Roben in Rosa und Zahlen in Rot
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Roben in Rosa und Zahlen in Rot
SCHWARZ S. 22 DIE ZEIT cyan magenta WIRTSCHAFT 22 B runo Sälzers Hoffnung hängt hinter Glastüren, die sich nur mit Codekarte öffnen lassen: die erste von ihm beeinflusste Escada-Kollektion für den nächsten Sommer. Sälzer ist seit zehn Monaten Vorstandsvorsitzender der einzigen deutschen Luxus-Damenmodemarke von Weltrang. Im Allerheiligsten, dem Showroom der Escada-Zentrale, streift Sälzer mit schnellen Schritten über weiß lackierte Böden vorbei an den Modellen für den Sommer 2010. Hier, vor den Toren Münchens im schmucklosen Gewerbepark Aschheim, gilt es jetzt den Geschmack der internationalen Luxus-Gemeinde zu treffen. Vor einer kopflosen Frauenbüste bleibt der Mann in Sakko, Jeans und Lackschuhen stehen. Sie trägt helles Pink, schulterfrei, bodenlang, über und über mit TüllRosetten besetzt. Hollywood der fünfziger Jahre. »Das ist mein Lieblingskleid – im Moment«, sagt Sälzer. Er lächelt einen Augenblick, doch dann verfinstert sich sein schmales, gebräuntes Gesicht. yellow 4. Juni 2009 DIE ZEIT Nr. 24 Roben in Rosa und Zahlen in Rot Die Luxusschneiderei Escada kämpft um ihr Überleben. Vorstandschef Bruno Sälzer versucht, an alte Erfolge anzuknüpfen VON PETRA SCHÄFER Windstärke elf, und der Orkan steht noch bevor Luxusmode ist ein schwieriges Geschäft. Nur der Zeitgeist zählt. Escada, weltweit sechstgrößter Damen-Luxusschneider, ist in Ungnade gefallen – bei den Modekritikern, bei den Fashion Victims und schließlich bei den Geldgebern. Der im S-Dax notierte Konzern steht am Abgrund. Einen Verlust von 70 Millionen Euro meldete der Konzern für das vergangene Geschäftsjahr bei einem Umsatz von 582 Millionen Euro. In den sechs Monaten bis Ende April fiel der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent, der Verlust lag bei 92 Millionen Euro. Der Verkauf des Tochterunternehmens Primera mit den Modemarken Apriori, Laurèl und Cavita hat weit weniger Geld eingebracht als geplant. Auch die Marke Biba wird in den nächsten Tagen verkauft. Weitere 30 Millionen Euro sollen die Liquidität des Modeherstellers sichern. Davon wollen die Escada-Großaktionäre, die Tchibo-Eigner Wolfgang und Michael Herz, bis zu 20 Millionen Euro beisteuern. Allerdings nur, wenn die Escada-Gläubiger ebenfalls einen Anteil leisten. Sonst droht dem Luxushaus mit über 4000 Mitarbeitern die Insolvenz. »Windstärke elf« nennt Sälzer diesen Zustand und lächelt ein wenig verkrampft. Der stärkste Orkan steht noch bevor: Noch diese Woche will der Escada-Vorstand den Gläubigern einer 200-Millionen-EuroAnleihe ein Tauschangebot für ein neues Papier unterbreiten. Sälzer hofft auf ein Wunder: Die Anleger sollen auf einen großen Teil der Rückzahlung verzichten und Escada so teilweise von den Schulden befreien. Gleichzeitig müssten Finanzinstitute wie die HypoVereinsbank neue Kredite gewähren. Auch anderen Edelschneidern geht es schlecht. Für den internationalen Luxusgütermarkt erwartet die Unternehmensberatung Bain & Company 2009 einen Umsatzrückgang um mindestens 10 Prozent, von dem besonders die Edelschneider betroffen seien. »Luxuskäufer geben weniger aus, reisen weniger und sind weniger zuversichtlich«, sagt Beraterin Claudia D’Arpizio. Vor wenigen Tagen erst hat der französische Haute-Couture-Schneider Christian Lacroix, mit 125 Mitarbeitern ein Mittelständler der Luxusklasse, Insolvenz angekündigt. Und das französische Modehaus Chanel verkündete schon zu Jahresbeginn Entlassungen. Auch der französische Luxuskonzern PPR, zu dem die Marke Gucci gehört, verzeichnete für 2008 einen um 20 Prozent geringeren Gewinn. Der freie Fall Escadas ist aber nicht nur dem wirtschaftlichen Abschwung auf den wichtigen Luxusmärkten USA und Russland geschuldet, sondern vor allem verlorenem Stilgefühl. »Die Marke ist zwischen allen Goldstühlchen gelandet«, meint Modedesigner Wolfgang Joop. Dass es den Wettbewerbern besser gehe als Escada, liege auch daran, dass die Marke in drei Jahrzehnten kein wiedererkennbares Symbol geschaffen habe – so wie es das Kostüm und die Tasche für Chanel sind. Joop glaubt, das Luxuslabel könnte mit dem Stil Erfolg haben, der die SocietyDamen schon vor 20 Jahren in die Geschäfte gelockt hat: Glamour, Glitzer und Opulenz. Plötzlich passten die Kundinnen nicht mehr in die gewohnte Größe BRUNO SÄLZER vor der Zentrale des Unternehmens Wie konnte es so weit kommen mit der 1976 in München vom Ehepaar Margaretha und Wolfgang Ley gegründeten Firma – der einstigen Lieblingsschneiderei von Schauspielerinnen wie Kim Basinger und Demi Moore? Unter dem opulenten GlamourDesign des ehemaligen Models Margaretha Ley war Escada in den achtziger Jahren zum Weltmarktführer für Damen-Luxusmode