PDF Ramin Raissi
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PDF Ramin Raissi
Ice cold Ice Clean – seit 2 Wochen sind keine Opiate mehr in mir. Meine Zellen schreien nicht mehr so laut nach Heroin, was geblieben ist, ist eine unendliche Leere und eine Kälte, die wie Eiswasser durch meine perforierten Venen spült. Während des akuten Teils des Entzuges hab ich mich leider nicht leer gefühlt. Wie gerne hätte ich nichts fühlen müssen. Die körperlichen Symptome sind schmerzhaft, schlimmer ist die Psyche, die um die Vergiftung trauert, die Tränen an denen ich zu ersticken drohte. Zum Teil Selbstmitleid, zum anderen echte Trauer, über die Verletzungen, die ich mir und anderen zufügte. Fuck – ne ganze Woche von morgens bis abends geheult. Ohne das der süße Schlaf seine zärtlichen Flügel um mich schloss. Kurz bevor ich wahnsinnig zu werden drohte, vertrockneten meine Tränen und ich konnte wieder J. Cash hören ohne zu flennen. Zwei Wochen, die ich in meinem, inzwischen von Entzugsschweiß und Kippeneinschusslöchern, völlig versifften Bett verbracht habe. Ich bin einfach liegen geblieben, zu fertig um nach über einem Jahrzehnt täglichem Kampf gegen mich selbst wieder das rat race der Drogenbeschaffung unter Prohibitionszuständen aufzunehmen. Für die ersten Tage hatte ich noch einen kleinen Heroinvorrat, als dieser schneller als geplant alle war, stieg ich auf Methadon und Schlaftabletten um. Am Ende hatte ich nur etwas Hasch und Vodka. Seit 1 Woche habe ich nichts mehr – ich vegetiere vor mich hin und bin dankbar wenn der kleine Tod mich fort von hier nimmt. Schlaf ist Gnade – die mir leider nur kurz Zuteil wird. Wenn ich schlafe, träume ich wild. Vorzugsweise von Drogen – ich beim Kaufen, der Stoff ist in meiner Tasche, ich bin auf dem Weg in mein abgefucktes Zimmer, ich packe das H und die Alufolie aus, portioniere, nachdem ich die Folie sorgfältig abgebrannt habe, stecke eine Zigarette an, habe das Röhrchen zum Inhalieren im Mund, will das Pulver erwärmen, damit es sich in den schwarzen Tropfen verwandelt, den ich mit dem Feuer die Folie langlaufen lasse um den öligen Rauch einzuatmen, bis mir schwarz vor Augen wird und ich das Gefühl habe, meine Lungen platzen, und ich warte auf die Wärme, die sich den Weg bahnt, vom Bauch über das Rückenmark ins Hirn... da wache ich auf!! Fuck!!! Wie gemein mein Hirn mir Streiche spielt! Diese Träume kennt jeder Gläubige der Mohnsekte, es kommt nie zum Kick, aber alles vorher meint man real zu erleben. Ich kenne keine anderen Träume, die so plastisch sind – manchmal kann man den Stoff sogar riechen... 1 Schweißgebadet und zitternd wache ich auf, um von Tag zu Tag mehr in der nüchternen Realität zu landen. Die Realität, die sich vor mir immer schärfer abzeichnet – ist eigentlich 'n Grund, gleich wieder anzufangen. Wenn man davon ausgeht, dass man mit Drogen vor irgendwas fliehen will, ist genau das wieder da – grässlicher + 'nen Rattenschwanz, den jede illegalisierte Sucht mit sich bringt. Bewährung und Strafbefehle wegen Verstoß gegen das BtMG – Besitz von Diacetylmorphin ohne Erlaubnis des Staates. Handel mit Diacetylmorphin ohne Erlaubnis des Bundesgesundheitsamtes. Als wenn es diese Erlaubnis geben würde... Arschlöcher!! Mahnbescheide von Banken, denen ich die nächsten 30 Jahre gehöre. Soziale Ausgrenzung, psychischer und physischer Ruin. Schulden wie Zentralafrika... Es begann als Wochenend-Fun und endete jämmerlich – zum Schluß war ich übler dran als jeder Malocher – die haben irgendwann Feierabend, die Abhängigkeit ist dein permanenter Begleiter und die Intervalle zwischen den Räuschen werden immer kürzer und irgendwann verabschiedet sich auch der Rausch. Zuerst habe ich versucht, den immer schwächer werdenden H turn durch Schlaftabletten, Narcoanalgetika und Narkosemittel, die ich von korrupten „Göttern in Weiß“ erkaufte, zu kompensieren. Als da auch die Gewöhnung einsetzte, stieg ich zusätzlich auf Kokain um. Dagegen war meine Heroinsucht 'n Kindergeburtstag – beim H hast du irgendwann genug, das schwarze Loch, das Kokain hinterläßt, ist nicht zu füllen, selbst wenn du wie ein epileptischer Fisch auf dem Trockenen zappelst, geschüttelt von Krämpfen ausgelöst durch zuviel Zellgift, konnte ich nicht aufhören und nachdem die Todesangst, die so eine Kokainintoxikation mitbringt wich, war meine erste Handlung eine nächste Pfeife oder Spritze mit dem Südamerikanischen Marschpulver. Oder in Kombination, Heroin + Kokain oder abwechselnd, Kokain und – wenn die Vergiftungssymptome überhand nahmen – Heroin zum Runterkommen und dann auf ein Neues. Ich war 'ne Laborratte, die immer verzweifelnder zwischen diesen beiden Zuständen vegetierte. ALLES andere musste sich hinten anstellen. Die Gier nach Kokain, wenn du richtig drauf bist, ist der stärkste anerworbene Trieb, den ich kenne – du gehst über Leichen, nur um nocheinmal den immer leerer werdenden Dopaminspeicher zu entleeren!! 2 Nicht sniefen, wie es von Werbeagenturschwuchteln praktiziert wird – IHR wisst GAR NICHTS von Kokain – so wie auch ich nichts wußte, bevor ich das 1. Mal Coce rauchte, bzw. spritzte. Zwischen sniefen und basen oder spritzen liegt 'n Quantensprung. Durch 'ne Intoxikationspsychose, ausgelöst durch 14.000 DM aus 'nem Bausparvertrag, die in gut 2 Wochen in Rauch aufgingen und ich in meinem verdunkelten Zimmer Bekanntschaft mit dem Teufel machte, der mich aufforderte, 'ne deutsche Sektion von Charlie Mansons Gang zu gründen und Ungeborene aus ihren Gefängnissen zu befreien , landete ich zum 1. Mal, freiwillig, in einer geschlossenen Abteilung der größten Psychiatrie Europas . Warum ich das erwähne? Vielleicht um zu zeigen, dass ich doch nicht wirklich böse bin... Immerhin wußte ich danach, dass es drinnen und draußen vom Prinzip dasselbe ist. Draußen ist offener Vollzug, ohne das sich viele ihrer Gefangenschaft überhaupt bewusst sind. Es vergingen noch 4 qualvolle Jahre, bis ich bereit war aufzuhören. Na klar, jeder der drauf ist, will irgendwann aus irgendwelchen Gründen aufhören, aber meine Erfahrung ist – du musst bereit sein. Oder durch die staatliche Repression so in die Enge gedrückt sein, am besten infiziert und inhaftiert, um von den selben Leuten, die dich mit in diese desaströse Lage gebracht haben mittels Therapie wieder rehabilitiert zu werden. Oder eben nicht... Ein einziger Abfuck!!! Aber zurück in meine zerrockte Wohnung, wo ich, schwindelig von den Gedanken, die mein Hirn quälen, versuche aufzustehen. Ich liege mit geschlossenen Augen da, ängstlich, schutzlos, hoffnungslos, und trotzdem ist da etwas, was mir mentale Kraft gibt – keine Angst, ich bin kein religiöser Spinner, der auf etwas drauf ist, ohne zu merken, dass er drauf ist. Spiritualität – die Menschen, die in der Hölle waren, wissen damit etwas anzufangen. Die Hölle liegt hinter mir – aber auch vor mir. Das was war kannte ich aus 100 Millionen mehr oder weniger freiwilligen Entzügen, das was kommen sollte – darauf war ich nicht vorbereitet. Die verfickte Kälte, unfähig aus meinem klammen Bett aufzustehen, kein Antrieb, alles tut weh, der Wasserschaden, der seit was weiß ich wie lange TRR-OP-FFT und mit meinen Kochtöpfen, für die ich eh keine Verwendung habe, schon lange nicht mehr aufgefangen wird. Beständig vergrößert er sich, noch hat er mein Bett nicht erreicht, ist nur noch 'ne Frage der Zeit, ich will eh bald ausziehen... 3 Der Vermieter, der das Haus eh verkaufen will, ist informiert und ich hab einfach nicht mehr den Drive für SOWAS. Ich versuche, mit geschlossenen Augen mich fort von hier zu träumen, aber es gelingt mir nicht .Zitternd lauf ich im Slalom um die Töpfe, zur Küche, um Tee zu kochen. In der Küche riecht es wie im Altenheim, nach Kompost. Gegen meinen Würgereiz ankämpfend, flieh ich in die, neben dem Bad einzige richtige trockene, Ecke im Flur. Hier habe ich die Dinge stehen, die mir noch etwas bedeuten und die ich noch nicht versetzen musste, um zu versuchen, den übermächtigen Hunger, den die Drogen bei mir hinterlassen haben, zu stillen. Mein wertvollster Besitz, 'nen I-Mac, Stereoanlage, 'n paar CD’s, einige Bücher – die Sachen passen inklusive meiner Kleidung in einen Umzugskarton. An der Garderobe rutsche ich die Wand hinunter, Schweißperlen auf der Stirn – nicht belastbar – noch nicht. Es dauert jedes mal länger, auf die Beine zu kommen, bis du es überhaupt nicht mehr schaffst. Mir ist schwindelig, nicht nur von den Gedanken, die mich quälen. Essen – ich muss mal wieder Essen einwerfen, d.h. aber auch raus – ungeschützt ins Feindesland. Meine Haut fühlt sich so sensibel an und gleichzeitig wie willkürlich an meine Knochen getackert. Alles tut weh und diese Antriebslosigkeit – alles scheint sinnlos – außer wieder zu nehmen. Scheiße – aber ich muss raus! Meinen Stützescheck einlösen. Also in Zeitlupe, wie 'ne alte Frau: anziehen, Wasser ins Gesicht, Zähne putzen und den verfickten Personalausweis suchen. Schlüssel... 