BUNDESPOLIZEI kompakt, Ausgabe 1/2014 (PDF, 4MB, Datei ist

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BUNDESPOLIZEI kompakt, Ausgabe 1/2014 (PDF, 4MB, Datei ist
Zeitschrift der Bundespolizei
ISSN 2190-6718
41. Jahrgang
1-2014
Mission
Olympia
In- & Ausland
Täglich, aber nicht alltäglich:
das THW
Seite 14
Recht & Wissen
Was sieht die GroKo für die
Polizei vor?
Seite 26
Damals …
BGS-Grenzjäger ermöglichte
Flucht aus der DDR
Seite 30
| 1-2014
EUAVSEC
Portrait:
Foto: Frank Riedel
Foto: EUAVSEC
Foto: Bundespolizei
Inhalt
P30 CM (Colour Marker)
Barbara Niedernhuber
Mehr als ein Jahr lang half die Europäische Union im Südsudan beim Aufbau
der Luftsicherheit. Über den Einsatz
im jüngsten Staat der Erde und das
abrupte Ende der EU-Mission.
Als Rennrodlerin gehörte sie mehr
als ein Jahrzehnt zur Weltspitze.
Nach einem Trainingsunfall kam das
Karriereende. Heute ist sie Lehrgangsleiterin und betreut das Rennrodel-Team.
Eine Weltneuheit ermöglicht ein
realitätsnahes Einsatztraining:
Mittels Druckluft werden Farbmarkierungskugeln aus originalgetreuen
Übungspistolen verschossen.
Seite 18
Seite 24
Seite 36
„„ Titelthema
Mission Olympia:
unser Team für Sotschi . . . . . . . 4
Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . 11
The History of the Winter
Olympic Games . . . . . . . . . . . . 12
„„ Personal & Haushalt
5 Fragen an ... . . . . . . . . . . . . 21
Im Gedenken . . . . . . . . . . . . . . 22
„„ Technik & Logistik
P30 CM (Colour Marker) . . . . . 36
Laserpointer – nicht nur eine
Gefahr für die Luftfahrt . . . . . . . 39
„„ In- & Ausland
Täglich, aber nicht alltäglich . . . 14
Die Außenansicht . . . . . . . . . . . 17
EUAVSEC – Mission im
jüngsten Staat der Welt . . . . . . 18
Keine passive Dienstleistungsfreiheit für türkische Touristen . . 20
„„ Recht & Wissen
Was sieht die GroKo für die
Polizei vor? . . . . . . . . . . . . . . . 26
GASIM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Damals ... . . . . . . . . . . . . . . . 30
Flüssigkeitsbeschränkung im
Handgepäck wird angepasst . . 34
„„ Portrait
Karriere nach der Karriere . . . . 24
„„ Leserbriefe
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
„„ Zu guter Letzt
„Mit Sicherheit vielfältig“ . . . . . . 43
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Impressum
Herausgeber
Bundespolizeipräsidium
Anschrift
Heinrich-Mann-Allee 103
14473 Potsdam
Telefon
0331 97997-9405
Telefax
0331 97997-9411
E-Mail
[email protected]
Intranet Bundespolizei
kompakt.polizei.bund.de
Internet
bundespolizei.de/kompakt
Layout & Satz
Mandy Deborah Zutz,
Fachinformations- und Medienstelle
der Bundespolizei
Druck
Bonifatius GmbH, Paderborn
Auflage
10 500
Erscheinung
6-mal jährlich
Wir danken allen Beteiligten für ihre
Mitarbeit. Für den Inhalt der Beiträge sind
grundsätzlich die Verfasser verantwortlich.
Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigung
außerhalb der Bundespolizei nur mit
ausdrücklicher Zustimmung des Herausgebers. Dies gilt auch für die Aufnahme in
elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf Datenträgern. Die Redaktion
behält sich vor, Beiträge und Leserbriefe
zu kürzen.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe
23. Januar 2014
Titelbild
Dietmar Reker
3
Foto: Bundespolizei
Redaktion
Ivo Priebe (V.i.S.d.P.),
Anja Voss, Marcus Bindermann,
Fabian Hüppe, Christian Then,
Nathalie Lumpé, Rudolf Höser,
Daniela Scholz, Ulrike Wulf, Kurt Lachnit,
Torsten Tiedemann, Thomas Borowik,
Thorsten Völlmecke, Frank Riedel,
Christian Altenhofen, Torsten Tamm
Liebe Leserinnen und Leser,
unser Titelthema beschäftigt sich
mit den Olympischen Winterspielen.
Insbesondere vor dem Hintergrund,
dass zahlreiche Bundespolizisten als
Olympioniken an den Start gehen und
wir in mittlerweile bewährter Art und
Weise einen Beitrag für den Schutz
des Deutschen Hauses leisten, sind
die Spiele im russischen Sotschi für
die Bundespolizei von großer Relevanz.
Von noch größerer Bedeutung für
die Bundespolizei sind die Inhalte
des Koalitionsvertrages, der einen
Überblick zu den Zielen der Großen
Koalition gibt und damit die Vorhaben
der neuen Regierung zeigt. Die für die
Innere Sicherheit und insbesondere
für die Bundespolizei wichtigsten
Passagen haben wir für sie zusammengefasst.
Außerdem stellen wir in dieser
kompakt unter anderem das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum
Illegale Migration vor und berichten
über einen Pensionär, der als junger
Grenzjäger vor mehr als 40 Jahren
einem DDR-Bürger zur Flucht in die
Freiheit verhalf.
Traditionell gedenken wir in der
ersten Ausgabe des Jahres wieder
den Kolleginnen und Kollegen, die im
vergangenen Jahr im aktiven Dienstverhältnis verstorben sind. Wir werden
sie nicht vergessen.
Ich wünsche unseren Sportlerinnen und Sportlern erfolgreiche
Wettkämpfe, unseren Einsatzkräften
in Sotschi friedliche Spiele und Ihnen
viel Spaß beim Lesen.
Ihr Ivo Priebe
Redaktion Bundespolizei
kompakt
Titelthema
Mission Olympia:
unser Team für Sotschi
24 Athletinnen und Athleten der Bundespolizei gehen bei den XXII. Olympischen Winterspielen in Sotschi an den Start. Das olympische Motto „Dabei
sein ist alles“ reicht den meisten aber nicht aus, denn mit olympischem
Edelmetall könnte man eine hervorragende Saison krönen.
Die
russische Stadt Sotschi
steht während der XXII.
Olympischen Winterspiele vom 7. bis
23. Februar 2014 für 17 Tage im
Fokus der Weltöffentlichkeit. Es ist
das sportliche Großereignis des
Winters schlechthin. Und an Superlativen mangelt es in der Region am
Kaukasus wahrlich nicht: Das Budget
für diese Spiele beläuft sich auf re-
kordverdächtige rund 38 bis 40
Milliarden Euro. Die Region am
Schwarzen Meer liegt auf demselben Breitengrad wie Nizza, mit
einer Durchschnittstemperatur für
den Februar von mehr als 10 Grad
Celsius. Das Motto der Spiele –
„Hot.Cool.Yours.“– klingt in diesem
Zusammenhang fast schon ein
bisschen provokant.
Es gab riesige Eingriffe in die
Natur, allein schon um eine passable
Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Auf
der anderen Seite entstanden zahlreiche hochmoderne Stadien, die nach
den Spielen verkleinert oder sogar
komplett wieder abgebaut werden
können. Und schließlich sind es auch
die Winterspiele mit den höchsten
Sicherheitsvorkehrungen aller Zeiten.
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Zum ersten Mal olympisch:
Carina Vogt, Bundespolizei-Skispringerin
Bei den letzten
Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver konnten die
25 Teilnehmer der
Bundespolizei immerhin
acht Medaillen gewinnen.
Ein gewichtiger Beitrag zum
Abschneiden der 153-köpfigen
deutschen Olympiaequipe!
5
Die XXII. Olympischen Winterspiele
von Sotschi sind bereits die zehnten,
an denen Angehörige der Bundespolizeisportschule Bad Endorf teilnehmen. In Bezug auf die Medaillenkandidaten zeigt sich eine ähnliche
Konstellation wie vor vier Jahren:
Viele kommen aus den Kufensportarten, wie dem Rennrodel- und
Bobsport, aber natürlich auch aus
den Skisportarten und dem Snowboarding.
Foto: Bundespolizei
Das Rennrodel-Team der Bundespolizei:
Johannes Ludwig, Sascha Bennecken, Barbara Niedernhuber, Felix Loch, Natalie Geisenberger, Tobias Arlt, David Möller und Corinna Martini (von links nach rechts)
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Im Rennrodeln dominieren die
deutschen Athleten seit Jahrzehnten.
Bei den Damen ist Weltmeisterin
Natalie Geisenberger (26) die Topfavoritin auf den Olympiasieg. Kein
Wunder, denn die Gesamtweltcupsiegerin von 2013 und 2014 präsentiert
sich auch in diesem Winter in bestechender Form und gewann bisher
fast alle Rennen. Mit Felix Loch (24)
und David Möller (32) haben wir
bei den Männern gleich zwei heiße
Eisen im Feuer. Felix Loch, der 2010
in Vancouver jüngster RennrodelOlympiasieger aller Zeiten wurde,
und Routinier David Möller starteten
verheißungsvoll in den Olympiawinter
und gehören im Kampf um Edelmetall
Francesco Friedrich
Christoph Stephan
zum Favoritenkreis. Auch bei den
Doppelsitzern gehören unsere beiden
Sportler Tobias Arlt (26) und Sascha
Benecken (24) bei ihrer Olympiapremiere zu den Goldkandidaten.
Gemeinsam mit ihren Partnern Tobias
Wendl und Toni Eggert machten sie
in der laufenden Saison fast alle Weltcupsiege unter sich aus.
Im Bobsport sorgte Francesco
Friedrich (23) im Vorjahr für Furore,
als er sich als jüngster Weltmeister im
Zweierbob in die Sportgeschichtsbücher einschrieb. Nach einem verhaltenen Saisonstart steigerte er sich
kontinuierlich, und er gilt nicht nur im
Zweierbob, sondern auch im Vierer
als Medaillenkandidat. Anschieber
Marko Hübenbecker (27) hat auf
dem Bob von Maximilian Arndt ebenfalls gute Medaillenchancen. Bei den
Damen haben Cathleen Martini (31)
und Anja Schneiderheinze (35)
ebenfalls das fahrerische Potenzial,
in die Medaillenränge zu fahren.
Biathlon entwickelte sich bei den
TV-Zuschauern in den letzten Jahren
zur beliebtesten Wintersportart der
Deutschen, was natürlich auch mit
den großen sportlichen Erfolgen
zusammenhängt. Arnd Peiffer (26)
ist unser großer Hoffnungsträger
für Topplatzierungen. Besonders
auf seiner Lieblingsstrecke, dem
10-Kilometer-Sprint, rechnet er sich
einiges aus. Daniel Böhm (27) und
Christoph Stephan (28) haben die
Olympianorm ebenfalls in der Tasche.
Ob dies aber zu einem Ticket nach
Sotschi reicht, wird erst die zweite
Nominierungsrunde des Deutschen
Olympischen Sportbundes zeigen.
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Im Skispringen avancierte Marinus Kraus (23) in diesem Winter
zum Shootingstar. Nach Platz acht
zum Auftakt in Klingenthal sprang
er danach in Kuusamo sensationell
auf Platz zwei. Bei den Damen feiert
das Skispringen in Sotschi seine
Premiere im olympischen Programm.
Ulrike Gräßler (26) und Carina Vogt
(22) haben die Olympiaqualifikation
geschafft. Besonders Carina Vogt hat
mit Podestplatzierungen ein deutliches Ausrufezeichen hinter ihr Leistungspotenzial gesetzt. Olympisches
Edelmetall dürfte für sie möglich sein,
sofern der Wind die Sprungkonkurrenz nicht zur Lotterie macht.
Isabella Laböck (27), Amelie
Kober (26) und Anke Karstens (28)
greifen im Snowboard an die Abzugsbügel. Der Stern von Amelie Kober
ging bei Olympia 2006 in Turin auf,
als sie überraschend als 18-Jährige
die Silbermedaille gewann. Anke
Karstens katapultierte sich zudem
auf Rang fünf. Isabella Laböck ist
amtierende Weltmeisterin im ParallelRiesenslalom. Alle drei gehören zur
Weltspitze im Snowboard und rechnen sich gute Chancen auf Topplatzierungen aus.
Foto: Imago
Marinus Kraus
Amelie Kober
Foto: fisski.com
In der Nordischen Kombination
liegen unsere Hoffnungen auf Björn
Kircheisen (30). Für ihn sind es bereits seine vierten Olympischen Winterspiele. Drei olympische Medaillen
hat er bereits geholt. Im Teamwettbewerb zählt Deutschland zum Favoritenkreis, und Björn Kircheisen ist dort
mit seiner Erfahrung ein Aktivposten.
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Im Skilanglauf konnten Katrin
Zeller (34) und Hannes Dotzler (23)
bei dem gefürchteten Etappenrennen
der „Tour de Ski“ die geforderte
Olympianorm erfüllen. Beide streben
in Russland neben guten Einzelergebnissen vor allem auch Einsätze in
den Staffelwettbewerben an. Dabei
sind positive Überraschungen aus
deutscher Sicht möglich.
Im Eisschnelllauf löst Claudia
Pechstein (41) bereits ihr sechstes
Olympiaticket, neun olympische
Medaillen hat sie schon in ihrer
Sammlung. Für Judith Hesse (31)
ist es die dritte Teilnahme und in ihrer
Paradedisziplin über 500 Meter ist sie
immer für eine Überraschung gut.
Die Kurzstreckenspezialistin Denise
Roth (25) feiert in Sotschi ihre Olympiapremiere.
Hannes Dotzler
Judith Hesse
Die XXII. Olympischen Winterspiele
versprechen wieder Spannung und
sportliche Höchstleistungen. „Hot.
Cool.Yours.“ heißt es dann, auch für
die Sportlerinnen und Sportler der
Bundespolizei. Für die Spiele haben
sie hart trainiert. Am 23. Februar
2014 werden wir Bilanz ziehen
können, ob die Schwarzmeerküste
für unseren Athleten zu einem
Medaillenstrand wurde. Wir drücken
die Daumen!
Torsten Neuwirth,
Torsten Tiedemann
Arndt Peiffer, Björn Kircheisen und
Felix Loch sind große Hoffnungsträger
im deutschen Team. Für die
sprach Torsten Neuwirth mit den
Bundespolizisten über ihre Erwartungen, die Wettkampfanlagen in Sotschi
und das Kribbeln, bei Olympia dabei
zu sein. Die Interviews lesen Sie auf
den folgenden Seiten.
kompakt
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Arnd Peiffer (Biathlon)
kompakt
: Sie sind mittlerweile eine
feste Größe im Team der deutschen
Biathlon-Herren. Ist daran eine besondere Erwartung an Sie geknüpft?
