Die Welt wohnt beim SBV
Transcrição
Die Welt wohnt beim SBV
SBV-BOTE 117 Juni 2009 Liebe Mitglieder, liebe Mieterinnen und Mieter! in diesem Jahr feiern wir gemeinsam das 60-jährige Bestehen unserer Genossenschaft und blicken dabei zurück auf eine bewegte Vergangenheit. Die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges haben ab 1945 mehr als 35.000 Flüchtlinge aus dem Osten nach Flensburg gebracht. Es herrschte akuter Wohnraummangel. Teilweise mussten sich bis zu sechs Menschen in einem 15-m²Zimmer arrangieren. Diese Umstände sorgten dafür, dass sich im Juli 1949 engagierte „Neu-Flensburger“ unter der Leitung von Willi Sander zusammenschlossen und den Selbsthilfe-Bauverein gründeten. Der Zusammenschluss zu einer starken Gemeinschaft half den einzelnen Mitgliedern, ihr Ziel zu erreichen, eine eigene Wohnung zu beziehen. In den letzten sechzig Jahren hat sich viel verändert und jedes Jahrzehnt hatte seine besondere Bedeutung. Eine Vielzahl von Menschen hat in dieser Zeit die Entwicklung des SBV hautnah miterlebt und geprägt. Mitglieder und Mieter, Vertreter, Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder unserer Genossenschaft erzählen in dieser Jubiläums-Ausgabe des Boten über ihr Leben im SBV. Bei allen Veränderungen innerhalb der letzten sechzig Jahre ist unser Satzungsauftrag geblieben, die Mitglieder mit angemessenem Wohnraum zu versorgen. Wir passen uns deshalb laufend den sich ändernden Wohnbedürfnissen an und sorgen auch in Zukunft dafür, dass alle Wohnungen den modernsten Standards entsprechen. Natürlich sind uns nicht nur die Wohnungsstandards wichtig. Uns liegen insbesondere auch das Wohl unserer Mitglieder und ein gutes Zusammenleben in der Gemeinschaft am Herzen. Ein Grund mehr, in diesem Jahr ausgiebig zu feiern. Mit insgesamt sechs Festen begehen wir gemeinsam mit Ihnen den 725. Geburtstag der Stadt und den 60. Geburtstag des SBV und schaffen uns so eine Möglichkeit zusammenzukommen und Gemeinschaft zu leben. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen unserer Sonder-Ausgabe des SBV-Boten anlässlich unseres sechzigsten Geburtstags. Ihr Raimund Dankowski Dirk Göttsche 3 SBV-BOTE 117 Juni 2009 I N H A L T Vorwort des Vorstandes............................................................................................................................................................ 3 Inhalt/Impressum ..................................................................................................................................................................... 4 Vorwort des Aufsichtsrates ....................................................................................................................................................... 7 „Zuerst kommt der Mensch, dann das Geschäftsergebnis“............................................................................................................. 8 Sechs Jahrzehnte SBV ............................................................................................................................................................ 10 SBV-Stiftung Helmut Schumann ................................................................................................................................................ 21 Über diese Menschen spricht man: Prominente beim SBV............................................................................................................ 22 Die Welt wohnt beim SBV........................................................................................................................................................ 24 I M P R E S S U M Der SBV-Bote ist das Magazin des Selbsthilfe-Bauvereins Flensburg. Er erscheint dreimal jährlich in einer Auflage von 9.000 Stück. Herausgeber: Selbsthilfe-Bauverein eG · Mürwiker Str. 26 · 24943 Flensburg · Tel. 0461/315 60-0 · www.sbv-flensburg.de Redaktion: SBV Flensburg · Layout & Satz: The Dude · Titelbild: Lichtbildnerei · C. Schellhaus Druck: Druckzentrum Harry Jung GmbH & Co. KG · Flensburg 4 SBV-BOTE 117 Juni 2009 5 SBV-BOTE 117 Juni 2009 6 SBV-BOTE 117 Juni 2009 Mit einem Wohn-Wohlgefühl in das 7. Jahrzehnt Schritten die verantwortungsvolle Tätigkeit des Aufsichtsrates mit seinen Vorsitzenden dar: 1949 Die Wahl des ersten Vorsitzenden Paul Schröter (1949 - 1950) hat Emil Lucas miterlebt, das letzte noch lebende Gründungsmitglied. Eine rege Bautätigkeit begann. Durch starke Willenskraft entwickelte sich in Flensburg ein neuer Stadtteil. Aufsichtsratsvorsitzender Peer Oberg Bekanntlich ist die Betrachtung eines Rückblickes realistischer und einfacher darzustellen, als sechzig vor einem liegende Jahre. Die Gründung unserer Genossenschaft 1949 war aus heutiger Sicht der einzig richtige Schritt: Menschen, die durch den Krieg ihre Heimat verloren hatten, suchten ein neues Zuhause. Das zu verdrängende Schicksal förderte schnell den genossenschaftlichen Gedanken. Eine lange Tradition, Erfahrungswerte und Vorbilder von Genossenschaften wiesen den Gründungsmitgliedern den Weg. Trotzdem war die Gründung des SBV, wie sagt man so schön, ein innovativer, mutiger Schritt. Das Geschäftsjahr wurde damals wie heute von den durch die Vertreterversammlung bestimmten Aufsichtsratsmitgliedern begleitet. Und so stellt sich in 10-Jahres- 1959 Emil Lucas (1952 - 1959) hatte 1959 dieses Amt inne. Er übernahm es nach kurzer Zeit von seinem Kollegen, Herbert Wesseley, (1950 - 1952) im Jahre 1952. 1969 Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des SBV begrüßte Dr. Ernst Kämpfe (1959 - 1964) den damaligen Bundesbauminister Dr. Lauritzen. Vorgänger des Aufsichtsratsvorsitzenden war Dr. Martin Kob, der das Amt von 1964 - 1967 bekleidete. 1979 Dem Vorsitzenden Fritz Feiertag (1972 - 1979) folgte im neuen Jahrzehnt der Sozialdezernent der Stadt Flensburg, Klaus Bartnitzke (1979 - 1992), der auch langjährig nebenamtliches Vorstandsmitglied war. Zu dieser Zeit wurden keinerlei Beschlüsse größerer Art gefasst, da u.a. die Bautätigkeit gering war. 1989 Der Schulmeister und frühere Stadtpräsident, Artur Thomsen (1982 - 1995), leitete die Vertreter- 7 versammlung. An die einmalige Redekunst und geschliffene Rhetorik werden sich noch viele erinnern. Die Aufhebung des Gemeinnützigkeitsgesetzes wurde verkündet und Deutschland feierte die Wiedervereinigung. 