Rad oder Raupe? - Fachhochschule Südwestfalen

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Rad oder Raupe? - Fachhochschule Südwestfalen
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landmaschinen
NL-Diskussionsrunde
Rad oder Raupe?
Anfang November trafen sich beim John Deere Händler Porst Landtechnik in Sachsen
Praktiker und Firmenvertreter, um Erfahrungen über die Vor- und Nachteile der beiden
Fahrwerkstypen auszutauschen.
Jörg Möbius, NL-Redakteur
E
ine offizielle Statistik über die Fahrwerksvarianten verkaufter Traktoren
gibt es nicht. Angaben der Hersteller
ermöglichen zwar kein umfassendes Bild,
zeigen aber gut Tendenzen auf. So staunten
die Teilnehmer der NL-Diskussionsrunde nicht
schlecht, als Heiner Gedecksnis, Produktspezialist Großtraktoren beim deutschen John
Deere Vertrieb in Bruchsal, bei seiner kurzen
Begrüßung darauf hinwies, dass in Großbritannien jeder dritte verkaufte Traktor der
8er-Serie ein Raupenfahrwerk hat. John Deere
bietet die in den USA mit vielen Features für
den europäischen Markt entwickelten und
dort gebauten 8R Radtraktoren mit fünf Modellen von 260 bis 260 PS Nennleistung an.
Von der Version mit Bandlaufwerk 8RT gibt es
3 Modelle mit 310, 335 und 360 PS.
◼ Bodenschutz im Mittelpunkt
Professor Ludwig Volk von der Fachhochschule
Südwestfalen begann seinem Einführungsvortrag mit einem Plädoyer für den Bodenschutz.
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Anhand von Beispielen zeigte er Fehler, die
immer wieder auf den Äckern zu sehen sind.
Um einen Hektar zu bewirtschaften, werden
jährlich zwischen 40 und 200 Liter Diesel
aufgewandt. Das sind rund ein Viertel der
Verfahrenskosten auf dieser Fläche. Hier lohnen
diverse Maßnahmen zur Einsparung. Dazu
gehört zuerst der angepasste Reifendruck
auf dem Acker. Ein Zentimeter Spurtiefe mehr
durch zu hohen Luftdruck im Reifen und
damit verminderte Aufstandsfläche kostet
zehn Prozent mehr Diesel! Dr. Enrico Sieber
von Porst Landtechnik verwies darauf, dass
für Traktoren dieser Leistungsklasse 800er
Reifen von Michelin an besten geeignet seien,
aber die Kundschaft bei 5.000 Euro Mehrpreis
gegenüber anderen Fabrikaten allerdings diese
Mehrausgabe oft nicht tätigt.
Thema an diesem Tag aber war die Frage Rad
oder Raupe. Deshalb informierte Prof. Volk
u.a. über die Erfahrungen auf Gut Dittenfeld
in Oberbayern. Der Verwalter Eckhard Döring
hat seit 1990 mit einem MB-Trac, ausgerüstet
mit einer RDS Box zur Reifendruckanpassung,
gearbeitet. Mit 0,8 bar Luftdruck betrug der
Schlupf rund 15 %. Die Kosten für Arbeit und
Bei der Spatenprobe: Prof. Ludwig Volk (vorn),
Lars Köchling und Björn Becker (hinten)
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Tabelle 1: Daten der in Deutschland angebotenen Raupenlaufwerke für die Traktoren John Deere 8RT.
Typ (Dicke, Festigkeit)
Bandbreite
Radstand
Kontaktfläche
je Band
Spurweite
minimal
Spurweite
maximal
Fahrzeugbreite
minimal
Fahrzeugbreite
maximal
185 mm Pitch Camoplast Durabuilt 3500
625 mm (25“)
2,515 m
1,572 m²
1,829 m
2,337 m
2,454 m
2,962 m
185 mm Pitch Camoplast Durabuilt 5500 625 mm (25“)
2,515 m
1,572 m²
185 mm Pitch Camoplast Durabuilt 3500 760 mm (30“)
2,515 m
1,911 m²
1,930 m
2,337 m
2,690 m
3,097 m
185 mm Pitch Camoplast Durabuilt 5500 760 mm (30“)
2,515 m
1,911 m²
Hinter­
räder
Vorder­
räder
Position
der Felge
650/85R38 620/75R30 Innen
Außen
710/70R42 620/75R30 Innen
Außen
800/70R38 620/75R30 Innen
Außen
Radstand (mm)
Fahrzeugbreite (mm)
minimal maximal minimal
1.690
1.875
1.821
1.752
maximal
2.340
2.525
2.180
2.471
2.830 mm
1.875
2.462 mm
2.585
1.821
2.180
2.531
2.890
1.846
2.028
2.646
2.828
–
–
–
–
Maschinen betrugen rund 450 Euro/ha. Seit
2005 wird für die schweren Zugarbeiten eine
Challenger Raupe eingesetzt. Damit, so hat
der Verwalter kalkuliert, muss er für Arbeit
und Maschinen nur noch rund 300 Euro/ha
aufwenden. Das Fazit zum Einsatz von Raupentraktoren:
Pluspunkte
▪ maximale Bodenschonung,
▪ maximale Dieseleffizienz,
▪ keine Probleme mit StVO,
▪ sehr hohe Zugleistung mit minimalem
Schlupf,
Nachbarn im Gespräch: Johannes Horsch
(links) und Ludwig Koch bewirtschaften Betriebe
in der Lommatzscher Pflege.
