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Vorwort
„Eisbären werden im Zoo (im Mittel doppelt) so alt wie in der Natur!“
(Verband Deutscher Zoodirektoren, 2009)
Ist es Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass Zoos immer dann gern die „Natur“ zitieren, wenn es
um negative Ereignisse in ihrer künstlichen und naturfremden Zoo-Gefangenschaft geht?
Wenn unerwartet und frühzeitig einer ihrer Zoo-Inhaftierten verstirbt, dann ist dieser Tod für die Zooverantwortlichen, auch wenn dieser Sterbefall noch so sehr aus dem Rahmen aller Altersrekorde
springt, dennoch ein normaler oder eben natürlicher Vorgang, da in der Natur „Tiere ja auch oder
auch frühzeitig sterben“. Wenn es z.B. um die so genannte „Jungtiersterblichkeit“ geht, dann sind
Zoodirektoren hier oft besonders schnell mit ihrer 1:1 Kopie von Natur und Gefangenschaft. Dass es
aber hier erhebliche Unterschiede gibt, prüfen die wenigsten.
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Desktop-Foto: Homepage VDZ vom 20.02.2012
Bild 1
Die Aussage des VDZ, dass Eisbären in der Zoo-Gefangenschaft „… im Mittel doppelt so alt werden wie in der Natur“ ist hier nur ein weiteres Beispiel des „Zoo-Natur-Missbrauches“ durch die
Zoo-Speziesisten.
Lesen Sie in dieser Dokumentation, was sich hinter einem solchen vermeintlichen „Zoo-Alters-Rekord“
am Beispiel der Eisbären, tatsächlich verbürgt.
Frank Albrecht
01.03.2012
Ist der Tod nur Alltag im Zoo?
Das obige Eisbär-Alters-Zitat stammt auch von der Internetseite des „Verbandes deutscher Zoodirektoren“ (Foto 1). Thema der VDZ-Homepage-Unterseite ist die „Sterblichkeit“.
Sterben nichtmenschliche Tiere in der Zoo-Gefangenschaft früher als erwartet und früher als ihre Artgenossen in Freiheit, dann wirft dies selbstverständlich Fragen nach den Ursachen auf.
Denn ein zu früher Tod in der Gefangenschaft, in der der Mensch ja alles manipuliert, verändert und
regelt, kann kaum das fast menschenunabhängige Handwerk der Natur sein. So sind z.B. viele Todesfälle bei Elefanten aufgrund des „Herpesvirus“, auf fast nur menschliche Ursachen zurück zu führen.
Oder auch die Augenkrankheit „Multiple Okulare Kolobome“ beim Schneeleoparden, die oft durch die
rein menschliche beeinflusste Zucht weitervererbt wird.
Auch der zu frühe Tod von Eisbär KNUT (4) oder dem Opossum HEIDI (3 ½) wirft natürlich Fragen
auf. Nicht selten erhalten gerade Kritiker keinerlei Möglichkeiten die ausführlichen Obduktionsergebnisse solcher Todesfälle einzusehen. Aktuell musste z.B. eine Tierschutz-Organisation gerichtlich Akteneinsicht für den Tiergarten Nürnberg einklagen, um näheres über die Todesfälle im Delfinarium des
Tiergartens zu erfahren.
Aber bleiben wir bei den Eisbären und dem „Verband deutscher Zoodirektoren“. Dort heißt es zum
Thema „Tod“ weiter:
„Der Tod ist also zum außergewöhnlichen Ereignis geworden. Als Folge davon finden Todesfälle bei
prominenten Zootieren ein großes Echo in den Medien …“
Wie soll man die Aussage deuten? Ist der Tod ihrer inhaftierten Lebewesen für die Zoo-Speziesisten
zum Alltag geworden und daher nichts „Außergewöhnliches“ mehr?
Hört man im Unterton so etwas wie Bedauern, dass dem Großteil der Menschen in Deutschland ein
jeder Todesfall mittlerweile nicht so einfach am Allerwertesten vorbeigeht?
Festzustellen ist, dass der Tod von Eisbär KNUT oder dem Opossum HEIDI eben solche „außergewöhnliche Ereignisse“ waren. Beide starben nämlich, selbst für Gefangenschafts-Verhältnisse, viel zu
früh. Und deren Todesursachen sind nur in der Zoo-Gefangenschaft und nicht in der „Natur“ zu suchen.
01.03.2012
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Natur-Entfremdung pur!
