geben, wenn überkommene Verwaltungsstrukturen eine angemessene Aufgabenerfüllung nicht mehr sicherstellen. Bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und Bundesstraßen), bei der die Länder im Auftrag des Bundes tätig werden, führt die seit 1949 bestehende grundgesetzliche Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern vermehrt zu Problemen. Der Bundesbeauftragte greift im vorliegenden Bericht die Frage einer optimierten Verwaltung der Bundesfernstraßen auf. Problem: Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern bei der Verwaltung von Bundesfernstraßen Art. 90 GG legt fest, dass die Bundesfernstraßen dem Fernverkehr dienen sollen. Fernverkehr ist nur der erhebliche Strecken überwindende Verkehr. Das Bundesfernstraßengesetz bestimmt, dass Bundesfernstraßen ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt Grundgesetz bestimmt Bundeszuständigkeit für den Fernverkehr sein müssen. Allerdings ist dadurch nicht festgelegt, welche Dichte das Bundesfernstraßennetz aufweisen muss. Die Bundesfernstraßen umfassten im Jahr 1950 Straßen mit einer Gesamtlänge von rund 26.400 km, im Jahr 2003 von rund 53.300 km. Während sich das Bundesautobahnnetz in diesem Zeitraum von 2.100 km auf 12.000 km fast versechsfachte, wuchs das Bundesstraßennetz im Vergleichszeitraum nur um rund 70 %. Dementsprechend übernehmen die Bundesautobahnen inzwischen weitgehend die Fernverkehrsfunktion, die das Bundesfernstraßennetz im Jahr 1950 erfüllte. Die Bundesstraßen haben heute in erster Linie eine regionale Verkehrsbedeutung. Bundesautobahnen übernehmen heute die Fernverkehrsfunktion Bundesstraßen haben in erster Linie eine regionale Verkehrsbedeutung 4 Die praktizierte Abgrenzung der Bundesstraßen von den anderen Straßen – insbesondere die umfassende Aufstufung von Landesstraßen zu Bundesstraßen ab dem Jahr 1960 und die Widerstände der Länder bei der Abstufung von Bundesstraßen – legen nahe, dass es in erster Linie darum geht, welchen Anteil des überört- Abgrenzung der Bundesfernstraßen zu anderen Straßen eine Frage der Finanzierung lichen Straßennetzes der Bund finanzieren soll. Nach Auffassung des Bundesbeauftragten werden die beim Bau und der Verwaltung der Bundesfernstraßen auftretenden Probleme durch die besondere Struktur der Auftragsverwaltung ausgelöst oder verstärkt. Dabei belegen organisationstheoretische Erkenntnisse, dass derartige Problemursachen nicht nur in der öffentlichen Ursachen sind auf die Struktur der Auftragsverwaltung zurückzuführen Verwaltung, sondern bei vergleichbaren Auftragnehmer-/Auftraggeberverhältnissen immer zu erwarten sind. Bund und Länder haben häufig unterschiedliche Interessen bei der Planung und dem Bau von Bundesfernstraßen. Da der Bund kein geeignetes Informations- und Kontrollsystem zur Wahrung seiner Interessen besitzt, die Länder jedoch häufig ihre eigenen Interessen verfolgen, werden die bei der Auftragsverwaltung auftretenden Probleme im Bundesfernstraßenbau besonders deutlich. Ausgeweitete Informations- und Kontrollsysteme würden zu einer Zunahme der Bürokratisierung führen (mehr Personal, längere Verfahrenszeiten). Darüber hinaus können sie die Probleme nicht lösen, da die Ursachen nicht beseitigt werden. Ein Modell zur Lösung der Problematik einer Auftragsverwaltung hat Österreich mit der Übertragung „nachrangiger“ Bundesstraßen auf die Länder bereits umgesetzt. Ausgeweitete Informations- und Kontrollsysteme lösen die systematischen Probleme nicht und führen zu mehr Bürokratie 5 Der Bundesbeauftragte schlägt vor, dass sich der Bund auf die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen mit eigener Verwaltung beschränkt. Seine Kompetenzen würden sich damit auf das Straßennetz beschränken, das insbesondere für die Fernverbindung mit dem europäischen Ausland und länderübergreifend von Bedeutung ist. Die Länder übernehmen Eigentum und Verwaltung der bisherigen Bundesstraßen und erhalten für die damit verbundenen Lasten einen Finanzausgleich, der die bisherigen Ausgaben des Bundes für die Bundesstraßen berücksichtigt. Diese Aufgaben- Vorschlag: Bund beschränkt sich auf sein Kerngeschäft, die Bundesautobahnen Länder übernehmen Bundesstraßen mit einem Finanzausgleich zuordnung entspricht dem föderativen Geist des Grundgesetzes. Die Abgrenzung zwischen Bundesautobahnen als Bundesaufgabe und Bundesstraßen als Landesaufgabe ist auch deshalb sinnvoll, weil eine sachgerechte Zuordnung zu den unterschiedlichen Straßenkategorien möglich wird. Bundesautobahnen sind eindeutig Klare Abgrenzung zwischen den Straßenkategorien im Bundesfernstraßengesetz definiert, und es gelten besondere straßenverkehrsrechtliche Vorschriften. Eine klare Zuordnung von Aufgabe, Verantwortung und Kompetenz würde zu einer Entbürokratisierung und zu einer Verbesserung der Transparenz sowie zu einer Effizienzsteigerung beim Einsatz der Finanzmittel führen. Klare Zuordnung von Aufgabe, Verantwortung und Kompetenz Der Bund könnte Bundesautobahnen verstärkt unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten bauen, betreiben sowie unterhalten und damit vermehrt übergreifende verkehrspolitische Schwerpunkte setzen. Auch die Verantwortung der Länder für die Wirtschaftlichkeit des regionalen Verkehrs würde gestärkt. Stärkung der Wirtschaftlichkeit im Straßenbau 6 Der Bund müsste zwar eine neue Bundesautobahnverwaltung aufbauen. Da die jetzt 16 Landesstraßenbauverwaltungen in gleichem Umfang von Aufgaben entlastet würden, erwartet der Bundesbeauftragte, dass die Aufgabenverlagerung gesamtwirtschaftlich zu Einsparungen führt. Das vorgeschlagene Modell ermöglicht neben der Reduzierung des Personalbestandes zügigere und straffere Planungen und einen höheren Nutzen durch Verkürzung oder Wegfall langwieriger Verfahrensabläufe. Darüber hinaus könnte eine neu aufzubauende Bundesautobahnverwaltung nach zeitgemäßen Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden, die eine Entlastung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen von nichtministeriellen Aufgaben ermöglichen. Dabei ist auch ein weitgehender Einsatz Privater z. B. im Rahmen von Betreibermodellen oder im Betriebsdienst denkbar. Effizienzsteigerung und Verbesserung der Transparenz Bundeseigene Verwaltung für die Bundesautobahnen Abschichtung nichtministerieller Aufgaben Weitgehender Einsatz Privater möglich 7 1 Einleitung Eine Verwaltung soll ihre Aufgaben mit bestmöglichem Ergebnis bei vorgegebenen finanziellen und personellen Ressourcen verwirklichen. Dabei stehen heute nicht mehr allein die eingesetzten Mittel im Zentrum des Interesses, sondern auch die Qualität der Leistung einer Verwaltung. Verwaltungsreformen, die diesem Ziel dienen, werden fast ausschließlich mit dem Begriff „New-Public-Management“ verbunden. Damit geht einher ein stärkerer Einsatz betriebswirtschaftlich orientierter Instrumente, insbesondere einer Kosten- und Leistungsrechnung sowie Vergleichsrechnungen. Diese Steuerungsinstrumente können Kostentransparenz schaffen und eine Berechnungsgrundlage für Einsparmöglichkeiten schaffen. Allerdings können sie eine generelle Aufgabenkritik oder eine Organisationsreform überkommener Verwaltungsstrukturen nicht ersetzen. Vielfältige Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes belegen, dass die gegenwärtige Verwaltung der Bundesfernstraßen verbesserungsbedürftig ist. Der Bundesbeauftragte sieht es als seine Aufgabe an, auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung hinzuwirken. Er hat daher im vorliegenden Gutachten die Frage einer optimierten Verwaltung der Bundesfernstraßen aufgegriffen. Er hat dabei auch im Blick, dass der Deutsche Bundestag und der Bundesrat eine Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eingesetzt haben, da sie die Auffassung vertreten, die jetzige Kompetenzaufteilung lähme das Land. Die Kommission verfolgt das Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern sowie die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen. Deren Arbeitsgruppen haben vielfältige Vorschläge zur Verbesserung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern erarbeitet, die zurzeit beraten werden. Der Bundesbeauftragte hat im Jahr 2002 in seinem Bericht zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (BWV Band 9) einen Teilbereich des Föderalismus – das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen – aufgegriffen und damit zur laufenden Diskussion über die Neugestaltung der Bund-Länder-Beziehungen aus der Sicht der externen Finanzkontrolle des Bundes beigetragen. Nach Auffassung des Bundesbeauftragten ist eine Neuorganisa- 8 tion der Bundesfernstraßenverwaltung ebenfalls ein Politikfeld, das in die laufenden Beratungen über eine Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern einbezogen werden sollte. Der Bundesbeauftragte macht im vorliegenden Gutachten einen Vorschlag, der die Interessen des Bundes und der Länder gleichermaßen berücksichtigt. Für das bessere Verständnis werden dazu die historische Entwicklung der Bundesfernstraßenverwaltung, die wesentlichen rechtlichen Grundlagen und die Entwicklung der Bundesfernstraßen dargestellt (Nr. 2). Eingebettet in organisationstheoretische Erkenntnisse werden die systembedingten Probleme der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen dargestellt (Nr. 3). Zur Beseitigung der systembedingten Schwächen sind unterschiedliche Lösungsmodelle vorstellbar (Nr. 4). Ein in die Praxis umgesetztes Modell stellt die Reform der Fernstraßenverwaltung in Österreich dar (Nr. 4.4). Anhand dieser Erkenntnisse hat der Bundesbeauftragte eine Lösung entwickelt, die die systembedingten Probleme der Bundesfernstraßenverwaltung löst, die Aufgaben des Bundes auf die Kernkompetenzen – die Verwaltung der Bundesautobahnen – beschränkt und die Kompetenzen der Länder – Verwaltung und Eigentum der bisherigen Bundesstraßen – stärkt (Nr. 5). Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Bundesministerium) hat zu dem Entwurf des Gutachtens Stellung genommen. Darin begrüßt es, dass der Bundesbeauftragte einen Vorschlag zur Neuordnung der Verwaltung im Bundesfernstraßenbau unterbreitet, der die Meinungsbildung in der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung und die Diskussion über die Reform der Auftragsverwaltung bereichern werde. Die Hinweise des Bundesministeriums zu einzelnen Punkten wurden in dem Gutachten berücksichtigt. 2 Bundesfernstraßenverwaltung 2.1 Historischer Rückblick 2.1.1 Entscheidung des Bundes für die Auftragsverwaltung der Länder Das Reich übertrug im Jahr 1933 Bau und Unterhaltung der Reichsautobahnen mit dem Reichsautobahngesetz einem Zweigunternehmen der Deutschen Reichsbahngesellschaft. 1934 übernahm das Reich zusätzlich die wichtigsten Landesstraßen als Reichsstraßen und setzte als zentrale Verwaltungsspitze einen Generalinspektor ein. Lediglich aus Kostengründen verzichtete das Reich auf eine unmittelbare Reichs- 9 straßenverwaltung und bediente sich stattdessen der bestehenden Länderverwaltungen.1 Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges legten die Alliierten die Verwaltung der Fernstraßen in die Hände der Länder und ließen dabei die bisherigen Regelungen des Reichs fortbestehen. Allerdings fehlte das Reich als zentrale Klammer. Die Länder verwalteten die Fernstraßen treuhänderisch bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Über eine künftige Bundesfernstraßenverwaltung wurde im Parlamentarischen Rat kontrovers diskutiert.2 Zunächst wollten einzelne Abgeordnete den „Bundeskraftfahrstraßen“ (später: Bundesautobahnen) einen Sonderstatus zusprechen und sie bundesunmittelbar verwalten lassen, weil sie „einen geschlossenen Verkehrskörper besonderer Eigenart“ darstellten.3 Demgegenüber besäßen die ehemaligen Reichsstraßen einen anderen Charakter und wären den Landesorganen zur Selbstverwaltung4 zu überlassen. Andere Abgeordnete vertraten – teilweise aus prinzipiellen Erwägungen heraus – die Auffassung, dass die Länder die Bundesautobahnen nach Weisung des Bundes und alle Landesstraßen ohne Weisungsbefugnis des Bundes originär verwalten sollten. Schließlich läge es in deren Interesse, auch die Fernverkehrsstraßen in einem guten Zustand zu erhalten.5 Einigkeit herrschte zunächst darüber, dass die Autobahnen Eigentum des Bundes und die Länder Eigentümer der Reichsstraßen werden sollten. Ebenso sollte die Verwaltung der Reichsstraßen Sache der Länder sein, während die Verwaltung der Autobahnen offen blieb.6 Strittig blieb auch, ob die künftig in das Eigentum der Länder zu übertragenden Reichsstraßen mit 1 2 3 4 5 6 Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck Christian (Hrsg.): Bonner Grundgesetz – Kommentar. 4. Aufl., Verlag Franz Vahlen München, Band 3, Art. 90 Abs. 2, Rd.-Nr. 46 f. Doemming, Klaus-Berto von/Füßlein, Rudolf Werner/Matz, Werner: Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes; in: Mangoldt, Herrmann/Leibholz, G.: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge/Band 1; Verlag J.C.B. Mohr, Tübingen, 1951; darin Teil VIII – Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung, S. 657 bis 661. So Abg. Dr. Hoch in der 18. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 24.11.1948, Stenoprotokoll S. 53 bis 55 und in der 16. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 03.12.1948, HA-Steno S. 201 bis 203. Der Unterschied der Verwaltung durch die „Länder“ oder die „Landesorgane“ ist hier wichtig: Im ersten Fall entscheiden die Länder über die Art der Verwaltung, im zweiten sind sie lediglich „Erfüllungsgehilfen“ des Bundes wie vor 1945. So Abg. Dr. Strauß in der 18. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 24.11.1948, Stenoprotokoll S. 54 bis 59 und in der 19. Sitzung Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 01.12.1948, Stenoprotokoll S. 21 und 22 sowie Kurzprotokoll S. 5. 18. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 24.11.1948, Stenoprotokoll S. 58 und 59 sowie Kurzprotokoll S. 5. 10 oder ohne Weisungsrechte des Bundes zu verwalten wären.7 Ein Weisungsrecht des Bundes für im Eigentum der Länder stehende Straßen bezeichneten andere Abgeordnete als widersprüchlich und ungerecht, da die Länder außerordentliche finanzielle Lasten aufbringen müssten, ohne über ihre Straßen in vollem Umfang verfügen zu können.8 Eine Wende in der Diskussion brachte der Beitrag eines Sachverständigen Anfang Dezember 1948. Nach dessen Ansicht war die Unterscheidung zwischen Reichsautobahnen und Reichsstraßen künstlich und durch nichts gerechtfertigt. Die Bundesverwaltung aller „Straßen des Fernverkehrs“ wenigstens mit Weisungsbefugnis des Bundes sei geboten, und er sprach sich im Folgenden entschieden für eine auftragsweise Verwaltung auch der künftigen Bundesstraßen aus. Nur so könnten Bau und Errichtung großer Durchgangsstraßen für den Verkehr im Bundesgebiet sichergestellt werden.9 Dem schloss sich der Parlamentarische Rat grundsätzlich an. Nach weiteren Beratungen erhielt Art. 118a Abs. 1 und 2 des Grundgesetzentwurfs (nunmehr Art. 90 Abs. 1 und 2 GG) nahezu seine heutige Formulierung.10 Der Bund ist danach Eigentümer der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen, und die Länder verwalten die Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und Bundesstraßen) im Auftrage des Bundes mit eigenem Unterbau.11 2.1.2 Änderungsvorschläge seit 1949 Die Entscheidung des Bundes, für die Verwaltung der Bundesfernstraßen das Modell der Auftragsverwaltung anzuwenden, wurde seit seiner Verankerung im Grundgesetz bis heute mit unterschiedlichen Gründen immer wieder in Frage gestellt, allerdings 7 8 9 10 11 Siehe hierzu die gegensätzlichen Entwurfs-Anträge zum Art. 118a Abs. 1 und 2 der Abgeordneten Dr. Hoch und Dr. Strauß in der 19. