Der frühere Tour-de-France-Gewinner Jan Ullrich hat in

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Der frühere Tour-de-France-Gewinner Jan Ullrich hat in
Der frühere Tour-de-France-Gewinner Jan Ullrich hat in Hamburg in einer
öffentlichen Erklärung seinen Rücktritt vom aktiven Radsport bekannt gegeben.
Der unter Dopingverdacht stehende 33-Jährige nahm auch zu den Vorwürfen
gegen ihn Stellung. Eine Dokumentation seiner Pressekonferenz.
„Das, was ich jetzt hier vor mir habe, (...) das sind - Gott weiß - das sind meine
Gedanken. (...)
Ich fange mit einem der schwärzesten Tage an in meiner ganzen Karriere: der
Ausschluss der Tour de France, damit möchte ich beginnen. Ich möchte noch
einmal kurz den Tag Revue passieren lassen, was wirklich war - der 30.6.2006,
ein Tag vor Tour-de-France-Beginn in Straßburg. Die Ausgangslage war so,
dass ich absolut in Topform war, ich hatte kurz zuvor die Tour de Suisse
gewonnen, das Team war sehr, sehr gut, trotz der vielen Hindernisse im
Frühjahr - da erinnere ich nur an 13 Wochen Knieschmerzen, mit denen ich
rumkämpfen musste, war ich wirklich in einer guten Verfassung. Wir waren
motiviert bis über beide Ohren und überzeugt davon, dass wir um den Sieg
mitfahren können, und vielleicht noch einmal das ganz große Ding schaffen
können - das Gelbe Trikot bei der größten Rundfahrt der Welt bis nach Paris zu
tragen.
Leider kam es ein bisschen anders, als wir es uns vorgestellt haben. Ich war
gerade im Zimmer auf der Rolle, habe noch trainiert, weil das Hotel belagert
wurde wegen der ganzen Spekulationen, die aufgekommen waren. (...) Ich
bekam die Nachricht auf der Rolle beim Training, dass ich ausgeschlossen bin,
dass ich suspendiert bin, dass ich die Tour de France nicht fahren kann.
Ich habe erst einmal gedacht: Gut, böser Traum, zwick mich mal, Jan wach auf,
was ist hier los? Da brach einfach meine Sportlerwelt für mich ein bisschen
zusammen. (...) Für mich war es ein Riesenschock, den ich bis heute noch nicht
so ganz verkraftet habe. Meine Frau hat mich dann zum Glück gleich abgeholt,
wir sind dann mit Tränen in den Augen nach Hause gefahren. Ab dem Tag war
nichts mehr, wie es wirklich mal vorher war.
Wie es zu dem Ausschluss von mir und einigen Topfavoriten kommen konnte,
verstehe ich bis heute nicht (...) Ich denke, dass es eine absolute Überreaktion
war und eine Vorverurteilung gegenüber uns Sportlern, die es normalerweise
vorher noch nie gegeben hat und wie es sie eigentlich in einem Rechtsstaat nicht
geben sollte.
Ich komme zum nächsten Punkt, die Verbände: Bin wahnsinnig enttäuscht, kann
ich ganz offen sagen, von den Verbänden UCI, Swiss, Cycling, Swiss Olympic,
meiner Heimverbände, dass sie sich nicht um die eigentlichen Akteure, um die
Sportler kümmern, sondern eigentlich diese Vorverurteilung, diese
Rufschädigung gegen mich hauptsächlich auch noch eher dazu beigetragen
haben, dass das in aller Munde bleibt. Der Schweizer Verband erweckt seit acht
Monaten den Eindruck, er hätte belastendes Material gegen mich, wo er sagt,
mit diesem Material sperren wir Jan Ullrich lebenslang - ich betone lebenslang,
das ist ja immer so ein tolles Wort, wie ich finde. (...)
Ich frage mich, wo ist dieses Material, und warum gibt es kein Verfahren,
warum wird kein Verfahren eröffnet - seit acht Monaten, seit acht Monaten. Ich
hätte mir Ähnliches wie im Fall Basso Italien, dass ich auch einmal angehört
werde, gewünscht. Mich hat in der ganzen Zeit noch keiner von dem Verband
angerufen, mich wollte keiner sprechen, ich konnte mich nicht äußern, ich
konnte keine Stellungnahme geben vor den Verbänden - das fand ich echt total
schwach, das war wahnsinnig schwach. Fakt ist eins, es ist kein Verfahren
eröffnet in der Schweiz und ich kann jederzeit eine Lizenz haben, das ist Fakt.