Peiffer: Man muss sich immer
beweisen und gegen Jüngere durchsetzen – unabhängig davon, wie lange
man schon im Team ist oder was man
schon erreicht hat.
kompakt: Ist das Streckenprofil
rund um das „Laura-Biathlon-Zentrum“
wirklich so schwer, wie dies manche
Medien berichten? Wie ist Ihr Eindruck nach den letztjährigen Wettkämpfen?
Peiffer: Es fehlt einfach der Platz
für eine vernünftige Streckenführung.
Wenn man eine 4-Kilometer-Runde auf
minimaler Fläche an einen Hang legen
muss, kommt so etwas dabei heraus.
Eine der schlechtesten Strecken, die
ich kenne. Das darf uns aber nicht
tangieren – wer gut sein will, muss auf
jeder Strecke bestehen können.
kompakt
: Ihr Biathlon-Programm ist
eines der umfangreichsten der Spiele.
Sechs Wettkämpfe in 14 Tagen.
Gehen Sie überall an den Start oder
fokussieren Sie sich auf spezielle
Strecken?
Peiffer: Ich würde gerne so viele
Rennen wie möglich laufen. Da aber
nur vier Athleten pro Rennen laufen
dürfen, wäre ich froh über jeden
Einsatz.
kompakt
: Gibt es für Sie eine Lieblingsdistanz?
Peiffer: Ja, der 10-KilometerSprint liegt mir am besten.
kompakt
: Haben Sie zwischen den
Wettkämpfen und Trainingseinheiten
auch Freizeit und wenn ja, wie werden
Sie diese verbringen?
Peiffer: Da wir so viele Rennen
im Biathlon haben und diese schön
verteilt sind, gibt es leider kaum Zeit,
sich andere Sportarten anzuschauen
oder etwas von Land und Leuten zu
sehen.
Björn Kircheisen (Nordische Kombination)
kompakt
: Mit 30 Jahren gehören
Sie mittlerweile zu den erfahrensten
Athleten im deutschen Team. Dazu
sind es für Sie bereits die vierten
Olympischen Winterspiele. Löst es
bei Ihnen noch das berühmte Kribbeln
aus, bei Olympia dabei zu sein?
Kircheisen: Ja, das Kribbeln ist
immer vorhanden, sonst würde ich
nicht meine Leistung abrufen können.
kompakt
: Inwieweit helfen Ihnen
die Erfahrungen von Salt Lake City,
Turin und Vancouver bei den kommenden Aufgaben?
Kircheisen: Erfahrungen sind im
Sport enorm wichtig, um in den richtigen Momenten die Entscheidungen
zu treffen, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. In den letzten Jahren habe ich viel gelernt und möchte
auf der Zielgeraden meiner Karriere
die Lorbeeren ernten.
kompakt: Nach zweimal Silber und
einmal Bronze im Team fehlt Ihnen in
Ihrer Sammlung logischerweise nur
noch Gold mit dem Team – oder ist
für Sie eine Einzelmedaille bedeutsamer?
Kircheisen: Mir ist es am Ende
egal, was es für eine Medaille ist, jede
ist hart erkämpft, aber die einzelne
würde ich als noch größer ansehen.
kompakt: Sie haben die Wett-
kampfanlage bereits im letzten Jahr
testen können. Wie war Ihr Eindruck?
Kircheisen: Die Schanzen sind
sehr modern und haben eine hohe
Flugkurve, was mir sehr entgegenkommt. Dagegen wird es im Laufen
umso schwieriger, da es am Schwarzen Meer sehr hohe Temperaturen
gibt und diese es für die Techniker
sehr schwierig machen, das optimale
Material zu finden.
kompakt
: Wie wir ja wissen, sind
Sie schon seit langer Zeit mit unserer
Snowboarderin Isabella Laböck liiert,
die ja auch nach Sotschi will. Bringt
diese besondere Situation für Sie
einen besonderen Reiz, motiviert dies
noch zusätzlich?
Kircheisen: Es ist immer schön,
wenn wir uns sehen können, da sie
mir in den letzten Jahren auch sehr
viel mental geholfen hat. Deswegen
freue ich mich auf sie und Olympia,
denn nur wer locker ist, kann gewinnen.
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Felix Loch (Rennrodeln)
kompakt
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: Bei den Olympischen
Winterspielen in Vancouver konnten
Sie ganz unbekümmert an den Start
gehen – in Sotschi werden Sie der
Gejagte sein: Wie gehen Sie damit
um?
Loch: Natürlich ist der Druck von
außen ein wenig größer als vor vier
Jahren. Damals konnte ich bei den
Olympischen Spielen in Vancouver
ganz unbeschwert an den Start
gehen. Dieses Mal ist das ein bisschen anders. Ich versuche locker zu
bleiben und mich ganz auf mich selbst
zu konzentrieren. Obwohl Olympia
natürlich etwas ganz Besonderes in
jeder Sportlerlaufbahn ist, versuche
ich, an den beiden Renntagen so
„normal“ wie möglich damit umzugehen – also so gut wie möglich
cool zu bleiben. Und ich hoffe, vier
saubere Läufe ins Ziel zu bringen!
kompakt
: 2010 haben Sie sich als
jüngster Rennrodel-Olympiasieger
in die Sportgeschichtsbücher eingeschrieben; in Sotschi könnten Sie als
jüngster Doppel-Olympiasieger noch
eins drauflegen. Belasten Sie solche
Gedanken?
Arnd Peiffer
Loch: Um ehrlich zu sein: Ich beschäftige mich nicht mit solchen
Gedanken. Die Konkurrenz ist sehr
stark und jeder Sportler wird sein
Bestes geben. Die Weltspitze liegt so
nahe beieinander, dass oft Tausendstelsekunden entscheiden können.
Deswegen konzentriere ich mich
momentan voll und ganz auf meine
Vorbereitung.
kompakt: In Sotschi erwartet Sie
ein komplett neuer Eiskanal, der
sicherlich auf die russischen Athleten
zugeschnitten ist. Wie waren Ihre ersten Erfahrungen im zurückliegenden
Winter, was charakterisiert die Bahn in
Sotschi?
Loch: Die Bahn in Sotschi liegt mir
eigentlich ganz gut und ich konnte
mich vergangenen Winter schon mit
ihr „anfreunden“. Im unteren Bereich
ist sie sehr schnell und anspruchsvoll.
Aber mir liegen anspruchsvolle Bahnen und ich freue mich schon total
auf die Olympischen Spiele!
kompakt
: Spielt der Heimvorteil
der russischen Rennrodler eine große
Rolle?
Björn Kircheisen
Loch: Natürlich haben unsere
russischen Kollegen einen gewissen
Heimvorteil, immerhin können die
Sportler auf ihrer Olympiabahn weitaus öfter trainieren als wir und dabei
außerdem ihr Material testen. Trotzdem zählen natürlich auch andere
Faktoren, um dann schlussendlich
vorne dabei zu sein. Vor allem die
Athletik, das Material, aber auch die
mentale Verfassung spielen an den
beiden Renntagen eine entscheidende Rolle.
kompakt
: Inwieweit müssen Sie
Ihren Schlitten auf die Gegebenheiten
vor Ort in Sotschi speziell anpassen?
Loch: Grundsätzlich müssen wir
unser Material immer an die Gegebenheiten der unterschiedlichen
Bahnen anpassen. Wir tüfteln vor
jedem Rennen und versuchen das
Beste aus dem Schlitten rauszuholen.
In Sotschi ist das auch so, wobei wir
natürlich noch nicht so viele Läufe
auf der neuen Bahn absolviert haben.
Da gilt es jetzt in der Vorbereitung ein
gutes Schlitten-Setup zu finden.
Felix Loch
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Kommentar
Von Lorbeeren und Himbeeren
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offizielle Motto der
diesjährigen Olympischen Winterspiele im russischen
Sotschi lautet: „Hot.Cool.Yours .“
Das ist nicht russisch, sondern englisch. Zu (Neu-)Deutsch: „Heiß.Cool.
Deins.“ Obwohl der Slogan eher wie
eine Werbekampagne für heiße Himbeeren auf Vanilleeis klingt, erklärt ihn
der örtliche Olympia-Cheforganisator
ohne jegliche kulinarische Konnotationen: Er beschreibe schlicht die
Vielfalt Russlands. Außerdem beziehe
er sich auf „die Leidenschaft des
Sports, die Jahreszeit und die Wahrnehmung Russlands in der Welt
sowie die Olympischen Spiele für
jedermann.“ Warum mutet das nur so
gestrig an?
Apropos gestern: Der Franzose
Pierre de Coubertin, der Pate der
neuzeitlichen Olympiaden, hatte sich
vor mehr als einhundert Jahren für
eine ganz andere Devise entschieden:
„Citius, altius, fortius.“ Das ist nicht
französisch, sondern lateinisch und
bedeutet: „Schneller, höher, stärker.“
Latein ist zwar eine tote Sprache, der
Leitspruch hört sich aber noch heute
lebendiger an als jede neumodische
Lebensmittelreklame. Er ist immer
noch aktuell. Vielleicht deshalb, weil
Coubertins ursprünglicher Vorsatz
ein schlichtes, gesundes und von
nationalen Egoismen befreites Kräftemessen war: Menschen aus aller
Welt sollten sich begegnen, um die
internationale Verständigung voranzutreiben. Kein Raum für Kommerz oder
völkisch-ideologische Propaganda.
Zugegeben, der Ruf nach „schneller, höher, stärker“ weckt heute auch
andere Assoziationen. Erleben wir
nicht täglich unsere eigenen Olympischen Spiele bei der Arbeit? Der Bessere möge gewinnen – ja, nur unter
welchen Umständen? Genau diese
Umstände sind aber zugleich der gemeinsame Nenner der Sport- und der
Arbeitswelt – und die Messlatte für die
Redlichkeit des Erfolgs. Wer stärker
ist, wer höher springen, schneller als
andere laufen will und kann, der soll –
vielleicht sogar muss – es tun. Etwas
bleibt er aber seinen Mitstreitern ob
seiner Überlegenheit immer schuldig:
Fairness, Respekt und Toleranz.
Im Wettbewerb, der Coubertins
Idee folgt, ist trotzdem genügend
Platz für Glanz, Prestige und Bewunderung. Ganze Länder fiebern mit,
wollen etwas von der Glorie, die den
Siegern zuteil wird, erhaschen – alles
legitim. Herausragende Leistungen
setzen ja in aller Regel nicht nur
Talent, sondern vor allem harte Arbeit
voraus – zu gewinnen kann also nicht
verwerflich sein. Ebenso wenig die
Freude darüber. Und dennoch:
Nur besser als die anderen zu sein,
reicht nicht. Denn ohne Fairness
verkommt jede Tat, jede Errungenschaft und jeder Sieg zu einem
sinnentleerten Vorgang, wertlosen
Akt der Selbstliebe. Der Sport bringt
Menschen nur dann zusammen,
wenn er fair bleibt. Ohne Respekt
und Toleranz kann er der Verständigung nicht dienen, sondern verfällt zu
einem kalten, auf wirtschaftliche oder
machtideologische Aspekte reduzierten Wettkampf.
Während diese Zeilen geschrieben
werden, zieht eine Nachricht aus dem
Bundespräsidialamt große Kreise.
Medien versuchen, die Ankündigung
des deutschen Staatsoberhaupts,
es werde die Olympischen Spiele in
Sotschi nicht besuchen, zu deuten.
Dieser Tage ist in den Zeitungen
einiges über Fairness, Respekt und
Toleranz zu lesen. Was aber, wenn
der Bundespräsident nur keine heißen
Himbeeren auf Vanilleeis mag? Heiß
und cool ist vielleicht einfach nicht
seins.
Thomas Borowik
Foto: Foto-Studio Strauß, Altötting
Das
Der Autor (45) ist Pressesprecher der Bundespolizeidirektion München. Der dienstälteste
Redakteur greift in seiner Kolumne die polarisierenden Aspekte des jeweiligen Titelthemas auf.
kompakt The Olympic rings became the symbol of the Olympic movement and an emblem of the International Olympic Committee (IOC). The Frenchman Pierre de Coubertin,
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founder of the modern Olympic Games, introduced the flag with the rings to the IOC delegates in 1913: Five intertwined rings, each a different colour, symbolizes the
union of the five regions of the world and the peaceful meeting of athletes from around the world. The Olympic flag was hoisted for the first time at the 7th Olympic
Games held in Antwerp in 1920.
12
The History of the Winter
Olympic Games
The XXII Winter Olympic Games will take place 7 - 23 February 2014, in the
Russian city of Sochi – a city of 340,000 inhabitants located on the Black
Sea. It will be the first Winter Games held in a subtropical city, as Sochi is
situated at the same latitude as Nice, France. Russia hosted its first Olympic
Games in the summer of 1980, so this will be the second time that the
Games have been held in Russia. And, according to estimates, these will
be the most expensive Olympic Games of all time.
But
what is the origin of the
Winter Games?
The French aristocrat and sports
enthusiast Pierre de Coubertin organised the first gathering of delegates
in Paris on June 23, 1894. The delegates, who became the first International Olympic Committee (IOC) and
Coubertin the first president, voted
to organise the first modern Olympic
Games. Although summer sports
were the focus, the delegates named
ice-skating as one of the desired
disciplines.
In 1901, a few years after the first
Summer Games in 1896, the Nordic
Ski Games were held in Stockholm
for the first time. These took place
on an irregular basis until 1926, and
Coubertin referred to them as the
“Scandinavian Olympics”.
However, winter sports did not
really gain momentum until after WWI.
Figure skating was on the programme
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Attempts to have winter sports
included in the 1912 Summer Games
in Stockholm were not successful
because the Scandinavians wanted
to protect their Nordic Games. The
breakthrough came during the IOC
meeting in Paris in 1914. After many
countries campaigned to have winter
sports included, figure skating, Nordic
ski events, and ice hockey became
official Olympic events; however, the
outbreak of WWI brought everything
to a halt.
Germany’s plan to host the first Winter Olympics on Feldberg in the Black
Forest as well as the Summer Games
to be held in Berlin in 1916 also became a victim of WWI. Following the
resolution of 1914, figure skating and
ice hockey competitions were finally
included in the Olympic programme in
Antwerp in 1920. This increased the
support for Winter Olympic Games.
In Lausanne, in 1921, the IOC
delegates recommended that Olympic
winter sport competitions should be
held where the Summer Games take
place and where winter sports are also
possible. The aim was then to have
an “international winter sports week”
in Chamonix, France in 1924. The
Scandinavians were again completely against this, and demanded that
Chamonix not be a part of the Paris
Games. The French, however, put on
the winter sports week in “Olympic”
fashion. In 1926, the IOC officially
declared this week to have been an
Olympic Winter Games. After this,
there was no turning back. St. Moritz
was the host of the second Winter
Olympic Games in 1928.
Since then, the Winter Olympic
Games have grown enormously. In
comparison, 258 athletes (13 women
and 245 men) from 16 countries competed for medals in 14 disciplines in
the Games held in Chamonix in 1924.
In Turin in 2006, there were 2,633
athletes (1,006 women and 1,627
men) from 80 countries competing
in 84 disciplines. And participation
continues to rise.
