IM4-Vorlesung - Universität der Bundeswehr München
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IM4-Vorlesung - Universität der Bundeswehr München
IM - 4 CHANGE MANAGEMENT ____________________________________________________ Univ. - Prof. Dr. Hans A. Wüthrich Th. Thym Dr. D. Osmetz K.-G. Leutschaft O. Pusch (Sekr.) (Tel.: 6004-2429; E-Mail: [email protected]) (Tel.: 6004-4200, E-Mail: [email protected]) (Tel.: 6004-4244, E-Mail: [email protected]) (Tel.: 6004-4275; E-Mail: [email protected]) (Tel.: 6004-2429; E-Mail: [email protected]) Wintertrimester 2006 Vorlesung Fr. 10:00 – 12:00 Seminarübung nach Vereinbarung Pflichtlektüre Vorlesungsunterlagen Wüthrich, H.A./Winter, W./Philipp, A.: Die Rückkehr der Hofnarren, Einladung zur Reflexion nicht nur für Manager!, Herrsching am Ammersee, 2001 Internationales Management 4 Vorlesung 1: Change Management - Einführung 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung ÜBERSICHT IM-4 V-1 LERNZIELE Der Studierende soll: • einen Überblick über die Veranstaltungen im 8. Trimester erhalten; • das Phänomen Wandel verstehen lernen. STOFFGLIEDERUNG 1.1 Ziele, Inhalte und Veranstaltungs-Struktur IM-4 1.2 Phänomen Wandel 1.3 Modell Noel Tichy 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung „CHANGE-EUPHORIE“ Ernüchternde Ergebnisse Studie des Münchner Instituts für Lernende Organisation und Innovation, gemeinsam mit der Universität St St.Gallen .Gallen bei 100 Unternehmen im deutschsprachigen Raum: - 40% erreichen weniger als 60% der Ziele - jedes vierte Projekt wird abgebrochen Studie von A.D. Little Little: Vorstandsbefragung: - 66% aller Veränderungsprozesse verursachen unvorhergesehene/unbeabsichtigte Nebeneffekte Es bewegt sich vieles und es ändert sich wenig ! 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung „CHANGE-EUPHORIE“ „Wir arbeiten in Strukturen von gestern mit Methoden von heute an Problemen von morgen vorwiegend mit Menschen, die die Strukturen von gestern gebaut haben und das Morgen innerhalb der Organisation nicht mehr erleben werden.“ Knut Bleicher 4 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung VERÄNDERUNG IM UMTERNEHMEN 1990 Veränderung bis zu 1996 Geforderte Qualität/ Funktionalität der Produkte +50% Länge der Produktlebenszyklen -20% Lieferzeiten Veränderung! -60% Aber: Nur 17% aller Veränderungsprojekte in Unternehmen sind erfolgreich! A.D.Little/P-Scott-Morgen Anzahl Wettbewerber +50% Marktpreise -50% Veränderung erfolgreich umsetzen: Eine Voraussetzung für die Zukunftssicherung Quelle: Schuh, G.: Change Management - Von der Strategie zur Umsetzung, Aachen, 1999, S. 15 Lehrstuhl Internationales Management 5 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung EU TOP 1OO: PRIMITIVES LERNVERHALTEN 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Glaxo Reuters Holdg. Benetton Williams Holdg. Adia Trelleborg LVMH Cable & Wireless BET Ford-Werke 1 2 3 4 5 1. Nur noch 4 der Top 10 von 1990 auch 1995 unter Top 100 2. LVMH 27 Glaxo/Welcome 26 39 100 Nokia Vodafone Grp. Reuters Holdg. Prudential H&M Von den gesamten Top 100 1990 sind 1996 noch 19 dabei Cable & Wireless 100 1990 1995 Primitives Lernverhalten Quelle: vgl. Baden 11/1990 und 1/1996 6 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung VERÄNDERUNGSANSÄTZE IM WELTWEITEN VERGLEICH revolutionär Business Process Reengineering evolutionär „Down Up“ Führung IdealZustand Benchmarking Mitarbeiter ? Process Redesign Kontinuierl. Verbesserungsprozess Ist-Zustand KAIZEN strategisch Process Innovation bottom - up Ansätze operativ Effektivität Effizienz Projekt Prozess USA Gruppenarbeit Qualitätszirkel JA PA N top - down Ansätze Europa Quelle: Schuh, G.: Change Management - Von der Strategie zur Umsetzung, Aachen, 1999, S. 15 Lehrstuhl Internationales Management 7 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung REINES ANPASSUNGSLERNEN Umsatz Pfad der UE Primitives Lernen • reaktiv • symptomorientiert • übersteuernd Wirkungen Zeit • Resistenz • Verschleiß • Demotivation • Unsicherheit 8 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung INTELLIGENTES LERNEN Umsatz Pfad der UE Intelligentes Lernen • proaktiv • ursachenorientiert Zeit Wirkungen Stärkung des „Immunsystems“ 9 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung VERÄNDERUNG VERSTEHEN Handlungsstrategie Steuerung Regelung Handlungsstrategie Versuch und Irrtum Selbstorganisation Systemzustand stabil stabil instabil instabil Organisation einfach komplex einfach komplex Funktionsweise Ursache- Soll-Ist Such- Muster- Wirkung Abgleich bewegung wechsel Management von Stabilität Quelle: Kruse, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH Lehrstuhl Internationales Management Management von Instabilität 10 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung DIMENSIONEN DES CHANGE Kombination aus induktivem und deduktivem Wandel Top down und bottom up Wurzeln des Change Träger des Change Arten des Change Prozess des Change Kontinuierlicher Lernprozess Change Objekte des Change Strategie, Struktur, Kultur, Führung Handhabung des Change Bewusstes Gestalten, Lenken und Entwickeln Prozessmusterwechsel nicht Funktionsoptimierung Ansatzpunkte des Change Change-Bewusstsein in der Tiefenstruktur Typen des Change Proaktiv und nicht reaktiv 11 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung BEURTEILUNG VON TOPMANAGERWECHSEL Auswirkungen Form des Topmanagerwechsels Topmanager Unternehmentale mungsOffenheit wissen Handlungsfreiheit Unternehmung Machtbasen Sicherheit WandSignalfür Anlungswirkung spruchsausmaß gruppen UnternehmungszugeI hörigkeit über 15 Jahre N T E R N Unternehmungszugehörigkeit 5 bis 15 Jahre Unternehmungszugehörigkeit unter 5 Jahre Topmanager aus gleicher Branche E X T Topmanager aus verwandter Branche E R Tomanager aus N fremder Branche Quelle: Krüger, W.: Excellence in Change, Gabler, Wiesbaden, 2000, S. 166 Lehrstuhl Internationales Management 12 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung Oberflächenstruktur Gestaltbarkeit FORMEN DES WANDELS Strukturen, Prozesse, Systeme, Infrastruktur RESTRUKTURIERUNG Strategie REORIENTIERUNG Fähigkeiten; Verhalten Nachhaltigkeit REVITALISIERUNG Werte und Überzeugungen Tiefenstruktur REMODELLIERUNG Quelle: Krüger, W.: Umsetzung neuer Organisationsstrategien: Das Implementierungsproblem, in: Zfbf 33/94, S. 200 Lehrstuhl Internationales Management 13 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung MODELLE IM UNTERNEHMERISCHEN ALLTAG altes mentales Modell fehlender/falscher Schlüsselreiz Beförderung nach Alter und Erfahrung der erfahrene Kollege wird befördert, obwohl andere erfolgreicher sind Absatz über Einzelhandel Marketing zielt weiterhin auf Absatz über Einzelhändler Personalarbeit durch zentrale Abteilung keine Anreize für Linienkräfte, Personalarbeit zu übernehmen Management durch Zielvorgaben Ziele werden vorgegeben, ohne dass auf Einwände eingegangen wird Problemlösung in der Fachabteilung Fachkräfte werden für ihre Problemlösung gelobt, Teamerfolge nicht Entscheidungen auf Vollkostenbasis Sanktionen bei negativem Ergebnis auf Vollkostenbasis Quelle: Krüger, W.: Excellence in Change, Gabler, Wiesbaden, 2000, S. 235 Lehrstuhl Internationales Management neues mentales Modell 14 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung oberflächlich Tiefe des Wandels tief TIEFE UND REICHWEITE DES WANDELS begrenzt transformativer Wandel umfassend transformativer Wandel 2 3 1 4 begrenzt reproduktiver Wandel niedrig Elemente umfassend reproduktiver Wandel Reichweite des Wandels Subsysteme Gesamtunternehmung Quelle: Krüger, W.: Excellence in Change, Gabler, Wiesbaden, 2000, S. 43 Lehrstuhl Internationales Management hoch Supersystem 15 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung PROZESSMUSTERWECHSEL Welche Situation liegt vor? Reicht das Optimieren des Bestehenden aus oder steht eine Neuordnung an? Prozessmusterwechsel Funktionsoptimierung Funktionsoptimierung Management von Stabilitäten: Analyse des Bestehenden, Beheben von Schwächen, Null-Fehlerziel 16 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung VERÄNDERUNG VERSTEHEN kritische kritische Instabilität Instabilität kreative kreative Störung Störung Neugestalten Neugestalten ProzessProzessmustermusterwechsel Stabilität Stabilität Stabilität Stabilität Quelle: Kruse, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH 17 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung MODELL NOEL TICHY Aufrütteln Visionieren Neugestalten Stabilität Stabilität schwache Signale Konsolidierung Krise Gewinn Gewinn Verlust Verlust starke Signale beginnender Wandel Vollbild der Krise Quelle: Krus e, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH 18 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung NOTWENDIGKEIT EINES CHANGE MANAGEMENT ? Die folgenden Situationen erhöhen die Notwendigkeit eines Managements von Instabilität im Unternehmen. Welche treffen aktuell zu? Kraftwerke ? Ihr Markt unterliegt einer besonderen Änderungsdynamik? Öffnung des Ostens, Euro, Arbeitsmarktproblematik, Wertewandel ... SAP/R3 ? Sie führen neue Technologien oder Organisationsformen ein? Standardisierung EDV, Inter-/ Intranet, neue Arbeits-/Kooperationsformen ... Siemens/ Nixdorf ? Sie fusionieren oder strukturieren Bereiche um bzw.gestalten sie neu? Mercedes A-Klasse ? Sie stoßen in für Sie neue Märkte und Produktlinien vor? Verkürzung der Produktzyklen, mehr Vielfalt, Erweiterung der Segmente ... Konzentrationsprozesse, Globalisierung, Business Process Reengineering ... Kombination ? Auf Ihren Führungsebenen finden starke Wechselbewegungen statt? Ca. 150 Tsd. Wechsel p.a., 300 Tsd. Nachfolgeregelungen, Alterspyramiden ... Quelle: Kruse, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH Lehrstuhl Internationales Management 19 © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung VERÄNDERUNG GESTALTEN In instabilen Übergangsphasen gilt das Prinzip: „Kleine Ursachen – große Wirkung“. Instabilität erhöht Sensibilität und Beeinflussbarkeit. Instabilität durch Irritation Instabilität durch Desinformation Instabilität durch Mehrdeutigkeit Instabilität durch unspezifische Erregung Quelle: Kruse, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH 20 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung VERÄNDERUNG GESTALTEN Instabilität ist eine notwendige Voraussetzung für Neuordnung. Instabilität ist aber nur als Übergangssituation sinnvoll. In der Instabilität ist die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens zu Gunsten einer erhöhten Sensibilität und Flexibilität herabgesetzt. Dauerhafte Instabilität birgt immer das Risiko einer Schädigung von Unternehmen durch mangelnde Effektivität und Ertragskraft. Dauerhafte Stabilität verringert die langfristigen Marktchancen von Unternehmen durch mangelnde Kreativität und Innovationskraft. Quel le : Kr use , P.: N EU H IM MEL Un ter nehm ensb era tun g Gm bH 21 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung ANGEMESSENE BALANCE VON STABILITÄT UND INSTABILITÄT Wir brauchen Dezentralität und Eigenständigkeit ebenso wie eine klar abgestimmte Ausrichtung und verbindlich vereinbarte Regeln. Wir brauchen Querdenker und Risikobereitschaft ebenso wie eine tragfähige Vision und die ständige Verbesserung des Bestehenden. Die Balance von Stabilität und Instabilität immer wieder neu zu bestimmen, ist eine zentrale gesellschaftliche und persönliche Aufgabe. Quelle: Krus e, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH 22 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung CHANGE MANAGEMENT Gestaltung und Lenkung kontinuierlicher Lernprozesse im Unternehmen, die von Individuen, Teams und der Organisation als Ganzes getragen werden und Unternehmen eine Weiterentwicklung ermöglichen. Nachhaltiges Organisationales Lernen mit System 23 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung RAHMENBEDINGUNGEN FÜR VERÄNDERUNGEN Änderung ist immer gebunden an Sichtbarkeit. „You can only change what you can measure“. Kulturänderung sichtbar zu machen, ist ein Problem. In dynamischen Märkten, die zunehmend von Dienstleistungen als von Produkten geprägt sind, ist Kultur ein zentraler Erfolgsfaktor. Gerade die „weichen“ Faktoren sind in Zukunft „harte“ Realität am Markt. Kultur hat einen hohen „Kopierschutz“ für Unternehmen. Bei Veränderungsprozessen entscheidet mehr die Kultur eines Unternehmens über das Ergebnis als die inhaltliche Lösungskompetenz. Quelle: Krus e, P.: NEUHIMMEL Unternehmensberatung GmbH 24 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung THEORETISCHE GRUNDLAGEN DES CHANGE MANAGEMENT Selbstorganisation Selbstorganisation IM-4 IM-4V-2 V-2 BASICS Chaostheorie Chaostheorie IM-4 IM-4V-3 V-3 Lerntheorie Lerntheorie IM-4 IM-4V-4 V-4 25 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung BASISLITERATUR Probst, G.J.B.: Organisationales Lernern und die Bewältigung von Wandel, in Gomez/Hahn/Müller-Stewens/Wunderer (Hrsg.): Unternehmerischer Wandel 1994, S. 295-320 Michalke, N.: Blick zurück nach vorn, in: manager magazin 07/94, S. 140-154 26 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-1 / CM - Einführung Internationales Management 4 Vorlesung 2: Change Management Selbstorganisation 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation ÜBERSICHT IM-4 V-2 LERNZIELE Der Studierende soll: • die Kernfragen der Forschungsbemühungen zur Selbstorganisation kennen. • einen Überblick über Selbstorganisationskonzepte erhalten und den Bezug zur Unternehmensführung herstellen können. STOFFGLIEDERUNG 2.1 Ordnungsprinzipien 2.2 Selbstorganisation in Theorie und täglichem Alltag 2.3 Körperintelligenz 2.4 Fallstudie „Keller“ 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation EMPOWERMENT-SPIRALE A E Empo we rment Spirale B D C 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation „Freiheit ist ohne Ordnung nicht möglich, und die Ordnung ist ohne Freiheit wertlos.