1999 Artur Thomsens Nachfolger war Klaus Hartwig (1996 - 2008), der auf die ihm eigene Art der Vertreterversammlung die Beschlussempfehlungen vorlas. In seine Amtszeit fielen Kauf und Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft A GmbH in Büdelsdorf sowie der Ankauf der WoBau Flensburg. 2009 Noch ist es warm, das Geschäftsjahr 2008, aus dem der Aufsichtsrat der Vertreterversammlung im Jahr des 60. Geburtstages die erforderlichen Beschlüsse empfehlen muss. Es sind vornehmlich die Genehmigung der Berichte von Aufsichtsrat und Vorstand und des Jahresabschlusses sowie der Vorschlag zur Gewinnverwendung, mit einer seit Jahren üblichen 4%igen Dividende. Die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand schließt den Reigen der Regularien, die laut Satzung vorgegeben sind. Die Mitverantwortung wird sich fortsetzen. Große Projekte, wie der Bau von Servicehäusern und die Veränderung von „Fruerlund“, werden vom Aufsichtsrat begleitet. Das trägt auch in Zukunft zu einem sicheren Zuhause für unsere Mitglieder bei. Peer Oberg Aufsichtsratsvorsitzender SBV-BOTE 117 Juni 2009 „Zuerst kommt der Mensch, dann das Geschäftsergebnis“ Anlässlich unseres 60. Geburtstags blickt Raimund Dankowski zurück auf neun erfolgreiche Jahre als Vorsitzender unserer Genossenschaft. Vorstandsvorsitzender Raimund Dankowski In seiner sechzigjährigen Geschichte hat der SBV viel erlebt – und sein Gesicht hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Von einer kleinen Genossenschaft, deren Mitglieder das vordringliche Ziel hatten zu bauen und sich eine neue Heimat zu erschaffen, wurde der Bauverein unter Helmut Schumann zu einem Wirtschaftsunternehmen mit sozialer Ausrichtung. Die Mitarbeiter kümmerten sich nicht nur um die Wohnungsvermietung. Sie engagierten sich auch persönlich für die Mitglieder, für Senioren, Familien, für funktionierende Nachbarschaften. Dabei gingen sie zugleich mit der Zeit: moderne Büroorganisation, vernetzte Zusammenarbeit und der Blick über rein wohnungswirtschaftliche 8 Fragen hinaus in die Region prägten die Arbeit. Als „hochattraktive Genossenschaft“ lernte der Unternehmensberater Raimund Dankowski die SBV Flensburg eG in den 90er Jahren kennen. Kurze Zeit später, Dankowski war inzwischen selbst in der Geschäftsführung einer Kieler Wohnungsbaugesell- SBV-BOTE 117 Juni 2009 schaft, machte ihm Helmut Schumann ein Angebot mit Folgen: „Willst Du Dich nicht in Flensburg um meine Nachfolge bewerben?“ „Das war für mich so spannend, dass ich mich nach kurzer Bedenkzeit und einigen Gesprächsrunden mit dem SBVAufsichtsrat entschied, den Posten in Kiel aufzugeben.“ Eine sehr gute Entscheidung sei das gewesen, sagt der Betriebswirt heute. Mit dem Jahrtausendwechsel kam also auch der Wechsel an der SBVSpitze und Raimund Dankowski führte das Unternehmen in der geübten genossenschaftlichen Tradition fort: „Zuerst kommt der Mensch, dann das Geschäftsergebnis“, sagte er am Tag seiner Amtseinführung. Dass ein solcher Idealismus, gepaart mit wirtschaftlicher Kompetenz zu viel beachteten Unternehmenserfolgen führen kann, zeigte sich kurz darauf. Mit dem „Servicehaus Sandberg“ stieß der SBV in mehrfacher Hinsicht ein besonderes und besonders erfolgreiches Projekt an. Das Millionenvorhaben wurde gemeinsam mit dem Flensburger Arbeiter-Bauverein (FAB) und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) verwirklicht. Alle drei Unternehmen stellten Eigeninteressen hinten an und zogen an einem Strang, um ein Novum nach Flensburg zu bringen: Das lebenslange Wohnen in der eigenen Wohnung – selbst bei höchster Pflegebedürftigkeit. Als Modellprojekt des Landes erfuhr das Servicehaus viel Aufmerksamkeit und sorgte für regelmäßige Besuche verschiedener Landespolitiker. Vom Servicehauskonzept überzeugt zeigte sich auch jemand anderes: die Stadt Flensburg und insbesondere die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WoBau. Ihr Chef Dirk Göttsche und Raimund Dankowski waren sich einig, dass der gemeinsame Bau eines zweiten Servicehauses ein ideales Projekt zur Bebauung des ehemaligen PHGeländes sei. So entstand – wiederum landesweit viel beachtet und wiederum in Zusammenarbeit mit der AWO – das „Servicehaus Fruerlund“; ein Kooperationsprojekt mit langfristigen Folgen. Die harmonische Zusammenarbeit zwischen WoBau und SBV mündete in ein mutiges Projekt. Beide Unternehmen machten sich auf den „Flensburger Weg“, der zu einer in dieser Größenordnung bundesweit einmaligen Privatisierung der kommunalen Flensburger Wohnungsbestände führte: Die SBV Flensburg eG kaufte die WoBau und beide Unternehmen verschmolzen zu einer neuen Genossenschaft – dem großen SBV, so wie er heute besteht, mit flensburgweit ca. 7.100 Wohnungen, rund 5.500 Mitgliedern und knapp 90 Mitarbeitern. Auch in diesem Zusammenhang bewahrten die Unternehmensverantwortlichen – Raimund Dankowski und Dirk Göttsche – ihre sozialen Ideale. Auf beiden Seiten musste kein Kollege gehen. Heute führen sie zusammen als Vorstände die Genossenschaft, den größten Wohnungsanbieter in Flensburg. Mit großen, mutigen Projekten hat Raimund Dankowski dem SBV in den vergangenen neun Jahren sein eigenes, markantes Profil gegeben. Dabei ist er seinen Worten am Tage der Amtseinführung treu geblieben. „Der Mensch steht im Mittelpunkt. Erst dann kommt das Geschäftsergebnis.“ Allerdings können sich die Bilanzen bei allem sozialen Engagement sehen lassen: Das Jahr 2007 schloss der 9 SBV mit dem besten jemals erzielten Ergebnis ab. Große Erfolge, die der SBVVorstandsvorsitzende aber nicht allein für sich verbuchen will. „Erfolgreich ist man immer nur im Team“, sagt er mit Blick auf die Mitarbeiter und auf die guten Vernetzungen zwischen Genossenschaft, Politik, Handwerk, Dienstleistern, Kreditinstituten und nicht zuletzt der Wohnungswirtschaft. „Der SBV erfährt viel Unterstützung. Unsere Ideen können wir umsetzen, weil der Draht zwischen den verschiedenen Akteuren, die man dafür braucht, in Flensburg besonders gut ist.