Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung der Klassischen Moderne
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Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung der Klassischen Moderne
Hausarbeit zur zweiten Prüfung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen gemäß § 13 PVO-Lehr II Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung der Klassischen Moderne als Ausgangspunkt für räumliches Gestalten, dargestellt an der Unterrichtseinheit „Von Paradiesvögeln und anderen Flatterwesen zur Zwitschermaschine“ in einer 3. Klasse Vorgelegt von: Kerstin Pfeiffer Lehreranwärterin Grundschule Süd Walsrode Gutachter: 1. Vogeler, Horst-Günther 2. Wurtmann, Ulf Fach: Kunst Abgabetermin: 06.August 2004 Einleitung Diese Hausarbeit beschreibt die Erarbeitung zur Entstehung eines dreidimensionalen Kunstobjektes auf der Basis von Naturbeobachtung und der Betrachtung von Werken1 der Klassischen Moderne. Das räumliche Gestalten eines Objektes bietet Kindern die Möglichkeit, produktiv tätig zu werden. Jedes ästhetisch-praktische Tun ist die Folge eines Anlasses, eines Auslösers, der zum Tätigwerden anregt. Einen solchen Anlass bietet die Betrachtung und Auseinandersetzung mit Kunstwerken der Klassischen Moderne. Die Betrachtung eines Bildes setzt Wahrnehmungsfähigkeiten voraus, die die Schulung der Sinne erfordern. Durch die Wahrnehmung und Beobachtung von Naturphänomenen und –gesetzen können die Kinder einen reichen sinnlichen Erfahrungsschatz erlangen, der es ihnen ermöglicht, die Vielfalt der Natur zu erkennen und unterscheiden zu lernen. Bei der Bildbetrachtung werden die neuen Eindrücke mit den Erfahrungen in Beziehung gesetzt. Die Werke der Klassischen Moderne, vornehmlich der Expressionisten, zeichnen sich durch eine einfache Bildsprache aus. Die Künstler brachten ihre subjektive Auffassung von Wirklichkeit zum Ausdruck, indem sie sie verfremdet oder abstrahiert darstellten. Ihre „Wirklichkeit“ deckt sich oftmals nicht mit den Erfahrungen der realen Wirklic hkeit, sodass die Betrachtung Irritationen hervorruft. Irritationen wiederum bieten die Möglichkeit für fantasievolle Vorstellungen, kreative Ideen und zum Austausch. Es entsteht ein Dialog, in dem verschiedene Eindrücke und Meinungen dargelegt werden können. In der vorgestellten Unterrichtseinheit soll der Frage auf den Grund gegangen werden, inwieweit die Kinder sensibilisiert werden können, sich auf die Kunst der Klassischen Moderne einzulassen und ob sie in der Lage sind, aufgrund der sinnlichen Erfahrungen und Werkbetrachtungen ihre Vorstellungen bildnerisch-praktisch umzusetzen. Ich habe die Arbeit in drei Teile untergliedert: Theoretische Grundlagen, Planung der Unterrichtseinheit, Durchführung der Unterrichtseinheit. In den theoretischen Grundlagen werden zunächst die Vorgänge beschrieben, die die Voraussetzung zur Naturbeobachtung bilden. Bei der differenzierteren Beschreibung werden die sinnliche Wahrnehmung in Bezug auf die Beobachtung von Naturvorgängen und die Beziehung von Kindern zu Tieren tiefgehender erläutert. Darauf folgen grundlegende Informationen zur Epoche der Klassischen Moderne im Allgemeinen und im Speziellen des Expressionismus, um die Beweggründe der Künstler bezüglich ihres Ausdrucks deutlich zu machen. Die Werke, die in der Unterrichtseinheit betrachtet werden sollen, habe ich aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählt, die eingehend dargelegt werden. Die Betrachtung von Kunstwerken der Klassischen Moderne ruft Differenzen unterschiedlicher Art hervor. Diese und die hierbei zu gewinnenden Erfahrungen werden präzise unter dem Punkt „Zur 1 Wenn in der Arbeit von den Werken der Künstler oder der Werkbetrachtung die Rede ist, handelt es sich stets um Farbkopien. Differenzerfahrung“ beschrieben. Zuletzt werden verschiedene Methoden und Materialien des räumlichen Gestaltens aufgezeigt und differenzierter auf die Objektkunst eingegangen. Im zweiten Teil der Arbeit, der Planung der Unterrichtseinheit, werden sachanalytische Themen beschrieben wie die schulischen und außerschulischen Rahmenbedingungen, die Werke der Künstler, sowie die Techniken, Materialien und Werkzeuge, die in dieser Unterrichtseinheit eingesetzt werden sollen. Des Weiteren wird über die Lerngruppe und die Lernausgangslage berichtet. Im Anschluss daran folgen didaktisch-methodische Vorüberlegungen zur Unterrichtseinheit und Zielformulierungen als Überleitung zum dritten Teil der Arbeit, der Durchführung der Unterrichtseinheit. Die Unterrichtseinheit ist in Sequenzen eingeteilt, um Überschneidungen durch die Beschreibung von Einzelstunden zu vermeiden. Es werden fünf Sequenzen beschrieben, die erläuternde didaktischmethodische Vorüberlegungen und Reflexionen mit einbeziehen. In den ersten vier Sequenzen werden spezifische Sachinformationen vorangestellt. Zudem sind Farbkopien der Werke den Sequenzen zugeordnet und in die Arbeit eingefügt sowie Fotos, die die praktische Arbeit dokumentieren. Im Anhang befinden sich Künstlerbiografien, eine Verzeichnis über die Farbkopien der Werke und als Beispiel die Abbildung von Paul Klee. Zudem ist eine Kopie der Anlage des Vogelparks und der Tropenwaldhalle, die Fabel, das Märchen und die Erzählung, Kopien von den Skizzen der Kinder, ein Beispiel eines Tafelbildes, der Zeitungsartikel sowie weitere Fotos eingefügt. Bei manchen Autoren ist innerhalb der Fußnoten das Erscheinungsjahr beigefügt. Dies dient der Unterscheidung, wenn mehrere Werke eines Autors bzw. einer Autorin hinzugezogen wurden. I. Theoretische Grundlagen 1. Naturbeobachtung Die Natur ist Teil unserer Umwelt. Wenn wir Lebewesen in der Natur beobachten, nehmen wir sie über unsere Sinne wahr. Da wir ohne unsere Wahrnehmung nicht in der Lage wären, die Natur zu beobachten, soll diese zunächst etwas genauer erläutert werden. 1.1 Zur Wahrnehmung „Man sieht mit den Augen, fühlt mit der Haut, hört mit dem Ohr – organische Vo rgänge –, aber es ist nicht das Auge, das sieht, und nicht die Haut, die fühlt, und auch nicht das Ohr, das hört, sondern es ist immer der ganze Mensch, mit individuellen Gefühlen und Empfindungen, der wahrnimmt.“2 Die Wahrnehmung beginnt mit der Sinneserfahrung. Zur Sinneserfahrung zählt einerseits die innere Reizaufnahme über die körpereigenen Bewegungen (kinästhetische Wahrnehmung) und andererseits die äußere Reizaufnahme über die fünf Sinnesorgane Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut.3 Die Reizaufnahme über die Sinnesorgane – das Empfinden – bildet jedoch nur die erste von insgesamt drei Stufen. Der Wahrnehmungsvorgang schließt also nicht nur das Empfinden, sondern auch das Verstehen und Identifizieren mit ein, da die Informationen aus der Umwelt ausgewertet werden müssen, damit sie uns etwas sagen.4 Wahrnehmung steht somit in engem Zusammenhang mit dem Bewusstsein, da nicht nur die Reizaufnahme über die Organe, sondern die Verknüpfung mit individuellen Erfahrungen und Kenntnissen für die Wahrnehmungsleistung entscheidend ist. Und diese ist nicht denkbar ohne Erinnerungen, Assoziationen und Verknüpfungen, also ohne lebensgeschichtlichen Kontext.5 Gerade die visuellen Wahrnehmungen gehören zu einem Bewusstseinsfluss, der unsere Gedanken, Empfindungen und Handlungen miteinander verbindet. Sie verschmelzen mit bereits vorhandenen Erfahrungen und Kenntnissen in räumlichen und zeitlichen Beziehungen. 6 Somit ist die Wahrnehmung ein komplexer Prozess, der aus Sinnesempfindungen und Erfahrungskomponenten besteht und uns über die Außenwelt informiert.7 1.2 Zur Beobachtung von Naturvorgängen Ohne Wahrnehmung ist die Beobachtung von Vorgängen und Veränderungen nicht möglich. Unter dem Begriff „Beobachtung“ wird das aufmerksame, planmäßige und anhaltende Wahrnehmen von Vorgängen über einen gewissen Zeitraum verstanden. Es wird zwischen Lang- und Kurzzeitbeobachtungen unterschieden, wobei die Kurzzeitbeobachtungen von wenigen Minuten bis zu 2 Hietkamp, S. 10 Vgl. ebd., S. 10 4 Vgl. Zimbardo, S. 106 5 Vgl. Eucker, S. 3 6 Vgl. Eid, S. 13 7 Vgl. a.a.O., S. 11 3 mehreren Stunden und die Langzeitbeobachtungen über mehrere Tage bis Wochen oder sogar Jahre reichen. Demnach kann im Grunde alles beobachtet werden, was sich entlang einem gewissen Zeitraum bewegt oder verändert. Diese Voraussetzungen bietet die Natur zur Genüge. Die Beobachtung von Tieren umfasst beispielsweise die Bewegungsabläufe, Verhaltensweisen, Körperhaltung, Nahrungsaufnahme, Revierverteidigung, Jagdverhalten und die Verständigung über Laute.8 Jedoch reicht auch bei der Beobachtung die rein visuelle Aufnahme von Vorgängen in der Natur nicht aus. Daher muss zwischen dem bloßen Hinsehen und der Beobachtung unterschieden werden. So wird beispielsweise ein Spaziergänger in einem Park verschiedenartige Vögel sinnlich wahrnehmen, aber kaum in der Lage sein ihre typischen Merkmale sprachlich oder gar zeichnerisch wiederzugeben. 