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 01.12.1948, Stenoprotokoll S. 21 und 27 sowie Kurzprotokoll S. 3. So Abg. Dr. Kaufmann und Abg. Dr. Höpker-Aschoff in der 16. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 03.12.1948, HA-Steno S. 202 und 203. Sachverständiger Prof. Frohne in der 21. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates am 07.12.1948, Stenoprotokoll S. 27 und 29. [Prof. Frohne war unter den West-Allierten Leiter der provisorischen Verkehrsverwaltung und ließ in dieser Eigenschaft im Jahre 1947 ein Gutachten zur künftigen Verwaltung und Organisation der Bundesfernstraßen erstellen, das er auch dem Parlamentarischen Rat zuleitete.] Zweite Lesung des Hauptausschusses in der 36. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 12.01.1949, HA-Steno S. 449 und 450 sowie Kurzprotokoll S. 6; dritte Lesung des Hauptausschusses in der 50. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 10.02.1949, HA-Steno S. 663 und Kurzprotokoll S. 13; vierte Lesung des Hauptausschusses in der 57. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 05.05.1949 mit anschließendem Plenumsbeschluss, HA-Steno S. 757 sowie Kurzprotokoll S. 47 und 48. Eine Darstellung der heutigen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern und der Organisation der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen enthält die Anlage. 11 ohne dass es zu entscheidenden Veränderungen kam: • Seebohm-Vorschlag 1953 Bereits wenige Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland gab es seitens des Bundes Bestrebungen, die bisherige Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen wieder abzuschaffen. Der damalige Bundesminister Seebohm plante im Jahr 1953 den Aufbau einer „klassischen“ dreistufigen Verwaltung mit zwölf Bundesstraßendirektionen, 90 Bundesstraßenämtern und neun Bundesautobahnämtern für alle Bundesfernstraßen und wollte sogar die Landesstraßen – wenn auch auftragsweise – unter Bundesverwaltung nehmen, wie dies schon 1948 im Parlamentarischen Rat diskutiert wurde. Er ging davon aus, dass die bundesunmittelbare Verwaltung „reibungsloser und wirtschaftlicher“ arbeitet „als der gegenwärtige umständliche Apparat und trotzdem die berechtigten Interessen der Länder wie bisher zur Geltung kommen“.12 • Studie zur Auftragsverwaltung aus dem Jahr 1974 Eine Studie, die in der Schriftenreihe der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen im Jahr 1974 erschienen ist, setzte sich intensiv mit dem Thema der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen auseinander.13 Sie pflichtete dem Beitrag des Sachverständigen im Parlamentarischen Rat zur Auftragsverwaltung zwar bei, jedoch sei dieser nur im Licht der damaligen Verhältnisse zu vertreten. Das Netz der Bundesautobahnen in der jungen Bundesrepublik sei noch zu dünn gewesen, um das Bedürfnis nach großräumigem Verkehr befriedigen zu können, und folgerichtig hätten damals die Bundesstraßen dazu mit herangezogen werden müssen. Die Situation von 1971/1972 sei jedoch mit der von 1948/1949 nicht mehr vergleichbar. Die Konzentration des großräumigen Verkehrs auf die Autobahnen würde vorangetrieben. Bald wäre ein Zustand erreicht, bei dem alle Straßen mit überregionaler Bedeutung in ihrem Ausbauzustand den Bundesautobahnen entsprächen: „Eine Bundeszuständigkeit für die Bundesstraßen lässt sich daher für die Zukunft nicht mehr rechtfertigen. Die engen Maschen des Autobahnnetzes haben die funktionalen Unterschiede verwischt, die zwischen Bundes- und Staats12 13 Seebohm, Hans Christoph: Die Verwaltung der Bundesstraßen, Straße und Autobahn 10/1953, S. 334 ff. Wolst, Dieter: Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform – Untersuchungen zur auftragsweisen Verwaltung. Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e. V., Schriftenreihe der Arbeitsgruppe „Straßenverwaltung“, Heft 9, Kirschbaum-Verlag Bonn-Bad Godesberg 1974, S. 130 ff. 12 straßen früher bestanden. Beide Straßenklassen sind heute nur noch Träger des regionalen Verkehrs.“14 Finanzielle Bedenken ließ die Studie nicht gelten. An Finanzkraft seien die Länder dem Bund zwar weit unterlegen. Keinesfalls dürfe eine Übertragung der Bundesstraßen an die Länder aber an fiskalischen Überlegungen scheitern: Dies sei höchstens Anlass, die Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern neu zu überdenken. Den Länderhaushalten seien auf Kosten des Bundes Einkommensquellen zu erschließen, wenn dieser eines Teils seiner Ausgabenlast ledig werde. • Untersuchung zur Bund/Länder Problematik aus dem Jahr 1980 Eine Untersuchung zu den Grenzen staatlicher Infrastrukturpolitik beschäftigte sich im Jahr 1980 mit der Bund/Länder-Kooperation in der Fernstraßenplanung. Danach hatten sich bis dahin die Finanzanteile der Länder für den Bundesfernstraßenbau (Länderquoten) nur marginal verschoben, obwohl sich die verkehrspolitischen Ziele und Bewertungsverfahren für den Bundesfernstraßenbau stark verändert hatten.15 Die Studie stellte fest, dass die Länder ein erhebliches Interesse daran hätten, ihren Anteil an den Finanzmitteln nicht vermindert zu sehen. Der umfassende Einfluss der Länder führe dazu, dass der Bund kaum verkehrliche Prioritäten setze, sondern stattdessen die Finanzmittel für die Bundesfernstraßen weitgehend gleichmäßig auf die Länder verteile. Der Bund gab dadurch weitgehend die Möglichkeit auf, eine überregionale Koordination und Schwerpunktbildung wahrzunehmen und durch eine Veränderung von Finanzzuweisungen den Ausgleich zwischen leistungsstarken und -schwachen Ländern zu fördern. Der Bund sei mit seinen Planungs- und Bewertungsverfahren in der Verkehrswegeplanung daher nur sehr begrenzt fähig, die Projektauswahl zu steuern. Bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans ist der Bund auf die Länder angewiesen. Da die Länder den Bedarf an Bundesfernstraßen formulieren und der Bund die Kosten trägt, geht die Untersuchung davon aus, dass die Länder ein Interesse daran hätten, einen möglichst hohen Bedarf anzumelden. Sie geht aus diesem Grund davon aus, dass der von den Ländern entwickelte Bedarf nicht mit den Bundesinteressen übereinstimmte. Bei der Vielzahl der angemeldeten 14 15 Wolst, Dieter, Fn. 13, S. 132. Garlichs, Dietrich: Grenzen staatlicher Infrastrukturpolitik – Bund/Länder-Kooperation in der Fernstraßenplanung, Königstein/Ts. 1980. 13 Projekte könne der Bund die von den Ländern angegebenen Nutzen- und Kostendaten, wenn überhaupt, nur in Einzelfällen prüfen. Die Untersuchung kommt zudem zum Schluss, dass die Länder tendenziell ein Interesse daran hätten, teure Bundesfernstraßen zu bauen, auch wenn kostengünstigere Straßen niedrigerer Ordnung den gleichen Zweck erfüllten, da sie die Kosten auf den Bund verschieben könnten. Daraus ergäben sich „bedenkliche Effizienzeinbußen gerade durch die zentrale Planung und Finanzierung des Bundes“. • Pällmann-Kommission 2000 Das Bundesministerium rief im Jahr 1999 die „Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ ins Leben, um Möglichkeiten alternativer Finanzierungen der Bundesverkehrswege aufzuzeigen. Die nach ihrem Vorsitzenden benannte Pällmann-Kommission empfahl in ihren „Thesen und Empfehlungen“, die Abgrenzung der Bundesverkehrswege zu überprüfen, da sie historisch gewachsen seien und viele Elemente nur (noch) geringe überregionale verkehrliche oder strukturelle Bedeutung hätten.16 In ihrem Schlussbericht bezog sie in diese Aussage ausdrücklich die Bundesfernstraßen ein.17 Die Kommission begründete ihre Thesen damit, dass Bundesfernstraßen im Wesentlichen dem überregionalen Verkehr dienen sollten. Ein wichtiger Maßstab für die Einordnung einer Straße als Bundesfernstraße sei der Fernverkehrsanteil. Dabei definierte die Kommission Fernverkehr als 50 km Distanz überwindenden Verkehr. Als Folge des Ausbaus des Autobahnnetzes sei es in vielen Bereichen der als Bundesstraßen gewidmeten Straßen zu Verkehrsverlagerungen gekommen. Nach eigens veranlassten Untersuchungen trügen lediglich 20 % der Außerortsstrecken und 8 % der Innerortsstrecken der Bundesstraßen einen Fernverkehrsanteil von über 20 %. Die Kommission empfahl, das Bundesstraßennetz nur auf diejenigen Straßen zu beschränken, die aufgrund der Nachfragemenge und Nachfragestruktur oder raumstruktureller Kriterien tatsächlich den Charakter und die Funktion von Bundesstraßen haben. Bundesstraßen, die als solche nicht mehr einzuordnen sind, seien an die Länder abzugeben. Ggf. müsse sich der Bund auf die Bundesautobahnen konzentrieren. 16 17 BMVBW (Hrsg.): Thesen und Empfehlungen der Regierungskommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, 2000, S. 1, Nr. 8. BMVBW (Hrsg.): Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung Schlussbericht vom 05.09.2000, S. 35, Nr. 4.3.1 Abs. 4 und S. 45, Nr. 4.3.2.5. 14 • Bundesstaatskommission 2003/2004 Obwohl eine Verwaltungs-Entflechtung bei den Bundesfernstraßen kein zentrales Thema war, empfahl ein Sachverständiger der im Jahr 2003 ins Leben gerufenen „Kommission von Bundesrat und Bundestag zur Modernisierung der bundesdeutschen Ordnung“ (Bundesstaatskommission), die Bundesautobahnen „als nationale Güter“ bundesunmittelbar zu verwalten sowie die Bundesstraßen und deren Verwaltung auf die Länder zu übertragen.18 2.2 Wesentliche rechtliche Grundlagen Nach Art. 90 Absatz 1 Grundgesetz19 sind die ehemaligen Reichssautobahnen und Reichstraßen Eigentum des Bundes; Absatz 2 bestimmt die Auftragsverwaltung20 der Länder für die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs. Das Grundgesetz spricht hier ausdrücklich von Fernverkehr. Damit ist nur der erhebliche Strecken überwindende Verkehr gemeint.21 Wenn die Fernverkehrsfunktion einer Bundesstraße nicht mehr gegeben ist, dann gehört sie – folgt man der Literatur –konsequenterweise „in die Residualkompetenz der Länder (Art. 30, 83 GG)“.22 Das Bundesfernstraßengesetz23 (FStrG) geht von der Einteilung der Bundesfernstraßen in Bundesautobahnen und Bundesstraßen aus. Es bestimmt, dass Bundesfernstraßen • ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und • einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sein müssen. Die zentralen Begriffe sind also „zusammenhängendes Verkehrsnetz“ sowie „weiträumiger Verkehr“. Sie sind nicht klar definiert und unterliegen einem weiten Interpretationsspielraum, obwohl sie über den Status einer Straße als Bundesfernstraße 18 19 20 21 22 23 Homburg, Stefan: Stellungnahme zur Anhörung der Bundesstaatskommission am 11. März 2004. Kommission von Bundesrat und Bundestag zur Modernisierung der bundesdeutschen Ordnung, Kommissionsdrucksache 0024, S. 8. Im Internet veröffentlicht auf den Internet-Seiten des Bundesrates. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (GG) BGBl., S. 1, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2002, BGBl. I, S. 2863. Art. 85 GG regelt die Einwirkungsrechte des Bundes auf die Länder im Rahmen der Auftragsverwaltung. Maunz, Theodor: Die Bedeutung des Art. 90 GG im Gefüge des Grundgesetzes, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz – Kommentar, Band V, Art. 90, Rd.-Nr. 30, Verlag C.H. Beck, München 2003. Vgl. auch Herber, Franz-Rudolf: Ein- und Umstufung, in: Kodal, Kurt/Krämer, Helmut: Straßenrecht – eine systematische Darstellung. 6. Aufl. 1999, Kap. 9, S. 253, Rd.-Nr. 9.21, Verlag C.H. Beck, München 1999. Bundesfernstraßengesetz (FStrG) i.d.F. vom 20.02.2003, BGBl. I, S. 286. 15 entscheiden. Die erforderliche Dichte eines Bundesfernstraßen-Verkehrsnetzes ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen. Wie stark das Netz verdichtet werden soll, ist „letztlich eine politische Entscheidung, die nicht für jeden Bereich zu jeder Zeit durch den zuständigen Aufgabenträger in gleicher Weise getroffen wird.“24 Weiträumiger Verkehr impliziert, dass dieser von Bedeutung sein muss.25 Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen geht in seinen Richtlinien derzeit für weiträumigen Verkehr von Entfernungen ab 50 km aus.26 In der Literatur werden hierzu auch deutlich abweichende Auffassungen vertreten: So zählt ein Kommentar zur Aufgabe des Bundes nur diejenigen Straßenzüge, die „das Bundesgebiet in seiner ganzen Weite erschließen, an das benachbarte Ausland anschließen und die großen Teilräume des Bundesgebietes miteinander verbinden“.27 Der Begriff „weiträumig“ sei für sich allein nicht bestimmbar und könne nur dahingehend ergänzt werden, dass er sich auf das gesamte Bundesgebiet beziehe. Über diese begrenzte Aufgabe gehe das gegenwärtige Netz der Bundesfernstraßen in der Untergruppe der Bundesstraßen hinaus. Es erfülle Aufgaben der regionalen Verkehrserschließung. Eine Reduzierung des Bundesfernstraßennetzes auf das für den weiträumigen Verkehr unentbehrliche Netz erscheine angezeigt. 28 Bei dieser Auffassung könnte bei den meisten heutigen Bundesstraßen bezweifelt werden, ob der auf ihnen stattfindende Verkehr dem Kriterium „weiträumig“ genügt. Ihr Status als Bundesfernstraßen wäre dann nicht gerechtfertigt.29 2.3 Verkehrliche Entwicklung auf den Bundesfernstraßen Der wesentliche Teil des Straßenverkehrs wird über die überörtlichen Straßen – Bundesautobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen und Kreisstraßen – abgewickelt. Im Jahr 1950 umfasste das überörtliche Straßennetz eine Länge von 127.600 km. Bis zum Jahr 2003 wurde dieses Straßennetz um 81 % auf 231.581 km erweitert (siehe 24 25 26 27 28 29 Kodal, Kurt: Die Kategorisierung der Straßen, in: Bartlsperger, Richard/Blümel, Willi/Schroeter, HansWolfgang: Ein Vierteljahrhundert Straßengesetzgebung. Heitmann Verlag Hamburg 1980, S. 511. Marschall, Ernst A./Schroeter, Hans-Wolfgang/Kastner, Fritz: Bundesfernstraßengesetz – Kommentar. 5. Aufl. 1998, S. 48, Rd-Nr. 23. BMVBW: Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Leitfaden für die funktionale Gliederung des Straßennetzes (RAS-N), ARS-Nr. 1/1988 vom 29. Januar 1988. Herber, Franz-Rudolf, Fn. 22, S. 258, Rd.-Nr. 14.11. Herber, Franz-Rudolf, Fn. 22, S. 259, Rd.-Nr. 14.2 und S. 250, Rd.-Nr. 6. Vgl. Kodal, Kurt, Fn. 24, S. 513. 