'n Rollstuhl wär nich' schlecht, aber man kann nicht alles haben... Draußen Regen – der Weg zur Post ist ein einziges Fluchen, in der Post sämtliche Bewohner des verlorenen Viertels, in dem ich gelandet bin, um mit hunderten 1-Cent-Briefmarken zu kaufen. Ich hasse Menschenmassen – sie machen mir Angst. Zu spät, von hinten bin ich schon eingekeilt. Als ich viel später meine jämmerliche Stütze erhalte, weiß ich zunächst nix damit anzufangen. Heroin? Mein Körper beginnt zu zittern, ich schiebe den Gedanken nach hinten, wieso weiß ich auch nicht. Bei meinem Plattenhändler kaufe ich 'n paar CD’s, die ich wahrscheinlich kurz vorher dort versetzt habe: 4 Augustus Pablo – Original Rockers Nick Cave and the Bad Seeds – No More Shall We Part Terranova – Peace Is Tough Rhythm & Sound – The Versions Mr. Cash – American Recordings 4 Plattenankäufer sind gnadenloser als jeder Dealer – du trägst Schätze dorthin, mein Herz blutet immer noch, wenn ich daran denke, was ich dort verticken musste, weil der Opiathunger mich dazu zwang, und diese Scheisser tun so, als ob du sie mit Dreck belästigen würdest, wohl wissend, dass du als Junk auf das Geld jetzt angewiesen bist, und speisen dich mit Almosen ab. Irgendwann kriegen sie in einer gerechteren Welt hoffentlich die Quittung dafür... Jetzt jedoch is der Schleimscheisser froh, auch noch Geld von mir zu bekommen. Der Großteil der Stütze is weg und ich brauche mir keine Gedanken mehr über Heroingeschäfte zu machen. Außerdem liebe ich Musik mehr, als andere von Menschenhand geschaffene Dinge. Sie hat mir durch finsterste Zeiten geholfen, ohne Musiker wie Nick Cave and the Bad Seeds wäre ich nicht mehr. Suicide?? Ich hab's versucht, aber mir fehlte selbst in düstersten Zeiten der Drive, der dich vor den Zug springen lässt. Respect to all who had the power... see u on the other side... Mit Augustus Pablo im Ohr schlendere ich in Richtung meiner Zelle. „Cassava piece“ – das ist deepest shit ohne Worte, das was Trent Raznor und später J. Cash mit „ Hurt“ in Worte fassen konnten, findet sich hier nonverbal in seiner 70ies-Fassung. Ich gleite mit diesem Soundtrack meines Lebens durch die Straßen meines Viertels. Durch die Entgiftung nehme ich alles wesentlich klarer wahr – Optik, Geruchsinn und akkustische Reize kommen teilweise schmerzhaft in mein Hirn geschossen. Wie 'n softer LSD-Trip verschiebt sich meine Wahrnehmung ins Unangenehme. Scheiße – ich muss essen – wann ich das letzte Mal gegessen habe? Vorgestern? Jeder Bissen wird für mich zur Qual, mein Stoffwechsel muss sich erst wieder langsam an Nahrung gewöhnen. Vorbei die Zeiten als ein Snickers + 'ne Müllermilch für den Tag reichten... Von einer plötzlichen Übelkeit erfasst , beschließe ich im Supermarkt einkaufen zu gehen. 5 Die Neon-Kathedrale des Supermarkts ist voller Gläubiger, die raffen und raffen. Blind lauf ich an den Regalen vorbei – ich muss essen – schwierig ohne Hunger. Was leichtes – Pfannkuchen aus der Tube mit Milch aufgefüllt und Zucker und Nutella. Mein durchgerockter Körper hat den Zucker scheinbar bitter nötig. Zigaretten, zwei Flaschen Vodka und Joghurt müssen bis morgen reichen, kein Bock mehr auf Konsum-Freakshow. Noch schnell bei Andreas geklingelt und ohne Gequatsche Dope gekauft – Netherskunk und lecker Zero Zero. Endlich zu Hause – ich mach heut nix konstruktives mehr... Nachdem 'n fetter Grassjoint brennt, die Pfannkuchen instantmässig fertig sind, sitze ich da und starre an die ehemals weißen Wände – dirty white, ich rauche + trinke und versuche an gar nichts zu denken, was mir im Moment nicht schwerfällt. Ich lasse mir 'n Bad ein, schmeiße „No More Shall We Part“ ein und träume mich weg an einen Ort, den es für mich nicht gibt. Vodka und das Bad lassen meine Lebensgeister – naja, eher Dämonen – wieder wach werden. Puh. Just breathe. In der Wanne gelingt es mir, etwas zu entspannen, einer der Orte, an dem ich mich wohl fühle, in utero feeling. Fuck, wer klopft da an meine Tür? Das letzte Mal waren es die Cops auf der Suche nach Schläfern – wenn die gewusst hätten, dass sie den Ober-Schläfer vor sich hatten. Das Missverständnis hatte sich schnell geklärt und ich konnte meine Opiat-Vorräte behalten. Ja, ja, komme – Scheiße! Handtuch? Ich taumle durch den Flur, reiße die Tür auf, aber bis auf 'n kalten Lufthauch is nix. Sehr witzig, du Arsch... Als ich die Tür zuknallen will, sehe ich den schlecht kopierten Zettel. No budget productions. Homevideo-nonstop Voßstrasse 81 Basement Scheiß Werbung – ich überlege, für welches Produkt ich Zielgruppe sein könnte. Zähne vielleicht – meine hat das H-Rauchen weggefressen, aber 'ne Zielgruppe muss solvent sein. Ich bin seit einem Jahrzehnt ohne Job, hab mir auch nie einen gesucht, hatte den ganzen Tag mit Geld- und Drogenbeschaffung und konsumieren mehr als gefüllt. 24/7 on the run. 6 Warum ich jetzt damit aufhöre, weiß ich selber noch nicht so richtig... Naja, es ging einfach nicht mehr weiter: das ständige Geld beschaffen, der psychische und physische Raubbau, die drohenden Haftstrafen und am allerwichtigsten – Heroin + Kokain haben mich auch nicht mehr befriedigt. 'Ne Zeit lang haben sie mich glücklich gemacht, aber diese seeligen Zeiten sind schon lange vorbei. Egal wieviel ich an Stoff hatte, es hat nie gereicht. Das ist der Grund warum ich aufgehört habe und mich auf Terra Incognita begebe. Wenn alles zu krass wird, kann ich immer noch wieder anfangen... In die Badewanne will ich auch nicht mehr, ich ziehe mich an, setze mich mit meinem Wässerchen und trinke stumm während im Hintergrund Nick seine Liebste auffordert, zu ihm zu kommen. Betrunken und selbstzufrieden döse ich ein. Als ich später in der Nacht , immer noch betrunken, aufwache, beschließe ich, noch etwas rauszugehen – tagsüber kann ich die Welt nur schwer ertragen. Zu viele Zombies, die von A nach B hasten. Ich hab nichts gegen Menschen – mir geht es nur besser ohne sie. Nachts ist alles so friedlich und die Zombies schlafen. Es ist angenehm draußen, ich liebe es langsam, Zigaretten rauchend + trinkend durch die Nacht zu wandern und zu beobachten. Der Vodka lässt mich nicht fühlen, wie schwach ich eigentlich bin und ich gleite durch die Nacht. Das Viertel, in dem ich wohne, hat viele Kneipen und Clubs und in der milden Nacht sind viele fröhliche Menschen unterwegs. Ich halte mich an die leeren Seitenstraßen und beobachte mit meinem neu zurückgekehrten Blickwinkel: Fenster, in denen Fernseher ihre giftigen Strahlen aussenden, Jugendliche, die in Gruppen an Häuserecken stehen, Betrunkene, die laut lamentierend vor Eckkneipen stehen, es ist alles wie immer – doch mir scheint es, als ob ich es zum ersten Mal sehe... Am Fluss, der mein Viertel vom nächsten trennt, bleibe ich stehen, blicke in das schwarz schimmernde Wasser, trinke, rauche und versuche meine Vergangenheit dem Fluss zu übergeben, auf das er sie weit weg von mir spült... Spiralen der Erinnerung kommen hoch, wie vergilbte Fotos aus einer anderen Zeit: ich als kleines Kind Enten jagend, meine Eltern, Freunde, einige tot, einige lebendig, Frauen und dann das schwarze Loch, dass meine Sucht hinterlassen hat. Ich brauche mehr zu trinken, also gehe ich zum Kiosk neben dem Haus. Der Besitzer lächelt stets freundlich und redet kaum. Sehr sympathisch. „Äh... zwei Flaschen Vodka und 'ne Lucky Filter.