“ Das sei im Land übrigens ein inzwischen viel beachtetes Phänomen. Gute Voraussetzungen also, um mit Kooperationswillen und zielorientiertem Handeln das nächste Großprojekt umzusetzen: Bis ins Jahr 2014 wird der Stadtteil Fruerlund, die Keimzelle der Genossenschaft, unter dem Motto „Wohnen für Generationen“ ein völlig neues, modernes Gesicht erhalten. Angestoßen hat das Projekt – wen wundert‘s – Raimund Dankowski. Dass daneben auf dem Friesischen Berg ein weiteres Servicehaus entsteht, und dass auch dieses Haus wieder ein Projekt von SBV und AWO ist, ist beinahe schon eine Selbstverständlichkeit im Genossenschaftsalltag. Welche Ziele hat der Vorstandsvorsitzende noch für die Zukunft? „Ich wünsche mir, dass wir unseren SBV in guter genossenschaftlicher Tradition weiterführen“, sagt er. „Dass in Fruerlund ein toller, neuer Stadtteil entsteht und dass wir auch stadtweit dazu beitragen können, das Leben lebenswert zu erhalten – mit unserem Engagement im Klimapakt etwa oder kulturellen und sozialen Projekten, die allen Flensburgern zugute kommen.“ SBV-BOTE 117 Juni 2009 Sechs Jahrzehnte SBV In 60 Jahren Selbsthilfe-Bauverein haben viele Menschen in unserer Genossenschaft ein Zuhause gefunden und alle haben ihre ganz eigene Geschichte. Hier erzählen wir die Geschichten von fünf Mitgliedern, die dem SBV im Abstand von je zehn Jahren beigetreten sind. 1949 – Gründungsversammlung am 21. Juli Emil Lucas: Gründungsmitglied des SBV Als Emil Lucas 1948 aus britischer Kriegsgefangenschaft nach Flensburg kam, lebten er und seine Frau Ruth, die 1945 aus Pommern geflohen war, zur Untermiete in der Jürgensgaarder Straße. Wie viele Neu-Flensburger, beschäftigte auch Familie Lucas besonders ein Thema: „Wie und wann bekommen wir endlich eine eigene Wohnung?“ Schließlich machte im Juli 1949 auf dem Finanzamt Flensburg, der Dienststelle von Emil Lucas, das Gerücht die Runde, es gäbe da jemanden, der eine Wohnungsbaugenossenschaft gründen wollte. Am 21. Juli sollte es soweit sein. „Ein schöner Sommertag war es“, erinnert sich Emil Lucas, an dem er nach Absprache mit seiner Frau in den Saal Sanssouci ging, um an der angekündigten Gründungsversammlung Eintrittsbescheinigung in die Genossenschaft von 1950 teilzunehmen. Besonders vorbereitet war er nicht und er wusste nur wenig über Wohnungsbaugenossenschaften. Was er gehört hatte war, dass offensichtlich nur Heimatvertriebene angesprochen waren: Vielleicht war das ja die Möglichkeit, die Erfüllung ihres Wohnungswunsches zu beschleunigen. Der Saal war gut gefüllt, aber wie viele Menschen tatsächlich anwesend waren, daran kann sich Emil Lucas heute nicht mehr erinnern. Es mochten 50 oder 100 Personen gewesen sein, die gebannt den Ausführungen des Mannes folgten, der im Stile eines Alleinunterhalters die Versammlung leitete und jeder Frage Rede und Antwort stand. Willi Sander, so hieß der Mann, informierte über die rechtlichen Grundlagen zur Gründung einer 10 Wohnungsbaugenossenschaft, sprach aber auch offen über Hindernisse und Schwierigkeiten, die man dieser möglichen Genossenschaft bezüglich der Genehmigung und Zulassung entgegenbrachte. Vielleicht war es der Hinweis darauf, öffentliche Finanzierungsmittel durch den Einsatz jeder erdenklichen Selbsthilfe und durch eigene Arbeit bestmöglich nutzen zu wollen, es war jedenfalls schon zu vorgerückter Stunde, so erinnert sich Emil Lucas, als ein Teil der Anwesenden den Saal verließ. Übrig blieben 36 aktive Heimatvertriebene, die den „SelbsthilfeBauverein“ als Genossenschaft gründeten. Die Besetzung des Vorstandes stand bereits fest, es fehlten noch die not- SBV-BOTE 117 Juni 2009 wendigen Aufsichtsratsmitglieder. Und ehe er sich versah, waren Emil Lucas und andere Kollegen des Finanzamts Mitglieder des Aufsichtsrates. Personaldebatten gab es keine und so wählte man den Steuerbeamten Paul Schröter zum ersten Aufsichtsratsvorsitzenden. Müde und etwas erschöpft machte sich der damals 35-jährige um 1.30 Uhr des nächsten Tages auf den Weg nach Hause. Wann und wie er zu einer eigenen Wohnung kommen sollte, wusste er aber eigentlich immer noch nicht. Ihm war noch in Erinnerung, dass bei der Vergabe der ersten 200 Wohnungen, Beamte nicht berücksichtigt werden sollten. Ein Umstand, der ihn zutiefst beunruhigte. War nun alles umsonst gewesen, sein Amt als Aufsichtsratsmitglied nichts wert? Auf energisches Nachfragen bei Willi Sander hatte dieser immer nur geant- wortet: „Macht Euch keine Gedanken, ich mache das schon.“ Und Willi Sander hielt sein Versprechen: Emil und Ruth Lucas bezogen im Mai 1951 ihre eigene Wohnung im Mühlenholz. Am 1. Juli 2009 wird Emil Lucas 95 Jahre alt und interessiert sich noch immer für das Geschehen in unserer Genossenschaft. 1949 Am 21. Juli 1949 findet im Sanssouci die Gründungsversammlung des SBV statt. Der SBV hat zu diesem Zeitpunkt 36 Mitglieder. Mit Eintragung in das Genossenschaftsregister beim Amtsgericht Flensburg am 26. Januar 1950 wird das erste Geschäftsjahr eingeläutet. 1959 Die Bebauung der Siedlung Fruerlund mit 1150 Wohnungen wird fertiggestellt und die erste Gemeinschafteinrichtung, die Wäscherei im Mühlenhof, eröffnet. Der SBV hat 1766 Mitglieder. 1969 Die Fernwärmeversorgung des 1968 in Betrieb genommenen Heizkraftwerkes in der Travestraße wird ausgeweitet. In den Siedlungsgebieten Fruerlund und Fruerlundholz ist damit die Zeit der Ofenheizung vorbei. Wir zählen 2383 Mitglieder. 1979 Erstmalig finden keine Neubautätigkeiten statt. Aufgabenschwerpunkt der letzten Jahre ist die Modernisierung von Küchen, Bädern und Wärmeversorgung. Wir sind 2866 Mitglieder. 1989 Das Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands ist auch das Jahr, in dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz aufgehoben wird: Wir agieren ab sofort auf dem freien Markt. 3151 Menschen sind Mitglied beim SBV. 1999 Das Zeitalter des Internet ist angebrochen und wir sind ab sofort per E-Mail zu erreichen. 3174 Mitglieder feiern „ein halbes Jahrhundert SBV“. Wir sehen weiterhin optimistisch in die Zukunft. Nach dem erfolgreichen Zusammenschluss mit der WoBau Flensburg vor drei Jahren sind nun 5.584 Mitglieder „Stark in der Gemeinschaft“. 