16 Tabelle 1).30 Straßenkategorie Bundesautobahnen Bundesstraßen Bundesfernstraßen (Zwischensumme) Landesstraßen Kreisstraßen Überörtliche Straßen gesamt Jahr 1950 31 Jahr 2003 32 Zunahme 2.100 24.300 26.400 12.037 41.246 53.283 absolut 9.937 16.946 26.883 49.300 51.900 127.600 86.868 91.430 231.581 37.568 39.530 103.981 relativ 573 % 170 % 202 % 176 % 176 % 181 % Tabelle 1: Längenentwicklung des überörtlichen Straßennetzes in der Bundesrepublik Deutschland Die Entwicklung des überörtlichen Straßennetzes seit dem Jahr 1950 verdeutlicht, dass das Netz der Bundesfernstraßen – Bundesautobahnen und Bundesstraßen – im Vergleich zur Gesamtheit der überörtlichen Straßen überproportional stark ausgebaut wurde. Dies ist ausschließlich auf den Ausbau der Bundesautobahnen zurückzuführen. Die Bundesstraßen entwickelten sich im Vergleich zum gesamten überörtlichen Straßennetz proportional. Während das Bundesautobahnnetz sich seit dem Jahr 1950 fast versechsfachte, wuchs das Bundesstraßennetz im Vergleichszeitraum um rund 70 %. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man den Autobahnbestand der Jahre 1949, 1969 und 2001 vergleicht: • Im Jahr 1949 verbanden die Bundesautobahnen einige wichtige Regionen miteinander. Sie bildeten jedoch nur zusammen mit den Bundesstraßen ein Bundesfernstraßennetz. • Im April 1969 bildeten die Bundesautobahnen bereits ein eigenständiges Bundesautobahnnetz. Dieses umfasste mit den in Bau und in Planung befindlichen Strecken für die alten Bundesländer über 9.000 km. • Im Dezember 2001 verknüpfte das Bundesautobahnnetz mit seinen rund 11.700 km alle wichtigen Landesteile in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. (Siehe hierzu die Karten des Bundesautobahnnetzes auf der folgenden Seite). 30 31 32 Hier und in den folgenden statistischen Angaben sind nach deren Beitritt die neuen Bundesländer berücksichtigt. BMVBW (Hrsg.), Fn. 17, S. 10. BMVBW (Hrsg.): Straßenbaubericht 2003, Köln 2004, S.7. 17 18 desautobahnen, die nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt sind, führte auch dazu, dass sich ein stetig steigender Anteil des Kraftfahrzeugverkehrs auf die Bundesautobahnen verlagerte. Insbesondere die durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken (DTV) stiegen auf durchschnittlicher täglicher Verkehr in Kfz./24 Std. (DTV) Die Leistungsfähigkeit der Bun- den Bundesautobahnen deutlich stärker an als auf den Bundesstraßen. Während die Verkehrs- 60000 48900 50000 40000 30000 20000 10000 9240 4578 1640 0 Jahr 1953 Jahr 2002 Bundesautobahnen Bundesstraßen Grafik 1: Verkehrsstärken (DTV) auf den Bundesfernstraßen in den Jahren 1953 und 2002 stärken auf den Bundesstraßen von 1953 bis 2002 um das 5,6-fache zunahmen, stiegen die Verkehrsstärken auf den Bundesautobahnen im gleichen Zeitraum um mehr als das 10-fache (siehe Grafik 1).33 Entsprechend der Längenentwicklung und der zunehmenden durchschnittlichen täglichen Verkehrsmenge verlagerte sich auch die Jahresfahrleistung überproportional auf die Bundesautobahnen (siehe Tabelle 2): Straßenkategorie Bundesautobahnen Außerörtliche Bundesstraßen Jahr 1975 Jahr 2002 Netzlänge 5.981 km 11.912 km Jahresfahrleistung 55 Mrd. Kfzkm 211 Mrd. Kfzkm Netzlänge 25.439 km 31.990 km Jahresfahrleistung 57 Mrd. Kfzkm 108 Mrd. Kfzkm Zunahme absolut relativ 5.931 199 % 156 384 % 6.551 126 % 51 189 % Tabelle 2: Jahresfahrleistung auf Bundesautobahnen und außerörtlichen Bundesstraßen in den Jahren 1975 und 200234 Während sich die Jahresfahrleistung bei den außerörtlichen Bundesstraßen in den Jahren von 1975 bis 2002 nahezu verdoppelte, vervierfachte sie sich bei den Bundesautobahnen (siehe auch die folgende Grafik 2). 33 34 BMVBW (Hrsg.): Verkehr in Zahlen 2002/2003, Hamburg 2002, S. 115. BMVBW (Hrsg.): Verkehrsentwicklung auf Bundesfernstraßen 2002 – Jahresauswertung der automatischen Dauerzählstellen, o. J., S. 13. 19 Jahresfahrleistung in Mrd. Kfzkm 225 200 175 150 125 100 75 50 25 Bundesautobahnen 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 1986 1985 1980 1975 0 Bundesstraßen Grafik 2: Entwicklung der Jahresfahrleistungen der Kfz (Mrd. Kfzkm) auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen zwischen den Jahren 1975 und 2002 Obwohl der Anteil der Bundesautobahnen am gesamten überörtlichen Straßennetz nur rund 5 % beträgt, konzentriert sich der Kfz-Verkehr – insbesondere der 40% Güterverkehr – auf die Bundesauto- 35% 30% 25% bahnen. Von der gesamten Jahresfahr- 20% 15% leistung 10% 5% auf Außerortsstraßen des 34% 18% 17% 5% 0% Jahres 2002 mit rund 620 Mrd. Kfzkm Bundesautobahnen übernahmen die Bundesautobahnen mehr Anteil überörtliches Straßennetz Jahresfahrleistung als 34 % (211 Mrd. Kfzkm). Das außerörtliche Bundesstraßennetz, dessen Anteil am gesamten überörtlichen Straßennetz rund 18 % beträgt, übernahm im Bundesstraßen Grafik 3: Bundesautobahnen und Bundestrassen – Gegenüberstellung der Anteile am überörtlichen Straßennetz mit Jahresfahrleistung für das Jahr 2002 Jahr 2002 rund 17 % (108 Mrd. Kfzkm) der Jahresfahrleistungen (siehe Grafik 3).35 Über die Transportleistungen liegen keine Statistiken getrennt nach Bundesstraßen und -autobahnen vor. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen geht aufgrund seiner Erfahrungen und Schätzungen davon aus, dass sich die Entwicklung der Transportleistung zumindest analog der Jahresfahrleistung ent35 BMVBW (Hrsg.), Fn. 32, S. 11. 20 wickelt hat. Da das durchschnittliche Transportgewicht von Lkw auf Autobahnen höher ist als auf Bundesstraßen, geht das Bundesministerium davon aus, dass die Transportleistung auf den Bundesautobahnen noch stärker gestiegen ist als die Jahresfahrleistung. 2.4 Bundesverkehrswegeplanung und Finanzierung der Bundesfernstraßen Der Bundesverkehrswegeplan ist der Verkehrsträger übergreifende InvestitionsRahmenplan für alle Bundesverkehrswege. Das Parlament verabschiedet den darauf aufbauenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz. Der Straßenbauplan als Anlage zum jährlichen Haushaltsgesetz benennt konkret die auszuführenden Einzelmaßnahmen. Die verschiedenen Pläne haben unterschiedliche Planungszeiträume. Eine Eigenart der Auftragsverwaltung ist, dass der Bund zwar die Zweckausgaben zum Bau und Unterhalt der Bundesstraßen übernimmt, Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben jedoch jeweils selbst tragen müssen.36 Der Bund trägt daher die Ausgaben für Bau und Unterhaltung der Bundesfernstraßen sowie für die Erhaltung und Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens und zahlt den Ländern eine Pauschale für die Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht.37 Die Länder tragen ihre Ausgaben, z. B. für die Bediensteten und die Gebäude der Straßenbaubehörden, auch dann, wenn sie z.B. wegen fehlenden geeigneten Fachpersonals Aufträge an freiberuflich Tätige vergeben. Die Straßenbaumittel werden jährlich im Voraus auf die Bundesländer nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt (jährlicher Verfügungsrahmen).38 Die prozentualen Länderquoten haben sich in den letzten Jahren nur unwesentlich geändert. Die Ausgaben für die Bundesfernstraßen waren in den letzten Jahren mit etwa 5,5 Mrd. Euro jährlich nahezu konstant. Im Jahr 2002 entfielen davon rund 2,3 Mrd. Euro auf Bundesstraßen. Die Anlage enthält Näheres zur Finanzierung der Bundesfernstraßen und zur Bundesverkehrswegeplanung. 36 37 38 Art. 104 a Abs. 5 GG, Fn. 19. Art. 104 a Abs. 2 GG, Fn. 19 und § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs (BStrVermG) vom 2. März 1952 (BGBl. I, S. 157) zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. August 1971 (BGBl. I, S. 1426). Die prozentuale Schlüsselung berücksichtigt u. a. die Länge der Bundesfernstraßen und das Verkehrsaufkommen im jeweiligen Bundesland. 21 2.5 Heutige Bedeutung der Straßen des Bundes für den Fernverkehr Der Parlamentarische Rat hatte sich nach kontroverser Diskussion für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen entschieden. Die Begriffsbestimmungen des Grundgesetzes und des Fernstraßengesetzes verdeutlichen aber, dass die Kernaufgabe des Bundes nur der Bau und die Unterhaltung wichtiger Fernverbindungen sein kann. Der Bundesbeauftragte sieht sich hierin auch von den Rechtskommentaren und der einschlägigen Literatur bestätigt. Der quantitative und qualitative Ausbau des Bundesautobahnnetzes führte zudem dazu, dass sich seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ein stetig steigender Anteil der Jahresfahrleistungen und des Straßengüterverkehrs von den Landes-, Kreis- und insbesondere den Bundesstraßen auf die Bundesautobahnen verlagerte. Die Bundesautobahnen nahmen für den Fernverkehr überproportional an Bedeutung zu, während den Bundesstraßen vermehrt eine regionale Verkehrsbedeutung und für den Fernverkehr überwiegend lediglich die Funktion als Zubringerstraßen zu den Bundesautobahnen zukam. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits ab den 70´er Jahren mit dem Ausbau der Bundesautobahnen ab und dauert bis heute fort. Das Bundesministerium vertritt die Auffassung, dass den Bundesstraßen nach wie vor eine Fernverkehrsbedeutung zuzumessen ist. Einige Bundesstraßen seien auch als Europastraßen eingestuft. Die Bundesstraßen als Straßen des Fernverkehrs würden dann benötigt, wenn die Verkehrsstärken 4-, 6- und 8-streifige Autobahnquerschnitte nicht erforderten. Zudem hätten einige Bundesautobahnen in Ballungsräumen eine enorme Bedeutung für den Regionalverkehr. Der Bundesbeauftragte ist dagegen der Auffassung, dass die Bundesautobahnen seit Längerem – erst recht im Jahre 2004 – für den Fernverkehr weitgehend die Funktion erfüllen, die die Bundesfernstraßen bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland teilweise leisteten. Die Bundesstraßen haben überwiegend ihre ursprüngliche Fernverkehrsbedeutung verloren. Dementsprechend dienen sie nicht mehr der Erfüllung der dem Bund vom Grundgesetz zugewiesenen Bundesaufgabe. Dies bestätigen auch die vielfachen Vorschläge von Experten, die in den letzten Jahrzehnten in Studien und Untersuchungen zur Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen immer wieder zu ähnlichen Ergebnissen wie der Bundesbeauftragte gelangten. 22 3 Auftragsverwaltung: Probleme und Ursachen 3.1 Auftragsverwaltung als Organisationsmodell der Agenturtheorie Aus der Struktur der Auftragsverwaltung, der wiederholten Ansätze zur Veränderung der Bundesfernstraßenverwaltung und insbesondere der zunehmenden regionalen Bedeutung der Bundesfernstraßen wird deutlich, dass Bund und Länder unterschiedliche Interessen bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen verfolgen. Diese Interessengegensätze treten auch bei anderen Auftragsverhältnissen auf. In der Organisationstheorie wurde dieses Organisationsmodell empirisch untersucht und in der so genannten Agenturtheorie zusammengefasst.39 Die Agenturtheorie befasst sich mit dem Vertragsverhältnis zwischen unvollständig informierten und nutzenmaximierenden Vertragsparteien mit widerstreitenden Zielen. Sie geht davon aus, dass ein Auftraggeber – entspricht bei der Auftragsverwaltung dem Bund – zur Umsetzung seiner Interessen bestimmte Aufgaben und Entscheidungskompetenzen auf der Basis einer Vereinbarung an einen Auftragnehmer – bei der Auftragsverwaltung entsprechend die Länder – überträgt. Der Auftraggeber hat den Vorteil, dass er die spezialisierte Arbeitskraft und den Informationsvorsprung des Auftragnehmers (hier der landesseitigen Straßenbauverwaltung) nutzen kann. Er hat aber das Risiko, dass der Auftragnehmer nicht entsprechend auftragsgemäß handelt, sondern eigene Interessen zum Nachteil des Auftraggebers verfolgt. Die Agenturtheorie beruht auf der Annahme, dass Auftraggeber und Auftragnehmer ihren Nutzen maximieren wollen, was opportunistische Handlungsweisen, wie z. B. die Anwendung „von List“ und eigeninteressierte Vertragsauslegung mit einbezieht. Zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind die Informationen ungleich verteilt. Der Auftragnehmer verfügt über einen Informationsvorsprung bezüglich der Facharbeit. Zusätzlich besteht ein Informationsdefizit des Auftraggebers bezüglich des eigeninteressierten Verhaltens des Auftragsnehmers. Insbesondere bei komplexen Aufgaben ist deshalb eine Effizienzkontrolle der Dienste des Auftragnehmers deutlich erschwert. Die Agenturtheorie geht weiter davon aus, dass Auftragnehmer Ressourcen zweckentfremden, wenn die Aufgaben nicht unmittelbar ihren eigenen Interessen entsprechen. 39 Ebers, Mark/Gotsch, Wilfried: Institutionenökonomische Theorien der Organisation, in: Kieser, Alfred (Hrsg.): Organisationstheorien. 3. Auflage, Stuttgart 1999, S. 209 bis 215 (S. 199 bis 251). 23 Der Auftraggeber hat daher das Problem, wie er vertraglich sicherstellen kann, dass der Auftragnehmer die Vereinbarung möglichst gut erfüllt. Die Vertragspartner können in der Regel die Modalitäten der Auftragsbearbeitung – z.B. Art und Weise, Umfang und Zeitplan der Auftragserfüllung – nicht präzise und umfassend festlegen. Deshalb vereinbaren sie Anreiz-, Kontroll- und Informationsmechanismen. Die Verhaltenssteuerung des Auftragnehmers durch einen Kontrollmechanismus setzt voraus, dass Verhaltensnormen vertraglich vereinbart, deren Einhaltung kontrolliert, und deren Verletzung sanktioniert werden. Diese Art der Verhaltenssteuerung hat sich in der Umsetzung allerdings oft als wenig geeignet erwiesen, weil die Formulierung von Verhaltensnormen ein hohes Maß an Information voraussetzt und bei komplexen Aufgaben kaum möglich ist. Der Auftraggeber hat auch die Möglichkeit, durch ein Informationssystem das Handeln des Auftragnehmers transparenter zu gestalten, wodurch sich die Möglichkeiten „zur Täuschung“ und zu opportunistischem Verhalten verringern. Der Auftragnehmer hat jedoch kein eigenes Interesse daran, für mehr Transparenz durch verbesserte Informationen zu sorgen, weshalb es häufig zusätzlicher Anreize und Kontrollen bedarf. Die zusätzlichen Informationen und Kontrollen führen allerdings zu zusätzlichen Kosten.40 Das auftragnehmer-/auftraggeberähnliche Verhältnis der Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau soll anhand von wesentlichen Problembereichen aufgezeigt werden. Die nachfolgenden Darstellungen, die auch veröffentlichte Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes berücksichtigen, zeigen auf, dass die aus organisationstheoretischer Sicht systembedingten Schwächen der Auftragsverwaltung sehr weitgehend auch in der Praxis sichtbar werden. 3.2 Probleme bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen 3.2.1 Planung der Straßenbaumaßnahmen Auf der Grundlage des gesetzlichen Bedarfsplans können einzelne Projekte geplant und – soweit Haushaltsmittel zur Verfügung stehen – umgesetzt werden. Wie beim Aufstellen des Bundesverkehrswegeplans kommt es auch bei den einzelnen Baumaßnahmen zu vielfachen Abstimmungen zwischen dem Bund und den betroffenen Ländern. 40 Ebers, Mark/Gotsch, Wilfried, Fn. 39, S. 209 bis 215 (S. 199 bis 251). 