“ 7 So ziehen die Tage und Nächte an mir vorbei – ich weiß nicht, warum ich lebe, vielleicht bin ich schon tot und das ist die Hölle hier? Die Leere der gleichförmig dahin fließenden Tage fülle ich mehr schlecht als Recht mit Vodka. Der weiße Blitz gibt mir immerhin das Gefühl als ob ich lebe, wenn er warm durch meine Venen fließt. Körperlich geht es mir besser, aber diese Leere ist nicht auszuhalten. Selbst das H, sas ich mir in einem schwachen Moment kaufte, half nicht, die Leere kam danach unerbitterlicher als vorher. Die Wohnung aufräumen wäre dringend nötig, der Wasserschaden hat sich vergrößert, aber ich habe keine Energie dafür. Ich werde umziehen sobald ich mit meinem Leben was anfangen kann. Und nicht nur auf Schecks vom Amt oder von meiner Mutter warten, um dann was zum Bombardieren meines Kopfes zu kaufen. Während ich den Müll, der um mein Bett herumliegt, aufsammle, fällt mir der Zettel, der irgendwann vor meiner Tür lag in die Hände: Homevideo Nonstop Die Adresse ist in der Nähe des ehemaligen Führerbunkers. Strange – wer hat mir den Flyer hingelegt?? Einer meiner Junkiefreunde?? Sicher nicht. Neugierig geworden, beschließe ich, heute Nacht zu gucken, was sich dahinter verbirgt... Doch vorher gehe ich mit 'nem blauen Müllsack, indem normalerweise Leichenteile an Autobahnen gefunden werden, durch meine Wohnung und räume auf – Alufolie, Spritzen, Kippen und Pizzakartons finden ihren Weg ins Freie . Soll ich dorthin gehen? Wie immer überwiegen die Zweifel... Ich bade ersteinmal und ziehe mich an, gehe beim Kiosk vorbei und kaufe das übliche. Angeheitert spaziere ich durch die Straßen, wo sich das Heer der Roboter auf den Weg in ihre Zellen macht. Angewidert von den Massen der Werktätigen setze ich mich auf eine Bank, um zu trinken und zu beobachten. Just a visitor. Hausfrauen mit Einkäufen hasten nach Hause, Männer mit Aktentaschen, die alle gleich aussehen, junge Leute, die lachend Verabredungen für den Abend treffen. Ich nehme alles wie durch Milchglas war. 8 Die Dunkelheit senkt sich wie eine schwarze Decke über die Stadt. Die Neonschilder von Kneipen und Geschäften leuchten wie Inseln im Dunklen. In meinem Player läuft immer noch „No More Shall We Part“ – diese Platte ist Balsam für meine geschundene Seele und für mich ein Grund weiter zu machen. Vorerst mit dem Trinken. Nach einem großen Schluck stehe ich auf, merke wie betrunken ich bin, als der Vodka in meinen Kopf schießt, setze mich, in der Hand den ominösen kopierten Flyer. Die Adresse liegt außerhalb meines Viertels, dort wo Onkel Atze & Gang vom 1000jährigen Reich halluzinierten. Mit der U-Bahn fahren kommt für mich nicht in Frage, ich halte die eng aneinander gedrängten Menschen nicht aus, so gehe ich zu Fuß, trinkend, rauchend, in neugieriger Erwartung. Auf was eigentlich – „ didn’t no what i was hoping for...“ Als ich die Grenze meines Viertels erreicht habe, überlege ich kurz, umzukehren. Ein Schluck und ich habe die Grenze überquert. Es ist keine Grenze, die nur in den Köpfen der Menschen existiert, die diese anerkennen, allein von der Bebauung merkt man, dass ab hier was anderes beginnt. Kaum Wohnhäuser, dafür mächtige Bürobauten, die verlassen und dunkel, bedrohlich auf mich wirken. In einzelnen Fenstern brennt noch Licht, für die Leute, die nie genug bekommen können. Der Staat und multinationale Konzerne haben hier in einer Neo-Willhelminischen Architektur Tonnen von Beton verbaut. So grässlich, dass die Neon-Schriftzüge, die hier und da leuchten, von mir als schön empfunden werden. Ich laufe durch die Häuserschluchten und versuche zu verstehen. Warum stehen dort vor dem riesigen Rathaus, dass verlassen wie ein zu groß geratenes Spukschloss dasteht und in 1000 Jahren noch dastehen wird, BMW’s, Mercedes und andere Limousinen herum? Wer fährt diese Autos, die so neu sind, dass der Lack selbst im Dunkeln funkelt...? Keine Seele auf der Straße, das kalte Herz der toten Städte... Zum Glück habe ich genug Vodka bei mir, der mir bei jedem Frösteln, das mir diese spooky Umgebung einflößt, Wärme spendet. Wärme – das ist das, was ich mein Leben lang suchte und auch jetzt suche – es ist der Wunsch nach Wärme, der mich am Leben hält. Ich meine, den evil Geist zu spüren, der hier wütete und immer noch wütet. Noch ein Schluck und um eine Ecke und ich stehe vor der auf dem Flyer geschriebenen Adresse. Trotzig wirkt dieser Seitenflügel eines wohl im Krieg weggebombten Hauses, dass auf einer Brachfläche inmitten der Machtzentralen steht. Wie ein Relikt aus einer längst vergessenen Zeit – komisch, dass mir das nie aufgefallen ist. Ist wohl der Tunnelblick, den 9 meine addiction mit sich brachte. Alles im Haus ist dunkel – nur über dem Eingang leuchtet eine 40 Watt Glühbirne. Fröstelnd nehme ich ’nen Schluck, unsicher ob ich rein gehen soll. Am Klingelschild stehen Namen, die mir nix sagen und ganz unten „HOMEVIDEO“. Es ist kurz nach 20 Uhr und ich klingle, um es im nächsten Moment zu bereuen. Zu spät, es summt und die Eisentür öffnet sich und gibt den Blick auf eine eiserne Treppe frei, die hinunter führt. Teelichter weisen den Weg nach unten. Unten ein langer Gang, von dem Türen abgehen. Unsicher gehe ich vorwärts... am Ende des Ganges kann ich fluoreszierendes Licht unter einer Tür erkennen. Die schwarzen Steinwände strahlen Kälte ab, ich stehe in der Mitte des Flures, unschlüssig, ob ich vor oder zurückgehen soll... Ein Schluck Vodka und ich gehe auf das Licht zu. Vorsichtig öffne ich die Tür... Der Raum, der sich vor mir öffnete, war groß und strahlte Wärme aus. Ein Flatscreen, auf dem gerade „Bad Lieutenant“ mit Harvey Keitel lief, hängt an der Wand. Davor im Halbdunkel Sofas mit Tischen davor. Die Menschen, die ich sehen konnte, drehten sich nicht nach mir um – niemand nahm Notiz von mir. Ich ließ mich auf ein freies Sofa fallen, trank einen Schluck und wurde wiedermal Zeuge wie Harvey – der dreckige alte Mann – sich einen Blowjob verpassen ließ. Mein Blick wanderte durch den Raum – Menschen meines Alters, rauchend, trinkend und mehr oder weniger konzentriert auf den TV guckend. Aus dem auf dem Tisch liegenden Programm erfuhr ich, dass es sich um eine temporäre Filmvorführung von irgendwelchen Künstlern handelte. Wenigstens hatten sie bei ihrer Filmauswahl Geschmack bewiesen: „Natural Born Killers“ „Reservoir Dogs“ “Christiane F.“ Filme, die mich früher begeistert hatten, als ich mich noch für irgendwas begeistern konnte... Irgend etwas stimmte nicht, die Optik im Raum schien sich zu ändern, minimale Verschiebungen. Cool bleiben Jona – no need for paranoia. Trinkend und unkonzentriert versuchte ich, dem Film zu folgen. Es ging nicht – unruhig rutschte ich hin und her. Ich hatte gerade beschlossen zu gehen. „PSST.“ „Häh“ – ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich nicht allein auf dem Sofa saß, neben mir eine Frau, vielleicht 25 Jahre alt. Was mir sofort auffiel, waren ihre unglaublich intensiv leuchtenden grünen Augen. 10 Aus Verlegenheit bot ich ihr schweigend was zu trinken an – sie nahm einen tiefen Schluck und reichte die fast leere Flasche zurück. Ich glotzte sie wohl spannermässig an, denn … „Weißt du, wo wir noch was zu trinken bekommen?“ „Äh – ich bin neu hier in der Stadt...“, stammelte ich – ihre grünen Augen hatten mich bereits hypnotisiert. Ich konnte ihrem Blick ,der in mein Innerstes zu dringen schien, nicht länger standhalten, also stand ich auf, bereit zur Flucht, und ging. Draußen presste ich meine heiße Wange gegen die Steinwand und leerte die Flasche. Was ist los mit mir??? Meine Hormone drehten frei. Noch ehe ich diese existenzielle Frage beantworten konnte, öffnete sich die Tür und die grünen Cat Eyes schauten mich fragend an. „Wasiss?“ Ich bemühte mich abweisend zu erscheinen, was mir nicht gelang. „Ich dachte, wir holen was zu trinken...“ Mist, sie hatte mich an meinem wunden Punkt erwischt. Seit ich nicht mehr toxte war ich auf dem Weg, ein anständiger Alki zu werden. Etwas was ich nie werden wollte. „Weißt du wo?“ „Na klar.“ Sie nahm meine Hand, ich erschrak zunächst – es war lange her, dass mich ’ne Frau berührt hatte – und wir gingen die Stahltreppe hoch ins Freie. Schweigend gingen wir nebeneinander her, nach einigen Minuten erreichten wir eine Nachttankstelle, die wie eine Neoninsel in der Dunkelheit leuchtete. Im Licht konnte ich sie zu ersten Mal richtig sehen, klein, zierlich und rote Haare – wie die aus der Arcor-Werbung – und diese unglaublich grünen Augen. Ich hatte mich sofort verliebt. Bisher dachte ich, das gibt es nur im Kino. Wir kauften zwei halbe Liter Vodka und setzten uns auf den Bordstein und tranken. „Hast du schon mal Benzin getrunken?“ Ach so, jetzt schien mir alles klar – 'ne traumatisierte Frau, psychiatrieerfahren und mit Narben auf beiden Armen... Sie lachte, es war allerdings kein irres Lachen, wie ich es erwartet hatte, sondern ein herzliches, welches mich aus meiner Agonie riss. „Is das hier nich auch Benzin??