OrganisatiOnsfOrmen im Vergleich
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OrganisatiOnsfOrmen im Vergleich
48 | fachartikel AQUA & GAS N o 2 | 2013 Organisationsformen im Vergleich Leistungsfähigkeit der Siedlungs wasserwirtschaft in Zürich, Berlin und leeds Die Debatte, ob private oder öffentliche Organisationsformen leistungsfähiger sind, beschäftigt weite Kreise in Wissenschaft und Praxis. Anhand von Fallbeispielen der Wasserver- und -entsorgung in den Städten Zürich, Berlin und Leeds zeigt dieser Artikel, wie und warum unterschiedliche Organisationsformen bezüglich Effektivität, Effizienz, Partizipation und Rechenschaftspflicht besser oder schlechter abschneiden. Eva Lieberherr*, Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) AUSGANGSLAGE Résumé FORMES ORGANISATIONNELLES EN COMPARAISON – PERFORMANCES DE LA GESTION DEs EAUx URBAINEs A ZURICH, BERLIN ET LEEDS Les formes organisationnelles privées, sont-elles plus performantes dans la gestion des eaux urbaines que les organisations publiques? Cet article tente de répondre à cette question à travers trois cas d’espèce internationaux (Zurich, Berlin et Leeds). Les résultats montrent comment des conflits d’intérêts peuvent apparaître entre l’efficience économique, les impacts écologiques et la légitimation démocratique. Les formes organisationnelles publiques réussissent en général un meilleur équilibre entre l’efficience économique et les aspects écologiques et démocratiques. Néanmoins, les performances des organisations publiques sont souvent limitées dans le domaine de la marge de manœuvre entrepreneuriale. Les organisations privées ou semi-privées y ont de toute évidence de meilleurs résultats. Ces résultats confortent l’idée que la question de la forme organisationnelle optimale ne peut être répondue d’une manière générale car toute forme a ses propres forces et faiblesses. Il importe bien plus de concevoir les conditions cadre à la réussite du large spectre d’objectifs de l’approvisionnement public. Qualitativ hochstehendes und allzeit verfügbares Trinkwasser sowie eine sichere Entsorgung des Abwassers sind für Länder wie die Schweiz längst selbstverständlich. Nichtdestotrotz sind neue Herausforderungen in diesem Sektor zu meistern. Im Zusammenhang mit globalen Problemen wie Klimawandel oder demografische Entwicklungen können Umwelt- und Ressourcenschutz sowie Versorgungssicherheit zunehmend schwieriger werden [1]. Gleichzeitig trifft ein steigender Kostendruck auf neue Investitionsanforderungen im Zusammenhang mit Sanierungen der bestehenden Anlagen oder mit dem Einhalten von strengeren Gesundheits- und Umweltgesetzen [1]. In diesem zunehmend komplexer werdenden Umfeld wurde in den letzten Jahren immer wieder die Frage aufgeworfen, ob öffentliche Organisationen überhaupt in der Lage sind, die nötigen Kompetenzen aufzubauen, oder ob dies nicht besser an private Firmen delegiert werden sollte [2]. Der vorliegende Artikel präsentiert eine systematische Untersuchung der Stärken und Schwächen unterschiedlicher * Kontakt: [email protected] AQUA & GAS N o 2 | 2013 Organisationsformen in der Siedlungswasserwirtschaft in verschiedenen westeuropäischen Städten. Anhand von drei «extremen» Beispielen (Zürich als reine öffentliche, Leeds als reine private und Berlin als gemischte Organisationsform) wird gezeigt, wo die wichtigsten Unterschiede in der Leistungsfähigkeit auftreten, und welche Folgerungen daraus für die Suche nach der «optimalen» Organisationsform zu ziehen sind. Aber wieso muss diese Frage überhaupt gestellt werden? Dazu lohnt sich ein