24 Größere Neubau- oder Ausbaumaßnahmen erfordern in den meisten Fällen ein Raumordnungsverfahren, das die Landesplanungsbehörden durchführen. Anschließend bestimmt das Bundesministerium im Benehmen mit den Landesplanungsbehörden die Linienführung der Straße.41 In der Regel planen die Straßenbauämter der Länder die Straßenbaumaßnahmen. Für Neubau- und Ausbaumaßnahmen von Bundesfernstraßen mit Gesamtkosten ab 10 Mio. Euro legen sie die Vorentwurfsplanung über das zuständige Landesministerium dem Bundesministerium vor. Mit seinem „Gesehenvermerk“ dokumentiert das Bundesministerium sein Einverständnis zur Planung, ggf. unter Auflagen. Auch bei anderen Maßnahmen gibt es in Abhängigkeit vom Finanzvolumen Genehmigungsvorbehalte des Bundesministeriums. In einem weiteren Schritt erstellen die Straßenbauverwaltungen bei größeren Maßnahmen die Entwurfsunterlagen und melden sie beim Bundesministerium zur Aufnahme in den Straßenbauplan an.42 Straßenbaumaßnahmen ab 5 Mio. Euro werden einzeln im Bundeshaushaltsplan veranschlagt. Das Bundesministerium prüft, ob die Voraussetzungen für die Veranschlagung gegeben sind und nimmt die Maßnahme in den Entwurf des Straßenbauplans auf. Das Parlament genehmigt im Zuge des jährlichen Haushaltsgesetzes den Straßenbauplan als Anlage zum Haushaltsplan. Das System der Auftragsverwaltung (siehe Anlage) geht davon aus, dass die im Auftrag des Bundes tätige Landesverwaltung die Interessen des Bundes wahrnimmt. Deshalb beeinflusst das Bundesministerium die Planung und den Bau größerer Straßenbaumaßnahmen in erster Linie durch den „Gesehenvermerk“ und durch Genehmigungsvorbehalte. Das Bundesministerium verfügt jedoch nicht über die notwendigen Informationen über die geprüften Alternativen. Es kann nicht auf der Basis eigener Informationen – sondern fast ausschließlich auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen43 – prüfen, ob die Lösung auch aus der Sicht des Bundes die vorteilhafteste Alternative darstellt. Die Gebiets- und Fachreferate des Bundesministeriums sind auch personell nicht dazu in der Lage, sich bei der Vielzahl von Straßenbaumaßnahmen umfassend auf dem Laufenden zu halten und steuernd einzugrei- 41 42 43 § 16 FStrG regelt den Ablauf der Planungen und die Linienbestimmung. Je nach Bundesland können andere Dienstellen oder Betriebe dafür zuständig sein. Siehe auch Garlichs, Dietrich, Fn. 15, S. 112 und 130. 25 fen.44 Die Länder haben „im Allgemeinen eine überlegene Problemkenntnis der Planungsmaterie und ein faktisches Informationsmonopol hinsichtlich der einzelnen Projekte“.45 Hinsichtlich der Auswahl, welche Projekte in der Planung vorangetrieben werden, sind die Länder sowohl innerhalb des Rahmens des Bundesverkehrswegeplans als auch außerhalb frei. Der Rechnungshof eines Landes hat festgestellt, dass die vom Land für den Bundesverkehrswegeplan 2003 vorgeschlagen 221 vordringlichen Bauprojekte bei gleich bleibenden Bundesmitteln erst im Laufe der nächsten 35 Jahre realisiert werden können. Für die Anmeldung zum Bundesverkehrswegeplan sind aber schon umfangreiche Planungen erforderlich, die hohe Kosten verursachen. Die Kosten für die detaillierten Planungen könnten vermieden werden, wenn Maßnahmen, die in naher Zukunft keine Chance auf Realisierung haben, künftig nicht mehr für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden. Nicht realisierte Projektplanungen, die mehrere Jahre alt sind, müssen regelmäßig grundlegend überarbeitet werden, da sich die zugrunde liegenden Rahmendaten ständig verändern. Die Planungskosten für die Anmeldung der nicht in naher Zukunft realisierbaren Projekte zum Bundesverkehrswegeplan sind deshalb unnötige Planungskosten, die bei einer Veränderung des Verfahrens für dringend erforderliche Straßenbau- und Sanierungsprojekte eingesetzt werden könnten.46 Der Bund hat darüber hinaus keinen Einfluss auf die Organisation und das Personal der Auftragsverwaltung. Diese liegen in alleiniger Zuständigkeit der Länder. Die zunehmende Finanznot der Länder führt dazu, dass Straßenbauverwaltungen immer mehr Personal abbauen sowie Planungsaufträge und Bauüberwachung an Ingenieurbüros vergeben. Nach Prüfungserkenntnissen des Bundesrechnungshofes führen unzureichende Leistungen der beauftragten Ingenieurbüros häufig zu höheren Bau- 44 45 46 Ähnlich auch Rinke, Siegfried: Die Bundesauftragsverwaltung der Bundesfernstraßen aus der Sicht des Bundes, in: Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.), Rechtsfragen der Bundesauftragsverwaltung bei Bundesfernstraßen, Bergisch-Gladbach 2002, S. 26 (S. 18 bis 26): „Der BRH spielt wie gezeigt eine erhebliche Rolle im Rahmen der Überwachung der Auftragsverwaltung. Insbesondere die Fach- und Rechtsaufsicht des Bundes ist mangels eigener Kompetenzen und ausreichender Personalausstattung auf dessen Prüfungstätigkeit vor Ort zur Aufdeckung von Mängeln angewiesen…“ Garlichs, Dietrich, Fn. 15, S. 127 und 128. Rechnungshof Baden-Württemberg: Denkschrift 2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Landeshaushaltsrechnung 2001, S. 79 und 88. 26 kosten, die zulasten des Bundes gehen.47 Der Bund hat jedoch keine Möglichkeit, diese Probleme zu beseitigen. Die Planungsabläufe zeigen zudem, dass mit der Planung von Straßenbau-Projekten sowohl die obersten Landesbehörden als auch das Bundesministerium jeweils mehrfach befasst sind. Die bei der Prüfung und Koordinierung anzuwendenden rechtlichen und technischen Grundsätze sind – soweit der Bundesfernstraßenbau und das Haushaltsrecht betroffen sind – grundsätzlich gleich. Dies führt in erheblichem Umfang zu Doppelarbeiten. 3.2.2 Abstufen von Bundesstraßen Die Einstufung einer Verkehrsverbindung als Bundesfernstraße ergibt sich aus dem Verkehrsaufkommen und dem Netzzusammenhang. So verloren mit dem Ausbau des Bundesautobahnnetzes parallel zu neuen Bundesautobahnen verlaufende Bundesstraßen ihre Bedeutung für den weiträumigen Verkehr. Aber auch einzelne Landesstraßen gewannen die Verkehrsbedeutung einer Bundesfernstraße. Diesen Veränderungen trägt die Verwaltung durch das Abstufen von Bundesstraßen und das Aufstufen von Landesstraßen Rechnung (Umstufung). So wurden ab dem Jahr 1960 über 6.000 km Landesstraßen zu Bundesstraßen aufgestuft; allerdings ohne dass Bund und Länder die vom Fernstraßengesetz geforderten Voraussetzungen – weiträumiges Verkehrsbedürfnis und Netzzusammenhang – nachgewiesen hatten. Der Bundesrechnungshof verneinte im Jahre 1993 die Frage, ob autobahnparallele Bundesstraßen noch dem weiträumigen Verkehr dienen. Er legte dar, dass in den alten Bundesländern von den 2.900 km autobahnparallelen Bundesstraßen 2.050 km kurzfristig abzustufen sind. Er beanstandete zudem, dass rd. 360 km dieser Bundesstraßen mit einem veranschlagten Bauvolumen von rd. 1,3 Mrd. Euro in den Bedarfsplan 1992 übernommen wurden, obwohl der Bund nach dem Bundesfernstraßengesetz kein Baulastträger mehr sein durfte.48 Aufgrund der Hinweise des Bundesrechnungshofes entwickelte das Bundesministerium ein „Abstufungskonzept des 47 48 Ähnlich auch Rinke, Siegfried, Fn. 44, S. 26: „Die bei Bund und Ländern durchgeführten und noch andauernden Personaleinsparungen können im Einzelfall zu einem Mangel an qualifiziertem Personal mit entsprechenden Auswirkungen bei Planung, Bauüberwachung und Abrechnung von Straßenbaumaßnahmen führen. Eine strenge und qualitätsorientierte Wahrnehmung der jeweiligen Aufgaben wird dadurch nicht unerheblich erschwert.“ Siehe auch die Bemerkung des Bundesrechnungshofes Nr. 28 aus dem Jahr 1993 (BT-Drs. 12/5650 v. 17. September 1993). 27 Bundes (1995)“, nach dem insgesamt 4.680 km Bundesstraße „sofort“ und „später“ abzustufen sind.49 Die finanzielle Belastung des Bundes schätzte das Bundesministerium im Jahre 2000 auf rd. 100 Mio. Euro pro Jahr, solange die abzustufenden Bundesstraßen in der Baulast des Bundes verbleiben.50 Eine Übernahme einer Bundesfernstraße, die ihre Bedeutung für den Fernverkehr verloren hat, in eine Straße nach Landesrecht kann jedoch nur durch Vereinbarung mit dem künftigen Baulastträger erreicht werden.51 Wenn eine Bundesstraße ihre Verkehrsbedeutung für den weiträumigen Verkehr verliert und sie die zuständige Landesbehörde abstuft, ist dies mit erheblichen künftigen Baulastkosten für Länder, Kreise oder Gemeinden verbunden, weshalb die Länder nur zögerlich Straßen abstufen. In einem Bundesland sollen z. B. entsprechend dem Abstufungskonzept aus dem Jahr 1995 Bundesstraßen mit einer Länge von rund 1.280 km – dies entspricht 16 % des rund 7.000 km langen Bundesstraßennetzes des Landes – abgestuft werden. Allein die damit verbundenen Baulastträgerkosten werden auf über 50 Mio. Euro jährlich geschätzt. Dies entspricht mehr als einem Drittel des Landesstraßenhaushalts. Daher halten die Länder den Abstufungsforderungen des Bundes eigene Aufstufungswünsche entgegen. Sie argumentieren, auf Grund der Verkehrsentwicklung sei auch eine Vielzahl von Straßen nach Landesrecht vorhanden, deren Verkehrsbedeutung inzwischen das Anforderungsprofil einer Bundesstraße erfülle. Aus der Sicht der Länder müssten Abstufungs- und Aufstufungsmaßnahmen jedenfalls als Gesamtpaket mit dem Bund verhandelt werden.52 Nach Einschätzung des Bundesbeauftragten geht es den Ländern bei der Überlegung zu Umstufungen weniger um die rechtlich eindeutige Klassifizierung der Straßen, sondern vor allem um eine angemessene Verteilung der finanziellen Lasten für die Straßeninfrastruktur der Bundesrepublik Deutschland. Dies wird auch an der Aufstufungsaktion des Jahres 1960 deutlich, die keine Anpassung an die veränderten 49 50 51 52 5.113 km nach Abstufungskonzept 1995 und 4.719 km nach Fortschreibung vom 30.04.98 sowie 4.680 km nach Fortschreibung vom 01.01.2000 – Das Bundesministerium beabsichtigt, den Abstufungsplan auf der Grundlage des neuen Bedarfsplans zu überarbeiten. Schreiben des BMVBW vom 12.12.2000, Gz.: S 15/38.10.00/89 Va 00. Zur Abstufung von Bundesstraßen entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Weisung des Bundes zur Abstufung einer Bundesstraße in eine Straße nach Landesrecht nicht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Regelungen über die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen stehe (Urteil vom 3. Juli 2000 - 2 BvG 1/96). Das Bundesverfassungsgericht stellte allerdings nicht in Frage, dass eine Bundesfernstraße ihre Verkehrsbedeutung verlieren könne und daraus grundsätzliche Konsequenzen zu ziehen seien. Poxleitner, Josef/Geyer, Gerhard: Bundesauftragsverwaltung aus der Sicht eines Bundeslandes, in: Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.): Rechtsfragen der Bundesauftragsverwaltung bei Bundesfernstraßen, Bergisch-Gladbach 2002, S. 33 und 34 (S. 27 bis 34) 28 Verkehrsverhältnisse, sondern eine Finanzierungsaktion mit „groß angelegter“ Verlagerung von Lasten auf den Bund darstellte.53 Der anhaltende Widerstand der übernehmenden Baulastträger gegen Abstufungen führte inzwischen dazu, dass der Bund in immer größerem Umfang Straßen vorhält und verwaltet, die nicht dem Fernverkehr dienen. Dies hat auch zur Folge, dass diese Straßen nach den kostenintensiven Ausbauparametern für Bundesfernstraßen ausgebaut werden – z. B. höhenungleiche Knotenpunkte, großzügige Kurven und Querschnitte – obwohl für die tatsächliche und künftige Verkehrsfunktion geringere Standards ausreichend wären. 3.2.3 Planung und Bau von Ortsumgehungen Der Bau von Ortsumgehungen, der zu einer Entlastung der Ortsdurchfahrten vom Durchgangsverkehr und damit zu einer verbesserten Lebensqualität führen soll, kommt den Wünschen der überwiegenden Mehrzahl der Betroffen entgegen. Den Ortsumgehungen wird daher eine hohe politische Bedeutung beigemessen. Dies wird u. a. daran deutlich, dass der Bundesverkehrswegeplan 2003 über 700 Ortsumgehungen im vordringlichen Bedarf mit einer Gesamtlänge von fast 3.000 km und mit einem Finanzvolumen von rd. 11,5 Mrd. Euro enthält. Dieses vorgesehene Finanzvolumen entspricht 62 % des geplanten Bedarfs für Bundesstraßen. Bei den Entscheidungen zur Linienführung und zu den Knotenpunkten einer Ortsumgehung hat die Straßenbauverwaltung widerstreitende Interessen abzuwägen. Die im Wesentlichen auf eine wirtschaftliche und verkehrlich optimale Führung des weiträumigen Verkehrs ausgerichteten Interessen des Bundes müssen mit den von der Straßenbaumaßnahme berührten Belangen abgewogen werden. Dies betrifft insbesondere die Raumordnung sowie den Umwelt- und Naturschutz, einschließlich Natura 200054 - und sonstiger Schutzgebiete. In der Abwägung sind auch die Interessen betroffener Anwohner, andere Verkehrswege (andere Straßen, Bahnlinien und Wasserwege), Bodendenkmäler, städtebaulich geschützte Gebiete und vieles mehr zu berücksichtigen. Wegen der Vielzahl der Akteure mit widerstreitenden Interessen, die auf die Straßenbauverwaltungen mit unterschiedlicher Intensität einwirken, können Vorschriften nicht auch nur annähernd festlegen, wie die Interessen zu gewichten sind. Die 53 54 Kodal, Kurt, Fn. 24, S. 519. Natura 2000-Gebiete: Schutzgebiete nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union (FFH) und EG-Vogelschutzgebiete. 29 Straßenbauverwaltungen haben dementsprechend einen erheblichen Spielraum bei der Planung von Ortsumgehungen. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes spielt die Führung des weiträumigen Verkehrs bei Ortsumgehungen eine aus Landes- und Kommunalsicht eher untergeordnete Rolle. Daher ist es nachvollziehbar, wenn die Straßenbauverwaltung als Teil der Landesverwaltung häufig örtlichen Interessen bei der Abwägung eine überragende Bedeutung beimisst. Land und Kommunen wollen die regionale Wirtschaft stärken und Gewerbezentren, Ferien-, Freizeit- und Erholungsgebiete möglichst unmittelbar an die Ortsumgehung anbinden, auch wenn die Linie dadurch länger und die Zahl der Knotenpunkte erhöht wird. Für die von den Kommunen gewünschte Entlastungswirkung auf die Innenstädte müssen auch der kommunale und der regionale Verkehr teilweise auf die Ortsumgehung verlagert werden. Untersuchungen zur Entlastungswirkung durch Ortsumgehungen am Beispiel der Kleinstädte Eberswalde, Rathenow, Bernau, Templin und Neuenhagen zeigen, dass der überörtliche Verkehr nur zwischen 4 % und 34 % des innerörtlichen Verkehrs beträgt.55 Der Bund hat jedoch ein Interesse daran, dass die Ortsumgehung möglichst auf kürzestem Weg mit nur wenigen Knotenpunkten an der Ortschaft vorbei führt, da dies in der Regel Kosten und Fahrzeit reduziert. Je länger eine Ortsumgehung ist, desto größer ist die Gefahr, dass sie vom Fernverkehr nicht angenommen wird, da die Fahrzeitersparnis gegenüber der alten Streckenführung zu gering ist. Eine hohe Anzahl von Knotenpunkten mindert zudem die Verkehrssicherheit und ist durch die teilweise verkehrlich erforderliche Geschwindigkeitsbegrenzung für den weiträumigen Verkehr von Nachteil. Der Bundesrechnungshof hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass Länder bei der Verwirklichung von Bedarfsplanmaßnahmen auch beim Autobahnbau mitunter andere Prioritäten setzen, als es die Belange des Fernverkehrs erfordern. So neigen manche Länder dazu, innerstädtischen Autobahnen mit möglichst zahlreichen Anschlussstellen den Vorzug vor dem Ausbau der für den Fernverkehr wichtigen Autobahnen zu geben, um – wie bei den Ortsumgehungen – vorrangig innerstädtische Verkehrsprobleme zu lösen. 55 Heinrichs, Eckhart/Schneewulf, Rainer/Stein, Axel: Ortsumfahrungen für Kleinstädte sinnvoll?, Internationales Verkehrswesen (52) 7-8/2000, S. 320. 