Der Zoodirektoren-Verband weiter:
„Als Folge davon finden Todesfälle bei prominenten Zootieren ein großes Echo in den Medien, und
selbsternannte Tierschützer benützen jeden Todesfall eines bekannten Zootieres um zu behaupten,
die betreffende Tierart könne im Zoo nicht gehalten werden, und um <<aus ethischen und tierschützerischen Gründen>> ein Ende der Wildtierhaltung im Zoo zu fordern. Dabei wird verkannt, dass der
Tod in der Natur allgegenwärtig ist und dass sowohl die Evolution als auch der Nahrungskreislauf nur
deswegen funktionieren können, weil die meisten Wildtiere vor Erreichen der Geschlechtsreife und nur
die wenigsten an Altersschwäche sterben.“
Hier wird ganz deutlich, dass Zoo-Speziesisten ihre Zoo-Gefangenschaft mit den Verhältnissen in der
Natur gleichsetzen („die Natur ist allgegenwärtig“). Dies ist nicht nur äußerst arrogant, sondern zugleich auch Natur-Entfremdung in ihrer reinsten Form.
Fakt ist, der Zoo-Speziesismus bestimmt oft, wann inhaftierte Individuen sich fortpflanzen, wann sie
gebären, welche Partner sie haben, wann und welche Nahrung zu sich genommen wird, wann gestorben wird, wann Mütter, Kinder oder ganze Familienverbände sich trennen oder zusammenschließen
müssen, wann geflogen, gewandert, geschwommen, geschlafen oder geruht wird. Das alles hat mit
den reinen Naturgesetzen nichts zu tun. Es ist und bleibt eine künstliche Schein-Welt.
Aber auch alles wird im fast planmäßigen Rhythmus vom Menschen bestimmt, vorgeschrieben und
umgesetzt. Allzugern bestimmen Zoo-Speziesisten auch über den Tod und das Leben gleichermaßen
aber nur äußerst selten werden sie für ihren „Natur-Hochmut“ zur Verantwortung gezogen.
So wurde der Magdeburger-Zoodirektor Kai Perret und weitere Helfershelfer “…wegen der Tötung von
drei Tigerbabys ohne vernünftigen Grund“ rechtlich belangt. Getötet, weil diese Tierbabys nicht in das
menschliche Schemata eines Tiere-Gartens hineinpassten. Trotz Verurteilung bestimmen noch heute
alle Verurteilten im Magdeburger Zoo, wie mit fühlenden Lebewesen umgegangen wird. Ein weiterer
Skandal.
Fakt ist, jede Zoo-Gefangenschaft ist soweit von natürlicher Auslese (Evolution) entfernt, wie die Sonne zum Mond. Und in der künstlichen Gefangenschafts-Welt ist überhaupt kein Platz für so etwas wie
natürliche Evolution. Von diesem Zoo-Trugbild sollte man sich schnellsten verabschieden.
„Heute ist im Zoo die Lebenserwartung der Tiere in aller Regel höher als in der Wildbahn.“
(Verband deutscher Zoodirektoren)
Angesichts solcher Aussagen, wie älter doch nichtmenschliche Tiere in Gefangenschaft gegenüber
ihren in Freiheit lebenden Verwandten werden, stellen frühzeitige Todesfälle eigentlich einen erheblichen Gegensatz und auch ein großes Missverhältnis zwischen Realität und Wunschbild dar.
Denn da alle Individuen in derselben vermeintlich artgerechten und wohlbehüteten menschlichen Obhut ihr Dasein fristen, müssten demzufolge auch alle oder zumindest ein Großteil der Individuen darin
gleich „uralt“ werden?
Aber das tun sie nicht. Und das wirft Fragen auf?
Anhand der Aussage, über das hohe Alter von Eisbären in Gefangenschaft, möchten wir ihnen zeigen,
was hinter solch einer Aussage wirklich steckt. Also bitte noch einmal zum Eisbären-Sterblichkeits-Zitat
zurück.
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Langlebigkeit
Destop-Foto: Homepage VDZ vom 20.02.2012
Bild 2
Aus diesem Zitat gehen letztendlich zwei Grundaussagen hervor:
Eisbären in Gefangenschaft:
1. werden doppelt so alt wie in der Natur
2. und sie erreichen ein hohes Alter.
Aber stimmt dies auch wirklich? Zunächst einmal sollte man zum Zitat im Vorfeld wissen, dass der VDZ
hier Durchschnittsalter und Langlebigkeit etwas vermischen.
Grundsätzlich ist es schwer, das tatsächliche Alter von Eisbären in Freiheit zu bestimmen. Das ergibt
sich schon aus der Logik, dass man den genauen Geburtstag eines Individuums nicht kennen kann.
Von daher gibt es oft nur Altersschätzungen.