Blick zurück in die historische Entwicklung der Siedlungswasserwirtschaft. Am Anfang der industriellen Revolution wurden die meisten neuen Versorgungsgüter (Strom, Eisenbahn, Telefon, Wasser) durch Private aufgebaut und betrieben [3]. Im Laufe der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung zeigten sich dabei zunehmende Koordinations- und Qualitätsprobleme. Dies führte schliesslich Anfang des 20. Jahrhunderts zu verschiedenen Verstaatlichungswellen. Die Wasserver- und -entsorgung wird schon seit dem 19. Jahrhundert hauptsächlich vom Staat gewährleistet. Dabei wurde die heute flächendeckende Infrastruktur mit staatlichen Subventionen finanziert und die Dienstleistungen durch öffentliche Organisationen bereitgestellt. Noch heute spielt der Staat in Westeuropa eine zentrale Rolle in der Siedlungswasserwirtschaft. Allerdings kann seit Ende des letzten Jahrhunderts eine zunehmen- Abwasser | 49 Fig. 1 D arstellung des Untersuchungsdesigns von Organisationsformen und Leistungsfähigkeit Représentation de l’approche de l’étude des formes organisationnelles et des performances de Bewegung weg von öffentlicher und hin zu diversen privaten und gemischten Organisationsformen festgestellt werden. In den 1980er-Jahren begann man, die Zweckmässigkeit staatlicher Leistungserbringung in öffentlichen Debatten infrage zu stellen. Besonders fehlende Effizienz und unternehmerische Kompetenzen wurden bemängelt [4]. Die daraus abgeleitete Empfehlung lautete, dass mit Einbezug von privaten Akteuren im öffentlichen Sektor die Leistungsfähigkeit des ganzen Sektors gesteigert werden könne. Der Wassersektor wurde in den letzten zwanzig Jahren weit weniger stark durch diese Debatten betroffen als andere Versorgungssektoren (wie z. B. Telekommunikation oder Energie). Dennoch finden sich heute auch in der Siedlungswasserwirtschaft eine breite Palette von öffentlichen, privaten und gemischten Organisationsformen. Der Frage der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Organisationsformen soll im vorliegenden Artikel anhand einer vergleichenden Fallstudie in der Wasserver- und -entsorgung nachgegangen werden. Der Artikel basiert auf den Erkenntnissen einer kürzlich an der Eawag abgeschlossenen Dissertation [5]. Hier wurde ein Analyseraster entwickelt, um die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Organisationsformen zu erfassen, dargestellt in Figur 1. Basierend auf dieser Arbeit werden im Folgenden unterschiedliche Organisationsformen identifiziert. Die unterschiedlichen Aspekte, die explizit oder implizit mit «Leistungsfähigkeit» in Verbindung gebracht werden, gilt es zu bestimmen. Nebst ökonomischer Effizienz und Wirtschaftlichkeit werden auch demokratische (d. h. Partizipation und Rechenschaftspflicht) sowie soziale und ökologische Aspekte (d. h. Effektivität hinsichtlich Service Public, Versorgungssicherheit, Ressourcenschutz, und öffentliche/private Akzeptanz) der Leistungsfä- Managementtyp Eigentümerschaft Juristischer Rahmen Finanzielle Struktur – öffentliches Management (innerhalb der öffentlichen Verwaltung) – keine Betriebsentscheidungsflexibilität; enge Kopplung zu politischen Entscheidungswegen Öffentlich – keine eigene Rechtspersönlichkeit –ö ffentliches und Verwaltungsrecht – öffentliche (kommunale) Finanzmittel – in Richtung kostendeckender Tarife, dennoch sind staatliche Subventionen möglich – öffentliches Investitionskapital – delegiertes Management an Öffentliche – gewisse Betriebsentscheidungsflexibilität: z. B. Verwaltungsrat mit Abgeordneten Öffentlich – Rechtspersönlichkeit – öffentliches