30 3.2.4 Ausbau von Ortsdurchfahrten während des Baus der Ortsumgehung Neue Ortsumgehungen ersetzen und entlasten die bisherigen Ortsdurchfahrten. Zudem verbessern sich in den Gemeinden die Verkehrssicherheit und die Umweltbedingungen. Mit der Verkehrsfreigabe von Ortsumgehungen haben die Länder die Ortsdurchfahrten unverzüglich dem Träger der Straßenbaulast zu überlassen, der sich nach Landesrecht bestimmt (Abstufung).56 Damit fallen sie aus der Baulast des Bundes. Bis zur Abstufung hat der Bund die Ortsdurchfahrten in dem Umfang zu erhalten, der dem „regelmäßigen Verkehrsbedürfnis“ entspricht.57 Der Bundesrechnungshof stellt immer wieder fest, dass Straßenbauämter kurz vor oder während des Baus neuer Ortsumgehungen abzustufende Ortsdurchfahrten zulasten des Bundes um- und ausbauen oder städtebaulich umgestalten. Die Baumaßnahmen gehen teilweise weit über die gesetzliche Verpflichtung des Bundes hinaus, die Ortsdurchfahrten in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand unterhalten zu müssen. Die Straßenbauämter lasten damit dem Bund Ausgaben an, die dieser nicht zu tragen hat. So ließen Straßenbauämter auf Forderung von Städten oder Gemeinden die Fahrbahnen abzustufender Ortsdurchfahrten noch zulasten des Bundes ganz oder teilweise zurückbauen, Oberflächenentwässerungen vollständig ersetzen, Radwege, Bushaltebuchten und Grünstreifen neu anlegen. Mit der Veränderung der Verkehrsfunktion kann die Straße auch städtebaulich für die Erfordernisse einer Gemeindestraße mit Fußgängerinseln, Blumenbeeten, veränderten Verkehrsführungen, Parktaschen oder ähnliches umgestaltet werden. Die Kommunen haben auch deshalb ein Interesse an einem Rückbau der Ortsdurchfahrten, um für den Durchgangsverkehr die kürzere Strecke durch den Ort möglichst unattraktiv zu gestalten und so den innerstädtischen Verkehr zu verringern. Ortsdurchfahrten werden städtebaulich häufig nur deshalb aufwendig gestaltet, weil zwei Verhandlungspartner zulasten eines Dritten – des Bundes – eine Vereinbarung schließen. Der Verhandlungspartner der Kommune ist das Land, das für den Bund über dessen Geld verhandelt. Wäre die Kommune Baulastträger gewesen und hätte sie die städtebauliche Umgestaltung selbst finanzieren müssen, würden die Ortsdurchfahrten nach Auffassung des Bundesrechnungshofes nicht in dem gleichen Umfang umgebaut. 56 57 Vgl. § 2 Abs. 4 FStrG, Fn. 23. Vgl. § 3 Abs. 1 FStrG, Fn. 23. 31 3.2.5 Ausbau von Umleitungsstrecken für vorübergehend gesperrte Bundesfernstraßen Müssen Bundesfernstraßen aus straßenbaulichen Gründen gesperrt werden, sind die Träger der Straßenbaulast anderer öffentlicher Straßen verpflichtet, die Umleitung des Verkehrs auf ihren Straßen zu dulden.58 Grundsätzlich kann der Baulastträger der Umleitungsstrecke keine Entschädigungsansprüche gegen den Bund geltend machen, wenn sich der umgeleitete Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs hält und weil er verpflichtet ist, die Umleitungsstrecke in einem ihrem „regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand“59 – insbesondere hinsichtlich Fahrbahnbreite und Belastungsfähigkeit – herzustellen und zu unterhalten.60 Für angeordnete Umleitungen des Verkehrs aus straßenbaulichen Gründen sind dem Träger der Straßenbaulast der Umleitungsstrecke die nötigen Mehraufwendungen zu erstatten, die erforderlich sind, um die Umleitungsstrecke für die Aufnahme des zusätzlichen Verkehrs verkehrssicher zu gestalten.61 Die Erstattung betrifft ausschließlich die Aufwendungen für die umleitungsbedingten baulichen Maßnahmen und für das Beseitigen wesentlicher, durch die Umleitung verursachter Schäden. Da die Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen in vielen Fällen nicht ordnungsgemäß unterhalten sind oder sich aus anderen Gründen nicht in einem ihrem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand befinden, steht die Straßenbauverwaltung vor einem Problem. Wenn sie den Verkehr der Bundesfernstraße über derartige Strecken umleiten will, nehmen die Straßenschäden deutlich zu bis hin zur vollständigen Zerstörung des Straßenkörpers. Der Straßenbaulastträger der Umleitungsstrecke hat jedoch keine finanziellen Mittel, um die Straße in einem ihrem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand zu versetzen. Er hat auch kein Interesse daran, die ohnehin erforderliche Straßensanierung vorzuziehen. Die Straßenbauverwaltung hätte auch die Möglichkeit, den Verkehr weiträumig über leistungsfähige Straßen umzuleiten, was jedoch zu Protesten der Verkehrsteilnehmer führt. Viele Verkehrsteilnehmer nutzen dann kürzere, nicht als Umleitungen gekennzeichnete Straßen, die teilweise stärker als die eigentlichen Umleitungsstrecken belastet und daher in der Regel erheblich geschädigt werden. Um die Baumaßnahme 58 59 60 61 § 14 Abs. 1 FStrG, Fn. 23. Vgl. hierzu die Regelungen der Länderstraßengesetze analog § 3 Abs. 1 FStrG, Fn. 23. Vgl. Marschall, Ernst A./Schroeter, Hans-Wolfgang/Kastner, Fritz, zu § 14 Abs. 3 FStrG, Fn. 25, S. 396, Rd.-Nrn. 11 bis 15. § 14 Abs. 3 FStrG, Fn. 23. 32 an der Bundesfernstraße durchführen zu können, finanzieren die Straßenbauverwaltungen den Ausbau oder die Instandsetzung von Straßen anderer Baulastträger aus dem Bundeshaushalt, obwohl der Bund nur einen geringen Teil der Kosten zu tragen hätte. Der Bundesrechnungshof stellte immer wieder fest, dass Straßenbauämter – insbesondere der neuen Länder – Sperrungen von Bundesfernstraßen zum Anlass nehmen, die Umleitungsstrecken mit Mitteln des Bundes auszubauen. Teilweise werden baufällige Straßen grundhaft ausgebaut. Dem Bund entstehen dadurch erhebliche vermeidbare Ausgaben,62 die die Länderhaushalte auf Kosten des Bundes entlasten, während der Bund selbst andere dringende Projekte zurückstellen muss. 3.2.6 Kostenteilung bei Straßenkreuzungsmaßnahmen Für Kreuzungen von Bundesfernstraßen mit anderen öffentlichen Straßen gelten die Bestimmungen des Bundesfernstraßengesetzes. § 12 FStrG regelt die Kostentragung der Kreuzungsbeteiligten bei der Herstellung, der Änderung und der Ergänzung von Kreuzungen. Der Bundesrechnungshof stellte immer wieder fest, dass Straßenbauämter die Vorschriften unzutreffend zum Nachteil des Bundes auslegten und die Kosten zwischen den beteiligten Straßenbaulastträgern falsch aufgeteilt hatten.63 Der Bundesrechnungshof erkannte drei typische Fallgruppen, bei denen die Vorschriften häufig fehlerhaft ausgelegt werden: • Bei der Änderung vorhandener Kreuzungen sollte der Bund die gesamten Kosten der jeweiligen Maßnahme tragen, obwohl sie nach FStrG zu teilen waren. Zum Teil sahen die Straßenbauämter eine Kostenteilung deshalb nicht vor, weil sie Vorhaben als Unterhaltungsmaßnahmen ansahen. • Die Straßenbauämter legten der Kostenteilung einen falschen Schlüssel zugrunde. So setzten sie bei der Berechnung des Teilungsschlüssels unzutreffende Fahrbahnbreiten an oder klammerten Fahrbahnbestandteile wie Rad- und Gehwege aus. • Der Kostenteilung lag eine zu geringe oder zu hohe Kostenmasse zugrunde. Ursache war, dass die Straßenbauverwaltungen die Bestimmungen zur Kostenmasse 62 63 Siehe auch die Bemerkung des Bundesrechnungshofes Nr. 36 aus dem Jahr 1998 (BT-Drs. 14/29 vom 23. November 1998). Siehe auch die Bemerkung des Bundesrechnungshofes Nr. 37 aus dem Jahr 2001 (BT-Drs. 14/7018 vom 15. Oktober 2001). 33 unterschiedlich anwandten. So legten sie unzutreffende räumliche Abmessungen der Kreuzungsanlage fest oder rechneten Aufwendungen für wesentliche Bestandteile der Kreuzungsanlage, vor allem für die durchgehenden Fahrstreifen, nicht der Kostenmasse zu. 3.2.7 Verwaltungskosten und Zweckausgaben Nach Art. 104a Abs. 5 GG tragen die Länder die bei ihnen im Zuge der Auftragsverwaltung entstehenden Verwaltungskosten, die Zweckausgaben trägt der Bund. Für die Zweckausgaben, die durch die Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht entstehen, zahlt der Bund unverändert seit dem Jahr 1971 eine Pauschale von 3 % der Baukosten (s. Anlage).64 Die Länder halten die Pauschale inzwischen nicht mehr für auskömmlich, da insbesondere der Aufwand für die Entwurfsbearbeitung u. a. durch zusätzliche Untersuchungen z.B. im Umweltbereich stark gestiegen sei.65 Der Bundesrechnungshof hat keine eigenen Erkenntnisse über die Kosten der Länder für die Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht, da er keine Prüfungsrechte in diesem Bereich hat. Ein Landesrechnungshof hat berechnet, dass die Kosten für die Bauplanung und Bauüberwachung von Bundesfern-, Landes- und Kreisstraßen rund 20 % der Gesamtherstellungskosten betragen.66 Ein gemeinsames Vorgehen der Länder zur förmlichen Erhöhung der Pauschale ist zurzeit nicht absehbar. Wegen der begrenzten Haushaltsmittel des Bundes wäre zudem davon auszugehen, dass der Bund die Mittel für den Fernstraßenbauhaushalt nicht erhöht. Eine höhere Pauschale für die Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht würde mithin zu einer Verringerung der Mittel für den eigentlichen Fernstraßenbau führen.67 3.3 Systembedingte Schwächen der Auftragsverwaltung Die dargestellten Probleme beim Bundesfernstraßenbau lassen sich auf die besondere Konstruktion der Auftragsverwaltung zurückführen. Bund und Länder verhalten sich hier wie in einem typischen Auftraggeber-/Auftragnehmerverhältnis im Sinne der Agenturtheorie (vgl. Nr. 3.1), so dass auch hier die in der Agenturtheorie empirisch festgestellten Mängel zu erwarten waren. 64 65 66 67 § 6 Abs. 3 BStrVermG, Fn. 37. Poxleitner, Josef/Geyer, Gerhard, Fn. 52, S. 30 (S. 27 bis 34). Rechnungshof Baden-Württemberg, Denkschrift 2003 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Landeshaushaltsrechnung 2001, S. 88. Poxleitner, Josef/Geyer, Gerhard, Fn. 52, S. 30 (S. 27 bis 34). 34 Im Rahmen der Planung und Ausführung soll die Straßenbauverwaltung als Teil der Landesverwaltung sowohl die Interessen des Bundes als auch des Landes wahren. So schließt die Straßenbauverwaltung beispielsweise eine Vielzahl von Verträgen und Vereinbarungen (z. B. Gemeinschaftsmaßnahmen im Zuge von Ortsdurchfahrten, Kostenteilung bei Kreuzungsmaßnahmen, Abstufungsvereinbarungen). Dabei ist sie berechtigt, sowohl für den Bund als auch für das Land zu handeln und den Vertrag für beide rechtsgültig zu unterzeichnen. Der Bund nimmt dementsprechend bei diesen Verträgen und Vereinbarungen seine Interessen nicht selbst als Verhandlungspartner wahr, sondern ist nur mittelbar durch die Landesverwaltungen vertreten. Durch Bundesfernstraßenbau oder -änderung ausgelöste Maßnahmen lasten Länder häufig ungerechtfertigt dem Bund an, teilweise einschließlich der Folgekosten an Landes- und Kreisstraßen. Da die Länder die Haushaltsmittel des Bundes unmittelbar bewirtschaften, belasten sie die Bundeskasse direkt mit den von ihnen selbst in den Vereinbarungen festgelegten Kostenanteilen des Bundes, ohne dass dieser die – von Genehmigungsvorbehalten und Einzelfällen abgesehen – aus seiner Sicht zutreffende Auslegung der Gesetze prüfen kann. Das Bundesministerium verfügt über kein geeignetes Kontrollsystem, das ihm ermöglicht, die Interessen des Bundes bei einzelnen Baumaßnahmen zu wahren. Wie in Nr. 3.1 zur Agenturtheorie bereits dargestellt, nutzt der Auftragnehmer seinen Informationsvorsprung für die Erfüllung eigener Interessen. Dabei begünstigen ihn unzureichende Kontroll- und Informationssysteme. Führt z. B. die Straßenbauverwaltung eine Straßenbaumaßnahme nach der Vorlage beim Bundesministerium anders aus als geplant, erhält das Bundesministerium nur dann Kenntnis davon, wenn dies die Straßenbauverwaltung von sich aus mitteilt. Das Bundesministerium ist insofern gegenwärtig auf die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes „vor Ort“ zur Aufdeckung von Mängeln angewiesen: „der Bundesrechnungshof als Auge und Ohr der Rechts- und Fachaufsicht des Bundes“.68 Die weitgehende Verlagerung von Kompetenzen auf die Auftragsverwaltungen mit ihren Eigeninteressen ohne geeignete Kontrollsysteme führt nach der Agenturtheorie zwangsläufig dazu, dass den Eigeninteressen des weitgehend frei agierenden Auftragnehmers Vorrang vor den Interessen des Auftraggebers eingeräumt werden. 68 Rinke, Siegfried, Fn. 44, S. 26 (S. 18 bis 26). 35 Aufgabe der Straßenbauverwaltung ist es, im Rahmen der Planung und Ausführung von Straßenbaumaßnahmen die widerstreitenden Interessen abzuwägen. Dabei muss sie gleichzeitig die Bundes- und Landesinteressen wahren. Die Landesinteressen sind nicht losgelöst von denen der Kommunen und Landkreise, die – z. B. über die Bürgermeister, Landräte und Abgeordneten der Länderparlamente – einen deutlichen Einfluss über die Landesverwaltung auf die Straßenbauverwaltung ausüben. Für die Planung und Ausführung der Baumaßnahmen ist die Straßenbauverwaltung an die Vorschriften des Bundes gebunden. Sie hat bei der Umsetzung jedoch einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Darüber hinaus legt sie die Vorschriften bei der Anwendung aus. Bei den komplexen Planungsprozessen mit den vielfältigen Interessen können die Vorschriften nur einen groben Rahmen vorgeben. Den Abwägungsprozess selbst muss die Straßenbauverwaltung vornehmen. Es ist dabei ihre Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen zu gewichten. Die Interessen des Bundes an einer wirtschaftlichen und kostengünstigen Führung des weiträumigen Verkehrs sind dabei teilweise mit Eingriffen in die Grundrechte (z. B. Enteignung für Straßenbauzwecke) oder andere Schutzgüter mit Verfassungsrang (insbesondere der Umweltschutz) und den Eigeninteressen des Landes69 und der Kommunen (insbesondere Wirtschafts- und Tourismusförderung, Landesentwicklung, Raumordnung und Städtebau) abzuwägen, was wiederum ihren Informationsvorsprung fördert: „Die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Plandurchsetzung haben jedoch den Effekt, dass die Verhandlungsposition der Länder gegenüber dem Bund wegen ihres überlegenen Informationszuganges und ihrer besseren Problemkenntnis weiter gestärkt wird.“ 70 Weiterhin sind das Selbstverständnis und die dienstrechtliche Einbindung der Bediensteten in die Straßenbauverwaltung zu berücksichtigen. Systemtheoretisch ist ihre Funktion auf die Mitgliedschaftsrolle in der Landesverwaltung und nicht des Bundes bezogen. Diese Rollenfunktion legt den Orientierungsrahmen fest, in dem sich die Bediensteten bewegen. Sie wissen, was von ihnen erwartet wird, was nicht erwünscht ist und was dem persönlichen Fortkommen dient.71 Dieser informelle Rahmen legt den Landesbediensteten nahe, in erster Linie die Landes- und Kommu69 70 71 Siehe hierzu auch Garlichs, Dietrich, Fn. 15, S. 110 und 111. Garlichs, Dietrich, Fn. 15, S. 112 und 113. Siehe hierzu Luhmann, Niklas: Funktionen und Folgen formaler Organisationen, 3. Auflage, Berlin 1976, S. 93. 36 nalinteressen zu wahren, um die an sie gestellte Erwartungshaltung als Landesbedienstete zu erfüllen: „Der Landes- oder Provinzialbeamte hält sich selbstverständlich in erster Linie an das, was ihm als Landes- oder Provinzialinteresse vorgeschrieben ist oder vorschwebt. Auch im Hinblick auf seine Stellung und sein berufliches Fortkommen wird er immer dazu neigen, in erster Linie den Wünschen des Landes oder der Provinz Rechnung zu tragen.