Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Mümmelmannsberg

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Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Mümmelmannsberg
INFO 1 / 2011
20 Jahre GS Blankenese
Kunstprojekt in Sarajewo
Gute Schulen auf dem Weg zur Inklusion
Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Mümmelmannsberg führen mit Schauspielern am Hamburger Schauspielhaus das gemeinsam entwickelte Stück Hänsel und
Gretel gehn Mümmelmannsberg auf.
GGG LV HH Info 1/2011
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Inhaltsverzeichnis
Editorial.............................................................................................................................................. 3
Der Landesvorstand stellt sich vor..................................................................................................... 4
Rückblick auf die Mitgliederversammlung 2010.............................................................................. 5
Tätigkeitsbericht 2009/2010.............................................................................................................. 5
Kassenbericht 2009............................................................................................................................ 7
GGG und Stadtteilschule................................................................................................................... 8
2. Hamburger GGG-Fachtagung...................................................................................................... 10
Geschwister-Scholl GS: Kunstraushängen...................................................................................... 11
in memoriam Jürgen Riekmann....................................................................................................... 12
20 Jahre GS Blankenese................................................................................................................... 17
Ida-Ehre-GS, GS Stellingen: Sarajewoprojekt Klimaschutz........................................................... 23
Wie geht es los mit den Stadtteilschulen?........................................................................................ 26
Fachtagung „Gute Schulen auf dem Weg zur Inklusion“................................................................ 27
Herzlich willkommen!..................................................................................................................... 29
Beitrittserklärung............................................................................................................................. 30
Grundsatzposition der GGG............................................................................................................ 31
Impressum:
Das GGG-Info ist das Mitglieder-Magazin der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule (GGG)
- Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V., Landesverband Hamburg.
Redaktion und Gestaltung: Ulf Kahlke, Ulrike Kaidas-Andresen, Heiner Andresen
Für die Inhalte der Beiträge sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.
Druck: druckwelten GmbH, Spritzenplatz 5-7, 22765 Hamburg, T.: (040) 390 32 77
Auflage: 350
Fotos: H. Andresen, Geschwister-Scholl-GS, GS Blankenese, GS Stellingen, Ida-Ehre-GS, U. Kaidas-Andresen
V.i.S.d.P.: H. Hayunga, U. Kahlke, U. Kaidas-Andresen, Eike Karsten, Peter Puhle, A. Volkmann
Homepage der GGG LV HH: www.ggg-hamburg.de
E-Mail: [email protected]
Vorstand der GGG-LV Hamburg:
Ulrike Kaidas-Andresen (Sprecherin), T.: (040) 735 49 62 – E-Mail: [email protected]
Hayo Hayunga, T.: (040) 432 77 512 - E-Mail: [email protected]
Ulf Kahlke, T.: (04101) 74 0 71 – E-Mail: [email protected]
Eike Karsten, T: (040) 81 97 42 80 - E-Mail: [email protected]
Peter Puhle, T: (040) 724 51 24 - E-Mail: [email protected]
Annegret Volkmann, T.: (040) 735 59 24 – E-Mail: [email protected]
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GGG LV HH Info 1/2011
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
dieses Mal ist es leider eine lange Zeit her, dass ihr das INFO
des Hamburger Landesverbandes in Händen haltet- das heißt aber
nicht, dass wir als Landesvorstand inaktiv gewesen wären. – Wir
sind neu aufgestellt im Vorstand: Eike Karsten (STS Harburg) und
Peter Puhle (ehemals GS Bergedorf) sind neu dabei – mehr zu unseren Aktivitäten auf der Mitgliederversammlung am 22.11.2011.
Dieses Heft ist wie ein Rückblick auf 2010 – Abschied von Jürgen Riekmann, Abschied vom Begriff Gesamtschule in Hamburg...
Einen Schwerpunkt dieses Heftes bildet der Artikel von Gert
Rauschning: „20 Jahre GS Blankenese“, hervorragend geschriebene Hamburger Gesamtschulgeschichte (wenn auch leider leicht
eingekürzt).
Aber der Blick geht nicht nur zurück, auf Seite 29 könnt ihr
lesen, wer die neuen 16 GGG-Mitglieder des Hamburger Landesverbandes sind mit ihrer doch sehr unterschiedlichen „Herkunft“.
Dies ist auch ein Ergebnis des bewegten schulpolitischen Jahres
2010, in dem viele neue Kontakte entstanden sind. Besonders freut
mich als Alt-Harburgerin der Beitritt der ersten „neuen“ STS, der
Lessing-Stadtteilschule Harburg.
Für den GGG-Landesvorstand Hamburg
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Der Landesvorstand stellt sich vor
Hayo Hayunga
Seit 2006 Abteilungsleiter an der Erich Kästner Gesamtschule in
Hamburg Farmsen. Die GGG ist für mich die Vertretung für Schulen,
die das gemeinsame Lernen zu ihrem Schwerpunkt gemacht haben,
deswegen arbeite ich gern im Vorstand des LV Hamburg.
Ulf Kahlke
Ich war von Januar 1964 bis Sommer 2004 im Hamburger Schuldienst als Lehrer, später als stellvertretender Schulleiter an der MaxBrauer-Schule beschäftigt. Nach der Pensionierung wurde ich 2004
in den Vorstand der GGG LV Hamburg gewählt. Hier liegt mein
Hauptaufgabengebiet vor allem im Organisatorischen, der Verwaltung der Finanzen und (gemeinsam mit Ulrike Kaidas-Andresen)
der Erstellung des INFOs.
Ulrike Kaidas-Andresen
Von 1997 – 2006 war ich Elternrätin an zwei Bergedorfer Gesamtschulen. Seit 2004 engagiere ich mich schulpolitisch im Hamburger
LV der GGG, seit 2007 auch im Bundesvorstand. Als Sprecherin
des LV Hamburg habe ich mich in den letzten Jahren für eine Vernetzung der GGG in Hamburg mit anderen Verbänden eingesetzt
(GEW, GSV, ESfA).Ich bin Lehrerin an der Erich Kästner-(G)S.
Eike Karsten
In Hamburg haben zum Schuljahr 2010/11 52 Stadtteischulen ihre
Arbeit aufgenommen. Die GGG unterstützt diese Schulform. Unter
dem neuen Logo „Stadtteilschule - Eine für alle“ verstehe ich gemeinsames Lernen bis zum Abitur. Diese Aufgabe mitzugestalten
ist mir ein besonderes Anliegen. Als Mitglied im Vorstand wirke ich
mit Freude daran mit. Ich bin Abteilungsleiterin für die Jahrgänge
Peter Puhle
Nach meiner Pensionierung als Stellvertretender Schulleiter der
Gesamtschule Bergedorf und dem Ausscheiden aus der Hamburger
Lehrerkammer war für mich die weitere Mitarbeit in der GGG als
Verband für Schulen des Gemeinsamen Lernens kein großer Schritt.
Die Diskussion um die Positionierung des GGG-Landesverbandes
HH zur Unterstützung der Stadtteilschule habe ich angestoßen und
möchte sie aktiv im Vorstand begleiten.
Annegret Volkmann
Ich bin an der Stadtteilschule Lohbrügge als Abteilungsleiterin 5
– 7 tätig. Seit 2004 bin ich im Vorstand des LV Hamburg. Meine
Arbeitsschwerpunkte sehe ich in der Weiterentwicklung von Schule.
Individualisierung, Kompetenzorientierung und Inklusion sind die
Themen, an denen ich mitwirken möchte.
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Rückblick auf die Mitgliederversammlung 2010
Tätigkeitsbericht
Bericht über die Mitgliederversammlung am
30.9.2010
Die Mitgliederversammlung 2010 fand in der Gesamtschule
Mümmelmannsberg statt. Fünfzehn Mitglieder hatten den Weg in
diesen Stadtteil gefunden um sich über die gelaufene Arbeit der
Hamburger GGG und die zukünftigen Aktivitäten und Positionierungen der GGG in Hamburg nach der Schulreform und dem (aus
unserer Sicht) gescheiterten Volksentscheid auszutauschen.
Wilhelm Koch-Burmeister (Abteilungsleiter 5-7) stellte beeindruckend die erfolgreiche Arbeit der Schule in einem nicht unproblematischen Stadtteil dar. Die GS Mümmelmannsberg zeichnet
sich auch durch eine intensive Kulturarbeit aus.: Momentan stehen
Schüler dieser Schule immer noch auf der Bühne des Hamburger
Schauspielhauses in dem Stück „Hänsel und Gretel gehn Mümmelmannsberg“ (Regie: Volker Lösch) (siehe Titelbild) – ein beeindruckendes und berührendes Theatererlebnis.
Nach der Vorstellung des Kassen- und Rechenschaftsberichtes
wurde der Vorstand einstimmmig entlastet.
2010 stand auch die Wahl des Hamburger LV an: Es kandidierten
Hayo Hayunga, Ulf Kahlke, Ulrike Kaidas-Andresen, Eike Karsten,
Peter Puhle und Annegret Volkmann.
Einstimmig wurde diese Gruppe zum Hamburger Landesvorstand
gewählt. Als Kassenprüfer wurden Brigitte Bostelmann und Holger
Jandt wiedergewählt.
Das Thema “Hamburg nach dem Volksentscheid – Wie weiter?“
wurde lange und sehr intensiv diskutiert: Die Rolle der „alten“
Gesamtschulen als Motor der weiteren Schulentwicklung, die
Einbeziehung/ Kontaktierung der neu entstandenen integrativen
Stadtteilschulen auf der einen Seite – auf der anderen Seite eine systematische Analyse, warum der Volksentscheid aus Sicht der GGG,
der Befürworter des längeren gemeinsamen Lernens gescheitert ist.
(Siehe Artikel von Peter Puhle zur Schulstruktur in Hamburg S. 26).