9 Das bedeutet, dass die Wahrnehmungsfähigkeit die Grundlage für die Beobachtung ist. Die Wahrnehmung eines Ereignisses wird jedoch erst dann zur Beobachtung, wenn Interesse und Wille des Beobachters so groß sind, dass er den vollständigen Ablauf des Geschehens erleben will. Also gehört auch bei der Beobachtung das Kriteriu m des bewussten Erfassens verbindlich dazu, sodass das Ziel der Beobachtung erst erreicht ist, wenn die Wahrnehmungen geistig verarbeitet und gewertet sowie mündlich oder schriftlich dargestellt worden sind. 10 Zudem erfordern Beobachtungen Ruhe, Zeit und Ausdauer. Eine Möglichkeit diese Fähigke iten bei Kindern zu schulen bieten z.B. Unterrichtsgänge in die Natur oder in Parks, in denen die Kinder genügend Zeit und Ruhe haben beispielsweise Tiere und ihr Verhalten zu beobachten und so eine Beziehung, auch emotional, zu ihnen aufzubauen. 11 Die Beobachtung der Natur lässt uns die Vielfalt an Farben und Formen bewusst werden. Sie bietet daher viele Anlässe, ästhetisch wirksam zu werden, was viele namhafte Künstler dazu inspiriert hat, ihre Erlebnisse, Eindrücke und Faszinationen in ihren Werken zum Ausdruck zu bringen. 12 Und nicht nur Künstler nehmen die Natur zum Anlass ästhetischen Handelns. Auch in Kinderzeichnungen finden gerade Tiere ihren festen Platz, da Tiere auf sie offenbar eine besondere Faszination ausüben. Dieses Phänomen soll im Folgenden weiter untersucht werden. 1.3 Faszination Tier Tiere sind in der kindlichen Welt unserer Kultur allgegenwärtig: Stofftiere und Tiergeschichten, Märchen, Werbespots und Darstellungen in Comics und natürlich „echte“, lebendige Tiere. Der Umgang mit Tieren ist für Kinder in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Er bietet ihnen wichtige Einsichten in Grundbedürfnisse, Konflikte und Grenzsituationen und kann das Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit unterstützen. 13 Tiere bieten Beziehung und auch taktile Kontaktmöglichkeiten an, 8 Vgl. Grupe, S. 237 Vgl. Killermann, S. 166 10 Vgl. Grupe, S. 237 11 Vgl. Killermann, S. 168 12 Vgl. Grupe, S. 170 13 Vgl. Gebauer/ Schrenk, S. 8f 9 ohne dass Kinder dabei bewertet werden. Diese bedingungslose Beziehung ohne Bewertung und Kritik machen den heilsamen Effekt von Tieren aus.14 Kinder scheinen über die Fähigkeit zu verfügen, eine besondere Beziehung zu Tieren aufbauen zu können und umgekehrt, da Tiere zu Kindern besonders zutraulich sind. Bisweilen sind wesenverwandte Züge bei Kindern und Tieren zu beobachten, z.B. das spielerische Messen der Kräfte, das neugierige Erkunden der Umwelt und das Bedürfnis nach Zuwendung und Körperkontakt. Zudem empfinden Kinder Tiere als ebenbürtig. Sie erkennen sich in ihnen wieder, da auch Tiere ihren Bedürfnissen ungehemmt nachgehen und sich mit den vielen, oft für sie unverständlichen Auflagen der Erwachsenen schwer tun.15 Kinder entwickeln schon früh besondere Neigungen zu bestimmten Tierarten. Möglicherweise kommt hierin eine Vielzahl von Bedürfnissen zum Ausdruck, da „[…] Tiere als stets willkommene Spielgefährten, als anhängliche, zuverlässige Freunde, als Beschützer und Bewacher, als Spaßmacher, als Vermittler von Zärtlichkeit, Geselligkeit, Schönheit, aber auch als imponierende Persönlichkeiten mit Kraft, Eigenwilligkeit und Intelligenz [erlebt werden]“. 16 Bei vielen bleibt diese Faszination nicht auf die Kindheit beschränkt; auch Künstler der Klassischen Moderne haben ihre Beziehung zu Tieren in ihren Werken zum Ausdruck gebracht. 2. Kunstbetrachtung von Werken der Klassischen Moderne Der Künstler August Macke17 besuchte mit Vorliebe den Zoologischen Garten in Köln und nahm seine Beobachtungen und Empfindungen zum Anlass, sie in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen. Der Ausdruck von Empfindungen ist allgemein in den Werken der Künstler der Klassischen Moderne wiederzufinden und bildet auch einen Teil der impulsiven Ausdrucksweisen in Zeichnungen und Malereien von Kindern. So kann gerade die Betrachtung von Werken der Klassischen Moderne bei Kindern auf Interesse und Verstehen treffen. 2.1 Zur Klassischen Moderne Die moderne Kunst wurde etwa Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem sozialen und politischen Umbruch eingeleitet. Diese Entwicklung kündigte sich schon etwa Mitte des 19. Jahrhunderts an und bestimmte die erste Hälfte der Kunstentwicklung des 20. Jahrhunderts. Aus der ehemals aktuellen Moderne wurde die Klassische Moderne, deren Ausdruck zur Anregung analoger Kunstäußerungen der Spätmoderne führte, die etwa seit Ende des 2. Weltkrieges einsetzte.18 Die Epoche der Klassischen Moderne umfasst verschiedene Kunstströmungen und findet ihren Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts, als „[…] eine eigentümliche Unruhe [...] den Geist der 14 Vgl. Gebhard, S. 100 Vgl. Gebauer/ Schrenk, S. 9 16 Vgl. Bergler, S. 14 17 siehe V. Anhang, 2.1 August Macke 18 Vgl. Regel, S. 7 15 Europäischen Länder erfasst [hatte]“.19 Diese Unruhe ergab sich aus der Suche nach neuen Wegen in der Betrachtung der Welt, verbunden mit der Bereitschaft, mit allen anerkannten Gewohnheiten und Vorurteilen zu brechen. Zudem sind zwischen den neuen Künsten und dem Geistesleben dieser Zeit Parallelen festzustellen. Den weitreichendsten Einfluss übte Freud mit seinem 1900 erstmals veröffentlichten Werk „Traumdeutung“ aus. Seine dargelegten Gedanken über die Bedeutung des Unbewussten veränderten Haltungen und Werte des frühen 20.Jahrhunderts. Die Forderung nach einem Verständnis der instinktiven Seite der menschlichen Natur, die Behauptung, dass Emotionen und Empfindungen als Schlüssel menschlichen Verhaltens wichtiger als rationales Denken seien, führten zu tiefen Auswirkungen auch in der Kunst.20 So zeigten die Malereien der unterschiedlichen Strömungen dieser Zeit, wie z.B. Fauvismus, Expressionismus, russische Avantgarde, Kubismus und Futurismus diese veränderte Einstellung. An dieser Stelle soll die Bewegung des Expressionismus näher betrachtet werden, da in vielen Werken „der Ausdruck des Inneren“ in einer vergleichsweise einfachen Bildsprache dargestellt ist.21 2.1.1 Der Expressionismus Unter dem Begriff „Expressionismus“ versteht man heute eine spezifische künstlerische Bewegung, die im frühen 20. Jahrhundert und vor allem in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte. Zwei Künstlergruppen traten besonders hervor: „Die Brücke“ (1906) und „Der Blaue Reiter“ (1912). Der Expressionismus verzichtete auf illusionistische Oberflächenreize, die dem Impressionismus 22 eigen war. Im Gegensatz zum Impressionismus, der die „äußere Erscheinung der Welt in Malerei verwandelt“ hatte, kennzeichnete den Expressionismus der Ausdruck innerer Empfindung, sodass sich der Blick von Außen nach Innen, von der „Natur auf den Geist“ richtete.23 Die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit galt nur noch als anregender Reiz und auslösendes Moment für das innere Erlebnis. Diese Erfahrung brachten die Expressionisten zum Ausdruck, indem sie eine lapidare, einfache, direkte Bildsprache schufen, die von einer abstrahierenden oder ausdruckssteigernden Deformierung und karikaturhaften Entstellung bis zur Gegenstandslosigkeit reic ht. 24 Ihre Malereien weisen sich durch eine ungebrochene, starke, großflächige Farbigkeit und expressive Pinselführung aus. Die Künstler des Expressionismus ließen sich unter anderem von so genannter primitiver Kunst beeinflussen. Sie waren fasziniert von der Kraft, Offenheit und Unmittelbarkeit der „Primitiven“ 25 , sodass die Maler der Expressionistengruppe „Der blaue Reiter“ in ihrem „Almanach“ 26 neben Abbildungsbeispielen aus Neukaledonien, der malaisischen Halbinsel, der Osterinsel u.a. auch 19 Vgl. Haftmann, Bd. 1, S. 16 Vgl. Honour, S. 563 21 Weiterführende Literatur: z.B. Haftmann Band 1 und 2, (1994), Honour (1999), Regel (1994) 22 weiterführende Literatur: z.B. ebd. 23 Vgl. Thomas, S. 65 24 Vgl. ebd., S.65 25 weiterführende Literatur: z.B. Honour, S. 547ff 26 Der Almanach wurde von den Künstlern des “Blauen Reiter“ herausgegeben und enthielt Esseys, Aufsätze und Bilder. Er sollte zum „Organ aller ernstzunehmenden Strömungen“ dieser Zeit werden. (Vgl. Orlandini, S.17) 20 russische und bayrische Volkskunst sowie Kinderzeichnungen und -bilder veröffentlichten. Dieser Einfluss ist in den Malereien der Künstlerinnen und Künstler des Expressionismus zum Teil deutlich zu erkennen. 27 Die Farbigkeit und die einfache, direkte Bildsprache der Werke beeinflussten unter anderem die Werkauswahl für die Unterrichtseinheit, die im Folgenden näher beschrieben wird. 2. 