Until 1992, the Winter Games took
place in the same year as the Summer Games. Since 1994, the Winter
Games alternate with the Summer
Games every two years.
In contrast to the Summer Games,
the Winter Games are counted according to the number of Games held,
and not according to the Olympiad
(the definition of Olympiad is the period of time between two Summer or
two Winter Games, which is generally
a period of four years). Games that
have not been held due to war are
therefore not counted.
The German Federal Police Sport
College in Bad Endorf was founded in
1978 and was represented at the very
next Winter Olympics. The first and
only athlete from Bad Endorf at the
Winter Olympic Games, held in Lake
Placid in 1980, was Wolfgang Müller.
Competing in the men’s 4 x 10 km
cross-country skiing relay, he finished
in the unfortunate fourth place.
The Federal Police Sport College
had to wait for its first medal until
1992. The biathlete Uschi Disl won
the silver medal in the 3 x 7.5 km
relay. Thereafter, Uschi Disl went on
to win a total of nine Olympic medals
(2 x gold, 4 x silver and 3 x bronze),
becoming one of the most successful
German winter sports athletes of all
time.
The Winter Olympic Games have
only taken place once in Germany
– in Garmisch-Partenkirchen in
1936. In the future, it will be difficult
to experience the Winter Games in
Germany. Munich failed to win the
bid to host the Games in 2018. A bid
for 2022 was contemplated, but a
citizens’ initiative shot down the plans.
In November 2013, hundreds of
thousands of citizens in Bavaria voted
against hosting the Olympic Games in
Munich.
Torsten Tiedemann,
Melissa Lindner
Uschi Disl won a total of nine Olympic medals. She ended her successful career in 2006.
Foto: picture alliance / dpa / dpaweb, Bernd Thissen
for the Games in Paris in 1900, but
then the event was later cancelled.
Figure skating made its debut at the
1908 Games held in London where 7
women and 14 men from 6 countries
competed in 4 disciplines. Medals
were awarded, which gave the competition official recognition.
13
Foto: Technisches Hilfswerk
In- & Ausland
Täglich, aber nicht alltäglich
Das Technische Hilfswerk (THW) hilft Menschen in Not und bietet spannende
und abwechslungsreiche Aufgaben. Als operative Einsatzorganisation des
Bundes im Bereich Bevölkerungs- und Katastrophenschutz ist es täglich
sowohl national als auch international im Einsatz.
Rund
80 000 Menschen arbeiten
beim THW – fast alle ehrenamtlich
und in ihrer Freizeit. Ein Einsatz, der
der gesamten Bevölkerung zugute
kommt. Nach schweren Unwettern
räumen die Einsatzkräfte Straßen
frei und pumpen vollgelaufene Keller
leer. Sie versorgen Krankenhäuser
mit Notstromaggregaten und stützen
einsturzgefährdete Gebäude ab. Um
immer schnell am Unglücksort zu sein,
ist das THW breit aufgestellt: Mit 668
Ortsverbänden ist es im gesamten
Bundesgebiet vertreten. Damit die
ehrenamtlich Helfenden ihrer Arbeit
in den Ortsverbänden nachgehen
können, werden sie von rund 800
hauptamtlichen Mitarbeitern unterstützt. Aufgeteilt in THW-Leitung mit
Sitz in Bonn, acht Landesverbände
und 66 Geschäftsstellen, sorgen
sie dafür, dass aus dem Wunsch der
Ehrenamtlichen, ihren Mitbürgern
zu helfen, aktive Hilfe wird. Die Ausund Fortbildung der ehrenamtlichen
Einsatzkräfte erfolgt sowohl im Ortsverband als auch an den beiden THWBundesschulen. Zudem bereiten sich
die Helfer durch regelmäßige Übungen
unter realitätsgetreuen Bedingungen
auf den Ernstfall vor.
Die Unterstützung der Arbeitgeber
ist für das Technische Hilfswerk unerlässlich. Nur durch die Freistellung
der Helfer kann das THW seinen
gesetzlichen Aufgaben nachkommen.
Den Arbeitgebern wird im Gegenzug
der Ausfall der Arbeitskräfte erstattet.
Mit technischem Fachwissen und
Spezialgerät ist das THW wichtiger
Partner für Feuerwehr, Polizei
und andere Hilfsorganisationen in
Deutschland, Europa und weltweit.
Organisatorisch gehört das THW wie
die Bundespolizei zum Geschäftsbereich des Bundesministers des
Innern.
Ehrenamt als
Ehrensache
Das Technische Hilfswerk blickt auf
eine ereignisreiche Entwicklung und
viele Jahre ehrenamtliches Engagement zurück. Es war die Zeit des
Wiederaufbaus Deutschlands, als
das THW 1950 gegründet wurde.
Seitdem hat es sich verändert und
weiterentwickelt. Stets gleich geblieben ist der Leitgedanke der Bundes-
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Auf Autobahnen hilft das THW unter anderem dabei,
Schadensstellen abzusichern und den reibungslosen
Verkehr zu ermöglichen.
anstalt, der hinter
den Einsätzen der
Freiwilligen steht:
sich ehrenamtlich für
den Schutz der Bevölkerung und notleidende
Menschen zu engagieren.
Diese humanitäre Idee hat
das THW nicht nur im Inland,
sondern auch weit über die
Grenzen der Bundesrepublik und
Europas hinaus bekannt gemacht.
Auch Kinder und Jugendliche
haben im THW ihren festen Platz.
Zu jedem THW-Ortsverband gehört
eine Jugendgruppe. Dort werden
Jugendliche im Alter von zehn bis
18 Jahren spielerisch an die Technik herangeführt und lernen dabei
die Bedeutung gesellschaftlichen
Engagements für das Gemeinwesen
kennen.
Das Technische Hilfswerk passt
bereits seit sechs Jahrzehnten seine
Strukturen flexibel den sich ändernden Gefahrenlagen an. Modernes
Einsatzgerät und gut ausgebildete
Spezialisten sind Grundlage der
hohen Effizienz – in Deutschland und
in der ganzen Welt. Heute verfügt es
über 730 Technische Züge mit fast
2 500 Gruppen. Bundesweit gehören
mehr als 8 400 Fahrzeuge zur Ausstattung.
Gut ausgerüstet
Egal ob Großpumpe, Plasmaschneider oder Hydraulikspreizer:
Der Werkzeugkoffer des THW ist
umfangreich. Er ist voll mit spezieller
Technik für fast alle erdenklichen
Aufgaben. So können beispielsweise
Notstromaggregate aufgebaut und
Einsatzstellen ausgeleuchtet werden.
Mit schwerem Gerät werden Trümmerberge beseitigt oder Verschüttete mit
Foto: David Domjahn, THW-Karlsruhe
Die Fachgruppe Beleuchtung macht dank ausgefeilter Technik die Nacht zum Tag.
empfindlicher, akustischer Ortungstechnik gesucht. Das ermöglicht dem
THW ein vielfältiges Einsatzspektrum.
Weltweit im Einsatz
Als Einsatzorganisation der
Bundesrepublik im Bereich Bevölkerungs- und Katastrophenschutz ist
das THW international tätig. Seit 1953
ist es im Auftrag der Bundesregierung
und auf Anfrage der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder
befreundeter Staaten in rund 130
Länder aktiv gewesen. Nach Erdbeben, Fluten oder Wirbelstürmen
sind die Einsatzkräfte binnen weniger
Stunden abflugbereit. Vor Ort retten
sie Verschüttete aus Trümmern oder
versorgen die notleidende Bevölkerung beispielsweise mit frischem
Trinkwasser. Aus der kurzfristigen
Nothilfe entwickeln sich im Anschluss
oft längere Projekte, in denen die
betroffenen Staaten mit technisch-
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Einsatzschwerpunkte im Jahr 2013:
„„ B
ekämpfung des Jahrhunderthochwassers mit Pumpen und Sandsäcken
sowie Unterstützung bei den anschließenden Aufräumarbeiten
„„ Schadensbeseitigung nach dem Hagelunwetter im Großraum Tübingen
„„ Aufbauarbeiten für die Feuerwehrolympiade in Frankreich
Hinzu kommen die beinah tägliche technische Soforthilfe nach Unglücken
sowie die Unterstützung anderer Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.
humanitärer Hilfe unterstützt werden.
So half das THW nach dem Tsunami
in Indonesien vom Dezember 2004
beim Wiederaufbau und war nach
dem schweren Erbeben vom Januar
2010 18 Monate lang in Haiti tätig.
Aktuell sind ehrenamtliche Mitarbeiter in Jordanien und auf den
Philippinen im Einsatz. Angesichts
des Bürgerkriegs in Syrien und der
daraus resultierenden Flüchtlingswelle wurde das THW in Zusammenarbeit
mit anderen Organisationen mit dem
Bau und Betrieb zweier Flüchtlingslager in Jordanien beauftragt. Nachdem der Taifun „Haiyan“ auf den
Philippinen große Verwüstungen und
großes menschliches Leid hinterlassen hatte, benötigten die Menschen
dringend internationale Hilfe. Im Auf-
trag des Bundesinnenministeriums
wurde das THW mit zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen und diversen
Werkzeugen für Notreparaturen an
den zerstörten Wassersystemen und
zur Unterstützung des Wiederaufbaus
der Infrastruktur dorthin entsandt.
Zusammenarbeit THW
und Bundespolizei
Zwischen dem Technischen Hilfswerk und der Bundespolizei gibt es
seit vielen Jahren eine erfolgreiche
Zusammenarbeit, die im Jahr 2011
durch die Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung eine neue Grundlage erfahren hat. Die Kooperation in
den Bereichen Einsatz, Führung und
Fortbildung sowie der Austausch von
Unzählige Sandsäcke wurden beim Jahrhunderthochwasser 2013 befüllt und
gegen die Wassermassen eingesetzt.
Unterstützt wird die Bundespolizei
mit technischem Gerät beispielsweise
bei der Einrichtung von Kontrollstellen
oder bei den Ermittlungsarbeiten nach
Bahnbetriebsunfällen. Bei Großeinsätzen wie dem NATO-Gipfel 2009
oder Castortransporten kann insbesondere logistisch unterstützt werden.
Das THW nutzt seinerseits die
Möglichkeit, auf die Hubschrauber
der Bundespolizei zurückzugreifen
oder bei gemeinsamen Ausbildungsmaßnahmen mit der Bundespolizei
verschiedene Einsatzszenarien zu
trainieren.
Die intensive Zusammenarbeit im
Alltag ist ein Garant dafür, dass bei
Großveranstaltungen oder Katastropheneinsätzen das Zusammenwirken
der Bundesbehörden ein tragendes
Element der erfolgreichen Einsatzbewältigung zum Schutz und Wohle der
Bevölkerung ist.
Jens-Olaf Sandmann
Mit schwerem Gerät beseitigt das THW Trümmer nach einem Hochwasser.
Foto: Technisches Hilfswerk
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Beratern und Verbindungspersonen in
die jeweiligen Führungsstäbe spielen
vor Ort die wichtigste Rolle.
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Kolumne: Die Außenansicht
Hohes Engagement, großer Aufwand
und der Wunsch nach Kontinuität
den meist anlassbezogenen Kontakten
zwischen der Bundespolizeidirektion
Stuttgart und dem THW-Landesverband Baden-Württemberg entstand
die Idee, im Rahmen einer Hospitation
bei der Bundespolizei die Zusammenarbeit systematisch weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Dabei ging es
nicht nur um die technisch-taktische
Kooperation in Einsatzlagen, sondern
es sollten auch Ideen zur Optimierung
von Organisation und Verwaltung des
THW gesammelt werden.
Im Frühjahr 2013 war es dann so
weit. Während meiner Hospitation hatte ich Gelegenheit, alle Bereiche der
Bundespolizei in Baden-Württemberg
kennenzulernen. Natürlich ist es für
einen Nicht-Polizeivollzugsbeamten
sehr spannend, einen Einblick in
Bereiche zu nehmen, den man als
„Normalbürger“ sonst nicht oder nur
sehr eingeschränkt erhält.
So haben beispielsweise das
veränderte Ausgehverhalten und
die verlängerten Betriebszeiten des
öffentlichen Personennahverkehrs
am Wochenende einen nachhaltigen
Einfluss auf die Lage in den Stuttgarter S-Bahn-Stationen. Es ist bewundernswert, mit welchem Engagement
die Beamten mit dieser Entwicklung
umgehen und durch ihre Präsenz
dazu beitragen, dass die Atmosphäre
friedlich bleibt, Aggressionen zügig
unterbunden und „Nachtschwärmer“
davor geschützt werden, im alkoholbedingten Übermut zu Schaden zu
kommen.
Überrascht hat mich, welch polizeilicher Aufwand sich hinter den Fußballspielen jedes Wochenende
verbirgt. Die Komplexität der Vorbereitungen im Rahmen der eigenen
Zuständigkeit – beginnend mit der
langfristigen Pflege eines Netzwerkes
zu Vereinen und Fangruppierungen
über das Monitoring des Fanverhaltens, die Analyse der möglichen
Verkehrsmittel und Reiserouten bis
hin zur Planung konkreter Abfahrtsund Ankunftskontrollen sowie Zugbegleitungen – ist beachtlich. Wenn
größeren Teilen der Bevölkerung
bekannt wäre, welcher Aufwand und
welche Kosten für den Steuerzahler
direkt oder indirekt durch die Fußballspiele jedes Wochenende verursacht
werden, hätte die Diskussion rund
um die Sicherheit bei Fußballspielen
sicherlich einen anderen Stellenwert
auf der politischen Agenda.
Als besonders eindrücklich ist
mir die Teilnahme an einer Polizeihubschrauber-Sprungfahndung im
deutsch-schweizerischen Grenzgebiet
in Erinnerung geblieben. Schweizer
Grenzwächter und deutsche Bundespolizisten haben hier gemeinsam
Kontrollstellen dies- und jenseits der
Grenze eingerichtet und betrieben.
Beeindruckend war, wie unkompliziert
und zielorientiert die gemischten
Teams ihre Aufgabe auf beiden Seiten
der Grenze wahrgenommen haben.
Für mich war diese Maßnahme ein
starkes Signal, dass die Nationalstaaten in Europa bereit sind für eine
professionelle bilaterale Zusammenarbeit.
Ich habe die Bundespolizei als eine
spannende Behörde mit hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
kennengelernt, die sich derzeit in
einer Phase der Veränderung befindet. Nach meinem Empfinden dauert
diese schon viel zu lange an. Natürlich
müssen sich Organisationen kontinuierlich weiterentwickeln. Menschen
brauchen aber insbesondere nach
gravierenden Veränderungen Kontinuität, um sich ganz ihren Aufgaben
widmen zu können.
Jens-Olaf Sandmann
Foto: Technisches Hilfswerk
Aus
Nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften
in Konstanz und fünfjähriger Tätigkeit bei einer
Frankfurter Unternehmensberatung ist Jens-Olaf
Sandmann (42) seit 2003 beim Technischen
Hilfswerk tätig. Zunächst als Referent für Grundsatzangelegenheiten und Ausbildung in BadenWürttemberg, anschließend in der THW-Leitung
als Referatsleiter Logistik und seit 2008 wieder in
Stuttgart als Referatsleiter Einsatz und stellvertretender Landesbeauftragter.