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Tätigkeitsbericht
Tätigkeitsbericht April 2009 bis September 2010
des Hamburger Landesvorstandes: Andreas Baumgarten (AB), Hayo Hayunga (HH), Ulf Kahlke (UK),
Ulrike Kaidas-Andresen (UKA), Jürgen Riekmann (JR), Annegret Volkmann (AV)
Vorlage für die Mitgliederversammlung am 30. September 2010
- 20.4.09 Mitgliederversammlung in der Erich Kästner-GS
- Monatliche Sitzungen des LV (15 im Berichtszeitraum)
- 21.4.09 Bundeskongress-Vorbereitung in der Max-Brauer-Schule (UKA, JR)
- 22.4.09 LAG Bildung der GAL (UKA)
- 11.6.09 Schreiben an die Hamburger GS – Werbung für korporative Mitgliedschaft (UKA):
12 weitere Hamburger GS treten in die GGG ein
- 18./19.6.09 Bundesvorstandssitzung in Stedesdorf (UKA)
- 2.7.09 Vorbereitungsgespräch Bundeskongress in der MBS mit Barbara Riekmann (UKA)
- 17.7.09 Ganztagssitzung des LV HH
- 28.7.09 Abschlussredaktionssitzung Info 2 in Pinneberg (UK, UKA)
- 27.8.09 Info 2/2009 erscheint
- 2.9.09 Planungssitzung Bundeskongress mit der MBS (UKA, JR)
- 18.-20.9.09 GGG-Bundeskongress „Gemeinsam lernen-Tor zur Welt“ in der Max-Brauer-
Schule)
- 12.1.09 Sitzung „Eine Schule für alle“ (UKA, JR)
- 13.11.09 „Berliner GGG-Tag“ (HH,UKA)
- 20./21.11.09 Bundesvorstand/ Hauptausschuss in Unna (AB,UKA)
- 23.11.09 Bildungssalon der KÖRBER-Stiftung (UKA)
- 2.12.09 Planungsgespräch 2.Hamburger GGG-Tag im Landesinstitut Hamburg mit
Dr. Jochen Schnack (Ltg.Unterrichtsentwicklung LI) (UKA)
- 15.1.10 Bundesvorstandssitzung in HH – Auswertung des Bundeskongresses
- 15.1.10 Neujahrsempfang der GAL (UKA, Lothar Sack)
- 4.2.10 Kassenprüfung durch Brigitte Bostelmann und Holger Jandt (UK)
- 5.2.10 2.Hamburger GGG-Tag „Der Bildungsplan für die Stadtteilschule“ in der GS
Allermöhe mit 150 Teilnehmern
- 12.3.10 Hauptausschusssitzung in Unna (AB)
- 7.4.10 „Chancen für alle“ Planungsveranstaltung / Vorstellung des Konzeptes (UKA)
- 12.4.10 Mitgliederversammlung „Eine Schule für alle“ (UKA)
- 14.4.10 Erklärung des Bundesvorstandes „Unterstützung der Initiative „Chancen für alle““
- 18.4.10 Bildungssalon der KÖRBER-Stiftung (UKA)
- 30.4.10 Auftaktveranstaltung „Chancen für alle“ auf Kampnagel (UKA)
- 3.5.10 Bildungssalon der KÖRBER-Stiftung (Ref. Andreas Schleicher) (UKA)
- 12.-14.5.10 GEW-GGG-Spitzengespräch in Oberursel (UKA)
- 11./12.6.10 Bundesvorstandssitzung in Stedesdorf (UKA)
- 14.6.10 GGG-Veranstaltung „Primarschule und Stadtteilschule - in den Fußspuren der Gesamtschule?“ mit Prof. Dr. Matthias von Saldern (AB,HH,UK,UKA)
- 3./4.9.10 Bundesvorstandssitzung in Stedesdorf (UKA)
- 10.9.10 Gespräch mit Jan Bruns (stellvertr. BSB-Pressesprecher): Vorstellung der GGG
und mögliche zukünftige Aktivitäten für Stadtteilschulen
Für den Landesvorstand: Ulrike Kaidas-Andresen
29.9.2010
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Kassenbericht 2009
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GGG und Stadtteilschule
GGG und Stadtteilschule in Hamburg Wie weiter?
Mit der Entscheidung in Hamburg ein zweigliedriges Schulsystem zu installieren, sind die Gesamtschulen als zwar erfolgreiche
aber vielfach ungeliebte Schulform abgeschafft worden. Ist das der
Beginn eines schleichenden Endes für die GGG? Ich meine nein!
Die Stadtteilschulen sind weitestgehend an den Gesamtschulstandorten gebildet worden. Damit ist für mich ein Weiterbestehen
der Gesamtschule als einer Schule für alle unter neuem Namen
gegeben. Auch den Bildungsauftrag der Stadtteilschule sehe ich für
alle Schüler, ihre Lernzeit in der Schule optimal zu gestalten und
sie zu dem für sie bestmöglichen Abschluss zu führen: Vielfalt und
Individualität statt Homogenität in den Lerngruppen.
Zu diskutieren ist jetzt, welche Ziele und Positionen kann die GGG
für sich selber bestimmen und welchen weiteren Einfluss sollte sie auf
Hamburgs Schulpolitik nehmen. (Wer die weiter unten aufgeführten
Fragen liest, wird feststellen, es hat sich wenig verändert zu den
bisherigen Problemstellungen für die Gesamtschulen in Hamburg.)
Dazu gehören m. E. verschiedene Fragen unter unterschiedlichen
Aspekten:
Ist die neue Stadtteilschule „nur“ eine HR-Schule?
Wird sie zu einer „Restschule“, weil sie kaum gymnasial empfohlene
Schüler bekommt und - fast wie früher - abgeschulte Gymnasiasten
aufnehmen soll?
Wie positionieren sich die Stadtteilschulen im Wettbewerb um Anmeldungen?
Soll die Stadtteilschule alle Schüler nehmen? Soll es Auswahlverfahren für den Jg. 5 geben?
Wie geht die Stadtteilschule mit Umschulungen und dem NichtWiederholen einer Klasse um?
Welche Verbindungen z. B zu den berufllichen Schulen sind notwendig, um den Bildungsauftrag zu erfüllen?
Wie gehen wir als GGG auf 1. die Stadtteilschulen und 2. die
Grundschulen zu, um Zusammenarbeit zu ermöglichen und die
Übergänge der Schüler zu erleichtern? Wie kann mit den Gymnasien
evtl. in der Oberstufe kooperiert werden, um die Abgrenzung der
Schulformen und der Lehrer nicht noch mehr zu verstärken?
Finden wir eine oder mehrere Fragen einer weiteren Beschäftigung wert, sollten wir überlegen, was kann die GGG an Hilfen
geben, um unsere Mitglieder zu behalten und neue zu gewinnen:
– Ideen für die Anmelderunde 2011 verbreiten
– Diskussionshilfe zur Neupositionierung der Stadtteilschule
– Konzeptarbeit begleiten, Verbindung zu anderen Schulen
herstellen
– Best-Practice-Beispiele aus Hamburg und anderen
Bundesländern vorstellen
– Die bisherigen GHR-Schulen, jetzt Stadtteilschulen, persönlich
als GGG aufsuchen, GGG-Material überreichen und für die
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GGG und Stadtteilschule
–
–
–
–
–
Schulmitgliedschaft in der GGG werben
Corporate Identity-Kampagne vorbereiten
(wie seinerzeit das Aktionsbündnis Gesamtschulen)
Schaffen wir das noch bis zu den Info-Abenden?
Kontaktleute zur ARGE-GEST benennen, die auch zu den
Sitzungen gehen
Gegenseitige Kontakte zum Grundschulverband herstellen
und halten. Tenor 1: Von euch gibt’s was zu lernen. Tenor
2: Wollen wir gemeinsam Langformschulen befördern?
Regelmäßiger Newsletter an die Schulen (zum Aushang im
LeZi, Verteilung per eMail)?
Peter Puhle
Mai 2011
Wir sehen uns!
am 22.11.2011 um 19.00 Uhr:
Mitgliederversammlung
Einladung mit Ortsangabe folgt.
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2. Hamburger GGG-Fachtagung
2. Hamburger GGG-Fachtagung
„Der Bildungsplan für die Stadtteilschule“
Bernd Martens,
Schulleiter GS Allermöhe
Dr. Jochen Schnack,
Ltg. Unterrichtsentwicklung, LI
Nachdem im Sommer 2008 die erste Hamburger
GGG – Fachtagung „Wir machen uns auf den Weg“
zur Individualisierung des Unterrichts stattgefunden
hatte, planten wir unsere 2. Hamburger Fachtagung
gemeinsam mit dem Landesinstitut Hamburg.
Am Freitag Nachmittag (5.2.2010) fand in der GS
Allermöhe die von ca. 140 Kolleginnen und Kollegen
überraschend gut besuchte Informations- und Diskussionsveranstaltung „Der Bildungsplan für die Stadtteilschule“ statt. Angeboten wurden neun Workshops
zu den Rahmenplänen Deutsch, Mathematik, Neue
Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Technik, Arbeit und Beruf, Gesellschaftswissenschaften, Bildende
Kunst, Musik und Sport. Die letzten drei konnten wegen zu geringer
Nachfrage nicht stattfinden, wohl aber die anderen Workshops mit
20 – 30 Teilnehmern.
Nach dem Einführungsreferat „Die Leitgedanken des Bildungsplanes“ durch Dr. Jochen Schnack (Leitung Unterrichtsentwicklung
am LI) ging es in die Workshops. Hier wurden dann
die Rahmenpläne durch die jeweiligen GestaltungsreferentenInnen des LI vorgestellt. FachkollegenInnen
von Hamburger Gesamtschulen nahmen eine kritische
„Gegenlesung“ vor und leiteten die Diskussion mit
den WorkshopteilnehmernInnen, die ihre Anregungen,
Bedenken, Praxiserfahrungen einfließen lassen konnten.
– Schon in der Vorbereitung dieser Veranstaltung mit
Dr. Jochen Schnack wurde immer wieder betont, wie
wichtig dem LI diese Rückmeldung durch die GesamtschulkollegenInnen sei. Kritische Gegenleser waren
Kerstin Lenz (GS Blankenese – Mathematik), Ulrike
Hillmann (MBS-Fremdsprachen), Maren Hartwig und
Arne Stührk (EKG – Naturwissenschaften), Brigitte
Bostelmann und Frauke Finster (GS Horn, GS Mümmelmannsberg – Arbeit und Beruf) und Karsten Engel (GS Winterhude – Gesellschaftswissenschaften). Nach intensivem Austausch
und Diskussionen in den Workshops fand am Ende des Nachmittags
ein Abschlussumtrunk beim GGG - Büchertisch statt: Sowohl von
den Kolleginnen und Kollegen als auch den Gestaltungsreferenten
aus der Behörde gab es viel anerkennende Worte für diese GGG –
Veranstaltung . Und: Beide Seiten äußerten den Wunsch nach einer
Fortsetzung eines derartigen Dialoges.
Ulrike Kaidas-Andresen
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Kunstraushängen
Kunstprojekt der 8c Geschwister-Scholl-GS:
‘Raushängen’ am Osdorfer Born
Während der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006
„verschönerten“ bunte Nationalfahnen das Hochhaus Immenbusch.
Mit dem Wunsch “So bunt müsste das Haus häufiger sein!” entstand
die Idee für unser Kunstprojekt an der Schnittstelle zwischen Schule
und Stadtteil.