11 SBV-BOTE 117 Juni 2009 1949 – Das Quittungsbuch Familie Klimschöfki beim Nachmittags-Kaffee in ihrer Wohnung in der Travestraße. Inge Klimschöfki stammt aus dem Gebiet des ehemaligen Pommern und hat sich nach dem Krieg in Flensburg niedergelassen. Zwar verfügte sie über einen ‚Flüchtlingsausweis A‘, der sie in das Vergabeverfahren für Wohnungsneubauten brachte, nach dem gültigen Punktsystem war die Zuweisung einer Wohnung aber nicht möglich. Deshalb wohnte Inge Klimschöfki nach ihrer Hochzeit 1957 mit ihrem Mann Herbert in einem Zimmer in der Friesischen Straße 29. Als 1958 die erste Tochter geboren wurde, wurde es eng und es musste unbedingt eine Wohnung her. So wurde Das Quittungsbuch von Inge Klimschöfki. Inge Klimschöfki vor 50 Jahren Mitglied und bekam 1961 in der Fruerlundlücke eine kleine Dachgeschosswohnung zugewiesen. „Wir haben uns gefühlt wie Könige“, berichtet Inge Klimschöfki. Das Quittungsbuch, in dem der SBV per Stempel und Unterschrift die Einzahlung ihrer Miete quittierte, hat sie noch heute in ihrer sorgsam angelegten SBV-Akte. 1966 kam die zweite Tochter und Klimschöfkis zogen wieder um. In der Fruerlundlücke 7 fanden sie im Erdgeschoss auf 53 m² ihr neues Zuhause. 1969 kam es hier zu einem 12 kleinen Unglück: In der Wohnung über ihnen, hatte die Nachbarin tagsüber die Waschmaschine laufen lassen und ein Defekt verwandelte das Haus in einen Wasserfall. Aus Wassersäcken an der tapezierten Decke ergoss sich das Wasser in die Wohnung der Klimschöfkis und lief durch die Hohlblocksteine bis in den Keller. Aber auch dieses Malheur überstand die Familie gemeinsam. 1981 zogen Klimschöfkis ein letztes mal um in das erste Obergeschoss der Travestraße 30. Hier wohnen sie noch heute und fühlen sich sehr wohl. SBV-BOTE 117 Juni 2009 1969 – Das Pech der Bachmanns und der 1. Juni Bachmanns mit Kind nicht willkommen. Dann las Hannelore Bachmann eines Tages in der Zeitung von Bauabsichten des SBV. Sie wurde 1969 Mitglied und ausgerüstet mit Flüchtlingsausweis A und Wohnberechtigungsschein unterschrieb sie im April 1971 einen Mietvertrag für die Wohnung Eiderstraße 54. Vertreterin Hannelore Bachmann ist aktives Mitglied unserer Genossenschaft Hannelore Bachmann wurde 1941 in Belgard (Pommern) geboren und ist in Achtrup aufgewachsen. Die gelernte Bürokauffrau arbeitete in einem Baugeschäft in Niebüll und träumte vom Leben in einer großen Stadt. Kurzerhand fuhr sie deshalb eines Tages nach Kiel und bewarb sich noch vom Bahnhof aus telefonisch auf Stellenanzeigen aus den Kieler Nachrichten. Gleich das erste Telefonat war erfolgreich und bescherte ihr einen Anstellungsvertrag bei einer bundesweit bekannten Firma in Kiel. 1,5-Zimmer-Wohnung für 80 DM Miete. Das Datum 1. Juni hat für Hannelore Bachmann eine besondere Bedeutung: An diesem Datum wurde sie getauft, hat geheiratet, bezog die erste Wohnung und beging an einem 1. Juni ihren größten Fehler: Familie Bachmann verließ Kiel und zog zu einer „Nenntante“ nach Großenwiehe in der Hoffnung, das Haus zu übernehmen. Bedauerlicherweise wurden sie von der richtigen Verwandtschaft jedoch aus dem Haus vertrieben und „flohen“ nach Nübelfeld bei Steinbergkirche. Der Kieler Bahnhof scheint Hannelore Bachmann Glück zu bringen: Seit langer Zeit pflegte sie eine Brieffreundschaft mit einem Schwaben, der sie auch persönlich kennen lernen wollte. Am Ende seiner Bundeswehrzeit holte sie „ihren Schwaben“ am Kieler Bahnhof ab und fand Liebe auf den ersten Blick. Am 1. Juni 1963 wurde geheiratet. Die Tochter kam zur Welt und noch im selben Jahr bezog Familie Bachmann in Kiel-Russee eine teilmöblierte Immer noch von „Fluchtgedanken“ beseelt, zogen Bachmanns 1967 nach Flensburg und hatten in der Glücksburger Straße zunächst wieder Pech. Die Wohnung war feucht und ihre Tochter begann zu kränkeln. Die Bachmanns wollten endlich einmal ankommen und suchten eine „anständige“ Wohnung. Aber die Wohnungssuche gestaltete sich äußerst schwierig. Bei fast allen „Privaten“ waren die 13 Der Einzug in die Wohnung erfolgte am 2. November 1971. Allerdings gab es noch kein WC, keinen Strom, kein Treppenhaus und durch ihr Wohnzimmer liefen regelmäßig Handwerker, um den Balkon fertig zu stellen. Der SBV kam den Bachmanns jedoch entgegen und erließ ihnen eine halbe Miete als Entschädigung. Die Familie vergrößerte sich wieder und zog um in die Travestraße 36 in eine Wohnung mit zwei kleinen Kinderzimmern. Seit 1997 lebt Familie Bachmann in der Eiderstraße 32. Nach Modernisierungsarbeiten und der Verglasung des Balkons fühlen sie sich noch wohler in ihrem Heim. Hannelore Bachmann ist Vertreterin in unserer Genossenschaft und nimmt dieses Amt mit aller Leidenschaft wahr. Sie wehrt sich vehement gegen das Vorurteil, Vertreter seien nur spargelessende Mitglieder, die sich einmal im Jahr den Bauch voll schlagen und sonst Nichts zu sagen haben. Am Beispiel einer, aufgrund ihrer Initiative gedeckelten Sandkiste, macht sie deutlich, dass Vertreter sogar ins „operative Geschäft“ eingreifen können. SBV-BOTE 117 Juni 2009 1979 – Ein HSV-Fan in Fruerlund Dieter Mikolajewicz ist waschechter Fruerlunder. Dieter Mikolajewicz ist nach dem frühen krankheitsbedingten Tod seiner Eltern bei den Großeltern in der Travestraße aufgewachsen. Er ist waschechter Fruerlunder und ging natürlich auch im Stadtteil zur Schule. Nach dem Grundwehrdienst und der Hochzeit mit seiner Frau Ursula lebte Familie Mikolajewicz zunächst am Friedenshügel. Als die Familie wuchs, bezog sie 1983 eine Wohnung in der Travestraße. Doch die Geburt des Hier wohnt ein eingefleischter Anhänger des Hamburger Sportvereins. zweiten Sohns bewog die Familie zum Umzug in eine große Wohnung in die Eiderstraße 49. Heute denkt Dieter Mikolajewicz, Marktleiter und Fachmann für Teppichböden, über eine Veränderung nach, aber seine Frau will bleiben. Er fühlt sich wohl beim SBV, nur der Container-Standplatz vor dem Küchenfenster kann ihn richtig ärgern. Dass „Hinz und Kunz“ meinen, sie könnten hier eben mal im Vorbeigehen 14 ihren Müll loswerden, kann Mikolajewicz nicht verstehen. Bei einem Rundgang durch die Wohnung öffnet Dieter Mikolajewicz die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Man sieht sofort: Hier wohnt ein echter HSV-Fan. Nur im Moment kann er sich über seine Lieblings-Fußballmannschaft nicht so richtig freuen: Der HSV hat in jüngster Vergangenheit alle wichtigen Spiele verloren. Aber das wird wieder, da ist sich Mikolajewicz sicher. SBV-BOTE 117 Juni 2009 15 SBV-BOTE 117 Juni 2009 16 SBV-BOTE 117 Juni 2009 