Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht CRONE* und
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Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht CRONE* und
Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Eine Auseinandersetzung mit der Theorieresistenz des Rechts H ANS C ASPAR VON DER C RONE * und P AUL F ELIX W EGMANN ** Schlagworte: Wille, Willensreferenz, Vertrauen, Vertragsschluss, Vertragsergänzung, Theorieresistenz, Konstruktion, autonome Begriffsbildung, Formalisierung, Typologie A. Information und Bedeutung des Willens «Wenn z.B. ein gutgesinnter Mann bei einer Hungersnot der Rhodier und einer beträchtlichen Steigerung der Lebensmittelpreise eine grosse Ladung Getreide von Alexandreia nach Rhodos gebracht hat, wenn er ferner weiss, dass von Alexandreia aus mehrere Kaufleute in See gestochen sind, und wenn er auf der Fahrt Schiffe mit Getreide an Bord in Richtung auf Rhodos gesehen hat, wird er das dann den Rhodiern sagen oder stillschweigend sein Getreide möglichst teuer verkaufen?»1 Mit diesen Worten skizziert CICERO in seinem Werk De officiis ein Problem, das vor allem in seiner ethischen Dimension zu den klassischen Schulbeispielen zählt. Zur Diskussion steht der Widerstreit zwischen persönlichem Nutzen und Ehrenhaftigkeit, konkretisiert in der Frage nach dem Bestehen einer Informationspflicht: Darf der gut gesinnte Mann seinen Informationsvorsprung ausnutzen, oder hat er die Rhodier über die unmittelbar bevorstehende Besserung der Versorgungslage aufzuklären?2 1* ** 1 2 Prof. Dr., Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich. Lic. iur., wissenschaftlicher Assistent am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. MARCUS TULLIUS CICERO, De officiis, Vom pflichtgemässen Handeln, hrsg. v. Heinz Gunermann, Stuttgart 2003, 3, 12, 50. Vgl. die Diskussion bei CICERO (Fn. 1), 3, 12, 51–53; zur Verschiebung, die in der Rezeption dieses Beispiels auftritt, indem die ethische Dimension zugunsten einer rechtsdogmatischen Analyse des Informationsaspekts in den Hintergrund tritt, vgl. die Verwendung bei HOLGER FLEISCHER, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, Habil. Köln 2001, S. 11 f., 20 ff. ZSR 2007 I 111 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann Richten wir den Fokus auf diesen Aspekt der vielschichtigen Fallkonstellation, so führt sie unmittelbar in einen der Kernbereiche auch des modernen Privatrechts: die Steuerung des Informationsflusses zwischen unterschiedlich informierten Marktteilnehmern.3 Information sichert die unverfälschte Willensbildung. Wüssten die Rhodier um das Nahen weiterer Schiffe, könnten sie die zukünftige Preisentwicklung in ihre Verhandlungsposition mit einbeziehen. Vollständig informiert könnten sie umgekehrt nach dem Kauf des Getreides nicht geltend machen, ihre Willensbildung sei mangelhaft gewesen. Mehr Information erhöht also die rechtliche Qualität des Willens. Gleichzeitig ermöglicht Information den Parteien die reibungslose Kommunikation ihres Willens. Dies verdeutlicht ein Fall, mit dem sich englische Gerichte Mitte des 20. Jahrhunderts zu befassen hatten:4 Eine ägyptische Käuferin bestellt bei der Firma Rose Bohnen, genauer «horsebeans described here as feveroles». Um diesen Vertrag erfüllen zu können, muss sich Rose ihrerseits mit Bohnen eindecken. Sie erkundigt sich deshalb bei der Bohnen-Verkäuferin Pim nach der Bedeutung des französischen Worts féveroles und erhält die Auskunft, der französische Begriff féveroles entspreche dem englischen horsebeans. Nach der Lieferung zeigt sich allerdings, dass diese Auskunft die Sachlage verkürzt wiedergibt: Die französische Sprache differenziert nach der Grösse der Bohnen zwischen fèves, féveroles und fèvettes, während im Englischen alle drei Sorten als horsebeans bezeichnet werden.5 In korrekter Erfüllung des Vertrages über horsebeans erhält Rose von Pim fèves, sollte nach Ägypten aber die wertvolleren féveroles weiterliefern. Auslöser dieser Komplikationen ist eine fehlerhafte Information; zutreffende Angaben hätten Rose, welche stets weiss, was sie will – nämlich féveroles –, davor bewahrt, einen Vertrag abzuschliessen, der ihren Willen unrichtig wiedergibt, indem er den Kaufgegenstand pauschal als horsebeans bezeichnet. Ein weiteres kommt hinzu: In einzelnen Rechtsordnungen, so auch der englischen, kann der Irrtum nur erfolgreich geltend gemacht werden, wenn 3 4 5 112 Zur Steuerung des Informationsflusses als Regulierungsinstrument des Unternehmensrechts CHRISTIAN J. MEIER-SCHATZ, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, Habil. Zürich 1989, S. 103 ff., 136 ff.; grundlegend JEAN NICOLAS DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, Zürich/Baden-Baden 1995, insb. S. 139 ff.; HANS-UELI VOGT, Der öffentliche Glaube des Handelsregisters, Diss. Zürich 2003, § 10 N 17 ff., 33 ff. Frederick E. Rose, Ltd. v. Wm. H. Pim, Junr. & Co., Ltd. [1953] 2 All E.R. 739 ff. Die Entscheidung interessiert im Folgenden unter dem Aspekt der Irrtumsproblematik, welche von den Richtern angesprochen wird, jedoch das Ergebnis aus prozessualen Gründen (Parteiantrag auf rectification des Vertrags) nicht zu beeinflussen vermag, ebd., 744, 746 ff. Ebd., 745; zur rechtlichen Problematik der unterschiedlichen Bedeutungsgrenzen in verschiedenen Sprachen vgl. ROGER ZÄCH, Recht und Sprache, in: Peter Forstmoser, Regina Ogorek und Walter R. Schluep (Hrsg.), Rechtsanwendung in Theorie und Praxis, ZSR-Beiheft 15, S. 45 – 53, S. 45 f. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht die Gegenpartei nicht schutzwürdig ist, was insbesondere zutrifft, wenn sie den Irrtum durch unterlassene oder fehlerhafte Information selbst veranlasst hat.6 Zurechenbare Informationsdefizite sind damit Voraussetzung dafür, dass Abweichungen von der unverfälschten Herausbildung oder Kommunikation des Willens im Recht überhaupt Beachtung finden. Nur weil Pim eine unrichtige Auskunft erteilt hat, kann sich Rose auf das Auseinanderfallen von Wille und Erklärung berufen. Information ist, wie die bisherigen Ausführungen zeigen, in vielfältiger Weise mit dem Willen des Informierten verknüpft; zugleich suggeriert sie den direkten Zugriff auf den Willen des Informierenden. Dies liesse Auswirkungen auf die konzeptionelle Erfassung des Vertragsschlusses erwarten: Zu den klassischen Themen der Privatrechtswissenschaft zählt die Frage nach den Grundlagen der vertraglichen Bindung, der Versuch, die Einschränkung künftiger Handlungsfreiheit aus dem Willen des Erklärenden oder aus dem bei der Gegenpartei erweckten Vertrauen in einen bestimmten Sinn der Erklärung herzuleiten.7 Diese Gegenüberstellung von Parteiwillen und Vertrauen lässt sich in Beziehung setzen zur wechselseitigen Substituierbarkeit von Vertrauen und Information.8 Vertrauen kann Informationsdefizite überbrücken und so die Handlungsfähigkeit sichern. Umgekehrt reduziert ein Ausbau der Informationsordnung die Bedeutung des Vertrauens, was verbunden mit der leichteren Übermittelbarkeit von Information eine Verschiebung im theoretischen Verständnis des Vertragsschlusses hin zu einer verstärkten Betonung des Willenselements auslösen könnte. Hinzu kommt, dass sich in neuerer Zeit beispielsweise die Neurowissenschaften intensiv mit dem Verlauf menschlicher Entscheidungsprozesse befasst haben, was nicht ohne Auswirkungen auf einen empirisch fundierten Willensbegriff geblieben ist. Damit steht die Frage nach dem Stellenwert des Willens im heutigen Privatrecht im Raum. 6 7 8 ERNST A. KRAMER, Der Irrtum beim Vertragsschluss, Zürich 1998, N 31; einschlägig ist i.c. die Variante der innocent misrepresentation, da die Veranlassung ohne böse Absicht erfolgt ist. Zur Kontroverse zwischen Willens- und Erklärungs- bzw. Vertrauenstheorie PETER JÄGGI, Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V1 a, 3. Aufl., Zürich 1973, N 182 ff. zu Art. 1 OR; ERNST A. KRAMER, Grundfragen der vertraglichen Einigung, Habil. Salzburg 1972, S. 119 ff.; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Das Vertrauensprinzip beim Vertragsabschluss, Diss. Zürich 1948, S. 5 f., 21 ff. (idealtypisch), 41 ff., insb. 49 ff. und 74 ff. (historisch). Vgl. zu letzterem PETER LOSER, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht, Habil. Basel 2006, N 9 ff.; VOGT (Fn. 3), § 10 N 68 ff., 80 ff.; grundlegend zu Vertrauen als überzogener Information NIKLAS LUHMANN, Vertrauen, 4. Aufl., Stuttgart 2000, S. 31, 38 ff. ZSR 2007 I 113 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann B. Überformung des Willens Die unterschiedliche Gewichtung der willensbasierten Autonomie und des Erwartungsschutzes in verschiedenen Konzeptionen der vertraglichen Bindungswirkung sei zunächst an einem der US-amerikanischen Rechtsprechung entnommenen Beispiel verdeutlicht:9 William A. Drennan beteiligt sich als Generalunternehmer an einer Ausschreibung für ein grösseres Bauprojekt. Für die Ausführung der Bauarbeiten ist er auf Subunternehmer angewiesen, von denen er Offerten für verschiedene Teilleistungen einholt; u.a. unterbreitet die Star Paving Company Drennan ein vorteilhaftes Angebot für die Pflasterungsarbeiten. Drennan reicht die günstigste Gesamtofferte ein und erhält den Zuschlag. Er will nun seinerseits das Angebot der Star Paving annehmen. Dem kommt jedoch ein Angestellter der Star Paving zuvor, welcher das versehentlich fehlerhafte Angebot widerruft. Anders als nach kontinentaleuropäischem Recht kann ein Angebot nach angloamerikanischem Recht bis zum Zeitpunkt der Annahme grundsätzlich widerrufen werden,10 doch ist i.c. fraglich, ob die Widerrufbarkeit durch einen zum Angebot hinzutretenden option contract ausgeschlossen worden ist. Die Gerichte bejahen dies, indem sie der Star Paving unterstellen, durch implizite Willenskundgabe ein option promise abgegeben zu haben. Dabei sehen sie sich jedoch mit einem weiteren dogmatischen Hindernis konfrontiert: Das Common Law verlangt für die Verbindlichkeit eines Versprechens die Zusage der Erbringung einer (allenfalls bloss symbolischen) Gegenleistung, der so genannten consideration,11 an welcher es vorliegend hinsichtlich des isoliert betrachteten option contract fehlt. Der Entscheid greift daher auf eine Konstruktion zurück, die das fehlende Erfordernis kompensieren soll: Er begründet die rechtliche Verbindlichkeit des option promise mit dem berechtigten Vertrauen Drennans in das Versprechen der Star Paving. In Anwendung dieses Konzepts der reliance verbindet sich mithin die Unterstellung eines 9 10 11 114 William A. Drennan v. Star Paving Company, 51 Cal. 2 d 409, 333 P.2 d 757 (1958) und hierzu ARTHUR T. VON MEHREN, The formation of contracts, International Encyclopedia of Comparative Law, vol. 7, chap. 9, sect. 18; ROBERT A. HILLMAN, The Richness of Contract Law, Dordrecht/Boston/London 1997, S. 53 f.; PAUL PÁEZ-MALETZ, Der Schutz des Vertrauens auf das Zustandekommen von Verträgen im U.S.