Seit Herbst 2009 fand der
Kunst- und Projektunterricht der
Integrationsklasse 8c in regelmäßiger Kooperation mit dem
„Klick Kindermuseum“ statt.
Die Schülerinnen und Schüler,
die hierfür extra an einem Kommunikationstraining teilnahmen,
suchten die Mieter zu Hause auf
und animierten sie zum Mitmachen. Jede Mietpartei erhielt
ein 1,5 x 3 m großes Plakat zur
individuellen Gestaltung, durfte
sich überlegen, selbst zu malen
oder uns, der Klasse 8c, einen
Auftrag zu erteilen. Letztes taten
etwa 95% der Bewohner. Unser
Ziel war es, dass SchülerInnen und BewohnerInnen etwas von sich
zeigen konnten, sowie die Außenfläche des Wohnhochhauses in ein
gemeinsames Kunstwerk zu verwandeln. Die Schüler der 8c setzten souverän alle Wünsche der Bewohner künstlerisch um: egal ob
Tiere, Blumen oder Bäume, Herzen, Spiderman oder Rennautos....
Am Freitag, den 26. März 2010 wurden
ab 14.00 Uhr die letzten Bilder durch die
Mieter in Auftrag gegeben und sofort auf
der Wiese vor dem Hochhausblock von den
Schülern der 8c künstlerisch umgesetzt. Bei
Kaffee, Brause und Kuchen satt wurde dabei und danach tüchtig gefeiert - 200 Gäste
mit Oma, Opa und kleinen Geschwistern,
Lokalpresse und vielen anderen Neugierigen. Um 17:00 Uhr war es dann soweit:
Der Countdown wurde herunter gezählt
und an knapp 200 Balkonen konnten die
Plakate am Wohnhochhaus Immenbusch zur
Straßenseite Bornheide bewundert werden.
Durch unsere Aktion sind viele MieterInnen ins Gespräch gekommen. Diese riesig
große Nachbarschafts-Kunstaktion war nur
durch die intensive Kooperation zwischen unseren SchülerInnen, den
MieterInnen und dem Team des „Klick- Kindermuseums“ möglich.
Durch die finanzielle Unterstützung von „Kultur bewegt“, einer Initiative der Stiftung Maritim Hermann und Milena Ebel, der
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Kunstraushängen
in memoriam Jürgen Riekmann
Hamburgischen Kulturstiftung, der Kulturbehörde und der
SAGA GWG Osdorf konnte die materielle Seite unserer
Aktion sichergestellt werden.
Unsere SchülerInnen konnten durch dies Projekt viel
Selbstbewusstsein sowie kreative und kommunikative
Kompetenzen über weite Lernstrecken entwickeln. Dazu
einige O-Töne unserer SchülerInnen: „Wir haben ein
Kommunikationstraining gemacht und dadurch gelernt,
mit fremden Menschen zu sprechen. Wir haben anfangs
viele Absagen bekommen, aber haben nicht aufgegeben.
Das Malen der Plakate hat viel Spaß gemacht. Wir konnten unseren Ideen freien Lauf lassen. Durch dies Projekt
haben wir nette neue Leute kennen gelernt. Es war eine
sehr schöne Zeit.“
Mitten im sozialen Brennpunkt Osdorfer Born ( Wohnblöcke mit BewohnerInnen aus mehr als 20 Nationen) ist
durch eine Integrationsklasse unserer Schule somit „das
größte demokratische Kunstwerk“ weltweit entstanden,
welches wir beim Guinness-Buch der Rekorde angemeldet
haben.
Wir hoffen, dass die Nachbarn unsere und ihre Plakate noch
lange „RAUSHÄNGEN“ lassen, mit dem, was sie bewegt
und den Osdorfer Born bunter macht.
D. Jansen, Klassenlehrerin;
O. Stäcker, Klassenlehrer;
K. Ackermann, Kunstlehrerin Geschwister- Scholl-Gesamtschule
in memoriam Jürgen Riekmann
Ein Vierteljahr nach Jürgen Riekmanns Tod, am 14.6.10, und
in der Endphase des Schulkampfes wollten wir als Hamburger
Landesverband noch einmal Überzeugungsarbeit für das „Ja“ zur
Schulreform der damaligen schwarz-grünen Regierung leisten - auch
wenn wir als GGG aus Sicht der Gesamtschulen Vorbehalte gegen
die Reform hegten.
Wir hatten mit Professor Dr. Matthias von Saldern von der Leuphana Universität Lüneburg einen hervorragenden Referenten gewinnen
können, der (honorarfrei) einen überzeugenden und humorvollen
Vortrag für ein längeres gemeinsames Lernen hielt: „Primarschule
und Stadtteilschule - in den Fußspuren der Gesamtschule?“
In Vorgesprächen mit ihm hatten wir über die Schwierigkeit
gesprochen, einen Vortrag nach einem vorausgehenden Nachruf
zu halten. Dürfte es humorvoll zugehen im Rahmen einer solchen
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in memoriam Jürgen Riekmann
Veranstaltung? Wir befanden: Es darf, um Jürgen als einem sehr
humorvollen Menschen zu gedenken und in seinem Sinne weiter
zu machen. Es fand sich zwar nicht die gewünschten Anzahl Interessierter ein, die wir überzeugen wollten. Es fanden sich aber
viele Menschen ein, die Jürgen und Barbara Riekmann verbunden
waren und sind.
Im Kindertheater an der Allee in Altona, das uns dankenswerter
Weise zu einem „Solidaritäts-Mietpreis“ zur Verfügung gestellt
wurde, fand diese Veranstaltung in einem wunderschönen Ambiente
des Theaters und Restaurants statt. Der Tipp für diesen Veranstaltungsort kam von der damaligen Bildungssenatorin Christa Goetsch,
die auch als Gast teilnehmen konnte, ebenso wie auch Vertreter uns
nahestehender Verbände: GEW, ESfA, Grundschulverband.
Im Anschluss an Maja Dammanns Nachruf und dem Vortrag von
Matthias von Saldern wurde noch lange erinnert, geklönt ... und
gehofft, man würde es Scheuerl & Co schon zeigen...
Ulrike Kaidas-Andresen
Jürgen Riekmann – ein Leben für Bildungsbeteiligung,
ein Leben für die Gesamtschule
von Maja Dammann
Liebe Barbara , liebe Anwesende,
als meine Freundin Ulrike Kaidas mich fragte, ob ich heute auf
einer Veranstaltung der GGG würdigende Worte für Jürgen Riekmann
sprechen würde, war meine erste Reaktion: Für diesen ehrenvollen
Auftrag gibt es geeignetere Personen. Und das stimmt auch – im
Sinne der längeren gemeinsamen Wegstrecke, der größeren persönlichen Vertrautheit.
Gleichzeitig aber gibt es heute die Gelegenheit für einen Nachruf – im echten Sinne des Wortes: Gerne hätte ich, was ich heute
sage, Jürgen Riekmann persönlich gesagt – nun muss ich ihm diese
Worte nachrufen.
Ich möchte euch und Ihnen fünf Bilder zeigen, fünf Situationen,
über die ich im Zusammenhang mit Jürgen Riekmann nachgedacht
habe.
Das erste Bild:
Jürgen Riekmann – Handeln aus humanistischer Überzeugung
Wenn man auf die Lebensstationen von Jürgen Riekmann schaut,
dann gibt es einen erkennbaren roten Faden: Das Engagement für
Kinder und Jugendliche, für soziale Gerechtigkeit durch mehr
Bildungsbeteiligung : Aktive Mitarbeit in der Jugendbewegung als
junger Mensch, Lehrer aus Berufung, Gesamtschulgestalter aus
Überzeugung in mehreren Positionen, engagierter Streiter für das
gemeinsame Lernen im bildungspolitischen Umfeld der GGG und
in der Initiative „Eine Schule für alle“ bis zuletzt. Dieser rote Faden
des Kampfes um Bildungsbeteiligung für alle bewegt und beeindruckt mich, wenn ich das Lebenswerk Jürgen Riekmanns schaue.
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in memoriam Jürgen Riekmann
Maja Dammann
Das zweite Bild:
Jürgen Riekmann – der kluge Analytiker, der konzeptionelle
Denker
Als ich Anfang der 80er Jahre in den Gesamtschulbereich kam,
wurde der Name Riekmann doppelt gehandelt, so, als gäbe es zwei
Menschen mit diesem Namen. Zum einen war Jürgen Riekmann
zum damaligen Zeitpunkt bis zu seiner Pensionierung Leiter der
Gesamtschulabteilung, und als solcher eine z.T. geachtete, z.T. auch
gefürchtete oder kritisierte Respektsperson. Dazu später, im
nächsten Bild. Hier geht es zunächst um den anderen Jürgen
Riekmann, der viele Jahre lang Grundsatzreferent der Gesamtschulabteilung gewesen war und damit Verfasser, Mitverfasser
oder Initiator grundlegender und bahnbrechender Papiere der
Gesamtschulentwicklung. Gerade aus der heutigen Perspektive
der laufenden Schulreform ist es interessant, auf die Zeit Ende
der 60er und die 70 er Jahre zu schauen, in denen im Schoße
des dreigliedrigen Schulwesens eine neue Schulform geboren
wurde, die das Ziel des gemeinsamen Lernens umsetzen sollte
und das auch erfolgreich tat. Die Debatte über grundlegende
und erweiterte Lernziele, die regelhafte Verankerung von Berufsorientierung, das Fach Arbeitslehre, das Lernen mit Kopf,
Herz und Hand; die legendären grauen Ordner mit Tutorenmaterial
für das soziale Lernen, die Debatte um die Abschlüsse, A und BNoten und deren gesellschaftliche Akzeptanz – und immer gab es
kluge Analysen, Papiere, Konzepte – nicht zusammengeschustert,
sondern ausgefeilt konzeptioniert und schlüssig formuliert. Eine
Papierlage, auf die man sich verlassen konnte – was das Umsetzen
sehr erleichterte. Diese intellektuelle und handwerkliche Qualität
von Vorlagen bleibt vorbildlich, ich suche sie gegenwärtig zuweilen.