“ „Du siehst traurig aus...“ „Vielleicht bin ich es...“ „Wie heißt du?“ „Spielt das ’ne Rolle?“ 11 „Für mich schon!“ Ihr Gesicht nahm einen trotzigen Zug an. „O.k. – ich heiße Jona. Du?“ Konversation war nicht gerade meine Stärke. „Kira!“ „Prost Kira!“ – ich war ein Arschloch und würde wohl immer eins bleiben. Da sitzt eine wunderschöne Frau vor mir, versucht mit mir zu reden und ich mache auf cool. „Komm, ich zeig dir was...“ Nach einem tiefen Schluck stand ich wackelnd auf meinen Beinen, zu allem bereit, zu nix in der Lage... Sie nahm wieder ganz selbstverständlich meine Hand und wir gingen entgegen der Richtung, aus der wir gekommen waren. Wir gingen stumm, meine Gedanken jedoch rasten, ihre kleine Hand war warm, so warm, dass ihre Wärme durch meinen ganzen Körper pulsierte. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte mal so wohl gefühlt hatte. Eben noch einsam unter lauter Zombies und jetzt hier Hand in Hand mit einem Wesen, das mich faszinierte... Wie so oft verstand ich nicht, was hier passierte, aber wozu das unverhoffte Glück, das mir zuteil wurde, hinterfragen. Ich hatte lang genug im Feldzug gegen mich selbst gelitten. Von der Tankstelle gingen wir durch die jetzt ausgestorbenen Straßen des Regierungsviertels. Vor einem mit Stacheldraht umzäunten Gebäude hielt sie an und führte mich durch ein Loch im Zaun. Vor mir zeichnete sich eine riesige Silhouette eines mir unbekannten Gebäudes ab. „Komm!“ Wir gingen hinten um das Haus herum, wo wir vor einem altertümlichen Lichtschalter stehenblieben. Klack. Das ganze Riesenhaus leuchtete mit einem Mal. „Was is das...?“ Sie antwortete nicht, nickte mir stattdessen zu, ihr zu folgen. Ich trank mir Mut an – das Haus war mehr als gruselig. Es sah aus wie die Eukodal-induzierte Vision eines Tempels. Ich stieg, darauf bedacht keinen Vodka zu verschütten, durch das riesige Fenster und stand in einem Raum, in dem man problemlos Reichsparteitage abhalten konnte. Am Kopfende war ein großer Adler angebracht, das Hakenkreuz war jedoch entfernt worden. An den Wänden Bilder, die irgendjemand wohl für Kunst hielt. „Kira...“ – laut hallte meine Stimme durch den riesigen Saal und ich konnte geradezu die Anwesenheit von etwas wirklich Bösem spüren .Ich durchschritt den Saal und ging unter dem mächtigen Adler hindurch, vor mir eine weitere Tür, die allerdings durch eine zweite Tür 12 ähnlich den Gittertüren, die in Gefängnissen vor die eigentliche Tür gebaut sind, versperrt war. Ich rüttelte an der Tür – nichts. Wo war sie? Mit einem Quietschen gab die vergitterte Innentür den Weg frei. Gerade noch rechtzeitig schlüpfte ich hindurch, ich konnte den Zug noch an meiner Jacke spüren. Ich war jetzt in einem kleineren Raum, meine Wahrnehmung veränderte sich und ich konnte erst nicht sagen, woran das lag, bis mir auffiel, dass sich die Lichtverhältnisse langsam und beständig änderten. Auch dieser Raum war leer, keine Spur von Kira. Ich fröstelte, trank ’n Schlückchen und kam nicht darauf, was das alles bedeuten sollte. Wie ’n verfluchter Irrgarten von Nazis für Volxschädlinge, wie ich einer bin, konzipiert und am Ende – als des Rätsels Lösung – ist man im Duschraum gefangen. Ich fröstelte und verließ die Hermann-Göring-Lightshow. „Kira?“ Ich konnte nichts sehen und gelangte auf einen Hof. Dort, angelehnt an ein Treppengeländer, dass wahrscheinlich in einen Keller voller Goldzähne führte, stand Kira und rauchte. „Was soll das? Wo sind wir hier?“ „Das ist mein Spielplatz – immer, wenn mir alles zuviel wird, gehe ich hier her.“ „Mir is gerade alles ’n bisschen viel...“ „So ging es mir beim ersten Mal auch, inzwischen ist es der Ort, an dem ich atmen kann, wenn ich das Gefühl habe, dass das Leben mir die Kehle zuschnürt.“ „Was ist das hier?“ „Keine Ahnung. Spielt das ’ne Rolle?“ „Ääh...“ „Komm, du hast noch nich alles gesehen...“ Jetzt wusste ich es – sie war ’ne neo-heidnische Gothic Frau, die auf S/M in Uniformen an blutgetränkten Orten stand. Aber weder ihr Outfit, welches eher klassisch englisch war – sie trug einen Schottenrock, eine schwarze Jacke, eine schwarze Strumpfhose und passend dazu rosa Chucks – noch ihre warme Austrahlung ließen darauf schließen, einzig ihre magnetischen grünen Augen. Ach was – durch meine street fighting years hatte ich ’nen Instinkt, wenn Gefahr drohte und bei ihr fühlte ich mich geborgen, hatte ein Urvertrauen, was rational nicht erklärbar war. Sie nahm wieder meine Hand und, obwohl es draußen kalt war, spürte ich die Kälte nicht. Wir gingen an der Rückseite des Gebäudes entlang und dort stiegen wir durch ein anderes Fenster wieder in das unheimliche Gebäude ein. Wir betraten eine gigantische Halle, die früher wohl als Fabrikhalle konzipiert war, ich konnte es an den Hebewinden an der Decke 13 erahnen, jetzt jedoch als Lagerraum für Schaufensterpuppen genutzt wurde. 1000de stehend, liegend, manche merkwürdig verdreht. Tickte ich durch oder glaubte ich allen Ernstes, Schmerz auf den toten Plastikgesichtern zu sehen. Ich musste raus hier – das war alles ’n bisschen zu viel für einen, der es gewohnt war, alleine seinen Kummer zu ertränken. Hastig stieg ich durch das Fenster, ohne mich nach ihr umzudrehen, so hastig, dass ich mich an der Hand schnitt. Fuck!!! Ein Schlückchen und durchatmen. Das alles hier is zu spooky für mich. Was soll das? Wer... „Alles o.k.?“ „Geht schon – komm, wir holen was zu trinken und suchen uns ’nen wirklich netten Ort...“ An ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass ich was Falsches gesagt hatte. „Äh, mir is so kalt hier...“ Sie nahm meine Hand und augenblicklich strömte Wärme durch meinen Körper. Was den Ort auch nicht gerade heimeliger machte, aber ich war es gewohnt, Zweifel wegzuwischen und erstmal den Moment zu genießen. Durch das Loch im Zaun gingen wir wieder auf die Straße. Ich wollte Richtung Tankstelle gehen, aber mit ihren kleinen Händen hielt sie mich fest. Unter der Laterne konnte ich das Glitzern in ihren Augen sehen. Schweigend sah sie mich an und ich hatte wieder das Gefühl, als ob sie das tiefste Innere meiner verkommenen Seele nicht nur sehen, sondern verstehen konnte. Ein Gefühl, das ich von sehr guten Freunden kannte, aber Kira kannte ich keine zwei Stunden. „Du bist süß.“ Das letzte Mal, als mir jemand sagte, ich sei süß, das war am Hauptbahnhof, als ich zwischen Strichern auf meinen Pusher wartete und ein fetter, gut situierter Freier mich anekelte. Aber das hier war was anderes – wir hatten kaum gesprochen und trotzdem herrschte tiefes Verständnis zwischen uns. Hand in Hand gingen wir durch das völlig unbekannte Berlin. Das hatte gar nichts mit dem Viertel, in dem ich wohnte zu tun, es gab keine Läden, keine Kneipen und die Straßen waren menschenleer. Konzernzentralen, Bürogebäude, Ämter und immer wieder Brachflächen. Wir gingen am ehemaligen Todesstreifen, der jetzt eine friedliche grüne Schneise zwischen Neubauten bildete. Durch eine Einfahrt führte mich Kira auf einen Hügel, vielleicht ein alter Trümmerberg... Von oben konnte ich auf ein Gebäude blicken, dass mit einem rot-weißen Band und Gerüsten umgeben war. Das Dach fehlte und ich konnte wie in einen hohlen Zahn von oben ins Innere 14 gucken. Es sah aus wie ein altes Kraftwerk, ich konnte elektrische Apparaturen und Metalltreppen erkennen. Stumm schauten wir und ich genoss die Wärme, die durch Kiras Hand in meinen Körper floss. Ich weiß nicht, wie lange wir dort oben gestanden hatten, ich wachte aus meiner süßen Betäubung auf, als sie sanft meine Hand drückte. „Komm! Ich hab nicht mehr viel Zeit...“ Langsam stiegen wir den Hügel hinab. Unten angekommen, ich surfte immer noch auf ’ner Welle von Vodka und Wärme, die ich nicht erklären konnte, gingen wir weiter . Stumm, ich wusste eh nicht, was ich hätte sagen können, obwohl ich mehr als eine Frage hatte, gingen wir weiter und ich ließ mich führen. Verantwortung abgeben war ich gewöhnt und ich wollte nur bei ihr sein, auch wenn ich nichts verstand. Wir waren immer noch im Regierungsviertel, liefen aber auf Wegen, die abseits der betonierten Straßen entlang führten. Nach einigen Minuten blieb sie vor zwei identischen Gebäuden stehen, die wie gespiegelt in der Dunkelheit glänzten. Sie sahen aus wie aus Metall, chromglitzernd und ohne Fenster, wie Pyramiden. Wer lag dort begraben? Ich versuchte zu reden, aber nichts kam über meine Lippen. Wir standen in der Nacht vor den Chromkathedalen und dieses Bild tätowierte sich in meine Hirnhaut. Gesichtlose Herrschaft, wie vom Himmel gefallen. Ohne Kira hätte ich diesen Anblick nicht ertragen, wie ’ne Stadtführung, die die Abgründe beleuchtet, die uns alle begleiten, die aber niemand sehen will. Ich hatte soviele Fragen, war aber unfähig zu sprechen. Verstohlen versuchte ich immer wieder, in ihre Augen zu schauen, doch sie war es, die bestimmte, was ich sehen durfte. „Was ist das?