Im Buch „Longevity Records“ (bild 3) von James R. Carey und Debra
S. Judge wird das Höchstalter von Eisbären (Bild 3a) wie folgt vermerkt:
In Freiheit: 25-30 Jahre
In Gefangenschaft: 38,2 Jahre
Bild 3
Bild 3a
Andere Autoren bestätigen in ihren Niederschriften das Höchstalter von Eisbären in Freiheit:
„Die Langlebigkeit für Eisbären in Freiheit wurde noch nicht speziell definiert (Lentfer 1982). Allerdings
liegt, nach Schätzungen zufolge, dass maximale Zuchtalter von Eisbären in Freiheit bei 20 bis 25
Jahren (Lentfer 1980, Ramsay und Stirling 1982, Stirling et al. 1984).“ (3)
01.03.2012
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„Eisbären in freier Wildbahn können schätzungsweise 32 Jahre (Jonkel et. Al.1976, und
I.Stirling, pers.comm), 30 Jahre (Stirling und Kiliaan 1980), 29 Jahre (Stirling et al. 1984), 26
Jahre (Stirling et al. 1980), und 25 Jahre (Lentfer 1982), basierend auf der „Cementum-Annulation
Analyse“ und anhand von individuelle Kennzeichnungsprogramme, erreichen.“ (3)
Wie sieht nun das Höchstalter von Eisbären in Gefangenschaft aus?
Der Verband deutscher Zoodirektoren meinte ja hierzu:
„Aktuell (Herbst 2009) liegt Im Zoo das Höchstalter bei über 40 Jahren. Von den 306 am 13. September 2009 in europäischen Zoos lebenden Eisbären waren
2 Tiere 40-41 Jahre,
19 Tiere 30-39 Jahre und
90 Tiere 20-29 Jahre alt.“
Grundsätzlich ist zu sagen, dass ein bis drei 40jährige Eisbären nicht alleiniger Maßstab für mehr als
2000 bisher in Gefangenschaft inhaftierte Eisbären sein kann. Eher sind solche Altersrekorde also als
absolute Ausnahmen zu betrachten und auch zu werten. Durchschnittsalter sind da eher geeignet um
Rückschlüsse auf eventuell positive oder negative Einflüsse der Gefangenschaft treffen zu können.
Aber dazu später mehr.
Zur eigenen Prüfung des Höchstalters von Eisbären in Gefangenschaft stand uns nur das Internationale Zuchtbuch „2006-2007“ zur Verfügung. Dennoch sind die Zahlenwerte hieraus völlig ausreichend,
da für die fehlenden 2 Jahre wohl kein Neugeborenes (Zeitraum 2008-2009) so schnell altert und wohl
kaum so viele zusätzliche ältere Individuen weltweit plötzlich und unerwartet im Zuchtbuch auftauchen. Zudem haben wir das Alter der laut Zuchtbuch 2006-2007 (Seite 1-38) noch lebende Eisbären
auf Basis des 13.September.2009 (VDZ Datenstand) aufgerechnet.
Laut internationalem Zuchtbuch 2006-2007 waren in diesem Zeitraum weltweit noch 339 Eisbären
(Geschlechterverteilung: 160, 168, 11) am Leben. Im Bestandsregister (Seite 1-38) werden 17 Individuen (Geschlechterverteilung: 5, 9, 3) bereits verstorbene Eisbären aufgeführt, die wir aber aus unserer Berechnung herausgenommen haben.
Nach unserer Auswertung und Berechnungen waren laut Zuchtbuch 2006-2007 am Ende 2007:
3 Tiere 40-41 Jahre,
24 Tiere 30-39 Jahre und
100 Tiere 20-29 Jahre alt.
Dieses Ergebnis kommt ungefähr gleich den Daten des VDZ mit dem Stand des 13.September 2009.
Bevor wir unsere ermittelten Berechnungen und Fakten genauer betrachten und mit den Aussagen
des Zoodirektorenverbandes vergleichen und auswerten, möchten wir Ihnen einen wichtigen Hintergrund zu Alters-Rekorde erklären.
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Ist ein Zoo-Alters-Rekord ein positiver Effekt der Zoo-Gefangenschaft?
Seit Jahren steht die Institution Zoo immer mehr und berechtigt in der öffentlichen Kritik. Immer
schwerer fällt es den Zoos ihre unrechtmäßigen Inhaftierungen zu rechtfertigen, ihnen einige wenige
positive Aspekte abzugewinnen und der Öffentlichkeit näher zu bringen.