Das dritte Bild:
Jürgen Riekmann als Leiter, ein Bild mit Trübungen
Ich will nicht verhehlen – in dieser Rolle gab es Konflikte. Jürgen
Riekmann füllte die ihm übertragene Leitungsfunktion loyal aus,
verabschiedete den Traum von der Gesamtschule als alle anderen
Schulformen ersetzende Schulform, ertrug die immer enger werdenden Gestaltungsspielräume durch KMK-Vorgaben und setzte
massive Sparrunden durch, in denen die Grundversorgung der Gesamtschulen der ersten Generation verschlechtert wurde zugunsten
der Menge der Neugründungen, die das neu geschaffene Elternrecht
verursachte. Wenn ich aus heutiger Sicht auf diese Situation schaue,
dann sehe ich zweierlei:
- eine große Einsamkeit eines Mannes, der unliebsame Entscheidungen mit Schriftsätzen zu bekämpfen versuchte, dabei aber absolut
loyal nach oben blieb und keineswegs einen Schulterschluss mit
seinen ehemaligen Mitstreitern im öffentlichen Widerstand suchte,
was viele nicht verstanden, für ihn aber eine logische Konsequenz
seiner Rollendefinition war
- den Kampf um die strategisch richtige Antwort auf die Frage,
wie es gelingen könnte, die Gesamtschule zur ersetzenden Schulform
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in memoriam Jürgen Riekmann
zu machen, das gemeinsame Lernen aller Kinder und Jugendlichen
in die Fläche zu bringen.
Die Lösung, die ich damals richtig fand und die die Gesamtschulgemeinde befürwortete, war eindeutig: Den Elternwillen als
Instrument nutzen, viele neue Gesamtschulen gründen und damit
langsam aber sicher die Dreigliedrigkeit von innen her in Frage
stellen. Jürgen Riekmann war und blieb skeptisch, was die Zusammensetzung der Schülerschaft in diesen neuen Gesamtschulen anging: Würde es eine echte Heterogenität geben – oder würde diesen
Schulen ein Teil der Schülerinnen und Schüler fehlen? Konnte die
Qualität der bisherigen Gesamtschularbeit gehalten werden? Wie
würde es um die Akzeptanz dieser Schulform in den bildungs- bzw.
aufstiegsorientierten Elternhäusern bestellt sein?
Diese Frage wurde bis heute nicht schlüssig beantwortet – etliche
der Neugründungen blühten und wuchsen in eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz hinein, andere kämpften und kämpfen bis heute.
Hochaktuell ist diese Fragestellung aber natürlich besonders durch
die von der Enquete-Kommission beschlossene und die Bürgerschaft
umgesetzte Entscheidung für eine Zweigliedrigkeit ab Jahrgang 7.
Die alte Gesamtschulfrage erscheint hier nicht nur erneut, sondern
deutlich verschärft. Nun gibt es nicht mehr die Schulform neben den
anderen Schulformen, die alle Schülerinnen und Schüler ansprechen
konnte und wollte – sondern es gibt zwei Systeme, deren Rahmenkonzepte die in den Köpfen existierende Rangordnung deutlich
aussprechen, Jürgen Baumerts Interview im Spiegel ist aktueller
Beleg für diese Denkweise. Wie kann es gelingen, bildungs- und
aufstiegsorientierte Eltern und Schüler für die Stadtteilschule zu
gewinnen? Wie kann es gelingen, die besten Lehrkräfte der Stadt
für die Arbeit an der Stadtteilschule zu interessieren?
Diesen Fragestellungen wird man sich stellen müssen, wenn das
gemeinsame Lernen an der Stadtteilschule erfolgreich werden soll.
Das vierte Bild:
Jürgen Riekmann – auf die Unterrichtsqualität kommt es an!
Hier möchte ich persönlich werden: Zusammen mit der jetzigen
Schulleiterin der Erich Kästner-Gesamtschule, Ulrike Janke, habe
ich einen Termin bei Jürgen Riekmann. Es geht um einen Modellversuch mit Binnendifferenzierung in Deutsch Jg. 8-10.
In dieser Debatte wurden wir gefordert – nicht nur das Unterrichtskonzept, das wir vorlegten, wurde detailliert hinterfragt – auch die
Frage nach der Qualität der Unterrichtenden wurde offen gestellt.
Seien wir uns sicher, dass auch die sprachlich begabten SchülerInnen
bei allen Deutschlehrkräften im Jahrgang ausreichend Anregung
erfahren würden?
Jürgen Riekmann erläuterte seine Hartnäckigkeit: Der binnendifferenzierende Unterricht müsste höchsten Ansprüchen genügen.
Wenn die Gesamtschulidee eine Perspektive habe, dann nur durch
eine überlegene Qualität.
Hier drückt sich ein strategisches Denken aus, das eben nicht
platt Schulstrukturfragen stellt – sondern an gutem Lernen von
GGG LV HH Info 1/2011
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in memoriam Jürgen Riekmann
Schülerinnen und Schülern interessiert ist. Und auch wenn ich
ehrlich damals manchmal gedacht habe: Meine Güte, wie penibel,
wie eng – so verstehe ich heute aus einer anderen Perspektive, was
Jürgen Riekmann umtrieb: Er wollte, dass die Gesamtschule als
die bessere Schule bestand, und zwar in den Kernprozessen, dem
Unterricht, den geringen Schulabbrecherquoten.
Genau diese Denkweise ließ ihn auch so wütend werden, nein,
falsches Wort: für seine ruhige Umgangsform passt eher: „erregt“,
als die Langformen der Gesamtschulen von 0 oder 1 bis 10 der
Schulreform zum Opfer fielen. „Wir haben doch Indikatoren für die
Qualität schulischer Arbeit“, sagte er vor anderthalb Jahren zu mir,
„warum guckt denn keiner, wie erfolgreich die Gesamtschulen mit
Grundschulen arbeiten – und lassen diejenigen erfolgreich weiter
arbeiten, die mit längerem gemeinsamen Lernen schon ernst machen!
Ob sie das gut machen, weiß man doch – aus KESS, aus LAU, aus
den Abgangs- und Übergangsstatistiken.“ Dabei hat er sicher nicht
nur an die Max-Brauer-Schule gedacht, deren Arbeit er auch durch
dich, liebe Barbara, sehr gut beurteilen konnte.
Das fünfte Bild:
Jürgen Riekmann – gemeinsames Lernen steht über allem
Die Verhältnisse – sie sind nicht so. Da kämpft jemand ein Berufsleben lang für längeres gemeinsames Lernen – und erlebt in den
Jahren nach der Pensionierung, wie viele Ergebnisse seiner Arbeit
zerbröckeln, im Rückbau befindlich sind, schließlich verschwinden. Was macht er, wenn er Jürgen Riekmann heißt? Er knüpft an
der ursprünglichen und unerschütterlichen Überzeugung an, dass
längeres gemeinsames Lernen bildungs- und gesellschaftspolitisch
alternativlos ist. Er setzt sich ein für „ Eine Schule für alle“, er steht
für eine entsprechende Neuorientierung in der GGG.
Was würde er heute tun?
Angesichts des konservativen Trommelwirbelns, angesichts der
Pressekampagnen der gesellschaftlichen Elite aus den Elbvororten,
von Chefärzten, der AGA (Arbeitsgemeinschaft Groß- und Außenhandel), aber auch angesichts der irrationalen Deklassierungsängste,
die aufwändig publizistisch geschürt, in der Wirtschaftskrise gerade
im Mittelstand auf fruchtbareren Boden fallen als in den vergangenen Jahren – angesichts dieser rückwärts gewandten Bewegung
würde er sagen:
- Mit der Primarschule steht die Grundsatzfrage des längeren
gemeinsamen Lernens auf der Agenda. Ein positiver Volksentscheid
würde diesen Weg für viele Jahre versperren. Also, stimmt für die
Primarschule!
Aber er würde es sich auch nicht nehmen lassen zu ergänzen:
Aber danach, wenn ihr gewonnen habt, hört um Gottes willen nicht
auf, für das echte gemeinsame Lernen zu kämpfen – eine Zweigliedrigkeit des Schulwesens zementiert die Verhältnisse. Sorgt für
skandinavische Verhältnisse – gemeinsames Lernen, mindestens
bis Jahrgang neun!
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GGG LV HH Info 1/2011
20 Jahre GS Blankenese
Hamburger Gesamtschulen im Wandel der Zeiten
im Spannungsfeld von Systemzwang und Selbstbestimmung
Auszüge mit leichten Änderungen aus der Rede von Gert Rauschning
zum Festakt „20 Jahre GS Blankenese“ am 25. Juni 2010
… Dieses Jubiläum ist für mich Anlass genug, als Zeitzeuge die
„Hamburger Gesamtschulentwicklung im Wandel der Zeiten“ mit dem
Untertitel „Im Spannungsverhältnis von Systemzwang und Selbstbestimmung“ in wichtigen Abschnitten nachzuzeichnen; ich möchte über eine
Besinnung auf die Wurzeln und Anfänge von vor über 42 Jahren und
einem Rückblick auf Entwicklungen und Leistungen der Hamburger
Gesamtschulen unter wechselvollen politischen und gesellschaftlichen
Bedingungen Mut machen für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Gesamtschulen – seit 1968 Schulen für alle (auch wenn
nicht alle dort hingingen) – auch als Stadtteilschulen! Stadtteilschulen
werden nur dann erfolgreich (erstklassig!) und nicht zweitklassig sein,
wenn sie mit entsprechender politischer Unterstützung beim Start die
wertvollen sehr konkreten Konzepte, Erfahrungen und erworbenen
Kompetenzen – auch mit Reformkonzepten und deren Umsetzungen
– aus den erfolgreichen Gesamtschulen nutzen (können/dürfen!).
Im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Hamburger Gesamtschulen, hat zu verschiedenen Anlässen, etwa bei grundsätzlichen
Änderungen der Rahmenbedingungen, bei einschneidenden Ressourcenkürzungen, fehlender bildungspolitischer Unterstützung oder sogar
bei Maßnahmen, die zum Ende der Schulform führen sollten, immer
wieder die Frage im Raum gestanden: Ist unter diesen aktuellen Gegebenheiten Gesamtschule noch möglich und verantwortbar? Wenn wir
diese Frage mit „Nein“ beantwortet hätten, gäbe es diese Schule, die GS
Blankenese, als erfolgreiche Gesamtschule nicht! Die Gesamtschulen
sahen sich ab der zweiten Phase ihrer Entwicklung zunehmend auf sich
selbst gestellt. Das Sich-Lösen vom erwarteten oder erhofften politischen
Zuspruch hat Energien und mehr Mut freigesetzt, Möglichkeiten zum
Ausloten von Grenzen und Freiräumen zu erschließen; das hat auch
die Unabhängigkeit und das Selbstbewusstsein gestärkt.