“ Mahatma Gandi 4 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation NEGATIVBILANZ TRADITIONELLER ORDNUNGSPRINZIPIEN Organisation ist von außen vorgegeben fremdbestimmt, zentral geplant. Spezialisten entwerfen, wählen und implementieren die Strukturen und Verhaltensweisen. Aufgaben, technische Ausstattung und Mitarbeiter werden exakt und dauerhaft zugeordnet. Störungen werden durch Stäbe bzw. das Management aufgefangen. Mitarbeiter sind für ihre Aufgaben optimal spezialisiert Je genauer, vollständiger, klarer, personenunabhängiger, umso besser erfüllt die Organisation den Zweck Quelle: Probst, Selbstorganisation, S. 2262 Lehrstuhl Internationales Management 5 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation PERSPEKTIVEN DER ORDNUNGSBILDUNG Traditionell Selbstorganisation rationales Planen dauerhafte Strukturformen gestalten des Kontextes (Rahmen) kreativer Entwicklungsprozess Ordnung als Resultat des ‚autoritären‘ Organisierens Ordnung als Resultat multipler Maßnahmen maximale Vorgaben minimale Spezifikationen klare Perspektive viele Perspektiven sicherheitsorientiert/ einmalige Gestaltung entwicklungsorientiert/ kontinuierliche Gestaltung Hierarchie Heterarchie Paläste Zelte Misstrauen Vertrauen 7 Lehrstu hl Internationales Managemen t © Wüthr ich / IM -4 V-2 / CM II - Selb sto rgan isation 6 Quelle: Probst (Selbstorganisation), S. 2263 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation KONZEPT DER SELBSTORGANISATION Selbstorganisation in anderen Disziplinen (Kybernetik, Physik, Biologie, Chemie, Familientherapie ect.) Entwicklung 1650-1950 unsichtbare spontane Ordnungsprozesse (unsichtbare Hand, A. Smith) ca. 1940 - heute Stabilisierungs- und Anpassungsfähigkeit, Lernen Musterbildung (Konservative Selbstorganisation) ca. 1960 - heute Entwicklung, Flexibilität, Instabilität, Wandel (Evolutionäre Selbstorganisation) Selbstorganisation Charakteristiken selbstorg. Systeme "... umfasst alle Prozesse, die aus einem System heraus von selbst entstehen und in diesem selbst Ordnung entstehen lassen, verbessern bzw. erhalten." Autonomie Komplexität Redundanz Selbstreferenz 7 Quelle: Probst (Selbstorganisation) S. 2255ff. Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation CHARAKTERISTIKEN SELBSTORGANISIERGENDER SYSTEME Autonomie Komplexität Redundanz Steuerung/Gestaltung aus sich selbst heraus innerhalb gegebener Handlungsspielräume Spontan entstehende Ordnungsmuster auf materieller oder geistig-sinnhafter Ebene SO-Systeme sind komplex Ordnungsmuster = Resultat Interagierende Teile / Beziehungsdichte SO-Systeme nie analytisch beschreibar / Dynamik / unvorhersehbare Zustände / Zustandsformen Nicht einen Gestalter (z.B. Organisator / Planer Jeder Beteiligte ist Gestalter > = keine Orientierung am Hierarchieprinzip< Lenkung in den Teilen organisiert und über das System verteilt Selbstreferenz Lehrstuhl Internationales Management SO-Systeme schirmen / grenzen sich ab SO-Systeme verfügen über eine Identität © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation 8 SELBSTORGANISATION IM ALLTAG Quelle: Orientierung Nr. 108 Lehrstuhl Internationales Management 9 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation SELBSTORGANISATION IM ALLTAG Quelle: Orientierung Nr. 108 Lehrstuhl Internationales Management 10 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation SELBSTORGANISATION IM ALLTAG Quelle: Orientierung Nr. 108 Lehrstuhl Internationales Management 11 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation WANDEL DER HENKEL KGaA Internationales Führungskräftebefragung 1990 40% klagen über zu geringe Delegation von Verantwortung; unzureichende Entscheidungskompetenzen; zu große Hierarchietiefe 80% weisen ausdrücklich auf die Gefahr einer Verbeamtung in der Henkel KGaA hin Steigerung des Betriebsergebnisses 1993 trotz Umstrukturierung Entwurf und Start des Programmes „Kultur-Evolution“ Ziele: Von der Kontrolle zum Vertrauen Vom Statur zur Leistung Von der Arbeit als Pflicht zum Spaß an der Arbeit Vom Individualismus zur Gemeinschaft Vom Sicherheitsstreben zum Unternehmertum Schwerpunkt: Personalentwicklung Personalpolitische Maßnahmen Verbreiterung der Leistungspanne Hierarchieabflachung Grundsatz der Subsidiarität Entwicklung Kommunikationskultur Interne Verrechnungspreise Organisatorische Maßnahmen 12 Quelle: Diplomarbeit Frank Hippler Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation KRAFT DER SELBSTORGANISATION „Die Helden der Zukunft sollten in ihrem Denken berücksichtigen, dass immer auch ganz andere Lösungen möglich sind als die offensichtlichen; und dass viel mehr erreicht werden kann, wenn man anstelle von Top-Down-Kontrolle und -Steuerung die Kraft der Selbstorganisation und Emergenz spielen lässt.“ Rolf Pfeifer 13 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation KÖRPER - INTELLIGENZ Würde die Körper - Intelligenz die Koordination der Bewegungsabläufe nicht steuern, so käme der Genuss des Frühstückskaffees dem Besteigen des Mount Everest gleich.“ Gomoluch: IM DHP, Dez. 99 Lehrstuhl Internationales Management 14 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation KÖRPER - INTELLIGENZ Körper - Intelligenz - Das Motorische Wunder Menschen kommen motorisch äußerst unreif zur Welt Nervenzellen in den Motorikzentren sind bereits vollständig vorhanden, Verknüpfungen zwischen den Gehirnzellen fehlen noch geringe Körperbeherrschung Bewegungen werden kontinuierlich harmonischer, schneller und präziser Quelle: GEO, Nr. 8, August 99, S. 14ff Lehrstuhl Internationales Management 15 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation KÖRPER - INTELLIGENZ Kunstturnen Weitspringen Boxen Tanzen Beispiele Howard Gardner postulierte als ersten diese Form der Intelligenz Akzeptanz: In unserer Kultur herrscht die Dominanz des Rationalen und die Minderwertigkeit des Physischen Mensch kommt motorisch eher unreif zur Welt Nervenzellen in den Motorikzentren des Gehirn sind schon komplett vorhanden, Verknüpfungen zwischen den Gehirnzellen fehlen noch. es setzt eine rasche Entwicklung ein, die Bewegungen werden immer harmonischer Der Anfang Körper - Intelligenz Ursprung Fazit Gomoluch: IM DHP, Dez. 99 Lehrstuhl Internationales Management 16 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation KÖRPER - INTELLIGENZ Fazit 17 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation BASISLITERATUR Fallstudie SEMCO Probst, G.J.B.: Selbstorganisation, in Frese, Prof. Dr. Erich (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, 3. Völlig neu gestaltete Auflage, Stuttgart 1992, (W-LB 1780), S. 2255-2269 Probst, G.J.B.: Organisieren im selbstorganisierenden System, in: SelbstOrganisation, Verlag P. Parey, Berlin 1987, S. 113-120 18 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO „The world´s most unusual workplace“ auf dem Weg zur Selbstorganisation 1.2.1 Das Unternehmen Semco S/A, ein brasilianisches Unternehmen, wurde 1980 von Ricardo Semler, dem damals 21-jährigen Sohn des Gründers übernommen. Die Firma fertigte zu dieser Zeit ausschließlich hydraulische Pumpen für Marinezwecke. Mit ca. 100 Mitarbeitern konnte lediglich ein Umsatz von ca. 4 Mio. US$ erwirtschaftet werden und die Firma stand nach Aussagen Semlers kurz vor dem Konkurs. Heute steht das Unternehmen in Brasilien bereits seit einigen Jahren ganz oben auf der Wunschliste als Arbeitgeber. Ca. 200 Mitarbeiter erwirtschaften mehr als den zehnfachen Umsatz (> 40 Mio US$) aus einer Produktpalette, die von hydraulischen Pumpen über Abwaschmaschinen für Großbetriebe, Apparate für Küchen, Lebensmittelherstellung und -handel (z.B. Maschinen zur Biscuitherstellung oder Kühltürme) bis hin zu digitalen Scannern, Abgasfiltern für Lkw´s und Anlagen zur Herstellung von Satellitentreibstoff reicht. Zu seinen Kunden zählen so namhafte Firmen wie Alcoa, Saab, General Motors, Nabisco, United Biscuits oder Nestlé. Die Umsatzrendite liegt seit Jahren bei mindestens 10% und Ricardo Semler, von der brasilianischen Industrie mit Managerpreisen überschüttet, ist weit über die Grenzen seines Landes bekannt für seine unkonventionelle Unternehmensführung. Wie gelang es Ricardo Semler in nur wenigen Jahren, sein Unternehmen aus der ertragsarmen Nische zu befreien, die Stürme der brasilianischen Konjunktur zu überstehen und Semco zum Marktführer in vielen Bereichen auszubauen? Wo steckt das Erfolgsgeheimnis, das einem Unternehmen die Möglichkeit gibt zu überleben in einer Wirtschaft mit Inflationsraten zwischen 40 und 900%, Kreditzinsen, die noch 30% darüberliegen und starker internationaler Konkurrenz wie z.B. AMF, Worthington Industries, Mitsubishi Heavy Industries und Carrier? Lehrstuhl Internationales Management 19 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO Surviving the ups and downs of the Brazilian economy is ...... like riding a Brahma bull in an earthquake“ Der Wandel zum erfolgreichen Unternehmen vor dem Hintergrund der gewählten Strategie erfolgte streng genommen in zwei aufeinanderfolgenden Schritten, die beide Reaktionen auf die durch das turbulente Umfeld bedingte Wettbewerbssituation darstellen. Die erste Stufe bezeichnet Semler selbst als das „Semco-System“. Es besteht aus drei Grundsäulen, die im Laufe der Zeit im Unternehmen in mehr als 30 kleineren Managementprogrammen verfeinert wurden. Der zweite Schritt auf dem Weg zur Selbstorganisation wurde bei Semco durch das sogenannte „Satellitenprogramm“ vollzogen, mit dessen Implementierung Anfang der 90er Jahre begonnen wurde. 20 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.2 Das Semco-Management-Modell 1.2.2.1 Demokratie Das Semco-Management-Modell Die größten Widerstände bei der Umsetzung der Strategie lagen nach eigenen Aussagen in der starren und steilen Demokratie Anreizsysteme Information Hierarchie des traditionsverhafteten Unternehmens begründet. Aus diesem Grund transformierte Semler seine pyramidale Organisationsstruktur in den sogenannten Organisationskreis. Er reduzierte die Hierarchie auf nur 3 Ebenen, unter denen er alle Funktionen und Positionen subsumierte. Der innerste Kreis, dem auch Semler als Präsident angehört, setzt sich - Organisationskreis - Gewinnbeteiligung - Entscheidungen - Einkommen - Personalauswahl - Titel - Manager-Beurteilung- Spesen - Lost in space - Arbeitszeit - Kleiderordnung - Job Rotation - Bilanzanalyse - GuV-Rechnung - Kapitalflussrechnung - Gehaltsstatistiken zusammen aus insgesamt 6 Beratern (Councelors). Sie tragen die Verantwortung für das Gesamtunternehmen und werden von den Partnern, den Mitgliedern der mittleren Ebene, in ihrer Tätigkeit unterstützt. Auf dieser Ebene finden sich alle ehemaligen Direktoren, Werksmeister, Chefingenieure etc., m.a.W. alle Positionen unterhalb des Top Managements mit technischen, betriebswirtschaftlichen, juristischen oder sonstigen Führungsaufgaben wieder. Es gibt in dieser Ebene keine weitere hierarchische Differenzierung und die Partner unterstehen nur den Councelors. Den äußersten Kreis bilden die restlichen Mitarbeiter des Unternehmens, genannt Associates. Sie sind generell niemandem unterstellt. Einige von ihnen arbeiten jedoch ganz oder zeitweise in Teams, die von einem aus ihrer Mitte geführt werden. 21 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO Von der Pyramide zum Organisationskreis Diese als Koordinator bezeichnete Position sorgt für die Verbindung zwischen Partnern und Associates und ist deren einzige vorgesetzte Stelle. Verbunden mit der Reduzierung der Hierarchiestufen wurde die Mitbestimmung der Firmenmitglieder stark ausgeweitet. Strategisch Partners Councelors wichtige Entscheidungen werden seitdem mehrheitlich, u.U. auch gegen die Ansichten der Councelors getroffen. Als Semco zu Beginn der achtziger Jahre durch sieben Lizenzabkommen den Konkurs gerade noch einmal hatte abwenden können und die Differenzierung eingeleitet Associates hatte (der Umsatzanteil der hydraulischen Pumpen sank auf 60%) benötigte das Unternehmen eine weitere Produktionsstätte im Umfeld von Sao Paulo. Nach mehrmonatigen erfolglosen Suchaktionen mittels Immobilienmaklern kam von der Belegschaft das Angebot, in Eigenregie ein geeignetes Gelände ausfindig zu machen. Firmenmitglieder machten sich auch am Wochenende auf die Suche und wählten gemeinsam wie bei einer Sightseeing-Tour mit einem Firmenbus mehrere Objekte aus. Nach heftigen Diskussionen bzgl. der Eignung der Standorte (z.B. Länge der Anfahrtswege, Nähe zu Schulen, Kindergärten und Freizeiteinrichtungen), wurde eine Entscheidung getroffen, die von der Mehrheit aller Firmenmitglieder getragen war. 22 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO Ähnlich wird auch bei allen strategisch wichtigen Entscheidungen wie z.B. Akquisitionsentscheidungen verfahren. Laut Aussage Semlers ist es bereits mehr als einmal vorgekommen, dass sich die Mehrheit der Belegschaft gegen einen Unternehmenskauf ausgesprochen hatte, obwohl dies nach Ansicht der Councelors ein zur langfristigen Unternehmenssicherung notwendiger Schritt gewesen wäre. Der Erfolg dieser auf Selbstbestimmung und Selbstorganisation abzielenden Führungsphilosophie liegt eindeutig in der Konsequenz, mit der sie verfolgt wird. Ricardo Semler weist immer wieder auf die große Versuchung hin, in kritischen Phasen die Entscheidungskompetenz wieder an sich zu ziehen. Besagte Unternehmenskäufe gegen die Belegschaft durchzusetzen gleiche jedoch einem Pyrrhussieg mit schwer reparablem Glaubwürdigkeitsverlust. Nach beginnender Differenzierung und Internationalisierung der Geschäftstätigkeit wurde es für Semco immer schwieriger, die zunehmende Komplexität mit der Einfachheit des Organisationskreises zu verbinden. Auf der Suche nach der optimalen Größe demokratischer, selbstorganisierender Strukturen kam Semler zu einer Begrenzung der Teams auf 15 Personen und verfolgte bei seinen neuen Produktionsstätten eine konsequente Zellteilung. 