Recht –ö ffentlich, aber mit eigener Kostenrechnung und Zugang zu externen Finanzmitteln –k ostendeckende Tarife, aber staatliche Subventionen sind noch möglich – öffentliches Investitionskapital Gemischt – delegiertes Management an Private – teilautonome Betriebsentscheidungsfindung (je nach vertraglichen Vereinbarungen) Öffentlich oder geteilt zwischen öffentlichen und privaten Akteuren – Rechtspersönlichkeit – öffentliches und privates Recht – Verträge und Statuten – öffentlich, privat und/oder gemeinsame Finanzmittel – Zugang zu Aktienkapital – Tarifsystem mit Rendite – öffentliches, privates und/oder gemeinsames Investitionskapital Privat – direkt privates Management autonome Betriebsentscheidungsfindung Privat – Rechtspersönlichkeit – öffentliches und privates Recht – Verträge und Statuten – Lizenz – private Finanzmittel – Tarifsystem mit Rendite – privates Investitionskapital Dimensionen Formen Öffentlich Tab. 1 Ö ffentliche resp. private Gestaltung unterschiedlicher Organisationsaspekte der Siedlungswasserwirtschaft Approche publique vs. privée de différents aspects organisationnels de la gestion des eaux urbaines 50 | Abwasser AQUA & GAS N o 2 | 2013 higkeit in der Siedlungswasserwirtschaft einbezogen. Die Bewertung der Alternativen wird anhand der Fallbeispiele Zürich (öffentlich), Berlin (gemischt) und Leeds (privat) vorgenommen. Demzufolge stellt dieser Artikel dar, wie und warum ein gewisses Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Aspekten von Leistungsfähigkeit in den jeweiligen Organisationsformen zustande kommt. ORGANISATIONSFORMEN UND IHRE LEISTUNGSFÄHIGKEIT Privatisierung bezeichnet die Übertragung vormals öffentlicher Aufgaben an private Akteure. Dabei werden entweder nur einzelne Dienstleistungen oder gar ganze Versorgungsunternehmen privaten Akteuren überlassen. Folglich gibt es schwächere Formen der Privatisierung, wie z. B. die Übertragung der Kanalreinigung an private Firmen, und stärkere Formen, wie etwa den kompletten Verkauf der Infrastruktur an private Kapitalgeber. Vollständige Privatisierungen kommen in der Siedlungswasserwirtschaft selten vor – Mischformen umso mehr. Die wichtigsten Varianten sind entlang verschiedener Dimensionen in Tabelle 1 dargestellt; dabei wird eine Reichweite von dem Ausmass der privaten Einbindung aufgewiesen. Diese Varianten werden in der Folge nach ihrer Leistungsfähigkeit bewertet. Aber was heisst denn eigentlich «Leistungsfähigkeit»? Was als «hohes» Ausmass von Leistungsfähigkeit gilt, hängt von der Zielsetzung der betroffenen Akteure ab. Bei Versorgungsgütern stehen oft Allgemeinwohlziele im Vordergrund, wie beispielsweise die Versorgungssicherheit oder der Umweltschutz in der Wasserverund -entsorgung. Andererseits müssen die Anlagen aber auch wirtschaftlich betrieben werden und sollten möglichst den Staatshaushalt wenig belasten [5]. Leistungsfähigkeit umfasst in der Regel mehrere potenziell auch gegenläufige Ziele. In der öffentlichen Debatte wird es oft ausschliesslich mit ökonomischer Effizienz und Wirtschaftlichkeit in Verbindung gesetzt [6]. Da bei der Siedlungswasserwirtschaft durchaus auch soziale und politische Interessen betroffen sind, ist aber die Leistungsfähigkeit in Bezug auf demokratische Legitimation zu berücksichtigen. Zudem ist Wasser als zentrales Umweltgut zu schützen und zu erhalten, weshalb auch ökologische Aspekte eine wichtige Rolle spielen (d. h. Ressourcenschutz). Demzufolge ist Leistungsfähigkeit ein dehnbarer Begriff, der folgende Dimensionen beinhaltet: E f fe k t i v i t ät Gewährleistung des Service Public (in