Es ist noch gar nicht so lange her, unsere Haltung bei Gelegenheiten
etwas trotzig so zum Ausdruck zu bringen: „Wir machen Gesamtschule
nicht für eine Lobby, nicht für einen Senator oder eine Senatorin, nicht
für eine politische Partei, die Gesamtschulen in ihrem Programm hatte
oder hat! Wir machen Gesamtschule gegen fast unausrottbare Vorurteile;
wir gewinnen Bestätigung – wenn, dann – aus erfolgreicher Arbeit mit
unseren Schülerinnen und Schülern, aus der Zufriedenheit der Eltern,
die ihre Kinder unseren Schulen anvertraut haben und nicht zuletzt
aus unserer eigenen Überzeugung für die richtige Sache zu stehen, für
eine Schule, die in ihren Grundsätzen zu einer demokratischen und
vielfältigen Gesellschaft passt, und der es auch bei Gegenwind und
verknappten Ressourcen gelingt, formale Zwänge in erfolgreichen
Reformentwicklungen zu überwinden.“
Die Erfolge haben uns Recht gegeben, immer wieder nach neuen
GGG LV HH Info 1/2011
StS Blankenese, Pausenhof
StS Blankenese, Schulhof
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20 Jahre GS Blankenese
StS Blankenese, NW Unterricht Jg. 5
StS Blankenese, NW Unterricht Jg. 5
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Wegen und Konzepten zu suchen und uns auf die in der Entwicklung
des Systems erworbenen Kompetenzen zu besinnen. Die meisten Gesamtschulen wurden immer bessere Schulen.
Lassen Sie sich nun auf diesem Hintergrund zurückführen auf die
Anfänge und den Weg der Hamburger Gesamtschulen im Wandel der
Zeiten – im Spannungsfeld von Systemzwang und Selbstbestimmung:
Die integrierten Gesamtschulen gehören grob drei Gründungs“Generationen“ unterschiedlicher bildungspolitischer Entwicklungsphasen an.
Die Gründungsphase der Gesamtschulen in Hamburg fiel in eine
Zeit des wirtschaftlichen Wachstums und der weitgehenden Vollbeschäftigung.
Soziale Gerechtigkeit und Integration anzustreben – auch als Voraussetzung weiteren wirtschaftlichen Wachstums – war das Ziel nicht
nur der Gewerkschaften; Zielsetzungen wie Chancengleichheit oder
doch Minderung von Chancenungleichheit, bessere Ausschöpfung
von Begabungsreserven, Verbesserung der Durchlässigkeit und der
Förderwirkung des Schulwesens – auch individuelle Förderung gemäß
Neigung und Fähigkeit -, eine wissenschaftliche Schule für alle u.a.m.
und damit auch die bildungspolitische und pädagogische Zielsetzung
der Gesamtschule waren in aufgeschlossenen Teilen der Gesellschaft
akzeptiert. Die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates
veröffentlichte entsprechende Empfehlungen zur Einrichtung von
Gesamtschulen als Schulversuche.
Von Anfang an wurden die Ziele der Gesamtschule auch als Angriff
auf das tradierte gegliederte Schulwesen verstanden und vorgetragen,
woran wir Gesamtschulvertreter unter Berufung auf kritische Erziehungswissenschaftler nicht unbeteiligt waren!
Auch die Parteien bezogen Positionen.
Wer weiß noch, dass in Hamburg die erste Gesamtschulgründung
1968 von der FDP bei eher zögerlicher Haltung der SPD und gegen
den Widerstand der CDU - als Schulversuch – vorangetrieben wurde?
Zur 1. „Generation“ 1968 bis 1973 gehören neun Versuchsschulen:
acht integrierte Gesamtschulen:
Gesamtschule Alter Teichweg, Gesamtschule Horn, Peter-PetersenSchule, Julius-Leber-Schule, Gesamtschule Steilshoop, Otto-HahnSchule, Gesamtschule Mümmelmannsberg
sowie die Heinrich-Hertz-Schule als Schulversuch Kooperative
Gesamtschule.
Ich zitiere hier Jürgen Riekmann als damaligen Grundsatzreferenten:
Die GS-Versuche sind von ihrer Zielsetzung her so umfassend angelegt,
dass sich in ihnen alle pädagogischen Fragen, die mit der Erziehung
und dem Unterricht von jungen Menschen zwischen dem 10. und dem
18. Lebensjahr zu tun haben, neu stellen und neu beantwortet werden
müssen.
Mitstreiter der „ersten Stunde“ und der ersten Jahre werden sich noch
daran erinnern, dass es kaum konkrete strukturelle und inhaltliche Vorgaben für die ersten GS-Versuche gab – die ersten GS-Versuchsschulen
waren schon gestartet, was uns zu beispielloser Aktivität und Kreativität
GGG LV HH Info 1/2011
20 Jahre GS Blankenese
zur Reform des Schulwesens herausforderte – mit Gestaltungslust und
Gestaltungsraum! Der besondere Reiz lag und liegt darin, dass vom
Grundgedanken und der Zielsetzung her die Entwicklungs- und Realisierungsaufgabe für Gesamtschule – quasi per definitionem – unter realen
Gesellschaftsbedingungen eine dauerhafte nicht endende sein muss – das
gilt ebenso für die Bereiche der Didaktik, der Pädagogik wie auch der
Strukturen und Organisationsformen für den Unterricht – und wie wir
für den Ballungsraum Hamburg gelernt haben, mit unterschiedlichen
Fragen und Antworten für die regional differente Schüler- und Elternschaft. Hartmut v. Hentig gab 1968 in „Systemzwang und Selbstbestimmung“ dabei vor: „… es geht nicht darum, den alten Einrichtungen
eine neue Form vorzuschreiben, sondern einen Veränderungsprozess
in Gang zu bringen und methodisch dafür zu sorgen, dass er in Gang
bleibt.“ Das ist und bleibt sehr aktuell für den Prozess, Gesamtschule
als Stadtteilschule neu zu denken und zu realisieren – auch in einem
Prozess zur Zweigliedrigkeit. Die heute erfolgreichen Gesamtschulen
haben die genannten Grundsätze beherzigt.
Heute kaum vorstellbar, was damals während der Gründungsphasen
innerhalb relativ kurzer Zeit auf der Agenda zur Konkretisierung und
Erprobung sowie für die Einwerbung der entsprechenden Ressourcen
stand: vom Prinzip demokratischer Schule und Chancengleichheit,
Stundentafeln und Leitungsstrukturen, Differenzierung und Wahlpflichtbereiche über Arbeitslehre, Lernerfolgskontrollen, lernzielorientierte Abschlussbestimmungen, Tutorenstunden bis zu Team- und
Koordinationsarbeit, Beratungsdienst mit Sozialpädagogen und Schulpsychologen…
Zur 2. „Generation“ 1979 bis 1981:
Die Einführung des Rechtsanspruchs auf eine weitergeführte Schulform führte nach einer sechsjährigen Pause zur Neugründung von 13
Gesamtschulen im Jahre 1979 – 15 bis 1981!1 Ich möchte nicht darauf
verzichten, an die heftige Form der Auseinandersetzungen um die
Möglichkeiten der Ausweitung von GS-Standorten zu erinnern, an die
Schärfe der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen, die die
Gesamtschulen überlebt haben! Im Vergleich zum damaligen Schulformkonflikt geht es heute doch noch relativ zahm zu.
Mit der Schulgesetznovelle von 1977 wurde das Elternrecht auf
Wahl der Schulform einschließlich der Gesamtschule eingeführt. Die
Schulentwicklung wurde also in die Hände der Eltern gelegt. Die Eltern
sollten Motor der Schulentwicklung sein. Zwar hieß es in der Präambel
des Gesetzes, dass diese Entwicklung insgesamt auf ein integriertes
Schulsystem hinführen sollte, aber eben nur, wenn die Eltern dies wollten.
Diese Gesetzesregelung war bei Gesamtschulvertretern umstritten,
bedeutete sie doch, dass der Senat bzw. die damaligen Regierungsfraktionen SPD und FDP die Gesamtschule nicht als eine die Schulen des
gegliederten Schulwesens ersetzende Schulform, sondern als eine in
Konkurrenz zu diesen ergänzende Schulform verankerten.2
Auf der anderen Seite ging den Anhängern des gegliederten Schulwesens diese Entscheidung entschieden zu weit.
Als nach der Anmelderunde im Jahre 1979 die 13 Standorte für GeGGG LV HH Info 1/2011
StS Blankenese, Projekt Agua es vida
StS Blankenese, Projekt Agua es vida
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20 Jahre GS Blankenese
StS Blankenese, Sek II Projekt
Zukunftsfähige Energietechnik
20
samtschulneugründungen benannt wurden, entlud sich die Entrüstung
der Gegner in Protestversammlungen, Demonstrationen mit Slogans wie
„Grolle, treib’s nicht zu dolle“ oder „Wir wollen keine Gesamtschule“,
in der Initiative „Rettet die Schule“, in einer Verfassungsbeschwerde
u.a.m. und wurde schließlich im Sommer 1979 zur Sache der Gerichte.3 Nochmals betont: es ging hier um die Konsequenzen des sogen.
Elternrechts auf Wahl einer Schulform!
Höhepunkt mehrerer Gerichtsverfahren war die weitgehende Klage
von Eltern des Gymnasiums Neu-Altona:
Für dieses Gymnasium gab es nur zwölf Anmeldungen – bei 119
für die Gesamtschule! Das Oberverwaltungsgericht aber gab am 7.
September in einer folgenschweren Entscheidung ihrer Klage statt. Der
Vierte Senat dieses Gerichts untersagte der Schulbehörde, im Gymnasium Neu-Altona eine Gesamtschule einzugliedern.
In dieser Situation entschloss sich die Hamburger SPD, den Schulversuchsstatus der Gesamtschulen aufzuheben und ihnen den Status
einer Regelschule zu verleihen - vollzogen am 4. Oktober 1979.
Der Konflikt um Gesamtschule in Hamburg verlagerte sich daraufhin
- mit bundespolitischen Auswirkungen - u.a. auf die Frage der Anerkennung der Gesamtschulabschlüsse. Rheinland-Pfalz (H.-R. Laurin),
Niedersachsen (W. Remmers) und Baden-Württemberg (R. Herzog)
drohten, dass durch die Hamburger Entscheidung die Anerkennung der
Gesamtschulabschlüsse gefährdet sei, die zwischen den Bundesländern
nur bis Ende 1981 gesichert war.
Damit wurde die Gesamtschulfrage im Bundestagswahlkampf 1980
zum Streitthema, worunter die Gesamtschule - dokumentiert in den
Verhandlungsergebnissen der KMK von 1981/82 – besonders an den
am gegliederten Schulwesen orientierten engen Auflagen – gelitten
hat und leidet.