2 Kriterien der Bildauswahl In der Fachliteratur werden unterschiedliche Faktoren genannt, die als Kriterien der Bildauswahl für die Grundschule gelten können. Die häufigst genannten sind „Wirklichkeitsbezug“ und „Gegenständlichkeit“. 28 So ist unumstritten, dass die Kinder eher einen Bezug zum Werk aufbauen können, wenn sie bei der Betrachtung Inhalte wiedererkennen und so an ihre Vorerfahrungen anknüpfen können. Wiedererkennen löst immer auch Assoziationen aus, die, vom Bekannten ausgehend, neue Vorstellu ngen hervorrufen. 29 Von den inhaltlichen Aussagen bevorzugen ältere Grundschulkinder dargestellte Aktionen, in denen Handlung und Bewegung deutlich wird. 30 Jedoch nähern sich Kinder nicht nur von den Bildinhalten her, sondern befassen sich auch mit den ästhetischen Strukturen und Darstellungsformen, indem sie auch die Farbgebung, die Raumdarstellung sowie Beziehungen zwischen Formen und ihren inhaltlichen Bedeutungen beachten.31 Offenheit gegenüber andersartigen Ausdrucksweisen entwickelt sich erst allmählich, sodass es sinnvoll ist, von Bildern mit Inhalten hohen Wiedererkennungswerts auszugehen. 32 Auch bietet es sich an, Bildte ile zu isolieren, um die Aufmerksamkeit der Kinder zu fokussieren und somit das Erkennen zu vereinfachen. 33 Neue und ungewöhnliche Bildsprachen, bei denen die Kinder nicht unmittelbar an ihre gewohnte Umwelterfahrung anknüpfen können, bereiten ihnen Schwierigkeiten. 34 Trotz oder gerade wegen der Schwierigkeiten werden Werke der modernen Kunst, in denen abstrahie rte Sachverhalte dargestellt sind, zur Zeit als Lerninhalt in der Grundschule bevorzugt, da gerade die vom Gewohnten abweichenden Inhalte zu Irritationen führen und somit zum Nachdenken und zu Gesprächen anregen. Solche Inhalte wecken die Neugier der Kinder und regen sie dazu an, Lösungen zu finden. 35 Bei der Werkauswahl von Bildern der Klassischen Moderne werden demnach durch die Betrachtung Prozesse initiiert, die zur Kommunikation, zum Ausdruck und Austausch von Erfahrungen anregen. Der Prozess während der Auseinandersetzung mit Kunstwerken soll eingehendere Beachtung finden. 27 28 29 30 31 32 33 34 35 Vgl. Honour, S. 566 Vgl. Kirchner (1996), Hinkel (1996), Ohde/ Wiederhold (1994) Vgl. Störkle, S. 37 Vgl. Hinkel (1980), S. 23 Vgl. Hinkel (1996), S. 3 Vgl. Störkle, S. 37 Vgl. Hinkel (1980), S. 25 Vgl. Hinkel (1996), S. 3 Vgl. Kirchner (1996), S. 19 2.3 Zur Differenzerfahrung Hinter der Bezeichnung „Differenzerfahrung“ verbergen sich die Begriffe „Differenz“ und „Erfahrung“. Die Differenz ist folgendermaßen definiert: Unterschied (zwischen bestimmten Werten, Maßen, o.ä.) oder auch Meinungsverschiedenheit, Unstimmigkeit, Zwist.36 Die Erfahrung ist das Endprodukt eines Prozesses, da Erfahrungen nach R. zur Lippe „[...] bewusst gemachte Erlebnisse [sind]. Bewusst werden sie im Austausch mit den Erlebnissen der anderen und im Vergleich mit dem Ziel der Tätigke iten“ 37 . Bezogen auf die Kunstbetrachtung geht es hierbei zunächst um die Erwartungshaltung, mit der der Betrachter einem Kunstwerk gegenübertritt. Die Erwartungen stützen sich auf die Grundkenntnisse und die Vorerfahrungen bezüglich der Lebensumwelt, die ein Mensch im Laufe seines Lebens erworben und aufgrund des immer Wiederkehrenden für normal befunden hat. Eine Differenz wird besonders bei der Betrachtung von Werken deutlich, deren Inhalte und Darstellungsformen vom „Normalen“, „Erwarteten“, der subjektiven Wirklichkeitsvorstellung, abweichen. 38 Solche Darstellungen finden sich vornehmlich in der Kunst der Klassischen Moderne. Die verfremdeten und abstrahierten Ausdrucksweisen der Künstler irritieren den Betrachter, da sich das Wahrgenommene von der Erfahrung unterscheidet. Diese Irritationen geben Anlass zur Kommunikation. Der Austausch von Differenzeindrücken macht wiederum Differenzen deutlich, da jeder Betrachter aufgrund seines lebensgeschichtlichen Kontextes unterschiedliche Erinnerungen, Verknüpfungen und Assoziationen bildet. Die Verbalisierung der verschiedenen Eindrücke können einen Denkanstoß geben und zum Dialog auffordern. Hierbei ist die Bereitschaft, die Sichtweisen und Eindrücke der anderen zu akzeptieren und zu tolerieren, von großer Bedeutung. Sie kann zur Relativierung und gegebenenfalls auch zur Neukonstruktion der eigenen Auffassung führen. 39 Die rezeptive Auseinandersetzung mit den Kunstwerken führt so zur Offenheit gegenüber Fremdem und Unbekanntem. Bildinhalte, die durch die Wahrnehmung Irritationen hervorrufen, geben Anlass zur Darstellung dieser unterschiedlichen Eindrücke und Empfindungen. Durch produktives Handeln wird die Auseinandersetzung mit den Differenzen subjektiv weitergeführt und somit vertieft.40 Das räumliche Gestalten bietet eine Möglichkeit der bildnerisch-praktischen Auseinandersetzung mit der Differenzerfahrung. 3. Räumliches Gestalten Unter dem Begriff „räumliches Gestalten“ können alle Gestaltungsformen zusammengefasst werden, die dreidimensionalen Charakter haben, wie z.B. Skulpturen, Plastiken, Objekte und Installationen. 41 36 Vgl. Duden Fremdwörterbuch, S. 190 vgl. Staudte, S. 117 38 Vgl. Kirchner (1996), S. 19 39 Vgl. Eucker, S. 3 40 Vgl. Kirchner (1996), S. 19 41 Vgl. Eid, S. 226 37 3.1 Zur Geschichte des räumlichen Gestaltens Die ersten Funde dreidimensionaler Formen stammen aus der Steinzeit, die in mühevoll abtragender Tätigkeit, also in subtraktiver Weise, aus Stein, Mammutelfenbein und Horn hergestellt wurden. Meist handelte es sich hierbei um Mensch- oder Tierdarstellungen, die weniger ästhetischen als vielmehr magischen Zwecken dienten. Im weiteren Verlauf der Jahrtausende sind zunächst Gegenstände und Tierplastiken aus Ton und Bronze gefunden worden. In der Folgezeit fand man in allen Kulturkreisen Skulpturen aus Stein, Marmor und Holz sowie Bronzeplastiken, modellierte Tonplastiken und Reliefs. Heute zählen zu den Materialien für künstlerische Ausdrucksweise ebenso Gips und Beton. Die Materialien sind bis heute geblieben, während sich die Gestaltungstechniken zunehmend verfeinerten. Im 20. Jahrhundert wurden die traditionellen Techniken erweitert. Fundmaterialien aller Qualitäten und aus allen Verwendungsbereichen wurden und werden ebenso wie vorgefertigte Gegenstände zu Objektkunst, wie z.B. Assemblagen, Akkumulationen und Montagen zusammengefügt. 42 3.2 Methoden und Materialien Die Materialien werden nach Art der Verarbeitung unterteilt und bestimmen so die Bezeic hnung der dreidimensionalen Arbeiten in Skulptur, Plastik und Objekt. Skulptur Der Begriff Skulptur ist dem lateinischen sculpere – schnitzen, meißeln entlehnt.43 Die Materialien, wie z.B. Marmor, Ytong, Speckstein, Gips und Holz werden in subtraktiven Verfahren, also durch Behauen und Abtragen geformt. 44 Plastik Der Begriff „Plastik“, von grie ch. plastein – formen, bezeichnet das Formungsverfahren von modellierbaren Stoffen. 45 Bei Plastiken handelt es sich um Darstellungen, die im additiven Verfahren, durch Modellierung eines Materials entstehen. Materialien zur Gestaltung von Plastiken sind u.a. Ton, Bronze und selbst hergestellte Materialien, wie Teige oder Pappmaschee.46 Objekt Der Begriff Objekt umfasst alle dreidimensionalen Arbeiten, die in additiven Verfahren montiert werden. Die hierfür verwendeten Materialien sind äußerst vielfältig, z.B. Kartone, Fundmaterialien, Papier, Pappe, Holz, Kunststoff, Metall und Glas. Objekte lassen sich gemäß der Bearbeitung ihrer Materialien in klassifizierende Begriffe einordnen. 42 43 44 45 46 Vgl. Hietkamp, S. 122 Vgl. Langenscheidt Lateinisch, S. 472 Vgl. Hietkamp, S.122 Vgl. Kirchner/ Kirschenmann (2001), S. 4 Vgl. Hietkamp, S. 122 So wird beispielsweise unterschieden zwischen Akkumulation (Anhäufung von Gebrauchsgegenständen), Assemblage (Montage dreidimensionaler realer Gegenstände oder Gegenstandsteile auf der Fläche), Installation (Montage verschiedener Objekte und Materialien zu einem raumbezogenen Ensemble), Objet trouvé (künstlerische Verwendung zufällig gefundener Abfallprodukte), Readymade („Erklärung“ von vorgefundenen Gebrauchsgegenständen ohne oder mit geringfügiger Veränderung zum Kunstwerk) u.a.47 4. Resümee des theoretischen Teils Durch die Begegnung mit der Natur werden unsere Sinne angeregt. Wir sehen, hören, fühlen und riechen unsere Umwelt und nehmen sie wahr, indem wir unsere sinnlichen Eindrücke mit unseren Erfahrungen verknüpfen. Reizt beispielsweise ein Tier, ein Vogel, unsere Aufmerksamkeit schauen wir genauer hin – und beobachten, nehmen spezifisch wahr und verknüpfen wiederum neue Eindrücke mit unseren Erfahrungen. Zur Verarbeitung der Eindrücke tauschen wir uns mit anderen aus, erzählen und vergleichen unsere Erlebnisse. Die Gründe für das Wecken von Interesse können unterschiedlicher Art sein. Kunstwerke, die vom Gewöhnlichen abweichen, ziehen nicht nur den Blick von Erwachsenen an, sondern interessieren Kinder gleicher Maßen. Gerade die Neugier und der Wissensdurst der Kinder führt zu genauerem Hinsehen, wenn sich der Bildinhalt nicht oder kaum mit den Vorerfahrungen verknüpfen lässt. So ein Erlebnis wirft Fragen auf und regt zum Austausch dieser Eindrücke an. Im Dialog werden unterschie dliche Eindrücke geschildert, die von dem subjektiven möglicherweise abweichen und somit wiederum zum Umdenken anregen oder zum Vertreten des persönlichen Eindrucks beziehungsweise der eigenen Meinung auffordern. Die Betrachtung bietet jedoch nicht nur einen Anreiz zum verbalen Austausch. Vielmehr regen die Eindrücke und Empfindungen zum eigenen produktiven Handeln an und führen somit zu einer sinnlich-praktischen Auseinandersetzung, die neue Erfahrungen zulässt. II. Planung der Unterrichtseinheit 1. Sachanalyse Im Folgenden werden die räumlichen Bedingungen, die gewählten Werke der Klassischen Moderne und die Techniken eingehender beschrieben, die für diese Unterrichtseinheit relevant sind. 1.1 Räumliche Bedingungen Der Raum, bzw. die Umgebung kann wahrnehmungs -, kreativitäts - und fantasiefördernd auf den Gestaltungsprozess einwirken und soll aus diesem Grund näher untersucht werden. 