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Bis die Unruhen im Dezember 2013 ausbrachen, wurden auf dem Juba International Airport
täglich etwa 3 000 Passagiere abgefertigt.
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EUAVSEC – Mission im
jüngsten Staat der Welt
Foto: Dr. Markus Ritter
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Vom Herbst 2012 bis zum Dezember 2013 hat die Europäische Union mit
der European Union Aviation Security Mission in South Sudan (EUAVSEC)
eine kleine zivile Mission im Südsudan betrieben. Dr. Markus Ritter, Bundespolizist und ehemals Head of Planning and Operations, berichtet über den
jüngsten Staat der Erde und das abrupte Ende der EU-Mission.
Etwa neun Millionen Menschen
leben hier auf einer Fläche, die
etwa doppelt so groß ist wie die
der Bundesrepublik Deutschland.
Die Hauptstadt Juba zählt etwa
500 000 Einwohner und ist gekennzeichnet durch einen starken Zuzug
von Menschen aus armen ländlichen
Gebieten. Dabei fehlt es auch in
der Hauptstadt an einer geregelten
Trinkwasserversorgung, einer Abwasser- und Müllentsorgung sowie
einer Strom- und medizinischen
Versorgung. Die meisten Straßen sind
Wie in diesem Slum in Juba leben viele Menschen im
Südsudan in großer Armut.
ungeteert, und an vielen Stellen der
Stadt entstehen unkontrolliert Hüttenansammlungen. Dabei handelt es sich
meist um runde, mit Stroh bedeckte
Lehmhütten, in denen sehr schlechte
hygienische Zustände herrschen.
Auch deswegen ist der Südsudan
in Bezug auf Krankheiten ein Risikogebiet. Allein in Juba sterben etwa 80
Menschen jeden Monat an Malaria.
Es gibt also genug Gründe, dem
jungen Staat auf die Beine zu helfen.
Um der südsudanesischen Regierung
beim Aufbau einer funktionierenden
Luftsicherheit und akzeptabler Sicherheitsstandards am Hauptstadtflughafen, dem Juba International Airport,
zu helfen, initiierte die Europäische
Union im Herbst 2012 die zivile
Mission EUAVSEC.
Foto: Dr. Markus Ritter
Die
Republik Südsudan,
die am 9. Juli 2011
nach jahrzehntelangem Krieg von der
nördlich gelegenen Republik Sudan
unabhängig wurde, ist der jüngste,
aber auch einer der ärmsten Staaten
der Welt.
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Die Mission
Foto: Dr. Markus Ritter
Am 1. Oktober 2012 trafen die
ersten Angehörigen der EUAVSEC in
Juba ein. Wegen fehlender adäquater
Unterbringungsmöglichkeiten war
die Mission anfangs in einem Hotel
in Juba einquartiert, konnte jedoch
bereits im Februar 2013 in eigene
Unterkunftsgebäude einziehen. Personell wuchs die Mission ständig und
hatte in der Spitze einen Personalbestand von 34 internationalen und
15 nationalen Mitarbeitern. Unter den
internationalen Missionsangehörigen
befanden sich auch drei deutsche
Bundespolizisten und ein Angehöriger
der hessischen Polizei. Ihren Dienst
absolvierten sie in Uniform, allerdings
unbewaffnet und ohne Exekutivbefugnisse.
Auf dem Gelände des Juba International Airport betrieb die EUAVSEC
ab März 2013 ein kleines Trainingszentrum, in dem abgestufte Luftsicherheitstrainings für all diejenigen
Organisationen und Behörden am
Flughafen durchgeführt wurden, die
mit Luftsicherheitsaufgaben betraut
sind. Besonders geeignete Kursteilnehmer wurden in ein „Train-theTrainers“-Programm aufgenommen,
um die erforderliche Nachhaltigkeit
der Ausbildungsbemühungen sicherzustellen. Dabei schulten die EUAVSEC-Mitarbeiter auch Angehörige
der Fluggesellschaften und am Flughafen ansässige Geschäftsleute, um
bei diesen ein Sicherheitsbewusstsein und ein Verständnis für notwendige Sicherheitsmaßnahmen zu
entwickeln.
besuchten einen Luftsicherheitsgrundlehrgang der EUAVSEC und
wurden im täglichen Dienst von
Missionsangehörigen angeleitet und
begleitet.
Das abrupte Ende
Mitte Dezember 2013 brachen im
Südsudan innerstaatliche bewaffnete
Unruhen aus, die dazu führten, dass
die eigentlich bis Februar 2014 angedachte Mission mit der Evakuierung
der internationalen Missionsangehörigen vorzeitig abgebrochen werden
musste.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die
Konfliktparteien friedlich einigen und
kein Bürgerkrieg ausbricht. Zivile Ent-
Ein portugiesischer Trainer erläutert einheimischen Sicherheitskräften Grundlagen der Luftsicherheit.
Im Transportministerium in Juba
verfügte die EUAVSEC über ein
Büro. Aus ihm heraus unterstützte
die Mission das Ministerium bei der
Schaffung einer zivilen Luftfahrtbehörde sowie bei der Ausarbeitung
und Einführung von Luftsicherheitsprogrammen. Da es den dortigen
Führungskräften nicht nur an luftfahrtspezifischen Spezialkenntnissen,
sondern auch an Managementerfahrungen fehlte, führte die EUAVSEC
mehrere einwöchige Managementkurse für die obere und mittlere
Führungsebene durch.
Parallel zur Trainingskomponente
war täglich ein Advisor- und Mentorenteam am Flughafen eingesetzt, um
die Sicherheitsverantwortlichen zu
beraten und sie bei der täglichen
Dienstverrichtung zu begleiten.
Im Mai 2013 wurde schließlich
eine Sondereinheit der südsudanesischen Polizei am Flughafen
stationiert, um dort die sichtbare
uniformierte Präsenz zu erhöhen
und die Grundlage für eine aufzubauende Flughafenpolizei zu schaffen.
Auch die Angehörigen dieser Einheit
wicklungshilfe kann der junge Staat
nur in einem friedlichen Umfeld erhalten. Auch wegen der relativ kurzen
Missionsdauer sollte die Mission EUAVSEC nur der Anfang einer längeren
Unterstützung durch die internationale
Staatengemeinschaft gewesen sein.
Dr. Markus Ritter
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EuGH: keine passive
Dienstleistungsfreiheit
für türkische Touristen
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Dem über Jahre andauernden Rechtsstreit, ob türkische
Staatsangehörige unter anderem als potenzielle Dienstleistungsempfänger in Deutschland der Visumpflicht unterliegen, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun ein
Ende gesetzt. Das Demirkan-Urteil (C-221/11) vom September 2013 schafft Klarheit: Türkische Bürger können
sich nicht auf passive Dienstleistungsfreiheit berufen.
Bereits
1963 hatte
die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG) mit der Türkei ein Assoziierungsabkommen geschlossen, um
die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsstaaten
auszubauen und die Türkei auf einen
eventuellen Beitritt zur Europäischen
Gemeinschaft vorzubereiten. 1970
trat ein Zusatzprotokoll in Kraft, das
eine sogenannte Stillhalteklausel
enthält: „Die Vertragsparteien werden
untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit
und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.“
Die Tragweite dieser Vereinbarung
wird im Lichte des Umstands klar,
dass zum damaligen Zeitpunkt türkische Dienstleistungserbringer für
einen Aufenthaltszeitraum von bis zu
zwei Monaten in der Bundesrepublik
grundsätzlich von der Visumpflicht
befreit waren. Die allgemeine Visumpflicht für türkische Staatsbürger ist
in Deutschland erst 1980 eingeführt
worden. Die Frage, ob dieser Akt eine
der Stillhalteklausel zuwiderlaufende
Beschränkung des freien Dienstleis-
tungsverkehrs darstellte, beschäftigte
seitdem sowohl zahlreiche Reisende
als auch Behörden und Gerichte.
Im Jahr 2009 entschied der EuGH
(Soysal-Urteil, C-228/06), dass ein
Visum für die Einreise in das Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates nicht
erforderlich ist, wenn ein türkischer
Staatsangehöriger – im konkreten
Fall ein Lkw-Fahrer – dort Dienstleistungen im Auftrag eines in der Türkei
ansässigen Unternehmens erbringen
will. Das Soysal-Urteil ist auch auf
andere Verrichtungen im grenzüberschreitenden Verkehr übertragbar.
Dazu gehören etwa Vorträge und Darbietungen von besonderem wissenschaftlichen oder künstlerischen
Wert, kommerzielle Darbietungen
sportlichen Charakters sowie Montage- und Instandhaltungsarbeiten
oder Reparaturen an durch türkische
Firmen gelieferten Anlagen oder
Maschinen.
Offen blieb jedoch, ob der Begriff
„freier Dienstleistungsverkehr“ auch
den passiven Dienstleistungsverkehr,
also den Empfang von Dienstleistungen, umfasst. Bei einer solchen
Interpretation wären türkische Staatsangehörige bei Kurzaufenthalten
faktisch generell von der Visumpflicht
befreit – denn auch ein Tourist nimmt
regelmäßig Dienstleistungen in Anspruch, etwa als Bahn-, Hotel- oder
Restaurantkunde. Genau dies war der
Gegenstand der vor dem EuGH ausgetragenen Rechtssache Demirkan.
Das Gericht entschied nun, dass
die Stillhalteklausel aus dem Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und der
Türkei der Visumpflicht nicht entgegensteht, wenn diese keine Dienstleistungserbringer, sondern lediglich
-empfänger betrifft. Türkische Staatsangehörige sind demnach nicht
berechtigt, ohne Visum in die Mitgliedstaaten der EU einzureisen,
um dort eine Dienstleistung zu
empfangen.
Sylwester Gawron,
Thomas Borowik
5
Fragen an ...
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Michael Labetzke
Er hat mehr als elf Jahre Erfahrungen im Ermittlungsdienst
sammeln können und erinnert sich an so manch herausfordernde und spannende Situation während seiner bisherigen
polizeilichen Laufbahn. Michael Labetzke ist 43 Jahre alt.
Er begann seine Laufbahn im damaligen Grenzschutzkommando Küste, zunächst im Einsatzzug, später in der Wasserwerfer-Einheit. Nach mehreren Jahren im grenzpolizeilichen
Einzeldienst absolvierte er im ersten ausgelagerten Studienjahrgang im Jahr 2000 die Ausbildung für den gehobenen
Dienst beim Bundeskriminalamt. Nach zwei Jahren im Sachbereich Auswertung der Kriminalitätsbekämpfung Rostock
versieht er seit 2002 seinen Dienst als Sachbearbeiter und
funktionaler stellvertretender Leiter des Ermittlungsdienstes
in Bremen.
1. W
as schätzen Sie bei der Bundespolizei am meisten?
Es ist der Facettenreichtum der Bundespolizei, der mich
immer wieder begeistert, und damit schätze ich die
Möglichkeiten, die einem über die gesamte Dienstzeit
zur Verfügung stehen. Eine nahezu unglaubliche Aufgabenfülle im Vergleich zu den Landespolizeibehörden.
3. Was
war Ihr bisher schönstes
Erlebnis im Dienst?
Gleich mein erster Fall in Bremen. Unbekannte wollten
mittels aufgelegter und verkeilter Bahnschwellen einen
Zug entgleisen lassen, was auch fast gelang. Die
Spurenlage war gleich null. Trotzdem gelang es uns,
die beiden Täter nach wenigen Wochen zu ermitteln.
Beide legten ein umfängliches Geständnis ab.
5. W
as wäre Ihre erste Amtshandlung, wenn
Sie heute zum Präsidenten der Bundespolizei ernannt würden?
Es fehlt an Zeit und Spezialisten für die Fülle der Aufgaben, die ein
örtlicher Ermittlungsdienst mittlerweile hat. Deshalb würde ich Ermittlungsdienste strukturell, organisatorisch und personell stärken. Zu
einer guten Polizeiarbeit gehört gute Ermittlungsarbeit. Letztendlich
würden alle Bereiche davon profitieren.
Foto: Bundespolizei
21
2. W
as schätzen Sie bei der
Bundespolizei am wenigsten?
Aufgrund der Größe unserer Behörde können wir
uns an neue Entwicklungen oftmals nicht schnell
genug anpassen. Das Anzeigeverhalten der Bahn,
das Flüchtlingsaufkommen, Einsätze mit gewalttätigen Fußballfans oder IT-bezogene Ermittlungen
haben zugenommen, der Organisations- und
Dienstpostenplan bleibt jedoch gleich. Es fehlen
Personalreserven, um effektiv und kreativ auf
veränderte Bedingungen zu reagieren.
4. W
as war das Schlimmste, was
Sie im Dienst erlebt haben?
Immer wieder sind es die Fälle von Gewaltdelikten,
in denen unglaublich brutal auf die Opfer eingewirkt wird. Die intensiven Ermittlungen dazu gehen
oftmals an die Substanz. Insbesondere die Arbeit
mit den Opfern und Tätern zerrt an den Nerven.
