Trotti-Elec

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Trotti-Elec
„TrottiElec – Flottenversuch mit E-Ultraleichtfahrzeugen im ÖPNV“
Oliver Zirn, Markus Schmidt, Hugo Gabele
Elektrifizierte Faltroller und sehr leichte elektrifizierte Falträder stellen Schlüsselelemente
für geschlossene Wegeketten dar. Speziell für die anspruchsvolle Topologie der
Metropolregion Stuttgart in Verbindung mit den Restriktionen für Fahrräder im VVS-Netz
stellen diese – noch nicht am Markt verfügbaren – Ultraleichtfahrzeuge einen erheblichen
Mehr- und Spaßwert für die „Last Miles“ dar.
Der Forschungsverbund „TrottiElec“ der Hochschulen Esslingen, Stuttgart und Pforzheim
hat für beide Varianten leichte praxisreife Prototypen entwickelt, die zulassungsrechtliche
Unterstützung des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur (MVI-BW) sowie der
Kommunen ES, S, PF und des VVS gewonnen und ein Konzept für die verkehrliche
Bewertung eines Flottenversuches entworfen.
Ein erster Flottenversuch in Esslingen mit 5-8 Prototypen ist für Sommer 2015 geplant.
Für einen größeren Flottenversuch sollen am INEM der HS Esslingen und an der HS
Pforzheim ca. 50 Prototypen (gemäß TÜV-Gutachten für den Probebetrieb auf
Gehwegen) aufgebaut werden und an geeignete Probanden (Studenten, Berufsschüler,
Business-Pendler, Amtsgänge) für die regelmäßige Nutzung überlassen werden. Die
Bewegungen der Probanden mit dem Ultraleichtfahrzeug werden aufgezeichnet und für
die verkehrliche Bewertung durch die HFT S aufbereitet.
Durch den verkehrswissenschaftlichen Nachweis des Zusatznutzens (vermehrte Nutzung
des ÖPNV, CO2-Einsparung, Veränderung des PKW-Mobilitätsverhaltens) können
nachfolgend die Umsetzung in Serienprodukte sowie geeignete Zulassungsrichtlinien
befördert werden. Hier liegt heute ein Dead-Lock zwischen Zulassungsbehörden
(schlechte Erfahrungen aus der Segway-Sonderzulassung) und den E-ScooterHerstellern (zu schnell, zu schwer, kurzfristige Gewinnorientierung) vor, welchen nur ein
Hochschulverbund
in
Kombination
mit
einem
repräsentativen
–
und
öffentlichkeitswirksamen - Flottenversuch aufzulösen vermag.
„Last Mile“: Ultraleichter Falt-E-Roller (Trottinette électrifié - TrottiElec)
Faltroller dürfen aktuell nur auf Gehwegen benutzt werden, sind bei längeren Steigungen
recht mühsam und bei Gefälle kaum länger bremsbar. Am Markt angebotene E-Roller
sind zu schwer und/oder zu schnell, somit ohne Aussicht auf eine Zulassung als
Kraftfahrzeug. Die an der HS PF entwickelten Faltroller mit Outrunnerantrieb bauen leicht
(<7kg), bewältigen Steigungen bis 12% mit 5 km Reichweite und können in allen
Fahrzeugen des ÖPNV mitgenommen werden. Die eingesetzten Lithium-EisenPhosphat-Akkus zwischen 40 und 100 Wh haben sich als sehr zyklenfest und
unkompliziert handhabbar erwiesen.
Für Faltroller mit Antrieb bis 6 km/h und rekuperativer Bremse bei Gefällefahrten hat das
MVI BW seine Bereitschaft erklärt, eine Sonderzulassungsempfehlung an die beteiligten
Kommunen im VVS-Gebiet für einen Flottenversuch zu geben. Die Begutachtung der
ersten drei INEM-Prototypen (Abb. 1) durch den TÜV-Süd war erfolgreich - das INEM
erhält nun Rahmennummern für diese „Kraftfahrzeuge“.
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Die Möglichkeit, einen legalen Flottenversuch auf öffentlichen Gehwegen durchführen zu
können, stellt ein Alleinstellungsmerkmal des Hochschulverbundes dar, das für die
Drittmittelförderung eingesetzt wird.
Abb. 1:
TrottiElec-Prototyp zum TÜV-Gutachten für die MVI-Empfehlung einer
befristeten Zulassung auf Gehwegen an die Verkehrsbehörden im VVSGebiet
Die bislang mit Mitteln der GHD Karlsruhe sowie Hochschulmitteln aufgebauten
TrottiElecs in Abb. 1 haben sich über mehrere Jahre als zuverlässige Versuchsträger für
E-Mobilitätsvorlesungen und Projektarbeiten mit erheblicher Öffentlichkeitswirksamkeit
erwiesen.