Tabelle 2:
Fahrzeugbreiten
John Deere 8R mit
den drei gängigsten
Reifenvarianten.
▪ hohe Schlagkraft durch große Arbeitsbreite,
▪ guter Fahrkomfort im Acker,
▪ wirtschaftlich ab 500 Bh bei über 500 ha.
Minuspunkte
▪ nur für Zugarbeiten auf dem Acker,
▪ höhere Anschaffungskosten,
▪ kaum Fahrkomfort auf der Straße,
▪ Bodenwälle in Kurven auf dem Acker,
▪ nicht für Grünland geeignet.
Prof. Volk verwies darauf, dass auch Raupentraktoren je nach Arbeitsaufgabe mit
Gewichten ausbalanciert werden müssen. Nur
Wenn das Band parallel mit vorne und hinten
gleicher Last auf dem Boden liegt, kann auch
die gegenüber Reifen bedeutend höhere
Kontaktfläche gleichmäßig gering belastet
werden. Mit 625 mm breiten Gummiraupen
und minimaler Spurweite sind 8RT Traktoren
nicht breiter als 8R Traktoren mit 650er oder
710er Reifen (Tabellen 1 und 2). Mit den
breiteren Gummiraupen (760 mm) kommen
die 8RT Traktoren auf ähnliche Breiten wie 8R
mit 800er Bereifung.
Dr. Sieber stellte eine einfache Excel-Tabelle zum Vergleich der Maschinenkosten
beim Einsatz Radtraktor oder Raupentraktor
vor (Tabelle 3). Sie kann im Internet unter
XXXXXXXXXXXXXXXX mit der pdf dieses Beitrages herunter geladen und mit eigenen
Angaben zur Kalkulation genutzt werden.
Auf einem Schlag neben dem Landmaschinenhandel wurde dann noch einmal anhand
der dortigen Bodenstruktur in den Fahrspuren
und im Wuchsraum über das Thema Bodenschonung diskutiert.
◼ Vielfältige Praktikererfahrungen
Der Einladung zur Diskussionsrunde waren
drei Unternehmer und zwei angestellte Mitarbeiter aus fünf größeren landwirtschaftlichen
Betrieben gefolgt. Vier von ihnen haben 8RTRaupentraktoren im Einsatz.
Björn Becker arbeitet für die Starzach Agrar
AG, gelegen im Landkreis Tübingen (Baden-Württemberg). 650 Hektar Ackerfläche
werden mit vier Traktoren zu90 % pfluglos
bewirtschaftet. Der stärkste Traktor ist ein
8400T mit 280 PS. „Mit dieser Raupe fahren
wir zwei km/h schneller als mit den anderen
Traktoren und verbrauchen trotzdem je Hektr
zehn Liter weniger Diesel. Die Zugleistung ist
beeindruckend.“
Carl Graf zu Eltz ist Eigentümer von Gut Wolfring in der Oberpfalz in der Nähe von Weiden.
Mit vier Traktoren bewirtschaftet er 360 ha
eigenes Ackerland und 200 ha in Kooperation.
„Wir haben schon vor einiger Zeit eine Raupe
getestet, aber damals hat uns das Fahrverhal-
Tabelle 3: Kalkulation Maschinenkosten Radraktor/Raupentraktor. Die Excel-Tabelle ist hier beispielhaft
ausgefüllt. Sie kann im Internet unter XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX heruntergeladen und mit eigenen Angaben ausgefüllt werden.
Carl Graf zu Eltz ist Biogaspionier in Bayern.