Gern verwenden die Zoos daher „Zootier-Alters-Rekorde“ um vermeintlich punkten zu können. So zum
Beispiel der Zoo Leipzig der aktuell zum Tod von Brillenbär BALU sich äußert:
„Mit 29 Jahren gehörte Brillenbär BALU europaweit zu den ältesten seiner ART“
(13)
Wenn Zoos das „Alters-Rekord-Argument“ nutzen, dann nur um der Öffentlichkeit mitzuteilen wie
vermeintlich gut es doch ihren inhaftierten Individuen in der Gefangenschaft ergeht.
Motto: „Wenn sie so viel älter werden muss das Leben in menschlicher Obhut gut sein.“
Aber was sagt ein Höchstalter aus?
In Freiheit haben nichtmenschliche Tiere oft mit vielen Faktoren zu tun die ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und damit auch die Dauer ihres Lebens erheblich beeinflussen.
Haupttodesursachen sind u.a. bei Eisbären:
(1) Bejagung durch den Menschen
(2) Hunger
(3) Verletzungen und Krankheiten mit Todesfolge
(4) Schadstoffbelastung in Nahrung oder Umwelt
(5) andere so genannte Raubtiere anderer Spezies
(6) Tötung durch andere Artgenossen
Einige dieser „Natur-Todes-Faktoren“ kommen in der Zoo-Gefangenschaft so gut wie gar nicht vor
oder haben kaum einen nennenswerten Einfluss auf die Höhe des Alters. Für Krankheiten oder Verletzungen z.B. haben Zoos mittlerweile Behandlungsmethoden gefunden, von dem so mancher Mensch
nur träumen kann.
Unbestreitbar ist also, dass Zoo-Inhaftierte kaum „um ihr Überleben zu kämpfen“ haben.
Wer sich also heute noch wundert, dass z.B. nur wenige Eisbären in Freiheit das Alter von mehr als 30
Jahre erreichen, der sollte seine Kenntnisse über die Natur wirklich noch einmal überdenken.
Das all diese für uns vielleicht negativ und brutal erscheinenden, „Natur-Todes-Faktoren“ aber erheblich zum Überleben einer Tierart in Freiheit beitragen, ist der weitaus positivere und wichtigere Fakt
der vermeintlich grausamen Natur. Denn genau diese Faktoren u.a. sind es, die das Überleben einer
Tierart in Freiheit erst möglich machen. Denn nur die stärksten und gesündesten Individuen überleben, pflanzen sich fort und geben gesunde und starke Gene an ihre Generationen weiter. So ist das
Überleben einer Tierart in Freiheit gesichert. So sind die „Naturgesetze“!
Wenn doch aber die Zoo-Gefangenschaft so gesund und zu so einem langen Leben bei den Inhaftierten führt, warum werden dann nicht alle oder zumindest der größte Teil der inhaftierten Individuen so
viel älter? Warum sind es nur ein paar wenige so viel ältere Tiere?
Die Frage ist also: Kann der Mensch die komplexen Naturgesetze auch in seiner künstlichen ZooGefangenschaft nachgestalten und ersetzen? Nein, das genaue Gegenteil läuft jedenfalls in der Eisbären-Gefangenschaft ab!
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Im Jahr 2008 wertete ich für eine deutsche Tierschutzorganisation das
internationale Zuchtbuch der Eisbären aus und kam in einer Dokumentation
(Bild 4) zum Ergebnis, dass Eisbären die in Freiheit geboren, als so genannte „Wildfänge“ in die Gefangenschaft verschleppt wurden und ihre ersten in
Gefangenschaft geborenen Babys (F1-Generation) im Durschnitt viel älter
wurden, als ihre Artgenossen und deren erster Nachwuchs, die in der ZooGefangenschaft geboren wurden. (siehe Diagramm 1 und 2)
Bild 4
In den Diagrammen ist deutlich zu erkennen, dass die Sterblichkeit bei den sogenannten „Wildfänge“
im höheren Alter und bei den in Zoo-Gefangenschaft geborenen Individuen im jungen Alter liegt. Auch
wird die hohe Jungtiersterblichkeit in der Gefangenschaft (359) deutlich.
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Diagramm 1
Diagramm 2
Aufgrund dieser Erkenntnis ist nun die Frage: Warum werden in Freiheit geborenen Eisbären und deren ersten Nachkommen in Gefangenschaft meist älter als rein in Gefangenschaft Geborene und deren
nächsten Nachkommen?
Was macht die meisten in Freiheit geborenen Eisbären, wenn doch alle Individuen in ein und denselben vermeintlich „artgerechten“ Gefangenschafts-Bedingungen „leben“, dennoch viel älter?
So genannte „Wildfänge“ haben „gesündere“ und vitalere Gene und geben diese an ihre ersten Nachkommen auch in der Gefangenschaft weiter. Und aufgrund des Wegfalles der oben erwähnten „NaturTodes-Faktoren“ in Gefangenschaft leben sie dann auch länger.