“ Ich hatte doch nicht die Fähigkeit zu sprechen verloren. „Nichts besonderes.“ Es hatte keinen Sinn, sie irgend etwas zu fragen, also genoss ich ihre Anwesenheit und ließ mich führen. Wir glitten durch die Nacht. Ich gab ihr meinen Player, auf dem die Tindersticks liefen und zum ersten Mal sah ich sie richtig lächeln. 15 Sie bewegte leicht ihren Kopf zu der Musik und Hand in Hand schwebten wir durch das Regierungsviertel. Es war ALLES klar zwischen uns, etwas, was ich bisher nur von guten alten Freunden kannte, die jetzt entweder tot, im Gefängnis oder nicht hier waren, obwohl NICHTS geklärt war. Der Gedanke an meine Freunde machte mich traurig und ich hielt ihre Hand etwas fester. „Mach dir keine Sorgen, du bist nicht allein.“ „Kannste Gedanken lesen? Du machst mir Angst.“ „Du brauchst keine Angst zu haben...“ Sie redete wie eine Mutter mit ihrem kleinen Kind mit mir und ich, der ich glaubte, alles durchzuhaben, glaubte ihr. Wir verließen die grässliche Bebauung der alten neuen Mitte des blutgetränkten Berlins und gingen Richtung Tiergarten. Auf einer Bank angekommen schwiegen wir uns an, es war kein unangenehmes Schweigen, und ich trank mit ihr gemeinsam den letzten Vodka. „Da guck!“ Ihre zarten kleinen Finger zeigten auf ein Reh, das direkt vor uns auf der Lichtung stand. Ich hatte noch nie ’n Reh in dem Moloch hier gesehen, allerdings habe ich auch noch nie Ausschau danach gehalten. Sie sprang auf und ging auf das Reh zu, ich hatte immer gedacht, dass Rehe scheue Tiere seien, aber dieses machte keine Anstalten zu flüchten. Langsam ging Kira auf das Tier zu und das Reh auf sie. Spinnte ich – aber ich meinte, das Funkeln in Kiras Katzenaugen im Dunkeln leuchten zu sehen, als sie das Reh umarmte und völlig harmonisch mit ihm auf der Lichtung stand. Mucksmäuschenstill beobachtete ich und fragte mich, ob mein Alkohol vernebeltes Hirn mir ’nen Streich spielt. Noch ehe ich die Frage für mich beantworten konnte, stand sie wieder vor mir, von dem Reh war nichts mehr zu sehen. „Ich muss gehen“, sagte sie unvermittelt. „Warum?“ „Ich muss!“ Sie umarmte mich und gab mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Mein Gesicht war heiß, heißer als 1000 Sonnen. Ich fühlte mich wie auf E ohne genommen zu haben, meine Hirnhaut und mein ZNS kribbelten. Ich war erfüllt von einer Woge der Liebe, 16 ich hatte das Gefühl, die verfickte Welt umarmen zu können – „he ain’t heavy he is my brother“ schoss mir der Multitrackgesang der Hollies in den Kopf. „Sehen wir uns wieder?“ „Ich weiß es nicht...“ Sie drückte mir einen Zettel und 2 kleine Muscheln in die Hand. „Die Muscheln, das sind wir...“ Und schon war sie aus dem Lichtkegel der Laterne verschwunden. Ich blieb noch ’ne Weile stehen, alleine mit Gefühlen, die ich nicht mehr zu kennen glaubte. Verwirrt und voller Hoffnung. Ich sah sie schemenhaft aus meinem Blickwinkel verschwinden... Der Zettel, den sie mir gegeben hatte, war ein Ausdruck der Bahn, auf dem „ICE 6667 16.02 Gleis 2 tägl.“ und in einer Kinderhandschrift „Warteraum“ stand, der Rest des Zettels war abgerissen. Naja, ich werd sie schon finden und dass ich sie treffen wollte, war mehr als klar. Selten war ich mir einer Sache so sicher gewesen, außer vielleicht der Entscheidung, Junkie zu werden. Der Vodka war schon wieder alle und ich ging auf dem Heimweg in mein vertrautes Viertel noch bei ’nem Kiosk vorbei und holte Nachschub. Dass ich schon wieder fast Pleite war, interessierte mich nicht. Der Ruin ist zu einem alten Bekannten geworden. Essen war zweitrangig und das Geld für Vodka und Zigaretten hatte ich immer irgendwie zusammengekriegt. Alles was mich interessierte war sie. Der lonesome cowboy war mitten ins Herz getroffen. Ich wollte ihre Geheimnisse rauskriegen, und ich war mir sicher, dass sie einige hatte. Im dem Loch, das meine Wohnung war, stellte ich fest, dass der Wasserschaden größer geworden war. Scheiß drauf – ich zieh eh aus, wenn auch nicht in das unheimliche Haus. Was war das für ein Gebäude und welchen Zweck hatte es?? Was mich am meisten wunderte war, dass ich keinen Schimmer hatte, was das für ein Haus sein könnte. So ein großes Haus, augenscheinlich während der NS-Herrschaft gebaut. Ich meine, ich hätte von der Existenz wissen müssen, wesentlich kleinere Gebäude aus verschiedenen Epochen waren mir bekannt und dieses von der Größe des Palastes der Republik sollte mir unbekannt sein? Inmitten von Berlin?? Und was hatte es mit den komischen Effekten auf sich??? Rauchend lag ich auf dem Bett und träumte von Kira. Wer war sie? Egal – das, was ich wußte war, dass ich bei ihr sein wollte. 17 Ich baute mir ’nen Gute-Nacht-Joint, exte noch ein Wasserglas Vodka und versuchte zu schlafen, aber ich war zu aufgewühlt . Hasch rauchend versuchte ich, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen, doch ich verstand gar nichts. War ich so weit far out, dass ich nicht mitbekommen habe, daß im Dunklen leuchtende Augen, inzwischen serienmäßig bei jungen Frauen eingebaut waren, oder habe ich durch meinen Psychodelikakonsum ’nen Hirnschaden davongetragen, der sich jetzt, nachdem ich bis auf Alkohol clean war, aufs fieseste seinen Kurs auf mein Neuronengeflecht gesucht hatte und für immer mein Begleiter sein würde...? Durch die lange Zeit, die meine Zellen im Takt der Alkaloide geschlagen hatten, wusste ich eh nicht mehr, was normal war und was nicht. Doch das, was ich sah, hatte ich noch nie gesehen. Musste ich erst nüchtern werden um dem Wahnsinn zu verfallen? Ich machte den reality check und beobachtete Dinge, die mir geläufig waren, aus meinem Fenster. Alles so wie immer, gegenüber ein städtischer Kindergarten und darüber ein Amt für Jugend und was weiß ich. Der rote Backsteinbau erhob sich wie immer bedrohlich gegen den Nachthimmel. Wie oft hatte ich mir in Kokainparanoia eingebildet, dass dort Geheimdienste, von deren Existenz noch nicht mal die Opposition wusste, mich und andere non stop beobachteten, weil dort nachts in einigen Zimmern Licht brannte. Also bitte, nachts in einer Behörde für Kinder und Jugendliche. Außer Exekutivbehörden kannte ich keine, die nachts arbeiten. Aber vielleicht macht dort irgendein netter Beamter regelmäßig Überstunden, damit die lieben Kleinen neuen Sand für den Spielplatz kriegen. Oder dort wird Saddam H. gefangen gehalten und verhört, ich meine wer würde darauf kommen, dass er über einem städtischen Kinderhort interniert ist. Während unten die kleinen Racker rumtoben, wird oben verhört und gefoltert. Ne, Saddam wird es nicht sein, aber jeder andere Systemfeind könnte dort oben zu dreckigen Deals verleitet werden. Ich meine, warum hat der Laden ’nen Sicherheitsmann? Ich sah den Typen öfter draußen rauchen. Vielleicht in seinen Folterpausen. „Du Bernd, tauch du ihn unter, ich hab Schmacht. Danach kannst du gehen...