Elektrische Maschinen – einfach Erklärt

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Elektrische Maschinen – einfach Erklärt
Elektrische Maschinen – einfach Erklärt
Martin Schlup
3. Juni 2016
1 Physikalische Grundlagen
Hier sollen die grundlegenden Phänomene vorgestellt werden, unabhängig vom Verwendungszweck der elektrischen Maschine als Motor oder Generator.
1.1 Kraftwirkung
Befindet sich ein stromdurchflossener, gerader Leiter der Leiterlänge l in einem homogenen
Magnetfeld, so bewirkt die Lorentz-Kraft auf die bewegten Elektronen im Leiter folgende resultierende Kraft auf diesen Leiter:
F = il × B
(1)
Legende
F
i
l
B
l×B
resultierende Kraft auf das Leiterstück
Stromstärke
Vektor der Länge l in Richtung der Bezugsrichtung der Stromstärke i
Vektor der magnetischen Flussdichte (beschreibt die Stärke des magn. Felds)
äusseres Vektorprodukt
Die Kraft steht dabei senkrecht auf dem stromführenden Leiter und den Feldlinien, bzw. senkrecht auf der Ebene die durch den Leiter und den Feldlinien aufgespannt wird. Sie ist maximal,
wenn der Leiter rechtwinklig zu den Feldlinien steht. In diesem Fall gilt (Betrag der Vektoren):
F = i l B.
Eine für elektrische Maschinen typische Anordnung von Leiter und Magnetfeld ist in der Abb.
1 dargestellt (siehe S. 2). Der stromführende Leiter wird als rahmenförmige Spule um einen
drehbaren Zylinder (Rotor oder Läufer genannt) gewickelt. Die Magnetfeldlinien stehen dabei
senkrecht auf der Mantelfläche, so dass die beiden vertikalen Spulenteile ebenfalls senkrecht zu
den Feldlinien stehen (siehe Abb. 2). Fliesst nun ein Strom in der Spule, so entsteht in den
beiden vertikalen Teilen eine magnetische Kraft und damit das resultierende Drehmoment:
M = 2rF = 2rilB = B Ai
Legende
A = 2rl
ist dabei die durch den Spulenrahmen aufgespannte Fläche
Enthält die Spule N Windungen, wird sich das Drehmoment noch um diesen Faktor erhöhen. Für den Zusammenhang zwischen dem Drehmoment und der Stromstärke ergibt sich also
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1 Physikalische Grundlagen
Abbildung 1: Drehbarer Zylinder mit stromdurchflossener Wicklung (Spulenrahmen)
Der Verlauf der Magnetfeldlinien auf der Zylinderoberfläche ist in der Abb. 2
ausführlicher dargestellt (siehe S. 3).
folgende Gleichung:
M (i) = N B A i
(2)
Offensichtlich ist das Drehmoment proportional zur Stromstärke. Der Strom in der Spule muss
von aussen her eingeprägt werden. Dafür braucht es eine Zuleitung für den Strom, beispielsweise über die Drehachse mit einem Schleifring. Im Übrigen wird der Einfluss des durch diesen
Strom durch Selbstinduktion erzeugten Magnetfelds, die sogenannte Rückwirkung, hier nicht
betrachtet.
1.2 Gegeninduktion
Wird der Zylinder aus der Abb. 1 um seine Achse im Magnetfeld mit der Winkelgeschwindigkeit
ω = dα/dt gedreht, führt das zu einer Flussänderung in der Wicklung („Schneiden“ der BFeldlinien durch die beiden vertikalen Äste1 ):
dφ
d(l r α)
= 2B
= 2B lrω
dt
dt
So wird nach dem Induktionsgesetz in der Spulenwicklung (bei N Windungen) folgende
Spannung induziert:
dψ
dφ
u=
=N
= N B l2rω
dt
dt
Da A = 2 r l die durch die Wicklung aufgespannte Fläche ist, ergibt sich
u(ω) = N B A ω
1
(3)
Dieser Effekt kann auch durch die Lorentz-Kraft auf die (freien) Elektronen in den vertikalen Ästen erklärt
werden, was zu einer Ladungstrennung und somit zu einer Spannung in der Schleife führt.
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2 Elektrische Maschinen
Abbildung 2: Rotor und Feldlinienverlauf einer einfachen Gleichstrommaschine
Die induzierte Spannung ist proportional zur Winkeldrehgeschwindigkeit2 . Die Proptionalitätskonstante ist dabei die selbe wie in Gleichung (2).