47 Vgl. Hietkamp, S. 122f, vgl. Regel, S. 37 1.1.1 Schulische Bedingungen In der Grundschule Süd in Walsrode ist kein gesonderter Kunstfachraum vorhanden, sodass der Kunstunterricht im Klassenraum stattfindet. Die Schule verfügt jedoch über einen Lehrmittelraum, in dem ich zeitweilig die Materialien und Werkzeuge lagern kann. 1.1.2 Außerschulische Bedingungen Unweit der Schule, mit dem Linienbus bequem in wenigen Minuten zu erreichen, liegt der Vogelpark Walsrode. Der Vogelpark entwickelte sich aus einer Liebhaberzucht für Fasane und Wasservögel und beherbergt inzwischen 800 Vogelarten auf 24 Hektar Grundfläche.48 Nach und nach entstanden das Tropenhaus und die Paradieshalle, in denen man direkt durch den Lebensraum tropischer Vögel wandern und die Vögel ohne trennende Gitter beobachten kann. Auch in der später hinzugekommenen Freiflughalle und der daran angeschlossenen Brandungsanlage können die Vögel „hautnah“ beobachtet werden. Die 1997 erbaute Tropenwaldhalle bietet ein Erlebnis in nachgestellter Südseeatmosphäre, die alle Sinne anspricht. Nicht nur die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und die Geräuschkulisse tragen dazu bei, sondern auch die tropischen Pflanzen und die indonesischen Kulturschätze, die in der Halle ihren Platz gefunden haben. Zudem zeigt der Vogelpark auch Aktivitäten wie die Flugschau oder die Baby-Aufzuchtsstation, in der Schlupf und Aufzucht von seltenen Vögeln beobachtet werden können. Während der Flugschau erhält man interessante Informationen und hat die Möglichkeit, die Vögel beim Flug- und Jagdverhalten und bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten. Kinder werden in die Flugschau eingebunden. Sie dürfen beispielsweise einen Falknerhandschuh anziehen und einen Falken rufen, der dann auf dem Handschuh landet.49 Im Vogelpark werden Prinzipien der Erlebnispädagogik umgesetzt. Hier ist die Möglichkeit des ganzheitlichen Lernens, des Lernens mit „Kopf, Herz und Hand“, gegeben. 50 1.2. Ausgewählte Bilder und Künstler der Klassischen Moderne Die für die Unterrichtseinheit ausgewählten Werke sollen hier kurz beschrieben werden. Kurzbiografien der Künstler befinden sich begleitend im Anhang. Die Großbuchstaben weisen auf die Farbkopien der Werke hin, die zur besseren Übersicht den Sequenzen zugeordnet sind. 1.2.1 August Macke51 : „Großer Zoologischer Garten“ (1912) Das Bild „Großer Zoologischer Garten“ (A) ist in drei Bildtafeln aufgeteilt und zeigt den Einklang zwischen Mensch und Tier sowie der umgebenden Gartenlandschaft. Mensch und Tier begegnen sich hier in der Natur, wobei die Gitterstäbe ihre Funktion als trennende Barriere nicht zu erfüllen 48 Siehe V. Anhang, 1. Die Anlage des Vogelparks Vgl. Vogelpark Walsrode, S. 36f 50 Vgl. Meyer, Bd. 1, S. 34 51 siehe V. Anhang, 2.1 August Macke 49 scheinen. 52 Die Darstellung der Menschen, Tiere und der Umgebung ist gegenständlich, jedoch weist die Ausdrucksweise die typischen abstrahierten Umsetzungen der Expressionisten auf.53 Mackes gesamtes Werk ist durchdrungen von dem Streben nach Harmonie – politische und gesellschaftliche Realitäten verdrängt er gänzlich. Dieses Streben zeigt sich deutlich in dem Werk „Großer Zoologischer Garten“. Er suchte in seinen sonntäglichen Spaziergängen in der idealisierten Landschaft des Kölner Zoologischen Gartens die Motive für seine Vorstellungen von einem irdischen Paradies. Das Thema des irdischen Paradiesgartens ist in diesem Werk realisiert. Der dargestellte Mensch tritt nicht als Individuum mit porträthaften Zügen in Erscheinung, sondern bleibt schemenhaft, typisiert als Vertreter seiner Art und gesellschaftlichen Klasse.54 1.2.2 Max Pechstein 55 : „Palau-Triptychon“ (1917) Max Pechsteins Werk „Palau-Triptychon“ (B) entstand 1917 und zeigt eine friedliche und harmonische Gegenwelt zu dem sich im Krieg befindenden Europa. Das dreiteilige Bild zeigt die Eingeborenen, ihre Behausungen und Boote umgeben von Wasser, Palmen und Vögeln. Es fasst in einem Panorama mehrere Szenen zusammen, in denen die Menschen in unterschiedlichen Aktionen dargestellt sind und den Eindruck von freundlicher, gelassener Geschäftigkeit vermitteln. 56 Pechstein nutzte zur Ausdruckssteigerung eine einfache, gegenständliche Bildsprache, die an die Darstellungsweise der „Primitiven“ erinnert. Die Künstler der „Brücke“ und vor allem Max Pechstein hatten sich im Dresdner Völkerkundemuseum für die künstlerischen Ausdruckformen der Südseeinsulaner begeistert und sich von den Palau-Schnitzereien beeinflussen lassen. Ihrer Meinung nach hatten die Südseevölker einen ursprünglichen, noch in Einklang mit der Natur stehenden Lebensstil bewahrt, den die „Brücke“Künstler favorisierten und in ihrer Kunst zu erhalten versuchten. 57 Pechsteins Reise zu den Palau Inseln resultierte daraus. 1.2.3 Franz Marc58 : „Vögel“ (1914) Das Werk „Vögel“ (C) zeigt drei abstrahiert dargestellte Vögel, die in einer großflächigen Farbigkeit versteckt scheinen, die eine Landschaft nur noch erahnen lässt. Die Linien kommen hier nicht als Begrenzungen der dargestellten Vögel zum Einsatz, sondern um den Ausdruck der flatternden Bewegung von nur einem der Vögel zu unterstreichen. Franz Marc entwickelte eine besondere Beziehung zu Tieren. So gewannen die Tierdarstellungen in seinen Bildern eine immer größere Bedeutung, obwohl er sich nicht der Tiermalerei im Sinne einer Genremalerei zugewandt hatte. Vielmehr empfand er Tiere im Gegensatz zum Menschen als die 52 Vgl. Elger, S. 200 Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus 54 Vgl. Elger, S. 191 55 siehe V. Anhang, 2.2 Max Pechstein 56 Vgl. Elger, S. 93ff 57 Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus 58 siehe V. Anhang, 2.3 Franz Marc 53 „Reinen“, „Wahren“ und „Schönen“. Diese idealisierte Beziehung änderte sich später, sodass seine Darste llungen instinktiv immer schematischer und abstrakter wurden. 59 In seinem Werk „Vögel“ lässt sich diese veränderte Beziehung erkennen, da der Gesamteindruck des Werks, das dominiert ist von stürzenden Linien, einen eher explosiven, als reinen, wahren und schönen Ausdruck zeigt.60 1.2.4 Natalia Gontscharowa 61 : „Der Radfahrer“ (1912-1913) In dem Werk „Der Radfahrer“ (D) wird die Bewegung eines Radfahrers sichtbar gemacht, der über Kopfsteinpflaster fährt. Die Darstellung besteht aus einer Reihe angehaltener Bewegungen, die von verschiedenen Standpunkten aus gesehen sind. In dieser Art „Bewegungsanalyse“ wird der Bewegungsverlauf mit Hilfe von krummen und geraden Linien dargestellt. 62 1.2.5 Paul Klee63 : „Die Zwitscher-Maschine“ (1922) und „Konzert auf dem Zweig“ (1921) Das Werk „Die Zwitscher-Maschine“ (F) entstand 1922 und zeigt eine abstrahierte Darstellung von Vögeln, die auf einem kurbelbetriebenen Gestänge sitzen. Die Anregung hierfür fand Paul Klee in seiner Federzeichnung „Konzert auf dem Zweig“ (E), die er im Jahr zuvor angefertigt hatte, nachdem er im Deutschen Museum in München einen Musikautomaten gesehen hatte. Bei dem Musikautomaten handelt es sich um ein Bäumchenimitat, auf dem ausgestopfte Vögel nach dem Aufziehen des Federwerks „singen“ und z.T. auch „fliegen“. Klee übernahm Teile der Federzeichnung und „mechanisie rte“ den Zweig, indem er ihn durch Gestänge und Kurbel ersetzte und somit die „Zwitscher-Maschine“ entstand. 64 1.2.5.1 „Rotgeflügelte Sumpfhühner“ (Ausschnitt) Der Ausschnitt aus dem Werk „Rotgeflügelte Sumpfhühner“ (J) zeigt zwei Vögel und zwei Eier auf einer Wiese. Der Hintergrund ist schwarz, sodass die aus Linien und Schraffuren gestalteten Vögel und die Farben leuchtend hervortreten. 