“72 Diese Interessenabwägung wird – soweit rechtlich vorgesehen – durch die unabhängige Planfeststellungsbehörde geprüft. Die Planfeststellungsbehörden im Straßenbau sind in der Regel bei den Regierungspräsidien oder den Landesverwaltungen angebunden. Es sind wiederum Bedienstete der Landes- oder Kommunalverwaltung, die prüfen, ob die Straßenbauverwaltung als Träger des Vorhabens die widerstreitenden Interessen sachgerecht abgewogen hat. Dass bei einem unzureichenden Informationsund Kontrollsystem durch den Bund von einer eigeninteressierten Auslegung von Vorschriften sowie Gestaltung von Verträgen auszugehen ist, zeigen die Erkenntnisse der Agenturtheorie. Die gemeinsamen Interessen von Bund und Ländern im Bundesfernstraßenbau werden dabei von den spezifischen Interessen der Länder bzw. der jeweiligen Straßenbauverwaltung überlagert, unabhängig davon, ob diese Ziele der Bundesfernstraßenplanung entsprechen oder nicht.73 In einem Beitrag zur Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau wird deshalb ausgeführt: „Die Auftragsverwaltung ist wegen der Aufteilung der Finanzierungszuständigkeiten (Bund) und der Verwaltungszuständigkeiten (Länder) insbesondere politisch konfliktträchtig. ‚Es gibt nichts Schöneres, als auf fremde Rechnung vor Ort Politik zu machen.’ “ 74 4 Lösungsmöglichkeiten Um die aufgezeigten Probleme der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen zu lösen, gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, die bestehende Auftragsverwaltung beizubehalten und in Teilbereichen zu verändern. Eine andere Variante ist die Abkehr vom Modell der Auftragsverwaltung. Hierfür gäbe es zwei gegensätzliche organisatorische Modelle: 72 73 74 Seebohm, Hans Christoph, Fn. 12, S. 336. Garlichs, Dietrich, Fn. 15, S. 109. Rinke, Siegfried, Fn. 44, S. 26 (S. 18 bis 26). 37 • Der Bund verwaltet alle Bundesfernstraßen mit einem eigenen organisatorischen Unterbau.75 • Der Bund überträgt alle Bundesfernstraßen auf die Länder. Auch Mischformen in unterschiedlicher Ausprägung der Kompetenz- und Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern sind möglich. 4.1 Systemkonforme Weiterentwicklung der Auftragsverwaltung Grundsätzlich ist vorstellbar, die Auftragsverwaltung systemkonform weiter zu entwickeln, insbesondere indem das gegenwärtige Kontrollsystem geändert wird. Ziel des Bundes wäre dabei, seinen Verfassungsauftrag (insbesondere Fernverkehrsfunktion der Bundesfernstraßen, Netzzusammenhang, wirtschaftlicher Mitteleinsatz) gegenüber den Ländern und deren lokalen Interessenschwerpunkten stärker durchzusetzen. Das Bundesministerium müsste dann einerseits sein Weisungsrecht erheblich stärker ausüben, als dies zurzeit geschieht, und andererseits seine Kontrollen erheblich intensivieren. Beispielsweise könnte es alle Maßnahmen unabhängig von der Vorlagegrenze prüfen, um einen flächendeckenden Kontrolldruck zu erzeugen. Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme den Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung und Verbesserung des bestehenden Systems der Auftragsverwaltung gelegt. Der Bundesbeauftragte steht einer systemkonformen Verbesserung kritisch gegenüber. Mit dem gegenwärtigen Personalbestand ist eine höhere Kontrolldichte selbst bei Stichproben nicht möglich. Eine Verbesserung des Informations- und Kontrollsystems würde zwangsläufig zu einer nicht gewünschten Zunahme des Verwaltungspersonals führen. Darüber hinaus müssten notwendigerweise weitere Verfahrensvorschriften zu einem genaueren Informations- und Kontrollverfahren entwickelt werden. Dies würde insgesamt zu einer deutlichen Bürokratisierung mit verlängerten Verfahrenszeiten führen. Aus der Agenturtheorie wird zudem deutlich, dass selbst mit einem geänderten Informations- und Kontrollsystem wesentliche Probleme der Auftragsverwaltung nicht gelöst werden können. Die Länder verfügen weiterhin über 75 Nach Art. 90 Abs. 3 GG können die Länder beantragen, dass der Bund die Bundesfernstraßen in dem Gebiet des jeweiligen Landes in bundeseigene Verwaltung übernimmt. Bund und Länder haben von dieser Möglichkeit bisher nur bei der Einziehung der Konzessionsabgaben für Nebenbetriebe Gebrauch gemacht. 38 ein faktisches Informationsmonopol, und sie entscheiden, welche Informationen an das Bundesministerium weiter geleitet werden. Um den notwendigen Gestaltungsspielraum bei den hochkomplexen Planungsverfahren aufrecht zu erhalten, müssten die Vorschriften weiterhin unpräzise und unvollständig bleiben. Damit bestehen nach wie vor Möglichkeiten zum eigeninteressierten Handeln und Auslegen durch die Länder. Sanktionsmöglichkeiten, die über die auch nur eingeschränkt mögliche Rückforderung nicht regelgerecht verwendeter Gelder hinaus reichen, sind zwischen Bund und Ländern nicht gegeben. Die härteste Sanktion, die Kündigung der Auftragsverwaltung durch den Bund, – wie dies grundsätzlich bei der vertragsgebundenen Hochbauverwaltung der Länder für den Bund denkbar ist – ist im Bereich der Bundesfernstraßen erschwert, da die Auftragverwaltung verfassungsrechtlich vorgegeben ist. 4.2 Lösungsmodelle ohne Auftragsverwaltung Eine bundeseigene Verwaltung aller Bundesfernstraßen wurde bereits in den Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland erwogen, jedoch nicht verwirklicht (s. Nr. 2.1.2). Eine entgegengesetzte Möglichkeit, die systemimmanenten Probleme der Auftragsverwaltung für den Bundesfernstraßenbau zu lösen, wäre die Aufgabe der Bundeszuständigkeit für die Fernstraßen, d. h. die Übertragung aller Bundesfernstraßen an die Länder. Der Bund kann jedoch kein Interesse an einer vollständigen Übertragung der Bundesfernstraßen auf die Länder haben. Er verlöre nicht nur deutlich an Einfluss, sondern es bestünde die Gefahr, dass die wichtigen Aufgaben der Sicherung und Entwicklung des bundesländerübergreifenden Fernverkehrs und die Abstimmung der Fernverkehrsverbindungen im europäischen Straßennetz nicht mehr ausreichend im Interesse des Gesamtstaates erfüllt würden. 4.3 Mischformen bei der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern Neben diesen extremen Modellen sind vielfältige Mischmodelle vorstellbar, die in unterschiedlicher Art und Weise eine Aufgabenteilung zwischen den Gebietskörperschaften Bund und Ländern regeln und entsprechend der Ausgestaltung bestimmte Vor- und Nachteile aufweisen. In der Tabelle 3 auf Seite 39 sind einige Mischformen tabellarisch dargestellt. Eine weitere Mischform wird im folgenden Abschnitt am Beispiel der Reform der Auftragsverwaltung in Österreich näher erläutert. 39 Mischformen Bundesautobahnen Eigentum Auftragsverwaltung bleibt wie bisher bestehen bei reduziertem überörtlichen Bundesstraßennetz Bund beschränkt sich auf Bundesautobahnen und wichtige Bundesstraßen in Bundesverwaltung Bund beschränkt sich auf Bundesautobahnen und wichtige Bundesstraßen in Auftragsverwaltung – Länder verwalten übrige Bundesstraßen mit zweckgebundenen Finanzen Bund Bund Bund Bundesstraßen Verwaltung Eigentum Verwaltung Länder überwiegend Bund – regionale Bundesstraßen Länder Bund überwiegend überwiegend Länder – wichtige Länder – wichBundesstraßen tige BundesBund straßen Bund Länder Überwiegend Länder mit zweckgebundenen Finanzen – wichtige Bundesstraßen Bund Länder Verwaltungsaufwand Kurzbewertung weitgehend wie bisher ª Problem der Abgrenzung überregionaler Bundesstraßen ª „regionale“ Bundesstraßen Länderaufgabe ª Probleme Auftragsverwaltung bleiben bestehen eher geringer als bisher ª Problem der Abgrenzung wichtiger Bundesstraßen ª „regionale“ Bundesstraßen Länderaufgabe ª Probleme Auftragsverwaltung weitgehend erledigt Länder weitgehend wie bisher ª Problem der Abgrenzung wichtiger Bundesstraßen ª Probleme Auftragsverwaltung bleiben bestehen ª Bund muss zweckentsprechende Finanzverwendung durch die Länder kontrollieren Länder weitgehend wie bisher ª Problem der Abgrenzung wichtiger Bundesstraßen ª Probleme Auftragsverwaltung bleiben bestehen Bund beschränkt sich auf Bundesautobahnen und wichtige Bundesstraßen in Auftragsverwaltung Bund Länder Überwiegend Länder – wichtige Bundesstraßen Bund Bund beschränkt sich auf Bundesautobahnen in Auftragsverwaltung – Bundesstraßen sind Länderangelegenheit Bund Länder Länder Länder geringer als bisher ª klare Abgrenzung der Straßennetze ª Probleme der Auftragsverwaltung auf Bundesautobahnen reduziert Bund beschränkt sich auf Bundesautobahnen in eigener Verwaltung – Bundesstraßen sind Länderangelegenheit Bund Bund Länder Länder geringer als bisher ª klare Abgrenzung der Straßennetze ª Probleme Auftragsverwaltung erledigt Tabelle 3: Mögliche Mischformen der Verwaltung der Bundesfernstraßen 40 4.4 Mischform am Beispiel Österreich Die Republik Österreich ist von den föderalen Strukturen her ähnlich angelegt wie die Bundesrepublik Deutschland, auch im Straßenwesen. Daher sind die Probleme zwischen Bund und Ländern ähnlich gelagert wie in Deutschland. Grundsätzliche Kritik an der Auftragsverwaltung vor dem Jahre 2002 ist im Generalverkehrsplan Österreich 2002 nachzulesen, die ähnlich auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar ist: „Die Länder suchen beim Bund mit unterschiedlichen Begründungen um Projekte an; der Bund ´gewährt oder versagt` die Wünsche oder Forderungen. Diese Vorgangsweise hat keine effiziente Verkehrsinfrastruktur hervorgebracht: Oft wurden Bundesmittel nach dem Gießkannenprinzip und ohne Rücksicht auf übergeordnete Aspekte regional verteilt – für die hochrangigen Netze blieben dadurch zu wenig Mittel übrig.“76 Der Österreich-Konvent – eine Institution wie die Bundesstaatskommission in Deutschland – war dazu aufgerufen, Vorschläge für tief greifende Reformen zu unterbreiten. Ein Ergebnis war die Neuordnung der Verwaltung der Bundesstraßen Österreichs, der bereits eine über zehnjährige Diskussion im Rahmen der „Bundesstaatsreform“ vorangegangen war. Seit dem Jahr 1989 scheiterten mehrere Versuche zur „Verländerung“ der Bundesstraßen, im Wesentlichen jedoch nicht am Grundsätzlichen, sondern an der Höhe der Ausgleichszahlungen des Bundes an die Länder. Am 1. April 2002 gingen gesetzliche Befugnisse und Eigentum „nachrangiger“ Bundesstraßen entschädigungslos an die Länder. Hierzu beschloss der Nationalrat das „Bundesstraßen-Übertragungsgesetz“ mit mehreren Artikeln, dem der Bundesrat später zustimmte:77 • Das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen überträgt die Bundesautobahnen und Schnellstraßen an die bereits bestehende Bundes-Gesellschaft ASFINAG78 und die übrigen Bundesstraßen an die Länder („Verländerung“ der Bundesstraßen). • Die Änderung des Zweckzuschussgesetzes 2001 gewährt den Ländern einen zweckgebundenen Zuschuss für die Finanzierung der bisherigen Bundesstraßen, vorerst bis zum Jahr 2008. 76 77 78 Generalverkehrsplan Österreich 2002, Nr. 5 „Strategie und Leitkriterien“, S. 18. 50. Bundesgesetz, Bundesstraßen-Übertragungsgesetz, BGBl. I Nr. 50/2002 für die Republik Österreich, S. 265. Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft. 41 Die Motive für den Bund waren im Wesentlichen:79 • Beschränkung auf das „Kerngeschäft“, die im Generalverkehrsplan Österreich 2002 definierten Hauptverkehrs-Korridore; • Abbau von „Doppelzuständigkeiten“ im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und in den Ämtern der Landesregierungen; • Unmittelbarer, monetär kaum bezifferbarer Nutzen für den Bürger durch Entfallen langwieriger Verfahrensabläufe zwischen Bund und Ländern; • Wegfall finanzausgleichsrechtlicher Ersatzregeln (z. B. Verwaltungskostenpauschale), die aufgrund von fixen Prozentregeln „gerade keinerlei Anreiz zu sparsamer Verwaltung“ mit sich bringen; • Verringerung des Verwaltungsaufwandes; • „Reibungskosten“ bei Schnittstellen, z. B. im Kreuzungsrecht und bei Ortsdurchfahrten, entfallen oder sind deutlich reduziert; • Beträchtliche Einsparungseffekte, auch im Personalbereich des Bundes, ohne dass die Länder Personal gleichen Umfangs aufstocken müssten; • Zügigere Planungen mit schnelleren Entscheidungen; • Beschleunigte Genehmigungsverfahren; • Vereinfachte Abstimmungs- und Instanzenwege. Daneben ergaben sich weitere Vorteile für die Länder, von denen die Initiative zur „Verländerung“ der Bundesstraßen im Wesentlichen ausging: • Stärkung der föderalen Eigenständigkeit; • Prioritätenreihung der Straßenbauvorhaben in eigener Zuständigkeit bei gleich bleibendem Finanzvolumen; • Regelung der Vorhaben auf Landesebene; • Klare Zuständigkeiten; • Erhöhte Flexibilität; • Zügigere Planungen und Realisierungen. 79 Div. Quellen, u.a. Bundeskanzleramt der Republik Österreich: Bericht der Aufgabenreformkommission 31. März 2001, Nr. 8.2, S. 84; Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie: Generalverkehrsplan Österreich 2002; Hauenschild, Harwig: Übertragung der ehemaligen Bundesstraßen B auf die Länder, Zeitschrift für Verkehrsrecht (ZVR) Nr. 12, 2003/107, S. 380 bis 393. 42 Erfahrungen: Untersuchungen zu den Auswirkungen der „Verländerungen“ gibt es derzeit nicht. Kritik übte die Österreichische Arbeitskammer an den Zweckzuwendungen, da den Ländern durchschnittlich jährlich 100 Mio. Euro mehr als bisher für den Straßenbau zuflössen, denen lediglich 60 Mio. Euro Einsparungen durch die Reform gegenüber stünden. Andere Kritiker bemängelten, dass die derzeitige Lösung ohne ausreichende Vorbereitung, Netzuntersuchungen und mit einer wenig durchgeplanten Verwaltungsreform beschlossen worden sei. Grundsätzliche Kritik am Prinzip der „Verländerung“ wurde bisher jedoch nicht geübt. Eine insgesamt positive Bilanz zog im Juli 2004 ein Staatssekretär der Bundesregierung.80 Weitere positive Erfahrungen liegen aus einigen Bundesländern vor. Die Verländerung habe • eine bisher einmalige Straßenbaustruktur-Offensive beschert, • für klare Zuständigkeiten und erhöhte Transparenz gesorgt, • die Voraussetzungen geschaffen, bei Genehmigungsverfahren 50 % Zeit einzusparen. 80 Staatssekretär Kukacka in einer Veröffentlichung der ÖVP Bundespartei am 2. Juli 2004 (http://www.ihs.ac.at/publications/lib/ots_01442004.pdf). 43 5 Vorschlag des Bundesbeauftragten Der Bundesbeauftragte schlägt vor: • Der Bund beschränkt sich auf die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen mit eigener Verwaltung. • Die Länder übernehmen Eigentum und Verwaltung der bisherigen Bundesstraßen mit einem Finanzausgleich für die neuen Lasten. Für den Vorschlag sind folgende Faktoren maßgebend: Stärkung des Föderalismus durch Beschränkung des Bundes auf sein Kerngeschäft Diese Aufgabenzuordnung entspricht dem föderativen Geist des Grundgesetzes. Die Kompetenzen des Bundes beschränken sich damit auf das Straßennetz, das für die Verbindungsfunktion mit dem europäischen Ausland und bundesländerübergreifend von Bedeutung ist. Ein überregionales Straßennetz, das nationale und internationale Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat, ist in einer hierarchischen Entscheidungsstruktur leichter zu planen und zu bauen als auf dem Wege einer reinen Selbstkoordination von Bundesländern.81 Für alle übrigen Straßen sind die Länder zuständig, in deren Aufgabenbereich alle Straßen gehören, denen überwiegend eine regionale Bedeutung zukommt. Änderung im Zuge der in der Bundesstaatskommission diskutierten Neuordnung Für die Umsetzung dieses Modells ist eine Änderung des Art. 90 Grundgesetz erforderlich. Darüber hinaus muss eine Reihe von Gesetzen und weiteren Vorschriften entsprechend angepasst werden. Auch muss geregelt werden, wie die die Bundesstraßen betreffende EU-Gesetzgebung in den Ländern umgesetzt wird. Eine derartig tief greifende Änderung der Verwaltung bedarf eines übereinstimmenden Willens von Bund und Ländern. Der Bundesbeauftragte sieht in deren gemein81 Vgl. Garlichs, Dietrich, Fn. 15, S. 114 bis 115 und Wolst, Dieter, Fn. 13, S. 131. 