01.03.2012
Rein in Gefangenschaft geborene Eisbären und deren nächsten Nachkommen verarmen genetisch
oder ihre genetische Fitness schwindet von Generation zu Generation durch das Fehlen jeglicher natürlicher Prozesse.
Als ein Beispiel haben wir in einer Grafik (Bild 5) auf Seite 9 den Stammbaum von Eisbärin MARTIKA
dargestellt. MARTIKA ist im „Ranua Wildlife Park“ nur 13 Jahre alt geworden. Die Grafik zeigt auch die
Vorfahren der Eisbärin, deren Herkunft und dessen erreichtes Höchstalter. Der Stammbaum macht
sehr gut deutlich, dass das Höchstalter im geringer wird umso mehr sich die verwandten Individuen
von ihren in Freiheit geborenen Verwandten entfernen.
Es ist durchaus möglich, dass MARTIKA durch einen Unfall verstarb oder ihr geringes Alter auf damalige schlechte Haltungsbedingungen zurückzuführen ist. Ist sie also nur ein Zufallsbeispiel? Nein!
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01.03.2012
FREIHEIT
WILDFANG
WILDFANG
WILDFANG
WILDFANG
ARCTA
GEFANGENSCHAFT
UNBEKANNT
WILDFANG
OLAF
OLAF
WILDFANG
Alter: 37 Jahre
WILDFANG
Zuchtbuchnummer:
Zuchtbuchnummer:
0116
0106
ZOOGEBURT
WILDFANG
OLAF
MIRSHA
F1
Alter: 26 Jahre
ZOOGEBURT
WILDFANG
OLAF
IMARAC
10
Alter: 15 Jahre
Alter: 25 Jahre
Zuchtbuchnummer:
Zuchtbuchnummer:
0118
0119
ZOOGEBURT
WILDFANG
OLAF
MARTIKA
F2
Alter: 13 Jahre
Zuchtbuchnummer:
0844
Bild 5
01.03.2012
Wertet man alle bis Ende 2007 im Internationalen Zuchtbuch registrierten Eisbären nach Herkunft und
erreichten Höchstalter aus, kommt man auf folgendes Ergebnis:
Diagramm 3
Erläuterung:
Die drei Balken von A zeigen das Durchschnittsalter der Eisbär-Individuen die in Freiheit geboren wurden und im zumeist Babyalter als sogenannte „Wildfänge“ in diversen Zoos inhaftiert wurden.
Es wurde das Durchschnittsalter aller bis Ende 2007 verstorbenen Individuen (schwarzer Balken) und
der bis dahin noch lebenden Individuen (grüner Balken) einzeln aufgeschlüsselt. Und wir haben beide
Kategorien (verstorben und noch lebend) auch noch in Summe (blauer Balken) dargestellt.
Die Balken von B zeigen die F1-Generationen bei denen beide Elternteile (Vater und Mutter) als sogenannte Wildfänge in die Zoo-Gefangenschaft gelangten. Die Balken von C stellen die F1-oder auch F2Generationen dar, bei der nur ein Elternteil (nur Vater oder nur Mutter) ein so genannter Wildfang
war.
Die Balken von D zeigen die F1-, F2- oder F3-Generationen, bei denen beide Elternteile zoogeborene
Individuen sind.
Die im internationalen Zuchtbuch mit Herkunft „UNK“ (Unknown = Unbekannt) aufgeführten Individuen zeigen die Balken E und F. Zur Herkunft der Tiere von E und folglich dann auch F ist mit großer
Sicherheit davon auszugehen, dass diese Individuen auch sogenannte Wildfänge waren. Nur war zum
Zeitpunkt der Inhaftierung offensichtlich nicht der Ort ihrer Gefangennahme bekannt. Die Balken von
E bis F sind demnach den Balken A bis C in Bezug auf die Herkunft eigentlich gleichzustellen.
Lediglich bei den Daten von G könnte davon ausgegangen werden, dass bei einer Gefangenschaftshaltung von vielen Tieren (beide Geschlechter), es nicht möglich war zu ermitteln möglich, wer Vater
oder Mutter eines Neugeborenen war.
Fazit 1:
Das Durchschnittsalter aller Eisbärenindividuen sinkt mit der Entfernung zu ihren in Freiheit geborenen
Verwandten (Balken A bis C und E bis G).
Fazit 2:
Ein hohes Lebensalter eines in Zoo-Gefangenschaft „lebenden“ Individuums bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch die Verhältnisse seiner Gefangenschaft positiv sind. Ein hohes Alter steht viel eher im
Zusammenhang mit den gesunden Genen der noch in Freiheit geborenen und lebenden Verwandten.