1.2.5.2 „Vogel-Begegnung“ (Ausschnitt) Durch den Ausschnitt aus dem Werk „Vogel-Begegnung“ (K) werden zwei stehende Vögel hervorgehoben, die in vereinfachter, abstrahierter Art dargestellt sind. Sie stehen jedoch nicht auf festem Grund, sondern „schweben“ in einer Umgebung, die nur mit Farbflächen und Formen angedeutet ist. Die Vögel stehen sich gegenüber und scheinen sich zu unterhalten, was durch den geöffneten Schnabel des einen Vogels assoziiert werden könnte.65 59 60 61 62 63 64 65 Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus Vgl. Elger S. 163ff, vgl. Partsch, S. 59f siehe V. Anhang, 2.4 Natalia Gontscharowa Vgl. Grey, S. 176 siehe V. Anhang, 2.5 Paul Klee Vgl. Bütikofer, S. 54ff Vgl. Rümelin, S. 4 1.2.6 Emil Nolde 66 : „Der große Vogel“ (1906) (Ausschnitt) In dem Ausschnitt „Der große Vogel“ (G) ist ein expressiv dargestellter Vogel zu sehen. Vor dem hellen Hintergrund erhebt sich der schwarze Vogel als große Fläche ab, die nahezu jegliche Binnenstrukturierung vermissen lässt.67 Bemerkenswert ist, dass der Vogel zu fliegen scheint, seine Flügel sich jedoch nicht wie im Gleitflug gestreckt ausbreiten, sondern abschirmend den Körper umgeben, als wolle er etwas verstecken oder sich schützen. 1.2.7 Wassily Kandinsky68 : „Zwei Vögel“(1907) (Ausschnitt) Der Vogel, der in dem Ausschnitt „Zwei Vögel“ (H) zu sehen ist, befindet sich auf dem Orig inal am oberen Rand des Werkes, sodass der Flügel nicht ganz dargestellt ist. Er wurde von mir ergänzt. Ich habe diesen der zwei dargestellten Vögel gewählt, da er isoliert eindeutiger als solcher zu erkennen ist, als der andere Vogel in dem Werk. In dem Ausschnitt ist ein Vogel im Flug dargestellt, der aufgrund seines langen Schweifes auf eine exotische Herkunft schließen lässt. Die Binnenstrukturierung des Körpers und der Flügel unterstreicht diese Möglichkeit. Jedoch handelt es sich auch hier nicht um eine naturalistische Darstellung eines fliegenden Vogels, sondern zeigt die typische vereinfachende Darstellungsweise des expressionistisch arbeitenden Künstlers. 1.3 Flächiges Gestalten Zu den traditionellen Inhalten des flächigen Gestaltens gehören die Grafik und die Malerei. Während zu der Grafik die Handzeichnung, Druckgrafik und die Schrift gehören, umfasst die Malerei alle Arten des farbigen Gestaltens, einschließlich der Collage. Das flächige Gestalten nimmt in der Schule immer noch den breitesten Raum ein, weil es für die Lehrenden der vertrauteste Fachinhalt ist. Die Materialien sind leicht zu beschaffen und die Verfahren sind einfach. 69 1.3.1 Das Zeichnen Das Zeichnen ist dem Bereich des grafischen Gestaltens unterzuordnen und bedeutet mit unterschiedlichen Mitteln, wie Bleistift, Farbstift, Feder, Pinsel, Kohle, Kreide, Nadel, u.a. lineare Spuren zu erzeugen. 70 Zeichnerische Elemente und Stilmittel finden sich häufig in Skizzen wieder. Die Linie als Bildelement kann gerade, gekrümmt, geknickt und gewellt sein und je nach Zeichenwerkzeug und Druck unterschiedliche Linienspuren aufzeigen. Linien können parallel verlaufen, sich berühren oder sich schneiden. Sie bilden nicht nur Umrisse und flächenähnliche 66 siehe V. Anhang, 2.6 Emil Nolde Vgl. Kirchner (1998), S. 40 68 siehe V. Anhang, 2.7 Wassily Kandinsky 69 vgl. Eid, S. 194 70 vgl. Klant (1993), S. 44 67 Eindrücke, sondern charakterisieren auch Bewegung, Unruhe und Richtung. 71 Die einfache Handhabung der Geräte lässt es in besonderem Maße zu, sich suchend und entdeckend mit der Umwelt, anderen Menschen, sich selbst und mit allem Neuen vertraut zu machen.72 1.3.1.1 Die Skizze Die Skizze bezeichnet einen Entwurf oder auch eine flüchtige Zeichnung bzw. eine Aufzeichnung in Andeutungen. 73 Sie ist demnach als eine Art Vorarbeit zu betrachten, der eine spätere Ausarbeitung folgt. Sie ist die früheste zeichnerische Festlegung eines Einfalls. Der Ursprung dieses Einfalls spielt dabei keine Rolle: Er kann aus der Erinnerung an Geschehenes, aus der freischaffenden Einbildungskraft oder aus der unmittelbaren Naturanschauung kommen. Eine Bedingung für die Skizze ist, in Abgrenzung zum Entwurf oder der Vorzeichnung, dass sie ohne Erarbeitung entsteht, denn „[...] das „Hingeworfene“ macht ihren unvergleichbaren Reiz aus“. 74 Die Skizze kann ein direkter Schritt im Prozess der Bildentstehung sein, ebenso aber auch nur „tastendes Formulieren“ ohne weitere Folgen bedeuten, gle ich einer flüchtigen Notiz. 75 1.3.2 Die Malerei Malen beinhaltet das freie Gestalten mit Farbe, Form und Linie. Als Bildträger können unterschiedliche Materialien, wie Papier, Pappe, Karton, Leinwand, Hartfaser-, Kunststoff-, Holz-, Metall- und Glasplatten dienen. Die Untergründe werden häufig entsprechend der Farben gewählt. Die Farben bestehen aus Farb- und Bindemitteln. Farbmittel können natürlichen oder synthetischen Ursprungs sein. Es wird zwischen ungelösten Farbmitteln und gelösten Farbmitteln unterschieden. Ungelöste Farbmittel (Pigmente) lassen sich in zerkleinerter Form mit Bindemitteln vermischen, gelöste Farbmittel lösen sich in Bindemitteln. Die Bindemittel sind verschiedener Art. So wird z.B. für Aquarellfarbe Gummiarabicum, für Temperafarbe Ei oder Kasein und für Ölfarbe Leinöl verwendet.76 Kleister eignet sich als Bindemittel für gelöste und ungelöste Farbmittel. Neben Händen und Fingern dienen alle festen, farbetragenden Materialien als Malwerkzeuge, wie z.B. Pinsel, Spachtel, Lappen, Pappe, etc.77 Die Grattage ist ein Verfahren der Malerei, bei der der Untergrund mit einem dickem Farbauftrag präpariert und die Gestaltung durch Zerkratzen, Einritzen oder Abziehen der Farbe erfolgt. 78 Farbkontraste steigern die Wirkung in der Malerei. A. Hoelzel benennt acht Kontrastarten, die als Orientierung beim gestalterischen Umgang mit Farbe dienen. Hier seien exemplarisch zwei genannt, da sie für die Unterrichtseinheit relevant sind. Unter dem „Hell-Dunkel-Kontrast“ wird die Wirkung 71 vgl. Hietkamp, S. 87 vgl. Eid, S. 194 73 vgl. Wahrig, S. 1186 74 Koschatzky, S. 306 75 vgl. ebd., S. 306 76 Vgl. Eid, S. 197 77 Vgl. Hietkamp, S. 50 78 Vgl. Regel, S. 37 72 von mindestens zwei Nicht- oder Buntfarben verschiedener Helligkeit verstanden. Der „Komplementärkontrast“ bezeichnet die Wirkung von jeweils zwei Farben, die im Farbkreis gegenüberliegen, sodass in jedem Komplementärfarbenpaar die drei Primärfarben enthalten sind und deren Mischung Grau ergibt. Der Komplementärkontrast Gelb-Violett ist der stärkste Hell-DunkelKontrast im Farbenkreis.79 1.4 Räumliches Gestalten 1.4.1 Bauen und Montieren Das Bauen und Montieren ist eine Möglichkeit des räumlichen Gestaltens.80 Hierbei werden vorhandene Elemente aus gleichem oder unterschiedlichem Material zu räumlich-plastischen Gebilden montiert. Die Vorgehensweise ist additiv, da die Form bereits vorhanden ist und die verschiedenen Materialien zusammengefügt werden. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Verbindungstechniken, wie Kleben, Leimen, Binden, Zapfen, Nageln, Schrauben, Nieten, Löten und Schweißen.81 Beim Umgang mit Klebstoffen sollte darauf geachtet werden, dass sie lösungsmittelfrei sind. Im Unterschied zum Leimen haften Klebstoffe fast unmittelbar und bilden eine dauerhafte Verbindung zwischen den Materialien. 82 Bei der Verbindung von festen und flexiblen Materialien mit Gips ist zu bedenken, dass sich starre Materialien fest mit dem Gips verbinden lassen, flexible Materialien jedoch durch leichte Bewegungen gelöst werden können. 83 Eine andere Möglichkeit zur Verbindung von Materialien ist das Wickeln mit Schnur oder Draht. Hierbei werden die Materialien durch festes Wickeln miteinander verbunden. 84 Kunstwerke, die durch Bauen und Montieren entstanden sind, heißen Montagen (franz. monter – aufbauen) oder Assemblagen (franz. assembler – sammeln). Sind sie in sich beweglich, heißen sie kinetische Objekte.85 1.4.2 Kinetische Kunst Die kinetische Kunst entstand aus dem Bestreben, mit Hilfe der Bewegung neue künstlerische Gestaltungsprinzipien zu entwickeln, nämlich die Zeit und die Veränderung in das Kunstobjekt zu integrieren. Die ersten Experimente mit sogenannten „Licht-“ und „Farbklavieren“ wurden von Künstlern der Klassischen Moderne gewagt.86 In der kinetischen Kunst werden Bewegungen real in das jeweilige Kunstwerk integriert, sodass sich die Objekte und „Maschinen“ mithilfe von Wind, Wasser, Motoren und Gestängen bewegen lassen. 79 Vgl. Oswald, S. 8f Vgl. I. 3. Räumliches Gestalten 81 Vgl. Eid, S. 230 82 Vgl. Hietkamp, S. 100 83 Vgl. a.a.O., S. 145 84 Vgl. a.a.O., S. 162 85 Vgl. Eid, S. 230 86 Vgl. Thomas, S. 120 80 Mit mechanischen und elektrischen Apparaturen werden Bewegung und dynamische Veränderung zur Darstellung gebracht. Damit wandelte sich die traditionelle Statik bildender Kunst in ein dynamisches Zusammenwirken aus Licht, Klang und Bewegung. 