Unzufrieden zufrieden (Nr. 19)

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Unzufrieden zufrieden (Nr. 19)
Heidekraut Journal Online
Unzufrieden zufrieden (Nr. 19)
Letzte Aktualisierung Freitag, 1. August 2008
Der Schulleiter des Gymnasiums zieht Bilanz
„Kunst wäscht den Staub des Alltages von
der Seele“, so steht es in großen Buchstaben
im Foyer des Wandlitzer Gymnasiums.
Entsprechend diesem Spruch von
Pablo Picasso steht im Zimmer des Schulleiters
wenigstens eine Gitarre in der Ecke.
Der studierte Mathematik- und Physiklehrer
Hartmut Arndt (50) leitet seit 16
Jahren unser einziges Gymnasium. Sechs
Jahre davon hat er mit vielen anderen um
dessen Weiterbestehen gekämpft. Wie
richtig das war, zeigte sich auch in diesem
Jahr. 75 Mädchen und Jungen haben sich
um einen Platz an diesem Gymnasium
beworben, genügend junge Leute für
drei Klassen. Doch der Landkreis Barnim
lehnt drei Klassen ab. 17 Bewerber sollen
an andere Schulen und damit weite Schulwege
in Kauf nehmen.
Das sei nur eine Retourkutsche des Landkreises,
grummeln hiesige Kommunalpolitiker.
Der revanchiere sich dafür, dass er
im Kampf um den Bestand des Gymnasiums
nachgeben musste. Wenn dem so ist,
dann trifft es die Falschen und ist das falsche
Signal in einer ohnehin umstrittenen
Schulpolitik.
Hartmut Arndt kann in dieser Frage
nichts entscheiden, aber auf seiner Seele
wird nun sicherlich etwas mehr „Staub
des Alltages“ lasten. Denn er ist ein Pädagoge
durch und durch.
Lutz Renner sprach mit ihm über die
aktuelle Situation in seiner Schule.
HK-J: Herr Arndt, wie zufrieden sind Sie mit
den diesjährigen Abiturergebnissen?
Wir sind zufrieden. Wir liegen exakt im
Durchschnitt, das heißt, wir haben eine
Durchschnittsnote von 2,4 erreicht. Die
Anzahl der Abiturienten, die unter einem
Durchschnitt von 2,0 liegen ist deutlich
gestiegen. Das freut uns, dass unsere Schüler
viele gute und sehr gute Leistungen erreicht
haben. Allerdings haben wir in diesem Jahr
keine Spitzenleistung von 1,0 erreicht.
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HK-J: Warum nicht, in Cottbus schafften das
zehn Abiturienten?
Wer dieses Ergebnis erreicht, ist ein Ausnahmeschüler,
absolute Spitze. Diese hatten wir
in den letzten Jahren öfter. Und mit Cottbus
können Sie uns nicht vergleichen. Dort sind
die besten Schüler des ganzen Landes auf
naturwissenschaftlichem Gebiet vereint.
HK-J: Trotzdem, auch bei Mathe-, Biologie
oder Physikolympiaden sind seit Jahren keine
Wandlitzer Schüler unter den ersten zehn des
Landes.
Das ist logisch. Wir sind mehr auf Sprachen
und Künste spezialisiert. Wer eine
spezielle naturwissenschaftliche Ausbildung
will, muss auf das Barnim-Gymnasium.
Und in unserer Spezialisierung haben
wir bei Olympiaden erste und zweite Preise
erreicht. Wiebke Jakob z.B. ist im Bundeswettbewerb
Preisträgerin im Fach Englisch
geworden. Neun unserer Schüler wurden in
den Sparten Französisch und Spanisch im
Landesvergleich Preisträger.
Im Übrigen wollen wir über den Förderverein
Spitzenleistungen stärker fördern.
Bislang wurde ein Abiturergebnis von 1,0
durch den Förderverein mit 100 Euro
gewürdigt. Künftig wollen wir solche Anerkennungen
bereits in die 10. Klasse vorverlegen.
So wirken diese noch zwei Jahre in
die Schule hinein.
HK-J: Kollegen von Ihnen beklagen eine
rückläufige Wissensvermittlung, besonders in
den naturwissenschaftlichen Fächern. Haben
die Recht?
So ist das nicht. Die Stundensätze haben
sich verschoben, früher gab es z.B. drei Physikstunden
in der Woche, heute ist es noch
eine. Die Schwerpunkte wurden verschoben
und in dem Sinne würde ich Ihnen für
Naturwissenschaften Recht geben.