Bezug auf den Anschlussgrad ans Verteilungs- und Kanalisationsnetz, Qualität, Erschwinglichkeit der Gebühren), Versorgungssicherheit, Ressourcenschutz und öffentliche sowie private Akzeptanz Effizienz Optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis Par t i z i p at i o n Einflussmöglichkeit von Bürgern in Entscheidungsprozessen Re c h e n s c h af t s p f li c h t Klare Definition der Verantwortlichkeiten, Ausmass der Gewaltentrennung und öffentliche Kontrolle Dimension Ausmass Messbare Kriterien Effektivität ++ – Service Public (Grundversorgung): 97–100% der Haushalte angeschlossen ans Trinkwasser- und Kanalisationsnetzwerk; hohe Qualität – keine öffentlichen Wasserkrankheiten; erschwingliche Gebühren – Versorgungssicherheit: Vernetzung des Versorgungsnetzwerkes; Notfallreserve; kontinuierliche Instandhaltung – Ressourcenschutz: mindestens 3 Stufen von Abwasserreinigung; Einhaltung von Grenzwerten; Grundwasserschutz (Quantität) – Akzeptanz: öffentliche Zufriedenheit: niedrige Gebühren, hohe Qualität etc.; private Zufriedenheit: hohe Rendite (über 20%) 0 – Service Public: 90–97% der Haushalte angeschlossen ans Trinkwasser- und Kanalisationsnetzwerk; mittlere Qualität – öffentlichen Wasserkrankheiten; weniger erschwingliche Gebühren – Versorgungssicherheit: Teilvernetzung des Versorgungsnetzwerkes; Notfallreserve; mittlere Instandhaltung – Ressourcenschutz: Mindestens 2 Stufen von Abwasserreinigung; nicht alle Grenzwerte werden eingehalten; Gefahr der Absenkung vom Grundwasser – Akzeptanz: mittlere öffentliche Zufriedenheit: mittlere Gebühren, gewisser Mangel an Qualität etc.; mittlere private Zufriedenheit: mittlere Rendite (über 10–20%) –– – Service Public: Weniger als 90% der Haushalte angeschlossen ans Trinkwasser- und Kanalisationsnetzwerk; niedrigere Qualität, Steigerung der öffentlichen Wasserkrankheiten; keine erschwingliche Gebühren – Versorgungssicherheit: wenig Vernetzung des Versorgungsnetzwerkes; keine Notfallreserve und Instandhaltung – Ressourcenschutz: weniger als 2 Stufen von Abwasserreinigung; viele Grenzwerte werden nicht eingehalten; Absenkung vom Grundwasser – Akzeptanz: öffentliche Unzufriedenheit: hohe Gebühren, Mangel an Qualität etc.; private Unzufriedenheit: niedrige Rendite oder Schulden ++ – Minimierung von internen Kosten mit gleichem / höherem Umsatz 0 – Teilminimierung von internen Kosten mit gleichem Umsatz –– – keine Minimierung / Steigerung von Kosten mit geringerem Umsatz Effizienz Partizipation Rechenschaftspflicht ++ – alle Bürger (in der Stadt / Region) haben Mitbestimmungsrechte (können direkt wählen) 0 – Bürger werden durch ihre Abgeordneten repräsentiert (können nicht mehr direkt wählen) –– – Bürger können weder direkt noch indirekt Einfluss nehmen (Entkopplung von Betrieb und Politik) ++ – Gewaltentrennung (Sanktionen durch Wahlen und Delegation); direkte öffentliche Kontrolle und Transparenz 0 – limitierte Gewaltentrennung; indirekte Kontrolle; wenig Transparenz –– – keine Gewaltentrennung; keine Kontrolle; Intransparenz Tab. 2 D imensionen der Leistungsfähigkeit und ihre Eigenschaften Dimensions des performances et leurs qualités AQUA & GAS N o 2 | 2013 Abwasser | 51 Effektivität Effizienz Partizipation Rechenschaftspflicht Zürich ++ 0 + + Berlin – + – –– Leeds + + –– 0 Legende: –– = niedrig; – = niedrig- bis- mittel; 0 = mittel; + = mittel- bis- hoch; ++ = hoch Tab. 3 E rgebnisse der Leistungsfähigkeit in Zürich, Berlin und Leeds Résultats des performances à Zurich, Berlin et Leeds Diese Dimensionen des Leistungsfähigkeitsbegriffes sind in Tabelle 2 