-amerikanischen Recht, Diss. Köln 1992, S. 38 ff. KONRAD ZWEIGERT und HEIN KÖTZ, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl., Tübingen 1996, S. 350 ff.; VON MEHREN (Fn. 9), sect. 138 ff.; zum Grundsatz der zeitlich beschränkten Unwiderrufbarkeit eines Antrags ohne Annahmefrist unter Abwesenden im schweizerischen Recht vgl. Art. 5 OR sowie PETER GAUCH, WALTER R. SCHLUEP, JÖRG SCHMID und HEINZ REY, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 8. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2003, N 391 ff., insb. 409 ff., 468 f. Zum US-amerikanischen Recht VON MEHREN (Fn. 9), sect. 7, 71; FERDINAND FROMHOLZER, Consideration, Diss. Regensburg 1997, passim; zum englischen Recht SIR GUENTER TREITEL, The Law of Contract, 11. Aufl., London 2003, S. 67 ff.; BJÖRN HÜRTEN, Das Erfordernis der Gegenleistung (consideration) im englischen Vertragsrecht, Diss. Köln 2004, passim. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht bestimmten Willensinhalts auf Seiten des Versprechenden mit dem Schutz der Erwartungsbildung auf Seiten der Gegenpartei.12 Dieser Ansatz findet seinen Niederschlag im 2nd Restatement of Contracts, erfährt in diesem Rahmen aber auch eine markante Verschiebung: Die Herleitung des option contract wird vollständig an das Element der reliance und damit an die Perspektive des Erklärungsempfängers zurückgebunden, die Verpflichtung also gänzlich vom Willen des Verpflichteten gelöst; vertragliche Verbindlichkeit findet damit ihre Begründung in einer objektivierten Konzeption.13 I. Praxis des Vertragsschlusses: Dogmatische Objektivierung Dieser Überformung des Willens durch rechtsdogmatische Konzepte gilt es im Folgenden nachzuspüren, wobei sich idealtypisch zwei Formen der Objektivierung unterscheiden lassen: Ausgehend vom Konsens als Grundtatbestand des Vertragsschlusses ist rechtsdogmatische Objektivierung denkbar sowohl auf der Ebene der Konsensermittlung als auch auf der Ebene der Ergänzung des Konsenses durch zusätzliche Voraussetzungen des Vertragsschlusses. Im ersten Fall ist der Umstand anvisiert, dass berechtigte Erwartung den Parteiwillen als konsensbildendes Element überlagert. Diese Objektivierung inter partes kontrastiert mit einer von der individuellen Parteibeziehung losgelösten Objektivierung im zweiten Fall. 1. Überindividuelle Objektivierung: Ergänzung des Konsenses a. Formalisierung Solche Ergänzung des Konsenses zeigt sich zunächst in der Formalisierung des Vertragsschlusses. So findet sich in germanischen Stammesrechten das Rechtsinstitut der Wadiation,14 bei welcher die sich verpflichtende Partei ei- 12 13 14 Anwendung findet damit die Theorie des promissory estoppel, wie sie im Restatement (Second) of Contracts § 90(1) niedergelegt ist; 51 Cal. 2 d 413 f., 333 P.2 d 759 f. verweist denn auch auf die entsprechende Stelle im ersten Restatement of Contracts, wobei das Element der reliance hervorgehoben wird; zu den divergierenden Ansichten hinsichtlich reliance oder promise als Grundlage des promissory estoppel HILLMAN (Fn. 9), S. 43 ff.; vgl. auch VON MEHREN (Fn. 9), sect. 16 ff., 30; PÁEZ-MALETZ (Fn. 9), S. 18 ff.; zum eingeschränkten Anwendungsbereich der promissory estoppel doctrine im englischen Recht vgl. TREITEL (Fn. 11), S. 112 ff.; HÜRTEN (Fn. 11), S. 186 ff., insb. 197 ff. Vgl. die Formulierung in Restatement (Second) of Contracts § 87(2), wo das Willenselement i.S. eines impliziten Versprechens nicht erwähnt wird, und hierzu VON MEHREN (Fn. 9), sect. 18. Vgl. zur Wadiation, insb. zu ihrer Verknüpfung mit Beweiswette und Bürgschaftsvertrag sowie zur Funktion der dabei verwendeten festuca die folgenden Einträge in ADALBERT ERLER und EKKEHARD KAUFMANN (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. I, Berlin 1971: W. OGRIS, Art. Adchramire, Sp. 40; E. KAUFMANN, Art. Bürgschaft, Sp. 565 – ZSR 2007 I 115 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann nen Gegenstand, oft ein Holzstäbchen, übergibt. Dieses dient gleichsam als Willenssymbol und übernimmt damit eine Funktion, die sich bei vertragsrechtlichen Formalisierungen häufig erkennen lässt: Sie fungieren als Seriositätsindizien, die auf einen bestimmt gearteten Willen verweisen, gleichzeitig aber die Möglichkeit eröffnen, von diesem zu abstrahieren. Das Stäbchen kann zudem Einkerbungen enthalten, die als persönliche Erkennungszeichen dienen. Darin liegt eine Identifikations- und Legitimationsfunktion, vergleichbar der Verwendung von Plastikkarten und PIN bei der heutigen bargeldlosen Zahlung. Solchen symbolischen Leistungen des Versprechenden steht das insbesondere im römischen Recht verankerte Konzept des Realkontrakts gegenüber, wonach bei Darlehen und Verträgen mit vergleichbarer Interessenlage das Versprechen zur Rückleistung erst mit der tatsächlichen Hingabe des Leistungsgegenstands durch die Gegenpartei rechtlich verbindlich wird.15 Das römische Recht knüpft nun auch für Innominatkontrakte an den selben Grundgedanken an: Deren Durchsetzbarkeit wird nur anerkannt, wenn sie auf den Austausch von Leistungen gerichtet sind und die eine dieser Leistungen bereits erbracht worden ist.16 Rechtliche Verbindlichkeit beruht hier ebenfalls auf einer Realleistung, ergänzt um eine abstrakte Umschreibung des Vertragsinhalts, indem ein gegenseitiges Leistungsversprechen verlangt ist. Dieses zweite Element der Reziprozität begegnet uns wieder in modernen Rechtsordnungen, so etwa in der erwähnten angloamerikanischen consideration doctrine, welche die rechtliche Verbindlichkeit einer vertraglichen Verpflichtung von der Zusicherung einer Gegenleistung abhängig macht.17 14 15 16 17 116 569; W. OGRIS, Art. Festuca, Sp. 1111–1114 sowie in ADALBERT ERLER, EKKEHARD KAUFMANN und DIETER WERKMÜLLER (Hrsg.), HRG, Bd. V, Berlin 1998: H.-R. HAGEMANN, Art. Wette, Sp. 1329 –1333, insb. 1331; vgl. auch die Einträge in ALBRECHT CORDES, HEINER LÜCK und DIETER WERKMÜLLER, HRG, 2. Aufl., Berlin 2004 (Lfg. 1)/2006 (Lfg. 4): THOMAS OLECHOWSKI, Art. Adchramire, Sp. 69; CHRISTIAN HATTENHAUER, Art. Bürgschaft, Sp. 770 –774; KLAUS-PETER NANZ, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. bis 18. Jahrhundert, Diss. Köln 1985, S. 26. GAIUS, Institutiones, hrsg. v. Ulrich Manthe, Darmstadt 2004, 3, 90; Corpus Iuris Civilis, hrsg. v. Okko Behrends, Rolf Knütel, Berthold Kupisch und Hans Hermann Seiler, Bd. I: Institutionen, 2. Aufl., Heidelberg 1997, 3, 14, pr. und 2 – 4; MAX KASER, Das Römische Privatrecht I, 2. Aufl., München 1971, S. 525, 530 ff.; REINHARD ZIMMERMANN, The Law of Obligations, Oxford 1996, S. 153 ff. Vgl. z.B. Corpus Iuris Civilis, hrsg. v. Okko Behrends, Rolf Knütel, Berthold Kupisch und Hans Hermann Seiler, Bd. II: Digesten 1–10, Heidelberg 1995, 2, 14, 7, 2; KASER (Fn. 15), S. 526, 580 ff.; zur nachklassischen Entwicklung MAX KASER, Das Römische Privatrecht II, 2. Aufl., München 1975, S. 419 ff.; ZIMMERMANN (Fn. 15), S. 532 ff., insb. 536 f. Vgl. Fn. 11; zu den Ursprüngen der consideration doctrine im 16. Jahrhundert DAVID J. IBBETSON , Consideration and the Theory of Contract in Sixteenth Century Common Law, in: John Barton (Hrsg.), Towards a General Law of Contract, Berlin 1990, S. 67–123; D. J. IBBETSON , A Historical Introduction to the Law of Obligations, Oxford 1999, S. 141 ff.; vgl. auch HEIN KÖTZ, Europäisches Vertragsrecht, Bd. I, Tübingen 1996, S. 86 f., der auch auf die hinsichtlich der Funktion als Seriositätsindiz vergleichbare Figur der cause im französischen Recht, verstanden als Erfordernis einer Gegenleistung, hinweist, deren Bedeutung aber stark relativiert, 81 ff.; zur problematischen Verknüpfung von consideration bzw. cause mit der ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Erfordernisse wie Realleistung oder Reziprozität lassen sich hinsichtlich ihrer Funktion, den Vertragsschluss zu formalisieren, durch Formvorschriften substituieren.18 Dies zeigt sich beispielhaft beim Schenkungsversprechen als einer per definitionem einseitigen Leistungspflicht. Im der consideration doctrine verpflichteten englischen Recht ist ein gültiges Schenkungsversprechen in der Form des deed, einer vom Versprechenden und einem Zeugen unterschriebenen Urkunde, abzufassen.19 Auch die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen formalisieren diesen Typ von Vereinbarung durch Formzwang: So schreibt das schweizerische Recht die Einhaltung der Schriftform vor, andere Rechtsordnungen verlangen eine notarielle Beurkundung.20 Als paradigmatische Ausformung des Zusammenspiels verschiedener Formalisierungsmodi präsentiert sich das Kontraktsystem des römischen Rechts,21 das seine klassische Formulierung in den Institutionen des GAIUS gefunden hat.22 GAIUS gliedert die vertraglichen Schuldverhältnisse, aus denen eine klagbare Verpflichtung erwächst, in vier Gruppen: Bei den Realkontrakten erfolgt die Formalisierung über die Hingabe einer Sache; Verbal- und Litteralkontrakte sind durch bestimmte Abschlussformen charakterisiert, wobei im Zentrum die Stipulation steht, die über die Verwendung bestimmter Frage- und Antwortformen dem Wortformalismus verhaftet bleibt, gleichzeitig aber eine beliebige inhaltliche Ausgestaltung erlaubt. Dieses Verhältnis von Inhalt und Form kehrt sich um bei den Konsensualkontrakten, welche die 17 18 19 20 21 22 mittelalterlichen und spätscholastischen causa-Lehre vgl. JAMES GORDLEY, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, Oxford 1991, S. 137 ff., 164 ff.; zur historischen causaLehre ebd., S. 49 ff., 77 ff. sowie HELMUT COING, Europäisches Privatrecht, Bd. I, München 1985, S. 402 f. Bezeichnend die Behandlung von Real- und Formalkontrakten bei SIR FREDERICK POLLOCK und FREDERIC WILLIAM MAITLAND, The History of English Law, vol. II, 2. Aufl., Cambridge 1898, Nachdruck 1952, S. 185 ff. TREITEL (Fn. 11), S. 158 f.; S. J. WHITTAKER, in: H.G. Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, vol. I: General Principles, 29. Aufl., London 2004, N 1-075 ff., 1-087; KÖTZ (Fn. 17), S. 86, 125, dem zufolge im Übrigen eine Verbindlichkeit trotz Formungültigkeit z.T. gestützt auf Vertrauensschutzüberlegungen oder aufgrund gesamtgesellschaftlicher Interessen bejaht wird, wobei die Entscheidbegründung diese Motive häufig verdeckt, 90 ff. Schenkungsversprechen und Spendenzusagen bilden denn auch den klassischen Anwendungsbereich der US-amerikanischen Theorie des promissory estoppel, vgl. VON MEHREN (Fn. 9), sect. 17; auffallend ist auch die zusätzliche Erleichterung hinsichtlich der einschlägigen Voraussetzungen, die Restatement (Second) of Contracts § 90(2) für Spendenzusagen gewährt. Vgl. zum Schrifterfordernis im schweizerischen Recht Art. 243 Abs. 1 OR; öffentliche Beurkundung verlangt beispielsweise § 518 BGB; rechtsvergleichend KÖTZ (Fn. 17), S. 84 f., 87, 125 f. Vgl. zu dessen Weiterentwicklung im Rahmen der mittelalterlichen Vestiturtheorie GERHARD WESENBERG und GUNTER WESENER, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. Aufl., Wien/ Köln/Graz 1985, S. 47 f.; NANZ (Fn. 14), S. 31 ff.; COING (Fn. 17), S. 399. Vgl. zum Folgenden GAIUS (Fn. 15), 3, 89; Inst. (Fn. 15) 3, 13, 2; KASER (Fn. 15), S. 524 ff.; vgl. auch die Einstufung des gaianischen Kontraktsschemas als selbstreferentielles Modell, das, scheinbar beschreibend, die verwendeten Elemente und Beziehungen selbständig erzeugt, bei GEOFFREY SAMUEL, Epistemology and Method in Law, Aldershot 2003, S. 84. ZSR 2007 I 117 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann Verpflichtung durch formfrei erklärten Konsens entstehen lassen, inhaltlich gesehen aber nur für eine Reihe von verkehrstypischen Verträgen zur Verfügung stehen. Die auf Formalisierung gestützte Objektivierung wird hier also ersetzt durch materiale Abgrenzung derjenigen Vertragstypen, für die auf formelle Zusatzerfordernisse verzichtet werden kann. b. Typologie Innerhalb der denkbaren Objektivierungsleistungen markieren Konsensualverträge den Übergang von der Konsensergänzung durch formelle Seriositätsindizien zur Eingrenzung des Konsenses durch Ausarbeitung einer Vertragstypologie. Primär bestimmt diese Typologie den Anwendungsbereich des rein konsensualen Vertragsschlusses. Sekundär allerdings übernehmen die den einzelnen Vertragstypus regelnden Normenkomplexe als Standardausgestaltung entsprechender Verträge Modellfunktion.23 Solches Typenrecht dient bereits im Stadium der Vertragsverhandlung als Orientierungspunkt; nach Vertragsschluss kann es als dispositives Recht Anwendung finden. Regelmässig gehen damit wesentliche Bestandteile der vertraglichen Ordnung, insbesondere die Rechtsfolgen von Störungen in der Vertragsabwicklung, auf den Einbezug objektiven Rechts zurück.24 Denselben Grundgedanken einer Verbindung subjektiv ausgehandelter Vertragsteile mit Elementen, die in objektivierter Weise normativ bestimmt sind, realisiert ein verwandtes älteres Konzept: Im Ius Commune begegnet die Figur der naturalia negotii, wonach sich aus der natura contractus unmittelbar bestimmte Pflichtenkomplexe herleiten, die vom Parteiwillen nicht gedeckt sein müssen.25 Sind beispielsweise Kaufgegenstand und Preis als essentielle Punkte des Kaufvertrags festgelegt, so untersteht dieser auch ohne ausdrückliche Vereinbarung den vorgegebenen Regeln der Rechtsgewährleistung. 23 24 25 118 Dieser Aspekt des Typenrechts als latente inhaltliche Standardisierung steht nach dem Durchbruch zur Typenfreiheit im Vordergrund, was zur Unterscheidung von Nominat- und Innominatverträgen im heutigen Sinn führt; zum prekären Status des modernen Typenrechts vgl. FELIX DASSER, Vertragstypenrecht im Wandel, Habil. Zürich 2000, N 21 ff., 545 ff. und passim. Mit dem Beizug dispositiven Gesetzesrechts stösst man tendenziell in den Bereich der Vertragsergänzung vor, die in C.I.1.a. behandelt wird. Das im Folgenden diskutierte Konzept der naturalia negotii, von denen angenommen wird, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zum willentlich vereinbarten Vertragsinhalt hinzutreten, so dass der Vertrag in diesen Punkten gerade nicht als lückenhaft gilt, verlagert die Problematik jedoch wieder auf die Ebene des Vertragsschlusses. Zu den byzantinischen und mittelalterlichen Wurzeln dieser Rechtsfigur HELMUT COING, A Typical Development in the Roman Law of Sales, in: DERS., Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Zivilrecht (hrsg. v. Dieter Simon), Bd. 1, Frankfurt a.M. 1982, S. 61–74, S. 72 ff.; GORDLEY (Fn. 17), S. 61 ff., 105; der Gedanke wird wieder aufgenommen bei JÜRGEN OECHSLER, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, Habil. Saarbrücken 1997, S. 199 ff., der auch den Niederschlag dieses Konzepts in der Gesetzgebung nachweist: über Domat und Pothier fliesst es in Art. 1135 Code Civil ein, welcher wiederum auf den Entstehungsprozess von § 242 BGB einwirkt, ebd., S. 286 ff. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht 2. Objektivierung inter partes: Ermittlung des Konsenses aufgrund berechtigter Erwartung Die Fruchtbarmachung der natura contractus zielt auf die Begründung von Pflichten, die über den willentlich vereinbarten Vertragsinhalt hinausgehen. Gleichwohl verbleibt bei der Ermittlung des Rechtsgrunds solcher Pflichten ein gewisser Interpretationsspielraum. Eine moderne Formulierung des Konzepts der naturalia negotii versteht diesen Pflichtenkomplex denn auch nicht mehr als überindividuelle Normierung, sondern geht davon aus, dass er auf dem Vertrauen der Gegenpartei als einem eigenständigen vertraglichen Verpflichtungsgrund beruht.26 Damit leistet sie den Anschluss an vertrauensbasierte Modelle des Vertragsschlusses an sich, wie sie etwa in der reliance des angloamerikanischen Rechts,27 v.a. aber in der Erklärungs- oder Vertrauenstheorie des deutschen und schweizerischen Rechts, die darauf abstellt, welche Willensinhalte den Erklärungen nach Treu und Glauben aus Empfängersicht zuzuschreiben sind, zum Ausdruck kommen.28 Die bewusste dogmatische Erfassung berechtigter Erwartung und des darauf gestützten normativen Konsenses lässt sich als Reaktion auf die Herausbildung der Willenstheorie im 19. Jahrhundert lesen, welche die Entstehung vertraglicher Pflichten allein aus dem Parteiwillen begründet.29 Solche Absolutsetzung des Willenselements mag sich aus einer in dieser Zeit zu beobachtenden allgemeinen Konjunktur des Willensbegriffs erklären.30 Sie hängt aber auch mit einem verspäteten Zurkenntnisnehmen der Invalidierung älterer philosophischer Theo26 27 28 29 30 OECHSLER (Fn. 25), S. 209 ff., 253 f., 257 ff.; das klassische Verständnis knüpft demgegenüber an die aristotelische Philosophie und ihre Unterscheidung zwischen essentialia, naturalia und accidentalia an, vgl. ARISTOTELES, Topik, hrsg. v. Tim Wagner und Christof Rapp, Stuttgart 2004, I, 5, 102a und b und hierzu COING (Fn. 25), S. 73 f.; GORDLEY (Fn. 17), 15 f., 61 f., 64 verweist überdies auf eine vergleichbare Methode, die Thomas von Aquin zur Analyse des Ehevertrags heranzieht und die daraufhin in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft auf das Schuldvertragsrecht übertragen wird. Vgl. Fn. 12. Vgl. zum Vertrauensprinzip MEIER-HAYOZ (Fn. 7), S. 74 ff., 110 ff., sowie zu naturrechtlichen Vorläufern 69 ff.; JÄGGI (Fn. 7), N 181, 188 ff. zu Art. 1 OR; ERNST A. KRAMER, Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. VI/1/1, Bern 1986, N 37 ff., 102, 104 ff., 126 ff. zu Art. 1 OR; EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 122 ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (Fn. 10), N 207 ff., 315 ff. KRAMER (Fn. 7), S. 119 f.; zur Willenstheorie MEIER-HAYOZ (Fn. 7), S. 49 ff., wobei sich auch für diesen Ansatz abgeschwächte naturrechtliche Vorformen finden, 43 ff.; als paradigmatische Formulierung der Willenstheorie rezipiert wurde namentlich SAVIGNYS Diktum: «Denn eigentlich muss der Wille an sich als das einzig Wichtige und Wirksame gedacht werden, und nur weil er ein inneres, unsichtbares Ereignis ist, bedürfen wir eines Zeichens, woran er von Anderen erkannt werden könne, und dieses Zeichen, wodurch sich der Wille offenbart, ist eben die Erklärung.», FRIEDRICH CARL VON SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 3, Berlin 1840, S. 258. Zu vergleichbaren Entwicklungen bei der Verwendung des Autonomiebegriffs im französischen Recht VÉRONIQUE RANOUIL, L’Autonomie de la Volonté, Paris 1980, S. 88 ff. Charakteristisch ist aber lediglich die isolierte Verwendung des Willensbegriffs; zur Berücksichtigung des Willenselements im römischen Recht KASER (Fn. 15), S. 234 ff.; zum griechischen Recht ZSR 2007 I 119 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann riebildung zusammen, welche die Rechtsdogmatik zwingt, bestimmte Figuren, beispielsweise das aristotelischem Gedankengut verpflichtete naturalia negotii-Konzept, aufzugeben und deren dogmatische Funktion auf das Willenselement zu übertragen.31 Diese Überbetonung des Willenselements wird in der Folge durch die Formulierung eines dogmatischen Gegenkonzepts, der Vertrauenstheorie, neutralisiert. II. Theorie: Dogmatische Ausweichbewegungen Soweit Veränderungen in der ausserrechtlichen Theoriebildung ins Recht einfliessen, kann es also u.U. zu einem Prozess der Absorption kommen, indem dogmatische Ausweichbewegungen das Innovations-, aber auch Destabilisierungspotenzial eines rezipierten Gedankens für die Jurisprudenz entschärfen. So wird der Wille zeitgleich mit seiner Inthronisierung