Bemerkungen
• Bei drehendem Rotor einer elektrischen Maschine, kommt es zu einer induktiven Rückwirkung, wenn der magnetische Fluss sich in der Rotorspule zeitlich verändert. Dabei
wird eine Spannung in der Rotorspule induziert, die sich nach der Regel von Lenz allen
(zeitlichen) Veränderungen widersetzt. Aus diesem Grund ist die Anlaufstromstärke bei
einem elektrischen Motor im Allgemeinen ein Vielfaches der Nennstromstärke, da bei ruhendem Rotor diese Rückwirkung noch nicht zu tragen kommt. Die grosse Stromstärke
erzeugt dann auch ein entsprechend grösseres Drehmoment.
• Bei kurzgeschlossener, mechanisch angetriebener Spule wird natürlich die induzierte Spannung einen Strom hervorrufen, der so fliesst, dass sein magnetisches Feld sich der von
aussen eingeprägten Flussänderung entgegensetzt (Lenz’sche Regel).
2 Elektrische Maschinen
Der Begriff elektrische Maschinen beinhaltet sowohl elektrische Generatoren, welche mechanische in elektrische Energie, als auch elektrische Motoren, welche elektrische in mechanische
Energie umladen3 . Grundsätzlich kann jede elektrische Maschine als Motor oder als Generator
betrieben werden. So zum Beispiel wird der Anlassmotor (Anlasser) des Pilatus PC12 ebenfalls
als Hauptgenerator für das elektrische Bordnetz benutzt.
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Letztere kann als Drehgeschwindigkeit des magnetischen Felds gegenüber der Spule betrachtet werden.
Energie wird nicht umgewandelt wie im üblichen Sprachgebrauch angedeutet. Egal mit welchem physikalischen Prozess diese verknüpft ist, so ist eigentlich ein Umladen von einem Träger zum anderen gemeint. In
einer moderneren und korrekteren Sprache wird Energie beim Empfänger gebunden und beim Lieferanten
freigesetzt. Als elektrische Energieträger figurieren z. B. die Ladung und der magnetische Fluss, als mechanischer die (träge) Masse.
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2 Elektrische Maschinen
2.1 Generatoren
Bei den Generatoren kann man zwischen den Gleichstrom- und den Wechselstromgeneratoren
unterscheiden.
2.1.1 Gleichstromgeneratoren
Unter Ausnutzung des Induktionsgesetzes (3) kann mit der oben beschriebenen Drehspule nach
Anordnung gemäss Abb. 1 und 2 eine Gleichspannung erzeugt werden. Allerdings, um nach
einer halben Umdrehung nicht eine Umkehrung des Spannungsvorzeichens zu erhalten, muss
die Stromrichtung gewendet werden. Dieser als Kommutation bezeichneter Vorgang kann mechanisch realisiert werden.
2.1.2 Wechselstromgeneratoren
Wird die Spule in einem homogenen Magnetfeld gedreht wie in Abb. 3 gezeigt, so hängt der
magnetische Verkettungsfluss ψ vom Drehwinkel α ab:
ψ = N B · A = N B A cos α
Abbildung 3: Drehbarer Spulenrahmen in homogenem Magnetfeld (nicht vollständig gezeichnet). Im Gegensatz zur Situation in Abb. 2 hat hier das Magnetfeld überall dieselbe Richtung und Stärke, d. h. der magnetische Fluss durch die Spule hängt
vom Drehwinkel α ab.
Dreht zudem der Spulenrahmen mit der Winkelgeschwindigkeit ω = dα/dt so ergibt sich für
die induzierte Spannung:
u(t) =
dψ
d(cos α)
dα
=NBA
= −N B A
sin α = −N B A ω sin α
dt
dt
dt
Es spielt dabei keine Rolle ob die Spule oder das Magnetfeld gedreht wird. Es kommt einzig und
allein auf die relative Bewegung an. Ein sich drehendes magnetisches Feld kann z. B. einfach
mit einem drehenden Permanentmagnet erzeugt werden (Synchrongenerator). Bei regelmässiger
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2 Elektrische Maschinen
Drehgeschwindigkeit wird eine Wechselspannung konstanter Frequenz erzeugt. Um Drehstrom
zu erzeugen, braucht es entsprechend drei um 120◦ versetzte Spulen.