150 Mitarbeiter pro Standort erwiesen sich (nach Phasen von Versuch und Irrtum) als die optimale Betriebsgröße. Bei jeder Vergrößerung des Unternehmens wurde automatisch eine neue selbständige Produktionseinheit abgespalten. Wie lässt sich dies mit bekannten Erfahrungen bzgl. Skaleneffekten und Synergien vereinbaren? Zugegeben, die künstliche Schaffung von Redundanzen in Funktionen und Positionen (Wach-, Lagerpersonal, Sekretärinnen etc.) sorgte bei Semco anfänglich für einen deutlich spürbaren 23 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO Kostenschub. Nach kurzer Zeit trat jedoch die erwünschte Wirkung ein, die den anfänglichen Kostenauftrieb weit mehr als nur kompensierte. Die Entwicklungszyklen verkürzten sich, die Liefertreue verbesserte sich und die Qualität stieg so signifikant an, dass Semco bereits ab Mitte der achtziger Jahre mit zweistelligen Wachstumsraten aufwarten konnte. Weitere Elemente von Demokratie und Selbstorganisation sind: • Einstellungsgespräche von Untergebenen: Im Gegensatz zum herkömmlichen Personalauswahlverfahren finden vor Neueinstellungen von Personen mit Führungsaufgaben grundsätzlich Gespräche mit den zukünftigen Untergebenen statt. Sie entscheiden letztlich über Einstellung oder Ablehnung. • Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Councelors: Halbjährlich bis jährlich werden alle Mitglieder von Semco aufgefordert, in einem Fragebogen dezidiert Stellung zu nehmen zur Geschäftspolitik sowie der Glaubwürdigkeit der Councelors. • „Lost in space“: Neulinge bei Semco werden nicht auf eine vorgeschrieben Position gesetzt, sondern bekommen lediglich einen Mentor zugewiesen, der ähnlich der japanischen Institution des sempaikohai („Vater-Sohn“ oder „Alter Weiser - Junger Neuling“) ihnen bei der Orientierung hilft. In der Trainee-Phase bewegen sich die neuen Mitarbeiter völlig frei im ganzen Unternehmen und arbeiten überall dort, wo sie ihrer Meinung nach von Nutzen sein können. • Anzug oder Jeans: es gibt bei Semco keine Kleiderordnung. Jeder entscheidet selbst (abgesehen von Schutzkleidung aus Sicherheitsgründen) über seine ganz persönliche Art sich im Unternehmen, aber auch gegenüber dem Kunden zu kleiden. 24 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.2.2 Anreizsysteme Semco war sehr schnell klar geworden, dass die erste Säule das Semco-System ohne die Stütze „Anreizsysteme“ nicht würde tragen können und transferierte Ideen der Selbstorganisation auch in den Bereich der materiellen wie immateriellen Anreizsysteme. Nachfolgende Elemente geben einen kurzen Überblick: • Gewinnbeteiligung: Sie ist der wichtigste Baustein, ohne den Semcos Selbstorganisation nicht realisierbar wäre. Alle Mitarbeiter haben Anspruch auf 23% des Gewinns nach Steuern. Er wird halbjährlich von der Firmenleitung, getrennt nach Sparten, an drei gewählte Belegschaftsmitglieder übergeben, die ihn treuhänderisch verwalten. Die Belegschaftsversammlung entscheidet regelmäßig über seine Verwendung. Im Falle einer Auszahlung wird der Gewinn meist ungeachtet von Funktion und Position der jeweiligen Angestellten zu gleichen Teilen ausgeschüttet. • „Choose your income“: Alle Mitarbeiter erhalten das Gehalt, das sie fordern. Aus Sicht des Unternehmers stellt eine zu niedrige Gehaltsforderung kein Problem dar. Bei Semco ist jedoch auch eine überhöhte Gehaltsforderung kein Problem. Sie wird zunächst in einer Phase der Bewährung zugestanden. Scheitert der Mitarbeiter, so kann er sich entweder selbst sein Gehalt wieder kürzen oder das Unternehmen verlassen. Die Praxis hat gezeigt, dass von einigen Ausnahmefällen abgesehen alle Mitarbeiter das verdienen, was sie verdienen. 25 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO • „Meister des herrlichen Nachschubs“: Da Titel als Positions- und Kompetenzanzeiger bei Semco fast keine Bedeutung mehr haben, steht es jedem Mitglied der Belegschaft frei, seinen persönlichen Titel frei zu wählen. Es ist seine Entscheidung, ob er Einkaufsleiter oder „Meister des herrlichen Nachschubs“ genannt werden möchte. • Pension oder Grandhotel: Die Hotelkategorie bei Geschäftsreisen steigt nicht mit den abgeleisteten Dienstjahren oder mit der Position auf der Karriereleiter. Sie spielt überhaupt keine Rolle. Jeder entscheidet frei über das Hotel und die Preisklasse. Es gibt weder Spesenbegrenzungen noch Kontrollabrechnungen. • „Bei uns kommen und gehen die Leute, wann sie wollen:“ Es gibt bei Semco bis auf wenige Ausnahmen keine festen Arbeitszeiten, nicht einmal Gleitzeit. Zeitliche Abstimmungsprobleme im Rahmen der Prozesse werden selbstorganisierend geregelt. Job Rotation: Niemand muss, aber jeder wird dazu ermuntert, alle 3-5 Jahre den Tätigkeitsbereich zu wechseln, um zusätzliche Qualifikationen zu erwerben und einen besseren Überblick über das gesamte Unternehmen zu bekommen. 26 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.2.3 Informationspolitik „It’s a waste of time to worry about leaks“ Aufrichtige und umfassende Information ist die dritte Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Semco-Systems und berührt nahezu alle o.g. Punkte. So ist die Bedeutung der Gewinnbeteiliung als Anreizmechanismus abhängig davon, inwiefern die Mitarbeiter Zugang zu den relevanten Daten haben. Aus diesem Grund erhalten alle Mitarbeiter eine monatliche Bilanz, eine Gewinn- und Verlust-Analyse sowie eine Kapitalflussrechnung. Sie werden in Bilanzanalyse geschult und verfügen halbjährlich über eine unternehmensweite Gehaltsstatistik. Sie ermöglicht ihnen eine Einordnung ihres eigenen Gehaltes und stellt die Grundlage für Lohnverhandlungen dar. Jeder im Unternehmen kennt beispielsweise die Gehälter von Partnern und Beratern. Es besteht nach Auffassung Semlers keine Notwendigkeit zur Geheimniskrämerei, da ohnehin alle das verdienen, was sie verdienen. Es gibt also niemanden, der sich seines zu hohen Gehaltes schämen und es deshalb geheim halten müsste. Viele Informationen in einem Unternehmen sind von strategischem Wert und deshalb nicht frei zugänglich. Nicht so bei Semco. Alle Mitarbeiter wussten über die geplante Akquisition, gegen die sie votiert hatten, Bescheid. Dort macht man sich keine Sorgen über mögliche Lecks, durch die wichtige Informationen nach außen dringen könnten. Zum einen, weil Semco seinen Mitarbeitern vertraut und zum anderen weil ihm, wie er sagt, als dynamisches Unternehmen die Informationen von gestern ohnehin keine Kopfschmerzen mehr bereiten. 27 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.3 Zwischenergebnis Zusammengefasst lässt sich der Wandel bei Semco hin zu Demokratie und Selbstorganisation wie folgt beschreiben: Diversifizierung Internationalisierung Strategie Selbstorganisation Struktur - Reduzierung der Hierarchie auf die Ebenen Councelors, Partner, Associates - Zerlegung des Unternehmens in mehrere kleine Zellen - Schaffung redundanter Funktionen und Positionen - Job Rotation Kultur - Transparenz und aktive Information - Selbstbestimmung in vielen Teilen des Arbeitsalltages - Vertrauen statt Kontrolle - lernfreundliches Klima 28 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.4 Das Satellitenprogramm Semco hatte ca. 500 Mitarbeiter als es Anfang der 90er Jahre von der schlechten brasilianischen Konjunktur erfasst wurde. Seit 1990 waren in Brasilien 28% aller Industriegüterhersteller Konkurs gegangen und der jährliche Bruttoproduktionswert war in den Jahren 1990, 1991 und 1992 um 14%, 11% bzw. 9% gefallen. Der Wert der Industriegüterproduktion war damit auf den Stand von 1977 gesunken. Mitverursacht wurde die angespannte Lage in der brasilianischen Industrie durch die restriktive Politik des Finanzministeriums zur Bekämpfung der horrenden Inflation von bis zu 900% p.a.. Auf einmal sah sich Semco in das Jahr 1980 zurückversetzt, nachdem es monatelang überhaupt keine Umsätze mehr erzielt hatte. Zunächst versuchte man der Situation auf dem herkömmlichen Wege über Kostensenkungsprogramme Herr zu werden. Die Maßnahmen reichten von verkürzten Kaffeepausen über verschlossene Kopiergeräte, stornierte Aufträge für neue Arbeitskleidung, Stromsparprogramme bis hin zur Kontrolle von Telephon- und Spesenabrechnungen. Dann wurde zunehmend klar, dass nur noch zwei Möglichkeiten übrig blieben: Gehaltskürzungen oder Entlassungen. Gemeinsam mit der Belegschaft wurde folgendes Abkommen geschlossen. Die Mitarbeiter akzeptierten eine Gehaltskürzung um 30%, bekamen als Gegenleistung eine Erhöhung der Gewinnbeteiligung von 23 auf 39%. Die Councelors erklärten sich mit einer Kürzung ihrer Bezüge um 40% einverstanden. Darüber hinaus mussten sie jeden größeren Betrag, der zur Verausgabung anstand, von einem Mitglied des Gewerkschaftskomitees gegenzeichnen lassen, damit die Arbeitnehmer den Sinn ihrer Opferbereitschaft nachvollziehen konnten. 29 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO Dank dieser und anderer Maßnahmen (Firmenmitglieder übernahmen freiwillig, um zu sparen, immer mehr Aufgaben, die vormals von Drittfirmen ausgeführt worden waren wie z.B. Kantinenbetreuung, Sicherheits- und Fahrerdienste etc.) konnte eine vorübergehende Entlastung erzielt werden. Der wirkliche Durchbruch zu Gesundung und neuem Wachstum gelang allerdings erst durch das Satellitenprogramm, das im Keim bereits Mitte der achtziger Jahre bestand und nun wiederentdeckt und auf das gesamte Unternehmen übertragen werden sollte. Die Rede ist von einer kleinen selbstorganisierenden Truppe von Ingenieuren im Unternehmen, dem Nucleus of Technological Invention (NTI). Dieses Team war ihre eigene Erfindung, sie hatten weder Vorgesetzte noch Untergebene und waren vom Tagesgeschäft völlig losgelöst. Sie konnten sich frei im Unternehmen bewegen und sich ihre Arbeit selbst suchen. Die meiste Zeit waren sie damit beschäftigt, neue Produkte zu erfinden, bestehende zu verbessern, Produktionsabläufe zu optimieren oder komplett neue strategische Geschäftsfelder zu entdecken. Halbjährlich erstatteten sie den Councelors Bericht, die dann über eine Weiterbeschäftigung der Gruppe für wiederum sechs Monate befand. Der Erfolg des NTI war so überzeugend, dass man 1990 damit begann, sich Gedanken zumachen, welche Auswirkungen es auf die Flexibilität und Performance von Semco hätte, würde man das gesamte Unternehmen nach diesem Prinzip ausrichten. Damit war das Satellitenprogramm geboren. 30 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.4.1 Satellitenprogramm versus Outsourcing - Small within big is beautiful „No one in the company really knows how many people we employ. ... we rarely even know who works for us.“ Das Satellitenprogramm Im Zuge der o.g. Kapazitätsauslastungsprobleme hatte man bei Semco auch über die kostensparenden Möglichkeiten des Outsourcing nachgedacht. Anstatt jedoch die Kontrakte an Drittfirmen zu vergeben, ging man vielfach auch auf Initiative der Mitarbeiter dazu über, jedem Mitarbeiter eine Existenz als NTI anzubieten. So entstanden Zug um Zug Entwicklungs- und Produktionszellen, die ohne Überwachung auf eigene Rechnung im Hause Semco in freier Entscheidung sowohl Aufträge für Semco als auch für Wettbewerber fertigen. Von den vormals erwähnten 500 Mitarbeitern sind offiziell nur noch 200 fest angestellt, die übrigen haben entweder Teilzeitverträge oder sind selbständige Unternehmer. Sie arbeiten mit den Anlagen Semcos, die sie leasen oder mieten. Ebenso wie über den Auftraggeber entscheiden sie selbständig über ihre Personalzusammensetzung in ihrem Satelliten. So kommt es, dass Personen bei Semco tätig sind, die noch nie weder mit noch für Semco gearbeitet haben. Semco unterstützt dieses Satellitenprogramm nach besten Kräften, z.B. durch das Thinkodrome. 1.2.4.2 Thinkodrome In einer der Fabriken Semcos befindet sich ein Raum, der mit Computern und Kommunikationseinrichtungen ausgestattet ist und allen offen steht. Es ist ein vielgenutzter, ruhiger Raum. Hier finden viele Treffen von Satellitenmitgliedern und ihren Kunden (auch Wettbewerbern von Semco) statt, hier wird verhandelt, geplant, werden Produktspezifikationen festgelegt und Problemlösungen erarbeitet. Lehrstuhl Internationales Management 31 © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO 1.2.4.3 Hunting the Free Market oder How to become a Grand Mammoth Cook Es gelten unter den Satelliten sowie zwischen ihnen und den „festen“ Einheiten im Hause Semco die strengen Gesetze des Marktes. Kompetenz ist das einzige Auswahlkriterium bei der Auftragserteilung. Der Erfolg der Satelliten wie der in-house-Einheiten steht und fällt einzig und allein mit der Leistung. Nur wer das beste Auge hat wird „Chief Mammoth Finder“, der mit dem stärksten Arm und dem längsten Speer besteht auf Dauer als „Head Mammoth Killer“ und nur der Meister im Umgang mit Pflanzen und Gewürzen behält seinen Job als „Grand Mammoth Cook“. Diese grundlegenden Regeln der menschlichen Teamarbeit haben immer noch ungebrochene Gültigkeit. Alle Beteiligten können ihre Kooperations- und Projektpartner frei wählen, und das nicht nur auf dem Hochglanzpapier einer Broschüre über die Firmenphilosophie, sondern realiter in der täglichen Praxis, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht. Etwa ein Jahr nach Einführung dieses Konzeptes hatte die Sparte Marineequipment überschüssige Kapazitäten. Sie waren teilweise auf die Hochpreis- und top-quality-Nischenpolitik zurückzuführen, die sich als besonders konjunkturanfällig erwies. Die Sparte „Maschinen zur Biskuitherstellung“ dagegen hatte zwei große Aufträge im Wert von 2 Mio. US$ bzw. 5,5 Mio. US$ an Land gezogen und benötigte dringend kompetente Subunternehmer. Das Fertigungsmodul, das von der Marine-Division hätte gefertigt werden können, hätte dieser Sparte eine Kapazitätsauslastung für die nächsten vier oder fünf Monate gesichert. Entsprechend plante der Councelor Marine Division in seinem Budget. Es entbrannte bitterer Streit, als die Sparte „Biskuit“ den Zuschlag für das besagte Modul nicht einer anderen Sparte, sondern Satelliten und gänzlich außenstehenden Produzenten erteilte. Unter ihnen befand sich zu allem Überfluss auch noch der Hauptwettbewerber der Sparte Marine. 