zusammengefasst. FALLSTUDIEN Be is p ie l Zür ich: ö ffent lic h Als Beispiel einer öffentlichen Organisationsform wurden die Wasserversorgung Stadt Zürich und die «Entsorgung + Recycling Zürich» eingehend untersucht. Beide Betriebe sind direkt in die Stadtverwaltung eingebunden und unterliegen deshalb öffentlicher Eigentümerschaft und einem öffentlich-rechtlichen juristischen Rahmen. Die Betriebe finanzieren ihre Dienstleistungen und Investitionen hauptsächlich durch Gebühren, aber auch durch Staatsdarlehen. Die Betriebe dürfen weder Profit generieren noch die Gebührengelder an Dritte oder an andere Sektoren weitergeben; das Betriebseinkommen ist zweckgebunden. Be is p ie l Be r lin: öf fent lic h-p riv a t Als Beispiel einer gemischt öffentlichprivaten Organisationsform wurden die Berliner Wasserbetriebe untersucht, die für die Wasserver- und -entsorgung im Grossraum Berlin verantwortlich sind. Die Eigentümer der Betriebe sind öffentlich und privat; das Management ist an Private delegiert. Wichtig ist, dass die privaten Eigentümer eine direkte Kontrolle über das Management der Wasserbetriebe ausüben können. Im Jahr 1999 hat der Stadt-Staat Berlin 49,9% der Wasserbetriebe (inkl. Infrastruktur) an RWE und Veolia verkauft.1 Die Berliner Wasserbetriebe haben eine eigene Rechtspersönlichkeit, sind jedoch eine Anstalt öffentlichen Rechts. Ihre Aufgaben werden nicht nur durch öffentliche Gesetze, sondern auch durch die Teilprivatisierungsverträge zwischen dem Berliner Senat und den Privateigentümern geregelt. Die finanzielle Struktur basiert auf privatem Betei1 Veolia Environment ist eine französische multi-nationale Korporation. RWE Aqua ist eine deutsche multinationale Korporation im Bereich Energie und Wasser. ligungskapital mit einem Tarif, der eine Rendite für die Gesellschafter garantiert. Dementsprechend wird die Höhe der Gebühren anhand kalkulatorischer Zinsen berechnet, die auf dem betriebsnotwendigen Kapital und einem «Verordnungszinssatz» basieren. Das Betriebseinkommen ist nicht zweckgebunden und kann an Dritte weitergegeben werden. ziele. Was hier vor allem überrascht, ist, dass die gemischte Form hinsichtlich der verschiedenen Leistungsfähigkeitsaspekte am schlechtesten abschneidet und gleichzeitig die stärksten Zielkonflikte aufweist. Um diese Ergebnisse besser zu verorten, wird im Folgenden erläutert, welche Zielkonflikte in den einzelnen Beispielen auszumachen sind. Beisp iel Le e ds: p r i v at B e i s p i e l Zü r i c h Die private Organisationsform wurde anhand einer Fallstudie über Yorkshire Water, den Wasserver- und -entsorger in Leeds, England, beleuchtet. Hier ist das Management privat. Ebenso ist die Eigentümerschaft privat, seit der Staat im Jahre 1989 die Betriebe samt Infrastruktur an das private Unternehmen Yorkshire Water verkauft hat. Die Konzession an das private Unternehmen wurde im öffentlichen Recht spezifiziert. Heute sind aber die Aufgaben in der Lizenz und den Statuten der Betriebe festgesetzt. Die finanzielle Struktur basiert auf privatem Beteiligungskapital – mit zunehmender Fremdfinanzierung. Der Tarif ist ähnlich wie in Berlin, da er eine Rendite für die Investoren garantiert. Wie in Berlin ist das Betriebseinkommen nicht zweckgebunden und kann an Dritte weitergegeben werden. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass die öffentliche Organisationsform auch ohne Wandel zur privaten Form einen mittleren Grad an Effizienz erreichen kann – z. B. durch interne Umstrukturierung, die zu einer Verflachung von Hierarchien und stärkerer Prozessorientierung führte. Gleichzeitig sind die Zürcher Betriebe bestrebt, mehr unternehmerischen Handlungsspielraum zu gewinnen, um ihre Effizienz weiter zu steigern. Hingegen wird ein Wandel in Richtung Privatrecht oder der Einbezug privater Akteure in die Leistungserbringung eher abgelehnt. Die Interviewpartner befürchteten, dass dies zu einer Entkoppelung von politischen Entscheidungsgremien führen und damit legitimatorische Defizite erzeugen könnte. Trotz potenzieller Effizienzsteigerungen werden also Partizipation und die Aufrechterhaltung der Rechenschaftspflicht in der Stadt resp. dem Kanton Zürich höher bewertet. Andererseits weist Zürich einen hohen Erfüllungsgrad bezüglich der Allgemeinwohlziele wie saubere Gewässer (durch hohen Ressourcenschutz) und öffentliche Akzeptanz auf – dies bei gleichzeitig erschwinglichen Gebühren [5]. Durch die Gewaltentrennung konnte eine effektive Einhaltung der Umweltziele bzw. die Erfüllung der Rechenschaftspflicht garantiert werden. Der generell hohe Grad an Partizipation bewirkt ferner, dass Investitionen auf eine hohe Versorgungssicherheit und Ressourcenschutz ausgerichtet sind. ERGEBNISSE Die Ergebnisse der drei Fallstudien sind in Tabelle 3 dargestellt. Dort kann man ablesen, dass keine der Organisationsformen «optimal» abschneidet. Jede Organisationsform weist spezifische Stärken und Schwächen auf. Bei der öffentlichen Organisationsform steht tiefere Effizienz einem höheren Grad an Partizipation, Rechenschaftspflicht und einer besseren Erfüllung der Allgemeinwohlziele gegenüber. Die gemischten und privaten Organisationsformen zeichnen sich durch höhere Effizienz und betriebswirtschaftlichen Profit aus. Dem gegenüber steht aber ein niedrigerer Grad an Partizipation, Rechenschaftspflicht und eine tiefere Erfüllung bezüglich der Allgemeinwohl- B e i s p i e le B e r li n u n d Le e ds In Berlin und Leeds hingegen zeigt die Analyse, dass der Fokus der Versorger 52 | Abwasser sehr stark auf wirtschaftlicher Effizienz und finanziellen Gewinnen liegt. Die gemischte resp. die private Organisationsform wurde ursprünglich eingeführt, um mit privatem Kapital Sanierungskosten zu decken und durch den Einbezug von privaten Akteuren einen höheren Grad an Effizienz und Effektivität zu erreichen. Die Analyse zeigt aber in beiden Fällen, dass zwar ein mittleres bis hohes Ausmass an Effizienz, aber ein geringes Ausmass an Effektivität bezüglich der Allgemeinwohlzeile erreicht wurde. Begründet wird dieser Umstand mit Schwächen bei (a) Gewaltentrennung, (b) effektiver Kontrolle der Betreiber durch die Umweltbehörde und (c) geringer/fehlender Partizipation. Besonders Berlin weist den geringsten Grad an Gewaltentrennung und Transparenz auf, was zu Mängeln bei der Einhaltung der Umweltziele geführt hat. Zudem werden Investitionen in Berlin und Leeds nicht nur eingesetzt, um Versorgungssicherheit und Ressourcenschutz zu gewährleisten, sondern auch, um das betriebsnotwendige Kapital zu erhöhen, sodass die garantierte Rendite erreicht werden kann. So wurde z. B. in Berlin mehr Grundwasser gefördert, als von Nutzern gebraucht wurde, um das betriebsnotwendige Kapital zu erhöhen. Ebenso führen in Leeds gewisse Anreize zu Überinvestitionen (allerdings weniger drastische als in Berlin). Berlin und Leeds konnten schliesslich die garantierten Renditen an ihre Gesellschafter bzw. Investoren ausschütten. Allerdings wurden die Wassergebühren damit für gewisse Bürger unerschwinglich, was schliesslich zulasten der öffentlichen Akzeptanz der gemischten und privaten Organisationsformen führte [5]. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die öffentliche Form eine bessere Balance zwischen den verschiedenen AQUA & GAS N o 2 | 2013 Leistungsfähigkeitsaspekten erreicht als die privaten und gemischten. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen: (1) In ersterer stehen vorwiegend öffentliche Ziele im Vordergrund. Es muss keine Rücksicht auf finanzielle Gewinne genommen werden. (2) Da es um öffentliche Versorgungsgüter geht, bleibt der Anspruch auf Allgemeinwohlorientierung auch in den privaten und gemischten Organisationsformen bestehen. Deshalb weist die öffentliche Form auch einen höheren Grad an öffentlicher Akzeptanz auf als die anderen zwei Formen. SCHLUSSFOLGERUNGEN Die Studie hat gezeigt, wie und warum Zielkonflikte zwischen ökonomischer Effizienz, ökologischen Auswirkungen und demokratischer Legitimation in öffentlich-, privat- und gemischt-wirtschaftlichen Versorgungsbetrieben (in der Siedlungswasserwirtschaft) entstehen können. Dabei hat sich erwiesen, dass private Organisationsformen nicht per se leistungsfähiger sind als öffentliche. Was vielleicht noch mehr überrascht, ist das Ergebnis, dass die gemischte Form keine höhere Leistungsfähigkeit aufweist als die reinen Formen, trotz der gängigen Annahme, dass eine solche Form ein «goldener Mittelweg» zwischen öffentlich und privat darstellt. Die Ergebnisse lassen sogar vermuten, dass die öffentliche Organisationsform generell eine bessere Balance zwischen ökonomischer Effizienz und ökologischen sowie demokratischen Aspekten erreichen kann als private oder gemischte Organisationsformen. Allerdings scheint es wichtig, dass ein hinreichender unternehmerischer Handlungsspielraum gewährleistet bleibt. Private und gemischte Organisationsformen schneiden hier eindeutig besser ab. Diese Resultate widersprechen damit den Hauptannahmen, die oft in der Privatisierungsdebatte zu hören sind, nämlich dass private und gemischte Organisationsformen leistungsfähiger seien als öffentliche. Die hier präsentierten Erkenntnisse stellen damit eine Grundlage dar, um Organisationsformen zu finden, die eine ausgewogene Balance zwischen unterschiedlichen Aspekten der Leistungsfähigkeit in der Siedlungswasserwirtschaft gewährleisten. Damit kann dem jeweiligen politischen Kontext Rechnung getragen werden. Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die zunehmenden Herausforderungen der Siedlungswasserwirtschaft besser bewältigt werden können. Bibliographie [1] OECD (2011): Meeting the Challenge of Financing Water and Sanitation: Tools and approaches. Herausgegeben von Organization for Economic Development and Cooperation Verlag, Paris [2] Dominguez, D. et al. (2011): Tackling uncertainties in infrastructure sectors through strategic planning: The contribution of discursive approaches in the urban water sector. Water Policy (Vol. 13, Iss. 3. pp. 299–316). Intern. Water Association Verlag [3] Wissen, M.; Naumann, M. (2008): Raumdimensionen des Wandels technischer Infrastruktursysteme: Eine Einleitung. In T. Moss; M. Naumann; M. Wissen (Eds.), Infrastrukturnetze und Raumentwicklung. Zwischen Universalisierung und Differenzierung (pp. 17–34). München [4] Mastronardi, P.; Schedler, K. (2004): New Public Management in Staat und Recht (2 ed.). Haupt Verlag, Bern [5] Lieberherr, E. (2012): Transformation of water governance and legitimacy: Comparing Swiss, German and English water supply and sanitation service providers. Doctoral degree, Swiss Federal Institute of Technology, Lausanne [6] Heinrich, C. J. (2011): Public Management. In M. Bevir (Ed.), The Sage Handbook of Governance (pp. 252–269). Sage Verlag, London