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Heiner Gedecksnis, Produktspezialist Großtraktoren, John Deere Vertrieb Bruchsal
die Traktoren nicht für Transportarbeiten auf
der Straße. Dazu habe ich Sattelauflieger-LKW
mit Fliegl-Muldenkippern im Einsatz. Eigentlich
war der Kauf der Raupe nicht geplant. Aber
die Leistung überzeugt: Mit dem Grubber
bergauf schafft die Raupe, was der gleich
starke Radtraktor nicht schafft.“ Und das, obwohl Ludwig Koch einer der Kunden bei Porst
Landtechnik ist, der seine Traktoren überlegt
mit passenden Reifen bestellt.
Lars Köchling arbeitet auf Gut Mühlenhof in
Immenhausen bei Kassel. Zum Gut gehören
480 ha Acker, die pfluglos bewirtschaftet
werden. Dazu kommen knapp 100 Hektar, die
in Lohnarbeit bewirtschaftet werden. „Dafür
haben wir nur zwei Traktoren von John Deere
mit 200 und 340 PS im Einsatz. Sie sind mit
Reifendruckregelanlagen von STG ausgerüstet.
Wir fahren auf der Straße 1,8 bar und auf dem
Acker konsequent 0,8 bar. Aber wir sind am
überlegen, den großen Traktor durch eine
Raupe zu ersetzen.“
Fazit: Raupenfahrwerke sind ideal, wo sie
sich technologisch in die Betriebsorganisation eingliedern lassen und mit schwerer
Zugarbeit ausgelastet sind. Traktoren mit
Bandlaufwerken schaffen eine höhere Flächenleistung bei geringerem Dieselverbrauch pro Hektar. Mit geringerem Bodendruck haben sie ein größeres Einsatzfenster
als Radtraktoren. Da Straßenfahrten bis auf
kurze Wege zum Feld tabu sind und sie sich
kaum zu Pflegearbeiten leisten, muss eine
Ackerfläche von mindestens 500 ha für eine
wirtschaftliche Auslastung vorhanden sein.
(mö)
NL
www.deere.de
www.reifenregler.de
Dr. Enrico Sieber, Verkaufsleiter, Porst Landtechnik GmbH, Rauschwitz
ten nicht gefallen. Mit der neuen Air-Cushion
Luftkissen-Federung zwischen Fahrwerk und
Rahmen ist eine deutliche Verbesserung zu
spüren. Unsere 8320 RT-Raupe bringt mit 50 PS
weniger Leistung als unser großer Radtraktor
trotzdem eine bessere Zugleistung als der
Radtraktor.“ Für das schnelle Arbeiten ohne
Bodenwällen am Vorgewende hat Carl Graf
zu Eltz folgenden Tipp: „Wird die übernächste
Spur angesteuert, entsteht normalerweise
kaum Schaden auf dem Vorgewende.“
Johannes Horsch nennt einen Betrieb in der
Lommatzscher Pflege und gemeinsam mit
drei weiteren Gesellschaftern vier Betriebe
in Tschechien sein eigen. Auf den zusammen
rund 5.000 Hektar laufen im Moment vier Raupen, drei ältere John Deere (zwei 8400T und
eine 8345T) sowie eine Challenger MT865B.
„Für uns ist wichtig, dass die Raupen mit der
automatischen Lenkung sofort wieder auf
Spur gehen. Knicklenker dagegen packten das
bisher gar nicht. Mit der Zugkraft der Raupen
haben wir eine echte Leistungssteigerung
hinbekommen. Für die Bodenbearbeitung
werden wir zukünftig fast vollständig auf
Raupen umsteigen.“
Ludwig Koch bewirtschaftet einen 680 Hektar
Ackerbaubetrieb in Mochau in der Lommatzscher Pflege. Darauf baut er zu 70 bis 80 %
Körnermais an. 1999 hat er den Betrieb komplett auf pfluglos umgestellt: „Seitdem ist alles
besser.“ Von vier großen Traktoren ist einer ein
Raupenschlepper: 8345 RT. Am Nachmittag
war er vor einem Lomma 280 Umladewagen
beim Maisdreschen im Einsatz. Am Feldrand
wurde in Sattelzüge umgeladen. „Wir nutzen
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Umladetechnik beim Maisdrusch auf dem Betrieb Koch: Der 8345 RT zieht einen Umladewagen Lomma UW 280 und lädt am Feldrand auf LKW mit Fliegl-Sattelaufliegern.
Stoppelbearbeitung nach Körnermais in der Lommatzscher Pflege: der 8345 RT zieht einen (6 m?)
TopDown von Väderstad.
Fotos: Volk (4), Möbius (4)