32 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation FALLSTUDIE SEMCO Wie sollte der innerste Führungskreis der Semco S/A angesichts dieser Situation entscheiden? Wie hätten Sie entschieden und aus welchen Überlegungen heraus? Machen Sie sich Gedanken hinsichtlich der Übertragbarkeit des Semco-Systems sowie des Satellitenprogramms. Literaturangaben: Semler, Ricardo: Why my former employees still work for me, in: Harvard Business Review, Jan.-Feb. 1994, S.64-74 Semler, Ricardo: Managen ohne Manager - Ein Paradebeispiel, in: Harvard Manager 2/1990, S.87-97 Semler, Ricardo: Unternehmerische Dynamik für Lateinamerika, in: Neue Zürcher Zeitung, 25./26. November 1989, S.97 Semler, Ricardo: Das Semco-System. Management ohne Manager, Heyne Verlag, München 1993 Hillebrand, Walter: Geteilte Macht, in: manager magazin, 2/1990, S.141-143 33 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-2 / CM - Selbstorganisation Internationales Management 4 Vorlesung 3: Change Management - Chaostheorie 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie ÜBERSICHT IM-4 V-3 LERNZIELE Der Studierende soll: • die Chaostheorie einordnen, ihre definitorischen Grundlagen beherrschen und ihren Bezug zur Betriebswirtschaftslehre kennen; • Einen Überblick über konkrete Anwendungen der Chaosfoschung im Unternehmen erhalten. STOFFGLIEDERUNG 3.1 Einführungsbeispiel - Video 3.2 Phänomen Chaos 3.3 Bedeutung und Anwendungen in der Unternehmenspraxis 3.4 Konsequenzen für das Change Management 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOS „Chaos ist solange Chaos, als man nicht begreift, daß es eine höhere Ordnung ist.“ „Wir müssen in Unternehmen eine Organisation aufbauen, die selbst nicht weiß, wie sie am nächsten Tag aussieht.“ Gerd Gerken 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOS-MANAGEMENT Begriff Griechisches Weltbild chaino = gähnen Chaos = Nichts, gähnende Leere ab 1700 Chaos = Unordnung, Gewirr, Wirrsal Ordnungsloser Raum Gedankliche Leere als Urstoff, aus dem das schöpferische Tun entspringt Höhere Ordnung/Regelmäßigkeit 4 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOS-MANAGEMENT Ausgangslage Naturwissenschaften Ordnungslosigkeit wird wissenschaftlich als Zustand anerkannt (Unordnung der Natur) In der Managementlehre geforderte Veränderungen sind mit dem heutigen „Strukturgeist“ nicht realisierbar (Akzeptanz nichtlinearer Abläufe) ufe geringfügiger Einfluss stößt ein labiles Gleichgewicht ins massive Ungleichgewicht („Schmetterlings-Effekte“) 5 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOS-MANAGEMENT Elemente Abkehr von dem heutigen, durch die Parameter Linearität, Kausalität und Finalität geprägten Denken Vertrauensorganisation (High-trust-Gruppen) Produktivität durch Lust statt Arbeit Strukturen auf Zeit Selbstorganisierende Teams 6 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOS-MANAGEMENT Ziele Flexibilisierung bestehender Ordnungen Abbau von Entwicklungsblockaden/Freimachen von entwicklungshemmenden Korsetts Chaoskiller Freiraum schaffen, damit sich Potenzial ungehindert und ziellos entfalten kann (ungesteuerte Selbstentwicklung) 7 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOSKILLER 1. 2. 3. 10. 4. Chaoskiller 9. 8. 5. 7. 6. Quelle: Müri, P.: Chaos Management - Die kreative Führungsphilosophie, s. Aufl.. Zürich, 1985 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie 8 CHAOS-TERMINI Chaos-Begriffe Interpretation in der Unternehmenspraxis • Attraktor Ruhepunkt / Ruhesystem • Autopoiese = Eigenschaft von Systemen, sich selbst zu erneuern unter Wahrung der Integrität der Struktur • Homöostase = Gleichgewicht / Stabilität • Bifurkationen = Verzweigung / Gabelung • Dissipative Strukturen = Nicht Gleichgewichtung / Ordnung durch Fluktuation 9 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie CHAOS-TERMINI Chaos-Begriffe Interpretation in der Unternehmenspraxis • Fraktale Strukturen Selbstähnlichkeit • Info - Netzwerke und Rückkoppelungen • Offene Struktur / Störfaktoren Solition = Stehende Welle 10 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie BASISLITERATUR Pietschmann, H.: Chancen und Grenzen der Chaostheorie, in: Eschenbach, R. (Hrsg.): Chaos-Management, Neuorientierung und Unternehmensführung?, Wien 1991, (W-BWL 035 W 3886), S. 6-16 Turnheim. G.: Chaos uns Management, 1993, (W-BWL 040 X 6862), S. 240-250 Küppers, B.-O.: Wenn das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, GEO-Wissen 03/93, S. 28-31 Von Anfangsbedingungen bis Zufall - Die wichtigsten Begriffe zu Chaos + Kreativität in alphabetischer Ordnung, GEO-Wissen 03/93, S. 178-191 Schütz, G.: Kreatives Chaos-Management, in: Eschenbach [Hrsg.], 1991, S.120ff. 11 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-3 / CM - Chaostheorie Internationales Management 4 Vorlesung 4: Change Management Lerntheorie 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie ÜBERSICHT IM-4 V-4 LERNZIELE Der Studierende soll: • an den Problemkreis „Organisationales Lernen“ herangeführt werden. • grundlegende Lerntheorien und -modelle kennen und unterscheiden können. STOFFGLIEDERUNG 4.1 Methodischer Ansatz zur Beurteilung der organisationalen Lernfähigkeit 4.2 Lernfähigkeit in Organisationen 4.3 Lernkontrolle 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie FEEDBACK ALS BASIS FÜR DAS LERNEN T. Buzan T E F C A S trial feedback e ffect a djust c heck s uccess „Manc he halte n das für Erfahrung, was s ie zwanzig Jahre lang fals c h ge mac ht habe n.“ G.B. Sha w 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie DER EINSAME SILBERRÜCKEN MAKAKEN Traditione ll hierarchis che Org anis atio n • 50 bis 100 Mitgliede r • Rangordnung nach Alte r oder Abs tammung • S ta rre Hie rarchie Alpha mann • Ke ine räumliche Tren nung der Gruppe 8 e rw ach s ene Männc hen • Fortpflanzung nur zwis chen Ra nghöchsten 18 erw ac hs e ne Weibche n 53 mä nnl. un d w e ib l. Jung tiere Ve Vertikale rtikale Le Lernbloc rnblockade kadenn Experiment in den 50iger Jahren auf der japanischen Insel Koshima 4 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie DOUBLE-LOOP-LEARNING: „VERÄNDERUNGSLERNEN“ Ziele Handlungen Ergebnisse Korrekturen Quelle: Probst: Organisation, S. 475 5 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie DOUBLE-LOOP-LEARNING: „VERÄNDERUNGSLERNEN“ Ziele Handlungen Ergebnisse Korrekturen Korrekturen Que lle: Probst: Or ga nisa tion, S. 475 6 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie DEUTERO-LEARNING: „LERNEN ZU LERNEN“ Fähigkeit zur Selbstkritik, zur Infragestellung unserer kognitiven Strukturen sowie des Sinnbezugs unserer Handlungen Reflexion, Analyse und Herstellung eines Sinnbezugs Ziele Handlungen Ergebnisse Korrekturen Korrekturen Korrekturen Quelle: Gregory, Bateson/Probst: Organisation, S. 477 7 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie ORGANISATORISCHES LERNEN Organisatorisches Lernen Das organisatorische Lernen ist das Veränderungskonzept auf dem höchsten Entwicklungsniveau von Organisationen. „... ist erfahren darin, Wissen zu schöpfen, zu erwerben und weiterzugeben sowie ihr Verhalten im Lichte neuer Kenntnisse und Einsichten teilweise zu revidieren.“ „Eine Organisation lernt, wenn sie durch die Art, wie sie Informationen verarbeitet, die Spanne ihrer Handlungs-Möglichkeit erweitert.“ David A. Garvin George P. Huber Betriebliches Lernen ist ein Prozess des Aufspürens und Korrigierens von Fehlern.“ „Mit betrieblichem Lernen ist der Prozess gemeint, bei dem Tätigkeiten durch mehr Wissen und Einvernehmen verbessert werden.“ Chris Argyris C. Marlene Fiol/Marjorie A. Lyles 8 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie LERNEN AUS ERFAHRUNG Organisationales Lernen ist die Fähigkeit einer Institution als Ganzes, Ganzes Fehler zu entdecken entdecken, diese zu korrigieren sowie die organisationale Wert- und Wissensbasis zu verändern, so dass neue Handlungskriterien und - strategien erzeugt werden. Quelle: Probst, Organisation, S. 473 9 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Entwicklungsniveaus von Organisationen Entwicklungsniveaus von Organisationen (3) Organisatorisches Lernen (2) Organisationstransformation (1) Organisationsentwicklung Dynamische und komplexe Umwelt Dynamische oder komplexe Umwelt Konkurs stabile und einfache Umwelt Zeit 10 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Organisatorisches Lernen nach March/Olsen (1976) (D) (1) Individual Beliefs (4) Environmental Response (C) (A) (2) Individual Action (3) Organizational Action Quelle: March/Olsen (1976, 10-23 u. 54-68) (B) (A)-(D) = Lernblockaden March/Olsen beziehen in ihrem Modell des organisatorischen Lernens in vier Prozessstufen (1)-(4) die Individuen, die Organisation und die Umwelt ein. An den Lernblockaden (A)-(D) kann der Lernprozeß unterbrochen sein. 11 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Organisatorisches Lernen nach Müller-Stewens/Pautzke (1991) (1) Individuelles Wissen und Lernen (D) Feedback (A) Kollektivierung (4) Realisiertes organisatorisches Handlungswissen (C) Handlungen (2) Kollektives Wissen und Lernen (3) Autorisiertes und institutionalisiertes Wissen Quelle: Müller-Stewens/Pautzke (1991, 193-196) (B) Institutionalisierung (A)-(D) = Lernblockaden Im Modell nach Müller-Stewens/Pautzke werden vier Teilprozesse des Lernens (A)-(D) einbezogen, die zu den einzelnen Prozessstufen (1)-(4) führen. Die Teilprozesse stellen zugleich potenzielle Lernblockaden dar. 12 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Organisatorisches Lernen nach Kim (1993) (1) Individual Learning (5b) Routines (F) (F) Quelle: Kim (1993, 37-49) Lehrstuhl Internationales Management (C) (2) Individual Action (A) (6b) (6a) „WeltOrganizational anschauung“ Routines Si n Le gle ar - l ni oo ng p I Si ndi n v Le gle idu ar - l al ni oo ng p (E) (5a) Frameworks (C) D o Le ubl ar eni lo ng op O r D gan o i Le ubl zat ar e- ion ni lo a ng op l (4) Environmental Response (1a) Observe (1d) Implement (6) Shared Mental Models (E) (5) Individual Mental Models (E) (1c) Design (B) (G) O r Si gan n i Le gle zat ar - l ion ni oo a ng p l D Ind o iv Le ubl idu ar e- al ni lo ng op (1b) Assess (3) Organizational Action (A)-(G) = Lernblockaden © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie 13 CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Organisatorisches Lernen nach Kim (1993) Im Modell des organisatorischen Lernens nach Kim sind wesentliche Aspekte der bisherigen Modelle integriert. Es ist das umfassendste Modell, das bislang in der Literatur angeführt worden ist. Einbeziehung verschiedener Lernniveaus 14 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Theoretischer Bezugsrahmen zum organisatorischen Lernen Umwelt Führung Vision u. Strategie ka t Human Resources m m io at ik Ko m m un un i Individuelles Lernen Ko Struktur u. Systeme io n Organisation Individuen u. Gruppen n Organisatorisches Lernen Gruppen Lernen Kommunikation Kultur Politik u. Macht 15 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Theoretischer Bezugsrahmen zum organisatorischen Lernen Der theoretische Bezugsrahmen basiert auf dem Ansatz zum organisatorischen Lernen, der mit den Rahmenbedingungen des Lernen vernetzt ist. Umwelt und Führung sind den übrigen Rahmenbedingungen übergeordnet. 16 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGE MANAGEMENT - ORGANISATORISCHES LERNEN Eigener Ansatz zum organisatorischen Lernen (1) Führung gestaltet lernende Organisation Organisation Lernniveau 3 Lernniveau 2 Individuen und Gruppen (A) Handlung (B) Feedback (C) Reflexion (D) Speicherung (2) Individuelles Lernen (G) Kommunikation (E) Kommunikation Lernniveau 1 (4) Organisatorisches Lernen (3) Gruppenlernen (A) Handlung (A) Handlung (B) Feedback (B) Feedback (C) Reflexion (D) Speicherung (F) Kommunikation (C) Reflexion (D) Speicherung (5) Führung lenkt lernende Organisation Nach dem eigenen Ansatz zum organisatorischen Lernen (1) gestaltet und (5) lenkt die Führung die lernende Organisation. Innerhalb dieser verlaufen (A)-(D) selbstorganisatorische Lernprozesse auf den Ebenen des (2) Individuums, der (3) Gruppe sowie der (4) Organisation als Ganzes. Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie 17 URSACHE MENSCH Mensch Mensch Change Resistenz Individuelle Verhaltensmuster - Trägheit - Beharrungsvermögen - Konfliktaversion 20% Sozialisation Kollektiv. Gesellschaft Verhaltensmuster 80% Kein Spielraum/ kein Anreize/ kein Feedback 100% Rahmenbedingung Rahmenbedingung „Regularien“ „Regularien“ Ursache # Mensch / Systemimm., Rahmenbedingungen 18 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie KULTURELLE BARRIEREN Kulturelle Barrieren sind die größten Hindernisse ihre Beseitigung hat die größte Hebelwirkung Schwierigkeit, Barrieren zu überwinden groß Hebelwirkung Überwindung nur mit Hilfe des Top-Management groß Kulturelle Barrieren mittel Überwindung durch Prozessteams gering 1 mittel Prozessbarrieren Überwindung durch Fachspezialisten Sachbarrieren 10 100 1000 gering Anzahl der Arten von Barrieren 19 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGEBLOCKADE 1 Hierarchisches Struktur-Design Ausfluss hierarchischer Strukturen sind u.a. vier typisch veränderungshemmende Effekte mit nicht zu beherrschender Eigengesetzlichkeit: Entscheidungszentralisation: Problemrückdelegation: Ent-antwortlichte Mitarbeiter: Vertikale Lernblockaden und Informations-Pathalogien: 20 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGEBLOCKADE 2 Misstrauensbasiertes System-Layout Ausfluss einer misstrauensbasierten Ausgestaltung innerbetrieblicher Systeme sind u.a.: Worst case System-Auslegung: Falsche Sanktions- und Anreizmuster: Fehlende Feedbackmechanismen: Keine Kollektivierung des Wissens: 21 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie CHANGEBLOCKADE 3 Fehlervermeidungskultur Ausfluss der Fehlervermeidungskultur sind u.a.: Nullfehlerphilosophie: Konfliktaversion: Bürokratie und hohe Regelungsdichte: Company takes care Mentalität: 22 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie IDEALTYPEN Modus der Informationsverarbeitung FEHLERFEINDLICH FEHLERFREUNDLICH 23 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie IDEALTYPEN Verhältnis zum Wandel FEHLERFEINDLICH FEHLERFREUNDLICH 24 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie IDEALTYPEN Vorherrschende Handlungsmaxime und deren Konsequenzen FEHLERFEINDLICH FEHLERFREUNDLICH „Make no mistake: „To try and fail is at least to learn; It actually means that the most timid member of the managerial group controls the outcome.