1989 – Die Göbels vom Prenzlauer Berg Flensburg hatte ganze Arbeit geleistet und bei der Tischlerei Lund für den gelernten Tischler Lothar Göbel eine Arbeitsstelle erbeten. Sie war beim SBV vorstellig geworden und hatte die Ankunft der Göbels angekündigt. Nach sechs Wochen Untermiete bei Frau Maaß aus dem Oderstieg klappte es mit der Wohnung und Lothar Göbel war in Lohn und Brot. Lothar Göbel entspannt beim Lesen. Familie Göbel lebte bis 1989 im Stadtteil Prenzlauer Berg in Ostberlin. Von der kommunalen Wohnungsverwaltung hatten sie eine 54 m² große Wohnung bekommen und zahlten dafür gerade einmal 54 Mark. In dieser Beziehung war die Welt in Ordnung, aber sonst? nommen und machte sich von dort aus im Wartburg auf den langen Weg durch die Republik in den Norden nach Flensburg. Hier kamen sie am 15. November 1989 an. Warum Flensburg? Ganz einfach: Eine Cousine mit Namen Maaß aus Im Juni 1989 besuchte der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow Deutschland und sagte bei seinem Abschied: „Die Mauer kann wieder verschwinden, wenn die Voraussetzungen entfallen, die sie hervorgebracht haben.“ Im gleichen Jahr fuhren die Göbels vom Prenzlauer Berg in den „Urlaub“ nach Tschechien. Ihre Wohnung mit samt Einrichtung ließen sie zurück, genauso wie ihre geliebte Datscha. Nur die 12-jährige Tochter begleitete ihre Eltern. Der 18-jährige Sohn wollte die „Urlaubsreise“ nicht mitmachen. Die Familie wurde in Passberg in Bayern in einem Auffanglager aufge- 17 Inzwischen ist Lothar Göbel als Hausmeister tätig und bereitet sich langsam auf seinen Ruhestand vor. Seine Wohnung und das Umfeld im Mühlenholz gefallen ihm. Er möchte auf jeden Fall bleiben. Dass sich mit dem Projekt „Fruerlund – Wohnen für Generationen“ bald einiges verändert, findet er gut. Er hat sich bereits für eine der neuen Wohnungen vormerken lassen. Die Göbels vom Prenzlauer Berg sind rundum zufrieden und mit dem SBV sowieso. SBV-BOTE 117 Januar 2009 1999 – Tschernachowsk Reinhold Kriszat aus dem Hestoft 3. Reinhold Kriszat ist in Insterburg in Ostpreussen, dem heutigen Tschernachowsk geboren. Die rund 42.000 Einwohner zählende Stadt gehört zum früheren Königsberg. Mit 17 Jahren wurde Reinhold Kriszat noch über den Volkssturm in die Ereignisse des zweiten Weltkrieges einbezogen und geriet bei Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft im sächsischen Plauen. Nachdem er bald darauf in die französische Gefangenschaft nach Limburg an der Lahn verlegt wurde, erlebte er dort die Kapitulation und wurde im August 1945 aus der Gefangenschaft entlassen. Er reiste ziellos durch Deutschland und ließ sich zunächst bei München nieder. Dort fand er eine Anstellung beim Arbeitsamt und wurde Beamter. Über die Stationen Lüneburg und Kiel wurde der Finanzbeamte 1978 nach Flensburg versetzt. Im selben Jahr bezog das Ehepaar Kriszat im Hestoft 3 eine Neubauwohnung. 18 Dieser Eingang des Hauses Hestoft 1-3 gehörte damals nicht dem SBV, weshalb eine Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig war. Nach dem Ableben der privaten Vermieter kaufte der SBV das Haus und Reinhold Kriszat wurde freiwillig Mitglied. Das Ehepaar Kriszat hat zwei erwachse Kinder und lebt seit nun mittlerweile 31 Jahren in diesem Haus, in dem es eine intakte Hausgemeinschaft gibt. SBV-BOTE 117 Juni 2009 2009 – Stark in der Gemeinschaft Vorstand Dirk Göttsche ist zufrieden über die Entwicklungen des SBV. Insgesamt 33.000 Mietwohnungen gibt es in Flensburg. Wir vom SBV haben mit unseren 7.100 Wohnungen einen Anteil von 21,5 % am Gesamtmietwohnungsbestand. Im Jahr 2006 haben wir die Chance genutzt, unseren Wohnungsbestand um 4.800 Wohnungen zu erweitern, indem wir die kommunalen Wohnungsbestände der WoBau Flensburg GmbH gekauft haben. Deren Häuser und Wohnungen gehören heute zu unserem genossenschaftlichen Vermögen und damit allen Mitgliedern zu gleichen Teilen. Das Risiko, diese Flensburger Gebäude an renditeorientierte Investoren zu verlieren, ist damit ausgeschlossen. Wir werden dafür sorgen, dass alle Wohnungen einen modernen Wohnungsstandard erhalten und dass das Wohnumfeld und die Gemeinschaft unter Nachbarn sich positiv entwickeln können. Auch in unserem neuen, großen SBV stehen der Zusammenhalt der Mitglieder und die Förderung der Nachbarschaften im Vordergrund. Im Rückblick auf die letzten drei Jahre zeigt es sich, dass es von Seiten der Ratsversammlung und der Stadt Flensburg eine gute Entscheidung war, die Wohnungsbestände an den SBV als langfristigen Bestandshalter zu veräußern. Die gute Zusammenarbeit sowie die partnerschaftlich angegangenen Projekte bestätigen dieses eindrucksvoll. Derzeit wird in enger Abstimmung mit der Stadt der Stadtumbau im 19 Bereich Mürwik und Fruerlund entwickelt und es entsteht ein drittes Servicehaus auf dem Friesischen Berg. Die Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung, insbesondere des Stadtplanungsamtes, dem Sozialamt und unserer Genossenschaft laufen vertrauenswürdig und partnerschaftlich. Auch zukünftig stehen für uns die Interessen unserer Mitglieder im Vordergrund. Die Erträge, die wir aus dem Genossenschaftsvermögen erarbeiten, investieren wir in genossenschaftliche Projekte. Der SBV ist eine große, wirtschaftlich gesunde Wohnungsgenossenschaft, die positiv in die Zukunft blickt. SBV-BOTE 117 Juni 2009 20 SBV-BOTE 117 Juni 2009 SBV-Stiftung Helmut Schumann Die Betreuung von Sucht- und Demenzkranken, Schuldenberatung und Erledigung von Behördengängen beispielsweise schufen inhaltlich neue Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter. Helmut Schumann – Namensgeber und Mitglied des Stiftungsvorstandes. Foto: Beeke Die gemeinnützige SBV-Stiftung Helmut Schumann unterstützt Maßnahmen, Projekte und Veranstaltungen, im Sinne von Helmut Schumann - dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden und Direktor der Genossenschaft für Menschen mit unterschiedlichen nationalen, kulturellen und sozialen Hintergründen. Die Stiftung unterstützt Vorhaben, die die individuellen Bildungschancen von Kindern verbessern und fördert Projekte, die kulturelles, wissenschaftliches und sozialpolitisches Engagement bei Kindern und Jugendlichen anregen. Sie setzt sich für Toleranz und Völkerverständigung ein und fördert daher den unmittelbaren Kontakt zwischen Menschen unter- schiedlicher Nationen und Kulturen durch Begegnungen und Erlebnisse miteinander. Die überwiegend soziale Ausrichtung ist Ausdruck der Würdigung aller Aktivitäten und Initiativen, die Helmut Schumann während seiner Dienstzeit als Vorstandsvorsitzender zu verantworten hatte. Er stand für den Bau der ersten Wohnungen, die Behinderten den Zugang und das Leben in diesen Wohnungen erleichterte. Er stellte den Seniorinnen und Senioren verschiedene Tagesstätten zur Verfügung und bot Suchtkranken die Gelegenheit zur Kommunikation im Zuge ihrer Therapie. Mit der Einstellung eines Sozialarbeiters beschritt er neue Wege der Mieter- und Mitgliederbetreuung. 