als neue Leitidee des Vertragsrechts durch die traditionellen Elemente der Formalisierung und der Typologie überformt. Parallel zu dieser Relativierung auf einer dem neuen willensbasierten Konzept untergeordneten Stufe, entstehen gleichgeordnete Gegenkonzepte, die mit dem Erwartungsschutz eine alternative Leitidee propagieren. Anhand dieser Beobachtung sei ein allgemeines Modell des Einflusses anderer Disziplinen auf das Recht entworfen. Nichtjuristische wissenschaftliche Erkenntnis und Theoriebildung mögen zunächst eine veränderte theoretische Betrachtungsweise des Rechts auslösen; in dieser Weise rezipiertes Gedankengut kann in der Folge operationalisiert werden, indem es Neuerungen im technisch-dogmatischen Bereich herbeiführt. Selbst wenn sich Auswirkungen bis in den dogmatischen Formenbestand hinein aufzeigen lassen, werden damit jedoch lediglich neue Erklärungen des Rechtsgeschehens geliefert, solange nicht Änderungen in der Entscheidpraxis feststellbar sind.32 30 31 32 120 RICHARD MASCHKE, Die Willenslehre im Griechischen Recht, Berlin 1926, Nachdruck 1968, S. 159 ff., insb. 169 f.; vgl. auch den Hinweis auf ältere Wurzeln der Willenstheorie in der christlichen Tradition bei OKKO BEHRENDS, Treu und Glauben, in: Gerhard Dilcher und Ilse Staff, Christentum und modernes Recht, Frankfurt a.M. 1984, S. 255 – 303, insb. S. 264 ff. JAMES GORDLEY, Contract, Property, and the Will – The Civil Law and Common Law Tradition, in: Harry N. Scheiber (Hrsg.), The State and Freedom of Contract, Stanford 1998, S. 66 – 88, S. 82 f.; DERS. (Fn. 17), 7, 161 ff., 227 ff. Ein typisches Beispiel bietet die Spanische Spätscholastik, welche im Anschluss an aristotelische und thomistische Theoriebildung zu einem neuen Verständnis des Vertragsrechts und zu einer Reformulierung dogmatischer Konzepte gelangt, damit aber keine Änderung der Entscheidpraxis herbeiführt und eine solche auch gar nicht beabsichtigt, vgl. GORDLEY (Fn. 17), S. 69 ff.; zum begrenzten Einfluss griechischer Wissenschaftstheorie und philosophischer Ontologie auf die römische Fachjurisprudenz und Entscheidpraxis FRANZ WIEACKER, Römische Rechtsgeschichte I, München 1988, S. 639, 651, 653; vgl. auch die teilweise parallelen Überlegungen zur Rezeption rechtsdogmatischer Theorien anderer Rechtsordnungen bei CLAUSWILHELM CANARIS, Theorienrezeption und Theorienstruktur, in: FS Kitagawa, Berlin 1992, ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Entscheidrelevanz verhindern nun einerseits die soeben erörterten dogmatischen Ausweichbewegungen, die als Relativierungen und Gegenkonzepte einen ins Recht überführten Gedanken neutralisieren. Einen ähnlichen Effekt haben andererseits die im Folgenden zu behandelnden sprachlichen Verformungen, mit denen sich das Recht Begriffe bei der Übernahme auf theoretischer oder dogmatischer Ebene anverwandelt, dabei aber zwangsläufig den ihnen innewohnenden Gedanken deformiert. Diese Neutralisierung ist Ausdruck einer latenten Theorieresistenz des Rechts. Bezogen auf das untersuchte Beispiel suggerieren dabei vor allem dogmatische Ausweichbewegungen die relative Bedeutungslosigkeit des Willens für die Jurisprudenz. Daher ist nochmals auf die Frage nach Stellung und Bedeutung des Willens im Vertragsrecht zurückzukommen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Relevanz des Willens nicht auf den Residualbereich, in dem Wille (als tatsächliches Phänomen) unmittelbar als dogmatisches Element Verwendung findet, beschränkt bleibt. Allgegenwärtig ist im Vertragsrecht die sprachliche Bezugnahme auf den Willen, der Wille als gedanklichkonzeptioneller Bezugspunkt auch derjenigen Rechtsfiguren, die ihren objektivierenden Ansatz offen ausweisen, mit einem Wort: die Willensreferenz. C. Konstruktion des Willens Diese Willensreferenz wie auch die trotz des Verweises auf ein scheinbar ausserrechtliches Phänomen genuin rechtliche Prägung des Willensbegriffs lassen sich anhand eines Bundesgerichtsentscheides illustrieren:33 1951 erwirbt die Schweizerische Eidgenossenschaft in England Spähpanzer vom Typ «Staghound». Beim Verladen im Hafen von Southampton rollen mehrere der bereits auf Deck gehissten, aber noch nicht gesicherten Panzer über Bord. In der Folge verlangt die Eidgenossenschaft von der Versicherungsgesellschaft Schweiz Ersatz für den entstandenen Schaden. Die Zahlung wird verweigert mit der Begründung, der Versicherungsschutz beziehe sich nur auf schädigende Ereignisse während des Ladevorgangs, der mit dem An-Bord-Bringen der Panzer beendet gewesen sei. Demgegenüber stellt sich die Eidgenossenschaft auf den Standpunkt, zum Ladevorgang gehöre auch das Verstauen. Da die Deckladung i.c. noch nicht verteilt und gesichert gewesen sei, erstrecke sich der Versicherungsschutz auch auf den vorliegenden Schadensfall. Strittig ist mithin die Bedeutung des vertraglich verwendeten Begriffs der «Einladung»: Ist diese in einem engen Sinn als von der Verstauung getrennter Vorgang zu verstehen, oder umfasst der Ladevorgang in einem 32 33 S. 59 – 94, der insbesondere die Möglichkeit einer auf Begriffe und dogmatische Figuren beschränkten Teilrezeption, die nur die erklärende, nicht aber die heuristische Funktion einer Theorie aktiviert, erwähnt, 73. BGE 82 II 445 ff. ZSR 2007 I 121 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann weiten Sinn auch die Sicherung des Frachtguts? Seerechtliche Gutachter neigen der ersten Auffassung zu; das Bundesgericht aber erteilt der Heranziehung des «juristischen, technischen» und ganz allgemein des «wissenschaftliche[n]» Sprachgebrauchs eine Absage und erklärt für die Vertragsauslegung den «gewöhnliche[n] landläufige[n] Wortsinn» als massgeblich.34 Dieser wird nun nicht empirisch und bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern aus Wörterbüchern und literarischen Quellen ermittelt. Eine Konsultation des Grimmschen Wörterbuches bleibt noch erfolglos. Aufgrund eines Hinweises im Idiotikon auf das Beladen von Heu- und Garbenwagen wird das Gericht schliesslich bei GOTTHELF fündig.35 In Uli der Knecht heisst es: «. . . die Heraufgeber . . . warfen . . . Gabeln voll auf den Wagen, die der kundige Lader auf den Knien mit ausgebreiteten Armen empfing.» Gestützt auf diese Passage kommt das Gericht zum Schluss, nach dem massgebenden schweizerischen Sprachgebrauch schliesse der weit zu verstehende Ladebegriff das Verteilen und Sichern der Güter mit ein. Dieser Argumentation ist zunächst der volle Wortlaut des verkürzt wiedergegebenen GOTTHELF-Zitats entgegenzuhalten: «. . . die mächtigen Rosse jagten im Trabe, die Heraufgeber sprangen nach, warfen mitten im Laufe Gabeln voll auf den Wagen, die der kundige Lader auf den Knien mit ausgebreiteten Armen empfing. Schwere Tropfen rauschten, der Wind stiess heftiger, nach dem Bindbaum sprang einer; im Hui war er auf dem Fuder, mit dicken Wellenseilen wurde er niedergeschnürt; . . .»36 Wir sehen: Die vom Gericht zitierte Stelle umschreibt tatsächlich den Ladevorgang; diesem ist aber bei GOTTHELF die Sicherung der Ladung unter Zuhilfenahme des Bindbaums nachgeordnet. Kombiniert mit dem vollständigen Zitat ist die bundesgerichtliche Beweisführung damit geeignet, einen engen Ladebegriff nahezulegen. Bemerkenswert ist nun, wie sich die Vertragsauslegung vorliegend vollzieht: Die Bedeutung des Ladebegriffs bestimmt sich über die Zuordnung der 34 35 36 122 Ebd., 452; Zwar lehnt das Bundesgericht den juristischen Wortgebrauch (womit i.c. die spezifisch versicherungsrechtliche Bedeutung gemeint ist) ausdrücklich ab; durch die Bestimmung der rechtlich relevanten Sprachgemeinschaft wird jedoch zwangsläufig ein juristischer Sprachgebrauch (wenn auch nicht i.S. einer selbständigen Begriffsprägung, sondern lediglich i.S. eines Verweises) festgelegt. Ebd., 453 f.; Die im Entscheid ausgewiesenen bundesgerichtlichen Abklärungen umfassen: 1. JACOB GRIMM und WILHELM GRIMM, Deutsches Wörterbuch, Bd. 3, Leipzig 1862, Nachdruck 1984, s.v. einladen, Sp. 219 und DIES., Deutsches Wörterbuch, Bd. 12, Leipzig 1885, Nachdruck 1984, s.v. laden, Sp. 41– 45; 2. Schweizerisches Idiotikon, Bd. 3, Frauenfeld 1895, s.v. Lader, Sp. 1062. JEREMIAS GOTTHELF, Wie Uli der Knecht glücklich wird, Erlenbach/Zürich 1977, S. 184; Bemerkenswert ist nun, dass im Wörterbuch der Gebrüder GRIMM, Bd. 12 (Fn. 35), s.v. Lader, Läder, Sp. 51 die entsprechende Passage zitiert und am gleichen Punkt abgebrochen wird; zwar verbietet sich aufgrund der Tatsache, dass im Entscheid eine andere Ausgabe zitiert wird, die Annahme eines reinen Sekundärzitats, doch liegt es nahe, hier den Ursprung des entscheidrelevanten Zitats zu vermuten, dessen Bedeutung für den konkreten Fall sich (zumindest potenziell) ins Gegenteil verkehrt, sobald die ganze Stelle herangezogen wird. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Vertragsparteien zu einer Sprachgemeinschaft, die ihrerseits den massgeblichen Sprachgebrauch vorgibt. Obwohl beim Abschluss des Versicherungsvertrags auf beiden Seiten Expertenwissen verfügbar gewesen sein dürfte, verwirft das Gericht eine technische zugunsten der umgangssprachlichen Terminologie. Damit wird eine den Parteien fern liegende Sprachgemeinschaft gewählt, die den Begriffsgehalt vom ursprünglichen Willen ablöst, obwohl die zur Anwendung gelangende objektivierte Vertragsauslegung auf die Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens abzielt.37 Letztlich werden die Willensinhalte folglich nach objektiven Kriterien bestimmt, was nur gestützt auf einen spezifisch juristischen Willensbegriff möglich ist; denn weder der umgangssprachliche noch ein anderer fachsprachlicher Willensbegriff lassen sich schlüssig in objektivierende Rechtsfiguren integrieren. I. Praxis der Auslegung und Ergänzung von Verträgen: Sprachliche Objektivierung 1. Normative Dimension der Willensreferenz a. Unmittelbare Willensreferenz: Auslegung und Ergänzung gemäss dem hypothetischen Parteiwillen Auf den ersten Blick ist diese Feststellung nicht weiter erstaunlich: Vertragsauslegung und -ergänzung unter Verweis auf den hypothetischen Parteiwillen arbeiten unverdeckt mit einer normativen Fassung des Willensbegriffs.38 Mit welchen Vorstellungen aber verbinden sich objektivierende Konzepte, wenn sie unter Verwendung der Willensreferenz formuliert wer37 38 Vgl. zur Unterscheidung von subjektiver und objektivierter Auslegung GAUCH/SCHLUEP/ SCHMID/REY (Fn. 10), N 1200 ff.; PETER JÄGGI und PETER GAUCH, Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V1 b, 3. Aufl., Zürich 1980, N 304 ff., 332, 342 f. zu Art. 18 OR; präzisierend KRAMER (Fn. 28), N 16 ff., 67 ff. zu Art. 18 OR, der zwischen empirischer und normativer Vertragsauslegung unterscheidet. KARL OFTINGER, Einige grundsätzliche Betrachtungen über die Auslegung und Ergänzung der Verkehrsgeschäfte, ZSR 1939, S. 178 – 209 hebt das fiktive, nicht methodenehrliche Moment einer Bezugnahme auf den Willen (in der hier verwendeten Terminologie: der Willensreferenz) bei der Vertragsergänzung gemäss dem hypothetischen Parteiwillen hervor, 200 ff., 208 f. und lässt diese konsequenterweise mit der Auslegung bzw. der Ergänzung des Gesetzes zusammenfallen, da beide Vorgehensweisen nur an objektiven Kriterien ausgerichtet sind, 198 ff., 207; kritisch GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (Fn. 10), N 1259 f.; OFTINGER spricht aber zu Recht das Problem an, dass die sprachliche Bezugnahme auf den Willen fragwürdig wird, sobald darin lediglich ein Verweis auf objektivierende Konzepte liegt; mögliche Konsequenzen sind die Forderung, den Willensbegriff in diesen Konstellationen überhaupt aufzugeben oder aber die unserem Versuch zugrunde liegende Hypothese, dass darin die Anerkennung eines spezifisch juristischen Willensbegriffs zum Ausdruck kommt, dessen Bedeutung über die genannten Konstellationen hinausgreift. Vgl. zur Kritik der Figur des hypothetischen Parteiwillens auch OECHSLER (Fn. 25), S. 236 ff.; allgemein zur Vertragsergänzung aufgrund des hypothetischen Parteiwillens JÄGGI/GAUCH (Fn. 37), N 497 ff. zu Art. 18 OR; GAUCH/SCHLUEP/ SCHMID/REY (Fn. 10), N 1257 ff.; differenzierend KRAMER (Fn. 28), N 238 ff. zu Art. 18 OR. ZSR 2007 I 123 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann den? Ziel könnte eine Rückbindung an den tatsächlichen Willen sein, indem derjenige Vertragsinhalt als hypothetisch gewollt gilt, der in einer Gesamtbetrachtung vergleichbarer Fälle die höchste statistische Übereinstimmung mit den tatsächlich vorhandenen Willensinhalten aufweist. Zwar wird die Ausformung des tatsächlichen Willens, die in einer gegebenen Situation dominiert, regelmässig nicht empirisch hergeleitet.39 Die soziale Akzeptanz des in seinen Grundzügen langfristig stabilen Vertragsrechts liefert allerdings einen Hinweis darauf, dass den an Rationalitätskriterien orientierten Figuren des mutmasslichen und des hypothetischen Willens40 eine empirische Rationalität der Willensbildung entsprechen könnte. Umgekehrt richtet sich aber der tatsächliche Wille seinerseits an normativen Vorgaben aus, legen diese doch den rechtlich sanktionierten Erwartungsspielraum fest: Aufgrund der veröffentlichten Spruchpraxis der Gerichte können die Parteien antizipieren, welche Grundannahmen des Rechts die Auslegung und Ergänzung gemäss dem hypothetischen Parteiwillen strukturieren; an diesem Befund werden sie regelmässig ihre Erwartungen und damit auch ihre tatsächliche Willensbildung ausgerichtet haben. Hypothetischer und tatsächlicher Wille konvergieren also im Zusammenspiel zweier gegenläufiger Prozesse: einerseits dem Bemühen um die Entwicklung von Rechtsnormen, die ihrem Regelungsgegenstand angemessen sind, andererseits einer Konstruktionsleistung des Rechts, die diesen Regelungsgegenstand erst hervorbringt. Eine verwandte Problematik zeigt sich, wenn die Objektivierung in den Begriff des Willens selbst hineinverlagert wird. Klassisches Beispiel ist die Vorstellung, Geltungsgrund des dispositiven Gesetzesrechts sei der Wille der Vertragschliessenden.41 Ein Blick auf die Entwicklung der Eviktionshaftung 39 40 41 124 Vgl. das erbrechtliche Beispiel bei RUDOLF WIETHÖLTER, Rechtswissenschaft, Basel/Frankfurt a.M. 1968, Nachdruck 1986, S. 241 ff., insb. 244. Vgl. zu dieser Orientierung am vernünftigen Menschen PETER GAUCH, Der vernünftige Mensch – ein Bild aus dem Obligationenrecht, in: Das Menschenbild im Recht, Festgabe der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur Hundertjahrfeier der Universität Freiburg, Freiburg 1990, S. 177– 203, S. 179 ff., 189 ff.; vgl. auch WIETHÖLTER (Fn. 39), S. 58 ff., insb. 74 f. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die methodische Rationalitätsvorgabe nicht zwingend auf die konkrete inhaltliche Ausrichtung des ergänzten Vertrags durchschlägt, vgl. OFTINGER (Fn. 38), S. 188 f.; doch werden sowohl durch die Bestimmung des vertraglichen Grundgerüsts, das als Ausgangspunkt der Vertragsergänzung dient, als auch durch die Grundidee, die vertragliche Ordnung sei folgerichtig weiterzudenken, auf einer abstrakteren Ebene materielle Rationalitätskriterien an den Vertrag herangetragen. Vgl. zur Kritik dieses Versuchs der Rückführung auf den Parteiwillen OECHSLER (Fn. 25), S. 291 f.; zwar behaupten auch die Vertreter dieser Ansicht nicht, vom wirklichen Willen auszugehen, doch stellt sich erneut die Frage, in welchem Sinn dann der sprachliche Verweis auf den Parteiwillen zu verstehen ist (vgl. zu diesem Problem Fn. 38); vgl. auch OFTINGER (Fn. 38), S. 208; allgemein zur Vertragsergänzung durch dispositives Gesetzesrecht JÄGGI/ GAUCH (Fn. 37), N 502 ff. zu Art. 18 OR; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (Fn. 10), N 1254 f.; differenzierend und teilweise terminologisch abweichend KRAMER (Fn. 28), N 217, 230 ff. zu Art. 18 OR. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht mag hier zeigen, in welchem Masse bestimmte Pflichten zwar ursprünglich im Parteiwillen verankert sind, das Voranschreiten typologischer Verdichtung diese Zuschreibung aber zunehmend illusorisch macht:42 In einer frühen Phase des römischen Rechts nur durch ausdrückliche Stipulation einer entsprechenden Klausel Gegenstand des Vertrags, wird die Eviktionshaftung durch interpretative Angleichung der konkreten Vertragsinhalte zum integralen Bestandteil jedes Kaufvertrags; schliesslich löst sie sich (im Anschluss an die oströmische Tradition) in der mittelalterlichen Theorie der natura contractus vollständig vom Willen ab, um in der Neuzeit Eingang ins kodifizierte Kaufvertragsrecht zu finden. b. Mittelbare Willensreferenz: Sanktionierung willensbezogener subjektiver Erwartungen In den bisher erörterten Konstellationen wird sprachlich und argumentativ direkt auf den Willen Bezug genommen. Neben dieser unmittelbaren findet sich aber auch eine bloss mittelbare Willensreferenz, die einem im Recht verwendeten Konzept unausgesprochen unterlegt ist. Dies gilt etwa für die Willensdimension der Vertrauenstheorie:43 Das Vertrauen des Erklärungsempfängers richtet sich darauf, dass in der Erklärung ein bestimmter Wille des Erklärenden zum Ausdruck kommt. Auf dem Hintergrund der bestehenden rechtsdogmatischen Konstruktion des Vertragsschlusses ist dieser Willensbezug denknotwendig. Mit seiner Erwartungsbildung etabliert der Adressat einer Erklärung daher den Willen seines Gegenübers als subjektives Konstrukt. Über die Festlegung der Berechtigung von Erwartungen wird diese subjektive Willensprojektion vom Staat, als dem Träger des Gewaltmonopols, selektiv sanktioniert und damit hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung objektiviert. 2. Normative Dimension des tatsächlichen Willens Beim Versuch, den vertrauenstheoretischen Ansatz unmittelbar aus dem Willen des Versprechenden heraus zu begründen, offenbart sich das Konstruktionsmoment in aller Deutlichkeit. So heisst es in einer erklärungstheoretisch fundierten Stellungnahme BÄHRS, «jeder Contrahirende» müsse sich sagen, «dass er, indem er den Gegenüberstehenden veranlasst, auf Grund [der] äussern Erscheinung seines Willens ein Rechtsverhältnis einzugehen, auch in 42 43 COING (Fn. 25); an diesem Beispiel zeigt sich ausserdem, wie philosophische Einflüsse, auf welche die Figur der natura contractus zurückzuführen ist, ein neues Erklärungsmodell (vorliegend i.S. einer Rationalisierung) hervorbringen, jedoch die rechtliche Beurteilung eines gegebenen Sachverhaltes im Ergebnis kaum verändern, S. 71 ff. Vgl. zur Herausbildung der Eviktionshaftung im römischen Recht auch KASER (Fn. 15), S. 553 ff., insb. 556; ZIMMERMANN (Fn. 15), S. 293 ff., insb. 296 ff. Vgl. zur Vertrauenstheorie Fn. 28; zur Charakterisierung dieser Willensdimension als juristisches Konstrukt vgl. MEIER-HAYOZ (Fn. 7), S. 105 f. ZSR 2007 I 125 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann diese äussere Erscheinung seines Willens als für dieses Rechtsverhältnis massgebend einwilligt», weshalb man «geradezu genötigt [sei], den Begriff des Willens als Bedingung der Verpflichtung weniger innerlich aufzufassen (. . .).»44 Wie sich aus einem Vergleich dieser Umschreibung des Willens mit dem der Willenstheorie zugrunde gelegten tatsächlichen Willen als dogmatischem Element ergibt, weist nun aber auch letzterer eine normative Dimension auf. So erklärt WINDSCHEID als anerkannter Verfechter der Willenstheorie: «Das Wollen als innerer Seelenzustand ist dem Rechte gleichgültig», um kurz darauf fortzufahren: «[Die Willenserklärung] ist (. . .) mehr als Mitteilung des Willens, sie ist der Ausdruck des Willens. Sie ist der Wille in seiner sinnenfälligen Erscheinung.»45 Diese Äusserung lässt vermuten, dass in der Debatte zwischen Willens- und Erklärungstheorie implizit weitgehend Einigkeit über die Irrelevanz des inneren Willens für den juristischen Willensbegriff besteht, die autonome (wenngleich potenziell uneinheitliche) Begriffsbildung im Recht also, zumindest soweit einer Aussage rechtliche Relevanz zukommen soll, allgemein praktiziert und akzeptiert wird.46, 47 Bezeichnend 44 45 46 47 126 OTTO BÄHR, Über Irrungen im Contrahiren, JhJb 1875, S. 393 – 427, S. 400. BERNHARD WINDSCHEID, Wille und Willenserklärung, AcP 1880, S. 72 –112, S. 76 f.; vgl. auch die Behandlung