87 2. Material und Werkzeug Für die ästhetisch – praktische Gestaltung werden den Kindern verschiedene Materialien angeboten. Die Kinder haben einige Materialien und Werkzeuge in ihren Federmappen oder Fächern, sodass Bleistifte, Buntstifte, Deckfarben, Pinsel, Klebstoff, Papier und Scheren ständig zur Verfügung stehen. Bleistifte gibt es in verschiedenen Härtegraden. Die Bezeichnungen gehen von H (hart) über mehrere Abstufungen zu B (weich). Zum Skizzieren eignet sich für die Kinder ein Bleistift mit einem weicheren Härtegrad (z.B. HB 2), da er einen ausreichend hohen Abrieb hat, dabei aber nicht verschmiert.88 Bei Pinseln wird zwischen Haar- und Borstenpinseln unterschieden, die es in unterschiedlichen Größen gibt. Haarpinsel haben weiche Haare, die sich in feuchtem Zustand zu einer Spitze formen. Feine Arbeiten werden mit den Größen 1-5, gröbere Arbeiten mit den Größen 6-12 durchgeführt. Borstenpinsel werden aus kurzen, festen Schweineborsten hergestellt. Es gibt sie in den Größen 2 (fein) - 16 (grob). 89 Federn sollen die Kindern sammeln und mitbringen. Weitere Materialien und Werkzeuge werden von mir mitgebracht und sollen hier zur Übersicht aufgelistet werden: Karton, Kleisterfarbe, Draht, Kreppklebeband, elastisches Band, Kronkorken, Schleifpapier, Krepppapier, Eierschalen, Äste und Bambusstöcke, Gips, Aluschalen, Kneifzange, Gartenschere und Podeste. 3. Situation der Lerngruppe und Lernausgangslage Seit Schuljahresbeginn unterrichte ich in der Klasse 3b eigenverantwortlich das Fach Kunst mit einer Einzelstunde wöchentlich. Die Lerngruppe setzt sich aus sechs Mädchen und 14 Jungen im Alter von acht bis neun Jahren zusammen. Die Klasse zeigt ein gutes Arbeits- und ein angenehmes Sozialverhalten. Im Allgemeinen sind die Kinder in der Lage, sich an die Regeln und Vereinbarungen zu halten, sodass beispielsweise ritualisierte Signale den Unterrichtsverlauf verlässlich unterstützen. Die Schülerinnen und Schüler sind mit unterschiedlichen Organisations-, Arbeits-, Sozial- und Unterrichtsformen vertraut. Sie sind aufgeschlossen und willig Arbeiten zu verrichten und zeigen Vermögen zu individuellen Umsetzungsmöglichkeiten. In den Praxisphasen arbeiten sie motiviert und an der Sache interessiert, was sich darin zeigt, dass sie sachbezogene Gespräche führen und bereit sind, sich gegenseitig zu helfen. Die Gesprächsphasen werden von ihnen aktiv mitgestaltet, da sie sich generell interessiert und rege beteiligen. Insbesondere Arne, Sarah, Verena, Sebastian und Lukas bereichern mit durchdachten Beiträgen das Gespräch. Neben Sedat, der türkischer Herkunft ist und z.T. Verständnisschwierigkeiten hat, zeigt sich Oliver in 87 88 89 Vgl. Regel, S. 158f Vgl. Hietkamp, S. 83 Vgl. a.a.O., S. 52 diesen Phasen auffällig desinteressiert. Sedat stört diese Phasen häufig durch unangemessene Einwürfe und lenkt somit andere Schülerinnen und Schüler ab, sodass ich ihn ermahne, ihn aber auch während der Demonstrationen des Öfteren einbeziehe, um ihm durch Handlung die Inhalte näher zu bringen. Olivers Desinteresse begegne ich, indem ich ihn während der Gesprächsphasen durch direkte Ansprache in das Unterrichtsgeschehen mit einbeziehe. Seine Gleichgültigkeit zeigt sich zudem in zur Schau gestellter Arbeitsunlust. Wenig begeisterungsfähig geben sich auch Gerrit und Alexander, sodass ich versuche, ihnen ihre Fertigkeiten durch Lob und Zuspruch bewusst zu machen. Sedat, Joshua und Don Peer stehen neuen Techniken häufig skeptisch gegenüber, da ihre haptischen Erfahrungen anscheinend rudimentär sind. Daher ermuntere ich sie zum Ausprobieren und lasse ihnen viel Zeit für Experimente. Die Schülerinnen und Schüler haben Vorerfahrungen in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen des Kunstunterrichts. Besonders ausdauernd und geduldig zeigen sie sich beim grafischen Gestalten. Viele zeichnen sehr detailliert und haben hohe Ansprüche in Bezug auf realitätsgetreue Abbildungen. Sedat zeigt sich in diesem Bereich ungewöhnlich weit entwickelt, während Stefan, Torben und Verena trotz hoher Motivation mit ihren Ergebnissen häufig unzufrieden sind. Sie produzieren oft schnelle und z.T. unsaubere Arbeiten und es ist ihnen wichtig, dass ich ihnen während der Arbeitsphasen positive Rückmeldung gebe. Ich unterstütze sie, indem ich ihnen individuelle Anregungen zur Weiterarbeit bzw. zur Modifizierung gebe. Das farbige Gestalten mit Deckfarben, also der Farbauftrag und das Mischen von Farben, ist den Kindern vertraut, sodass sie die Techniken entsprechend ihrer individuellen Farbvorstellung einsetzen können. Lukas M., Alexander und Don Peer richten sich bei ihrer Farbwahl häufig nach dem Angebot des Farbenkastens, sodass ich sie durch Fragen und Hinweise dazu anrege, ihre Farbvorstellung durch das Mischen von Farben zu erzielen. Farbkontraste setzen die Kinder eher unreflektiert ein. Im Bereich des räumlichen Gestaltens zeigen die Schülerinnen und Schüler im Allgemeinen ein gutes Vorstellungsvermögen. Mit der Kombination von unterschiedlichen Materialien und der Verbindungstechnik mit Klebstoff haben sie bereits Erfahrungen gesammelt. Insbesondere vielfältige Materiala ngebote regen sie zu fantasievollen und kreativen Ideen an. 4. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen zur Unterrichtseinheit Vögel sind in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler beinahe allgegenwärtig. Sie werden sinnlich wahrgenommen und wegen ihres Gesangs oder ihrem Aussehen als interessant empfunden. Manche haben Vögel auch als Haustiere, um sich ständig an ihnen erfreuen zu können. Besonders faszinierend und zugleich etwas fremd für die Menschen, ist die Fähigkeit der Vögel zu fliegen. Vögel werden angesichts ihrer natürlichen Anwesenheit zwar bemerkt, aber von vielen Schülerinnen und Schülern nicht bewusst wahrgenommen, da sie scheue Tiere sind, die eher flüchten als sich dem Bedürfnis der Kinder nach Berührung zu stellen. 90 Gerade dieses nicht Greifbare und ihre für uns 90 Vgl. I. 1.3 Faszination Tier beeindruckende Fähigkeit fliegen zu können, lässt Fantasien zu und hat viele Künstler inspiriert, Vögel als Motiv zu wählen. Auch einige Künstler der Klassischen Moderne haben Vögel motivisch eingebunden, um ihre innerlichen Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Subjektive Empfindungen entwickeln sich aus sinnlichen Eindrücken, die durch das Wahrnehmen und Beobachten der Wirklichkeit entstehen. Ein Erkundungsgang im nahe gelegenen Vogelpark soll den Kindern das Erleben solcher persönlicher Empfindungen ermöglichen. Zudem bieten die Vie lfalt der Vögel sowie die sinnlichen Eindrücke des Sehens, Hörens, Riechens und auch Fühle ns Anlass zum kommunikativen Austausch.91 Sinnliche Erfahrungen motivieren zum produktiven Ausdruck. Dieses Tätigwerden führt zur Verarbeitung von Gefühlen und Stimmungen. Die Kinder sollen im Zusammenhang mit der Betrachtung von Werken der Klassischen Moderne erkennen und verinnerlichen, dass die Künstler durch solche Erfahrungen zum bildnerischen Ausdruck ihrer Empfindungen angeregt wurden. So soll ihnen einerseits eine emotionale Verbindung zum Künstler ermöglicht werden und sie andererseits zum analogen Handeln anregen. Für diese Unterrichtseinheit habe ich Werke von Expressionisten gewählt, da die einfache und direkte Bildsprache den Kindern meiner Meinung nach leicht zugänglich ist.92 Zudem sind die Bildinhalte so gewählt, dass die Kinder an ihre Erlebnisse aus dem Vogelpark anknüpfen können. Die Werkbetrachtung bezieht immer auch den Künstler mit ein, sodass die Kinder neben Informationen über die Entstehung des Bildes auch die Lebensdaten erfahren und zur visuellen Unterstützung eine Abbildung des Künstlers ansehen können. 93 Die Werke und die Abbildungen der Künstler werden im Klassenraum aufgehängt, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, den Verlauf der Einheit jederzeit rekonstruieren zu können. 94 Der Abstraktionsgrad der ausgewählten Werke ist unterschiedlich hoch. Um die Kinder langsam an ungewöhnlichere Ausdrucksweisen heranzuführen, betrachten sie zunächst Werke mit hohem Wiedererkennungswert. Im Verlauf der Einheit lernen die Kinder Werke kennen, die im Abstraktionsgrad sukzessiv gesteigert werden sollen. Die Differenz zwischen Bekanntem und Unbekanntem wird dadurch geschmälert und der Zugang für die Schülerinnen und Schüler vereinfacht.95 Die ungewöhnlichen Ausdrucksweisen der Abstraktion und Verfremdung sollen bei den Kindern Irritationen auslösen und sie somit zum Dialog und zur Auseinandersetzung mit anderen und auch mit sich selbst anregen. Hierdurch sollen sie Differenzerfahrungen gewinnen, die zu Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber Ungewöhnlichem und anderen Meinungen führen sollen und somit zur Persönlichkeitsentwic klung beitragen. 96 Zudem stärken abstrahierte und verfremdete Bildinhalte das Vorstellungsvermögen und geben Raum für Gefühle und Fantasie. 