21 Die finanzielle Beteiligung an der Beschäftigung eines Streetworkers bei einer Kirchengemeinde unterstrich die Bedeutung, die Helmut Schumann Jugendlichen und Heranwachsenden bei der Bewältigung ihrer „Alltagsprobleme“ beimaß. Als er 2001 aus Altersgründen auf eigenen Wunsch seinen „Chefsessel“ räumte, kam seinem Nachfolger Raimund Dankowski die Idee, mit Hilfe einer Stiftung das soziale Engagement von Helmut Schumann auf festem finanziellen Fundament weiter leben zu lassen. Die finanzielle Ausstattung der Stiftung erlaubt es, auch dank vieler privater Spenden, jährlich eine Reihe von Maßnahmen, Projekten und Veranstaltungen zu fördern, in Einzelfällen bedürftigen Menschen zu helfen und einen Beitrag zur Lebenshilfe zu leisten. SBV-BOTE 117 Juni 2009 Über diese Menschen spricht man: Prominente beim SBV Foto: dpa Foto: Europäisches Parlament Beim SBV leben besondere Menschen und manche sind sogar weit über Flensburgs Grenzen hinaus bekannt. Hier stellen wir Ihnen ein paar prominente Menschen vor, die Mitglied unserer Genossenschaft waren oder sind. Klaus Hänsch, Dr. phil, Politiker, *15. Dezember 1938 beendete seine Schulzeit 1959 mit dem Abitur in Flensburg und absolvierte anschließend bis 1960 seinen Wehrdienst. Nach einem Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie in Köln und Paris promovierte er zum Dr. phil. Ab 1968 schrieb er zudem als Redakteur für politische Fachzeitschriften. Seine politische Laufbahn führte Hänsch 1979 in das Europäische Parlament. In den Jahren 1994 und 1999 trat er bei den Europawahlen als Spitzenkandidat der SPD an. Ein Höhepunkt seines Werdegangs war 1994 die Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlamentes. Ein Amt, das er bis 1997 innehatte. Klaus Hänsch ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und des „Mérite Européen“. Der Europa-Politik bleibt er weiterhin treu. Mehr über ihn im Internet unter: www.klaus-haensch.de. Wladimir Klitschko, Dr. phil, Boxer, *25. März 1976 Klitschko wurde als Sohn eines Offiziers in der Ukraine geboren. Wie sein älterer Bruder Vitali studierte er in seinem Heimatland Sportwissenschaften und Philosophie. 2001 promovierte er zum Doktor der Sportwissenschaften. Er begann schon mit 14 Jahren seine Karriere als Boxer. Nachdem er die ersten Titel-Kämpfe in den 90er Jahren gewonnen hatte – Klitschko wurde 1993 Junioreneuropameister und 1994 Zweiter bei den Weltmeisterschaften der Junioren – steckte der junge Sportler viele Niederlagen ein, bis sein großer Durchbruch kam. Als Boxer unter Promoter Klaus-Peter Kohl im Hamburger Box-Stall Universum besiegte er 1999 mit einem souveränen technischen K.O. seinen Kollegen Axel Schulz und wurde Europameister. Im Oktober 2000 holte sich Klitschko schließlich den Titel „Weltmeister der WBO“. Heute ist der Hobby-Zauberer als „Dr. Steelhammer“ eine feste Größe der BoxSzene. Was kaum einer weiß: Zu Beginn der Boxbundesligasaison 1996/97 stieg der heutige Olympiasieger im Schwergewicht für den Flensburger Boxbundesligisten BC Flensburg in den Ring und wurde so von Kohl entdeckt. Mehr über Klitschko in Flensburg finden Sie im Internet unter www.erlebe-flensburg.de 22 SBV-BOTE 117 Foto: Raake Foto: picture alliance/Jazzarchiv Foto: dpa – Report Juni 2009 Heinz Adler, ehemaliger Oberbürgermeister Flensburgs *1912 - † 23. Juli 1990 Nach dem Abitur studierte Adler Rechtswissenschaften in Breslau und Heidelberg – und nebenher Kompositionslehre, Bühnenregie sowie Gesangsund Schauspielkunst. Ab1944 arbeitete das Multitalent als Rechtsanwalt in Breslau. Nach seiner Flucht ließ er sich zunächst als Rechtsanwalt und Notar in Oldenburg in Holstein nieder, bevor er Karriere als Politiker machte. Als Landtagsabgeordneter der SPD saß er rund 20 Jahre dem Justiz-Ausschuss vor und leitete verschiedene Untersuchungsausschüsse. Daneben gehörte Adler dem Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen Rundfunks sowie dem Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks an. Von Mai 1963 bis zu seiner Pensionierung 1977 wirkte der Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes als Oberbürgermeister von Flensburg. Kim Alexander Frank, Sänger *24. Mai 1982 Mit vier Mitschülern der Flensburger Kurt-Tucholsky-Schule (ehemals Kooperative Gesamtschule Adelby) gründete Frank die Band „Echt“, die 1998 ihr erstes Album herausbrachte. Ein Jahr später gelang den jungen Talenten mit den Titeln „Du trägst keine Liebe in dir“ und „Weinst Du?“ der bundesweite Durchbruch. Dann blieb der Erfolg aus. Die Band trennte sich 2002. Frank verdient sein Geld heute als Fotograf, Schauspieler und Musiker. Er arbeitete unter anderem mit den Regisseuren Detlev Buck und Leander Haußmann zusammen und entwickelte gemeinsame Projekte mit den Sportfreunden Stiller, Bernd Begemann und Marlon. Lothar Hay, Innenminister in Schleswig-Holstein, ehemaliger Stadtpräsident Flensburgs *29. Mai 1950 1970 machte Lothar Hay in Flensburg Abitur. Noch im selben Jahr trat er in die SPD ein und begann neben seinem Lehramtsstudium an der PH seine politische Karriere. Er arbeitete zunächst als Lehrer an verschiedenen Hauptschulen im Kreis Schleswig-Flensburg, gehörte bald der Flensburger Ratsversammlung an und war von 1986 bis 1992 Stadtpräsident der Stadt Flensburg. Seit 1992 ist Hay Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein, daneben Vorsitzender des heute fusionierten ADS-Grenzfriedensbundes. Im Januar 2008 wurde Hay als Nachfolger von Ralf Stegner zum Innenminister in Schleswig-Holstein ernannt. Er ist Aufsichtsratsmitglied (Aktionäre) der HSH Nordbank. Das Foto zeigt Hay vor dem vom SBV gebauten Haus, in dem der Innenminister lange Zeit lebte. 