“ Ich weiß es nicht. Wer weiß es schon? Als das Morgengrauen langsam seine höchste Intensität erreichte und ich die ersten Zombies draußen hörte verfiel ich in einen unruhigen Schlaf. Ich träumte von dem Haus, in dem Hermann mit dem Blut seiner Morphiumspritzen entartete Kunst an die Wände malte und Hitlerjungen ohne Augen mit den Goebbelskindern packen spielten. Und über dem Haus zwei grüne Augen, die wie Laserstrahlen die Szene ausleuchteten. Schweißgebadet wachte ich nach drei Stunden Säuferschlaf auf. 18 Übelkeit schüttelte meinen Vergiftungen gewöhnten Körper. Ich schaffte es gerade noch ins Bad, wo ich mit Schweiß auf der Stirn ins Klo kotzte. Nach dem hömöophatischen Grundsatz, Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen, drehte ich der Vodkaflasche den Hals um. Obwohl ich mich beim ersten Schluck immer schütteln muss, weiß ich um die Wärme, die kurz darauf von meinem Magen aus durch meine kaputten Venen strömt. Nach einem Tee und ein paar Zigaretten legte ich mich in die Badewanne und versuchte, den gestrigen Abend zu rekapitulieren. Ich konnte mir keinen Reim auf gar nichts machen, wußte jedoch, dass ich zum Bahnhof gehen würde um Kira zu sehen. Doch bis dahin war noch leere tote Zeit, die Minuten zäh wie Kaugummi. Ich war warten gewohnt, mein halbes Junkieleben hatte ich gewartet, auf den Dealer, der immer zu spät kam, auf Arbeitsamtschecks, auf ’nen Platz in ’ner Entgiftung und dort darauf, dass ich wieder raus konnte, um jedesmal schlimmer im Sumpf zu versinken. Trinkend und rauchend überstand ich den Vormittag, daydreaming of her... Voller Vorfreude, wann hatte ich mich zum letzten Mal auf etwas wirklich gefreut, überstand ich den grauen Tag. Ich zog mich sorgfältig an und hörte „Let Love In“ von meinem Soulbrother Nick. Ich trank und beobachtete den immer fieser werdenden Wasserschaden und beobachtete das Ticken der Plastik-Schwarzwalduhr, die vom Vormieter dort hing, ich hatte es nicht geschafft in dieser Zelle heimisch zu werden. Fick drauf – das einzige, was ich brauche is ’n Bett, meine Musik, Vodka oder was anderes, um mein verfluchtes Hirn zu bombardieren wie Dresden ’45 mit Alkohol und Kira! Als ich meine Wohnung verlasse und aus Routine in den Briefkasten gucke – ich will nicht schon wieder wegen irgendeiner verpassten Frist oder Bewährungsauflage in den Knast – findet sich dort ein persönlicher Brief. Ah, meine gute alte Mutter, mir wird warm ums Herz, sie lässt ihren mißratenen Sohn nicht im Stich. Es geht ihr gut und mir auch, nachdem ich den 100 €-Schein sehe. Vielleicht sind es Schuldgefühle ihrerseits, sie weiß, dass ich am liebsten nicht hier gelandet wäre, aber wie jeder wurde auch ich nicht gefragt, ob ich Bock auf diese Welt habe... Ich muss ihr unbedingt von Kira erzählen und dass ich clean bin – das mit dem Alk lasse ich lieber aus, denke ich, als ich Richtung Kiosk gehe. „Hey Schlanker!“ Stoisch stapfe ich weiter Richtung Kiosk. 19 „Hey Schlanker!“ Eine Hand auf meiner Schulter lässt mich erschrecken. Hinter mir Tom, ein kleiner Pusher aus meiner Straße. „Ich nehme zur Zeit nicht!“ „Pech für dich, hab neben 1a H auch super Methaamphetamin aus der Tschechei am Start...“ Mein Junkiehirn rotiert, H? Ne, ich hab heute Größeres vor, aber gegen ’n bisschen Speed hatte ich nie was. Es macht dir nur die Birne weich , wenn du es zu lange nimmst, aber du kannst jederzeit aufhören. „Wieviel“, hörte ich mich fragen. „Standard, 10 Kröten das G.“ „Ich nehm 5.“ Wir gingen in eine Toreinfahrt, in ein offenes Treppenhaus, wo er mir die 5 Tütchen gegen Bares gab. „Auf Wiedersehen!“ „Tschüss.“ Ich war vorerst vom Kioskkurs abgekommen und ging in die Apotheke, wo ich 14ner-Nadeln, ’nen 10er-Streifen Pumpen und ’n 20 ml-Gefäß kaufte. Beim Kiosk kaufte ich neben Vodka und Kippen Wasser zum Injizieren. Zurück im Treppenhaus öffnete ich ein Tütchen, roch daran und probierte mit dem Finger, um ungefähr die Power des Stoffes zu bestimmen. Tom hatte zwar wie leider üblich mit Edelweiß gestreckt, aber es war scharfer Pep. Ruckzuck löste ich zwei Tütchen mit Wasser in dem 20 ml-Gefäß und zog mir ’ne 2 ml-Spritze auf. Was jetzt folgte war ungleich schwieriger: wohin damit, meine verknorpelten, perforierten Venen sahen aus wie Narben, durch die mein kaltes Blut floss. Ich war leicht unter Zeitdruck, ich durfte Kira nicht verpassen, hatte aber auch kein Bock auf ’n Blutbad, also unter die Achselhöhle – wo die SS ihre chicen Tattoos hatte. Langsam abdrücken, damit die Adern nicht platzen oder die Kanüle rausrutscht. Bingo. Geschafft! Wie eine Stuka im Tieflug kommt das Methaamphetamin in meine Cortex geschossen. Überwältigt von der Kraft des Stoffes gehe ich leicht in die Knie, den Arm immer noch aus dem Pullover und die Fixe in der Hand, als ’ne Türkenmami aus ihrem Loch kommt. „Was machste HIER! Hau ab! Ich ruf die Polizei.“ „Ich bin der neue Blockwart und wollte allen lieben Hausbewohnern die Aufwartung machen...“ „Verpiss dich und lass dich nie wieder sehen!!!“ 20 Hey, wenn es sein musste, konnte ich ja doch kommunizieren. Schnell räume ich die Sachen zusammen, wische den Blutstropfen aus meiner Achselhöhle und verstecke die restlichen Tütchen in meinen Socken. Das braune Fläschchen kam in die Jackeninnentasche zu den Bestecken. Gutgelaunt, steckte ich mir ’ne Kippe an und wurde Zeuge wie der Rotor in meinem Kopf ansprang. Ich steckte mir die Kopfhörer ein, ohne die ich nie das Haus verlasse, und surfe, getragen von Pepsi, mit guter Laune, wohligen chemischen Vulkanausbrüchen im Hirn meinem Glück entgegen. Speed ist billig und effektiv, frag die Ärzte der Luftwaffe von 1944 bis zu Afghanistan 2002. Dazu läuft Terranovas „ Peace Is Tough“ – der perfekte Sound um von A nach B durch den Moloch zu gelangen. Meine Gedanken schlagen Purzelbäume – ich ertappe mich dabei, wie ich denke: das Leben ist schön... Amphetamin Logic. Ich musste schmunzeln über den guten Witz, den ich mir selber erzählte. Da ich spät dran bin, fahre ich mit der U-Bahn und werde fast wahnsinnig. Alles voller Zombies, die aus irgendwelchen Hochhäusern ohne Fenster ausgespuckt wurden. Ich erkenne es an ihrer fahlen Gesichtsfarbe und mustere mich zum Vergleich in der Scheibe, etwas blass um die Nase, aber wenigstens meine Pupillen leben, die inzwischen fast die ganze Iris ausfüllen. Glück gehabt!!!! Endlich komm ich am Zoo an, noch eine weitere Station mit diesen lebenden Toten und es hätte ’n Unglück gegeben... Ich schiebe mich durch ekelhafte Menschenmassen, die träge wie Schafe zurück in ihre Zellen trotten und noch nicht mal wissen, dass sie Gefangene sind. Bin 12 Meter groß, Platz da, ich hab ’ne Mission zu erfüllen. Noch ’ne kurze Treppe und ich stehe in der vollen Bahnhofshalle. 15.45 zeigt die Bahnhofsuhr. Mit klopfendem Herzen suche ich den Warteraum. Ob mein Herz vor Aufregung schlug oder ich zuviel erwischt hatte, kann ich nicht mehr sagen. Zwischen Endzeit-Alkis und Pendler-Zombies – ich darf nicht so viel trinken, denke ich, als ich dem Vodkaflachmann den Hals umdrehe – warte ich auf die Liebe meines Lebens. Liebe meines Lebens? Das gelbe Sulfat aus der Tschechei macht mir das logische Denken nicht unbedingt leichter, aber was hat Liebe mit Logik zu tun? Unruhig rutsche ich auf dem Metallstuhl hin und her und versuche, mein aufgewühltes Innerstes mit dem Wässerchen zu beruhigen. Der Architekt dieser Grausamkeiten, die wahrscheinlich so designt sind, dass 21 Obdachlose dort nicht zu lange sitzen, müsste in einer gerechteren Welt solange auf seinem Entwurf sitzen bleiben, bis... Die Uhr zeigt 15.50. Wo ist sie? Ich stehe auf und gucke auf den Fahrplan, um 16.02 fährt kein Zug! Nach Nirgendwo. Hatte sie sich geirrt, zu meiner Beruhigung guckte ich auf den Zettel. Ne da stand es eindeutig. 16.02 auf Gleis 2. Mit trockener Kehle stromerte ich durch den Bahnhof, hoch zum ausgestorbenen Gleis 2, wieder zurück zum Warteraum. Das konnte doch nicht wahr sein. Kira, wo bist du?? Nachdem, was war – was war denn gewesen??? Meine Gedanken rasten mit Überschallgeschwindigkeit auf ihren Bahnen. Drehte ich langsam durch?? Was war gewesen?? Ich hab einen wunderschönen Abend mit ihr verlebt. Glaubte ich, dass sie mich von hier nehmen würde, um den Rest meines überflüssigen Lebens mit mir zu verbringen?? Häh Jona, come on...! Ich hatte wohl zuviele schlechte Filme gesehen. „Komm Baby, wir reiten zusammen in den Sonnenuntergang.