91 Vgl. RRL, S. 7, I. 1.1 Zur Wahrnehmung, 1.2 Zur Beobachtung von Naturvorgängen Vgl. I. 2.1 Klassische Moderne, I. 2.1.1 Expressionismus 93 Vgl. V. Anhang, 4. Beispiel einer Abbildung eines Künstlers 94 Siehe Foto Nr. 19 95 Vgl. I. 2.2 Kriterien der Bildauswahl 96 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung 92 Die kommunikative und kognitive Verarbeitung sinnlicher Wahrnehmungen und Differenzein drücke soll durch die praktische Auseinandersetzung „begreifbar“ gemacht werden. Das praktische Tun unterstützt die Kinder, sich aktiv mit ihren Erkenntnissen, persönlichen Erfahrungen und Assoziationen auseinander zu setzen. 97 Hierbei ist zu bemerken, dass die Kinder nicht zur Nachahmung angeregt, sondern stets ermutigt werden ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen. Ihr Handeln bezieht sich demnach auf sich selber, was zu Selbstbestimmung und Kompetenzerwerb führen soll. 98 Im Laufe der Einheit sollen die Schülerinnen und Schüler zur Umsetzung ihrer Vorstellungen sowohl bekannte ästhetische Verfahren anwenden als auch neue Techniken kennen lernen. Die Techniken, die zur grafischen und farbigen Gestaltung eingesetzt werden sollen, beinhalten u.a. experimentelle und grundlegende Voraussetzungen für das räumliche Gestalten. Somit haben die Kinder die Möglichkeit durch Ausprobieren Erfahrungen zu sammeln, die sie zur räumlichen Gestaltung einsetzen, vertiefen und festigen können. Zudem lernen sie vielfältige Möglic hkeiten des Einsatzes von Materialien und Techniken kennen und sollen dadurch zu Kreativität angeregt werden.99 Die Techniken und Materialien sind so gewählt, dass möglichst viele Sinne der Kinder angesprochen werden. Zudem regt der hohe Aufforderungscharakter der Materialien die Kinder zu Ideen, Assoziationen und Vorstellungen und somit zu fantasievollem und kreativem Gestalten an. 100 Die ästhetisch-praktische und kommunikative Auseinandersetzung in Zusammenhang mit der Bildbetrachtung wird somit zu einem Erlebnis, das die Kinder emotional berührt und dadurch anhaltend im Gedächtnis bleibt. Nach jedem praktischen Tun sollen die Kinder ihre Erlebnisse und Gedanken austauschen können, um sich ihrer bewusst zu werden. Zum Ende der Einheit sollen die Schülerinnen und Schüler eine Ausstellung vorbereiten, durch die die Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und somit zur Diskussion gestellt werden. Hierbei sollen die Kinder lernen, ihre Erfahrungen darzustellen und sie anderen verständlich zu machen. 101 Zur Förderung der Kommunikation in den Gesprächsphasen und um den Schülerinnen und Schülern einen freien Blick auf die Werke der Künstler, die eigenen Arbeiten und die Demonstrationen oder Präsentationen zu ermöglichen, finden die Einstiegs- und Erarbeitungsphasen sowie die Ergebnissicherungen überwiegend im Stuhlhalbkreis statt. 5. Zusammenfassende Zielformulierungen Mit der Durchführung der Unterrichtseinheit werden grundlegende Ziele des Kunstunterrichts verfolgt. Die Erkundung im Vogelpark Walsrode soll den Schülerinnen und Schülern ermöglichen ihre Umwelt bewusster wahrzunehmen. Durch die Betrachtung von Kunstwerken der Klassischen Moderne sollen die Kinder zum Dialog angeregt werden, um eigene Eindrücke zu verarbeiten und um zu lernen, 97 Vgl. RRL, S. 5 Vgl. Peez, S. 112 99 Vgl. RRL, S. 30 100 Vgl. II. 2. Material und Werkzeug 101 Vgl. RRL, S. 32 98 auch andere Sichtweisen zu tolerieren. Zudem soll den Schülerinnen und Schülern ermöglicht werden, ihre rezeptiven Erfahrungen durch bildnerisch-praktische Tätigkeiten weiter zu verarbeiten. Die praktische Auseinandersetzung umfasst die Lernbereiche des grafischen, farbigen und des räumlichen Gestaltens. Die Betrachtung von abstrahiert und verfremdet dargestellten Werken und das breite Angebot an Materialien ermöglichen den Schülerinnen und Schülern Fantasie und kreatives Verhalten zu entwickeln und in ihren Arbeiten zu verwirklichen. Durch die Betrachtung, die Beschreibung und den Vergleich eigener und fremder Werke sowie die produktive Tätigkeit sollen die Kinder einen Zugang zu den Kunstwerken der Klassischen Moderne finden. 102 II. Durchführung der Unterrichtseinheit 1. Tabellarische Übersicht der Sequenzen Stunde 1./2. 3./4. 5./6. 7. 8. 9. 10. 11. 102 Sequenz Unterrichtsthema Paradiesisch Ein Stück e Vögel Vogelparadies nehme ich mit Material Macke: „Großer Zoologischer Garten“, Pechstein: „PalauTriptychon“ Bewegte Fantastische Sänger Papier DIN A 3, Marc: „Vögel“ Vögel und hungrige Deckfarben, BorstenGontscharowa: Greifer und Haarpinsel in „Der unterschiedlichen Radfahrer“, Stärken, Abbildungen Kandinsky: der Künstler „Zwei Vögel“ Merkwürdig Die Verwandlung Karton, Kleisterfarben, Klee: „Konzert e Schnabel-, der Paradiesvögel Abbildung des Künstlers auf dem Zweig“ Krallen- und Flatterwese Ein feierlicher Äste, Bambusstöcke, n Schmuck für die Wickeldraht, wundersamen Schleifpapier, Federn, Vogelwesen Eierschalen, Kneifzangen, Gartenscheren, Schere, Kleber Maschinelle Von Flatter-, Papier DIN A4, Klee: „Die r Antrieb für Krächz-, Greif- und Bleistift, Abbildungen Zwitschermasch die Zwitschermaschinen der Künstler ine“ märchenhaft en Sänger Maschinenbau Gips, Blumendraht, Kleisterpapier Hier krächzts, Zeitungspapier, Ausschnitte aus: zwitscherts und Wickeldraht Nolde: „Der flatterts große Vogel“, Zeitungspapier, Kleister Kandinsky: Vgl. RRL, S. 5 Zeichenblock DIN A4, Bleistift, Buntstifte, Abbildungen der Künstler Werke Ort Vogelpark Walsrode Klassenra um Klassenra um Klassenra um Ein glatter Balg für die Vögel 12. Farbe, Muster und Funktion 13./14. Herzlich Alle sollen unsere Willkomme Paradiesvögel und n bei den Flatterwesen sehen Paradiesvög eln und Flatterwese n Ausstellung im Café am Kunsthaus Deckfarben, Borstenund Haarpinsel unterschiedlicher Stärken,elastisches Band, Äste, Bambusstöcke, Wickeldraht, Schleifpapier, Federn, Eierschalen, Kneifzangen, Gartenscheren, Schere, Kleber, Abbildungen der Künstler Fotokarton in unterschiedlichen Farben, Federn, Bambusstockreste, Eierschalen, Draht, Kreppbänder, Abbildungen der Künstler „Zwei Vögel“, Marc: „Vögel“, Klee: „VogelBegegnung“, „Rotgeflügelte Sumpfhühner“, „Die ZwitscherMaschine“ Werke der Künstler, Arbeiten der Kinder Klassenra um Café am Kunsthau s 2. Beschreibung der Sequenzen Die folgenden Vorüberlegungen und Beschreibungen der Unterrichtssequenzen stützen sich auf die vorangegangenen theoretischen Erläuterungen. Die Inhalte der Sequenzen sind sukzessiv aufeinander aufbauend, sodass erlernte Techniken und Erfahrungen im Laufe der Sequenzen angewendet, erweitert und vertieft werden. 2.1 Erste Unterrichtssequenz: „Paradiesische Vögel“ In dieser Sequenz wird der Besuch des Vogelparks in Walsrode beschrieben und welche Erfahrungen die Schülerinnen und Schüler aus einem solchen Angebot erwachsen können. Zunächst werden die Möglichkeiten erläutert, die ein außerschulischer Lernort bietet. 2.1.1 Sachinformation außerschulischer Lernort Der Kontakt mit den Lebewesen in der freien Natur ist im Klassenzimmer weder durch lebende Objekte noch durch Medien zu ersetzen. Denn die Kinder haben das Bedürfnis, die ganze Person zu aktivieren, echte Naturerlebnisse zu schaffen und damit eine erlebnishafte Beziehung zur lebendigen Umwelt aufzubauen. Außerschulische Lernorte bieten die sinnlich-anschauliche, reale Begegnung mit der Natur – der Pflanzen- und der Tierwelt.103 Denn erst der kinästhetische, taktile, akustische und 103 Vgl. Killermann, S. 213, S. 215 visuelle Umgang formt die symbolische Vorstellung, die die Voraussetzung für das Denken überhaupt ist. 104 Der Vogelpark als außerschulischer Lernort bietet durch seine Anlage die Möglichkeit der unmittelbaren Naturbegegnung, da hier die Natur unter Einbeziehung aller Sinne erfahren werden kann. Zudem gehört der Park zu den lokalen Einrichtungen im unmittelbaren Umfeld der Schülerinnen und Schüler, sodass die Kinder durch den Besuch ihre Umgebung mit ihren Möglichkeiten besser kennen lernen. 2.1.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen Zu Beginn der Sequenz lese ich den Schülerinnen und Schülern die Fabel „Der Fuchs und der Storch“ 105 vor, um das Interesse zu wecken und somit den Beobachtungswillen der Kinder anzubahnen. 106 Zudem werden sie auf die Vögel als Lebewesen mit Empfindungen aufmerksam gemacht, damit sie ihnen mit Achtung und Respekt begegnen. 