23 SBV-BOTE 117 Juni 2009 Die Welt wohnt beim SBV Beim SBV steht der Mensch im Mittelpunkt. Mitglieder aus aller Welt treffen sich in unserer Genossenschaft. Einige stellen wir an dieser Stelle vor: Hanne Hinrichsen aus Dänemark große Rolle. Sie hat sich darüber gefreut, wie sich Deutschland in seiner Beziehung zur Nationalflagge während der Fußball-WM verändert hat. Dass sie sich nur als Dänin fühlt, verneint sie. Flensburg hat nach ihrer Meinung eine Sonderstellung. Hier bist du halb Dänin und halb Deutsche oder umgekehrt, sagt sie, und das ist gut so. Hanne Hinrichsen aus Dänemark lebt mit ihrer Familie beim SBV. Kolding ist eine dänische Hafenstadt am Koldingfjord in der Region Syddanmark. Die siebtgrößte Stadt Dänemarks ist mit ihren rund 55.000 Einwohnern ein Knotenpunkt des Nord-Süd und OstWest-Verkehrs durch Dänemark und Nordeuropa. Trotzdem: Kolding hat sich den besonderen Charme eines Handelsstädtchens aus dem zwölften Jahrhundert bewahrt. Aus dieser Stadt stammt Hanne Hinrichsen. 1954 geboren, verbrachte sie hier ihre Kindheit, ging in Sonderburg zur Schule und machte ihre Lehre bei einer Metallwarenfirma in Flensburg. Hier lernte sie ihren Mann kennen. Inzwischen ist sie seit dreißig Jahren mit Jens Hinrichsen verheiratet. Ihre Beziehung zu ihrem Heimatland Dänemark verrät nicht nur der Blick in die rot-weiße Küche oder auf die Jahresteller an der Wand. Auch die Einrichtung im Wohnzimmer mit vielen Einzelstücken und den Ledersitzmöbeln vermittelt den Eindruck skandinavischer Wohnkultur. Mit dem SBV hat sie gute Erfahrungen gemacht. Irgendwann hat sie ihre Mutter in Dänemark angerufen und erzählt, wie schön sie in Flensburg wohnt. Im Zuge einer Familienzusammenführung hat sie ihre Mutter nach Flensburg in die Travestraße geholt. Früher, meint sie, als der SBV noch kleiner war, hat sich alles etwas persönlicher angefühlt: Man kannte fast jeden. Aber konkrete Nachteile durch die Vergrößerung der Genossenschaft gibt es ihrer Meinung nach nicht. Nationalstolz ist etwas, was man von den Dänen lernen kann, sagt Hanne Hinrichsen. Dabei spielen Gelassenheit, Lockerheit und Selbstbewusstsein eine Tillykke med 60-års fødselsdagen! Hanne Hinrichsen wünscht: „Alles Gute zum 60. Geburtstag SBV“ 24 SBV-BOTE 117 Juni 2009 Shahen Sali Hassan aus dem Irak Von Bekannten hatte sie von Flensburg gehört und nach einem kurzen Besuch in der Fördestadt, stand für sie der Wohnortwechsel fest. Besonders die Ruhe, das gemütliche Flair der Innenstadt und die Sauberkeit hatten es ihr angetan. Zum SBV kam sie zufällig. Ein Freund wohnte im Siedlungsgebiet Fruerlund und half ihr bei der Wohnungssuche, indem er sie einfach zum SBV schickte. Shahen Sali Hassan mit ihrer Tochter Melek. Shahen Sali Hassan wurde 1982 in Suleymania im Norden des Iraks geboren. Sie wohnt heute in der Ostlandstraße im ersten Obergeschoss zusammen mit ihrer dreijährigen Tochter Melek, was übersetzt soviel heißt wie „Engel“. Der Irak gehört zum Orient. Dort wurde 1784 die Stadt Suleymania von einem kurdischen Fürsten gegründet. Heute ist sie als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum die Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan, mit ca. 800 000 Einwohnern, einem internationalen Flughafen und einer Universität. Die damals fünfköpfige Familie Sali Hassan verließ Suleymania 1993. Die Reise ging über die Türkei nach Greifswald, wo Vater Sali Hassan als gelernter Gärtner Arbeit fand. 1999 machte sich die Familie erneut auf den Weg. Wegen der beruflichen Veränderung des Familienoberhauptes war Hannover die nächste Station von Shahen Sali Hassan. Dort ging sie zur Schule und machte ihren Hauptschulabschluss. Heute spricht sie neben Arabisch und Kurdisch einwandfrei Deutsch. Inzwischen hat Frau Sali Hassan die Wohnung in der Ostlandstraße gekündigt und sich für eine Wohnung mit Balkon beworben. Natürlich will sie beim SBV bleiben, sagt sie, denn sie ist mit dem SBV sehr zufrieden. Und sie will sich in Flensburg ihren Berufswunsch erfüllen: Nachdem sie inzwischen im Kindergarten, in der Kinderpflege und in einem Seniorenheim mit Hilfe eines jeweiligen Praktikums in die Arbeitswelt hinein geschnuppert hat, steht fest, sie möchte Erzieherin werden. Für eine entsprechende Ausbildung hat sie sich beworben und hofft, dass es bald losgeht. Inzwischen allein erziehende Mutter, verließ Shahen Sali Hassan Hannover. „Alles Gute zum 60. Geburtstag SBV“. Dieser Glückwunsch auf Arabisch stammt von Shahen Sali Hassan. 25 SBV-BOTE 117 Juni 2009 Vitalish Nyamor Bbege aus Uganda Chaos“, wurde 1961 Vitalish Nyamor Bbege geboren. Vater und Mutter stammen beide aus Kenia. Bis zu seinem 17. Geburtstag lebte der Junge bei seiner Familie in einfachen Verhältnissen. Boxen war damals Volkssport. Viele Jugendliche versprachen sich durch die Hinwendung zu dieser Sportart eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Also begann Nyamor Bbege mit zehn Jahren zu boxen. Schnell stellte sich heraus, dass er ein absolutes Talent war. Mit 13 Jahren war er Juniorenmeister, mit 15 Jahren Anfängermeister. Als „Senior“ gewann er 1979 bei den Ostund Zentral Afrika-Meisterschaften die Silbermedaille. Vitalish Nyamor Bbege mit seinen Box-Trophäen. Uganda - Winston Churchill nannte das afrikanische Land einst „Die Perle Afrikas“. Dschungel, Kraterseen, die Quelle des Nils und der größte See Afrikas, der Lake Victoria mit seinen kleinen Inseln verbinden sich zu einzigartigen Landschaften und Nationalparks. Hier in Uganda, genauer gesagt in Kampala, der „Stadt des organisierten Mit dem Sturz des Diktators Idi Amin brach in Uganda Anfang der 80er Jahre der Bürgerkrieg aus. Zu dieser Zeit war Nyamor Bbege zusammen mit seinem Bruder mit der ugandischen Nationalstaffel im Trainingslager für eine Europa-Tour. Als die Brüder erfuhren, dass die Eltern nach Kenia geflohen waren, setzte sich Vitalish zunächst nach Finnland ab. Auf Umwegen gelangten beide Geschwister später nach Flensburg und landeten beim Boxclub Sparta Flensburg. Im Dunstkreis des bekannten Gastwirtes Erwin Pophal stiegen die „schwarzen Perlen“ mit der Amateur-Boxstaffel in die erste