der Mentalreservation bei ERNST ZITELMANN, Die juristische Willenserklärung, JhJb 1878, S. 357– 436, S. 400 ff., der über eine prozessuale Korrektur (die Unzulässigkeit der Geltendmachung des abweichenden Willens) die sachlich gebotene Modifikation einer extremen Willenstheorie (und damit deren theoretische Aufrechterhaltung) ermöglicht; zu diesem Kunstgriff läuft in gewisser Weise wiederum die bei BÄHR (Fn. 44), S. 401 anklingende verfahrensförmige Umsetzung seines Konzepts parallel; vgl. zum Ganzen auch SIBYLLE HOFER, Freiheit ohne Grenzen?, Habil. Frankfurt a.M. 2001, S. 169 ff., 177 f. Weder Erklärungs- noch Willenstheorie können sich schlüssig auf einen empirischen Willensbegriff berufen (bzw. eine entsprechende Begriffsbildung durchhalten): Wird die Erklärungstheorie (wie dies üblich ist) über den Einbezug der Erwartungsbildung als zusätzliches dogmatisches Element konzipiert, arbeitet sie mit einer blossen Willensreferenz und erfasst den Willen als subjektives Konstrukt; integriert man das Element der Erwartung in den Willensbegriff (wie dies gestützt auf die Ausführungen BÄHRS zumindest theoretisch möglich ist), liegt ein direkter Zugriff auf den Begriffsgehalt und damit eine offensichtliche Konstruktion vor. Ähnliche Tendenzen lassen sich für willenstheoretische Ansätze nachweisen, sobald diese ein bestimmtes Regelungsziel nicht verfehlen wollen: einerseits ein direkter Zugriff durch Veränderung des Willensbegriffs (wofür beispielhaft das WINDSCHEID-Zitat stehen kann), andererseits die indirekt wirksame Regulierung des begrifflichen Anwendungsbereichs (entsprechend der bei ZITELMANN aufscheinenden Realitätskonstruktion im Verfahren, wobei letztgenannter Mechanismus im Folgenden bezogen auf den Erklärungsirrtum noch näher abgehandelt wird). Dennoch ist eine Rekonstruktion der Debatte zwischen Willens- und Erklärungstheorie auf der Ebene des Willensbegriffs nur unvollständig möglich: Einerseits dürfte die Willenstheorie real mit einem Willensbegriff arbeiten, der (trotz gewissen Ausweitungen [vgl. Fn. 46]) die Anerkennung eines Konsenses in bestimmten Konstellationen nicht zulässt, in denen die Erklärungstheorie unter Hinzuziehung des Elements der Erwartung (bzw. aufgrund der [hypothetischen] Integration dieses Elements in den Willensbegriff [vgl. Fn. 46]) auf das Vorliegen eines Konsenses schliesst, so dass der Theorienstreit ergebnisrelevant ist. Andererseits wird die Erklärungstheorie praktisch nicht über einen veränderten Willensbegriff (wie er im zitierten Text von BÄHR aufscheint) formuliert, so dass die Debatte auch nur theoretisch als Kampf um die Ausweitung der über den Willensbegriff erfassten Konsens-Konstellationen rekonst- ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht ist in jedem Fall das Scheitern einzelner willenstheoretischer Versuche, eine Anbindung an die psychologische Begriffsbildung sicherzustellen.48 Neben dem direkten Zugriff auf den Begriffsgehalt liegt ein Konstruktionsmoment auch in der autonomen Bestimmung des Anwendungsbereichs eines Begriffs. So begrenzt das Recht die Konstellationen, in denen es die Berufung auf das Abweichen des tatsächlichen Willens von der nach Vertrauensprinzip ausgelegten Erklärung zulässt, durch das Erfordernis der Wesentlichkeit eines solchen Erklärungsirrtums.49 Dieses zusätzliche Regulativ entscheidet mithin darüber, ob der tatsächliche Wille überhaupt als dogmatisches Element relevant werden kann. Auf dem Hintergrund einer grundsätzlichen Skepsis des Rechts gegenüber der als irrational taxierten Schenkung50 wird nun in verschiedenen Rechtsordnungen dem Schenker eine grosszügigere Berücksichtigung allfälliger Irrtümer zugestanden.51 Darin zeigt sich 47 48 49 50 51 ruiert werden kann. Deutlicher lassen sich gewisse neuere Kontroversen, bei denen hinsichtlich der Begründung von Pflichten ein auf der Vertrauenstheorie basierendes Vertragsmodell Ansätzen gegenübersteht, die sich in ihrem Selbstverständnis vollständig vom Willenselement losgelöst haben, auf die Verwendung unterschiedlicher rechtlicher Willensbegriffe zurückführen. Hinzuweisen ist einerseits auf die Diskussion um die vertragliche oder gesetzliche Rechtsgrundlage von Schutzpflichten, andererseits auf die Frage, inwiefern sich Anwendungsfälle der Vertrauenshaftung vertraglich erfassen lassen. Die vertretenen Ansätze konvergieren jeweils im Ergebnis, indem sie bezüglich Existenz und Inhalt der Pflichten die gleichen Konstellationen abdecken, unterscheiden sich aber hinsichtlich der dogmatischen Begründung. Dabei wird das zusätzliche dogmatische Element, auf das der vertragliche Ansatz verzichtet, durch eine andere Fassung des Willensbegriffs (der hier als mittelbare Willensreferenz aktuell wird) aufgefangen. Diese erlaubt es, das Willenselement in Konstellationen hineinzulesen, zu deren zusätzlicher Erfassung die anderen Ansätze aufgrund eines abweichenden Willensbegriffs gerade entwickelt worden sind; damit werden solche Konstellationen einer Vertragskonstruktion zugänglich gemacht. Vgl. zur strukturellen Verwandtschaft von Vertrag und Vertrauenshaftung HANS CASPAR VON DER CRONE und MARIA WALTER, Konzernerklärung und Konzernverantwortung, SZW 2001, S. 53 – 68, S. 57 ff.; vgl. demgegenüber die Bestimmung getrennter Anwendungsbereiche von vertraglicher Bindung und Vertrauenshaftung bei CLAUS-WILHELM CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, Habil. München 1971, S. 411 ff., 424 ff.; zur Rechtsgrundlage der Schutzpflichten vgl. die Hinweise in Fn. 68. MEIER-HAYOZ (Fn. 7), S. 56 ff.; vgl. als typischen Vertreter dieser Richtung ERNST ZITELMANN, Irrtum und Rechtsgeschäft, Leipzig 1879, insb. seine methodischen Vorüberlegungen, in denen die postulierte Übernahme psychologischer Begrifflichkeit letztlich auf die notwendige Verselbständigung der Untersuchung auch in psychologischer Hinsicht hinausläuft, vgl. S. 17 ff., 24 f. Vgl. für das schweizerische Recht Art. 23 f. OR; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY (Fn. 10), N 820 ff. Dieser Haltung entspringen schon im römischen Recht verschiedene Beschränkungen, KASER (Fn. 15), S. 602 ff.; ZIMMERMANN (Fn. 15), S. 481 ff. sowie zu entsprechenden Tendenzen in modernen Rechtsordnungen 500 f., 504 ff. KRAMER (Fn. 6), N 87 f. unter Hinweis auf die abweichende Regelung in der Schweiz und in Deutschland; hierzu aber anders (i.S. einer weitergehenden Beachtlichkeit des Irrtums bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften auch im schweizerischen Recht) ANDREAS VON TUHR und HANS PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. 1, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 315. ZSR 2007 I 127 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann zum einen, wie der Willensbegriff über eine Umschreibung der Beachtlichkeit des Willenselements verfügbar gemacht werden kann; zum andern demonstriert das Beispiel die Verknüpfung der Begriffsverwendung mit materiellen Postulaten, indem der tatsächliche Wille umso eher Beachtung findet, je ausgeprägter seine Nichtbeachtung mit Rationalitätsvorgaben des Rechts kollidiert. II. Theorie: Autonome Begriffsbildung 1. Realitätskonstruktion im Recht durch autonome Begriffsbildung Der Willensbegriff demonstriert somit das Phänomen autonomer Begriffsbildung;52 indem das Recht über ein spezifisches, selbst geschaffenes begriffliches Instrumentarium verfügt, organisiert es den Zugriff auf einen sprachlich zu erschliessenden Bereich des Tatsächlichen und (re-)konstruiert in dieser Weise seine eigene, an den Funktionen des Rechts orientierte und rechtlich bearbeitbare Wirklichkeit.53 Zwangsläufig erweist sich das Recht daher als resistent oder zumindest nicht unmittelbar offen gegenüber Begriffsfassungen, die auf empirischen Erkenntnissen basieren. Dies gilt einerseits für einen Willensbegriff, in den unmittelbar Erkenntnisgewinne empirischer Wissenschaften einfliessen, die einen gesicherten Zugriff auf Inhalt und Mängel des Willensbildungs- und Willenserklärungsprozesses in Aussicht stellen. Dies gilt aber andererseits auch für Theoriebildung, die namentlich gestützt auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse von Vertretern dieser Disziplin geleistet worden ist und im Sinne einer Infragestellung der menschlichen Willensfrei- 52 53 128 Vgl. zur Begriffsbildung im Recht MICHEL PAROUSSIS, Theorie des juristischen Diskurses, Diss. Freiburg i.Br. 1995, S. 67, 93 ff., 103 ff., 109 ff.; vgl. auch die umfassenderen systemtheoretisch formulierten Konzepte der Selbstproduktion bei GUNTHER TEUBNER, Recht als autopoietisches System, Frankfurt a.M. 1989, S. 30 ff. und der operativen Geschlossenheit des Rechtssystems bei NIKLAS LUHMANN, Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1993, S. 38 ff., insb. 54 ff., der zwar auf die Unterscheidung normativer Geschlossenheit und kognitiver Offenheit besonderen Wert legt, jedoch klarstellt, dass externe Fakten «nur als intern erzeugte Information» zur Kenntnis genommen werden können, das «Zitieren von Wissen aus der Umwelt» also eine «rein interne Operation und kein Vorgang des ‹Transfers› von Informationen» ist, 84 f. Vgl. zur Konstruktion von Tatsachen im Recht und insbesondere im Prozess PATRICK NERHOT, The Fact of Law, in: Gunther Teubner (Hrsg.), Autopoietic Law: A New Approach to Law and Society, Berlin/New York 1988, S. 312 – 334, S. 320 ff., 329 f.; vgl. auch SAMUEL (Fn. 22), S. 40 ff.; allgemein zur Konstruktion von Realität SIEGFRIED J. SCHMIDT, Der Radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im interdisziplinären Diskurs, in: ders. (Hrsg.), Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus, Frankfurt a.M. 1987, S. 11– 88, S. 30 ff.; ERNST VON GLASERSFELD, Wissen, Sprache und Wirklichkeit, Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 102 ff., der auch den funktionalen Aspekt dieses Vorgangs betont, 200 ff. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht heit auch auf der begrifflichen Ebene Wirkung entfalten würde.54 Willensbasierten Denkmodellen wird im Recht eine bestimmte gesellschaftsrelevante Funktion zugewiesen. Als traditional abgestützte und im permanenten Gebrauch konsentierte Konstrukte erfüllen sie diese Aufgabe weitgehend losgelöst von ihrem empirischen Gehalt. Die Rechtspraxis lässt sich deshalb auf Streitstand, Erkenntnisse und Theoriebildung der Nachbardisziplinen nur zurückhaltend ein55, 56 – und sie könnte diese Zurückhaltung auch nur um den Preis einer relativierten Vorhersehbarkeit der Entscheide und damit einer Gefährdung der Rechtssicherheit aufgeben. 2. Funktion der Verwendung des Willensbegriffs: Wille als Ordnungsprinzip Was ist nun auf diesem Hintergrund das Spezifikum des im Recht verwendeten Willensbegriffs? Was leistet dieser Begriff? Mit der Bezugnahme auf den Willen verbindet sich im Vertragsrecht die Vorstellung der Privatautonomie. Auf der Grundlage eines Menschenbildes, welches die Rationalität menschlicher Handlungen unterstellt, wird Autonomie in ihrem positiven Gehalt verstanden als Fähigkeit zur willentlichen Selbstrestriktion, die rationales 54 55 56 Vgl. zur Auseinandersetzung mit diesen Positionen im Recht HEINRICH AMADEUS WOLFF, Die Willensfreiheit und die Grundrechte, JZ 2006, S. 925 – 930, S. 929 f.; SILVIE RAINER, LUZIA FÄH und MARTIN KILLIAS, Freier Wille oder Zwang?, SZK 2007, S. 3 –11, S. 8 ff.; KURT SEELMANN, Sind die Grundannahmen einer Rechtsgesellschaft mit den Resultaten der modernen Hirnforschung vereinbar?, in: Marcel Senn und Dániel Puskás (Hrsg.), Gehirnforschung und rechtliche Verantwortung, ARSP Beiheft Nr. 111, S. 91–102, S. 98 ff. sowie den im gleichen Band abgedruckten Beitrag von MARCEL SENN, Was wollen wir wissen, und wo ist es überhaupt sinnvoll, weiterzudiskutieren?, S. 11– 26, S. 18 ff.; THOMAS HILLENKAMP, Willensfreiheit ist Illusion – oder: Was lässt die Hirnforschung vom Strafrecht übrig?, in: Christof Gestrich und Thomas Wabel (Hrsg.), Freier oder unfreier Wille?, Beiheft 2005 zur BThZ, S. 72 – 93, S. 80 ff. Die Stellungnahmen konzentrieren sich vornehmlich auf Methodenkritik, Unsicherheit der potenziell relevanten Erkenntnisse, Problematisierung der Auswirkungen einer Umsetzung dieser Erkenntnisse sowie Kompatibilisierung (einerseits über entsprechende Interpretation des juristischen Willensbegriffs und der Erkenntnisse der Hirnforschung, andererseits durch Fokussierung auf die subjektive Vorstellung der Rechtsunterworfenen). Teilweise unausgesprochen ist diesen Ansätzen die Grundannahme gemeinsam, an sich sei die Rezeption der Erkenntnisse anderer Disziplinen im Recht notwendigerweise zu erwarten. Diesen Aspekt soll die These der Theorieresistenz problematisieren. Vgl. zum spezifisch juristischen Willensbegriff, der im Recht als gegeben vorausgesetzt wird und tendenziell nicht hinterfragbar ist BUCHER (Fn. 28), S. 110 f.; am Beispiel der Handlungsfreiheit ANDREAS VON TUHR, Die Bedeutung des Willens im Zivilrecht, ZSR 1922, S. 259 – 279, S. 278 f.; zum zentralen Stellenwert solcher «Ankerpunkte» SAMUEL (Fn. 22), S. 62. Dass diese autonome Begriffsbildung die in B.II. erwähnten dogmatischen Ausweichbewegungen nicht überflüssig macht, lässt sich damit erklären, dass entsprechende dogmatische Positionsbezüge (zumindest implizit) bestrebt sind, die spezifisch rechtliche Verformung eines Begriffs aufzudecken und als nicht methodenehrlich zurückzuweisen. ZSR 2007 I 129 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann Handeln und Planen ermöglicht.57 Dem Willensbegriff wird damit die Vermittlung gesamtgesellschaftlicher Rationalitätsvorgaben übertragen. Indem das Recht ihn mit diesem Bedeutungsgehalt auflädt, gewinnt der Wille als Referenzpunkt selbst den Charakter eines objektivierenden Ordnungsprinzips. Entsprechend dieser Ordnungsfunktion erweist sich der juristische Sprachgebrauch auch als resistent gegenüber anderen normativen Begriffsfassungen. Weitgehend unberührt blieb das Vertragsrecht beispielsweise von der theologischen Problematisierung der Willensfreiheit. Ebenso lässt sich bei der Herausbildung der Willenstheorie im 19. Jahrhundert kein über die allgemeine Konjunktur des Begriffs hinausreichender Anschluss an den philosophischen Diskussionsstand der Zeit feststellen; wie etwa der im Zuge seiner Einführung ins französische Recht neu gefasste Begriff «autonomie de la volonté» zeigt, fliessen Ordnungsvorstellungen, die sich mit einem philosophisch konzipierten Willensbegriff verbinden, nicht ins Recht ein.58, 59 Fungiert aber der Wille als Ordnungsprinzip, so stellt sich die Frage, weshalb zur Erbringung einer Objektivierungsleistung überhaupt mit dem Willensbegriff gearbeitet wird. Liegt darin lediglich eine suggestive rhetorische Verknüpfung mit individualistischen Grundpositionen oder kommt der Verwendung des Begriffs eine darüber hinausgehende Berechtigung zu, indem er auch die Vermittlung gesellschaftlich nicht eingebundener Autonomie verbürgt? Jedenfalls hat der Wille eine legitimatorische Funktion, die auf ein Paradox verweist: Für gewisse Formen der überindividuellen Ordnung scheint es eine unverzichtbare Voraussetzung zu sein, dass gesellschaftlich ein Willensbegriff vorgegeben wird, der menschliches Handeln aus dem allgemeinen gesellschaftlichen Zugriff herauslöst, auf dieses aber durch Einbezug von Rationalitätskriterien in den Begriff zugleich normierend einwirkt. 57 58 59 130 Vgl. die Analyse dieser für den Liberalismus typischen Vorgabe bei EMILIO SANTORO, Autonomy, Freedom and Rights, Dordrecht/Boston/London 2003, S. 14 ff., 67 ff., der auch die entsprechende Prägung des Autonomiebegriffs bei Kant hervorhebt, 16 ff. Diese Parallele verweist jedoch nicht auf einen bewussten Anschluss des rechtlichen an den philosophischen Sprachgebrauch: Die konstatierte Ordnungsfunktion, die einer fachjuristischen Autonomiekonzeption oft nur unbewusst unterlegt ist, entbehrt gerade des moralischen Gehalts, der im kantischen Autonomiebegriff angelegt ist (vgl. die Nachweise in Fn. 58). EMMANUEL PUTMAN, Kant et la Théorie du Contrat, R.R.J. 1996, S. 685 – 696, S. 687 ff.; RANOUIL (Fn. 30), S. 53 ff.; vgl. zum Ganzen GORDLEY (Fn. 31), S. 79 ff. Vgl. als weiteres Beispiel den beschränkten (in neuen Rechtsgebieten tendenziell ausgeprägteren) Einfluss, welchen philosophische Begriffsbildung und Klassifikation (deren Anwendungsfeld v.a. die Gerichtsrhetorik war) auf das römische Recht hatten, WIEACKER (Fn. 32), S. 627 f., 632, 638. In gleicher Weise wurden auch materiale Elemente der Ontologie, Sprachtheorie und Grammatik primär argumentativ eingesetzt, 640, 657, 660 ff.; konzediert wird immerhin ein damit einhergehender «sich verdichtende[r] Erkenntniszusammenhang». ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht 3. Rechtfertigung der Theorieresistenz aus der Funktionsweise des Rechts In diesem gesellschaftsgestaltenden Moment liegt möglicherweise der Schlüssel zu einer positiven Sicht auf die das Recht auszeichnende, mit der Funktionsweise des Rechts eng zusammenhängende Theorieresistenz. Begriffskonstruktion als Eigenleistung des Rechts ist eminent politisch. Sie arbeitet widerstreitende Interessen in juristische Begriffe ein und verbindet damit unweigerlich eine Festlegung der prävalierenden Werte.60 Dieser politische Charakter der Rechtsdogmatik folgt nur zum Teil aus einer Anbindung an institutionalisierte politische Prozesse.61 Das in die Begriffe und Konzepte des Rechts eingeschmolzene Interessenurteil ist vielmehr ebenso tradiertes Element herrschender Rechtsdiskurse.62 Dogmatische Verhärtungen, die eine Immunisierung gegenüber ausserrechtlicher Theoriebildung bewirken, treten nun vor allem dann auf, wenn sich die einem Begriff eingeschriebenen Grundannahmen des Rechts als für Gesellschaft konstitutiv erweisen, wie dies für die doppelte Ordnungsfunktion des Willensbegriffs, der materiell Rationalitätsvorgaben transportiert und gleichzeitig formal die begründete individuelle Zurechnung erlaubt, zutrifft. In Kombination mit dem für das Recht typischen Entscheidungszwang63 ergeben sich so hohe An- 60 61 62 63 Gegenüber der Verdeckung der politischen Dimension durch eine begrifflich-logische Struktur hat eine politische Rechtstheorie herauszuarbeiten, dass die Bindungen, welche das Instrumentarium des Rechts auferlegt, im Ursprung nicht begrifflich-logisch konstituiert sind; offenzulegen ist damit sowohl die gesellschaftsgestaltende Funktion von Dogmatik wie auch umgekehrt die Gestaltbarkeit der Dogmatik selbst. Vgl. zum umfassenden Programm einer politischen Rechtstheorie WIETHÖLTER (Fn. 39), S. 10, 38 ff., 178 ff. und passim sowie DERS., Begriffs- oder Interessenjurisprudenz – falsche Fronten im IPR und Wirtschaftsverfassungsrecht, in: FS Kegel, Frankfurt a.M. 1977, S. 213 – 263, zusammenfassend S. 261 ff. Zur Loslösung von Normtexten durch dogmatische Begrifflichkeit NIKLAS LUHMANN, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, Stuttgart et al. 1974, S. 16; zur fehlenden institutionellen Beherrschbarkeit juristischer Paradigmen CHRISTIAN ATIAS, Epistémologie juridique, Ziff. 84. JOSEPH ESSER, Elementi di diritto naturale nel pensiero giuridico dogmatico, Nuova Rivista di Diritto Commerciale, Diritto dell’Economia, Diritto Sociale 1952, S. 54 – 65, S. 57 weist dem in den Begriff integrierten Interessenurteil, da es nicht positivrechtlich gesetzt ist, einen naturrechtlichen Gehalt zu. U.E. genügt es, sich auf die Feststellung zu beschränken, dass der Begriffsgehalt in einer diskursiven Tradition verankert ist, die bei Fundamentalbegriffen so ausgeprägt sein kann, dass selbst Gesetzgebung im Recht nur als Irritation wahrnehmbar ist. Recht ist damit zu erfassen als Praxis, wobei Spezifikum des Rechts eine bestimmte Technik im Umgang mit einer Grundaporie ist, auf die der einzelne Begriff bezogen bleibt und die ihre klassische Formulierung in der Gerechtigkeitsfrage findet, vgl. THEODOR VIEHWEG, Topik und Jurisprudenz, 5. Aufl., München 1974, S. 101 ff. Eine moderne Formulierung dieser vom Recht zu bewältigenden Grundaporie zeichnet sich möglicherweise in einem Verständnis des Vertragsrechts als Kollisionsregel für die Bestimmung des Verhältnisses rivalisierender gesellschaftlicher Teilrationalitäten