UCI muss ich mich auch ein bisschen darüber aufregen, nicht nur ein bisschen,
sondern der große Weltverband hat die Verantwortung, die Drecksarbeit auf die
Landesverbände abgeschoben. Wenn den Landesverbänden - außer ich sind ja
alle freigesprochen worden, fahren alle wieder, wenn dann entschieden wird,
dass sie unschuldig sind, dass sie fahren können, dann kommt hinten die UCI
wieder aus ihrem kleinen Versteck rausgekrochen und sagt, na, da müssen wir
gegen vorgehen, das akzeptieren wir nicht. Aber wie gesagt, sie übernehmen
keine Verantwortung, und die Drecksarbeit haben sie auf die Landesverbände
abgeschoben. Super fein, würde ich da mal sagen.
„Kurz zu Spanien: In Spanien geht es meines Erachtens nach auch nur drunter
und drüber. Grundlage der Vorverurteilung ist ja ein Bericht, den die UCI illegal
aus Spanien erlangt hat und dann an die Verbände weitergeleitet hat. Dieser
Bericht ist, wissen wir auch mittlerweile, mehrmals verfälscht worden, es gibt
viele Versionen, es sind eigene Interpretationen und eigene Meinungen bisschen
reingemischt worden, und gegen den Verfasser des Berichtes - ist ja auch
bekannt - wird strafrechtlich ermittelt in Spanien. Der Bericht ist jetzt
zurückgezogen worden von allen Gerichten, er darf nicht gegen die Sportler
verwendet werden, da er Unfug ist. (...) Dass ich bei diesem ganzen Theater das
Vertrauen in die Verbände und auch bestimmte Gerichte verloren habe, ist nicht
ganz verwunderlich. (...)
Was wahrscheinlich auch alle interessiert, ist die Strafanzeige, die in Bonn
gegen mich gestellt wurde. Es ist immer ein laufendes Verfahren in Bonn gegen
mich, es wird ermittelt gegen mich. Wer das schon einmal durchgemacht hat,
was Sara und ich in den letzten Monaten durchgemacht haben, der weiß, dass
ich dazu nicht viel sagen kann und auch nicht viel sagen möchte und werde.
Was ich sagen kann, ist, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe, ich habe in
meiner ganzen Karriere keinen betrogen und auch keinen geschädigt - und das
ist ganz groß. Das ist das, was ich mit Stolz sagen kann. Es wird ermittelt, die
Ermittlungen werden irgendwann abgeschlossen sein, dann später mehr dazu,
wenn das so passiert ist.
Ein bisschen befremdlich ist natürlich für mich, wie deutsche Sportler,
insbesondere jetzt ich, behandelt wurden. Ich kam mir wirklich ein bisschen vor
wie ein Schwerverbrecher, obwohl ich mir nichts zu Schulden habe kommen
lassen. Es ist nicht witzig für mich, wenn einer irgendwo nach einer DNA-Probe
fragt. (...) Für mich war das nicht witzig, ich habe sie jetzt abgegeben, weil ich
kooperiere mit Bonn und weil ich auch den Fall schnell abwickeln will. (...)
Ganz besonders ans Herz gewachsen in den letzten Monaten ist mir ein
zerstreuter Professor aus Heidelberg, der einiges über mich wusste, der meines
Erachtens, wer ihn mal live im Fernsehen gesehen hat wie er argumentiert, dann
glaube ich, dass auch jeder gesehen hat, dass der Mann sich selbst disqualifiziert
hat mit den Äußerungen, die er machte. Er zitiert aus spanischen Berichten,
obwohl er kein Spanisch kann, der Mann hat Talente... Wahnsinn, dieser Mann.
(...)
Einer meiner besten Kumpels Rudolf Scharping muss ich auch noch mal
persönlich nennen. In meiner erfolgreichen Zeit - die gab es ja auch - einer der
größten Schulterklopfer. Er war bei vielen Rennen dabei, im Trainingslager hat
er sich oft mit mir ablichten lassen, war immer mit seinem eigenen Fotograf
dabei, wo Kamerateams waren und hat meine Popularität genutzt. Auch dieser
Mann - jetzt mittlerweile abgestiegen vom Verteidigungsminister zum
Radsportpräsidenten Deutschlands. (...) Meiner Meinung nach ist das
wahnsinnig schlecht für den deutschen Radsport, solche Leute als Präsidenten,
die keine Leidenschaft haben, die auf den Zug Radsport, wo er richtig gut und
schnell unterwegs war, raufgesprungen sind, die den Sport nicht lieben, dass die
mittlerweile sagen können und bestimmen können, was hier läuft. Solche Leute,
die ich genannt habe, sind auch die ersten, die das sinkende Schiff auch wieder
verlassen werden, und die tun dem Radsport nicht gut. (...)