Bundesliga auf. Dort machte Nyamor Bbege seinen besten Kampf gegen den Deutschen Meister Zielonka von Bayer Leverkusen, den er deutlich nach Punkten bezwang. Von 1981 bis 1988 war er Landesmeister in Schleswig-Holstein und 1988 dritter bei den Deutschen Meisterschaften im Halbmittelgewicht bis 71 kg. Von seinen 209 Amateurkämpfen hat er 158 gewonnen. Nach seiner Boxkarriere jobbte Nyamor Bbege als Gärtner bei verschiedenen Firmen in Flensburg. Mit dem verdienten Geld baute er seinen Eltern das erste Backsteinhaus in dem 500Seelendorf Seme in Kenia. Befragt nach dem größten Unterschied beim Wohnen in Kenia und Flensburg lacht er schelmisch und meint, dass man in dem Dorf Strom- und Heizkosten nicht kennt. Ernst wird er bei der Frage, was für ihn mit Rückblick auf seine zeitweise turbulente Vergangenheit der Begriff Heimat bedeutet. Er sagt wörtlich: „Mit dem Wort Heimat kann ich nichts anfangen, aber mein Zuhause ist der SBV.“ nkwagaliza amazalibwa 60 amalungi Der Glückwunsch von Herrn Bbege zum 60. Geburtstag in Luganda 26 SBV-BOTE 117 Juni 2009 Familie Novoselov aus Russland Familie Novoselov: Alexey, Nikolaij und Natalja Im Westen Sibiriens liegt die Stadt Kemerowo. Mit ihren rund 520.000 Einwohnern ist sie die Hauptstadt des Gebietes Kemerowo. Sie hat einen Flughafen mit internationaler Anbindung und eine bereits in den 40er Jahren in Betrieb genommene Straßenbahn. Mit Moskau verbindet Kemerowo eine Zweigstrecke der Transsibirischen Eisenbahn. In Kemerowo wurde Natalja Novoselov als Natalja Ebel geboren, bevor ihre Eltern den Wohnsitz aus beruflichen Gründen nach Bijsk verlegten. Bijsk wurde 1709 als militärische Festung gegründet und behielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts seine primär militärische Bedeutung. Im 19. Jahrhundert wurde der Ort zur Industriestadt. Eine Schnapsbrennerei, Sägemühlen, Webereien und metallverarbeitende Betriebe prägen das Stadtbild bis heute. Hier wurde Alexey Novoselov geboren und hier lernten sich die späteren Eheleute auch kennen. Und das kam so: Aus politischen Gründen wurden Deutschrussen von der Regierung grundsätzlich in Sibirien „untergebracht“. So auch die Eltern von Alexey. In der Schule lernten sich die Jugendlichen kennen und verloren sich seitdem nicht mehr aus den Augen. ihrem Alexey; was dieser 2001 mit der Heirat seiner langjährigen Freundin in Kaliningrad belohnte. Der zivile Hubschrauberpilot und Vater von Natalja Novoselov war inzwischen zu Opa Ebel nach Kappeln „geflogen“ und rief seine Tochter zur Familienzusammenführung. Also reisten die jungen Novoselovs ins schleswig-holsteinische Kappeln. Dann kam die typische deutsche Frage, für die es keine russische Übersetzung gibt: „Watt nu?“ Beide mussten Arbeit und eine Wohnung finden. Natalja hatte in Russland sieben Semester Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechnik studiert und bewarb sich um einen Ausbildungsplatz in einem Ingenieurbüro in Flensburg. Da ist sie heute als technische Zeichnerin beschäftigt. Alexey fand als ITSpezialist einen Arbeitsplatz bei einer Druckerei in Glücksburg. Die Wohnung fanden sie in der Travestraße. Heute leben sie hier zu dritt mit ihrem Sohn Nikolaj, dem unumstrittenen FamilienMittelpunkt. Er wird zweisprachig aufwachsen, da sind sich die Novoselovs einig. Uropa Ebel ist das nur recht. Als die Familie Novoselov nach Glasnost und Perestroika von Bijsk nach Kaliningrad verzog, folgte Natalja Сердечные поздравления к 60-ому дню рождения SBV Die Novoselovs gratulieren in russisch zum 60sten Geburtstag 27 SBV-BOTE 117 Juni 2009 Familie Kösgeroglu aus der Türkei schen ist auch dieser Nebenzweig der Kösgeroglus angewachsen. Sohn Orcun (11) sowie die Töchter Tugce (9) und Sudenac (5) bringen viel Leben in die „Bude“, die heute in der Apenrader Straße zu finden ist und die man nach den üblichen Bräuchen in der Türkei nur ohne Schuhe betreten darf. Familie Kösgeroglu in ihrem Wohnzimmer Kayseri ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Kayseri in Kappadokien in der Türkei. Die Stadt hat 1,3 Mio. Einwohner und ist eine der wenigen Großstädte der Türkei, deren Einwohnerzahl seit Jahrzehnten stabil bleibt. Kayseri ist eines der wichtigsten Industrie- und Handelszentren des Landes mit einem internationalen Flughafen und zentralen Eisenbahnanbindungen. In Kayseri wohnte die neunköpfige Familie Kösgeroglu. Mitte der siebziger Jahre verließ Vater Kösgeroglu seine Familie in Richtung München, um dort sein Glück als Gastarbeiter zu suchen. Wenngleich es mit der Arbeit klappte, blieb ihm ein Wunsch versagt: Er fand keine passende Wohnung für seine große Familie. Mit ein paar Freunden machte er sich daraufhin auf den Weg nach Flensburg. Er fand schnell bei der Flensburger Schiffbaugesellschaft einen Arbeitsplatz und in der Harrisleer Straße eine passende Wohnung. 1977 ließ er die Familie nachkommen – mit dabei der damals dreijährige Ercan Kösgeroglu. Er wuchs in Flensburg auf, ging zur Schule und spielte mit seinen Brüdern in allen wichtigen Fußballvereinen in Flensburg und Harrislee. Der Name „Kösgeroglu“ war bald ein Begriff in der Flensburger Fußballszene. Die Frage nach der Hausgemeinschaft beantwortet Ercan zögerlich. Man komme gut miteinander aus, meint er. Draußen könnten aber seiner Meinung nach mehr Spielgeräte für Kinder stehen. Dies sei keine Forderung sondern lediglich ein Wunsch, betont er ausdrücklich. Für seine Frau wünscht er sich die Modernisierung der Küche, wie es in anderen Wohnungen bereits geschehen ist. Auf dem Bild hat sich übrigens jemand eingeschlichen, der nicht zur Familie gehört. Es ist Ilayda (links) die Freundin der Töchter aus einer Nachbarsfamilie. Der Sohn der hier eigentlich auch sitzen sollte, ist vom Vater gerade zum Sport weggebracht worden. Die Frage nach der Sportart ist hier wohl völlig überflüssig - Fußball natürlich. Ercan nabelte sich von seiner Familie ab und wurde Mitglied beim SBV. Er mietete sich eine Wohnung in der Duburger Straße, fand Arbeit bei der Firma Danfoss und war dadurch in der Lage, eine eigene Familie zu ernähren. 1996 heiratete er Selma und inzwi- 60. Doğum günün kutlu olsun! Geburtstagsglückwünsche auf türkisch von Familie Kösgeroglu 28 SBV-BOTE 117 Juni 2009 29 SBV-BOTE 117 Juni 2009 30