Das Interview führte Holger Jureczko.
| 1-2014
22
Wir gedenken unserer im
vergangenen Jahr im aktiven
Dienstverhältnis verstorbenen
Kolleginnen und Kollegen
Regierungshauptsekretär Wolfgang Dittmann
im Alter von 61 Jahren
Tarifbeschäftigter Jürgen Kratz
im Alter von 58 Jahren
Polizeihauptmeister Horst-Christian Kolle
im Alter von 56 Jahren
Bundespolizeiliche Unterstützungskraft Carmen Ehrlicher
im Alter von 57 Jahren
Tarifbeschäftigter Udo Strufe
im Alter von 53 Jahren
Bundespolizeiliche Unterstützungskraft Petra Schuster
im Alter von 54 Jahren
Regierungssekretär Uwe Hänel
im Alter von 49 Jahren
Tarifbeschäftigter Guido Kohlase
im Alter von 46 Jahren
Polizeihauptmeister Udo Aßemacher
im Alter von 52 Jahren
Tarifbeschäftigter Karl-Heinz Radermacher
im Alter von 62 Jahren
Polizeihauptmeister Dirk Michael Keßel
im Alter von 49 Jahren
Tarifbeschäftigter Thomas Schart
im Alter von 47 Jahren
Polizeihauptmeister Gerhard Saur
im Alter von 51 Jahren
Polizeihauptmeister Peter Wille
im Alter von 55 Jahren
Polizeihauptmeister Frank Göttel
im Alter von 45 Jahren
Erster Polizeihauptkommissar Gerhard Böhm
im Alter von 61 Jahren
Regierungsobersekretär Stefan Bommhardt
im Alter von 47 Jahren
Polizeihauptmeister Maik Lorenz
im Alter von 45 Jahren
Erster Polizeihauptkommissar Dietrich Kamien
im Alter von 58 Jahren
Polizeioberkommissar Günter Remigius Krämer
im Alter von 52 Jahren
Polizeioberkommissar Lutz Albrecht
im Alter von 40 Jahren
Polizeihauptmeister Michael Albrecht
im Alter von 51 Jahren
| 1-2014
Polizeihauptmeister Jürgen Dorau
im Alter von 53 Jahren
Polizeihauptmeister Dieter Wilhelm Gerrit Hartmann
im Alter von 48 Jahren
Bundespolizeiliche Unterstützungskraft Petra Gronau
im Alter von 47 Jahren
Polizeiobermeister Dirk Reppmann
im Alter von 47 Jahren
Tarifbeschäftigter Roman Eggers
im Alter von 61 Jahren
Polizeihauptmeister Jürgen Solf
im Alter von 59 Jahren
Polizeiobermeister Michael Grimm
im Alter von 56 Jahren
Polizeihauptmeister Burkhard Brüning
im Alter von 59 Jahren
Polizeihauptmeister Ronny Quade
im Alter von 44 Jahren
Tarifbeschäftigter Christos Tsokoglou
im Alter von 64 Jahren
Polizeiobermeister Uwe Meyer-Haupt
im Alter von 47 Jahren
Polizeihauptmeister Jörg Bollerey
im Alter von 54 Jahren
Tarifbeschäftigter Rudolf Schießl
im Alter von 57 Jahren
Polizeihauptkommissar Dietmar Heyer
im Alter von 59 Jahren
Polizeihauptmeister Carsten Klemer
im Alter von 49 Jahren
Polizeihauptkommissar Hans-Jürgen Fuchs
im Alter von 59 Jahren
Polizeihauptmeister Wolfgang Heimerl
im Alter von 44 Jahren
Polizeihauptmeister Joachim Rohde
im Alter von 55 Jahren
Polizeioberkommissar Björn Bäßler
im Alter von 32 Jahren
Tarifbeschäftigte Helga Kratz
im Alter von 63 Jahren
Erster Polizeihauptkommissar Steffen Metze
im Alter von 47 Jahren
Polizeioberkommissar Mirko Kanzler
im Alter von 39 Jahren
Polizeiobermeister Michael Albert Korb
im Alter von 30 Jahren
Tarifbeschäftigter Franz-Joseph Feyer
im Alter von 59 Jahren
Polizeioberkommissar Peter Schulz
im Alter von 49 Jahren
Polizeiobermeisterin Annett Winkler
im Alter von 53 Jahren
Fluggastkontrollkraft Ute Oswald
im Alter von 50 Jahren
Polizeihauptmeister Siegfried Ketter
im Alter von 58 Jahren
Tarifbeschäftigter Andreas Peters
im Alter von 53 Jahren
Polizeioberkommissarin Denise Knauf
im Alter von 30 Jahren
Polizeihauptmeister Joachim Struck
im Alter von 57 Jahren
Tarifbeschäftigter Jochen Schneider
im Alter von 53 Jahren
23
Foto: Bundespolizei
Portrait
Die Karriere nach der Karriere
Als Rennrodlerin gehörte Barbara Niedernhuber (39) mehr als ein Jahrzehnt
zur absoluten Weltspitze. Gemeinsam mit Sylke Otto und Silke Kraushaar
gehörte sie zu den „großen Dreien“, die fast im Alleingang dafür gesorgt
hatten, dass die deutschen Rennrodlerinnen seit 1997 international ungeschlagen blieben. Nach ihrem sportlichen Karriereende 2006 startete sie
erneut durch. Diesmal dienstlich.
„Die
Entscheidung, sich
der Spitzensportförderung der Bundespolizei anzuschließen, war für mich goldrichtig“,
bilanziert Barbara Niedernhuber,
ehemalige Weltklasserennrodlerin
und jetzige Ausbildungsleiterin an
der Bundespolizeisportschule Bad
Endorf in der oberbayerischen
Chiemgauregion. Nachdem die
Bundespolizei 1998 die Sportarten
Bob und Rennrodeln in ihr Spitzensport-Förderprogramm aufgenommen
hatte, entschloss sich die heutige
Polizeioberkommissarin dazu, von
der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Strub zur Bundespolizeisportschule nach Bad Endorf zu wechseln,
um dort die Polizeiausbildung im
Rahmen des „Bad Endorfer Modells“
zu absolvieren.
Im Rahmen dieses dualen Systems
haben die Athleten die Möglichkeit,
Training und Wettkampf mit einer Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst optimal zu kombinieren. Im
Anschluss an die sportliche Karriere
können sie dann ihre sportlichen Erfolge auch beruflich fortführen. Dabei
stehen ihnen sämtliche Aufgabenbereiche der Bundespolizei samt späteren Aufstiegsmöglichkeiten offen.
„Für mich war eben dieses duale
System mit Topbedingungen für den
Sport und den Beruf das ausschlaggebende und attraktive Argument, die
Behörde zu wechseln. So konnte
ich auch meine bis dato erfolgreiche
Karriere konsequent fortführen“,
erklärt „Babsi“.
Gemeinsam mit Sylke Otto und
Silke Kraushaar gehörte sie zur
goldenen Generation der deutschen
Rennrodlerinnen. Mit ihrem Sieg beim
Weltcuprennen im österreichischen
Innsbruck-Igls im Dezember 1997
eröffnete Barbara Niedernhuber eine
sensationelle Triumphserie. So feierten die deutschen Rennrodel-Damen
in den folgenden 13 Jahren bis zum
Februar 2011 beinahe unglaubliche
105 Siege in ununterbrochener
Reihenfolge! Zu ihrer beeindruckenden Medaillensammlung gehören
| 1-2014
unter anderem zwei
Silbermedaillen bei
den Olympischen
Spielen in Nagano
(Japan) und Salt Lake
City (USA) sowie eine WMGoldmedaille mit dem Team
(ebenfalls in Nagano), sechs
weitere WM-Medaillen sowie
drei EM-Medaillen und zahlreiche
Weltcup-Podest-Platzierungen. Als
herausragende Ereignisse bleiben
ihr dabei zweifelsohne die Olympischen Winterspiele von 1998 und
2002 in Erinnerung: „Mit dem Gewinn
der beiden olympischen Medaillen
habe ich mir meinen sportlichen
Traum erfüllt.“
Doch dann der sportliche Schicksalsschlag: Nach einem Trainingsunfall im August 2006 und einer daraus
resultierenden Sprunggelenksverletzung mit Komplikationen nach einem
operativen Eingriff folgte das abrupte
sportliche Karriereende. „Nach dieser
Mitteilung hat es mir ganz schön
die Füße weggezogen. Dies war
mehr als ein harter Schlag für mich
in meiner bis dato doch sehr erfolgreichen Sportlerkarriere. In der zuvor
abgelaufenen Saison hatte ich die
Gesamt-Weltcupwertung gewonnen,
die bevorstehende Weltmeisterschaft
2007 war auf meiner Lieblingsbahn
im österreichischen Innsbruck-Igls angesetzt – und dann das Aus“, erzählt
„Babsi“ immer noch etwas wehmütig.
Es dauerte dann doch einige
Zeit, bis sich – nach ihrer Aussage –
„die Gefühlswellen wieder beruhigt
hatten“. Dann packte sie aber drei
Wochen später motiviert „das Leben
nach dem Sport“ an und tauschte den
Rennanzug gegen die Uniform ein.
Sie begann im Herbst 2006 – damals noch auf Krücken – ihr Studium
für den gehobenen Polizeivollzugsdienst, nachdem sie das Eignungsauswahlverfahren bereits im Frühjahr
2006 erfolgreich gemeistert hatte.
Engagiert und fokussiert nahm sie
auch diese Herausforderung an und
wurde 2009 mit der Ernennung zur
Polizeikommissarin belohnt. Ihr weiterer Berufsweg führte sie anschließend
wieder an die Bundespolizeisportschule nach Bad Endorf zurück. Ihre
ersten Funktionen: Lehrgangsleiterin
beim Laufbahnlehrgang sowie Fachlehrerin und Prüferin für Einsatzrecht.
Seit Juni 2013 ist sie zusätzlich noch
als Ausbildungsleiterin für alle vier
Ausbildungsgruppen zuständig.
und ergänzt: „Die Entscheidung war
einfach goldrichtig.“
Dass das „Bad Endorfer Modell“
für die Mehrzahl aller geförderten
Athleten und Athletinnen sehr attraktiv
und nachhaltig ist, unterstreicht die
Tatsache, dass um die 80 Prozent der
Leistungssportlerinnen und Leistungssportler auch nach Beendigung ihrer
sportlichen Laufbahn in den unterschiedlichsten Verwendungen bei der
Bundespolizei verbleiben. Erfreulich
ist es auch, dass mittlerweile immer
mehr Athletinnen und Athleten dem
Beispiel der ehemaligen Weltklasserennrodlerin folgen und sich für
25
Foto: Bundespolizei
Rennrodlerin Barbara Niedernhuber:
„Mit dem Gewinn der beiden olympischen Medaillen
habe ich mir meinen sportlichen Traum erfüllt.“
Heute ist Barbara Niedernhuber Lehrgangsleiterin beim Laufbahnlehrgang sowie Fachlehrerin und Prüferin für
Einsatzrecht. Parallel dazu betreut sie das Rennrodel-Team um Olympiasieger Felix Loch.
Doch damit nicht genug. Parallel
dazu betreut Barbara Niedernhuber
auch das siebenköpfige RennrodelTeam der Bundespolizeisportschule
mit Olympiasieger Felix Loch an der
Spitze. „Alles hat seine Zeit. Der
Sport war irre aufregend und es war
faszinierend, im Scheinwerferlicht zu
stehen. Auch das ganze Drumherum
war toll. Demgegenüber ist meine
jetzige Tätigkeit doch beschaulicher,
aber nicht minder interessant mit
vielen neuen Herausforderungen –
pack ma’s“, sagt „Babsi“ mit einem
herzhaften optimistischen Lachen
die Aufstiegsmöglichkeiten in den
gehobenen Polizeivollzugsdienst entscheiden. Auch in dieser „beruflichen
Disziplin“ hat „Babsi“ einen Titel „abgesahnt“: Sie ist die erste olympische
Medaillengewinnerin mit einer Führungsfunktion in der Bundespolizei.
Damit schließt sich auch der Kreis der
Philosophie, die sich hinter der dualen
Karriere der Bundespolizei nach dem
„Bad Endorfer Modell“ verbirgt: Erfolg
im Spitzensport, Erfolg im Beruf!
Torsten Neuwirth
Was sieht die GroKo für die
Polizei vor?
Bis vor vier Wochen ordneten wir den Begriff „GroKo“ noch eindeutig dem
Thema Artenschutz oder Handtasche zu – wenn auch mit leicht abgewandelter Schreibweise. Heute wissen wir, es ist die gängige Abkürzung für die
Große Koalition. Mit dem lang erwarteten Koalitionsvertrag steht nun auch
die neue Regierung mit ihren Ministerinnen und Ministern fest. Aber welche
Aussagen trifft dieser Koalitionsvertrag zu den Themen Innere Sicherheit,
Polizei und vor allem zur Bundespolizei? Wir haben die 185 Seiten nach
entsprechenden Informationen durchgeblättert und für Sie aufbereitet.
Foto: Deutscher Bundestag / Achim Mende
Recht & Wissen
| 1-2014
Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen
der CDU/CSU und SPD am 16. Dezember 2013
im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages
27
Christian Altenhofen
| 1-2014
28
Das Gemeinsame Analyseund Strategiezentrum Illegale
Migration
In einem noblen Potsdamer Stadtteil, etwas abgelegen von den restlichen
Organisationseinheiten des Bundespolizeipräsidiums, ist das Gemeinsame
Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration (kurz: GASIM) beheimatet.
Hier bündelt die Bundespolizei zusammen mit ihren Kooperationspartnern
alle Erkenntnisse über die Entwicklung irregulärer Migration in Deutschland
und Europa. Die Bundespolizei
hat sich in dieser deutschlandweit
einmaligen Einrichtung umgesehen.
kompakt
Weite,
irreführende
Flure, hohe
Decken und beeindruckend große
Büroräume – bei einem ersten Besuch des GASIM ist dies der prägende Eindruck. Dass es sich hier um
eine besondere Einrichtung der
Bundespolizei handelt, liegt jedoch
an anderen und weit wichtigeren
Gründen: Vom Bundesnachrichtendienst über das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge sowie die
Bundeszollverwaltung bis hin zur
Bundespolizei – sieben verschiedene
Behörden arbeiten hier Tür an Tür.
Stets im Fokus dieser Behörden: die
irreguläre Migration. Die Kernaufgabe
des GASIM ist nämlich die ressortübergreifende Analyse der irregulären
Migration in und durch die Bundesrepublik Deutschland. Täglich werden
dazu die Erkenntnisse der verschiedenen Behörden zusammengetragen,
analysiert und bewertet.
Kooperationsbehörden
im GASIM:
„„ B
undesamt für Migration und
Flüchtlinge
„„ Bundeskriminalamt
„„ Bundespolizei
„„ Finanzkontrolle Schwarzarbeit
der Bundeszollverwaltung
„„ Bundesnachrichtendienst
„„ B
undesamt für Verfassungsschutz
„„ Auswärtiges Amt
GASIM als Frühwarnsystem
„Behördenübergreifend erfassen
und bewerten wir hier aus verschiedenen Blickwinkeln migrationsrelevante
Sachverhalte aus Deutschland und
Europa. Dadurch können wir in einer
Art Frühwarnsystem auf grenzpolizeiliche Probleme hinweisen und Ansätze zur Bekämpfung der irregulären
Migration geben“, so Ralf Pistor,
Bundespolizist und Leiter des GASIM.
Beispiele dazu finden sich viele.
Etwa als im Februar 2013 italienische
Behörden große Aufnahmeeinrichtungen schlossen und den meist
aus Afrika stammenden Flüchtlingen
Fremdenpässe sowie schengenwirksame Aufenthaltstitel ausstellten und
Grenzpolizeiliche
Publikationen
Damit die zusammengetragenen
und ausgewerteten Erkenntnisse auch
bis auf die Straße beziehungsweise
in die Grenzkontrollboxen der Flughäfen gelangen, erstellt das GASIM
wöchentlich den „GASIM-Report“.
Diese Reporte richten sich explizit an
die operative Basis der Bundespolizei,
die der Landespolizeien sowie an die
der Kooperationspartner und werden
im Intranet sowie in Extrapol veröffentlicht.
Foto: Bundespolizei
„Unsere GASIM-Reporte sollen
vor allem den grenzpolizeilich tätigen
Kolleginnen und Kollegen einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen der irregulären Migration geben
und ihnen im täglichen Dienst ermöglichen, Zusammenhänge zu erkennen“,
erklärt Ralf Pistor. „Dabei freuen wir
uns immer über das direkte Feedback
der Kolleginnen und Kollegen. Verbesserungsvorschläge können und
sollten uns genauso gemeldet werden
wie auffallende grenzpolizeiliche
Sachverhalte. Schließlich wollen wir
die Gründe der irregulären Migration
(sogenannte Pull- und Push-Faktoren)
dargestellt. „GASIM aktuell“ dagegen
richtet sich konkret an die Mitarbeiter
der Ausländerbehörden und umfasst
ausgewählte Themen aus anderen
GASIM-Produkten.