“ Glaubte ich das wirklich? Ich konnte jetzt keine Antwort finden. Es war 16.15 und ich hoffte immer noch, dass sie jeden Moment mit ihren leuchtenden Augen und der warmen Aura um die Ecke kam. Doch sie kam nicht! Um 17.15 beschloß ich, zu dieser Künstler-Video-Geschichte zu gehen, um dort nach ihr zu suchen. Aber vorher ging ich – Grüße an Christiane F. – auf die Bahnhofstoilette, um mir ’ne schnelle Injektion zu verpassen. Oh Mann, ich hatte Bahnhofsklos immer gemieden, weil ich dort in den seltensten Fällen meine Ruhe hatte. Auch jetzt guckte mich die fette Klofrau mit geschultem Blick an, ich warf ihr ’nen Euro in die Schale und hoffte, dass sie mir wenigstens 3 Minuten gab, bevor sie anklopfte und anfing zu nerven. Routiniert gab ich mir ’nen Fix. Ich taumelte aus der Kabine und musste mich kurz am Waschbecken festhalten, wo ’n Zombie ungläubig glotzte, die Tschechen hatten sich bei dieser Fuhre von der besten Seite präsentiert. Beim Rausgehen rotzte ich den Chemiegeschmack in die Geldschale der Klofrau, stellvertretend für alle, die mir auf die Nerven gingen. Es war an der Zeit, der Welt etwas von ihrem Dreck zurückzugeben, mit dem ich seit Geburt konfrontiert wurde. Hab ich schon erzählt, dass Speed aggressiv macht? Aufgeputscht wie ’n Stuka-Pilot bahnte ich mir den Weg durch die Massen der ausgehöhlten Persönlichkeiten, die nichts ahnend auf dem Bahnhof herumstanden. Ich brauch ’ne Knarre, 22 schoss es mir durch den Kopf. Amüsiert über den Anflug von Aggressivität, versuchte ich, meine Gedanken zu sortieren. Ich war jetzt 14 Meter groß und hatte eine innere Mission zu erfüllen, Kira finden. Mit der Bahn fahren kam nicht in Frage – leichte Anflüge von Paranoia knisterten unter meiner Kopfhaut. Um die Paranoia in Schach zu halten, hetzte ich Vodka trinkend, die großen Straßen meidend, in Richtung des Regierungsviertels, Homevideo Non Stop. Non Stop. „Don’t stop till you get enough...“ Michael, hart wie Stahlbeton, liest einem Kind aus „Der Zauberer von Oz“ vor... Weiter, immer weiter, meine Kiefer knackten unter der Energie, die das Speed in meinem Hirn freisetzte. Mein Mund war trocken wie ’ne Keksdose. Ich brauchte dringend was zu trinken. Aber kein Kiosk weit und breit, ich könnte ja einen aufmachen, da, ’ne Imbissbude, 2 Vodka!! Ich kippte ihn in einem Zug. Wässerchen! Jetzt glaubte ich, die Russen verstehen zu können. Meine Gedanken, Befürchtungen und Hoffnungen beruhigten sich etwas. Nachdenken! Du musst nachdenken. Puh! Gar nicht so einfach. Ich setzte mich auf eine Bank, doch meine Leitungen im Kopf glühten weiter, wie die Telefonleitungen in der Wolfsschanze am Abend des 20. Juli ’44. Dass ich sie finden musste war mir klar, aber ob und was ich mir davon versprach, das war schon nicht mehr so klar. Ersma zum Keller, in dem wie uns trafen, sicher konnte mir dort jemand Auskunft geben. Und wenn nicht – schnell schob ich meine Zweifel beiseite. The power of positive drinking. Die restlichen Kilometer, wie groß war dieser verfluchte concrete jungle eigentlich, ging ich stoisch hastend wie ’n Kriegsheimkehrer ins Ungewisse. Als ich vor dem Haus ankam, ich wollte mir gerade ’n kleinen Schluck genehmigen, sah ich, wie zwei Männer gerade Sachen in einem Lieferwagen verstauten. „Homevideo non stop“, kam es über meine trockenen Lippen. „Is over“, antwortete der kleinere von beiden. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, ich war vom Erfolg meiner Mission überzeugt gewesen. Schlagartig ließ mich die Entäuschung fast nüchtern werden. Ich kam mir vor wie ’n kompletter Volltrottel. Wie ein Vietnam-Veteran, der nach seiner Rückkehr feststellen muss, dass seine Mission umsonst war. Einen Moment stand ich einfach nur grenzdebil da. „Kennt jemand von euch ’ne Kira?“ Ich war doch nicht völlig blöd und meine Vorgesetzten, hätte ich welche gehabt, wären sicher stolz auf meinen Scharfsinn gewesen. „Ne...“ 23 Ich ließ die beiden Nichts-Versteher stehen, was wussten die schon von Liebe – was wusste ich von Liebe, echote es in meinem Kopf, der sich immer mehr in ein Krisengebiet verwandelte. Nichts! Das was ich wusste war, dass ich sie sehen musste. „Enercity“ Die Neon-Leuchtschrift vom 08/15 Hochhaus, das überall auf der Welt hätte stehen könnte, brachte mich auf den glorreichen Gedanken, nochmal Energie zu tanken und dann weiter an allen komischen Orten, die ich gestern Nacht mit ihr besucht hatte, nach ihr zu suchen. Aber erstmal 'nen Schuss Dextro-Energen. Auf einem verlassenen Parkplatz, zwischen schwarze Limousinen gekauert, brachte ich meinen Hirnstoffwechsel auf Vordermann. Uuh! Ready for the Victory! Noch 'nen Vodkaschluck und ab dafür. Ich versuchte mich zu erinnern, wo das Spukschloss gestanden hatte, gar nicht so einfach mit geschätzten 2,5 Promille. Ah! Da lang – meine Orientierung war 1a! Ich ging den selben Weg, den wir gestern – war es gestern gewesen? Ich hatte schon immer Schwierigkeiten damit, die Tage auseinander zu halten, als ich glücklich und voller empfundener bedingungsloser Liebe mit Kira hier lang ging. Jetzt in der hereinbrechenden Dämmerung sah alles ganz anders aus. Getrieben vom großen, mächtigen Gott Rotor in meinem Kopf, lief ich siegesgewiss weiter. Als ich an den beiden fensterlosen Hochhäusern vorbei kam, war mir klar, dass ich auf dem richtigen Weg war. Aber wo war dieses Spukschloss gewesen? Dort, wo ich es vor weniger als 24 Stunden gesehen hatte, stand jetzt ein anderes Gebäude, dunkel und verlassen. Ich ging in der Hoffnung, irgendeine Spur meiner Erinnerung bestätigt zu bekommen, um das Gebäude. Doch was ich sah, hätte ich noch nicht mal auf LSD 25 für real gehalten, überall hingen Kabel und Leitungen herunter, die wie Kabel an einem Intensivstationpatienten wirkten, nur das diese Kabel nichts positives mit sich brachten. Die Kabel waren an den Versorgungsleitungen des Hauses angebracht und führten ins Dunkle nach oben. Vampire tauchten als erstes assoziativ in meinem zerschossenen Schädel auf. Vielleicht auch die Dämonen, die Amphetamine mit sich brachten. Ich traute meinen Augen nicht, also berührte ich die Leitungen, die aus dem Keller kamen, angsterfüllt mit dem Fuß, ich spürte etwas Hartes, Warmes am Schuh. Wie magnetisch angezogen von den Megawatt an STROM, folgte ich ihnen nach unten, ich wollte Licht im Keller anmachen, stellte aber fest, dass es weder nötig noch möglich war. Der Keller glühte förmlich. Als ich den Zählerraum betrat, konnte ich sämtliche Zähler des Hauses rotieren sehen und hören. Sie drehten so schnell, dass 24 ich das Klacken der Rädchen hören konnte. Irgend jemand – Wer? – zapfte dort unten 'ne riesige Menge Saft ab – dort unten waren bestimmt 30 Zähler: Gas + Strom. Wofür? Was sollte das? Als ich glaubte, den Strom und das Gas fliessen zu sehen, wurde mir klar, dass ich besser ging, nicht nur weil ich mir vor lauter Aufregung 'ne Kippe angesteckt hatte. Angsterfüllt hastete ich aus dem Keller, jeden Moment damit rechnend: KA-BUMM!!! Atemlos hielt ich etwa 250 Meter von dem Haus entfernt. „Scheiße, scheiße, scheiße...“ Ich war doch nicht Bruce Willis! Das is alles zuviel, ich brauch was, um die Dämonen, die sich in mir eingenistet haben, zu besänftigen. Heroin, ist das Mittel der Wahl, hörte ich den augenlosen Dr. Theo Morell in seinem Blut verschmierten Kittel, zuerst flüsternd, um dann immer lauter zu werden. Ersma weg hier... Erinnern! Ich musste mich er-in-nern!!! Alles war zugebaut, mit Gebäuden, die ich zum ersten Mal sah und die ob ihrer Gleichförmigkeit überall und nirgendwo hätten stehen können. Wo waren die Brachflächen und Schneisen geblieben? Scheiße, scheiße. Orientierunglos und vom chemisch verstärkten Verlangen getrieben, eilte ich weiter durch das Regierungsviertel. Zweifel, ob des Sinns meiner Mission drängte ich alle Speedparanoia beiseite. Ich brauchte dringend IRGENDWAS! Zum Runterkommen. Nicht drin, in einem Viertel in dem alle arbeiten und trotzdem niemand lebt. Meine Beine, die ich schon nicht mehr spürte, führten mich Richtung Tiergarten. Von meinem immer dünner werdenden Geld kaufte ich am Potsdamer Platz noch 'nen Flachmann Vodka, den ich in einem Zug leerte, aber meine Gedanken beruhigten sich kein Stück. Mist, ich brauch was Richtiges! HEROIN!!! Du weißt, wie es geht – so meldet sich meine Sucht unmissverständlich. Aber erst einmal den Platz im Tiergarten checken. Nichts! Die Lichtung lag verlassen in der hereinbrechenden Dunkelheit. Dort, wo ich gestern ein Reh, illuminiert von grünen Laserbeam-Eyes gesehen hatte, gähnte nur Leere! Laserstrahlen durchschnitten die traurigen Reste meines Verstandes. Und jetzt? Ich hatte keine Ahnung. Vielleicht erst einmal was zum Erden geholt und nochmal das Regierungsviertel durchlaufen. Der Optimismus, den die Fliegerschokalade in mir verströmte, wich immer mehr. Nach Hause? Ich hatte kein Zuhause, der alte Charlie Manson Song „ Home is where you are happy“ lief in meiner körpereigenen Jukebox. Übel, wenn dein eigenes Gehirn dich verhöhnt! 25 Na warte, dir werd ich's zeigen! In Richtung meines Viertels gezogen, von einer Kraft, die größer war als ich. Die Achterbahn in meinem Kopf stoppen, das war das einzige, was ich jetzt wollte. Schnell mit pfeifenden Lungen Richtung Kotti, den immer freundlichen Achmet, anrufen und alles wird gut. ALLES?? Ich kratze mein letztes Geld zusammen, etwas bei 30 €. Das reicht für 4 kleine Kugeln H. „Yes Achmet itz me – können wir uns treffen? Dies ist 'n Notfall.