In Hamburg kam hinzu, dass eine Debatte über die Ausstattungsstandards von Gesamtschulen losbrach und die Haushaltslage zur Umverteilung von Ressourcen auf die wachsende Zahl von Gesamtschulen
zwang; das sogen. „Grundmodell“ war der erste notwendige Schritt.
Diese reduzierte Ausstattung bedeutete der Opposition immer noch
eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Gesamtschulen.
In der 3. „Generation“ 1987 bis 2000 wurden weitere 15 Neugründungen erforderlich, neben 14 integrierten Gesamtschulen auch eine
kooperative Form.
Nach einer Phase der Konsolidierung kam es ab 1987 wieder zur
Gründung neuer Gesamtschulen, so auch dieser Schule, deren 20-jähr.
Jubiläum wir heute feiern! Übrigens hatte gerade die FDP in der Koalition
mit der SPD die Streichung der Präambel des Schulgesetzes und damit
des Entwicklungsziels eines integrierten Schulwesens durchgesetzt.
Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen
hatten sich grundlegend verändert. Probleme der öffentlichen Haushalte,
Strukturkrisen und Verknappung von Arbeitsplätzen bestimmten das
Bild. Wo blieben die Stimmen der gesellschaftlichen Position, neben
der individuellen Leistung die soziale Gerechtigkeit gleichrangig zu
sehen? Soziale Themen waren hinter der Wertschätzung des (auch
individuellen) wirtschaftlichen Erfolges bis zur Aufkündigung sozialer
GGG LV HH Info 1/2011
20 Jahre GS Blankenese
Verpflichtungen zurückgetreten! Trotzdem kam es zu 15 Neugründungen
und das, obwohl auch in Hamburg sich Teile der SPD (z.B. in der Zeit
von Henning Voscherau) im Laufe der Jahre von „ihrer“ Schulform
Gesamtschule distanziert hatten; das bekamen die Gesamtschulen bei
Sparmaßnahmen zu spüren aber auch bei kaum verholen geäußerten
Vorurteilen, die Gesamtschulen seien leistungsnivellierend, wenn nicht
sogar leistungsfeindlich. Dabei hatte ein Gutachten des DIPF zum einen
die Ausstattung der Gesamtschulen als aufgabengerecht bestätigt, zum
anderen hatten in der Folgezeit der von Rosi Raab strategisch klug
gestarteten sogen. „empirischen Wende“ die Gesamtschulen – nach
anfänglichem Zögern bis zu gelegentlichem Widerstand – ihre Leistungsbereitschaft und –fähigkeit durch Nutzung der Möglichkeiten
wissenschaftlicher Untersuchungen eindrucksvoll bewiesen. Die Gesamtschulen nutzten wie keine andere Schulform seit den 90er Jahren
bis heute die – auch politisch strategische – Chance sich mit Hilfe
wissenschaftlicher Unterstützung und in fruchtbarer Zusammenarbeit
mit dem LIQ insbesondere in Hinblick auf den notwendigen Referenzrahmen für die jeweils eigene Schülerschaft zukunftsfähig pädagogisch
und strukturell weiter zu entwickeln: u.a. mit LAU und KESS, mit dem
eigenen DELPHI-Projekt – wissenschaftlich vom DIPF begleitet –
sowie mit eigenen statistischen Untersuchungen zu Abschlussquoten.
Hinsichtlich der inneren pädagogischen Schulentwicklung wurde in
Gesamtschulen eine eindrucksvolle Aufbau- und Entwicklungsarbeit
und besonders in einigen Gesamtschulen wegweisende Reformarbeit
geleistet.
Allerdings stieß sie immer dort an ihre Grenze, wo es um die Frage
ging: Braucht die Gesamtschule eine eigene Gesamtschulpädagogik, eine
Pädagogik für längeres gemeinsames Lernen – mit wissenschaftlicher
Unterstützung an der Uni und einer entsprechenden Ausbildung für das
Lehren an Gesamtschulen? Die Zeit, in der diese Frage – insbesondere
von Rosi Raab – gestellt wurde, war aus verschiedenen Gründen keine
Zeit für eine Ja-Entscheidung. So blieb es bis heute dabei, dass die
Lehrkräfte an Gesamtschulen weiter im Grundsatz für das gegliederte
Schulwesen ausgebildet werden. Wenn Gesamtschulen erfolgreich arbeiten wollten, mussten sie weitgehend die entsprechende Weiterbildung
schulintern leisten! Ich will dabei die zunehmende Unterstützung des
LIs in den letzten Jahren nicht unerwähnt lassen.
Der mit der sogen. empirischen Wende einhergehende wichtige Teil
der qualitativen Gesamtschulentwicklung war noch in der Zeit von
Rosi Raab angelegt; er bekam aber nach der Erholung vom Schock für
die Gesamtschulen durch die fast tödlichen Maßnahmen von Senator
Rudolf Lange (FDP – in der CDU/Schill-Partei/FDP-Koalition) für ihre
Überlebensstrategie besondere Bedeutung. 2002 verfügte Lange eine
einschneidende 10-prozentige Kürzung der Ausstattung der Gesamtschulen. Es ging immerhin um 150 Stellen, die aus den Gesamtschulen
innerhalb kürzester Zeit abgezogen werden sollten. Es standen nur vier
bis fünf Wochen zur Verfügung, um dafür ein Konzept – eher einen
„Maßnahmen-Giftcocktail“ (wie ich ihn auch öffentlich benannte) –
zu erarbeiten. Es war deutlich, dass die Gesamtschulen unerwünscht
waren und zu Tode gespart werden sollten. Die Gesamtschulen drohten
GGG LV HH Info 1/2011
StS Blankenese, Sek II Projekt
Zukunftsfähige Ernergietechnik
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20 Jahre GS Blankenese
Fußnoten:
1
Für meine folgenden Ausführungen habe ich mich auch auf die
Rede von Rosi Raab zum 25-jährigen Bestehen der GSB im Jahre
2004 stützen können.
2
Später folgten alle SPD-regierten
Länder und machten ihre Gesamtschulen zu Regelschulen.
3
- Am Gymnasium Borgfelde
(Hamm) trat die Schulleiterin aus
Protest zurück, am Gymnasium
Hermelinweg der Elternrat.
- Von Elternräten und Kreiselternräten initiierte Protestversammlungen gab es u. a. in der Volksschule
Brehmweg, in den Gymnasien Stellingen, Neu-Altona, Sander Tannen,
Heegen, Harburg, an der Jahnschule, an der Max-Brauer-Schule und
in der Schule Gustav-Falke-Straße.
- Ein Hamburger Rechtsanwalt legte
Verfassungsbeschwerde ein.
- Der CDU-Bundesstagsabgeordnete Volker Rühe sprach von der
„Zerrüttung des Hamburger Schulwesens“ und sein Bürgerschaftskollege Fridtjof Kelber von „klarem
Rechtsbruch“.
- Die konservative Initiative „Rettet
die Schule“ warnte Eltern von Viertklässlern vor der Anmeldung ihres
Kindes in einer Gesamtschule. Sie
verwies auf die hohen Fahrtkosten
und die gestörte Arbeitsatmosphäre
an den zwangsweise umgewandelten Standorten und gab zu bedenken, dass die neuen Gesamtschulen
von den Anmeldungen her in Wahrheit Haupt- und Realschulen seien.
Gert Rauschning
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in eine Phase der Resignation und der Perspektivlosigkeit zu geraten.
Dem eine positive Wende, eine konkrete Überlebensstrategie mit Zukunftsperspektive für die Gesamtschulen gemeinsam entgegenzusetzen,
war eine besondere Herausforderung – im sehr realen Spannungsfeld
von Systemzwang und Selbstbestimmung; sie begann mit meiner in
den Mitteilungen an die Schulleitungen veröffentlichten Kritik, die zu
meinem Disziplinarverfahren wegen des Verstoßes gegen das Loyalitätsund Zurückhaltungsgebot eines Beamten führte, und der einmaligen
„Remonstration“ von mehr als 60 Mitgliedern von GS-Leitungsgruppen
gegen die verfügten Maßnahmen zu den Einsparungen!
Eine besondere Leistung der Gesamtschulen in dieser und der folgenden Zeit war nicht nur, trotzig mit harter verlässlicher pädagogischer
Arbeit zu überleben und mit den knappen Ressourcen Gesamtschule zu
realisieren, sondern sich sogar an vielen Standorten zukunftsfähig mit
Reformvorhaben zu entwickeln, zu überzeugen und weiterhin attraktiv
für zunehmend viele Eltern zu sein.
Auch unsere Öffentlichkeitsarbeit wurde professioneller mit Hilfe des
„Aktionsbündnisses“ aus GGG, Fachgruppe GEW und Unterstützern
u.a. für die Anmelderunden mit Plakaten, Aufklebern, Stickern etc.
(Slogan: GS gut für alle). Wir nutzten 2004 auch die vielen 25-Jahrfeiern der GSn der 2. Generation und bemühten uns um bessere Kontakte
zur Handwerks- und Handelskammer, die uns nicht besonders wohl
gesonnen war/ist. Im November 2004 gelang uns sogar bei HH 1 eine
„Schalthoff-live“-Sendung!
Das bildungspolitische Ziel der damaligen Koalition, die Haupt- und
Realschulen in Hamburg auf Kosten der Gesamtschulen zu stärken, gelang nicht; vielmehr geriet das Hamburger Sekundarschulwesen wegen
der zurückgehenden Anmeldezahlen für die Haupt- und Realschulen
immer weiter in einen ungesteuerten Prozess zur Zweigliedrigkeit,
der in manchen Regionen wie hier im Westen – bereits Wirklichkeit
wurde. Dabei blieben die Gymnasien weitgehend unbeschädigt, was
die Anmeldezahlen betrifft.
Schließlich wurde die Equete-Kommission eingerichtet, die mehrheitlich für eine Zweigliedrigkeit votierte.
Und was nun?
Dreh- und Angelpunkt der Schulreform wird die Entwicklung einer
starken zweiten Säule sein, die der Heterogenität der Schülerschaft
gerecht zu werden vermag und den Gymnasien ernsthaft Konkurrenz
macht, weil bestimmte Eltern genau dieses Angebot nachfragen.
Wir haben Vorbilder für Schulen, die das leisten können, mit dem
Know-how, den reichhaltigen Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen – auch in Reformvorhaben –!
Macht der lange beschwerliche Marsch der Gesamtschulen – erfolgreich gegen fast unüberwindlich erscheinende Schwierigkeiten – nicht
Mut, nicht aufzugeben, sondern unter neuen Bedingungen Gesamtschule – mag sie auch Stadtteilschule heißen – neu zu denken und zu
konzipieren und die Politik dafür in die Pflicht zu nehmen?