29
Wachsende internationale Zusammenarbeit
Ralf Pistor (56) leitet seit August 2012 das GASIM.
Der GASIM-Report ist dabei
wohl das bekannteste, aber längst
nicht das einzige Analyseprodukt.
Der sogenannte „GASIM-Express“
informiert das Bundesinnenministerium sowie die Behördenleitungen
aller Kooperationspartner über akute
Brennpunktthemen. In regelmäßigen
oder anlassbezogenen Lagebildern
werden einzelne Herkunftsländer
oder Phänomene genau unter die
Lupe genommen und dabei auch
Man wird wohl mit Fug und Recht
behaupten dürfen, dass sich die
Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern für die Bundespolizei in
den letzten Jahren bewährt hat. Dem
deutschen Beispiel folgend haben
mittlerweile auch einige unserer
Nachbarländer ähnliche Zentren eingerichtet. Zukünftig strebt das GASIM
eine noch engere Vernetzung mit diesen Zentren an. Migrationsrelevante
Erkenntnisse und Analysen können so
frühzeitig ausgetauscht und es kann
von den Erfahrungen anderer bei der
Bekämpfung der unerlaubten Migration profitiert werden.
Fabian Hüppe
Die „Wege“ der irregulären Migration nach und durch Europa werden durch das GASIM regelmäßig analysiert
und grafisch dargestellt.
Grafik: Bundespolizei
Auch das Phänomen der „Transitabspringer“ analysierte das GASIM
intensiv. Dabei handelte es sich um
ägyptische Staatsangehörige, die bei
Umsteigevorgängen am Münchner
Flughafen ihre Befreiung von der Transitvisapflicht missbrauchten, um in
Deutschland Asylbegehren zu stellen.
Dies führte letztlich zur Entsendung
eines Dokumenten- und Visumberaters der Bundespolizei an den Abflugflughafen der Reisenden. Mit großem
Erfolg, wie jüngste Zahlen belegen.
unsere Reporte möglichst gut auf die
operative Ebene ausrichten.“
Foto: Marcus Bindermann
zudem 500-Euro-Scheine austeilten.
Das GASIM erkannte die zu erwartende Entwicklung, informierte die
grenzpolizeilichen Dienststellen der
Bundespolizei und erläuterte, wie
aufenthaltsbeendende Maßnahmen
eingeleitet werden könnten.
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Damals ...
30
Grenzjäger Puhle ist schneller
als die NVA-Soldaten
13. November 1973 um 10:30 Uhr: Grenzjäger Peter Puhle fährt Streife an
der Zonengrenze bei Wiedelah im Harz. Es kommt zu einem Zwischenfall:
Mit gezogener Pistole ermöglicht er einem 22 Jahre alten Raupenfahrer die
Flucht aus der DDR auf bundesdeutsches Gebiet. Mehr als 40 Jahre sind
seitdem vergangen. Heute sind die beiden Männer Freunde und treffen sich
regelmäßig. Eine deutsch-deutsche Geschichte der besonderen Art.
Es
An der markierten Linie verlief die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Links die Raupe,
mit der Hans-Georg Kruse im Grenzgebiet arbeitete. Die Baustelle war nur wenige Meter vom Westgebiet
entfernt und bot dem Raupenfahrer damit eine günstige Ausgangssituation für seine Flucht.
liest sich wie das Drehbuch eines Films, doch
es ist eine wahre Geschichte. Die
Goslarsche Zeitung berichtete am
14. November 1973 unter der Überschrift „Bei Wiedelah über die Grenze:
Flucht gelang mit einem Trick“ über
den außergewöhnlichen Grenzzwischenfall. „BGS und Bewacher
standen sich mit Waffen im Anschlag
gegenüber“, hieß es weiter. Und: „Für
den 22-jährigen Planierraupenfahrer
aus Harsleben bedeutete es fünf
Sekunden Lebensangst – dann hatte
er es geschafft: So schnell gelang ihm
gestern Vormittag bei Wiedelah die
Flucht über die Zonengrenze, dass
| 1-2014
„Eine Situation, die ich mein Leben
lang nicht vergessen werde“, gesteht
Peter Puhle im Gespräch mit der
-Redaktion. „Es war ohnehin
ein besonderer Tag. Ich hatte um drei
Uhr in der Nacht den Dienst begonnen und meiner Frau versprochen,
rechtzeitig zum Kindergeburtstag
am Nachmittag zurück zu sein. Doch
daraus wurde nichts“, erinnert sich
Puhle. Stationiert in Goslar, hatte er
zusammen mit drei Kameraden den
Auftrag, die Posten- und Streifentätigkeiten der DDR-Grenztruppen festzustellen, Arbeitseinsätze vor und hinter
den Sperranlagen sowie bauliche
Veränderungen zu beobachten und zu
dokumentieren. An jenem Tag ging es
auch um eine Baustelle am Zonengrenzen-Aussichtspunkt Wiedelah
beim Kieswerk Kemmer. Dort fanden
damals unter Einsatz einer Planierraupe Kanalisierungsarbeiten statt.
kompakt
Die Baustelle befand sich weit vor
den Sperranlagen der DDR. Es waren
nur fünf Meter bis zu den Grenzpfählen und dem entlang der Grenze verlaufenden Weg auf Westgebiet. Zwei
bewaffnete Soldaten der Nationalen
Volksarmee (NVA) überwachten die
Arbeiten und den Raupenfahrer. Der
griff dann zu einem Trick. Er ließ einen
Schlüsselbund herunterfallen, der
sich im Gestänge über dem Getriebe
verfing. Um ihn aufzuheben, wolle er
unter die Raupe kriechen, schlug er
vor und hielt in Höhe der BGS-Streife
sein Baufahrzeug an. Zu diesem
Zeitpunkt trennten ihn nur etwa zehn
Meter von der schützenden Seite
eines Erdwalls im Westen. Während
sich einer der NVA-Soldaten an der
Raupe zu schaffen machte und der
andere durch sein Fernglas schaute,
war der Raupenfahrer ausgestiegen
und nutzte die Gunst der Stunde.
„Plötzlich sprang der Mann hinter
der Raupe hervor, überquerte mit
großen Laufschritten den Weg und
rannte über den Erdwall hinweg auf
Westgebiet“, erzählt Peter Puhle. In
Bruchteilen von Sekunden hatte der
Grenzjäger erkannt, welche kritische
Situation hier entstanden war. Sofort
hatte er seine Pistole in Anschlag gebracht, noch bevor die NVA-Soldaten
ihre Maschinenpistolen hochreißen
konnten. „Das verschaffte dem Flüchtigen den winzigen, aber entscheidenden Zeitvorteil, über die Zonengrenze
zu wechseln. Ich weiß nicht, wie
das ansonsten ausgegangen wäre“,
resümiert der 1944 geborene Peter
Puhle.
Grenzjäger Puhle wäre der Flüchtling
vermutlich durch den Kugelhagel
seiner Bewacher gestoppt und getötet
worden. So aber mussten die Soldaten den Flüchtling entkommen lassen,
um keinen Schusswechsel über die
Grenze hinweg zu riskieren.
Der Vorfall erregte das öffentliche
Interesse. Reporter wollten Interviews
mit dem Republikflüchtling führen.
Der aber lehnte alle Anfragen mit dem
Hinweis ab, dass er seine in der DDR
zurückgelassenen Angehörigen nicht
gefährden wolle. Hans-Georg Kruse,
so der Name des einfallsreichen
Raupenfahrers, wurde zunächst in der
BGS-Unterkunft in Goslar verpflegt,
eingekleidet und dann zur zentralen
Aufnahmestelle nach Helmstedt gebracht. Dort wurde er vom Militäri-
Die Flucht wurde später vom Bundesgrenzschutz
nachgestellt; dabei sind diese Fotos entstanden:
Mit der Pistole im Anschlag sichert Grenzjäger Peter
Puhle (vorn) die Flucht des Raupenfahrers, der über
einen Erdwall in Richtung Westen flüchtet.
„Glücklicherweise fiel auf keiner
Seite ein Schuss. Die Soldaten hätten
auch nur noch uns treffen können,
der Flüchtling war im wahrsten Sinne
des Wortes über den Berg“, schildert
Peter Puhle die brenzlige Situation.
Ohne die schnelle Reaktion von
31
Foto: Privatarchiv Puhle
seine beiden Bewacher keine Möglichkeit mehr zum Eingreifen hatten.
Ein Trick und die Anwesenheit einer
Streife des Bundesgrenzschutzes
waren entscheidend dafür, dass der
junge Mann unverletzt den Westen erreichte.“ (Zitate: Goslarsche Zeitung)
schen Abschirmdienst (MAD) befragt.
Bei seiner Großmutter in Eutin fand er
schließlich eine Bleibe.
Die großartige Leistung von Grenzjäger Peter Puhle und seinen drei
Kameraden wurde nicht nur in der
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Foto: Privatarchiv Puhle
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Vom Bundesgrenzschutz nachgestellte Szenen: Nachdem Hans-Georg Kruse einen Erdwall überquert hatte, sicherten die Grenzschützer seine weitere Flucht.
Anschließend brachten sie den Flüchtling hinter der Mauer eines nahe liegenden Kieswerkes in Sicherheit.
Die Zeit dazwischen
Der Name und der Verbleib des
Flüchtlings waren Peter Puhle lange
Zeit nicht bekannt. „Zunächst bestimmten Zurückhaltung und eine
gewisse Angst vor möglichen Repressalien der Stasi das Geschehen“,
erinnert sich Puhle, der auch auf
Nachfrage bei seiner Dienststelle
keine Auskunft zu dem Vorfall erhielt.
Erst im Frühjahr 2003 wurde er
durch eigene Recherche im Staatsarchiv Hannover fündig. Er fand
die Adresse des Flüchtlings in der
ehemaligen DDR heraus. Dorthin fuhr
er und traf auf die Eltern von HansGeorg Kruse. Die erteilten bereitwillig
Auskunft und so erfuhr Puhle, dass
Kruse in Hamburg lebt. Dort hatte er
eine Ausbildung zum Werftarbeiter
absolviert und seine Prüfung zum
Schlossermeister abgelegt. Er war
mittlerweile mit einer Hamburgerin
verheiratet.
Puhle setzte sich mit Hans-Georg
Kruse in Verbindung. Beide vereinbarten, sich im Sommer 2004 exakt
an der Stelle zu treffen, wo einst die
glückliche Flucht gelungen war. „Mit
unseren Frauen haben wir uns dort
getroffen und eine gute Flasche Sekt
geköpft. Die Wiedersehensfreude war
groß, und wir haben auf die geglückte Flucht angestoßen“, erinnert sich
Peter Puhle.
Seit dieser ersten Wiederbegegnung sind die beiden Männer befreundet und treffen sich regelmäßig.
Und was sagt HansGeorg Kruse rückblickend?
„Ich war damals mit den Verhältnissen in der DDR sehr unzufrieden.
Als junger Mann war ich in meiner
persönlichen Freiheit viel zu sehr
eingeschränkt, als dass ich dort hätte
bleiben wollen. Wenn wir mit dem
Moped in Richtung Westen fuhren,
waren wir gleich am Ende der Freiheit“, erinnert sich Kruse. Zudem sei
er in einer Familie aufgewachsen, in
der das sozialistische System „nicht
zu Hause gewesen“ sei, beschreibt
er die damalige Situation. Mit dem
Fluchtgedanken habe er sich schon
früh intensiv beschäftigt. „Dann ergriff
ich die Chance, bei einer Baufirma
Nach der geglückten Flucht kam Hans-Georg Kruse zunächst in die BGS-Unterkunft nach Goslar.
Foto: Privatarchiv Puhle
Öffentlichkeit, sondern auch vom
Dienstherrn bemerkt. „Ich war überrascht und erfreut, als wir am nächsten Tag zum Grenzschutzkommando
Nord nach Hannover einbestellt
wurden“, sagt Puhle. Dort wurden
er und ein Kamerad zu Grenzoberjägern befördert. „Die beiden anderen
konnten während ihrer Pflichtzeit nicht
befördert werden, erhielten aber zwei
Tage Sonderurlaub“, erinnert sich
Puhle.
| 1-2014
anfangen zu können, die an den
Grenzanlagen arbeitete. Ich dachte
mir, so nah kommst du sonst nie mehr
in Richtung Freiheit“, erzählt Kruse.
Am 13. November 1973 seien
viele Zufälle zusammengekommen,
die ihm letztlich die Flucht ermöglichten. „Als ich den Entschluss
getroffen hatte, es jetzt zu versuchen,
war mein Adrenalinspiegel so hoch,
dass ich nicht mal Angst verspürte.
Nachdem ich Blickkontakt mit den
Grenzschützern aufgenommen hatte,
ging alles ganz schnell. Ich bin den
Bundesgrenzschützern von damals
noch heute sehr dankbar, dass sie zur
rechten Zeit am rechten Ort waren
– und vor allen Dingen, dass sie das
Richtige getan haben“, resümiert
Hans-Georg Kruse. Bereits Mitte der
1970er-Jahre habe er versucht, den
Grenzschutzbeamten ausfindig zu
machen, der ihm die Flucht ermöglicht hatte. „Das gelang mir aber leider
nicht. Alle Versuche wurden geblockt.
Dass wir uns viele Jahre später doch
noch kennenlernen durften und
Freundschaft schließen konnten, ist
wiederum Peter Puhle zu verdanken“,
sagt Kruse, den die Kameradschaft
mit Puhle sehr freut.
Hintergrund:
Mehr als 1 000 Menschen haben an den Grenzen zwischen der Bundesrepublik und der DDR sowie zwischen den Westsektoren Berlins und der
DDR ihr Leben verloren. Mindestens 136 Todesopfer wurden zwischen
1961 und 1989 an der Berliner Mauer erfasst – erschossen von DDRGrenzern oder ertrunken in den Grenzanlagen der Gewässer rund um
die Stadt. Die Zahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze bezifferte die Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter im Jahr 1991 auf 872 –
darunter in der Ostsee ertrunkene Flüchtlinge, Opfer von Fluchtunfällen
oder Menschen, die sich nach entdeckten und/oder vereitelten Fluchten
selbst getötet haben.
33
Quelle:
Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik (BStU)
Foto: Privatarchiv Puhle
Hans-Georg Kruse arbeitet heute
für die Stadt Hamburg, wo er für die
Unterbringung von jugendlichen
Flüchtlingen zuständig ist. Als Rentner
möchte er in seinen angestammten
Heimatort Harsleben zurückkehren,
dorthin, wo er seine Kindheit und
Jugend verbracht hat. „Dann wohne
ich auch wieder in der Nähe von Peter
und wir können uns öfter sehen“,
so Kruses Blick in die Zukunft. Eine
Männerfreundschaft, die noch lange
währen möge.
