Rassekatzen und Extremzucht
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Rassekatzen und Extremzucht
S T S - M E R K B L AT T Heimtiere rassekatzen und extremzucht Rassekatzen und Extremzucht Eine Katze mit Stammbaum? Falls Sie eine Rassekatze möchten, so empfiehlt es sich, mehrere Züchter der gewünschten Rasse zu besuchen und die Zuchtstätte kritisch zu beurteilen. Seriöse Züchter beraten ausführlich, sind offen und zeigen die Zuchtstätte und die Zuchttiere jederzeit, wenn möglich sogar den Zuchtkater. Hat man Zweifel an der Seriosität eines Züchters, kann man den regionalen Tierschutzverein und die Rassekatzenzuchtverbände der Schweiz anfragen. Rassekatzen vom Züchter kosten, je nach Rasse, zwischen CHF 1000 und 2500, manchmal über CHF 4000 (Bengalkatzen). Rassekatzen sollten mit Kaufvertrag, Heimtierpass und Stammbaum (FiFe bzw. FFH beglaubigt, siehe www.fifeweb.org und www.ffh.ch), geimpft und entwurmt abgegeben werden. Falls sie nicht zur Weiterzucht verwendet werden sollen, gibt sie der Züchter entweder schon kastriert ab oder mit einer vertraglich vereinbarten Pflicht zur Kastration. Kaufen Sie keine Rassekatze, wenn Ihnen die Papiere erst später versprochen werden! Sind Rassekatzen «edler» als Hauskatzen? Die Rassekatzenzucht ist im Vergleich zur Domestikationszeit der Katze eine sehr junge Erscheinung und begann im 18. Jahrhundert. Die ersten Katzenausstellungen in England und den USA fanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten bisher nur sehr wenige Persönlichkeitsunterschiede zwischen Rassekatzen und Hauskatzen nachweisen. Vergleicht man Siamesen und Perser mit Hauskatzen, so sind Rassekatzen anhänglicher als normale Hauskatzen, die als unabhängiger beschrieben werden. Siamesen sind lauter als Hauskatzen, insgesamt werden die Rassekatzen als voraussagbarer beschrieben als die unabhängige, selbständige Hauskatze. Andere von Züchtern oft und gerne hervorgehobenen Charakterunterschiede der Rassen sind wissenschaftlich nicht belegt. Rassekatzen sind also weder «edler» noch gross anders als Hauskatzen, auch nicht in ihrem Charakter voraussagbarer, in der Regel aber etwas anhänglicher, vor allem aber wesentlich teurer in der Anschaffung. 1 schweizer tierschutz stsRassekatzen und extremzucht Extremzucht Auch Katzen sind nicht vor Extremzuchterscheinungen verschont geblieben, die meist auf Kosten der Gesundheit und des Wohlbefindens gehen. Verzichten Sie aus Tierschutzgründen auf Katzenrassen mit Extremzuchtmerkmalen! Achten Sie beim Kauf einer Katze von betroffenen Rassen auf diese Merkmale und verlangen Sie vom Züchter eine Beurteilung durch einen neutralen und unabhängigen Tierarzt. Folgende Extremzuchtmerkmale können problematisch sein: • Kurzköpfigkeit (Brachycephalie) Perser und Exotic Shorthair sind besonders betroffen von den Folgen der Kurzköpfigkeit. Perserkatzen mit besonders kurzer Nase haben Atemprobleme, der Nasen-Tränengang ist oft verstopft (typisch für braune Schlieren in den Augenwinkeln) und sie leiden unter chronischem Sauerstoffmangel. Entscheiden Sie sich für Katzen, die noch eine funktionstüchtige Nase besitzen und bei denen der Abstand zwischen dem oberen Rand des Nasenspiegels und dem Unterrand der Augen genügend gross ist. Das Gesicht der Katze sollte nicht einwärts gebogen (konkav) sein, sondern eine deutlich vorstehende Nase haben. • Haarlosigkeit oder Haarveränderungen Das Fell schützt Katzen vor mechanischen Verletzungen und vor Sonnenbrand. Ausserdem dient das Fell der Isolation und auch der sozialen Kommunikation zwischen Katzen: Eine Katze, die den Buckel macht und das Fell sträubt, sieht viel grösser und beeindruckender aus und kommuniziert so unmissverständlich, dass sie in Ruhe gelassen werden will. Haarlosen Katzen (Sphinx, Peterbald) fehlen all diese wichtigen Funktionen des Fells. Haarlose Katzen haben meist auch eine chronisch erhöhte Körpertemperatur, um die fehlende Isolation durch das Fell zu kompensieren, und sie fressen entsprechend anderthalb bis doppelt so viel wie normale Katzen. Bei haarveränderten Katzen (Rex-Rassen) sind die Haare des Fells gewellt und brüchig, auch bei ihnen ist die Funktion des Fells eingeschränkt. Noch schwerer wiegt, dass Sphinx und Rexkatzen meistens nur noch Stummel von Schnurrbarthaaren haben oder gar keine mehr – ihnen fehlt damit ein wichtiges Sinnesorgan. Verzichten Sie wenn möglich auf diese Katzenrassen! Exotic Shorthair Katze mit extrem verkürztem Gesicht (Brachycephalie), kann zu Atemproblemen und Sauerstoffmangel führen sowie den Tränenabfluss behindern. Devon Rex Katzen haben oft verkürzte Schnauzhaare, ihr Tastsinn ist somit stark behindert. 