Genug gemeckert, genug Vergangenheit, genug Negatives. (...) Jetzt bin ich in
der Situation, wo ich sagen kann, das habe ich mir immer gewünscht, ich kann
sagen - fahr ich weiter oder fahr ich nicht weiter? Ja, es hat Monate gedauert,
dass ich mir hundert Prozent sicher war, jetzt weiß ich, was ich will, was mich
glücklich macht, was ich für die Zukunft will, was ich mir vorstelle, was meine
Aufgaben sind.
Deswegen möchte ich offiziell bekannt geben heute, dass ich dem Radsport
erhalten bleibe. Aber nicht mehr als aktiver Radprofi. Ich beende heute meine
aktive Karriere. (...) Ich gehe daran nicht kaputt und ich sehe eine wahnsinnige
Zukunft, die ich jetzt auch noch mal erklären möchte. (...)
Ich werde dem Radsport ja erhalten bleiben, weil ohne Radsport kann ich nicht
leben. Das ist meine Liebe, meine Leidenschaft. Deswegen habe ich mich auch
entschieden, mit einem Team zusammenzuarbeiten. Komme mir fast vor wie ein
Politiker hier. Es sind die beiden Chefs vom Team Volksbank aus Österreich,
der Thomas und der Harald, heute anwesend. Das ist u. a. auch ein Team, was
mich als Aktiven verpflichtet hätte (...). Das hat mir wahnsinnig zugesagt, die
Mentalität des Teams. Deswegen habe ich mich auch für dieses Team
entschieden, ich werde als Berater, als Werbeträger und als Repräsentant tätig
sein. Was mich ganz besonders freut, dass das Team auch eine aktive
Jugendplanung betreibt und da werde ich mich einbringen. (...)
Montag, 26. Februar 2007
Team Volksbank Professional Cycling
Pressemitteilung
Die Sensation ist perfekt. Österreichs Team Volksbank und Jan Ullrich bestreiten die Zukunft
gemeinsam. Der deutsche Topstar wird dem Volksbank-Team ab der Saison 2007 in einer Funktion
mit weitreichender Befugnis vorstehen. Diese im internationalen Radsport neue Aufgabe ist
richtungsweisend und einzigartig: Jan Ullrich wird die Zukunft des Volksbank-Teams entscheidend
mitgestalten. In seiner Funktion und in Zusammenarbeit mit Teammanager Thomas Kofler soll er die
Strukturen für ein noch professionelleres Auftreten und die Basis für spätere Erfolge der VolksbankMannschaft schaffen, mit besonderem Augenmerk auf den Nachwuchs.
Volksbank-Manager Thomas Kofler: "Für Jan Ullrich ist das kein gewöhnlicher Job sondern Passion.
Dank seiner Erfahrung wird er die gesunde Basis für eine gesicherte Zukunft des Volksbank-Teams
legen. Jan Ullrich passt wunderbar in unser Konzept: Wir werden den eingeschlagenen Weg
beibehalten und in kleinen, aber dynamischen Schritten die großen Ziele in Angriff nehmen. Und wer
weiß, vielleicht können wir in absehbarer Zukunft schon größere Teams sportlich ärgern. Mit Ullrichs
Charisma wird der Radsport für unsere Mannschaft auch abseits des normalen Renngeschehens
spürbar sein. Ich bin optimistisch und freue mich auf die gemeinsame Zukunft mit einer der
schillerndsten und populärsten Persönlichkeiten der deutschsprachigen Sportwelt."
Team Volksbank und Jan Ullrich freuen sich auf gemeinsame Erfolge!
Besonderer Dank gilt unseren Partnern, die dieses Projekt ermöglicht haben: Der Volksbank,
Corratec, dem Radausrüster des Teams, der Rode Beton GmbH, Coffee No1 und Pro Vib.
Pressesprecher
Hr. Michael Fruhmann
[email protected]
+43 / 664 / 211 40 20
Proud partners of Jan Ullrich:
www.volksbank.at
www.corratec.com
www.rodebeton.de
www.coffeenumberone.com
www.team-volksbank.com
www.provib.com