Rudolf Höser
Peter Puhle (links) und Hans-Georg Kruse stoßen auf die geglückte Flucht an. Für ihre erste Begegnung
nach gut 30 Jahren wählten sie den Ort des Geschehens vom 13. November 1973.
| 1-2014
Foto: Daniel Nedwed
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Auch weiterhin notwendig: Flüssigkeiten dürfen im Handgepäck nur in einem
durchsichtigen und wiederverschließbaren Klarsichtbeutel transportiert werden.
Handgepäckkontrolle: Flüssigkeiten, Sprays und Gels können jetzt detektiert und
damit auf gefährliche Stoffe hin untersucht werden.
Flüssigkeitsbeschränkung im
Handgepäck wird angepasst
Luftsicherheit: Der erste Schritt zur Aufhebung der Beschränkungen für
die Mitnahme von Flüssigkeiten im Handgepäck wird nun umgesetzt.
Für
Fluggäste ändert sich
erst einmal nicht viel
– zumindest auf den ersten Blick.
Flüssigkeiten, Sprays und Gele
(LAG, von englisch „liquids, aerosolsandgels“) in Einzelbehältnissen mit
einem Fassungsvermögen von nicht
mehr als 100 Millilitern, die in einem
durchsichtigen und wiederverschließbaren Klarsichtbeutel mit einem Fassungsvermögen von maximal einem
Liter verpackt sind, dürfen weiterhin
im Handgepäck transportiert werden.
Auch hinsichtlich der Mitnahme von
Flüssigkeiten, die aus medizinischen
Gründen oder wegen besonderer
diätetischer Anforderungen benötigt
werden, einschließlich Babynahrung,
ändert sich für die Fluggäste nichts.
beispielsweise alkoholische Getränke
oder Parfums. Diese müssen in einem
manipulationssicheren Duty-freeBeutel (STEB, von englisch „securitytamper evident bag“), der einen von
außen sichtbaren Kaufbeleg enthält,
versiegelt transportiert werden.
Weiterhin erlaubt bleiben auch
Flüssigkeiten, die die Reisenden
am Flughafen oder an Bord eines
Flugzeuges gekauft haben, also
Entscheidend war es jedoch noch
bis vor Kurzem, wo die Waren gekauft
wurden – denn nur wenn die genannten Flüssigkeiten an Flughäfen
| 1-2014
innerhalb der Europäischen Union,
auf ausgewählten internationalen Flughäfen oder an Bord eines Luftfahrzeuges eines Luftfahrtunternehmens
der Europäischen Union erworben
wurden, durften sie weiter mitgeführt
werden. Jetzt ist es unerheblich,
wo die Fluggäste die Waren gekauft
haben.
hatte schon Gelegenheit,
diese neue Technik ausgiebig zu testen: Die entsprechenden Geräte
kommen bereits seit Juni
2013 an den Flughäfen
Düsseldorf und Hamburg
zum Einsatz.
Möglich macht diese Änderung
eine technische Neuerung: die
Detektionstechnik, mit der in den
Luftsicherheitskontrollstellen flüssige
Stoffe zuverlässig auf gefährliche Bestandteile untersucht werden können.
Seit dem 31. Januar 2014 ist diese
Detektionstechnik, die einen zusätzlichen Sicherheitsgewinn bringt, laut
EU-Verordnung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Pflicht
an allen Flughäfen. Die Bundespolizei
Marcus Läßker,
Marcus Bindermann
35
Hintergrund
Wie kam es zur Beschränkung von Flüssigkeiten im Handgepäck?
n Nach den vereitelten Sprengstoffanschlägen auf Passagiermaschinen am 11. August 2006 am
Flughafen London-Heathrow wurde die Mitnahme von Flüssigkeiten (LAG) im Handgepäck beschränkt.
(Verordnung (EG) Nr. 1546/2006)
n Am 19. März 2013 hat die Europäische Kommission die schrittweise Aufhebung der Flüssigkeitsbeschränkung
im Handgepäck beschlossen. (Verordnung (EU) Nr. 245/2013, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 246/2013
sowie Durchführungsbeschluss vom 19. März 2013 – Az.: C(2013) 1587 final)
Wie geht es weiter?
Die Europäische Kommission beabsichtigt, die ersten Erfahrungen aus dem Einsatz der neuen Detektionstechnik
Ende 2014 zu evaluieren. Erst dann sollen weitere Schritte festgelegt werden, bis die Flüssigkeitsbeschränkungen
im Handgepäck schließlich ganz aufgehoben werden. Das wird allerdings nicht vor 2016 der Fall sein.
Erlaubt:
Flüssigkeiten, Sprays und Gele (LAG) im manipulationssicheren Duty-free-Beutel (STEB)
lüssigkeiten, Sprays und Gele (LAG) bis zu 100 Milliliter im durchsichtigen und wiederverschließbaren
F
1-Liter-Beutel
lüssigkeiten, die zu medizinischen Zwecken oder wegen besonderer diätetischer Anforderungen benötigt
F
werden, einschließlich Babynahrung
Weiterhin verboten:
Alle weiteren Flüssigkeiten, Sprays und Gele (LAG) dürfen nach wie vor nicht im Handgepäck mitgenommen
werden.
Foto: Bundespolizei
Flüssigkeiten in manipulationssicheren Duty-free-Beuteln
dürfen nun im Handgepäck
transportiert werden – egal
an welchem Flughafen oder
in welchem Flugzeug sie
gekauft wurden.
Foto: Frank Riedel
Technik & Logistik
Die P30 CM – ein Knaller
oder nur heiße Luft?
Vor gut zwei Jahren berichteten wir in der Ausgabe 5-2011 erstmals über
die Einführung der Pistole P30 CM (Colour Marker) – ein Trainingssystem,
das die Firma Heckler & Koch GmbH im Auftrag der Bundespolizei entwickelt hat. Mitte dieses Jahres werden seit seiner Einführung schon
fast eine halbe Million der Farbmarkierungskugeln verschossen sein.
Die Bundespolizei
ging der Frage nach, wo die Stärken und wo
die Schwächen dieser schadstofffreien Markierungswaffe liegen.
kompakt
Es
ist Ende November.
Ich nehme an einem
zweitägigen Polizeitraining in der
Fortbildungsstätte (FBS) der Bundespolizeidirektion Berlin in Frankfurt
(Oder) teil und bin gespannt, was
mich erwartet. Auf dem Plan steht
diesmal keine Schießfortbildung in
der Raumschießanlage, sondern ein
Situationstraining mit dem Trainingssystem P30 CM. Wie wird wohl mein
erster Kontakt mit der von Druckluft
angetriebenen Pistole ausfallen? Wird
sie den Anforderungen an ein reales
Polizeitraining unter Anwendung der
Schusswaffe gerecht werden?
Training mit einer
Weltneuheit
Als in der theoretischen Unterweisung der Fortbildungsteilnehmer die
P30 CM von Hand zu Hand geht, hat
jeder sofort das Gefühl, ein vertrautes
Einsatzmittel vor sich zu haben. Denn
äußerlich wie handhabungstechnisch
ähnelt diese Übungspistole der ge-
wohnten Dienstwaffe sehr. Das war
auch eine der Kernforderungen der
Bundespolizei in der europaweiten
Ausschreibung im Mai 2008 für eine
neue Polizeipistole Bundespolizei,
bei der auch ein praxisnahes Schießtrainingssystem mit angeboten werden
musste. Diese Bedingung hat die
Firma Heckler & Koch GmbH, die mit
der P30 CM eine Weltneuheit entwickelte, sehr gut umgesetzt.
Eine weitere Kernforderung war,
eine mit der Dienstpistole vergleich-
| 1-2014
Die Übungspistole P30 Colour Marker (CM) – druckluftbetriebene und schadstofffreie Markierungswaffe
im Kaliber 11,4 mm. Ergonomie, Abzugscharakteristik und Visierung wurden von der P30 BPOL
übernommen.
bare Treffleistung bei
realistischen Einsatzdistanzen von etwa ein
bis sieben Metern erzielen zu können. Die Energie
der mit Lebensmittelfarbe
gefüllten Gelatinekugeln, der
sogenannten Balls, muss im
Ziel weniger als 1,5 Joule betragen. Das ist der Grenzwert, bei
dem keine ernsthaften Verletzungen
entstehen können. Zudem muss es
bei der beschossenen Person durch
das Aufplatzen der Balls zu einer
Farbübertragung kommen, wobei die
Aufplatzquote auf einem definierten
Medium mindestens 80 Prozent
betragen soll.
Doch wie sieht es gegenwärtig
mit der Praxistauglichkeit aus? Hier
macht sich in Teilen zunächst Ernüchterung breit. Olaf Dinse, Polizeitrainer
in der Bundespolizeidirektion Berlin,
weist auf vermeintliche Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Beschaffenheit und Eigenschaften der Balls hin.
Diese sind zwar zu 100 Prozent
lebensmittelecht und somit gesundheitlich vollkommen unbedenklich.
Aber: „Die Zuverlässigkeit einer
reibungslosen Schussabgabe und
die Quote des Aufplatzens der
Farbmarkierungskugeln im
Zielmedium sind weiter verbesserungsbedürftig“, so Dinse.
Beschuss – also auch in Richtung der
trainierenden Polizeivollzugsbeamten
– ist derzeit noch nicht vorgesehen.
Grenzen bei der
Abstimmung von
Druckluftsystem und
Farbkugeln
In der Tat ist es momentan noch
so, dass die Farbmarkierungskugeln
anfällig sein können. Das Zusammenspiel von Druckluftsystem und Balls
ist mit Blick auf die bereits erwähnten
Kernforderungen an das Trainingssystem sehr kompliziert und von vielen
Komponenten abhängig. Würde man
beispielsweise die Härte der Hülle der
Balls erhöhen, um einem Aufplatzen
in der Waffe vorzubeugen, würde sich
dies unmittelbar auf die erforderliche
Energie auswirken, die benötigt wird,
um eine Farbübertragung im Ziel zu
gewährleisten. Muss die Energie
erhöht werden, hat die Kugel im Ziel
eine andere Wirkung, was wiederum
sicherheitsbedingte Veränderungen
in der Schutzausstattung nach sich
zieht.
Ein weiterer Aspekt
ist die Temperaturverträglichkeit.
Laut Herstellerangaben ist eine Funktionssicherheit der Pistole in einem
Temperaturbereich von +10°C bis
+30°C gewährleistet. Bei Hitze führen
Polizeitrainings mit der P30 CM zu
einer höheren Aufplatzquote der
empfindlichen Gelatinekugeln in der
Waffe, bei Kälte kommt es zu ausbleibenden Farbübertragungen.
37
Den Witterungseinfluss könnte man
weitestgehend vernachlässigen, wenn
es mehr Trainingsmöglichkeiten in
Gebäuden geben würde. In der FBS
der BPOLD B in Frankfurt (Oder) ist
das Training nur draußen erlaubt.
Und so sind bei meinem Training bei
Temperaturen um die 5°C folglich
auch einige Balls im Ziel nicht aufgeplatzt. Die zurzeit angestrebte Quote
von 60 bis 70 Prozent an Farbübertragungen im Ziel wird an Tagen
wie diesem wohl nicht erreicht. Den
einzigen Kompromiss bildet hierbei
lediglich das Gefühl des Beschossenen, getroffen worden zu sein.
Positiv fällt der Anschaffungspreis
der Farbprojektile ins Gewicht:
Ein Projektil kostet nur etwas mehr
als die Hälfte einer Einsatzpatrone.
Derzeit sucht man nach Alternativen zu den Gelatinekugeln. Ziel ist es,
die Aufplatzquote beim Ladevorgang
zu minimieren und gleichzeitig ein
leichteres Aufplatzen der Balls bei
gleicher Ballistik und Treffleistung
sowie gleicher Zielenergie zu
erreichen.
Das Magazin mit integriertem Druckluftbehälter fasst bis zu sieben Farbmarkierungskugeln (Balls). Die mit
Lebensmittelfarbe gefüllten Gelatinekugeln sind gesundheitlich unbedenklich,
abwaschbar und biologisch abbaubar.
Foto: Frank Riedel
Geschossen werden darf zurzeit nur in Richtung der Trainer,
die geschützt mit einer Gesichtsmaske die polizeipflichtige Person
darstellen. Ein wechselseitiger
38
Polizeitrainer sind
gefordert
Der erste Schritt
ist getan
Bis man eine verbesserte Lösung
gefunden hat, sind mehr denn je die
Polizeitrainer gefordert. Das beginnt
mit der regelmäßigen Wartung der
Übungspistolen, bei denen stets die
Luftventile in den Magazinen sauber
gehalten und die neuralgischen Stellen mit einem Tropfen Öl versehen
werden müssen. Zudem müssen
der Einsatz des Trainingssystems
und somit die Trainingsinhalte an die
örtlichen Gegebenheiten angepasst
werden. Hier sind der ohnehin bereits
hohe Ideenreichtum und das Engagement unserer Polizeitrainer gefragt,
das Training mit der P30 CM im
Rahmen der Möglichkeiten und unter
Berücksichtigung der Bedürfnisse der
Polizeivollzugsbeamten umzusetzen.
Dieses Trainingssystem ermöglicht
erstmals ein reales
Situationstraining, bei
dem die Trainierenden die Entscheidung
über den Einsatz der
Schusswaffe eigenverantwortlich und unter
dem Einfluss realer
Umweltbedingungen
außerhalb von Raumschießanlagen treffen.
Unzulänglichkeiten sind
(noch) vorhanden. Aber
die Industrie ist bereit,
das System respektive die
Balls weiterzuentwickeln. Der
Leiter der Projektgruppe Trainingssystem P30 CM im Bundespolizeipräsidium, Hans-Joachim Mentzel,
sagt hierzu: „Wir sind uns dessen bewusst, dass es nicht allumfassend ist,
aber das Spektrum der Trainingsmöglichkeiten hat sich hierdurch erheblich erweitert. Ein System, das alle
Erfordernisse zu 100 Prozent erfüllt,
gibt es nicht. Es ist jedoch gelungen,
die physikalischen und chemischen
Eigenschaften so aufeinander abzustimmen, dass die Zielsetzung eines
Das Bundespolizeipräsidium beabsichtigt, Polizeitrainer und Techniker
noch im 1. Halbjahr 2014 zu einem
Symposium einzuladen, um beispielsweise folgende Fragen zu klären:
Was muss verändert werden, um das
Trainingssystem effektiv in der Ausund Fortbildung einsetzen zu können? Warum dürfen die trainierenden
Polizeivollzugsbeamten bisher nicht
beschossen werden?
Erstmals wird im Polizeitraining mit einer Schusswaffe auf Menschen geschossen – eine Ausnahmesituation
auch für die Psyche des übenden Polizeivollzugsbeamten.