Mit der Anordnung nach den Abb. 1 und 2 kann ohne Kommutierung auch eine Wechselspannung erzeugt werden. Dabei muss der magnetische Fluss im Luftspalt zwischen dem Rotor
und dem Stator einen sinusförmigen Verlauf aufweisen. Dies kann geometrisch mit der Luftspaltgestaltung und mittels Statorwicklungen erreicht werden.
2.2 Motoren
Bei Motoren unterscheidet man zwischen Gleichstrom- und Asynchron- und Synchronmaschinen. Synchronmaschinen nehmen in Ihrer Bedeutung dank elektronischer Feldsteuerung zu.
2.2.1 Gleichstrommotor
Gleichstrommotoren funktionieren prinzipiell wie im Abschnit 1.1 beschrieben. Nach einer halben Drehung des Rotors, muss die Richtung des Stroms in der Rotorspule (sogenannter Ankerstrom) gewendet werden, damit das Drehmoment weiterhin in dieselbe Drehrichtung zeigt.
Dieses Umschalten wird Kommutation genannt. Abweichend von der Anordnung in der Abb.
1, werden die Spulenwicklungen im Allgemeinen rund um den Rotor angeordnet, so dass ein
vom Drehwinkel unabhängiges Drehmoment erzeugt wird.
Das Magnetfeld kann durch Permanentmagnete (bei Motoren kleiner Leistung) oder Elektromagnete erzeugt werden. Im zweiten Fall kann der magnetische Fluss für Regelungszwecke noch
verändert werden. Man unterscheidet dabei zwischen Fremd- und Selbsterregten Maschinen.
2.2.2 Asynchronmotor
Bei Asynchronmotoren mit Käfigläufer ist die Rotorspule kurzgeschlossen. Damit darin ein
Strom fliesst, muss eine Spannung induziert werden. Dies ist nur dann möglich, wenn sich das
magnetische Feld gegenüber der Spule dreht. Ein Drehfeld kann einfach mit Drehstrom und
drei räumlich fest installierten Spulen (Statorspulen) erzeugt werden4 .
Je grösser der Unterschied zwischen den Drehgeschwindigkeiten des Feldes und der Spule,
desto grösser wird auch die im Rotor induzierte Spannung somit auch die Stromstärke und
das Drehmoment. Das Anlaufdrehmoment ist also hier um Faktoren grösser als das Nenndrehmoment. Als Mass für die Relativgeschwindigkeit zwischen dem Feld und des Rotors wird der
Schlupf angegeben:
s=
ωs − ω
ωs
Für den Motorbetrieb gilt: 0 < s ≤ 1. Dabei sind ωs die Winkelgeschwindigkeit des Feldes
und ω diejenige des Rotors. Im Nennbetrieb liegt der Schlupf je nach Motorleistung zwischen
3% und 8%. Bei Synchronlauf zwischen Spule und Feld (s = 0) gibt es keine Flussänderung
und somit auch keine Kraftwirkung. Bei stillstand (s = 1) entspricht die Funktionsweise eines
Asynchronmotors einem Transformator mit kurzgeschlossener Sekundärseite.
Die Asynchronmaschine ist der am meisten verbreitete Motor. Dies wegen ihrer relativ einfachen Konstruktion und ihrer anspruchslosen Wartung.
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Es ist auch möglich ein Drehfeld aus Wechselstrom zu erzeugen, z. B. mit der so genannten Steinmetzschaltung.
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2 Elektrische Maschinen
2.2.3 Synchronmotor
Der Läufer von Synchronmaschinen ist als Magnet ausgebildet, somit richtet er sich magnetisch nach dem Drehfeld: er dreht synchron mit derselben Drehgeschwindigkeit wie das Drehfeld.
Synchronmaschinen werden üblicherweise als Generatoren eingesetzt. Synchronmotoren werden
vorwiegend bei sehr grossen Leistungen (MW-Bereich) im Dauerbetrieb eingesetzt. Synchronmaschinen müssen im Allgemeinen angeworfen werden und dürfen erst mit synchroner Drehzahl
in Betrieb genommen werden.
Mit moderner Elektronik können Drehfelder mit beliebiger Drehzahl einfach erzeugt werden,
so dass Synchronmaschinen zunehmend auch als Motoren für kleinere Leistungen an Bedeutung gewinnen (bürstenlose Motoren, brushless engines). Synchronmotoren sind wegen ihrer
kontrollierbaren Drehgeschwindigkeit und ihren, im Vergleich zu Asynchronmotoren, kleineren
Verlusten besonders interessant. Schrittmotoren sind eine besondere Art von Synchronmaschinen.
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