Ich wünsche dieser Schule – und allen anderen, die eine Schule
für alle sein wollen, - eine zukunftsfähige Weiterentwicklung zu einer
Schule für alle, in die auch alle gehen wollen!
Gert Rauschning
GGG LV HH Info 1/2011
Sarajewoprojekt Klimaschutz
Zwei Hamburger Gesamtschulen erhalten den
„Hildegard Hamm-Brücher Förderpreis für
Demokratie lernen und erfahren“
Schüleraustausch Projekt der Ida Ehre Gesamtschule
und der Gesamtschule Stellingen mit dem Vierten Gymnasium in Sarajevo / Bosnien und Herzegovina
Vom 7. – 21.September 2010 leben und arbeiten bosnische und
deutsche Schülerinnen und Schüler zum sechsten Mal 14 Tage gemeinsam, sprayen Wandbilder zum Klimaschutz in Sarajevo und
Hamburg und führen Zeitzeugengespräche.
Fährt man vom Holi Kino kommend die Schlankreye in Richtung
Schlump, entdeckt man linker Hand am altehrwürdigen, denkmalgeschützten Schumacher Bau der Ida Ehre Gesamtschule ein 170m2
großes farbenfrohes Graffito zum Klimaschutz.
Die Zerstörung der Vegetation, der Meere und Flüsse und letztendlich der Menschen haben 16 Schülerinnen und Schüler der
Gesamtschule Stellingen und der Ida Ehre Gesamtschule unter
Anleitung des französischen Graffiti Künstlers Darco in knapp drei
Wochen im Mai/Juni 2009 an die Außenwand gesprayt.
Historie des Projektes und politischer Kontext
Bereits 2008 entstanden mehrere Graffiti in
Hamburg-Eimsbüttel (Margaretenstr. 62/64)
und in Sarajevo.
Das Austauschprojekt der beiden Hamburger
Gesamtschulen mit dem Vierten Gymnasium in
Ilidza / Sarajevo besteht seit 2005. Regelmäßig
fahren 16 Hamburger Schülerinnen und Schüler
für eine Woche nach Sarajevo, um dort mit den
bosnischen Schülern gemeinsam zum Umweltschutz zu arbeiten, die Kultur des Landes zu
entdecken, mit Politikern und Redakteuren zu
sprechen und über die Zukunft Bosniens auf dem
langen Weg in die EU zu diskutieren.
Sie erleben, dass der bosnische Staat nicht
funktioniert. Eine Einigung der drei Volksgruppen der Bosniaken, Serben und Kroaten ist noch
lange nicht in Sicht. Der Friedensvertrag von Dayton schuf 1995
ein hochkompliziertes Staatsgebilde mit 13 Regierungen, 180 Ministern, drei Präsidenten und
mehr als 700 Abgeordneten in verschiedenen
Parlamenten. Das Abkommen von Dayton hat
den Krieg zwar beendet, aber gleichzeitig die
Trennung Bosniens in zwei Gebiete, sogenannte Entitäten, besiegelt: Die ausrüstungsmäßig
überlegenen bosnischen Serben, die während
des Krieges zwei Drittel des Landes erobert
hatten, erhielten 49 Prozent des gesamten
GGG LV HH Info 1/2011
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Sarajewoprojekt Klimaschutz
Territoriums für ihren Quasistaat, die Republik Srpska. Die Bosniaken
(Muslime) und Kroaten bilden die Föderation, bestehend aus zehn
Kantonen. Formell sollte Bosnien ein vereinter Staat bleiben mit
zentralen Institutionen. Die drei Volksgruppen können mit ihrem
Veto jede Reform blockieren. Die Folgen sind katastrophal: Das
Land verharrt in Lethargie, die Arbeitslosigkeit beträgt - 15 Jahre
nach dem Krieg - fast 50 Prozent. Seit dem 1.Januar 2010 wird den Bürgern Montenegros, Mazedoniens und Serbiens Reisefreiheit in der Europäischen Union gewährt.
Bosnien und Herzegovina und das Kosovo wird jedoch die gleiche
Reisefreiheit verweigert. Diese Visapolitik spaltet den Balkan und
verhindert ein Zusammenwachsen von Europa. Unsere bosnischen Lehrerinnen Snjezana Karaga und Armina
Pozderac sind jedes Jahr erneut erleichtert, wenn das Protektorat
durch die EUFOR erneut um ein Jahr verlängert wird. Zur Zeit sind
ca. 900 deutsche Soldaten in Bosnien stationiert.
Zum Projekt 2010
Sarajevo, die spannende und vibrierende Metropole Bosniens,
ist auch am 14.September 2010 wieder unser Ziel.
Bis zum 21.9.2010 erleben 17 Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Stellingen und der Ida Ehre Gesamtschule die kulturelle
Vielfalt dieses jungen Staates.
Sie entdecken mit ihren Austauschpartnern die berühmten Städte
Mostar und Pocitelj, besuchten ein Derwisch Kloster, wandern im
Künstlerort Pocitelj den Berg zur Burg hinauf, erfahren die Geschichte Ex-Jugoslawiens und des Krieges (1992 - 1995), der die
Metropole Sarajevo und die historische Stadt Mostar fast vollständig
zerstörte. Die bosnischen und deutschen Schüler diskutieren über
Umweltschutz, was sie persönlich dazu beitragen können, entwerfen
Ideen und Lösungen, die sie in Graffiti umsetzen. Wie schon 2008 begleitet der französische Graffiti Künstler Darco
die künstlerische Gestaltung.
Edhem Sabic, Inhaber der Farbenfirma Caparol, unterstützt das
Projekt in Sarajevo mit Wandfarbe und Spraydosen. In diesem Jahr
werden Schüler aus Hamburg und Sarajevo mit Darco eine Wand
seines Firmengebäudes mit einem Graffito gestalten.
Mit digitalen Aufnahmegeräten, gesponsert von der Peter Mählmann Stiftung der Haspa nehmen die Schülerinnen und Schüler
Zeitzeugeninterviews in Sarajevo und Hamburg auf, in denen sie
Menschen zu ihren Erinnerungen an die Kriegszeit in Sarajevo und
Hamburg befragen. Auf dem Programm in Hamburg stehen neben dem 80 m2 großen
Graffito an der Turnhalle der Gesamtschule Stellingen in der Hagenbeckstraße und den Zeitzeugen Interviews: Rathausbesichtigung und
ein Gespräch mit Krista Sager, Hafenrundfahrt, Unterricht in den
Schulen, Fahrt nach Berlin mit Besuch des Bundestags, Besuch des
Planetariums und Musicalbesuch „Schmidt`s heiße Ecke“ im Tivoli.
Am 13.9. fährt eine Delegation der deutsch/bosnischen Austauschgruppe zu einem Gespräch mit Hans Koschnick ins Bremer Rathaus.
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GGG LV HH Info 1/2011
Sarajewoprojekt Klimaschutz
Sponsoren und Unterstützer
Unterstützung findet das Projekt in der Gerüstfirma Buterfas &
Buterfas, dem Lackservice Nord, Caparol Ober-Ramstadt, Mega
Malereinkaufsgenossenschaft, dem Grundeigentümer Verband
Hamburg e.V., Bäckerei Kamps, der Edmund Siemers Stiftung, Bild
hilft - Ein Herz für Kinder, der Peter Mählmann Stiftung, der BSB,
der KMK und dem ZfA (Zentrum für das Auslandsschulwesen).
Schirmherren Freimut Duve und Dr. Hans Koschnick.
Auszeichnungen
Das ökologische Austauschprojekt wurde zweimal von der
Robert Bosch Stiftung „Junge Wege in Europa“ gefördert und
ausgezeichnet. Die Ditze Stiftung zeichnete im Juni 2009 das
Projekt aus und förderte es mit 3000 €. Am 20.Mai 2009 reisten die Schülerinnen Birga Fischer (Gesamtschule Stellingen) und Jana Kohlmüller (Ida Ehre Gesamtschule) auf Einladung des Bundespräsidenten Horst Köhler nach Berlin
und präsentierten das Projekt gemeinsam mit anderen Preisträgern
des Förderprogramms „Demokratisch Handeln“.
Vom 9.-12.6.2010 stellten Schülerinnen und Schüler das Projekt
auf der 20.Lernstatt Demokratie im Schulzentrum der Gesamtschule
Ost in Bremen 50 weiteren ausgezeichneten Projekten vor.
„Hildegard Hamm-Brücher Förderpreis für Demokratie lernen und erfahren“
Frau Dr. Hildegard Hamm-Brücher sprach
auf der Lernstatt unserem Projekt den nach ihr
benannten Förderpreis für Demokratie lernen
und erfahren zu:
„Das langfristig aufgebaute und für die europäische Integration so wichtige Programm der
beiden Schulen hat eine vorbildliche Funktion
in einem so schwierigen Themenfeld wie dem
Jugoslawien-Krieg und dessen Folgen für Europa. Das darf nicht einfach abbrechen“, so Hildegard Hamm-Brücher, die ihre Anerkennung
mit einem Unterstützungsappell für potenzielle
Sponsoren verband.
Auf der Homepage www.hamburg-sarajevo.
de können die Broschüren zum Projekt gelesen
werden.
Über die Schulbüros der beiden Gesamtschulen können die
jeweils 60 seitigen Projektdokumentationen 2008 und 2009 gegen
eine Schutzgebühr von 3,- € angefordert werden.
Leitung des Schüleraustausch Projekts:
Julia Muhs, Lehrerin, Stadtteilschule Ida Ehre, Bogenstraße 36, 20144 Hamburg
Cläre Bordes, Lehrerin, Stadtteilschule Stellingen, Brehmweg 60, 22527 Hamburg
GGG LV HH Info 1/2011
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Wie geht es los mit den Stadtteilschulen?
Hamburg – ein Zweisäulen-Modell
Wie geht es los mit den Stadtteilschulen?
Gerhard Lein
Wolfgang Dittmar
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Nach dem Scheitern der Einführung der Primarschule nicht nur
als verlängerte Grundschule, sondern als eigenständige Schulform
mit neuer inhaltlicher Ausrichtung ist die Einführung der neuen
Schulstruktur mit dem Zweisäulenmodell aus Stadtteilschule und
Gymnasium in der Wahrnehmung fast untergegangen.
Spätestens jetzt soll die Frage gestellt werden, wie geht es überhaupt los oder weiter mit der Stadtteilschule? Werden jetzt alle
Stadtteilschulen Gesamtschulen?