Foto: Frank Riedel
| 1-2014
So viel Schutz wie nötig, so wenig Schutzausstattung wie möglich – das bietet der mittlerweile
weiterentwickelte Gesichtsschutz der französischen
Firma Bollé, den der zu Beschießende während des
Trainings zu tragen hat.
realen Polizeitrainings bei minimalem
Verletzungsrisiko weitestgehend erfüllt
wird.“
Ähnlich äußert sich auch Polizeitrainer Olaf Dinse: „Dass wir ein System
benötigen, das ein realitätsnahes
Training des polizeilichen Schusswaffengebrauchs ermöglicht, ist absolut
unstrittig. Insofern ist das Trainingssystem P30 CM ein Fortschritt. Es
besitzt jedoch noch Optimierungspotenzial.“
Für mich war mein erstes Situationstraining mit der P30 CM eine
gute Erfahrung. Die Vorzüge dieses
neuen Trainingssystems sind unverkennbar. Gelingt es, das ein oder
andere kritikwürdige Moment noch
abzustellen oder weiter zu minimieren,
wird die P30 CM bald unverzichtbarer
Bestandteil des Polizeitrainings sein.
Frank Riedel
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Laserpointer – nicht nur eine
Gefahr für die Luftfahrt
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Laser
Der Autor ist Hubschrauberführer und Flugsicherheitsbeauftragter
bei der Bundespolizei-Fliegerstaffel Fuhlendorf.
sind aus unserem täglichen
Leben längst nicht mehr wegzudenken: ob an der Supermarktkasse, bei
Konzerten, in der Materialbearbeitung
oder bei Vermessungsarbeiten – sie
werden in immer mehr Bereichen eingesetzt. Heutzutage werden weltweit
täglich bis zu 60 000 Laser, primär in
Asien, gefertigt. Bei einem Großteil
handelt es sich um kleine und handliche Geräte, die sogenannten Laserpointer. In jüngster Zeit haben sich
zudem Laserpointer mit unterschiedlichen Ausgangsleistungen mehr und
mehr zum beliebten Urlaubssouvenir
gewandelt – darunter auch sehr spezielle Exemplare. Beispielsweise
wurde im Jahr 2012 bei einem deut-
schen Asienurlauber ein Handlaser
mit einer angegebenen Ausgangsleistung von 3 000 Milliwatt im Gepäck entdeckt. Zum Vergleich:
In Deutschland frei verkäufliche Laserpointer dürfen die Leistung von einem
Milliwatt nicht überschreiten. Der
Laserpointer wird zunehmend zum
Massenprodukt und zieht vor allem
junge Menschen in seinen Bann, die
sich aber der potenziellen Gefahren
scheinbar nicht bewusst sind.
Als erste Branche hat die gewerbliche Luftfahrt in den USA auf dieses
Phänomen öffentlich aufmerksam
gemacht. Dort war bereits 2006 eine
starke Zunahme von Laserblendungen
zu erkennen – Tendenz steigend.
Foto: Philip Berstermann
Foto: Bundespolizei
Laserpointer geraten mehr und mehr in den polizeilichen Fokus.
Doch was passiert eigentlich, wenn der Lichtstrahl das menschliche Auge
trifft? Und wie kann man sich gegen den gefährlichen Strahl schützen?
Ab 2009 nahmen die Laserblendungen von Luftfahrzeugen auch in
Deutschland deutlich zu. Parallel dazu
sahen sich zunehmend auch Besatzungen von Polizeihubschraubern
Laserangriffen ausgesetzt. In einem
Fall kam es sogar zu einer Narbenbildung auf der Netzhaut des Polizeipiloten. Auch im Flugdienst der
Bundespolizei ereignen sich jährlich
durchschnittlich zehn Laserattacken.
Weitere deutsche Hubschrauberbetreiber sehen sich ebenfalls mit
diesem Phänomen konfrontiert.
Jedoch sind solche Vorkommnisse
nicht nur auf die Luftfahrt beschränkt.
Zunehmend kommt es auch zu
Blendungen von Lokführern oder
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Kraftfahrzeuglenkern. Bei großen
Sportveranstaltungen wird zudem
versucht, Spieler in entscheidenden
Spielszenen zu blenden. Auch im
Rahmen von polizeilichen Einsätzen,
besonders bei Großlagen, ist zunehmend zu beobachten, dass Laserpointer eingesetzt werden. In den
USA verwenden flüchtige Täter immer
häufiger Handlaser gegen Streifenwagen- und Hubschrauberbesatzungen.
Auch die Berichterstattungen über
Demonstrationen aus Griechenland
und Nordafrika der jüngsten Zeit zeigen, wie massiv Handlaser verbreitet
sind und angewendet werden.
Was macht Laserpointer so gefährlich?
Während sich bei herkömmlichen
künstlichen Lichtquellen die Lichtteilchen in alle Richtungen als Streulicht
ausbreiten, bewegen sich diese bei
Lasern nahezu parallel durch den
Raum, was zu einer Energieverdichtung innerhalb des Strahls führt.
Aus diesem Grund kann ein Laserstrahl beispielsweise ein Streichholz
entzünden. Forschungsergebnisse
zeigen weiterhin, dass bei etwa 80
Prozent der erhältlichen Laserpointer
die tatsächliche Ausgangsleistung die
angegebene Leistung teilweise deutlich übersteigt. Kommt es zu einem
Augentreffer, so kann sich die Blendwirkung in unterschiedlicher Ausprägung darstellen. Die Bandbreite reicht
von kurzen Sehbeeinträchtigungen
bis hin zu Nachbilderscheinungen, die
mehrere Minuten anhalten können.
Die Seh- und damit Handlungsfähigkeit kann dadurch stark beeinträchtigt
werden. Leistungsstarke Handlaser
können sogar noch bei Entfernungen von 300 und teilweise auch
noch mehr Metern nicht nur starke
Blendwirkungen erzeugen, sondern
auch Augenschäden hervorrufen, die
im schlimmsten Fall zur Erblindung
führen. Verstärkt wird die Gefährdung
durch die dunkelheitsbedingte weite
Öffnung der Pupille. Erfahrungen aus
der Luftfahrt zeigen, dass Laserpointer primär in der Dunkelheit eingesetzt
werden. Der von leistungsstärkeren
Laserpointern erzeugte Lichtpunkt ist
jedoch auf größere Distanz auch tagsüber gut sichtbar. Eine Verwendung
gegenüber Polizeikräften am Tage ist
somit nicht gänzlich auszuschließen.
Wie kann man sich
schützen?
Lange wurde angenommen, dass
der natürliche Lidschlussreflex des
Auges einen adäquaten Schutz vor
einer Lasereinwirkung darstellt.
Doch hier zeigen Forschungsergebnisse, dass dieser Reflex häufig
zu langsam oder gar nicht eintritt.
Durch leistungsstarke Laser kann
schon eine Schädigung der Netzhaut entstehen, bevor das Augenlid
komplett geschlossen wurde. Untersuchungen reflexartiger Abwendreaktionen des Menschen bei Bestrahlung
mit hellen Lichtquellen brachten
ähnliche Ergebnisse hervor. Beide
Reflexe – Lidschluss und Abwendreaktion – können das Auge zwar
grundsätzlich schützen, doch reichen
sie in der Regel nicht aus, um einen
Netzhautschaden bei einer Attacke
mit einem leistungsstarken Laser
abzuwenden.
Das Tragen von Laserschutzbrillen
ist grundsätzlich ein probates Mittel,
jedoch entfalten die meisten Brillen
nur eine Schutzwirkung gegen eine
Laserfarbe. Am häufigsten werden
grüne Laser verwendet. Grund dafür
ist, dass Grün für das menschliche
Auge am besten wahrnehmbar ist.
Leider erzeugen diese Laser aber
auch die größte Blendwirkung. Es
kommen jedoch auch immer wieder
blaue und rote Laserpointer zum Einsatz. Eine Brille gegen grüne Laser
wäre dann wirkungslos. Weiterhin reduzieren diese Brillen das vorhandene
Restlicht in spürbarem Maße. Laser-
Handlungsempfehlungen
bei erkannter Lasereinwirkung:
„„ N
icht in den Laserstrahl
schauen!
„„ W
enn möglich, unverzüglich die
Augen schließen und
den Kopf abwenden!
„„ H
and zum Schutz der Augen
heben!
„„ H
inter Gegenständen Schutz
suchen!
„„ M
eldung erkannter Laseranwendung abgeben –
die Kollegen informieren!
„„ Auf andere Kollegen achten!
„„ W
enn möglich, den Abstand
zum polizeilichen Gegenüber
vergrößern!
schutzbrillen, die eine Schutzwirkung
gegen alle drei Laserfarben ermöglichen, sind vergleichbar mit starken
Sonnenbrillen. Für polizeiliche Einsatzlagen in der Dunkelheit sind sie
somit nur bedingt geeignet. Neben
der Abschirmung durch intransparente
Gegenstände gibt es keine weiteren
wirksamen Schutzmöglichkeiten.
Die Frage lautet daher:
Mit welcher Schutzstrategie stellt man
sich diesem polizeilich relevanten
Problem am besten? Der Flugdienst
der Bundespolizei erarbeitet zurzeit in
Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen Köln und Münster ein Laserschutzkonzept, das auf den neusten
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Foto: AFP / Aris Messinis
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Während der Proteste gegen die Sparmaßnahmen der Regierung in Athen wird ein griechischer Polizeibeamter aus der Demonstration heraus mit einem grünen Laserstrahl geblendet. Leistungsstarke Laser können noch aus Entfernungen von über 300 Metern Augenschäden hervorrufen, die zum Erblinden führen können.
wissenschaftlichen Erkenntnissen
basiert. Es umfasst theoretische
und praktische Elemente. So stellen
gezielte Fortbildungen, eine enge
Zusammenarbeit mit Wissenschaft
und Herstellern von Laserschutzprodukten, der Erfahrungsaustausch mit
anderen Hubschrauberbetreibern
sowie zielgerichtete fliegerische
Handlungsempfehlungen und praktische Simulatorübungen Kernelemente
dieser Konzeption dar. Weiterhin wird
das Lagebild Laser ständig fortgeschrieben und Meldungen über Laserangriffe werden intensiv ausgewertet.
Die Kombination dieser Maßnahmen
minimiert das Gefahrenpotenzial für
Flugbesatzungen entscheidend.
Wie soll ich mich im
Fall einer Laserattacke
verhalten?
Einen pauschal geltenden Maßnahmenkatalog, der alle erdenklichen
Situationen abdeckt, gibt es nicht.
Das richtige Verhalten ist immer
abhängig von der jeweiligen Situation, in der es zu einer Laserattacke
kommt. Für einen Busfahrer gelten
andere Rahmenbedingungen als für
einen Piloten. Die oben angeführten
Handlungsempfehlungen orientieren
sich am polizeilichen Alltag. Hierbei ist
jedoch zu bedenken, dass im polizeilichen Einsatz der Bundespolizei
Laserschutzbrillen noch nicht regulär
verwendet werden.
Fazit
Nicht nur der polizeiliche Flugbetrieb, sondern alle Bundespolizisten
sollten sich über das Gefährdungspotenzial von Laserpointern bewusst
sein. Bei Großlagen und auch im
täglichen polizeilichen Dienstalltag
muss mit einer zunehmenden Zahl
von Laserattacken gerechnet werden.
Beispiele aus dem benachbarten Ausland bestätigen diese Prognose.
Markus Mahle
Leserbriefe
Zum Thema
„Portrait Hagen Becker“
Liebe
Redaktion der
Bundespolizei
, ich bin ein treuer Leser
Eurer Zeitung und ich möchte Euch
nicht meine Anerkennung für Eure
Arbeit vorenthalten. Ich finde die Ausgaben in Gänze immer wieder super.
kompakt
Anlass, Euch zu schreiben, war
die Ausgabe 5-2013, in der Ihr den
Kollegen Hagen Becker porträtiert
habt. Ein zweifelsohne besonderer
Wer lesen kann, kann auch
schreiben!
Bundespolizist mit vielen Fähigkeiten,
der auch für mich erst vor Kurzem
eine Karikatur erstellt hat.
Das Thema Polizei und Medien
halte ich ebenfalls für ein sehr wichtiges, und ich habe mich sehr über die
Ausgabe gefreut. Ich wünsche Euch
allzeit viel Spaß an Eurer Arbeit und
auch die dafür notwendige Unterstützung durch alle anderen.
Thorsten Rahlmeier, Fuhlendorf
Liebe
Leserinnen
und Leser, die
lebt auch von Ihren Ideen!
Was gefällt Ihnen an unserer Zeitschrift, was nicht? Was lesen Sie
gern, welche Themen vermissen Sie?
kompakt
Schreiben Sie uns, per E-Mail an
[email protected]
oder per Brief an Bundespolizeipräsidium, Stabsstelle Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, HeinrichMann-Allee 103, 14473 Potsdam.
Wir freuen uns auf Ihr Feedback
und Ihre Zuschriften.
Leserbriefe veröffentlichen wir
natürlich nur mit Ihrer Zustimmung.
Ihre Redaktion der
Bundespolizei
kompakt
| 1-2014
„Mit Sicherheit vielfältig“ –
die Bundespolizei warb im
Rhein-Main-Gebiet und in
München um Nachwuchs
Wer schon immer Interesse an einer Ausbildung bei der Bundespolizei
hatte, konnte sich jetzt in Frankfurt am Main, Wiesbaden und Darmstadt
sowie im Großraum München ausführlich informieren. Die Bundespolizei
hatte sich im Dezember vergangenen Jahres mit einer groß angelegten
Plakataktion an den potenziellen Nachwuchs gewandt und ihm tagelang
Rede und Antwort gestanden. Sehr gern gesehen waren auch
Interessenten mit Migrationshintergrund.
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„alte Hasen“ informierten
die jungen Leute über
die vielfältigen Aufgaben und Verwendungen in der Bundespolizei und
beantworteten individuelle Fragen zu
Bewerbungen oder den Einstellungsvoraussetzungen und gaben auch
gleich die notwendigen Bewerbungsunterlagen aus.
Begleitet wurde die Veranstaltung
auch auf der neuen Webseite für die
Nachwuchswerbung www.kommzur-bundespolizei.de sowie auf der
Facebook-Fanseite www.facebook.
com/BundespolizeiKarriere.
Christian Altenhofen
Foto: Bundespolizei
Hintergrund der Werbekampagne
ist die Tatsache, dass die Bundespolizei auch in diesem Jahr wieder
rund 1 000 junge Menschen für eine
Ausbildung im mittleren oder für ein
Studium im gehobenen Polizeivollzugsdienst gewinnen möchte.
Die Kolleginnen und Kollegen, die sich der Nachwuchsgewinnung verschrieben haben, richteten hierzu
Aktionsstände an den Hauptbahnhöfen München, Darmstadt und Wiesbaden sowie im Terminal 2 des
Frankfurter Flughafens ein. In zahlreichen Gesprächen informierten sie vor allem Schülerinnen und Schüler
über die Aufgaben und Berufsperspektiven der Bundespolizei.
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Spenden für
Helfer in Not:
Bundespolizei-Stiftung
Sparda-Bank West eG
IBAN: DE51 3706 0590 0000 6836 80
BIC: GENODED1SPK
Die Spenden werden ausschließlich und
unmittelbar zu mildtätigen Zwecken verwendet. Die Geldzuwendungen können
zweckgebunden erfolgen.
Die Bundespolizei-Stiftung ist befugt,
Spendenquittungen auszustellen.
Mehr erfahren Sie unter:
www.bundespolizei.de