44 samen Willen zu einer grundlegenden Neuordnung ihrer Finanz- und sonstigen Beziehungen, wie er in der Einsetzung der Bundesstaatskommission zum Ausdruck kommt, eine herausragende Chance, auch die Verwaltung der Bundesfernstraßen zum gemeinsamen Vorteil von Bund und Ländern zu verbessern. Klare Definition der Bundesautobahn als alleinige Fernstraße im Sinne des Grundgesetzes Die Abgrenzung zwischen Bundesautobahnen als Bundesaufgabe und Bundesstraßen als Landesaufgabe ermöglicht eine sachgerechte Zuordnung zu den unterschiedlichen Straßenkategorien. Bundesautobahnen sind im Fernstraßengesetz definiert und es gelten besondere straßenverkehrsrechtliche Vorschriften,82 die eine eindeutige Abgrenzung gegenüber Bundesstraßen ermöglichen. Dadurch wird – entgegen dem österreichischen Modell – vermieden, dass immer wieder Verhandlungen darüber aufgenommen werden müssen, ob die eine oder andere „wichtige“ Bundesstraße nicht auch eine Fernverkehrsfunktion erfüllt. Da es sich bei dem vorgeschlagenen Modell um eine neue Definition der Bundesaufgaben im Grundgesetz handelt, ist es unerheblich, ob einige Bundesautobahnen eine eher regionale Bedeutung haben und einige Bundesstraßen weiterhin eine Fernverkehrsfunktion erfüllen. Dem Bund bleibt die Möglichkeit, wichtige Straßen, z. B. Bundesstraßen, die als Europastraßen eingestuft sind, zu einer Bundesautobahn auszubauen oder entsprechend zu widmen. Dadurch bleibt aber die eindeutige Abgrenzung zwischen Bundes- und Landesaufgaben erhalten. Bürokratieabbau, Effizienzsteigerung und mehr Transparenz Die Länder verfügen über die entsprechenden Verwaltungsstrukturen für den Straßenbau, da sie die Bundesstraßen bisher bereits im Auftrage des Bundes verwalten. Sie erhalten einige zusätzliche Aufgaben (z. B. Verkehrszählung, Verwaltungsvorschriften), die bisher der Bund auch für die Bundesstraßen erledigt hat. Zwar muss der Bund eine neue Bundesautobahnverwaltung aufbauen. Da die jetzt 16 Landesstraßenbauverwaltungen in gleichem Umfang von diesen Aufgaben entlastet werden, erwartet der Bundesbeauftragte, dass diese Aufgabenverlagerung gesamtwirtschaftlich zu Einsparungen führt. Auch die Erfahrungen aus Österreich zeigen, dass die Länder Personal einsparen können, ohne dass der Bund Personal im gleichen 82 Insbesondere § 18 Straßenverkehrsordnung. 45 Umfang aufstocken müsste. Prioritätensetzung im Bundesautobahnbau ohne Länderquoten Der Bund kann Bundesautobahnen verstärkt unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten (Nutzen-Kosten-Verhältnis) ohne Berücksichtigung stringenter Länderquoten bauen und betreiben und damit stärkere eigene verkehrspolitische Schwerpunkte setzen. Dabei bleiben weiterhin Abstimmungen mit den Ländern bezüglich der Netzverknüpfung und -ergänzung unabdingbar. Um dem grundgesetzlichen Gedanken zu genügen, für gleichwertige Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zu sorgen, kann der Bund auch mit Autobahnneubau oder -ausbau benachteiligte Regionen fördern. Zusammenführung von Finanz- und Aufgabenverantwortung zügigere Planung, schnellere Genehmigung Reduzierung der Verwaltungsinstanzen in den Planungsverfahren Ein wesentlicher Vorteil liegt bei einer klaren Zuordnung von Aufgabe, Verantwortung und Kompetenz, der zu einer Straffung der hoch bürokratischen Strukturen, zu einer Effizienzsteigerung der Finanzmittel und zu einer Verbesserung der Transparenz führt. Für die Maßnahmen an den Bundesstraßen entfällt der Bund als Beteiligter und zusätzliche Verwaltungsebene. Dies betrifft insbesondere das Raumordnungsverfahren sowie die Prüfung von Vorentwürfen. Für Maßnahmen an den Bundesautobahnen entfällt das Landesministerium als zusätzliche Verwaltungsebene. Dies verkürzt die Anzahl der beteiligten Verwaltungsinstanzen und Verfahrensabläufe. Nachteilig kann sich auswirken, dass die Länder bei länderübergreifenden Straßenbaumaßnahmen unterschiedliche Prioritäten setzen und diese Abstimmungsprozesse ohne den Bund als Geldgeber schwieriger und langwieriger sein können. Allerdings sichert der Bund durch den Bundesautobahnbau die Fernverkehrsaufgaben; die Länder müssen sich ohnehin auch heute bei „grenzüberschreitenden“ Landesstraßen abstimmen.83 83 Wolst, Dieter, Fn. 13, S. 133 „Schon bei den ländereigenen Staatsstraßen bewahrheitete sich die Befürchtung nicht, die zuständige Landesverwaltung schenke einem solchen Streckenabschnitt nicht die erforderliche Aufmerksamkeit. Dies mag … seinen Grund in der guten Zusammenarbeit der Länderverwaltungen finden, die gerade im Straßenwesen vielfältig aufeinander angewiesen sind.“ 46 Auf- und Abstufungen entfallen weitgehend Die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern beim Auf- und Abstufen von Bundesstraßen, die sich in erster Linie auf die Frage der Finanzaufteilung reduzieren lassen (siehe Nr. 3.2.2), entfallen. Die Länder finanzieren die derzeitigen Bundesstraßen selbst. Sie müssten ggf. mit den Kreisen und Gemeinden über eine sachgerechte Einstufung der Straßen verhandeln. Bundesautobahnen werden in der Regel nicht abgestuft. Damit würden sich Umstufungen zwischen Bund und Ländern auf wenige zu Bundesautobahnen aufzustufende Straßen beschränken. Stärkung der Landes- und Kommunalinteressen beim Bau von Ortsumgehungen Der Bau von Ortsumgehungen, der überwiegend eher regionalpolitisch von Bedeutung ist84 und den größten Teil der Neubaumaßnahmen im Zuge von Bundesstraßen ausmacht, wird alleinige Aufgabe der Länder. Die Länder haben dann die Möglichkeit, im Rahmen eigener Wirtschaftlichkeitsabwägungen auch Ortsumgehungen im Zuge von Landesstraßen zu bauen. Die ohnehin dominanten landes- und kommunalpolitischen Interessen werden weiter gestärkt, da der Bund keinen Einfluss mehr hat. Ausbau von Ortsdurchfahrten orientiert sich an verkehrlichen Erfordernissen Für die Länder und Kommunen wird auch der Druck bei dem Bau von Ortsumgehungen entfallen, auf Kosten des Bundes die Ortsdurchfahrt auszubauen (siehe Nr. 3.2.4). Der Ausbau von Ortsdurchfahrten wird sich stärker an verkehrlichen, landesoder kommunalpolitischen Prioritäten orientieren. Die Länder können ihre straßenbaulichen Maßnahmen nach den jeweiligen Notwendigkeiten reihen. Soweit die Ortsdurchfahrten zu Kreis- oder Kommunalstraßen abgestuft werden, verhandelt das jeweilige Land im eigenen Interesse mit den Gebietskörperschaften über die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen. Baumaßnahmen an Umleitungsstrecken für den Bund reduzieren sich auf Ausnahmen Unterschiedliche Auffassungen zwischen Bund und Ländern, in welchem Umfang 84 Heinrichs, Eckhart/Schneewulf, Rainer/Stein, Axel, Fn. 55, S. 318 ff. 47 umleitungsbedingte bauliche Maßnahmen vom Bund zu tragen sind, verlieren an Bedeutung. Diese Maßnahmen reduzieren sich auf Umleitungen im Zuge von Vollsperrungen auf Bundesautobahnen. Vollsperrungen sind ohnehin Ausnahmen, da bei Baumaßnahmen an Autobahnen die (Teil-)Sperrung einer Fahrbahn die Regel ist und der Verkehr über die andere Fahrbahn geführt wird. Für die Umleitungsmaßnahmen an bisherigen Bundesstraßen können die Länder besser als bisher entscheiden, ob mit vorhandenen Landesmitteln zunächst andere Straßen ausgebaut werden, die als Umleitungsstrecke genutzt werden sollen. Kostenteilungen bei Kreuzungen zwischen Bund und Ländern verringern sich deutlich Kostenteilungen bei Kreuzungsmaßnahmen mit anderen Straßenbaulastträgern beschränken sich für den Bund auf Kreuzungsmaßnahmen an Bundesautobahnen, da die bisherigen vielfältigen Kostenteilungen im Zuge von Bundesstraßen entfallen, insbesondere im Zuge von neu gebauten Ortsumgehungen. Das aufwendige und fehlerträchtige Kostenteilungsverfahren mit den entsprechenden Vereinbarungen entfällt auch bei vielen Kreuzungsmaßnahmen von bisherigen Bundes- mit Landesstraßen, da es nunmehr denselben Baulastträger betrifft. Bei verbleibenden Kostenteilungen zwischen Bund und Land kann erwartet werden, dass sich die Fehler deutlich verringern, da hier zwei gleichrangige Vertragsparteien unabhängig voneinander beim Abschluss der Vereinbarung ihr Fachwissen einbringen. Bund und Länder tragen Kosten für Entwurfsbearbeitung und Bauüberwachung jeweils selbst Zusätzlicher Anreiz zum kostengünstigen Bauen Die Länder haben den Vorteil, dass unnötige Planungen für Maßnahmen, die innerhalb der nächsten Jahre nicht realisierbar sind, entfallen können. Kostenintensive grundlegende Planungsüberarbeitungen können vermieden werden (siehe Nr. 3.2.1). Darüber hinaus entfallen die Auseinandersetzungen über die Verwaltungskostenpauschale (siehe Nr. 3.2.7), da Bund und Land als Baulastträger jeweils die Kosten für die Entwurfsbearbeitung und Bauüberwachung der eigenen Maßnahmen tragen. Für den Bund und das jeweilige Land werden sich Alternativentwürfe für kostengünstigere Lösungen lohnen, wenn die höheren Planungskosten die eigenen Bauausgaben verringern. 48 Entlastung des Bundesministeriums von nichtministeriellen Aufgaben Im Bundesministerium entfallen die wesentlichen bisherigen Aufgaben der Gebietsreferate und viele die Bundesstraßen betreffende Grundsatzaufgaben. Das Bundesministerium kann sich auf die strategischen ministeriellen Aufgaben wie insbesondere Bundesautobahnnetzstruktur, Haushaltsmittel, übergreifende Rechtsfragen usw. konzentrieren. Alle übrigen – nichtministeriellen – Aufgaben sind für die Bundesautobahnen durch eine einzurichtende Bundesautobahnverwaltung als nachgeordnete Organisationseinheit zu erledigen. Diese Organisationseinheit bündelt insbesondere die Aufgaben für Planung, Bau, Betrieb und Unterhalt der Bundesautobahnen. Entsprechend der konsequenten Zusammenfassung von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen muss der Bund auch über eine rechtlich unabhängige Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde verfügen, wie es für die Länder beim Straßenbau in den Landesgesetzen oder für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in § 14 Bundeswasserstraßengesetz geregelt ist. Für bundeslandübergreifende Bundesautobahnprojekte ist eine Abwägung in einem straffen, die Interessen der Länder ausgleichenden Verfahren nur auf Bundesebene möglich. Der Nachteil, dass der Bund im Gegensatz zur Auftragsverwaltung durch die Länder bei dem Interessenausgleich mit Kreisen und Kommunen nicht mehr so eng zusammenarbeiten kann, wird nach Auffassung des Bundesbeauftragten durch die straffere Verwaltungsstruktur mehr als aufgewogen. Zeitgemäße Verwaltungsstrukturen bei der Verwaltung der Bundesautobahnen Für die Verwaltung der Bundesautobahnen kann eine neue Bundesverwaltung oder eine andere geeignete Betriebsform (z. B. Eigenbetrieb oder Kapitalgesellschaft) gegründet werden. Im Rahmen der Aufgabenerledigung kann auch die schon bestehende Absicht, einen Teil der Strecken im Bundesautobahnbau als Betreibermodelle85 zu vergeben, fortgeführt werden. Bei einer Aufgabenerledigung durch eine Kapitalgesellschaft wäre auch denkbar, 85 Im Rahmen von Betreibermodellen werden die wesentlichen Aufgaben – Finanzierung, Bau, Betrieb und Unterhaltung – der Bundesfernstraßen an Private vergeben. Einerseits betreffen diese Betreibermodelle den mehrstreifigen Autobahnausbau (so genanntes A-Modell) oder den Neubau von Bundesautobahnen (so genanntes F-Modell). 49 dass sich der Bund der DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH bedient. Deren vorhandene Struktur, Wissen und Können aus den großen Straßenbaumaßnahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) in den neuen Ländern ließen sich für den künftigen Neu- und Ausbau von Bundesautobahnen nutzen, wie auch das Beispiel der ASFINAG in Österreich nahe legt. Auch für den Betriebsdienst besteht die Möglichkeit, diese Leistungen nicht durch eine Bundesverwaltung selbst erledigen zu lassen. Diese Aufgaben können ausgeschrieben werden. Privatisierte ehemalige Betriebsdienste der Länder könnten sich um diese Leistung bewerben. Der Bundesbeauftragte geht davon aus, dass diese insbesondere dann ein wettbewerbsfähiges Angebot abgeben könnten, wenn Synergieeffekte für den Betriebsdienst zusammen mit den bisherigen Bundes- und Landesstraßen zu erwarten sind. Stärkerer Rechtfertigungsdruck bei Haushaltsmitteln ohne Zweckbindung kann zur Effizienzsteigerung beitragen Nach dem Vorschlag des Bundesbeauftragten stellt die Verwaltung der Bundesstraßen keine Aufgabe des Bundes mehr dar. Der Bund hat das Eigentum an den Bundesstraßen mit einem Brutto-Anlagevermögen im Jahr 1998 von rund 76 Mrd. Euro86 auf die Länder zu übertragen. Aufgrund der erforderlichen Neuordnung der grundgesetzlichen Zuständigkeit geht der Bundesbeauftragte davon aus, dass den Ländern im Rahmen der Aufteilung der Finanzmittel zwischen Bund und Ländern ein entsprechender Ausgleich zusteht, der sich an den für Bau, Betrieb und Unterhaltung erforderlichen Ausgaben des Bundes für die Bundesstraßen (z. B. im Jahr 2002 von rund 2,3 Mrd. Euro87) orientieren könnte. Wird der Ausgleich z. B. in Form eines Anteils an der Mineralölsteuer definiert, könnte eine Zweckbindung der Mittel erwogen werden, wie sie der Bund bei den Einnahmen der LKW-Maut88 für sich vorgesehen hat. Eine Zuweisung von bundesseitig zweckgebundenen Mitteln würde allerdings der durch den Vorschlag 86 87 88 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Wochenbericht 42/01 – Bundesverkehrswege: Neubau auf Kosten der Substanzerhaltung künftig nicht mehr vertretbar, Berlin 2001, S. 7. BMVBW (Hrsg.): Fn. 31, S. 43. § 11 Satz 2 des Gesetzes über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen – ABMG (BGBl I 2002, S. 1234): „Das verbleibende Mautaufkommen wird zusätzlich dem Verkehrshaushalt zugeführt und in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, überwiegend für den Bundesfernstraßenbau verwendet.