“ „Ich wusste, dass du dich wieder melden würdest... in 15 Minuten am Moritzplatz.“ Getrieben vom Wunsch, dass das braune bittersüße Pulver die Dämonen, die offensichtlich unter meiner Hirnhaut ihr Unwesen trieben, beruhigten, lief ich zum Moritzplatz. Völlig ausser Atem, erwischte ich Achmet, der gerade Feierabend machen wollte. „Hey, ich hab 30 €.“ „Hier hast du 5.“ „Danke!“ Und schon war ich damit beschäftigt, alles was ich zum Aufkochen noch brauchte zusammen zukriegen: 'nen Löffel und Asco. Da es keine Löffel in Automaten gibt und kein offener Kiosk weit und breit, an dem ich 'ne Coladose zum Aufbraten kriege, war ich gezwungen, in ein Café zu gehen. Obwohl ich nicht weit von hier wohnte hielt ich es nicht mehr aus. JETZT brauch ich was! Auf der Stelle. Halb wahnsinnig vor Gier und dem, was sich speedinduziert in meinem Köpfchen abspielte, orderte ich in dem Cafe 'nen Tee. Die Zubereitung zog sich in meiner distorted reality unendlich hin. Hätte ich wirklich 'ne Knarre gehabt, das wäre spätestens der Moment gewesen, wo ich mit ihr meiner Forderung Nachdruck verliehen hätte. Der Wixer braucht Jahre um heißes Wasser auf 'nen Teebeutel zu schütten. In meiner Vorstellung schoss ich dem böswilligen Arsch in den Kopf und erfreute mich am Muster, das sein Hirn an der Wand hinterließ. Endlich! „Zitrone bitte“, hörte ich eine gepresste Sttimme unter Höchstanspannung metallisch aus meinem Inneren kommen, während ich das Kleingeld auf den Tisch legte und den Löffel zu den anderen Utensilien in meine Jacke gleiten ließ. Als der Nigger, nach einer weiteren Ewigkeit, mit der künstlichen Zitrone ankam, war ich soweit, Ungeborene aus Mütterleibern zu schneiden, und nicht mehr fähig zu warten, ich griff die Flasche und ging einfach raus. Ein Junkie in diesem Stadium kennt keine Furcht, außer der, nicht schnellstmöglich abdrücken zu können. 26 „Put your finger on the trigger for the years to come…“ Mit dieser musikalischen Erinnerung im Ohr setzte ich mir auf 'nem Spielplatz, den alles auflösenden Schuss. ALLES??? Obwohl wohlige Wärme in mir strömte und die Stimmen der Ungeheuer in meinem Kopf leiser wurden, löste sich leider nicht alles auf. Die kurze Euphorie, die sich normalerweise einstellt, blieb aus. Was blieben, waren Zweifel, Erinnerungen, Fragen, die von meiner akuten Gier nach op8 nach hinten gedrängt worden waren. Rauchend versuchte ich mein weiteres Vorgehen zu überlegen. Ich beschloss, nach Hause zu gehen und mich kurz auszuruhen. Der Tag war zu heavy für mich gewesen. Langsam, im Takt des Opiats, schlenderte ich durch die Straßen. Im Loch angekommen, zog ich meine durchgeschwitzten Klamotten aus und ließ heißes Wasser in die Badewanne ein. Obwohl meine Gedanken nicht mehr so rasten, war ich weit davon entfernt, ruhig zu sein. Als ich mein Gesicht im Spiegel sah, erschrak ich, ich sah ein graues abgezehrtes Gesicht, das mich an einen KZ-Häftling erinnerte. Genauso wie die durch die Alliierten befreiten Häftlinge hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich lag rauchend in der Wanne und beschloss, zurück zu dem Haus zu gehen, von dem Energie abgezapft wurde und den glühenden Kabeln zu folgen. Das warme Wasser zeigte Wirkung und längst verloren geglaubte Venen ließen sich blicken. Um die süße Trägheit zu besänftigen, die das Opiat ausgelöst hatte, mir aber bei meiner Mission, Kira zu finden im Weg war, schoss ich etwas Speed, wohl wissend, dass ich eventuell auftretende Paranoia mit Heroin parieren konnte. Es ist immer gut, 'nen Fallschirm dabei zu haben, wenn man fliegt Schnell trocknete ich mich ab und zog mich an. Mein Gehirn brutzelte, trotzdem versuchte ich meine Gedanken zu fokussieren: Kira! Kira!! Ich wollte nicht aufgeben und weiter nach ihr suchen, mal abgesehen davon, dass ich sie zu lieben glaubte und mein fritiertes Hirn mir keine andere Handlungsoption vorschlug. Sorgfältig kochte ich die vier Päckchen Heroin auf und füllte die ölige Lösung in ein braunes 20 ml-Gefäß und die verbleibenden drei Gramm Speed rührte ich ebenfalls in Wasser auf und hatte ein weiteres Gefäß gefüllt. So ausgerüstet zog ich mich an und verstaute meine Drogenvorräte, Zigaretten und einen halben Liter Vodka in meiner Jacke. Die Nacht war mild und ich ritt auf einer synthetischen Wolke von Kreuzberg nach Mitte. 27 Im Player lief „ Let Love In“ von N. Cave und gleich der erste Song brachte mein Dilemma auf den Punkt: „Do you love me...?“ „Like I love you...?“ Das war genau der Punkt. Hatte ich mich in eine Sackgasse verannt und Kira empfand etwas völlig anderes. Dies war eine der Fragen, die mir den Antrieb gaben, weiter durch die Nacht zu ziehen und Ausschau nach ihr zu halten. Ich glaubte über die glühenden und surrenden Kabel ihre Fährte aufnehmen zu können. Glaubte ich, der an gar nichts glaubte, daran? Oder gab der Brei in meinem Kopf Wunschdenken als mögliche Realität aus? Hastig ließ ich das pulsierende Kreuzberg hinter mir mit Kurs auf das Regierungsviertel. Am Haus angekommen, meinte ich die Elektrizität über mein ZNS spüren zu können. Ich spürte die Elektrizität im Hirn, meine Nackenhaare stellten sich auf. Hier lief was Größeres!!! Ich kenn mich mit Physik nicht aus – war aber sicher, dass hier nicht ein Sozialhilfeempfänger Strom für seinen schwarz/weiß-TV abzapfte. War hier in der Nähe nicht das E-Werk gewesen, in das Kira und ich von oben rein gucken konnten? Unbeirrt vom Knacken meiner Kiefer und dem damit verbundenen Entgleisen meiner Gesichtsmuskulatur – Gesichtsdisco Non Stop! – probierte ich das, was ich sah in einen für mich logischen Zusammenhang zu bringen. Die dicken schwarzen Kabel liefen von den Versorgungsleitungen im Keller nach oben, in etwa 10-15 Meter Höhe, um dann vom Haus wegzuführen. Den Kabeln zu folgen schien mir die einzig logische Konsequenz zu sein. Non Stop. Ich wusste, dass diese Kabel meine Connection zu Kira, zu meinem Glück waren. Der Gedanke an sie löste eine warme Welle voller Liebe in mir aus. Die Kabel waren in der Dunkelheit nur schwer zu sehen, aber ich konnte die Elektrizität spüren. Wie eine E-Lok lief ich auf den Schienen, ab und zu konnte ich durch die Straßenlaternen die schwarz glänzenden Kabel sehen. Aber das spielte eigentlich keine Rolle. Ich wurde eh magnetisch angezogen und die Elektrizität in meinem Kopf trieb mich weiter, immer weiter. Non Stop. Non Stop. STOP THIS CRAP AND D:I:Y!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! SEARCH???? 28 Speed!!! Meine Pupillen so groß, dass die zwei Boings ,die ins WTC flogen 'nen Looping in ihnen hätten machen können. Apocalipse Now – das Grauen. …Ich badete in Selbstmitleid und Chemie--Fühlte mich wie Vietnam / Ramones/ Führerbunker/ Goebbels/ wilde Tiere Let Luv In Pain but no cure volxbühne Suicide? wake up, zombinated hell is round the corner Graues Bild Umgebung ist grau Isolated like Major Tom Raumfahrt eines Astronauten um die Erde Person, die immer zur selben Zeit imBahnhof sitzt – ausgehöhlt Zombie 10 recommendations of musik: Scientist – „Rids The World Of The Evil Curse Of The Vampires” Anita Lane – „Dirty Pearl” Lee Scratch Perry – „Open The Gate” Audio Active – „Tokio Space Cowboys” David Bowie – „Diamond Dogs” Jesus & Mary Chain – „Honey’s Dead” Nick Cave – alles bis„ Nocturama” Prince Far I & The Arabs- „Dub To Africa” Joy Division – „Unknown Pleasures” Rockers Hi-Fi- „The Black Album” 29 AIN’T GONNA RAIN ANYMORE Once there came a storm in the form of a girl It blew to pieces my snug little world And sometimes I swear I can still hear her howl Down through the wreckage and the ruins And it ain’t gonna rain anymore Now my baby’s gone And it ain’t gonna rain anymore Now the storm has passed over me I’m left to drift on a dead calm sea And watch her forever through the cracks in the beams Nailed across the doorways of the bedrooms of my dreams Now I have no one to hold Now I am all alone again It ain’t too hot and it ain’t too cold And there is no sign of rain And it ain’t gonna rain anymore Now my baby’s gone, yeah And it ain’t gonna rain anymore Now my baby’s gone, yeah And I’m on my own She ain’t coming back no more She ain’t coming back no more She ain’t coming back no more Say what you will, I don’t care (Cave) 30