2 schweizer tierschutz stsRassekatzen und extremzucht • Langhaarigkeit Langhaarigkeit an sich ist nicht ein Problem. Die Frage ist, ob die Katze ihr langes Fell noch selbst pflegen kann. Falls nicht, müssen Sie als Katzenhalter bereit sein, eine langhaarige Katze täglich, ihr Leben lang, zu bürsten und zu pflegen. In der Regel haben Maine Coon, norwegische Waldkatzen, Angorakatzen und Somali kein Problem, ihre Fellpflege selbst durchzuführen. Perserkatzen aber, teils auch heilige Birma, haben wegen der veränderten Fellstruktur jedoch keine Chance, ihr Fell selbst sauber und knötchenfrei zu halten. Sie brauchen tägliche Pflege durch den Menschen mit Bürste und Kamm. Daran müssen sie von früh auf gewöhnt werden, sonst wird die tägliche Fellpflege zur Tortur. Ist die Fellpflege durch den Menschen ungenügend, so verfilzt das Fell, es entstehen darunter Ekzeme, Parasiten nisten sich ein, im Afterbereich kann das Fell verkleben, was zu Entzündungen oder gar einem lebensbedrohlichen Darmverschluss führen kann. Verfilzte Katzen müssen unter Narkose geschoren werden. Werden Perserkatzen nicht täglich gebürstet, verfilzt ihr langes Fell, weil sie es nicht mehr selbständig pflegen können. • Erbdefekte Erbkrankheiten kommen zwar auch bei Hauskatzen vor, aber einige Katzenrassen sind besonders anfällig. • Nierenzysten (Polycystic Kidney Disease): Perserkatzen, Exotic Shorthair und Britisch Kurzhaar sind anfällig auf Nierenzysten, die ab einem Alter von 3-4 Jahren entstehen und mit der Zeit zu Nierenversagen und grossem Leiden führen. Unterdessen kennt man das dafür verantwortliche Gen und kann testen, ob eine Katze diese Erbanlage besitzt. Mit solchen Katzen darf keinesfalls gezüchtet werden! Verlangen Sie vom Züchter die Durchführung dieses Gentests. • Herzprobleme (Hypertrophe Kardiomyopathie): Maine Coon sind besonders anfällig auf dieses Herzproblem, einer Verdickung des Herzmuskels, die zu Herzversagen führt. Die Krankheit kommt jedoch auch bei British Shorthair, norwegischer Waldkatze, Rex, Perser und Ragdoll vor. Für diese Krankheit gibt es unterdessen ebenfalls einen Gentest. • Zahnfleischprobleme: Maine Coon, Siamesen, Burmesen und Perser sind anfälliger als andere Rassen für chronische Zahnfleischentzündung. • Taubheit: Bei rein weissen Katzen, die das sogenannte Dominant White Gen tragen, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie taub sind. Es gibt allerdings noch andere Gene, die für weisses Fell verantwortlich sind, aber nicht zu Taubheit führen. Bei Scottish Fold Katzen, deren Ohrmuscheln nach vorne geklappt sind, kommt es häufig zu Verkrüpplungen anderer Ohrstrukturen und damit zu Taubheit, aber auch anderen Gesundheitsproblemen. • Schwanzlosigkeit: Manx- und Cymric-Katzen, die in den Formen Rumpy (gar kein Schwanz) oder Stumpy (Stummelschwanz) auftreten, werden oft mit offener Wirbelsäule (Spina bifida) geboren und haben Probleme bei Fortbewegung und Verdauung. • Kurzbeinigkeit: Die sogenannte «Dackelkatze» (Munchkin) besitzt verkürzte Vorderbeine und kann deswegen nicht hoch springen – und so auch nicht aufs Sofa gelangen und Haare hinterlassen. Verzichten Sie auf diese Rasse, da sie klar eine Qualzucht darstellt! 3 schweizer tierschutz stsRassekatzen und extremzucht • Weitere Erbkrankheiten, für die ein Gentest gemacht werden kann: Spinale Muskelatrophie (Maine Coon), Glykogenspeicherkrankheit (Norwegische Waldkatze), Pyruvatkinase-Defizienz und progressive retinale Atrophie (Abessinier, Somali), Gangliosidosen (Burmesen, Siamesen, Balinesen) Verstümmelung In den USA ist es leider üblich, Katzen die Krallen ihrer Vorderpfoten herauszuoperieren (de-clawing), damit sie die Möbel nicht zerkratzen können. Dies ist Tierquälerei und in der Schweiz verboten! Herausgeber: Schweizer Tierschutz STS, Dornacherstrasse 101, Postfach 461, 4008 Basel, Tel. 061 365 99 99, Fax 061 365 99 90, Postkonto 40-33680-3, [email protected], www.tierschutz.com 7/2012 Dieses und weitere Merkblätter stehen unter www.tierschutz.com zum Download bereit. 4