Aber wir haben seit vier Jahren ein zentrales
Abitur, dadurch gibt es Rahmenlehrpläne,
die alle als Konzept annehmen müssen. Die
chaotischen Zeiten mit dem dezentralen
Abitur sind vorbei.
HK-J: Dafür gibt es jetzt das Abitur in zwölf
Jahren, auch für Sie ein Turbo-Abi?
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Ich denke nicht. Wir müssen nur das Stundenvolumen
erfüllen. Wir verschieben jetzt
Stunden, die in den letzten beiden Klassen lagen, in den Bereich der 7. bis 10. Klasse.
Die Kultusministerkonferenz hat z.B. für
die 8. Klasse 33 Wochenstunden festgelegt.
Damit wird einiges aufgefangen und
ich denke, mit diesem Stundenansatz
können wir zufrieden sein.
HK-J: Die Notenvoraussetzungen
für die Aufnahme ins Gymnasium
sind heftig umstritten.
Sie gelten als zu niedrig,
würden Mittelmaß in die Gymnasien
bringen…
Wir machen nichts am
Durchschnitt fest. Ich nehme
die Gutachten der vorhergehenden
Schule, führe sehr
oft Gespräche mit Eltern und
den Aufnahmekandidaten
und entscheide dann.
HK-J: Das ist ostdeutsch…
Das weiß ich nicht, ob das
ostdeutsch ist. Es ist mein Lehrerherz, das
den Schüler anders betrachtet.
HK-J: Sie haben 52 Lehrer an Ihrem
Gymnasium. Wie viele davon kommen aus
Wandlitz?
Das sind 14. Alle anderen kommen von
außerhalb, aus Bernau, Berlin, aber auch
aus Schwedt. Ich bin in Klosterfelde zu
Hause.
HK-J: Dann wirken Sie über den einzelnen
Lehrer relativ wenig in die Gemeinde
hinein. Wie wirken Sie als Schule?
Wir versuchen alles Mögliche. Wir unterstützen
die Patenschaften mit den Partnerstädten,
machen öffentliche Projektwochen
oder Theaterveranstaltungen.
Seit drei Wochen gibt es unseren Kurs
„Computer für Senioren fünfzig plus“.
Die jungen Leute, die in unserem Computerleistungskurs
ausgebildet werden,
stehen Älteren zur Verfügung, um denen
zu vermitteln, wie ein Brief am Computer geschrieben wird, oder wie das Internet
zu handhaben ist. Es ist herrlich mitzuerleben,
wenn jugendliche Ungeduld
auf die Bedächtigkeit der Älteren trifft.
Das hilft beiden. Das wollen wir weiter entwickeln,
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z.B. auch bei der Vermittlung der
englischen Sprache.
HK-J: Was ist Ihr größtes Problem?
Zum einen haben wir nicht genügend Geld
für das, was wir gerne machen möchten. Ich
denke an eine bessere Ausstattung mit Lehrbüchern
und Lehrmitteln, an notwendige
Bautätigkeiten.
Zum anderen müsste die Klassenfrequenz
deutlich gesenkt werden. Wir
liegen jetzt bei fast 30 Schülern
pro Klasse, international
spricht man von
einer idealen Klasse,
wenn sie 17 Schüler
hat. Wir leben
in einer Region
die von Zuwachs
geprägt ist. Jährlich
kommen etwa
140 Kinder hinzu.
Das muss auch für
die schulische Infrastruktur
berücksichtigt werden. Mein Kollege
von unserer Partnerschule in Vier in
Frankreich z.B. hat 42 technische Mitarbeiter.
Wir haben zwei. Doch so etwas kostet
eben Geld. Leider.
HK-J: Im nächsten Jahr zieht die Grundschule
hier aus und in den Neubau. Was
bringt Ihnen das?
Welche Räume wir erhalten
werden, das wird spannend. Ich
gehe davon aus, dass sich unsere
räumliche Situation verbessern
wird. Wir haben derzeit keine
Bibliothek, keine Mediathek,
ein Raum mit Medieninseln
fehlt. Wir wünschten uns einen
großen Raum, der für Theaterproben
und –veranstaltungen
genutzt werden könnte. Ich bin
gespannt.
HK-J: Wenn der Schulleiter
unseres Gymnasiums nur einen
Wunsch frei hätte. Welcher wäre das?
Ich wünschte mir, dass die Bildung einen
deutlich höheren Stellenwert in der Gesellschaft
bekäme.
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HK-J: Herr Arndt, danke für das Interview
und für Ihre Kandidatur zu der Gemeindevertretung
viel Erfolg.
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