“ 50 angestrebten Einheit von Finanz- und Aufgabenverantwortung und der klaren Trennung der Einflusssphären von Bund und Ländern zuwiderlaufen. Der Bundesbeauftragte hat daher Zweifel, ob ein derartiger Eingriff des Bundes in künftig originäre Landesaufgaben notwendig ist. Der Bundesrechnungshof hat vielfach in seinen Prüfungen festgestellt, dass insbesondere bei Bundesstraßen zu aufwendig und über das Notwendige hinaus geplant und gebaut wird (vgl. auch Nr. 3.2). Daher kann es aus gesamtstaatlicher Sicht durchaus vorteilhaft sein, dass sich Straßenbaumaßnahmen an Bundesstraßen innerhalb eines Landes künftig stärker legitimieren müssten, wenn die Länder selbstständig entscheiden können, ob sie Finanzmittel für den Straßenbau oder für andere sinnvolle Zwecke im Verkehrsbereich (z. B. Sanierung und Bau von Maßnahmen an derzeitigen Landesstraßen, Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs) oder auch für andere Politikfelder (z. B. direkte Wirtschaftsförderung oder Bildung) einsetzen. Zurzeit kann die Landesstraßenbauverwaltung die hohen Ausbaustandards von Bundesstraßen im Land auch mit dem Argument verteidigen, dass es Bundesmittel seien, die ohnehin nur für Straßenbauzwecke im Auftrag des Bundes verwendet werden dürfen. Anlage Grundlagen der Verwaltung der Bundesfernstraßen 1 Rechtliche Grundlagen für die Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzierung der Bundesfernstraßen 1 Grundgesetz (GG) – Bundesfernstraßengesetz (FStrG) – Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs (BStrVermG) 2 Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern 3 Aufgaben des Bundes – Aufgaben der Länder – Organisation im Bundesministerium – Aufbauorganisation der Länder 3 Bundesverkehrswegeplanung und Finanzierung 4 Der Bundesverkehrswegeplan – Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen – Der Straßenbauplan – Planung einzelner Maßnahmen 1 Rechtliche Grundlagen für die Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzierung der Bundesfernstraßen Grundgesetz (GG) Art. 74 GG [Konkurrierende Gesetzgebung des Bundes, Katalog] (1) Die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt sich auf folgende Gebiete: … den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen … Art. 85 GG [Bundesauftragsverwaltung der Länder] (1) Führen die Länder Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. (2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. Sie kann die einheitliche Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln. Die Leiter der Mittelbehörden sind mit ihrem Einvernehmen zu bestellen. (3) Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der obersten Bundesbehörden. ... Der Vollzug der Weisungen ist durch die obersten Landesbehörden sicherzustellen. (4) Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Die Bundesregierung kann zu diesem Zweck Bericht und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu allen Behörden entsenden. Art. 90 GG [Bundesstraßen] (1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen. (2) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes. 2 (3) Auf Antrag eines Landes kann der Bund Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in bundeseigene Verwaltung übernehmen. Art. 104 a GG [Verteilung der Ausgaben auf Bund und Länder] (1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, ... (2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben. (5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. … Bundesfernstraßengesetz (FStrG) § 1 FStrG [Einteilung der Bundesstraßen des Fernverkehrs] (1) Bundesstraßen des Fernverkehrs (Bundesfernstraßen) sind öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind. … (2) Sie gliedern sich in 1. Bundesautobahnen, 2. Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten. (3) Bundesautobahnen sind Bundesfernstraßen, die nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt … sind, … Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs (BStrVermG) § 1 BStrVermG Die bisherigen Reichsautobahnen sind mit Wirkung vom 24. Mai 1949 als Bundesautobahnen Eigentum des Bundes … § 3 BStrVermG Die bisherigen Reichsstraßen sind mit Wirkung vom 24. Mai 1949 als Bundesstraßen Eigentum des Bundes … § 6 BStrVermG (1) Mit Wirkung vom 1. April 1950 ist der Bund Träger der Straßenbaulast für die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen. (3) Der Bund trägt die Zweckausgaben aus der Wahrnehmung der Straßenbaulast und die Zweckausgaben im Zusammenhang mit der Erhaltung und Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens. Er gilt Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht entstehen, durch die Zahlung einer Pauschale ab, die für Kosten der Entwurfsbearbeitung 2 v. H. der Baukosten, für Kosten der Bauaufsicht 1 v. H. der Baukosten beträgt. 3 2 Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern Aufgaben des Bundes Der Bund ist für die grundsätzlichen, übergeordneten Aufgaben zuständig. Dem Bundesministerium obliegen Bau, Erhaltung, Erweiterung und Verbesserung des Bundesfernstraßennetzes. Die Bundesaufgaben umfassen vor allem die Finanzierung, die Netzgestaltung und die Erstellung der Ausbauprogramme und Verkehrswegepläne. Darüber hinaus übt das Bundesministerium die Rechts- und Fachaufsicht aus und ist für seine Regelwerke verantwortlich. Damit seine Fernstraßen möglichst einheitlich gebaut werden, erlässt der Bund gegenüber den Ländern u. a. verbindliche Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und Allgemeine Rundschreiben (ARS). Einzelfälle regelt er durch Schreiben an die Obersten Straßenbaubehörden der Länder. Darüber hinaus koordinieren mehrere Länderfachausschüsse das Geschehen im Bundesfernstraßenbau. Aufgaben der Länder Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften bauen und verwalten die Bundesfernstraßen im Auftrage des Bundes. „Verwalten“ steht hier für eine Vielzahl von Tätigkeiten wie Planen, planrechtliches Durchsetzen, Vorbereiten des Baus, Bauen, Abrechnen, Betreiben und Unterhalten. Neben der Abwicklung von Straßenbaumaßnahmen betreibt die untere Straßenbaubehörde das Bundesfernstraßennetz, indem sie mit Hilfe ihrer nachgeordneten Meistereien die Bundesfernstraßen unterhält und überwacht. Organisation im Bundesministerium Im Bundesministerium ist eine Abteilung mit Unterabteilungen und nachgeordneten Referaten für den Bundesfernstraßenbau und -verkehr zuständig. Der Abteilung „Straßenbau, Straßenverkehr“ obliegen die Bundesaufgaben für Bau, Erhaltung, Erweiterung und Verbesserung des Netzes der Bundesfernstraßen. Dem Bundesministerium sind keine Behörden für den Straßenbau nachgeordnet. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) berät lediglich in fachlicher Hinsicht. 4 Aufbauorganisation der Länder In den meisten Ländern ist die Straßenbauverwaltung dreistufig aufgebaut: • Oberste Straßenbaubehörde ist das jeweilige Landesministerium. • Als Obere Straßenbaubehörde haben neun Länder jeweils ein Landesamt für Straßenbau oder Straßenwesen eingerichtet. In anderen Bundesländern sind als Mittelinstanzen Regierungspräsidien, Bezirksregierungen und Autobahndirektionen tätig. Einige Länder haben Landesbetriebe mit nachgeordneten Bereichen gegründet oder planen dies zu tun. • Die untere, ausführende Ebene besteht in der Regel aus den Straßenbauämtern oder den Autobahnämtern mit den nachgeordneten Meistereien. Straßenbau behörden Bundesministerium Landesministerium Oberste (Bezirks-)Regierung Regierungspräsidium BW, SN; BY auch Autobahndirektion Landesbetrieb NW, RP, SL, SH** Autobahnamt Straßenbauamt Niederlassung (NW) Reg. Dienststellen (RP) Betriebszentrale (SL) Autobahnmeisterei Straßenmeisterei Straßen-/Autobahnmeisterei Landesamt BB, HE, MV, NI, SH*, ST, TH Obere/ Mittlere * bis 31.12.2004 Untere Außenstelle ** ab 1.1.2005 Bild 1: Aufbauorganisation der Straßenbauverwaltung 3 Bundesverkehrswegeplanung und Finanzierung Der Bundesverkehrswegeplan ist der Verkehrsträger übergreifende InvestitionsRahmenplan für alle Bundesverkehrswege. Das Parlament verabschiedet den darauf aufbauenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz. Danach stellt das Bundesministerium einen Fünfjahresplan auf, der den Rahmen für den gesetzlichen Straßenbauplan bildet. Der Straßenbauplan als Anlage zum jährlichen Haushaltsgesetz enthält schließlich konkret die auszu- 5 führenden Einzelmaßnahmen. Die verschiedenen Pläne haben unterschiedliche Planungszeiträume. Bundesverkehrswegeplan (Investitionsrahmenplan) Beschluss der Bundesregierung Planungszeitraum 15 Jahre Bedarfsplan (Gesetz) Anhang zum Fernstraßenausbaugesetz Überprüfung alle 5 Jahre Fünfjahresplan (BMVBW) Rahmen für den Straßenbauplan Zeitraum: 5 Jahre Straßenbauplan (Haushaltsfinanzierung) Straßenbauplan (Haushaltsfinanzierung, jährlich) Bild 2: Planungsebenen im Bundesfernstraßenbau Zwar geht der Bundesverkehrswegeplan von einer voraussichtlichen Investitionssumme aus, eine haushaltsrechtliche Ermächtigung zur Leistung von Ausgaben entsteht weder aus ihm noch aus dem Bedarfsplan. Nur der jährliche Straßenbauplan berechtigt hierzu. Der Bundesverkehrswegeplan Seit Mitte der siebziger Jahre legt der Bund einen Verkehrsträger übergreifenden Infrastrukturplan vor, den Bundesverkehrswegeplan. Er legt die Dringlichkeit von Projekten fest, berücksichtigt die zur Verfügung stehenden Mittel und setzt Prioritäten für Investitionsentscheidungen der öffentlichen Hand. Der Bundesverkehrswegeplan gibt den investitionspolitischen Rahmen im Verkehrssektor für einen überschaubaren Zeitraum vor. Der Bundesverkehrswegeplan 2003 sieht ein Finanzvolumen von rd. 86 Mrd. Euro für die Bundesfernstraßen vor, davon über 34 Mrd. Euro für Erhaltungs- und über 51 Mrd. Euro für Investitionsmaßnahmen (Ausbau und Neubau). Zusätzliche Mittel von knapp 1,5 Mrd. Euro sollen in strukturschwachen Regionen Vorhaben finanzieren, in denen sonst Verkehrsprojekte aufgrund geringer Wirtschaftlichkeit und Raumwirksamkeit nicht verwirklicht werden könnten.1 1 Vergleiche Nr. 3.4.6.3 Bundesverkehrswegeplan 2003 – „RWA-Pool“. 6 Den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans stellt das Bundesministerium auf und stimmt ihn mit den Ressorts und den Ländern ab, die zuvor Vorschläge unterbreitet haben. Danach beschließt das Kabinett den Bundesverkehrswegeplan, und das Parlament verabschiedet den darauf aufbauenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz. Beteiligte Ablauf 1. Prognose der Verkehrsentwicklung •Strukturdaten •Verkehrsentwicklung (Gesamtprognosen für den Personen- und Güterverkehr) •Modal Split der Verkehrsträger •Verkehrsträgerbezogene Umlegung auf die Netze Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW), Gutachter 2. Überprüfung der Verkehrsnetze •Netzlücken •Optimierung => Vorschläge für Neu- und Ausbaumaßnahmen Länder, Deutsche Bahn AG, BMVBW, Verbände 3. Bewertung der Projekte / Feststelllung der Bauwürdigkeit und Dringlichkeit •Gesamtwirtschaftliche Bewertung (Nutzen/Kosten-Verhältnis) •Raumwirksamkeitsanalyse •Ökologische Bewertung (Umweltrisikoeinschätzung) •Modal Split der Verkehrsträger •Städtebauliche Beurteilung 4. Dringlichkeitseinteilung unter Berücksichtigung der Finanzplanung => Bundesverkehrswegeplan-Entwurf 5. Anhörung/Abstimmung •Abstimmung auf Landesebene •Abstimmung auf Bundesebene •Unterrichtung der Fachkreise und Verbände BMVBW, Gutachter BMVBW, Bundesministerium der Finanzen BMVBW, Länder, Verbände, Bundesressorts 6. Kabinettsbeschluss •Bundesverkehrswegeplan •Entwurf der Ausbaugesetze (Bundesfernstraßen) Bundeskabinett 7. Gesetzgebungsverfahren Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident •Beratung der Ausbaugesetze •Beschluss •Verkündung Bild 3: Ablaufplan Bundesverkehrswegeplan 7 Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen Teil der Bundesverkehrswegeplanung ist der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen. Er stellt den Bedarf fest für die Erweiterung und den Neubau von Bundesfernstraßen. Er ist als Anlage dem Fernstraßenausbaugesetz beigefügt und bestimmt, welche Teile der Bundesfernstraßen neu zu bauen oder auszubauen sind und wie viele Fahrstreifen die Teilstrecken aufweisen sollen. Die Feststellung des Bedarfs ist die gesetzliche Grundlage für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen. Sie ist verbindlich für die Linienbestimmung und die Planfeststellung. Das Bundesministerium stellt Fünfjahrespläne auf, die den Rahmen für die Aufstellung der Straßenbaupläne bilden. Nach Ablauf von fünf Jahren prüft es, ob der Bedarfsplan der Verkehrsentwicklung anzupassen ist. Der Straßenbauplan Die für den Neubau, Ausbau und Umbau sowie die Unterhaltung der Bundesfernstraßen vorgesehenen Mittel werden hauptsächlich im Bundeshaushalt, Kapitel 1210 veranschlagt. Der Straßenbauplan für Bundesfernstraßen ist dem Kapitel 1210 als Anlage beigefügt. Die Straßenbauhaushalte waren mit etwa 5,5 Mrd. Euro jährlich in den letzten Jahren nahezu konstant. Die Straßenbaumittel werden jährlich im Voraus auf die Bundesländer nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt (jährlicher Verfügungsrahmen).2 Die prozentualen Länderquoten haben sich in den letzten Jahren nur unwesentlich geändert. Die Straßenbauverwaltungen der Länder bewirtschaften die Bundesmittel unmittelbar. Die Zweckausgaben für die Entwurfsbearbeitung und die Bauaufsicht gilt der Bund den Ländern pauschal mit 3 % der Baukosten ab.3 Die sind zurzeit etwa 110 Mio. Euro jährlich. Planung einzelner Maßnahmen Nachdem die Generalplanung beschlossen ist, können einzelne Projekte geplant und umgesetzt werden. Auch hierbei kommt es wieder zu vielfachen Abstimmungen zwischen Bund und den betreffenden Ländern. Größere Neubau- oder Ausbaumaß2 3 Die prozentuale Schlüsselung berücksichtigt u. a. die Länge der Bundesfernstraßen und das Verkehrsaufkommen im jeweiligen Bundesland. § 6 Abs. 3 BStrVermG. 8 nahmen erfordern in den meisten Fällen ein Raumordnungsverfahren, das die Landesplanungsbehörden durchführen. Anschließend bestimmt das Bundesministerium im Benehmen mit den Landesplanungsbehörden die Linienführung der Straße. In der Regel planen die Straßenbauämter der Länder die Straßenbaumaßnahmen. Für Neubau- und Ausbaumaßnahmen von Bundesfernstraßen mit Gesamtkosten ab 10 Mio. Euro ist bei der Vorentwurfsplanung zusätzlich ein „Gesehenvermerk“ des Bundesministeriums erforderlich. Mit diesem Gesehenvermerk dokumentiert das Bundesministerium sein Einverständnis zur Planung. Auch bei anderen Maßnahmen gibt es in Abhängigkeit vom Finanzvolumen Genehmigungsvorbehalte des Bundesministeriums. Das Bundesministerium beteiligt sich auf diese Weise an der Planung größerer Straßenbaumaßnahmen. In einem weiteren Schritt erstellen die Straßenbauämter bei größeren Maßnahmen die Entwurfsunterlagen und melden sie beim Bundesministerium zur Aufnahme in den Straßenbauplan an.5 Straßenbaumaßnahmen ab 5 Mio. Euro werden einzeln im Bundeshaushaltsplan veranschlagt. Das Bundesministerium prüft, ob die Voraussetzungen für die Veranschlagung gegeben sind und nimmt die Maßnahme in den Entwurf des Straßenbauplans auf. Nach der Prüfung durch das Bundesministerium der Finanzen stellt der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber den Straßenbauplan fest. Nachdem die Planungen abgeschlossen und bei größeren Bauvorhaben genehmigt, im Bundeshaushaltsplan veranschlagt sowie rechtlich gesichert sind, erstellt die untere Straßenbaubehörde auf Grundlage der Entwurfsplanung die Verdingungsunterlagen. Fach- und Mischlose, deren Finanzvolumen bestimmte Grenzen überschreitet, dürfen die Straßenbauverwaltungen erst nach dessen Zustimmung des Bundesministeriums vergeben. Die Straßenbauämter überwachen das Baugeschehen und rechnen die Maßnahmen ab. Sie weisen die Rechnungen der Auftragnehmer direkt bei den Bundeskassen zur Auszahlung an. Die Straßenbauverwaltungen der Länder bewirtschaften somit die Bundesmittel unmittelbar. 5 Je nach Bundesland können andere Dienstellen oder Betriebe dafür zuständig sein.