Kein Streit- sondern ein Rundgespräch im Mai 2011 mit Wolfgang Dittmar (ehemals Schulleiter eines Gymnasiums) und Gerhard
Lein (ehemals Schulleiter einer Gesamtschule), aufgezeichnet von
Peter Puhle (ehemals Stellv. Schulleiter einer Gesamtschule).
Das Gymnasium ist bei diesen Überlegungen bewusst herausgenommen worden, weil wir uns als Initiative für die Stadtteilschule
sehen.
Die Schülerschaft wird ab Jahrgang 5 aufgeteilt auf die zwei
Säulen. (Die Frage der Inklusion bzw. der Sonderschulen klammern
wir hier aus). Wie werden sich die Schülerströme verteilen?
In der Stadtteilschule werden alle Bildungsabschlüsse vergeben
und sie führt in 13 Jahren auch zum Abitur. Daraus ergeben sich nicht
nur unterschiedliche Bildungsgänge, weil es ein Jahr länger bis zum
möglichen Abitur dauert. Kein Sitzenbleiben mehr, aber immer noch
„Abschulung“ vom Gymnasium nach Klasse sechs. Entwickelt sich
dann eine Stadtteilschule zur „Restschule“? Nicht nur die Frage der
Schulformwechsler muss die BSB schnell schlüssig beantworten.
Werden andere Bildungspläne und die Zusammenarbeit mit den
beruflichen Schulen für mehr Berufsorientierung bei den mittleren
Abschlüssen methodisch und inhaltlich für eine bessere Schule sorgen? Wird auch der individualisierte gemeinsame Unterricht, den die
Stadtteilschulen von den Grundschulen und „guten Gesamtschulen“
noch stärker übernehmen müssen, zu besserer Schule für die Kinder
und damit zu verbesserten Abschlussquoten führen?
Wie können wir dem entgegenwirken, dass Eltern das Gymnasium
anwählen, nur weil das Wort Gymnasium darüber steht - „Mythos
Gymnasium“. (Was passiert mit den Rückläufern ab Jg. 7? Bleibt
es bei fast 1/3 eines Jahrganges?)
Wie werden die Vorteile der eigenen Schule gegenüber Eltern
kommuniziert?
Wir meinen, einzelne Stadtteilschulen dürfen bzw. müssen den
Gegensatz Gymnasium-Stadtteilschule herausarbeiten. Sie sollten
ihr Profil verdeutlichen und die Schule für Eltern öffnen mit vielen
Veranstaltungen für Kinder und Eltern. Dabei sollten ruhig die Erfolgsmodelle von bisher guten Gesamtschulen abgefragt und evtl.
kopiert werden. Das bisherige Kooperationsmodell in HH- Bergedorf von drei Gesamtschulen mit einer gemeinsamen Oberstufe war
ja nicht nur ein Papiermodell, sondern bestand aus gemeinsamen
Schulleitungs-, Abteilungsleitungssitzungen und Fachkonferenzen.
GGG LV HH Info 1/2011
Wie geht es los mit den Stadtteilschulen?
Gute Schulen auf dem Weg zur Inklusion
Auch die vierte Gesamtschule in Kirchwerder entstand aus einer
bisherigen HR-Schule durch viele Kooperationsgespräche aller
Beteiligten.
Die gymnasiale Oberstufe ab Klasse elf ist für Eltern bei der
Schulwahl eine wichtige Perspektive. Zumal wir aus den Gesamtschulen wissen, dass viele „nicht gymnasial empfohlene Schüler“
doch noch im Jg. 10 eine Zulassung für den Besuch der gymnasialen
Oberstufe erreichen.
Die GGG möchte als Vermittler auftreten, Gespräche zwischen den Schulen und Schulbesuche arrangieren. Wir wollen
Erfolgsmodelle in Hamburg zeigen („Wir lassen auch gucken“)
und Experten für erfolgreiches längeres gemeinsames Lernen
anbieten.
Wir wollen unterschiedliche regionale Gegebenheiten mit den
Schulen herausarbeiten und auch für Schulleitungen, Lehrerkonferenzen, Eltern/Elternräte als Ansprechpartner ehemalige Schulleiter
und Lehrer vermitteln, um die Anfänge leichter zu gestalten.
Peter Puhle
Gute Schulen auf dem Weg zur Inklusion stellen
sich vor!
Am 25. und 26. Februar veranstalteten die GSL-Stadtteileilschule
Lohbrügge und die Förderschule An der Twiete eine Fachtagung zum
obigen Thema.
Als Kooperationspartner waren die GGG ( Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule /Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens
e.V)., vds (Verband Sonderpädagogik) und VIHS (Verband Integration
an Hamburger Schulen) beteiligt.
Die Schulen nicht nur in Hamburg stehen vor einem epochalen
Wandel, was den Umgang mit Kindern mit Behinderungen angeht.
„Inklusion“ heißt derAuftrag und nicht mehr „Integration“. Nicht länger
um das nachträgliche Heranführen an die „richtige“ Gesellschaft also
soll es gehen, sondern um einen Zustand, in dem Integration gar nicht
mehr nötig ist, weil alle Menschen in ihrer Verschiedenheit Chancengleichheit erfahren – so wie es auch die Vereinten Nationen in einer
Resolution zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen fordern.
Wie muss die allgemeine Schule umgestaltet werden, um erfolgreich
alle Schülerinnen und Schüler auf- und mitzunehmen?
Welche Unterrichtsorganisation, welche Unterrichtsformen, welche
personelle, sächliche und räumliche Ausstattung werden benötigt?
Wie müssen sich die sonderpädagogischen Einrichtungen mit neuem
Selbstverständnis weiterentwickeln?
Welche sonderpädagogische Unterstützung benötigt die allgemeine
Schule zur erfolgreichen Umsetzung inklusiven Unterrichts?
Haben wir in Deutschland nicht bereits Schulen und Projekte, die
auf dem erfolgreichen Weg zu neuen Ufern sind? Wo sind erfolgreiche
Ansätze inklusiver Arbeit erkennbar? Wo gibt es überzeugende praktische Beispiele gelungener integrativer Arbeit? Welche Schulen bieten
erfolgreiche Konzepte der Individualisierung?
Solche Schulen vorzustellen, miteinander ins Gespräch zu bringen
GGG LV HH Info 1/2011
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Gute Schulen Auf dem Weg zur Inklusion
Torsten Schumacher
Peter Friedsam
und zu vernetzen, war ein Anliegen dieser Fachtagung. Ein weiteres Ziel
war es, den Schulen Mut zu machen, die aufbrechen wollen oder schon
aufgebrochen sind in Richtung einer inklusiven Bildungseinrichtung.
Die Good-practice-Beispiele stellten Schulen aller Schulformen vor,
die einen solchen Weg beschritten haben. Darunter sind viele Schulen,
die für diese Arbeit ausgezeichnet wurden, zum Beispiel mit einem der
Deutschen Schulpreise der Robert-Bosch-Stiftung.
Die Grußworte der Hamburger Schulbehörde wurden durch Frau
Dr. Angela Ehlers, zuständig für Inklusion, an die Kongressteilnehmer
übermittelt.
Der Eröffnungsvortrag wurde Frau Marianne Boskamp (G.PohlBoskamp GmbH &Co. KG) zum Thema „Diversität – Chancen und
Nutzen von Vielfalt. Was hat der gelernte Beruf mit der Arbeitsrealität
zu tun?“ gehalten.
Im Anschluss daran haben Frau Angela Dombrowski und Frau
Andrea Rahm von der Sophie-Scholl-Schule - Sieger 2010 deutscher
Schulpreis - aus Oberjoch/Bad Hindelang ihr Konzept „Inklusion
macht Schule“ vorgestellt.
Am Freitag und am Samstag wurden in 20 Workshops von Schulen
Konzepte und ihre praktische Arbeit unter dem Motto „Good-practice“
vorgestellt. Folgende Schulen waren beteiligt:
Produktionsschule Bremerhafen (Bremen); Preisträgerschule beim
Deutschen Schulpreis, GSL - Stadtteilschule Lohbrügge (Hamburg,
Schule Am Rhododendronpark, Förderzentrum, Integration
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung (Bremen), Schule An
der Twiete, Förderschule (Hamburg), Grundschule am Barbarossaplatz (Berlin), Hauptschule/Mecklenburg-Vorpommern, Integration Bereich emotionale und soziale Entwicklung; Preisträger
Deutscher Schulpreis 2010, Gesamtschule Bergedorf (Hamburg),
Grund- und Förderschule Templin (Brandenburg); Preisträger
beim Deutschen Schulpreis 2010, Clara-Grunwald-Schule (Hamburg), Sonderpädagogisches Förderzentrum - Lernen/Aufbau
eines inklusiven Beratungszentrums (Berlin), Bildungszentrum
für Blinde und Sehbehinderte Borgweg (Hamburg), integrative
Gemeinschaftsschule Lübscher Kamp, Itzehoe, Schleswig Holstein, IGS Linden Hannover, Jacob Muth Preis (Niedersachsen),
Integratives Förderzentrum Bindfeldweg (Hamburg), Grundschule
Kleine Kielstraße, Dortmund; Sieger deutscher Schulpreis 2006 (NRW)
Besonderen Zulauf hatte der Workshop von Frau Maike Reese,
Organisationsberatung und pädagogische Expertin der Robert Bosch
Stiftung (Deutscher Schulpreis) zum Thema „Bedingungen inklusiver
Pädagogik“.
Auf dem Abschlusspodium diskutierten Frau Prof. Höhmann,
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Herr Prof. i. R. Dr. Hiller
vormals Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Fakultät für Sonderpädagogik Reutlingen und Herr Prof. Schuck, Uni Hamburg, teilweise
kontrovers über gelungene Inklusion.
In den nächsten Wochen wird ein Heft über die Vertagung erstellt. Es
kann dann auch über den Hamburger Landesverband bestellt werden.
Annegret Volkmann
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GGG LV HH Info 1/2011
Herzlich willkommen
Als neue Mitglieder im Landesverband Hamburg begrüßen wir in der GGG:
Fritz-Schumacher-Schule
GS Fischbek
GS Bergedorf
GS Walddörfer
Ulrike Hillmann
Dirk Petersen
Maria Polgeers
Svenja Andersen
Klaus Bullan
Ulrich Schötker
Barbara Kreuzer
Maria Hufert
GS Kirchdorf
Lessing-Stadtteilschule
Dr. Wolfgang Dittmar
Dr. Stefanie von Berg
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Beitrittserklärung
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GGG LV HH Info 1/2011
Grundsatzposition der GGG
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Bosnische und Hamburger Schülerinnen und Schüler sprayen ein Wandbild in Sarajewo zum Klimaschutz
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