„Last 2-5 Miles“: Ultraleichtes Falt-EPAC (Electric Power Assisted Cycle)
Abb. 2:
Elektrifizierter Prototyp Strida gefaltet, EPAC-Hinterradantrieb, Testfahrt in
anspruchsvoller Topologie (U2/U9-Botnang ↔ Linie 92 Solitude)
Das Faltrad „Strida“ ist mit 9,6 kg Eigengewicht eines der leichtesten Falträder am Markt.
Mit 16‘-Luftreifen ist es sehr schnell für OPNV-Mitnahme zu falten, besitzt einen robusten
Alurahmen, gute Scheibenbremsen und eine schnell erlernbare Fahrdynamik auch für
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Kopfstein/Kieswege. Der Zahnriemenantrieb lässt die Nutzung auch mit feinerer Kleidung
zu. Die Elektrifizierung dieses Faltrades mit der bei den Faltrollern bewährten Antriebskette
hat ein auch für mehrere Meilen in anspruchsvoller Topologie (Abb. 2) angenehm fahrbares
EPAC ergeben, das mit ca. 11,5 kg Gewicht (plus 1 kg LiFePO-Akku im Rucksack) gut im
ÖPNV mitgeführt werden kann. Die Reichweite mit einer Akkuladung beträgt ca. 15 km
(ohne wirksames Zutreten) bis ca. 25 km mit Zutreten an der Schwitzgrenze. Die Falt-EPAC
Prototypen werden StVO-konform als elektrisch unterstütztes Fahrrad (EPAC bis 25 km/h
gem. EN 15194) aufgebaut und sind mit Akkuleuchten sowie Schutzblech alltagstauglich
ausgestattet. Auch dieser Prototyp wurde vom TÜV-Süd positiv begutachtet.
Die elektrisch abrufbare Zusatzkraft von bis zu 80 N lässt das Fahren mit einem Rad ohne
Gangschaltung auch bei Topologien bis 12% Steigung bequem zu. Der Prototyp hat sich
mittlerweile über mehrere Monate erfolgreich im beruflichen Pendelverkehr im DB- und
VVS-Netz (S↔PF, S↔ES, Stadtverkehr S) bewährt und kann jährlich ca. 5000 PKWKilometer ersetzen.
Zulassungs- und Betriebsvoraussetzungen für Falt-E-Roller
Elektrifizierte Faltroller sind Kraftfahrzeuge und damit zunächst nicht auf Gehwegen
zugelassen. Ein StVO-konformer Betrieb auf öffentlichen Straßen ist bauartbedingt nicht
erreichbar. Ohne Sonderzulassung sind elektrifizierte Faltroller in Deutschland nicht
betreibbar. Ausnahmen sind Behindertenfahrzeuge (mit Sitz, Lichtanlage, 3. Rad,
Behindertenausweis), die so auch schon angeboten werden.
Voraussetzungen für die aktuelle Empfehlung für eine versuchsweise Zulassung:
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Versuchszeitraum (ca. 2 Jahre)
30 Prototypen mit Rahmennummern (FIN vom TÜV vergeben)
Antimanipulationsschild mit Zähnezahlen und BbH ≤ 6 km/h
Begrenzter Personenkreis, keine Veräußerung der TrottiElecs
LTE: Reflektor, Rückleuchte hinten, Akkuscheinwerfer (mit Prüfzeichen) vorn,
Ersatzakkus am Fahrzeug
EMV-Prüfungen, Manipulationssicherheit, Zertifizierung der Bereifung, detaillierte
Festigkeitsnachweise der Nachrüstung, parallele Betätigung der LTE vorn/hinten und
Geschwindigkeitsanzeiger dürfen im Prototypenstadium noch weggelassen werden.
Der maximale Energieinhalt von LiXX-Akkus beträgt 100 Wh, größere Akkus müssen als
Gefahrgut transportiert oder entsprechend eingehaust und elektronisch überwacht sein.
In der Schweiz können Faltroller mit Kick-Elec-Steuerung bis 20 km/h auf Radwegen
betrieben werden (Kategorie Leicht-Motorfahrräder Art. 18 BST b. VTS). Eine
Zulassungs- und Versicherungspflicht besteht nicht. Mit dieser Begründung ist der Micro
e-one dort zum Verkauf freigegeben (gem. Micro Mobility Systems AG, Küssnacht).
In Kalifornien werden motorisierte Faltroller über 30 km/h verkauft und betrieben (z.B. Fa.
GoPed). Über die Einordnung in die dortigen Straßenverkehrsvorschriften ist bislang
nichts bekannt.
Prof. Dr. habil. Oliver Zirn lehrt „Elektrifizierte Nutzfahrzeugantriebe“ im Studiengang Fahrzeugtechnik der HS ES.
Prof. Dr.-Ing. Markus Schmidt lehrt Verkehrsinfrastukturtechnik an der HFT Stuttgart.
Prof. Dr.-Ing. Hugo Gabele leitet das Labor für Elektromobilität am INEM der HS ES.
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