01.03.2012
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Was der Verband deutscher Zoodirektoren verschweigt
Wenden wir uns ein letztes Mal der Aussage des VDZ zu:
Destop-Foto: Homepage VDZ vom 20.02.2012
Bild 2
Betrachten wir uns nun die vom VDZ genannten Tiere (letzter Satz) im Einzelnen etwas genauer:
Die drei Individuen im Alter 40-41 Jahren waren Ende laut unserer Recherche 2007:
DEBBY (42 Jahre; ZB#0052)
FREIDA (40 Jahre; ZB#0324)
KHAPKOVCHA (40 Jahre, ZB#1203)
Die Herkunft des Vaters von KHAPKOVCHA wird als „UNK“ aufgeführt und ihre Mutter mit „WILD“.
Die Herkunft der Eltern von DEBBY (42) und FREIDA (40) sind im Zuchtbuch ebenfalls mit „unknown“ deklariert. Nach unseren Recherchen war DEBBY ein russischer Wildfang und kam am
6.09.1967 in die Gefangenschaft des Zoo in Winnipeg (Kanada).
„Debby was born in the Arctic islands of Russia and came to Winnipeg in 1967.“
(4)
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Das bestätigt uns in unserer Annahme, dass mit „UNK“ im Zuchtbuch gekennzeichneten beiden Elternteile den so genannten „Wildfängen“ zugeordnet werden können. Auf keinen Fall können sie, aufgrund
ihrer vermerkten „unbekannten Herkunft“ (UNK), der Kategorie „Zoogeborene“ zugeordnet werden.
Der VDZ hätte die zwei Tiere mit 40-41 Jahren also nicht als Beispiel benutzen dürfen. Genauso
sieht es bei den anderen Altersgruppen aus (siehe Tabelle 1). In der Altersgruppe 30-39 Jahren
haben wir nur ein einziges Tier, nicht aber 19 Individuen (VDZ), gefunden, deren beiden Elternteile
auch in der Zoogefangenschaft geboren wurden.
Und in der Altersgruppe 20-29 Jahre waren es auch nur 8 Individuen (nicht 90 Tiere), deren beiden Elternteile im Zoo geboren wurden.
Zuchtbuch#
0146
0540
0559
0630
0793
0794
0917
1336
1406
Name
Fanny
Björn-Hein
Boris/ Avid
Troll
Arthur
Kavek
Gus
Katinka
Magnet
Alter zum 13.09.2009
30
22
23
22
23
23
23
20
20
Tabelle 1
Fazit 3:
Nur ein zoogeborener Eisbär, dessen beiden Elternteile ebenfalls im Zoo geboren wurden, erreichte
das Alter von 30 Jahren. Und nur 4 Eisbären erreichten das Alter von 23, nur 2 Eisbären das von 22
und nur 2 Individuen von 20 Jahren.
01.03.2012
Von insgesamt 1837 im internationalen Zuchtbuch registrierten Eisbären waren die Eltern
a) von 1056 Individuen, im Ganzen oder nur zu einer Hälfte, so genannte Wildfänge
b) von 430 Individuen, im Ganzen oder nur zur einer Hälfte, unbekannter Herkunft
c) von 351 Individuen, im Ganzen, in der Zoo-Gefangenschaft geboren. (Diagramm 4)
23%
19%
A-C
(WILD)
58%
D
(ZOO)
E-G
(UNK)
Diagramm 4
Und von den 351 Individuen, deren beide Eltern ebenfalls in der Zoo-Gefangenschaft geboren wurden, waren nur lächerliche 9 Eisbären im Alter von 20-30 Jahre.
Führte man jetzt auch noch das mögliche Eisbären-Höchstalter von in Freiheit lebenden Eisbären mit
25-38 Jahren heran (siehe Seite 4-5), so erreichte dieses nur ein einziges Tier von 351 Individuen
deren Eltern in der Zoo-Gefangenschaft geboren wurden!
Wenn man also die vom „Verband deutscher Zoodirektoren“ aufgeführten Daten mit der Realität vergleicht, sieht das ganze Bild doch etwas anders aus.
Fazit 4:
Nur ein einziges Tier, dessen Eltern ebenfalls in der Zoo-Gefangenschaft geboren wurde, erreichte das
mögliche Höchstalter für in Freiheit lebende Eisbären von 25-38 Jahren.
01.03.2012
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Man nehme x-beliebige Zahlen?