“ to fail to try is to suffer the inestimable loss of what might have been.“ (Stafford Beer, 1975, S. 52) (Chester I. Barnard, 1938, S. xxvi) 25 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie ORGANISATIONALES LERNEN Auswirkungen Lernarten Zunahme der: - Lernfähigkeit - Anpassungsfähigkeit - Problemlösungskompetenz - Handlungskompetenz Anpassungslernen Organisationales Organisationales Lernen Lernen Veränderungslernen Merkmale Autonomie Heterarchie Flexibilität 26 Quelle: Probst, G.: Organisationales Lernen, 1994, S. 295-320 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie LERNFÄHIGE UNTERNEHMEN Wirtschaftliches Umfeld Rahmenbedingungen Leidensdruck Saturierung Merkmale Merkmale VSS für organisatorisches Lernen - Handlung - Feedback - Speicherung VSS für individuelles Lernen VSS für Gruppenlernen - Handlung - Feedback - Speicherung - Handlung - Feedback - Speicherung 27 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie MERKMALE LERNENDER ORGANISATIONEN 1. Systematische Problemlösen 2. Experimentieren 3. Lernen auf Erfahrungen 4. Lernen von andern Quelle: David, A. Garvin: HARVARD BUSINESS manager, 1/97, S. 74 28 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie MAßSTAB ZUR MESSUNG ORGANISATIONALER LERNLEISTUNG Halbwert-Kurve (Analog Devices) Leistungsgröße Ausschussquote Anteil pünktlicher Lieferungen Zeit bis zur Markteinführung 100 Prozentsatz der Verspätungen = Zeit die gebraucht wird, um bei einer spezifischen Leistung eine 50% Verbesserung zu erzielen Bsp. Pünktlicher Kundendienst 10 1 4 Zeitmaß Tage Monate Jahre 9 13 15 Halbwertzeiten in Monaten (erforderlich Zeit, um die Zahl der verspäteten Auslieferungen auf die Hälfe zu senken 29 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie BASISLITERATUR Lutz, Ch.: Kommunikation - Kern der Selbstorganisation, in: Sattelberger, Th.: Die lernende Organisation, Wiesbaden 1991, (Mag X 9706), S. 98-109 Reber, G.: Organisationales Lernen, in: Frese 1992, a.a.O., S. 1239-1255 Sackmann, S.: Die lernfähige Organisation, in: Fatzer, G. (Hrsg.): Organisationsentwicklung für die Zukunft, 1993, (W-BWL 056 X 7984), S. 227-234 Garvin, D. A. : Das lernende Unternehmen I: Nicht schöne Worte - Taten zählen, in: Harvard Business Manager 01/94, S. 74-85 Probst, G. J. B./ Büchel, B. S. T.: Organisationales Lernen. Wettbewerbsvorteil der Zukunft Wiesbaden 1994, S. 73-84 30 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-4 / CM - Lerntheorie Internationales Management 4 Vorlesung 5: Empowerment am Fallbeispiel DFC 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment ÜBERSICHT IM-4 V-5 LERNZIELE Der Studierende soll: • die Grundzüge des Empowerment kennen. • die theoretisch erworbenen Kenntnisse am Fallbeispiel DFC anwenden. STOFFGLIEDERUNG 5.1 Grundlagen des Empowerment 5.2 Fallstudie Deutsche Feinchemie AG, DFC 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment ARBEIT VON MORGEN - ODER SCHON HEUTE? Höherwertige Wissensarbeit ersetzt traditionelle Produktionsjobs Projekte und Netzwerke ersetzen Festangestellte Virtuelle Einheiten ersetzen klassische Organisationsstrukturen Kompetenzprofile ersetzen Stellenbeschreibungen Individuelle Selbstverantwortung ersetzt Fremdbestimmtheit 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment EMPOWERMENT EMPOWERMENT MACHT BEI ANDEREN WECKEN (ERMÄCHTIGEN) vers HILFE - KONZEPT Individuum Gruppe / Organisation • eigene Handlungsmöglichkeiten erkennen • Wahrnehmung der Kompetenz Einzelner • Situationen gestalten • flache Hierarchien • Fähigkeiten entwickeln 4 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment BASICS ZU EMPOWERMENT „Wenn Sie Macht wollen, geben Sie sie ab.“ ab Jerry Lynch "Wenn man das Potential der Leute nutzbar machen will, darf man ihnen nicht im Nacken sitzen, sondern muss sie losbinden, losbinden sie gehen lassen ihnen den Druck all der Führungsebenen nehmen, nehmen die bürokratischen Fesseln lösen und ihnen die funktionalen Barrieren aus dem Weg räumen.“ räumen Jack Welch, CEO General Electric Lehrstuhl Internationales Management 5 © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment BASICS ZU EMPOWERMENT Einsame Entscheidungen sind gut, Teamentscheidungen sind besser! Mag die einsame Entscheidung des Chefs noch so gut sein, sie ist wertlos, wenn sie von den betroffenen Mitarbeitern nicht akzeptiert wird. Motivieren ist gut, vermeiden von Demotivation ist besser! Geh davon aus, dass Mitarbeiter in der Mehrzahl motiviert sind und vermeide demotivierende Verhaltensweisen. Fachwissen ist gut, Ideen sind besser! Die Kreativität der Mitarbeiter ist die wertvollste Ressource, um die Chancen der Zukunft zu erkennen und sie zu nutzen. I. Nütten 6 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment SIE ENTSCHEIDEN SELBST ÜBER IHR LEBEN ! Bedürfnisstruktur Persönliches Umfeld EIGEN(DIS)POSITION KÖNNEN Knock-OutFaktoren für die Übernahme von Selbstverantwortung WOLLEN DÜRFEN • Fähigkeiten/ Wissen • Erfolgserlebnisse • Herausforderung • Fertigkeiten • Anreize • Autonomie • Information • Spaß/ Freude • Vertrauen • Eigeninitiative • Respekt • Ehrgeiz • Fehlertoleranz • Lernwille 7 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment EMPOWERMENTSPIRALE A E Empo we rme nt S pirale B D C 8 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment GRUNDVORAUSSETZUNGEN Fähigkeitsbarrieren Willensbarrieren Informationsbarrieren Organisationsbarrieren Risikobarrieren Quelle: http://www.fh-kiel.de/home/fischer/Modul7/tsld008.htm 9 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment NICHT ALLE VORGESETZTEN SCHAFFEN DEN WANDEL Abgabe von Macht und Information Rollenverständnis als Coach Vertrauensbasierte Führung Erreichbarkeit und Zuhören können Sensibilität für die Eigendisposition der Mitarbeiter Knock-Out Faktoren für EMPOWERMENT Übertragung von herausfordernder Aufgaben (Fördern = Fordern) Entwicklung zur Selbstverantwortung Konsistentes Verhalten (Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit) Akzeptanz alternativer Lösungen Konstruktives Feedback Bereitschaft zum Lernen und Eingestehen von Fehlern 10 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment ROLLENVERSTÄNDNIGS Rollenverständnis als Coach - Abkehr von der Vorbildkultur „ In einer Vorbildkultur liegt die Verbesserungsidee des Mitarbeiters R. Sprenger in gefährlicher Nähe der Majestätsbeleidigung“. Kunden Mitarbeiter Manager als Supporter MiddleManagement Involvierung aller TOPManagement Wichtiger als Fremdmotivation ist das Vermeiden von Demotivation Lehrstuhl Internationales Management 11 © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment ROLLENVERSTÄNDNIGS Abgabe von Macht / Information „ Produktivität resultiert aus Commitment, nicht aus Anweisungen.“ W. Gore (Gortex) Durchsetzungsapproach Umsetzungsapproach Koordinierende Führung Führung im Prozessteam Problemrückdelegation Entwicklung von Selbstverantwortung Informations-Barrieren Informations-Fluss 12 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment MISSTRAUENSORGANISATION Negatives Menschenbild Mitarbeiter sind nicht leistungsorientiert, müssen kontrolliert und motiviert werden (Theorie X Mc Gregor) bestätigt daraus folgt Verantwortungsscheu keine Initiative strenge Vorschriften und Kontrollen führt zu führt zu passives Arbeitsverhalten 13 13 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment VERTRAUENSORGANISATION Positives Menschenbild Mitarbeiter sind leistungsorientiert, können sich selbst kontrollieren und motivieren (Theorie Y Mc Gregor) verstärkt daraus folgt Initiative und Verantwortungsbereitschaft Handlungsspielraum Selbstkontrolle führt zu ermöglicht Engagement für die Arbeit 14 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment VERTRAUENSBASIERT FÜHRUNG „Eine Beziehung beginnt mit Vertrauen. Wenn Sie Ihren Mitarbeitern nicht vertrauen, dann haben sie keine.“ R. Sprenger 15 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment VERTRAUENSBASIERT FÜHRUNG Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser! Prüfe im Geist alle nur denkbaren Gelegenheiten, bei denen sich die Kontrolle durch Vertrauen ersetzen lässt. Gewähre einfach einen Vertrauensvorschuss und spreche mit den Mitarbeitern darüber I. Nütten 16 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment FALLSTUDIE DFC BRIEFING DES CONSULTING-TEAMS Die geplante Vorgehensweise im Rahmen des Empowerment-Programmes hat beim Vorstand zu heftigen Auseinandersetzungen geführt und es konnte keine Einigung über den Vorschlag des DFC-Projekt-Teams erzielt werden. Unter Einbeziehung des Betriebsrates, der Werksleiter, der General-Manager der drei Segmente sowie der Leiter Fach- und Managementfunktion beschloss der Vorstand, alternative Projektvorschläge externer Unternehmensberater einzuholen. Nach der Durchsicht der Ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen werden Sie als Beratungsunternehmen gebeten, folgende Aufgabe zu bearbeiten: Frage A: Entwicklung eines Vorgehenskonzeptes für die nachhaltige Realisierung von Empowerment bei DFC. Frage B: Aufzeigen der Grundvoraussetzungen und Hemmnisse einer empowermentgerechten Führungsphilosophie und Entwicklung eines Fragebogens für eine Vorgesetztenbeurteilung Lehrstuhl Internationales Management 17 © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment FALLSTUDIE DFC Fallstudie DFC - Deutsche Feinchemie AG Übungsbuch, S. 59 18 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-5/ Empowerment Internationales Management 4 Vorlesung 6: Selbstregelungsmechanismen im Unternehmen: „Interne Marktwirtschaft“ 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft ÜBERSICHT IM-4 V-6 LERNZIELE Der Studierende soll: • die Idee der Implementierung von sich selbstregelnden Mechanismen im Unternehmen nachvollziehen und die Vorteile bewerten können • ein Beispiel zur Umsetzung anhand des Konzeptes „Interne Marktwirtschaft“ kennen lernen. STOFFGLIEDERUNG 6.1 Grundlagen sich selbst steuernder Systeme 6.2 Grundlagen und Mechanik der Internen Marktwirtschaft 6.3 Ideen zu einem Umsetzungskonzept 6.4 Bedenken und Risiken 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft THEORETISCHE GRUNDLAGEN Kybernetik: Wissenschaft von ... Einfacher Regelkreis: Zu regelnde Größe 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft CHANGE-MANAGEMENT UND SICH SELBST REGELNDE MECHANISMEN IDEE „Virus-Idee“: ANSATZ: „Interne Marktwirtschaft“ Einführung einer marktwirtschaftlich orientierten Leistungserstellung innerhalb der Unternehmung. 4 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft CHARAKTERSITIKEN DER INTERNEN MARKTWIRTSCHAFT Interne Marktwirtschaft Zielsetzung Strukturen Abläufe 5 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft MECHANIK DER INTERNEN MARKTWIRTSCHAFT SC „I&K“ CC „Fi-Rw“ SGF Profit-Center 1 SGF Profit-Center 2 SC F&E SC Personal SC Marketing Im Wettbewerb mit ... Externer Anbieter XXX 6 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft INTERNE MARKTWIRTSCHAFT Vorteile einer Internen Marktwirtschaft • Effiziente Ressourcenallokation • • Innovationsanreize durch Profitmöglichkeiten • sowie • • Minimierung des Führungs- und Koordinationsaufwands • • Abbau von Overheads 7 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft PRAXISBEISPIEL GL Entwicklung Produktion F&E AVOR Prod. Werk 1 (MX 1) Prod. Werk 2 (BT 50) Marketing/ Verkauf Administration Verkauf MX1 Fi+Rw Verkauf BT 50 Controlling Marketing Services Personal 8 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft IDEE ZUR UMSETZUNG Idee zur Umsetzung 9 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft CHANCEN UND GEFAHREN Chancen Gefahren 10 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft BASISLITERATUR Mauritz, C.: Marktwirtschaft im Unternehmen - Ein Prinzip zur Sicherung langfristiger Wettbewerbsfähigkeit, Gabler-Verlag, Wiesbaden 2000, S. 118-147 11 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-6 Interne Marktwirtschaft Internationales Management 4 Vorlesung 7 / 8: Ethik im Management I und II 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ÜBERSICHT IM-4 V-7/8 LERNZIELE Der Studierende soll: • mit den Grundlagen ethischen Denkens und Handelns vertraut gemacht werden. • die Tragweite ‚fragwürdiger‘ unternehmerischer Entscheidungen - anhand konkreter Beispiele - erkennen und bewerten lernen. • für eigenes ethisches und selbstverantwortliches Handeln sensibilisiert werden. STOFFGLIEDERUNG 7/8.1 Einstimmung und Sensibilisierung 7/8.2 Begriffe und Grundlagen 7/8.3 Ethisches Denken und Handeln 7/8.4 Ethik als (unternehmerische) Haltung 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ETHIK - RELEVANZ Themen, die im Unternehmensalltag Anlass zur Auseinandersetzung mit ethischen Fragen geben: • Korruption • Ökologische Skandale • Mobbing • Sexual Harassment • Gen-Food • Kinderarbeit • Massenentlassungen • Derivative ... Unternehmen werden immer mehr auch Akteure der Weltpolitik 3 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik SCHLACHTRUFE DES NOVARTIS -PHARMACHEFS Thomas Ebeling „Be (with) the brand Novartis-Auslegung: Leben Sie ihn (the brand), atmen Sie ihn, 24 hours a day“ geben Sie dem Brand durch ihre eigene Begeisterung Energie. Oder.... Identifizieren Sie sich total mit der Firma, vergessen Sie Ihr Privatleben! „Be smart - be paranoid“ Novartis-Auslegung: Seien Sie clever/intelligent/klug bei Ihrer Arbeit, und lassen Sie Ihre Konkurrenten nicht aus den Augen. Oder.... Sei schlitzohrig und wahnhaft! „Kill to win - no prisoners“ Novartis-Auslegung: Dies ist eine Metapher: Arbeiten Sie produktiv und konzentrieren Sie sich auf das Wichtige. Oder.... Gehe über Leichen! Quelle: Sonntagszeitung, 20.08.00, S. 63 Lehrstuhl Internationales Management 4 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ETHIK - URSPRUNG Ethik (griech.: èthos = gewohnter Ort des Lebens, Sitte, Brauch oder Charakter Geht als philosophische Disziplin auf Aristoteles (384 - 327 v.Chr.) zurück [Suche nach dem Guten / Gerechten] Normative Funktion Ethik als Reflexionstheorie der Moral Modernes Ethikverständnis Ethik als methodisch disziplinierte Reflexionsform Moral (lat.: mos = Sitte, Charakter) Summe, der in einer sozialen Gruppe vorfindbaren Werthaltungen, Ideale, Tugenden, ... Lehrstuhl Internationales Management 5 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ETHIK IM GENERELLEN SPRACHGEBRAUCH Bien: Philosophische Theorie vom richtigen Leben und Handeln Homann: Lehre bzw. Theorie vom Handeln gemäß der Unterscheidung von Gut und Böse. Gegenstand der Ethik ist die Moral Pieper: Wissenschaft vom moralischen Handeln Ricken: Frage nach dem schlechthin richtigen Handeln 6 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ETHIK UND MORAL: URSPRUNG, HISTORIE, DEFINITION ETHIK ABSTRAKTUM, DAS ALTER VERHALTENSVORSCHRIFTEN MACHT Griech. (èthos): Gewohnter Ort des Lebens, Sitte, Brauch Ursprung g ARISTOTELES: Suche nach ‚Gutem und Gerechtem‘ Historie g AUGUSTINUS bis AUFKLÄRUNG: ‚Guter Mensch als Abbild Gottes‘ g AUFKLÄRER (Smith, Hobbes, Locke, ...): Grundprinzipien: Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Solidarität g g Quelle: A. Philipp, Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft Lehrstuhl Internationales Management Lat. (mos, mores): Sitte, Charakter Parallele Entwicklung => Ethik und Moral werden als Sittenvorschrift synonym verwendet! Trennung von Ethik und Moral KANTS KATEGORISCHER IMPERATIV: „Handle stets nach der Maxime, von der du wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz wird.“ REFLEXIONSTHEORIE DER MORAL MORAL ‚Neudefinition‘ Definition FESTLEGUNG VON NORMEN UND WERTEN 7 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik DIE PRÄMISSEN CHRISTLICH-ABENLÄNDISCHER ETHIK VIELFÄLTIGE THEORIEN ÜBER ETHIK UND MORAL LASSEN SICH AUF ZWEI KERNPOSITIONEN ZURÜCKFÜHREN! Quelle: A. Philipp, Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft TELEOLOGISCHE ANSÄTZE FÜR BEIDE GILT: Lehrstuhl Internationales Management DEONTOLOGISCHE ANSÄTZE ZIEL 8 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ETHIK IM WIRTSCHAFTLICHEN KONTEXT Mikro-Ebene: Moralische Dimension des Handelns einzelner Mitarbeiter, Führungskräfte (Manager- und Führungsethik) Meso-Ebene: Handeln und Grundausrichtung einzelwirtschaftlicher Organisationen und Institutionen (Unternehmensethik) Makro-Ebene: Gestaltung gesellschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen (Wirtschaftsethik) 9 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik FORMEN DER ‚ETHIK DER WIRTSCHAFT‘ Denkhaltung Konzeptionelle Umsetzung für die ‚Ethik der Wirtschaft‘ Konsequenzen FUNKTIONALISTISCHE ANSÄTZE Diskursethik von Apel und Habermas 4Im gegenseitigen Diskurs werden gemeinsam gültige Normen und Werte erarbeitet 4Konsensorientierte Argumentation 4Annäherung unterschiedlicher Rechtsund Moralvorstellungen 4Ökonomische Theorie der Moral 1 Vorschriften von ALTER für EGO 4Ethik macht Sinn, solange sie von wirtschaftlichem Nutzen ist 4Karl Homan 2 Richtig / FalschPrämissen als ‚unhinterfragbare‘ Vor-Entscheidung KORREKTIVE ANSÄTZE 4Außerökonomische Eingrenzung ökonomischer Sachverhalte 4normative ‚Moralverstellungen‘ schränken wirtschaftliches Agieren ein 4Horst Steinmann, Albert Löhr INTEGRATIVE ANSÄTZE 3 Glauben an objektive Bestimmbarkeit moralischen Handelns 4Interdisziplinäre Vermittlung intrinsisch vorhandener ethisch-normativer Grundlagen der Ökonomik 4Deontologisch - universalistisch - formal 4Peter Ulrich, Georg Enderle Lehrstuhl Internationales Management Quelle: A. Philipp, Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft 10 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ETHIK UND ÖKONOMIK Ökonomische Rationalität = Der andere ist nur Mittel für meine „private“ Erfolgssicherung Ethische Vernunftidee = Der andere wird in seinem humanen Eigenwert respektiert - als Voraussetzung legitimen Erfolgsstrebens. Quelle: P. Ulrich: Vorlesungsfolien, Universität St. Gallen Lehrstuhl Internationales Management 11 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik DER MAGISCHE TRICHTER DES HOMO ÖKONOMIKUS Gesellschaftliche Wertvorstellung Ökonomismus „externe Effekte“ „externe Effekte“ ? „Formalziel“ Gewinn ? „ökonomisch rationaler Mitteleinsatz“ „Gemeinwohl“ ? Quelle: P. Ulrich: Vorlesungsfolien, Universität St. Gallen Lehrstuhl Internationales Management 12 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik DER WETTBEWERB ERLAUBT KEINE ETHIK „Sachzwänge“ des Wettbewerbs: „Tut uns leid, aber wenn wir nicht das Geschäft (z.B. ein Rüstungsgeschäft mit einem fragwürdigen Regime) machen, macht‘s die Konkurrenz.“ oder: „Wir sind im Prinzip auch für ... (z.B. menschengerechtere, sozialoder umweltverträglichere Produktionsverfahren), aber wir können das leider aus Gründen unserer Konkurrenzfähigkeit erst einführen, wenn auch die Konkurrenz dazu bereit ist.“ „organisierte Unverantwortlichkeit“: „Marktversagen“ = ordnungspolitisches Versagen Quelle: P. Ulrich: Vorlesungsfolien, Universität St. Gallen Lehrstuhl Internationales Management aber: Wer hat das Sagen?“ 13 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik INTEGRATIVE ETHIK Bausteine eines integrativen Ethikprogramms im Unternehmen („Integritätsprogramm“) Unternehmerische Werteschöpfungsidee („Mission Statement“, „Leistungsauftrag“) ideell erweiterte Erfolgsphilosophie Sinngebung und Motivation Tragfähige Geschäftsgrundsätze („Business Principles“) Selbstbindung aus Verantwortung Legitimes Erfolgsstreben Diskursive Infrastruktur („Orte“ und „Kanäle“ des unternehmensethischen Dialogs) Verständigung mit allen Stakeholdern Elimination des Opportunismusproblems Ethisch reorientierte Führungssysteme „organisierte Verantwortlichkeit“ gelebte Verantwortungskultur Quelle: P. Ulrich: Vorlesungsfolien, Universität St. Gallen Lehrstuhl Internationales Management 14 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik ERGRIFFENE UNTERNEHMENSETHISCHE MASSNAHMEN Unternehmensleidbilder - Codizes 98% Unternehmerisches Spendenwesen (Soziales, Kultur, Sport, Ökologie) 78% Personalpolitische Ansätze (ethische Mitarbeiterschulung und -auswahl 56% 25% 24% Organisatorische und prozedurale Ansätze (Ethik-Kommission, Stabsstelle Ethik, EthikAusschuss, Hearings) „Ethisches Controlling“ (Sozial-, Ökobilanzen) 11% Ombudsmann Quelle: P. Ulrich: Vorlesungsfolien, Universität St. Gallen Lehrstuhl Internationales Management 15 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik NICHT-EUROPÄISCHE ETHIK - KONFUZIANISMUS Fünf fundamentale Hauptbeziehungen: Hauptbeziehungen Erwünschte Inhalte der Beziehungen: 1. Eltern und Kinder Liebe 2. Herrschern und Untertanen Rechtschaffenheit 3. Ehemann und Ehefrau ‚ Unterscheidung 4. Älteren und Jüngeren Ordnung 5. Freunde und Freunde Herzlichkeit Wenn Wennjemand jemandininseinen seinenverschiedenen verschiedenenBeziehungen Beziehungenden denjeweiligen jeweiligenvorgegebenen vorgegebenen Normen Normenentspricht, entspricht,wird wirder erals alsanständiger anständigerMensch Menschakzeptiert. akzeptiert.Wenn Wennsich sichjeder jeder Mensch Menschan andiese dieseNormen Normenhält, hält,dann dannlebt lebtman manmiteinander miteinanderininHarmonie Harmonieund unddie die Gesellschaft Gesellschaftist istininOrdnung. Ordnung. 16 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik BRAIN SWITCH: VON DER DU-SOLLST- ZUR ICH-WILL-ETHIK DU-SOLLST-ETHIK ICH-WILL-ETHIK g Realistisches Erkenntnisdenken: Trennung von Subjekt und Objekt g Beobachterabhängige Wirklichkeitskonstruktionen g Normativer ‚Wahrheitsanspruch‘ g Viabiler Versuch, eigene Wahrnehmungen auf ‚Funktionstüchtigkeit‘ zu testen g Transzendentaler Anspruch der Letztbegründbarkeit g Selbstverantwortung g Konsenstheoretische Argumentation g Differenztheoretische Argumentation g Moralische Vorschrift, Dogmatische Fremdreferenz, Objektivität g Freiheit, Eigenverantwortung, universelle Verbundenheit Quelle: A. Philipp, Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft Lehrstuhl Internationales Management 17 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik KONSTRUIERENDE PRINZIPIEN UNSERER ICH-WILL-ETHIK 1 2 FREIHEIT der pluralen Wirklichkeitskonstruktion 3 EIGENVERANTWORTUNG Verantwortung für die eigene Haltung Universelle VERBUNDENHEIT von EGO und ALTER Absolutheit adieu Einwertigkeit adieu Kausalität adieu Binärität adieu Fremdexkulpation adieu Quelle: A. Philipp, Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft Lehrstuhl Internationales Management 18 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik WAS LEISTET UNSERE ICH-WILL-ETHIK ? Kritikpunkte Antwortversuche Ich-Will-Ethik 1 Selbstbeobachtungsdefizit des erkenntnistheoretischen Hintergrundes Ethik sieht, dass sie nicht alles sieht und sucht nach einem viablen Weg Viabilität 2 Empirisches Realitätsdefizit Realität wird durch beobachterabhängige Wirklichkeiten substituiert Statt ‚Das ist so‘ WIE-Fragen 3 Egoistischer Ansatz Implizite Dialogik und Verbundenheit Verbindung von Ego und Alter 4 Naivität Die Welt ist, wie sie ist deshalb können wir sie jederzeit ändern Primat der freien Entscheidung 5 Negierung von Erziehung und Sozialisation Glaube an die ‚Philosophie‘ des ‚Jetzt und Hier‘ Verantwortung für die eigene Sicht Quelle: A. Philipp, Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft Lehrstuhl Internationales Management 19 © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik BASISLITERATUR Wüthrich, H.A./Bagusat, O.: Educatis, Basismodul Internationales Management Kapitel 10 - Ethik im Internationalen Management Philipp, A.: Von der Du-Sollst zur Ich-Will-Ethik, in: Die Selbstverantwortung der Betriebswirtschaft, Frankfurt 2000, S. 115-131 Kleinfeld, A.: Integrität – Mangelware? – Management der Zuklunft?, in: GDI_IMPULS, 3/01, S. 31-38 20 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-7/8 / Ethik GDI_IMPULS 3_01, S. 31-38 Annette Kleinfeld Integrität - Mangelware? Management der Zukunft Manager-Schelte hat Konjunktur. Doch die angeprangerten «Auswüchse» sind nicht einfach Charakterfehler, sie müssen auch systembedingt gelesen werden: als Überforderung und Strukturdefizite. Während in den USA die Topunternehmen auf die neuen Rahmenbedingungen handfest reagieren, werden bei uns Massnahmen wie «Corporate Ethics» noch immer belächelt. Annette Kleinfeld führt in diesen Sperrbezirk des Globalisierungsprozesses und zeigt Schlüsselqualifikationen für die Führungselite von morgen. Von Annette Kleinfeld. Ihr Image ist so schlecht wie nie. Sie stehen im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik - manche sprechen von einer regelrechten «Hexenjagd», die auf sie gemacht werde. Die Rede ist von unseren Topmanagern, heute oft «Abzocker in Nadelstreifen» genannt. Sind sie nur Opfer einer medialen Hetze, zu Unrecht Gejagte und Rufgemordete, oder sind sie Täter - so gierig, egomanisch und unmoralisch wie ihr Ruf -, die ihr längst verdientes «Fett» abbekommen? Die Wahrheit dürfte wie so oft in der Mitte liegen. - Bei differenzierter Betrachtung. Um diese sollte es allerdings gehen, wenn über Menschen und deren ethisches Fehlverhalten geurteilt wird. Vielleicht sind einige wirklich Opfer. Aber weniger Opfer der Medien als Opfer ihrer eigenen Unzulänglichkeit und Überforderung angesichts fundamental veränderter Rahmenbedingungen. Opfer auch, als Einzelne stellvertretend für das System, dem sie dienen und an dem sie verdienen, an den Pranger gestellt zu werden. Aber werden sie nicht gerade dadurch zu (Unterlassungs-)Tätern, die lieber die Hand aufhalten und «Schweigegeld» kassieren, als sich an den Missständen zu reiben und für Veränderungen einzusetzen? Mehr noch: Die auch dann, wenn ihre Fehlleistungen offenkundig sind, Forderungen stellen, anstatt sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen - wie etwa im prominenten Fall des Swissair-Managers Eric Honegger? Schwarze Schafherden Betrachten wir die diskutierten Probleme: Die Unternehmensgewinne steigen, aber nur Aktionäre und Vorstände profitieren; die Basis arbeitet zu Hungerlöhnen, während das obere Management seine Einkommen und Zusatzbezüge ins Unerklärbare hochschraubt. Mit der angedrohten Verlagerung von Arbeitsplätzen werden Politik und Gewerkschaften eingeschüchtert und Sozialdumping gerechtfertigt; und dafür verantwortlich gemacht werden «ökonomische Sachzwänge», bedingt durch verschärfte internationale Wettbewerbsbedingungen und wachsende Anforderungen an Rentabilität, Flexibilität, Mobilität, Eigenverantwortlichkeit, Wissen, Kompetenz, Innovationskraft und Tempo, Tempo und nochmals Tempo. Das gezeichnete Bild ist klar: Die Globalisierung führt zu solchen Entwicklungen wie zur sich kontinuierlich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich, zwischen vergeblich Arbeitsuchenden und «workaholischen» Wissensarbeitern, die mehr verdienen, als sie ausgeben können, weil sie keine Zeit dazu haben. Sie führt zu den «Auswüchsen» der Abzocker-Kaste, die zu den wahren Gewinnern des Global Playing gehört - exemplarisch aufgedeckt durch die «Gehaltserhöhung» von Jürgen Schrempp oder jüngst die «Kickbacks» von Investmentbankern, die sie auch persönlich im grossen Stil vom Aktienrausch profitieren lassen. - So oder so ähnlich sieht es zumindest jener Teil der Weltöffentlichkeit, der mit «Globalisierungsgegner» bezeichnet wird und neuerdings Wirtschaftsgipfel aller Art in Terrorszenarien verwandelt. Aber ist es gerechtfertigt, für all diese Probleme «die globale Wirtschaft» verantwortlich zu machen? Ist es nicht Aufgabe der Politik, für die Rahmenordnung auch im ökonomischen Kontext zu sorgen, sozialer Friede und Gerechtigkeit inklusive? Diese Ansicht vertritt David Henderson, ehemaliger ChefVolkswirt der OECD, in einem Positionspapier für das Londoner Institute of Economic Affairs. Im Schlagwort der «sozialen Verantwortung» von Unternehmen oder in der Idee nachhaltigen Wirtschaftens sieht er eine reine Verteidigungsstrategie gegen die Kritiker der freien Marktwirtschaft und der Profitmotivation, die im Gewande von Globalisierungsgegnern auftreten. Aufgabe von Unternehmen sei aber genau und ausschliesslich das: Gewinne zu erwirtschaften, nicht die Welt zu retten. Dafür gibt es Regierungen. Geht es am Ende also nur um ein paar schwarze Schafe in den Chefetagen, die man lediglich an die «Hammelbeine» bekommen muss, und schon ist die Welt wieder in Ordnung? Dieser Auffassung ist bis heute die europäische Rechtsprechung - trotz eines EU-Rechtsaktes von 1997, der im Falle von Wirtschaftskriminalität eine Änderung des Strafrechtes nach amerikanischem Muster empfiehlt. Demnach wird nicht der Einzelne, sondern die Organisation, in deren Interesse oder mit deren Einwilligung er handelt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. So bei Betrug, Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Industriespionage - Delikte, die in den letzten Jahren stetig zugenommen haben und eher den Begriff einer «schwarzen Schafherde» nahe legen. Handfeste Massnahmen Diese Besonderheit des amerikanischen Strafrechts hat in den USA während der letzten dreissig Jahre nicht nur eine theoretische Diskussion zum Thema Wirtschafts- und Unternehmensethik in Gang gesetzt, sondern handfeste Initiativen und Massnahmen hervorgebracht. Diese bekamen einen zusätzlichen Schub durch die Federal Sentencing Commission Guidelines Anfang der Neunzigerjahre. Neben einer Verschärfung der Strafen etwa für Korruption oder Umweltsünden räumen diese Richtlinien einen deutlichen Straferlass ein, falls ein Unternehmen zeigen kann, dass es sich aktiv um die Prävention von Wirtschaftskriminalität gekümmert hat. Zum Beispiel durch institutionelle Massnahmen und Strukturen, die die interne Transparenz und Integrität der Mitarbeiter auf allen Ebenen stärken. Die Basis solcher Corporate Ethics-Massnahmen ist die Selbstverpflichtung der Unternehmen auf Werte und Grundsätze, die in Form von Vision, Mission und Code of Conduct niedergelegt und für alle verbindlich gemacht werden. Deren Umsetzung und Einhaltung wird institutionell unterstützt und überprüft. Dazu gehören ein Ethics Office mit Ethics Officer als Ansprechpartner und Schlichter heikler Fälle, die Durchführung von Sensibilisierungs- und Dilemmatrainings, ein Ethikkomitee auf höchster Ebene, interne und externe Ethics Audits und eine Hotline, über die Verstösse anonym gemeldet werden können - wenn es etwa um den eigenen Vorgesetzten geht. Nach der Devise «Vorbeugen ist besser als zahlen» haben vierzig Prozent aller Fortune-1000-Unternehmen inzwischen ein Ethikprogramm implementiert. Solche Massnahmen gewinnen auch in Europa an Bedeutung: _ Im Sinne des Stakeholder Balanced Management, wie es am Weltwirtschaftsforum Davos gefordert wurde. _ Im Sinne des Prinzips der Nachhaltigkeit, das ökonomische, ökologische und ethisch-soziale Aspekte umfasst. _ Im Sinne einer Akzeptanz dessen, dass Unternehmen nicht im wertfreien, luftleeren Raum operieren, sondern Teil einer globalen sozialen Gemeinschaft sind. _ Im Sinne der Anerkenntnis der daraus resultierenden Verantwortung für die Folgen des eigenen Tuns nach innen wie nach aussen. _ Im Sinne des Wunsches, im globalen Dorf als Good Corporate Citizen zu gelten, statt auf seinem medialen Marktplatz an den Pranger gestellt zu werden. Paradox des Erfolgs Natürlich gibt es zu dieser Entwicklung Gegenstimmen. Karl Homann, einer der ersten Wirtschaftsethiker im deutschsprachigen Raum, vertritt eine Position wie Henderson: Der systematische Ort der Wirtschaftsethik liegt für ihn auf der politischen Ebene. Die Verantwortung von Unternehmen reduziert sich darauf, wettbewerbsfähig zu bleiben und politisch vorgegebene Spielregeln einzuhalten respektive sich für deren ethische Modifikation einzusetzen. Alles andere hat nichts mit Geschäft zu tun. Was die Vertreter dieser Position verkennen, sind die radikal neuen Rahmenbedingungen des globalen Marktes: Es gibt keine politische Rahmenordnung im Weltmassstab, allenfalls Annäherungen, während staatliche Steuerungsmechanismen immer weniger greifen. Weltkonzerne wie Siemens, Shell, Microsoft oder DaimlerChrysler haben de facto grössere Handlungsspielräume und Macht als unter nationalstaatlichen Bedingungen. Und damit haben sie zugleich mehr Verantwortung, ob sie das wollen oder nicht. Zudem sind für international tätige Unternehmen Handlungsnotwendigkeiten entstanden, bedingt durch den Druck einer immer kritischeren Öffentlichkeit und die Tatsache, dass sich skandalträchtige Nachrichten über Fehlverhalten heute in Sekundenbruchteilen über den Globus verbreiten. Wie Sandoz nach der Verseuchung des Rheins oder Shell nach «Brent Spar» und Nigeria, müssen heute Firmen jeder Grösse und Branche entsprechende Lektionen lernen. Aktuell gerade die Textil- und Schuhbranche: Während Nike noch immer mit Vorwürfen zu Kinderarbeit kämpft, steht Deichmann unter Beschuss, weil er am Produktionsstandort in Indien angeblich das Trinkwasser verseuchte, und Charles Vögele sieht sich gezwungen, die Arbeitsbedingungen bei seinen Lieferanten durch neutrale Instanzen überprüfen zu lassen. Zur kritischen Öffentlichkeit, die solche Dinge aufgreift, gehören nicht nur Medien, Verbände und NGOs, parallel dazu sind nicht minder kritische Konsumenten- und Anlegergruppen entstanden, deren Bedeutung zunimmt. Bereits realisieren über vierzig Prozent aller US-Bürger ihre Konsumentensouveränität dahin, dass sie mit ihrem Kaufverhalten ethisch fragwürdiges Handeln bestrafen. Auch in Europa wachsen solche Tendenzen, wie jüngst der «erste sozial begründete Konsumentenboykott» in Frankreich: Die Ankündingung von Massenentlassungen bei Danone brachte die Franzosen nicht nur auf die Barrikaden, sondern zum grossen Teil auch dazu, freiwillig auf ihre Lieblingsmarke zu verzichten. Denn als Hintergrund der geplanten Massnahmen wurden keine Umsatzeinbrüche gehandelt, sondern steigende Ansprüche der Aktionäre. Immer mehr Investoren allerdings orientieren sich selbst an ethischen Kriterien, was zu einem Boom bei nachhaltigen Anlagen führte. Laut Öko-Zentrum NRW stieg das Volumen des in Umwelt- und Ethikfonds investierten Kapitals während der letzten zwei Jahre in Deutschland um 600 Prozent. Anleger fordern heute mehr als Notfallpläne für Krisen-PR. Sie erwarten, dass die ethischen Grundsätze der Unternehmensprospekte auch in Handlungsanweisungen übersetzt werden. So gelten selbst in Analystenkreisen Best-Practice-Leistungen zu Nachhaltigkeitsanforderungen - das Abwägen ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele - als Parameter zur Unternehmensbewertung hinsichtlich langfristigen Erfolgs und Zukunftsfähigkeit. Der Hintergrund dafür ist rein statistisch: Unternehmen, die über ein effektives Ethikprogramm verfügen, haben im Vergleich zu ihren Wettbewerbern eine um 107 Prozent höhere Umsatzrendite. Liegt also paradoxerweise gerade in dem, was oben als Mangel beklagt wurde - moralische Integrität und ethische Orientierung -, der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg im 21. Jahrhundert? Unternehmerische Freiheiten Nicht nur am Markt, auch intern sind die Unternehmen unter den neuen Rahmenbedingungen gefordert. Von interkulturell bedingten Reibungsverlusten in der Zusammenarbeit über Wirtschaftskriminalität bis zu Mobbing, Sexualdelikten und den sensiblen Fragen, die sich aus dem Geschäftsfeld selbst ergeben - etwa in der Biotech- oder Pharmabranche. Darauf zu warten, bis es für diese Problemzonen eine möglichst globale gesetzliche Regelung gibt, wirkt heute eher fatalistisch. Eine ethische Ausrichtung dagegen ist direkt kompatibel mit dem marktwirtschaftlichen Prinzip unternehmerischer Freiheit. Gerade in der globalen Wirtschaft zeigt sich schnell, wie weit Unternehmen und Topmanager diese Freiheit auch im positiven Sinne begreifen, um sich die Handlungsräume unter den neuen Rahmenbedingungen zu erhalten. Hinzu kommt, dass sich schwarze Schafe und deren Unternehmen nur bedingt über Gesetze und Richtlinien «zur Räson» zum Überdenken ihres Handelns und dessen, was sie antreibt - bringen lassen. Wo sich Manager nicht die Frage nach dem Sinn und der Legitimität ihres wirtschaftlichen Handelns stellen, verkommen Unternehmen zur reinen Geldmaschine, in der jeder so viel wie möglich zu erwirtschaften versucht und zwar in die eigene Tasche. Dass dies nicht das Klima ist, in dem Integrität oder soziales Verantwortungsgefühl gedeihen, liegt auf der Hand. Die Erfahrung amerikanischer Firmen zeigt, dass es wenig bringt, umfangreiche Regelwerke und Richtlinienkataloge aufzustellen und für deren Überwachung zu sorgen. Der Erfolg solcher Compliance Programs, die als Reaktion auf die neue Gesetzgebung eingeführt wurden, bleibt deutlich hinter dem zurück, was Corporate Ethics leisten kann: nämlich eine bewusste Unternehmenskultur zu entwickeln, in der die gewünschte Verhaltensorientierung zur selbstverständlichen Grundlage des Handelns und Entscheidens wird und die beim Eintritt ins Unternehmen als soziale Tertiärprägung kulturell vermittelt wird. Das Bemühen um eine solche Kultur kann zum Erfolgsfaktor für die Herausforderungen durch den Globalisierungsprozess werden. Worin bestehen diese? Paradigmenwechsel Das Tempo, in dem sich der Übergang von der nationalen Industriegesellschaft zur globalen Informations- und Dienstleistungsgesellschaft vollzieht, ist eng verknüpft mit der viel zitierten «Revolution» durch I & K-Technologien. Diese führte gesellschaftlich und wirtschaftlich zu Makrotrends wie Parallelisierung und Entmaterialisierung und unternehmerisch zur New Economy. Charakteristika dieses Paradigmas sind: der Abbau von Hierarchien und die Delegation von Entscheidung und Verantwortung nach unten; Zusammenarbeit in multinationalen Teams und vernetzten Strukturen; entterritorialisierte temporäre Arbeitsgemeinschaften; die wachsende Bedeutung informeller Beziehungen sowie die Wettbewerbsfaktoren Mobilität, Flexibilität und Geschwindigkeit. Darüber hinaus erhöht sich die Komplexität der Wirklichkeit in einem nie gekannten Ausmass, da die Informationsflut steigt und das Spezial- und Faktenwissen immer schneller veraltet. Was sich allerdings nicht in äquivalenter Form mitentwickelt, ist der Mensch selbst: weder seine intellektuellen noch seine zeitlichen Kapazitäten, die zur Aufnahme und Verarbeitung der Datenmenge nötig wären, wachsen mit. Die Folge ist, dass heute Entscheidungen nicht mehr auf einer umfassenden Wissensbasis gefällt werden können. Das Paradigma, in dem eine Aussage oder Entscheidung die Qualität «richtig» oder «falsch» haben kann, ist damit überholt. Heute kann allenfalls noch über «wahrscheinlich falsch» oder «wahrscheinlich richtig» geredet werden. Die Auflösung der traditionellen Organisationsformen durch diese Veränderungen auf der Makroebene sind mit einem Verschwinden der institutionell geregelten Verhaltensweisen verbunden. Dadurch erhalten «weiche Faktoren» einen neuen Stellenwert. Allerdings sind diese nicht isoliert zu betrachten: Nur die integrative Sicht von weichen und harten Faktoren erlaubt heute angemessene Einschätzungen. Die in den meisten Firmen verankerte Trennung beider Phänomene ist aufzulösen zugunsten eines Organisationsverständnisses, das die genuine Komplexität sozialer Systeme (wie Unternehmen es sind) anerkennt, statt sie künstlich reduzieren zu wollen. Denn Führung und Zusammenarbeit in offenen, hierarchiearmen und global vernetzten Strukturen setzen aufseiten der Mitarbeiter die Fähigkeit zu Kooperation und offener Kommunikation voraus und aufseiten der Organisation entsprechende Strukturen sowie eine Kultur, die dazu beitragen, für alle Angehörigen sowohl Integration wie Orientierung zu stiften. Neue Schlüsselqualifikationen Unter globalen, (teil-)virtuellen Arbeitsbedingungen bedeutet Management in erster Linie effizientes Raum-Zeit-Management. Die Vorteile der Virtualität leisten nur dann einen Beitrag zum Unternehmenserfolg, wenn sie die Kosten der erforderlichen Koordination nicht übersteigen. Dafür ist eine ausgeprägte soziale und kommunikative Kompetenz erforderlich - die Schlüsselqualifikationen reibungsloser und effizienter Kooperation. Zu Kooperation und Kommunikation gehört jedoch mehr als sprachliche und technologische «Kompatibilität». Beide setzen voraus, dass man sich versteht und sich vertraut. Kommunikation findet nur dort statt, wo der medialen Vernetzung auch eine geistige entspricht: zum Besipiel durch die Orientierung an den gleichen Zielen und Werten. Unter multinationalen und -kulturellen Bedingungen ist diese gemeinsame Ausrichtung keine voraussetzbare Selbstverständlichkeit, sondern muss bewusst gemanagt werden, um Reibungsverluste aufgrund anderer Wertvorstellungen und fehlender Verhaltensstandards zu reduzieren. Da solche Konflikte meist unter «Opportunitätskosten» abgebucht werden, sind sie selten Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Tatsächlich entstehen die Kosten, weil es nicht zum konventionellen Managementverständnis