aufgestiegen. Doch die Kreativchefin stirbt 1992 im Alter von 59 Jahren. Ihr Mann Wolfgang Ley verliert sich über die Jahre in erfolgloser Sanierungsarbeit, falschen Firmenzukäufen und altbackenem Design – bis er seine Anteile an Finanzinvestoren abstößt. Leys Nachfolgern auf dem Chefsessel gelingt die Wende auch nicht. Heute ruhen alle Hoffnungen auf Bruno Sälzer. Der Schwabe und promovierte Betriebswirt hat zuvor in sechs Jahren den Bekleidungshersteller Hugo Boss zu einem der weltweit führenden Anbieter für exklusive Herrenmode gemacht und gleichzeitig den Einstieg für eine Boss-Damen-Kollektion gefunden. »Irgendetwas stimmte nicht bei den Kollektionen«, sagt Sälzer, »die Modelle waren schlichtweg überkonstruiert: zu viele Blümchen, Rüschen und Schößchen, kombiniert mit Applikationen und Farben.« Größter Fauxpas: Vor zwei Jahren hatten Berater dem Hersteller »jüngere« Formen und Schnitte nahegelegt. Plötzlich passten die Kundinnen nicht mehr in die gewohnte Größe 40 ihres Escada-Rocks, sondern mussten eine 42 oder gar 44 wählen. Ein Unding für eine Luxusmarke, bei der seit diesem Jahr eine Konfektionsgröße 40 auch wieder wie gewohnt sitzt. Weiteres Beispiel: »Die Lederqualität für Jacken oder Mäntel war viel zu grob«, sagt Sälzer. Der italienische Chefdesigner Damiano Biella hat Escada im Februar verlassen. Sälzer hat stattdessen drei anglophone Designer für die beiden Linien Escada Main Line und Escada Sport engagiert: Daniel Wingate, Karen Schoeller und Jeffrey Kong sollen herausfinden, was amerikanische Frauen lieben. Auf dem US-Markt macht Escada auch heute noch doppelt so viel Umsatz wie in Deutschland. Und der US-Geschmack komme auch in der europäischen Couture immer mehr in Mode, meint Sälzer. »Mein Gefühl sagt mir, dass wir wieder gut unterwegs sind.« Die Kundinnen leben seiner Ansicht nach vor allem in Metropolen wie New York. Dort hat Sälzer den Laden auf der teuren Fifth Avenue geschlossen und will stattdessen in diesem Jahr im Trendviertel Soho bei geringerer Miete ein neues Geschäft eröffnen. Generell möchte er die Zahl der 182 eigenen Shops weltweit nicht ausbauen, sondern verstärkt mit Luxus-Warenhäusern zusammenarbeiten. Die Krise lässt sich in den Escada-Läden gut nachempfinden. Auf der Düsseldorfer Königsallee wie auf der Münchner Maximilianstraße herrscht in diesen Tagen selten Hektik. Dabei hat die Edelmarke durchaus ihre Fangemeinde. Zu der gehört auch die BunteChefredakteurin Patricia Riekel. »Die traumhaft schönsten Abendkleider Deutschlands macht immer noch Escada«, urteilt sie. Der Luxusschneider habe aber zuletzt offenbar den Draht zu den Hollywoodstars verloren, den Vorbildern vieler Frauen. Außerdem müsse Escada nach außen mehr den »soliden Glamour und die Verlässlichkeit« betonen, um trotz rezessiver Stimmung die wachsende Zahl berufstätiger, gut verdienender Frauen anzusprechen. Marketingexperten wie Bernd M. Michael, langjähriger Chef der Werbeagentur Grey, raten sogar zu Attributen wie »Genügsamkeit« und »Bescheidenheit« in der Vermarktung. »Die Zeiten für extrovertierten Luxus sind erst einmal vorüber.« Obwohl amerikanische Einkäufer Escada vor Kurzem noch wegen sinkender Verkäufe von den Designer-Etagen der Luxushäuser verbannen wollten, kommen neuerdings einige von ihnen, wie beispielsweise die von Neiman Marcus oder Saks Fifth Avenue, wieder in den Escada-Showroom und begutachten den frischen Stil. Auch die Einkäufer des Berliner Kaufhauses des Westens zeigen sich »angetan« von dem, was Sälzer ihnen bietet. Auf der Berliner Fashion Week im Juli will er dann den neuen Stil der Öffentlichkeit präsentieren – mit dem blond gelockten Topmodel Eva Herzigova als neuer Escada-Ikone. Im Showroom schwelgt Sälzer derweil in Pink. Er greift in den Rock einer Seidenrobe und reibt den Stoff zwischen den Fingerspitzen. »Wirkliche Handwerkskunst.« Ob Sälzers neue Kleider aber jemals von Stars über rote Teppiche getragen werden, entscheidet sich bis Ende Juli. Dann muss klar sein, ob frisches Geld in das Unternehmen fließt. a www.zeit.de/audio Gute Besserung, Deutschland! Nutzlose Medikamente, überforderte Ärzte, steigende Krankenkassenbeiträge – das deutsche Gesundheitssystem verliert die Patienten aus den Augen. Dabei überdeckt die Wirtschaftlichkeits-Debatte die eigentlichen Probleme. ZEIT WISSEN zeigt in seiner aktuellen Ausgabe, wie eine medizinische Versorgung aussehen kann, die den Patienten wieder in den Mittelpunkt stellt. Erleben Sie ZEIT WISSEN, das intelligente Wissenschaftsmagazin! Lesen Sie Neues und Spannendes über Wissenschaft, Technik, Leben und Gesundheit: faszinierend, lebendig und lebensnah. J e t am zt Jetzt ZEIT WISSEN testen! Ja, ich möchte 4x ZEIT WISSEN testen. 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