In der VDZ-Aussage finden wir im Vorfeld auch noch diese Aussage:
„Zur Sterblichkeit erwachsener Eisbären führen ZANDER & KOLTER (1995) Folgendes aus: "Das nach
Daten aus RAMSAY & STIRLING (1988) geschätzte Durchschnittsalter weiblicher Eisbären liegt bei ca.
8 Jahren, das der im Zuchtbuch (LINKE 1993) aufgeführten Weibchen bei ca. 16 Jahren. Eisbären
werden im Zoo also im Mittel doppelt so alt wie in der Natur! Dementsprechend müssen die höheren
Altersklassen in beiden Populationen sehr unterschiedlich vertreten sein. Während in der Hudson Bay
nur ungefähr 3% der weiblichen Bären über 20 Jahre sind, sind es in europäischen Zoos 35%."
Zunächst einmal muss gesagt werden, dass das VDZ-Zitat aus einem Artikel stammt, der 1995 in
„Zeitschrift des Kölner Zoos“ (5) erschienen ist. Man bedenke zunächst, wir haben heute 2012.
Und es muss ebenso erwähnt werden, dass Frau Dr. KOLTER und ZANDER (5) wiederum ihren Zahlenvergleich auf Basis der Studie von RAMSAY und STIRLING (6) aus dem Jahr 1987 (erschienen 1988)
erstellt haben. Beide Fachartikel liegen uns vor.
Es ist für uns also eine Frechheit, dass der „Verband deutscher Zoodirektoren“ (VDZ) Zahlen aus dem
Jahr 1987 mit Zahlenwerten aus 2009 in irgendeiner Weise in Verbindung bringt.
Und noch ein paar wichtige Hintergrundinformationen im Zusammenhang mit der Studie von RAMSAY
und STIRLING. (6)
Stirling und Kollegen verglichen in einem Fachartikel im Jahr 2006, „Polar Bear Population Status in
the northern Beaufort Sea, Canada, 1971-2006“ (7), ältere und neuere Studien und stellte einen Anstieg des durchschnittlichen Alters der Eisbärenindividuen fest. Zudem bezeichneten Sie den Zeitraum
der 70iger und 80iger Jahre als eine „Phase der Bestands-Erholung“. Kein Wunder also, dass das
Durchschnittsalter 1987 noch so gering war.
„Die ausgiebige Nutzung von Flugzeugen zur Lokalisierung der Tiere und als Transportmittel führte zur
drastischen Schrumpfung der Populationen in den 1950er- und 1960er-Jahren auf weltweit insgesamt
5.000 bis 10.000 Tiere (geschätzt). Im Jahr 1973 beschlossen Kanada, die Vereinigten Staaten, Dänemark (für Grönland), Norwegen (für Svalbard) und die Sowjetunion ein Abkommen, das die Jagd
einschränken, die Habitate schützen und die gemeinsame Forschung verstärken sollte.“
Nach intensiver Bejagung des Eisbären in den 60iger und frühen 70iger war es also nur logisch, dass
man später (Ramsay & Stirling dann im Jahr 1987) nur wenige ältere Eisbären, meist nur 10jährige
Eisbären, vorfand. Heute liegt übrigens die geschätzte Eisbärenpopulation bei 20.000 - 25.000 Individuen! Dementsprechend höher ist dann jetzt auch das Höchstalter.
Eisbärenpopulation 1950 bis 2005:
1950 gab es bis zu 5.000 Eisbären(9)
1965: About 10,000 (IUCN 1966)
1967: About 10,000 (Schuhmacher 1967)
1972: Roughly estimated at 20,000 (DeMaster & Stirling 1981)
1983: Perhaps 20,000 (Nowak & Paradiso 1983)
1996: 20,000 - 30,000 (Watson 1996)
1997: 22,000 - 27,000 (Garner 1997)
1998: 22,130 - 27,030 (Truett & Johnson 2002)
2001: At least 22,000 (Schliebe 2001)
2002: 21,500 - 25,000 (Lunn et al. 2002)
2005: 20,000 - 25,000 (Polar Bear Spec. Gr. 2005)
2006: 20,000 - 25,000 (IUCN 2006)
01.03.2012
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Andere ältere Studien zeigten ebenfalls auf, dass sich aufgrund der Verringerung der Jagd die Eisbärenpopulation in Freiheit erhöht hat und somit auch das durchschnittliche Lebensalter.
Aus diesem Grund findet man daher heute (2012) fast gleichlautende Durchschnittsaltersangaben (1525 Jahre), von Eisbären-Spezialisten und Zoos, für Eisbären in Freiheit:
Polar bears International:
“In the wild, polar bears live an average 15 to 18 years, although biologists have tagged a few bears
in their early 30s.”