ab, vgl. zu diesem Ansatz GUNTHER TEUBNER, Vertragswelten: Das Recht in der Fragmentierung von Private Governance Regimes, Rechtshistorisches Journal 1998, S. 234 – 265, S. 243 ff., 255 ff.; DERS. (Fn. 52), S. 123 ff., 130 ff. Vgl. aus theoretischer Perspektive und weiterführend JACQUES DERRIDA, Gesetzeskraft, Frankfurt a.M. 1991, S. 54 ff. ZSR 2007 I 131 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann forderungen an die Operabilität einer auf alternativen theoretischen Annahmen basierenden Dogmatik, dass die Grundannahmen des Rechts, wenn überhaupt, nur langfristig verfügbar sind.64 Eine integrale Verwendung wissenschaftlicher Theoriebildung im Recht fällt damit regelmässig ausser Betracht; soweit Teilaspekte Beachtung finden, dienen sie primär als Auslöser produktiver Irritation.65 In diesem Sinn muss eine gewisse Abkoppelung des Rechts von anderen wissenschaftlichen Bemühungen, zumindest aber eine latente Zurückhaltung gegenüber deren Integration konstatiert werden, die sich als Schliessung des allgemeinen rechtswissenschaftlichen und insbesondere des rechtsdogmatischen Diskurses bemerkbar macht; doch ist diese Erscheinung untrennbar verbunden mit einem Recht, das sich seiner politischen Dimension bewusst ist, einem Recht, in welchem Ordnungsvorstellungen konstituiert und durchgesetzt werden, von welchem also Ordnungsleistungen zu erbringen, vor allem aber auch politisch zu verantworten sind. D. Information als Ordnungsleistung I. Informationsordnung als Vertrauensordnung Kehren wir zurück zum Ausgangspunkt, der von CICERO aufgeworfenen Fragestellung, ob der bei den hungernden Rhodiern eintreffende Getreidehändler diese über das Nahen weiterer Getreideladungen zu informieren hat. Das Beispiel hat seit CICERO nie an Aktualität verloren.66 So kann heute der Finanzanalyst in vergleichbarer Weise über einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern verfügen. Die Parallele zu Vorabinformationen über börsenkotierte Unternehmen zeigt aber auch, dass nicht jede Informationsasymmetrie gleichermassen gerechtfertigt ist: Es ist offensichtlich relevant, ob der besser Informierte den Informationsvorsprung einer Insiderstellung verdankt, durch glücklichen Zufall erworben oder aufwändig erarbeitet hat. Gerade für die dritte Kategorie liesse sich eine Aufklärungspflicht volkswirtschaftlich gesehen schwerlich rechtfertigen: Der Zwang zur Preisgabe von Information würde den Anreiz beseitigen, Mittel in die Analyse von Unternehmen zu investieren, womit die Qualität der Preisbildung auf den Kapitalmärkten in Frage gestellt wäre. Die Komplexität der von CICERO gewählten 64 65 66 132 Vgl. zur Zersplitterung der potenziell zu rezipierenden philosophischen Ansätze als Erklärung des begrenzten Einflusses griechischer Philosophie auf das römische Recht WIEACKER (Fn. 32), S. 640 ff. Vgl. als mögliches Beispiel die Charakterisierung der Denkhaltung Savignys als objektiv-idealistisch, ohne dass darin der Anschluss an eine bestimmte fachphilosophische Richtung liegen würde, bei JOACHIM RÜCKERT, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, Habil. München 1984, S. 234 ff., 240 ff., 279 f., 286 ff. Vgl. z.B. aus der US-amerikanischen Rechtsprechung Laidlaw et al. v. Organ, 15 U.S. 178 (1817). ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Konstellation liegt nun darin, dass hier die wohlfahrtsökonomische Perspektive potenziell mit individualethischen Argumenten kollidiert.67 Ob die Kenntnis von Marktkräften, die zukünftige Preisschwankungen auslösen werden, Gegenstand einer Informationspflicht bilden kann, wird denn auch nach wie vor diskutiert. Zu überprüfen ist daher, ob sich das Bestehen einer Aufklärungspflicht auf die vorstehenden Überlegungen zum Stellenwert des Willens im Vertragsrecht auswirken würde. Relativiert der Bezug zwischen Willen und Information die Thesen, wonach einerseits der Wille durch rechtsdogmatische Gegenkonzepte überformt wird, andererseits das Recht sich den Willensbegriff durch autonome Rekonstruktion aneignet? Instrument zur Lenkung des Informationsflusses ist primär die Statuierung direkter und indirekter Informationspflichten. Bereits die Frage nach der Rechtsgrundlage dieser Pflichten aktualisiert nun aber ihrerseits eine Verknüpfung der Information mit dem Vertrauenselement. Denn auf dieser Ebene wiederholen sich die vorgängig diskutierten Abgrenzungsprobleme, die aus der Gegenüberstellung gesetzlicher und vertraglicher, willens- und vertrauensbasierter Ansätze bei der Ermittlung der Rechtsgrundlage bestimmter Pflichtenkomplexe herrühren.68 Darüber hinaus führt der Einbezug von Information zur Herausbildung neuer Vertrauenspotenziale. Sowohl die Qualität als auch (soweit Informationspflichten bestehen) die Erbringung der Information an sich sind Gegenstand des Vertrauens des Informationsadressaten. Umgekehrt baut auch der Informierende, dessen Verhalten mit einer gegebenen Informationsordnung übereinstimmt, Vertrauen auf. Insbesondere durchschneidet die Festlegung des Gegenstands und der Tiefe einer Informationspflicht zwangsläufig die Menge der potenziell verwertbaren Information und definiert damit negativ einen Bereich, in dem auf Information verzichtet werden kann. Der korrekt Informierende vertraut darauf, dass sein Vertragspartner sich später nicht unter Berufung auf Willensmängel aus dem Vertrag löst. Besonders deutlich wird der Schutz dieses Vertrauens in denjenigen Rechtsordnungen, welche die Geltendmachung des Irrtums von der fehlenden Schutzwürdigkeit der Gegenpartei abhängig machen und eine Schutzwürdigkeit dann verneinen, wenn die Gegenpartei den Irrtum veranlasst hat. Nicht zufällig stellen denn gerade nicht willenstheoretisch konzipierte Rechtsordnungen (so die englische oder die niederländische) auf dieses Kriterium des zurechenbaren Informationsdefizits ab, während Rechtsordnungen wie die schweizerische oder die deut67 68 Vgl. die Wiederaufnahme des Falles unter diesem Aspekt bei THOMAS VON AQUIN, Summa Theologica, hrsg. v. d. Albertus-Magnus-Akademie Walberberg bei Köln, Bd. 18, Heidelberg et al. 1953, II–II, qu. 77, 3. Zur Rechtsgrundlage von Schutzpflichten vgl. einerseits CLAUS-WILHELM CANARIS, Ansprüche wegen «positiver Vertragsverletzung» und «Schutzwirkung für Dritte» bei nichtigen Verträgen, JZ 1965, S. 475 – 482, S. 479, andererseits VON DER CRONE/WALTER (Fn. 47), S. 57 ff.; zum Ganzen auch OECHSLER (Fn. 25), S. 244 ff. ZSR 2007 I 133 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann sche, die vergleichsweise stärker von der Willenstheorie geprägt sind, zumindest formell keine entsprechende Beschränkung der Geltendmachung von Willensmängeln kennen.69 II. Objektivierung durch selektive Information Insgesamt wird die Informationsordnung in dogmatischer Hinsicht nicht durch das Willenselement dominiert; sie ist mindestens so sehr Vertrauensordnung. Wo dem Willenselement eigenständige Bedeutung zukommt, ändert der Einbezug des Informationselements auch nichts am Befund, dass das Recht seinen Willensbegriff autonom konstruiert. Indem das Recht diejenigen Informationen, bei denen unrichtige oder unterlassene Vermittlung die Geltendmachung eines Willensmangels erlaubt, selegiert, fixiert es die rechtliche Verbindlichkeit bestimmter Willensbildungsprozesse anhand objektiver Kriterien. Dass damit auch die mittelbare Festlegung der rechtlich nicht weiter hinterfragbaren Willensinhalte objektiven Rationalitätskriterien folgt, weist den im Recht verwendeten Willensbegriff erneut als Ordnungsbegriff aus, der einer spezifisch juristischen Tradition verpflichtet ist. Damit bestätigt sich auch die Erklärung, die im Rahmen dieses Textes versuchsweise für die Resistenz des Rechts gegenüber ausserrechtlicher Begriffs- und Theoriebildung gegeben worden ist: Im Interessengeflecht, aus dem Rechtsdogmatik hervorwächst und das sie zugleich verdeckt, liegt eine politische Dimension, die innerhalb des Rechts aufgewiesen, verhandelt und politisch verantwortet werden muss. Zusammenfassung Wille als dogmatisches Element wird im Vertragsrecht sowohl durch formale und typologische Ergänzung des Konsenses als auch durch Konsensermittlung aufgrund berechtigter Erwartung überformt. Allgegenwärtig bleibt der Wille als unverzichtbarer gedanklich-konzeptioneller Bezugspunkt, erweist sich dabei aber als spezifische Konstruktion des Rechts. Auf einer theoretischen Ebene führen diese Überlegungen zur Formulierung der These, wonach sich Recht durch eine ausgeprägte Theorieresistenz auszeichnet: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Theoriebildung anderer Disziplinen können im Recht sowohl durch dogmatische Ausweichbewegungen als auch durch autonome Begriffsbildung absorbiert werden, wobei eine mögliche Erklärung dieses Phänomens in der politischen Dimension des rechtsdogmatischen Diskurses liegt. 69 134 KRAMER (Fn. 6), N 31 ff.; vgl. Art. 228 Abs. 1 lit. a und b des 6. Buchs des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs; zur Kompensation des Fehlens dieser Beschränkung durch eine Schadenersatzpflicht des Anfechtenden im schweizerischen Recht vgl. Art. 26 Abs. 1 OR. ZSR 2007 I Wille und Willensreferenz im Vertragsrecht Résumé En droit des contrats, la volonté en tant qu’élément dogmatique est superposée non seulement par la complémentation formelle et typologique de l’accord des parties mais encore par la détermination de ce dernier par les attentes justifiées du cocontractant. La volonté reste néanmoins un point de référence conceptuel indispensable et se révèle être une construction juridique spécifique. Sur un plan théorique, ces considérations nous amènent à soutenir que le droit présente une résistance prononcée à la théorie: les connaissances scientifiques et concepts théoriques d’autres disciplines peuvent être absorbés par le droit non seulement par des déviations dogmatiques mais encore par le développement autonome de certaines notions. Ce phénomène pourrait s’expliquer par la dimension politique du discours juridique dogmatique. ZSR 2007 I 135 Hans Caspar von der Crone/Paul Felix Wegmann 136 ZSR 2007 I