"Wohin unser Geld geht" am Beispiel Energie

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"Wohin unser Geld geht" am Beispiel Energie
"WOHIN UNSER GELD GEHT" AM BEISPIEL ENERGIE
Dieses Posting ist (nicht am Gewinnspiel teilnehmender) Teil der
Blogparade „Und wohin soll Dein Geld gehen?“ des Oekoenergie-Blogsportals.
Viele aktuelle Fragestellungen bieten sich zur Zeit an, das Thema zu
behandeln. Von der Finanz- und Währungskrise über Anlagestrategien bis hin
zur Zukunft fossiler bzw. erneuerbarer Energie oder auch der Biotreibstoffe.
Dazu ist jedoch eine Frage zentral:
Wohin geht denn derzeit unser Geld? Insbesondere durch unseren
Energieverbrauch.
Ein aktueller Anlaß: Zu Recht wird derzeit über die Nutzung der
Biotreibstoffe diskutiert. Verständlich ist die Angst, dass es zu einem
Konkurrenzverhältnis zwischen Lebensmittel- und Treibstoffproduktion kommt.
Angesichts des Umstands, dass 40% der Maisernte in den USA für die
Herstellung von Treibstoff verwendet wird, ist dies nicht außer Acht zu
lassen. Allerdings: Weltweit nehmen Biotreibstoffe noch einen geringen Anteil
ein. Was viele außer Acht lassen ist die hohe Nutzung von Getreide als
Tierfutter. Die Fleischproduktion ist seit 1970 von 100 Millionen Tonnen pro
Jahr auf 300 Millionen Tonnen gestiegen. Die Auswirkungen auf
Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen sind enorm. Es braucht eine
differenzierte Sicht auf die Entwicklung und Produktion von Biotreibstoffen.
Aber warum ich schreib ich das hier? Weil intensiv darüber diskutiert wird,
woher Biotreibstoffe kommen, was es in den Herstellerländern auslöst, welche
ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien man an die Produktion und den
Import anwenden kann etc.
Das ist richtig und gut so, aber es stellt sich die Frage, welche Kriterien
wir denn an die Nutzung fossiler Energie gekoppelt haben und ob jene ähnlich
sind?
„Unser Geld“ für fossile Energie
71% des österreichischen Energieverbrauchs (Stand 2010) werden laut Statistik
Austria und Umweltbundesamt mit fossilen Energieträgern gedeckt: Erdöl und
Erdölprodukte verzeichnen einen Anteil von 38%, Gas liegt bei 24% und Kohle
hat einen Anteil von 10%.
Die Importabhängigkeit bei fossiler Energie liegt bei deutlich über 80%.
Woher kommt z.B. das in Österreich verbrauchte Öl, das für mehr als die
Hälfte der fossilen Energieimporte verantwortlich ist? 2011 z.B. aus
Kasachstan (29%), Nigeria (17%), Russland (16%), Saudi-Arabien (11%), Irak
(11%), Libyen (7,1%). (Quelle: Mineralölbericht Österreich)
Das Energiehandelsdefizit Österreichs beträgt über 11 Milliarden Euro.
Was passiert mit diesem Geld, das die ÖsterreicherInnen für den Konsum
fossilere Energie ausgeben? Geht es in Strukturen und in Wirtschaften, die
unterstützenswerte demokratische, soziale, ethische Grundsätze befolgen?
Angesichts der Importliste muss man klar sagen: Nein! Aber im Gegensatz zum
höchstenergierelevanten Bereich der Agro-/Biotreibstoffe stellen wir die
Frage bei der sonstigen Energieproduktion nicht mehr. Und das ist falsch.
Fossile Energie fördert Ungleichheit
Ein Aspekt noch dazu, zum Nachdenken. Eines der größten Probleme unseres
Planeten ist neben ökologischen Herausforderungen die enorme Ungleichheit. In
ihr stecken Armut, Ausbeutung, authoritäre Regime, Kriege, Hunger.
Kürzlich wurde eine Studie präsentiert, die Steueroasen analysiert. Autor
James Henry war früher Chefökonom bei Mc Kinsey und hat in der Studie für das
Tax Justice Netzwerk die Geldflüsse in diese Steueroasen analysiert. Neben
den gigantischen Summen, die hier fließen, ist insbesondere auch interessant,
aus welchen Staaten das Geld kommt. Hier ein Artikel im Guardian und die
dazugehörige Karte:
Die These mag gewagt sein, aber ist es wirklich Zufall, dass viele der
betroffenen Staaten wichtige Öl- und Gasproduzenten sind und über
entsprechende Ressourcen verfügen? Dass es gerade jene sind, die
ressourcenreich sind, aber häufig dennoch von Armut betroffene Staaten? Die
Grundannahme ist, dass „unser“ Geld, das wir dank fossiler
Industrierevolution und Wachstumsabhängigkeit in Öl, Gas, Kohle stecken,
massiv zu Ungleichheit, Ausbeutung und Kriege führt.
Und die Kohle für die Kohle?