National Geographic
“Average life span in the wild: 25 to 30 years.”
“LIFE SPAN: Typically 15-18 years; some have lived over 30 years.”
SeaWorld
Zoogoer March/April 1999
“Life Span: Polar bears live up to 25 years in the wild.”
Zoo Erie (USA)
“Life Span: Polar bears live 25 to 30 years in the wild.”
Polar Bear Habitat (Canada)
“A polar bear’s lifespan is approximately 20-25 years old in the wild.”
Zoo San Francisco (USA)
“Life span in the wild is 25-30 years.”
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Polar Bears Alive
“What is a polar bear's life span? In the wild, polar bears live an average of 15 to 18 years, although
biologists have tagged a few bears in their early 30s.”
National Wildlife Federation (USA)
“Typical Lifespan: Polar bears can live to 20-30 years of age.”
Zoo Oregon (USA)
“Lifespan: 25-30 years; maximum 33 years.”
01.03.2012
FAZIT
1.) Ein hohes, in Zoo-Gefangenschaft erreichtes, Alter muss grundsätzlich kein positiver Effekt der
Gefangenschaft sein.
2.) Die Genetische Herkunft der Elterntiere spielt eine große Rolle für die Erreichung eines hohen
Alters.
3.) Bei genauer Betrachtung werden meist nur so genannte Eisbären-Wildfänge, und deren Nachkommen in erster und zweiter Generation, sehr alt.
4.) Zoogeborene Eisbären sterben häufig (mit minimalen Ausnahmen) früh oder werden im
Durchschnitt nicht viel älter wie ihre Artgenossen in Freiheit.
5.) Lebensverkürzende Faktoren der freien Wildbahn und der Gefangenschaft gleich zu setzen ist
unwissenschaftlich und naturentfremdend.
16
01.03.2012
Quellen-Verzeichnis:
(1) Ecological Applications, 21(3), 2011, pp. 859-876
(2) Ramsay, M.A., und Stirling I. (1982): Reproductive biology and ecology of female polar bears
in western Hudson Bay. Naturaliste Can. (Rev. Ecol. Syst.) 109, 941-946
(3) Katherine Latinen, Longevity and Fertility of the Polar Bear in Captivity, Detroit, in „Der Zoologische Garten” N.F. 57 (1987) 2/3 S. 197-199
(4) “The Star.com” vom 18.11.2008
(5) ZANDER, R. & KOLTER, L. (1995)
Familienzusammenführung bei den Eisbären des Kölner Zoos - ein Ausnahmefall. Z. Kölner
Zoo 38 (3): 113-121.
(6) RAMSAY, M. A. & STIRLING, I. (1988)
Reproductive biology and ecology of female polar bears (Ursus maritimus). J. Zool. Lond.,
214: 601-634.
(7) Ecological Applications, 21(3), 2011, pp. 859–876 2011 by the Ecological Society of America
“Polar bear population status in the northern Beaufort Sea, Canada, 1971–2006”, STIRLING,1,2,5 TRENT L. MCDONALD,3 E. S. RICHARDSON,1,2 ERIC V. REGEHR,4,6 AND STEVEN
C. AMSTRUP
(8) Wikipedia.org 2012 (http://de.wikipedia.org/wiki/Eisb%C3%A4r)
(9) „Unbequeme Wahrheiten“ von Dirk Maxheimer, erschienen in „CICERO“ im Juni 2007
(10) „13th Working Meeting of the IUCN/ SSC Polar Bear Specialist Group“ vom 23-28.06.2001 in
Nuuk, Greenland
(11) „14th Working Meeting of the IUCN/ SSC Polar Bear Specialist Group“ vom 20-24.06.2001 in
Seattle, Washington
(12) „12th Working Meeting of the IUCN/ SSC Polar Bear Specialist Group“ vom 3-07.02.1997 in
Oslo
(13) Zoo Leipzig Homepage vom 20.02.2012, „Brillenbär Balu eingeschläfert”
17
01.03.2012
Zahlenwerte Diagram 3 (Durchschnittsalter)
A
B
C
D
E
Wildfang Vater+Mutter Vater / Mut- Vater+Mutter Herkunft
Wildfang
ter Wildfang Zoogeboren unbekannt
Alter
A Tod
B Lebend
A+B Tod+Lebend
23,00
21,54
22,70
6,52
22,68
10,65
3,27
15,24
7,11
1,19
11,23
5,79
20,26
25,70
21,19
F
G
Vater+Mutter Vater / Mutter
Herkunft
Herkunft ununbekannt
bekannt
4,87
24,73
7,96
1,35
14,20
2,84
18
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19
01.03.2012