gehört, sich diesen qualitativen Überlegungen zuzuwenden. Solidarität, Identifikation, Loyalität und vor allem Vertrauen entstehen nur auf der Basis geteilter Werthaltungen, denn die zentrale Voraussetzung für Vertrauen ist die Verlässlichkeit der Verhaltenserwartung. Auf nationaler Ebene sorgen dafür Recht, Gesetze und die politische Rahmenordnung, deren Basis wiederum der Konsens aller Gesellschaftsmitglieder ist: Werte und Normen. Solche allgemein verbindlichen Verhaltens- und Wertestandards können aber heute nicht mehr stillschweigend vorausgesetzt werden, weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene angesichts der Auflösung akzeptierter Wertvermittlungsinstanzen, angesichts von Wertepluralismus, kulturellem Relativismus, unterschiedlichen Rechtslagen und politischen Rahmenordnungen. Das ehemals Selbstverständliche, das die Bedingung für Vertrauensbildung und effiziente Abläufe in sozialen Systemen darstellt, ist nicht mehr selbstverständlich. Es wird aber für den unternehmerischen Erfolg unmittelbar relevant. Unternehmen müssen dieses Dilemma lösen - indem sie das, was nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, thematisieren und für die erforderliche Stabilität, Verlässlichkeit und Orientierung in der spezifischen Kultur ihrer Organisation sorgen. Diese Orientierung und ihr gezieltes Management - etwa im Rahmen von Corporate EthicsProgrammen - bilden eine elementare Voraussetzung für das Führen und Arbeiten in global vernetzten Strukturen. Bewusst gesetzte, firmenweit kommunizierte Wertorientierungen sind darüber hinaus ein wichtiger Faktor bei Veränderungsprozessen. Denn diese benötigen ja einen übergeordneten Sinnzusammenhang, der die Klammer zwischen Altem und Neuem bildet. In Zeiten eines zunehmenden Sinnvakuums können die Unternehmen damit auf der Ebene von Shared Values ihre Angehörigen zu einer Sinngemeinschaft verbinden. Überforderte Elite Elemente für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sind aber nicht nur weiche Faktoren oder Wertemanagement, sondern auch die Erschliessung neuer «Humanpotenziale», zu denen neben Kreativität, Innovationskraft, Kommunikationsvermögen und Teamfähigkeit zunehmend auch interkulturelle Lernfähigkeit und ethische Kompetenz gehören. Auf dem PR-Papier wird dies vielfach eingelöst: «Der Mensch ist unsere wichtigste Ressource der Zukunft». Dieser Mitarbeiterorientierung dienen flachere Hierarchien, grössere Handlungsspielräume, die Delegation von Verantwortung und Teamarbeit. Auf dem Papier. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Unter den Mitarbeitern herrschen Angst, Verunsicherung, Frustration, Druck durch stärkere Arbeitsverdichtung und wachsende Verantwortlichkeiten sowie die Zunahme «innerer Kündigungen». Die Folge sind nachlassende Produktivität und Arbeitsmotivation, bei Führungskräften Workaholismus, Überforderung und Orientierungslosigkeit. Das Klima wird schlechter. Zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes wird an den Stühlen anderer gesägt. Mobbing, egoistisches Konkurrenzverhalten, Suchtprobleme und Tablettenmissbrauch nehmen zu. Dreissig Prozent der deutschen Topmanager, so das Ergebnis einer jüngeren Kienbaum-Studie, sind mittel bis schwer psychisch gestört und nehmen regelmässig Psychopharmaka zur Bewältigung von Stress und Leistungsdruck. Zum Teil in Dosierungen, die sonst nur in der Psychiatrie üblich sind. Warum nehmen diese Phänomene zu? Sind wir heute psychisch anfälliger als früher? Andere Ursachen liefert der erwähnte Paradigmenwechsel: So gaben früher feste Strukturen und klares Rollenverhalten einen Orientierungshalt. In einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft schwinden einerseits solche Orientierungen, zum anderen steigen die Anforderungen insbesondere an Menschen, die Verantwortung tragen. Diese Anforderungen richten sich nicht mehr primär an physische, sondern vor allem an intellektuelle, emotionale und soziale Kapazitäten. Wo aber Menschen plötzlich als ganze Personen und Persönlichkeiten gefordert sind, brechen vermehrt innere Konflikte auf. Natürlich wurden diese früher genauso mit sich herumgetragen, aber sie konnten hinter Rollen, unantastbaren Funktionen oder autoritären Machtstrukturen versteckt werden - nicht nur vor anderen, vor allem vor sich selbst. Zudem wurden sie durch stabilisierende Institutionen kompensiert. Sind also Führungskräfte und Topmanager unter aktuellen Wirtschaftsbedingungen nicht nur neu gefordert, sondern zum Teil schlicht überfordert? Betrachtet man das Anforderungsprofil, das sich für den idealen Entscheidungsträger der Zukunft ergibt, dann liegt dieser Verdacht nahe. Manager der Zukunft Fassen wir zusammen: Ein auf die Bedürfnisse einer globalisierten Wirtschaft und deren veränderte Rahmenbedingungen angepasstes Profil für Führungskräfte muss auf neue Aspekte Rücksicht nehmen. Dazu gehören: _ Kooperation und Kommunikation: Die beiden Erfolgsfaktoren der neuen Ökonomie bedeuten, dass Führungskräfte immer stärker zu Kommunikatoren und Beziehungsmanagern werden müssen, vielfach auch zu Mediatoren und Moderatoren. Voraussetzung dafür sind Werte wie Verlässlichkeit, Transparenz, Respekt, persönliche Integrität und Authentizität - also Glaubwürdigkeit - sowie eine integrative statt eine polarisierende oder dominanzorientierte Persönlichkeit. Es geht nicht mehr darum, bestimmte Positionen «durchzusetzen», sondern zwischen verschiedenen Meinungen und unterschiedlichen Wissens- und Kompetenzträgern zu vermitteln und sie zielführend zu vernetzen. _ Führen: Im Unternehmen der Zukunft heisst führen immer mehr, Orientierung zu geben und Richtung zu weisen - und zwar nicht per Anordnung, sondern durch vorleben. Die Implementierung wertebasierter Leitbilder ist ohne «moral and social leadership» wertlos. Die Führungskraft hat zudem eine Schlüsselrolle bei der Kulturentwicklung, zum Beispiel beim Schaffen einer Vertrauenskultur für vernetztes Wissen. _ Kulturkompetenz: Führungskräfte müssen heute eine ausgeprägte Sensibilität für interkulturelle Unterschiede mitbringen, etwa für kulturspezifische Differenzen in multinationalen Projektteams. Dazu gehört die Kenntnis der eigenen kulturellen (Wert-)Prägungen wie derjenigen der Partner und der Gastgeberländer, dazu gehören Tolerenz und Aufgeschlossenheit für andere Verhaltens- und Denkweisen, die von den eigenen abweichen, aber eine durchaus profitable Quelle des Lernens sein können. _ Motivieren: Die Führungskräfte von morgen müssen andere mitreissen und begeistern können. Aber nicht durch die platten Motivationsmethoden, mit denen charismatische Trainer durch die Lande reisen, sondern durch Ideen und Sinnstiftung. Das heisst nicht zwingend, dass sie selbst Visionäre sein müssen, aber sie müssen mit anderen gemeinsam Perspektiven entwickeln und umsetzen können. Diese Aufgabe fällt leichter, wenn das Unternehmen selbst über Visionen, Leitziele und Werte verfügt, die - vermittelt von Führungskräften und Kader - eine treibende Kraft des Alltagsgeschäfts sind. Dies bezeichnet Management by Values, dem auf der Ebene des General Management das bewusste Management of Values vorauszugehen hat. _ Wahrheitsanspruch: All- und Herrschaftswissen sind im Zeitalter der Informationsgesellschaft definitiv überholt und keine Basis mehr zur Legitimation eines Führungsanspruchs. Die eigentliche Aufgabe von Führungskräften sind heute keine Ja/Nein- Entscheidungen, sondern Richtungsentscheide, denn die zu verarbeitende Datenmenge sprengt schlicht unsere Kapazität. Was unter komplexen Bedingungen letztlich als Entscheidungsbasis bleibt, ist das unternehmerische Gefühl oder auch der Instinkt. Aber wer würde das offiziell zugeben oder als legitime Methode anerkennen? Die genuin menschliche Fehlbarkeit und Begrenztheit ist nicht salonfähig. So braucht es Mut, in komplexen Zusammenhängen zu emotionsgeleiteten Entscheiden zu stehen. Dieser Mut ist selten. Stattdessen herrscht nach wie vor das «TTV-Prinzip»: täuschen, tarnen und verpissen Letzteres mit aufgehaltener Hand, wie oben gesehen. Verantwortung zu übernehmen in des Wortes eigentlicher Bedeutung, wird unter diesen Voraussetzungen immer schwieriger. Eine Folge davon sind die aktuellen «Auswüchse». Allerdings ist es ein Irrglaube, dass sich das Gros der Betroffenen dabei in seiner Haut wohl fühle. Menschliches Fehlverhalten, auch unmoralisches oder kriminelles Handeln, resultiert nicht a priori aus schlechtem Charakter oder Unfähigkeit, sondern in vielen Fällen aus Überforderung und strukturellen Gegebenheiten wie impliziten Erwartungshaltungen, Unternehmenskulturen, Arbeit in unpersönlichen Netzwerken und kurz befristeten Projektteams. Einzelne repräsentativ für das Ganze anzuprangern, mag zwar auf Missstände hinweisen, zur Lösung der Ursachen trägt es wenig bei. Entscheidender ist die Frage nach den organisationalen und strukturellen Rahmenbedingungen, die es Führungskräften ermöglichen, ein den heutigen Bedürfnissen angepasstes Profil zu entwickeln und zu leben. Integrität entsteht integrativ An erster Stelle gehört dazu die Klärung und Erklärung der Erwartungen gegenüber allen Mitarbeitern - zum Beispiel im Rahmen einer Sinn stiftenden Vision, die auch Werte und Orientierungen umfasst. Doch solche Statements erweisen sich für den Einzelnen nur dann als glaubwürdig und verbindlich, wenn sie erkennbar die Geschäftspolitik und die Unternehmensentscheide prägen. Zum Zweiten geht es um die Beseitigung von Grauzonen im Grenzbereich der Legalität (Umgang mit Interessenskonflikten, Annahme von Geschenken, Korruption) sowie bei anderen ethischen Fragen (Umgangs- und Führungsstil, Verhältnis zu Stakeholdern, Leitlinien für Produktsicherheit, Umweltschutz etc.). Auch dabei geht es letztlich um unmissverständliche Äusserungen von ganz oben, die einen klaren Handlungs- und Orientierungsrahmen abstecken, in dem sich der Einzelne bewegen kann; etwa in Form eines Code of Conduct. Der dritte, entscheidende Schritt ist die Implementierung der Selbstverpflichtungen und handlungsrelevanten Inhalte ins Tagesgeschäft - und zwar in allen Bereichen. Dabei gilt es, die harten Faktoren, das Controlling, die internen Abläufe und Prozesse, die Managementsysteme etc. zu durchleuchten und Inkonsistenzen zu beseitigen. Denn es sind gerade solche Widersprüche, die Entscheidungsträger wie Ausführende zu moralischem Fehlverhalten führen oder zur Spaltung in ethisch orientierte Privatmenschen und knallharte Geschäftsmänner, «die zur Not auch über Leichen gehen». Integrität im Wortsinn bedeutet das Gegenteil: Selbstübereinstimmung, innere Konsistenz, Authentizität. Und genau darum geht es auch für Unternehmen, die eine Kultur entwickeln wollen, die medienwirksame «Auswüchse» vermeidet: um Identität, um Übereinstimmung von Worten und Taten, von Innen und Aussen, von Anspruch und Wirklichkeit. Dies kann mittels Firmenprogrammen und Managementsystemen erreicht werden, die die Umsetzung des qua Vision, Mission und Code of Conduct formulierten Anspruchs garantieren und prozessbegleitend überprüfen. Eine Schlüsselrolle hat dabei das Personalmanagement. So kann Bottom-up-Befragungen ein erheblicher Stellenwert bei der Bewertung und Beförderung von Führungskräften zukommen oder für den Nachweis von Führungserfolg überhaupt. Und die Orientierung an Leitwerten und Verhaltensgrundsätzen kann in Zielvereinbarungssysteme integriert werden, die eine Rolle spielen bei der Vergütung und Beförderung oder bei Entwicklungsprogrammen. In jüngster Zeit haben sich etliche Trainingsangebote auf die Stärkung von Soft Skills und Persönlichkeitsentwicklung spezialisiert. Auch die Sensibilisierung für soziale oder ethische Fragen, die kritische Reflexion des eigenen Handelns und seiner Beweggründe oder die Einsicht, dass und weshalb gewisse Verhaltensweisen anderen vorzuziehen sind, können in Trainings erlernt werden. Allerdings nützen diese nur dann etwas, wenn sie sich im Rahmen eines Organisationsentwicklungskonzepts und einer Unternehmensausrichtung bewegen, die auf eine entsprechende Kulturentwicklung abzielen. In wertemässig nur vom Shareholder-Gedanken getriebenen Unternehmen lässt sich keine Kultur der Sensibilität für zwischenmenschliche Belange entwickeln, denn die Anforderungen im Tagesgeschäft konterkarieren jegliche Entwicklung im Bereich sozialer, ethischer oder interkultureller Kompetenz. Solche Unternehmen sollten sich teure Massnahmen sparen - abgesehen vom Glaubwürdigkeitsverlust nach innen und aussen, der durch die Defizite in der kommunizierten Unternehmensidentität entsteht. Den «Manager der Zukunft» wird man jedoch in einer Kultur finden, die sich nicht nur an ökonomischmateriellen Werten orientiert, sondern in der soziale, ethische und zwischenmenschliche Werte gleichberechtigt sind. Dafür sind Management of and by Values, Ethikprogramme und die gezielte Identitätsgestaltung und Kulturentwicklung unverzichtbar. 336, GDI , 00.07.01; Words: 3734, NO: 20013024 www.gbi.de © GBI the contentmachine Internationales Management 4 Vorlesung 9: Unternehmertum 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-9 / Unternehmertum ÜBERSICHT IM-4 V-9 LERNZIELE Der Studierende soll: • die besonderen Herausforderungen an einen Unternehmer kennen. • sich kritisch mit den Fähigkeiten eines Unternehmers auseinandersetzen. STOFFGLIEDERUNG 9.1 Gastvortrag und Diskussionsrunde 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-9 / Unternehmertum Internationales Management 4 Vorlesung 10: Aktuelles Thema 1 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-10 / Aktuelles Thema ÜBERSICHT IM-4 V-10 LERNZIELE Die Studierenden sollen: • in Teamarbeit ein aktuelles Thema festlegen, das die Mehrzahl der Gruppe interessiert. • sich kritisch mit einer aktuellen Fragestellung auseinandersetzen. STOFFGLIEDERUNG gemäß Vorgabe der Studenten 2 Lehrstuhl Internationales Management © Wüthrich / IM-4 V-10 / Aktuelles Thema