Schauen wir in das Land mit der weltweit diskutierten Energiewende,
Deutschland. Neben dem ambitionierten Ausstieg aus der Atomkraft und dem
Forcieren der erneuerbaren Energie ist eines auffallend: die enorme
Kohleabhängigkeit. Über 40% der Stromproduktion erfolgt in Deutschland auf
Basis von Kohle. Ein Irrtum, wer glaubt, dies wäre primär die geförderte
deutsche Kohle. Ein Anteil von 70% wird importiert. Die Steinkohle kommt aus:
25% Kolumbien, 23,5% Russland, 18,7% USA, 10% Australien (Daten 2011). Nur
als Beispiel: Neben den globalen Folgen der Kohleverbrennung (Klimawandel)
sind auch etwa in Kolumbien Menschenrechtsverletzungen, massive Konflikte mit
den Einheimischen, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, Landnutzungskonflikte
und auch in Folge dessen auch Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
bekannt. Aber wer diskutiert darüber?
Hier eine interssante Website einer deutschen NGO zum Kohleimport.
Heilsbringer nicht-konventionelle Förderung?
Nun gehört es zur Strategie vieler Staaten, unabhängiger werden zu wollen.
Auch die immer schon im Naheverhältnis der Ölindustrie befindlichen USRepublikaner predigen mittlerweile Energieunabhängigkeit. Tatsächlich hat es
eine erste Trendwende gegeben (siehe diesen Bericht). Die Hoffnung der USAmerikaner, dass die nicht-konventionelle Förderung von Öl und Gas, also z.B.
Öl und Gas aus Schiefergesteinen, Sandstein, Tiefseebohrungen etc., ihre
Lösung sein wird, ist skeptisch zu betrachten. Nicht nur, dass auch hier die
Abgängigkeit von fossilen Energieträgern prolongiert wird, sondern auch durch
die zunehmenden Konflikte rund um Landnutzung, ökologische Konsequenzen
(Chemikaliennutzung, Wasserverbrauch) gibt es teils massive Widerstände.
Nicht nur in den USA (siehe diesen aktuellen TAZ-Artikel), sondern auch in
Europa (teils mit Erfolg – siehe Frankreich mit dem Schiefergas-Verbot) und
Südamerika wächst der Widerstand.
Dass auch die ökonomische Einschätzung von Schiefergas auf unsicheren Beinen
steht, hat Arthur Bermans Vortrag bei der ASPO-Konferenz in Wien gezeigt:
Ressourenkriege als Folge von fossiler Abhängigkeit
Die ASPO-Konferenz Ende Mai in Wien hatte mit den Fragen nach geopolitischen
Zusammenhängen und Energiesicherheit ein wichtiges Feld aufgebracht. Mit
Michael Klare war einer der weitweit anerkanntesten Experten Redner zu diesem
Thema. Sein Vortrag gibt eine gute Übersicht über die Zusammenhänge und
aktuelle Konfliktfelder. Er zeigt auch, wie sehr die weltpolitische
Aufmerksamkeit Richtung China notwendig ist:
Investments in die Zukunft
Die Vorstellung einer erneuerbaren Energiezukunft soll keine naive sein. Wir
werden noch einige Jahrzehnte brauchen, um den großflächigen Umstieg zu
schaffen. Aber es braucht jede Ambition in diese Richtung, um den Shift zu
erreichen. Denn das Geld soll in die Zukunft angelegt werden – sei es durch
unsere (reduzierten) Energieverbrauch, oder auch durch Investments in
erneuerbare Energie. Die Erfolge der BürgerInnen-Beteiligungskraftwerke (wie
etwa in Wien) oder der 80.000 Energiegenossenschafter in Deutschland zeigt,
dass Menschen zunehmend bereit sind, auch ihr eigenes Geld für die
Energiewende in die Hand zu nehmen. Denn letzlich soll (hier, aber auch in
vielen anderen Staaten) im positiven Sinne Wert geschaffen und nicht nur
durch fossile Energieabhängigkeit Ungleichheit, soziale Probleme und der
Klimawandel weiter forciert werden. Denn diese Rechnung zahlen wir mehrfach.
Nachtrag 30.09.2012:
An dieser Stelle sei auch auf die anderen Beiträge dieser Blogparade
hingewiesen:
Daniel Bönninghausen von SAVING-VOLT: Blogparade: Wohin soll dein Geld gehen?
Axel Beer vom ÖkoEnergieblog: Die Große Fairness-Umverteilung
Klaus-Peter Baumgardt von Portionsdiät: Kräfte-Messen im Lebensmittel-Markt –
Die Macht von Angebot und Nachfrage
Robert J. Doelling von energie-experten.org: Investitionen in den Klimaschutz
müssen fair und sauber sein
Hans-Peter Waldbauer: Ein paar Gedanken zu Geld und (bad) Banken
Carmen Peters vom Nordfriesen-Tagebuch: Blogparade Wohin soll DEIN Geld gehen
Cornelia Daniel von Dachgold: Wohin ich mein Geld schicke
Matthias Jax: Where the money goes
Katharina Scichilone Geld, wohin gehst du?