107 Im folgenden gelenkten Unterrichtsgespräch werden die Regeln, die sie während des Besuchs im Vogelpark einhalten müssen, mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Sie lernen so, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Bei der Betrachtung von August Mackes Werk „Großer Zoologischer Garten“ (A) sollen die Kinder den Zusammenhang zwischen dem realen Erlebnis und einer möglichen Umsetzung erkennen. Dieses Ziel wird auch bei der Betrachtung des Werkes „Palau-Triptychon“ (B) von Max Pechstein angestrebt. Die Betrachtung erfolgt beim Besuch der Tropenwaldhalle, da hier die Südsee-Atmosphäre deutlich spürbar ist.108 Zudem finden sie im Werk dargestellte Inhalte in ihrer unmittelbaren Umgebung wieder.109 Die Kinder können so einen emotionalen Bezug zum Werk herstellen, der durch das sinnliche Wahrnehmen der Umgebung begünstigt wird. Zudem werden sie an die Ausdrucksweise von expressionistisch arbeitenden Künstlern herangeführt, da die Inhalte noch eine hohe Gegenständlichkeit aufweisen, aber abstrahiert dargestellt sind. 110 Im Zusammenhang mit der Bildbetrachtung erfahren die Kinder, dass die Künstler ebenfalls zunächst Skizzen „vor Ort“ gezeichnet haben, um sie später in ihren Ateliers in Malereien umzusetzen. Durch das analoge Handeln soll von den Kindern der Entstehungsprozess eines Kunstwerks nachvollzogen und verinnerlicht werden. Die Rahmenrichtlinien geben vor, dass Gestaltungsanlässe aus der Erlebenswelt der Schülerinnen und Schüler hervorgehen sollen. 111 Der Besuch des Vogelparks schafft diese Bedingungen, da die Kinder die Vögel und ihre Umgebung mit allen Sinnen erleben können. Hierbei werden sowohl die Fern- als auch die Nahsinne der Schülerinnen und Schüler angesprochen. So haben sie die Möglichkeit bei der 104 Vgl. Dietl, S. 8 siehe V. Anhang, 5. Fabel 106 Vgl. I. 1.2 Zur Beobachtung von Naturvorgängen 107 Vgl. I. 1.3 Faszination Tier 108 Vgl. II. 1.1.2 Außerschulische Bedingungen 109 Siehe V. Anhang, 6. Tropenwaldhalle 110 Vgl. II. 1.2.1 Macke: „Großer Zoologischer Garten“, 1.2.2 Pechstein: „Palau-Triptychon“ 111 Vgl. Der Niedersächsische Kultusminister, S. 7 105 Pinguinfütterung zugegen zu sein, diese beim Fressen, Schwimmen und Tauchen sowohl zu beobachten, als auch im Rahmen des Vogelparkprogramms sogar zu streicheln, also haptisch wahrzunehmen. Diese Erfahrungen begünstigen nicht nur die symbolische Vorstellung von Vögeln 112 , sondern tragen auch dazu bei, dass Elemente des Gefühlten, Gesehenen und Gehörten in die Skizzen einfließen können, die von den Schülerinnen und Schülern angefertigt werden sollen. 113 Das Erlebnis bietet den Anlass zum zeichnerischen Ausdruck, wobei die sinnliche Wahrnehmung und das genaue Beobachten die Voraussetzung für das zeichnerische Gestalten bilden. 114 Ein weiteres Angebot im Rahmen des Vogelparkprogramms ist die Flugschau. 115 Hier sollen die Schülerinnen und Schüler besonders die Bewegungen der Vögel wahrnehmen und ihre Eindrücke zeichnerisch fixieren und zum Ausdruck bringen. 116 Die Umsetzung von beweglichen Objekten in eine Skizze erfordert Geduld und auch Erfahrung, zu der hier der Grund gelegt werden soll. Die Schülerinnen und Schüler sollen demnach die Vögel beobachten und in eine Skizze umsetzen, indem sie ihre Beobachtungen mit wenigen Linien festhalten. 117 Hier kommt unterstützend hinzu, dass die vertraute und einfache Handhabung den entdeckenden Umgang mit der Umwelt zulässt und das Ausprobieren von Neuem begünstigt. 118 Zur Ergebnissicherung werden einige Skizzen vorgestellt und beschrieben. Hierbei sollen die Kinder erkennen, dass die Eindrücke eines jeden Einzelnen unterschiedlich sind, da keine Skizze der anderen gleicht. 119 2.1.3 Reflexion der Sequenz Die Schülerinnen und Schüler konnten sich trotz der Aufregung des bevorstehenden Ausflugs gut auf die Fabel einlassen und stellten gemeinsam heraus, dass man sich gegenseitig respektieren muss, gleich um welches Lebewesen es sich handelt. Während der Erkundung verhielten sie sich sehr umsichtig und waren hochmotiviert. Ihre Begeisterung zeigte sich darin, dass sie ihren Skizzenblock stets griffbereit hatten und zu jeder sich bietenden Gelegenheit Skizzen anfertigten. 120 Sie waren beeindruckt von der Größe der Störche und der Nähe, aus der sie sie beobachten konnten. So äußerten sich die Kinder unter anderem zum unangenehmen Geruch und bemerkten auch z.B. Flügelverkürzungen im Vergleich mit anderen Störchen. Besonders faszinierte sie die Möglichkeit, die Vögel zu berühren, wie z.B. bei der Pinguinfütterung oder im Freiflugkäfig der Loris.121 Hierbei verhielten sie sich besonders vorsichtig und zeigten so ihre Achtung vor den Vögeln. 112 vgl. III. 2.1.1 Sachinformation außerschulischer Lernort Vgl. Burkhardt, S. 4 114 Vgl. I. 1.2 Zur Beobachtung 115 Vgl. II. 1.1.2 Außerschulische Bedingungen 116 Vgl. RRL: „Darstellen von Bewegungsvorgängen“, S. 25 117 Vgl. I. 1.2.1.1 Die Skizze 118 Vgl. II. 1.2.1 Das Zeichnen, II. 4. Lerngruppe und Lernausgangslage 119 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung 120 Siehe Foto Nr. 1, Nr. 2 121 Siehe Foto Nr. 3, Nr. 4 113 Die Schülerinnen und Schüler waren unglaublich wissbegierig, stellten vie le Fragen oder versanken in ihre Zeichnungen, die sie mit äußerster Sorgfalt und dem Anspruch an Vollständigkeit und naturgetreuer Wiedergabe auszuführen versuchten. Erst im weiteren Verlauf lösten sie sich davon und es entstanden Skizzen, die Umrisse, Binnenstruktur und Bewegungen mit wenigen Linien lediglich andeuteten.122 Die Schülerinnen und Schüler erkannten die Zusammenhänge zwischen Mackes Werk und ihrer eigenen derzeitigen Umgebung, indem sie feststellten, dass auf dem Bild Papageien, Kraniche, ein Strauß und andere Tiere (im Vogelpark gibt es einen speziell für Kinder eingerichteten Streichelzoo) sowie Menschen, die sie betrachten, dargestellt sind. Auch die Verbindung von der Tropenwaldhalle zum Werk Pechsteins erkannten sie, indem sie beispielsweise die dargestellten Hütten in ihrer unmittelbaren Umgebung wiedererkannten. Zudem konnten die Kinder die unterschiedlichen Eindrücke in den Skizzen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler gut erkennen und akzeptierten sie wie selbstverständlich. Sie schienen sie sogar als bereichernd zu empfinden, da durch die Skizzen Erinnerungen geweckt wurden. 2.2 Zweite Unterrichtssequenz: „Bewegte Vögel“ In der folgenden Sequenz wird die farbige Umsetzung der im Vogelpark entstandenen Skizzen beschrieben. Da in den Skizzen häufig Bewegungen „eingefroren“ wurden, soll die Bewegung und ihr Zusammenhang in der Kunst eingehender erläutert werden. 2.2.1 Sachinformation Bewegung Bewegung bezeichnet die Ortsveränderung eines Körpers im Raum-Zeit-Kontinuum. Abgesehen von Film, Fernsehen und Video sind den Bewegungsdarstellungen in der bildenden Kunst Grenzen gesetzt, da sie – mit Ausnahme der kinetischen Kunst 123 – statisch sind. Prinzipiell werden schräge Linien vom Betrachter als bewegt interpretiert, da sie in Bezug zur Waagerechten und Senkrechten als unstabil aufgefasst werden. Der Vorgang des Betrachtens vollzieht sich innerhalb einer Zeitspanne. Der Blick folgt im Falle dynamischer Gestaltungsabsic hten einem Hin und Her, Auf und Ab, Vor und Zurück. Hinzu kommt auch das Wissen um die Bewegung, das zur Suggestion von Bewegung beiträgt, obwohl in Wirklichkeit nur ein Bewegungsmoment dargestellt werden kann.124 Die Werke „Vögel“ von Franz Marc (C)125 und „Der Radfahrer“ von Natalia Gontscharowa (D)126 zeigen unterschiedliche Mittel zur Bewegungsdarstellung auf. So vermitteln die schräg verlaufenden und aufeinanderprallenden Linien und Formen in dem Werk „Vögel“ eine unruhige Eigendynamik, die 122 Siehe V. Anhang, 7. Skizzen (Vogelpark) vgl. I. 1.4.2 Kinetische Kunst 124 Vgl. Schülerduden Kunst, S. 76f 125 vgl. II. 1.2.3 Marc: „Vögel“ 126 vgl. II. 1.2.4 Gontscharowa: „Der Radfahrer“ 123 Assoziationen von hektischem Flattern aufkommen lassen oder auch von einer Umgebung, die sich in Schwingungen aufzulösen scheint.127 In dem Werk „Der Radfahrer“ nutzt die Malerin grafische Stilmittel zur Darstellung des Bewegungsverlaufs. 2.2.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen In dieser Unterrichtssequenz sollen die Schülerinnen und Schüler ihre im Vogelpark gezeichneten Skizzen in eine Malerei mit Deckfarben umsetzen und mit Hilfe von Werken der Kla ssischen Moderne zur Betonung der Bewegungen angeregt werden. Die Kinder wählen zunächst ihre Lieblingsskizze oder die Skizze ihres Lieblingsvogels, wodurch die Erlebnisse aus dem Vogelpark wieder wachgerufen und eine emotionale Beziehung aufgebaut wird. Zuerst sollen sie das Werk „Der Radfahrer“ betrachten, da hier die „Wirklichkeit“ zwar verfremdet dargestellt ist, der Bildinhalt jedoch noch eine hohe Gegenständlichkeit aufweist. Bei der Betrachtung des Werkes „Vögel“ ist die Gegenständlichkeit der Umwelt weitestgehend aufgehoben und wird nur noch anhand der Vögel deutlich. Somit sollen die Kinder langsam an ungewöhnlichere Darstellungsweisen herangeführt werden.128 Die fremden Ausdrucksweisen sollen die Kinder irritieren. Durch die Irritation wird ein kommunikativer Austausch provoziert, in dem die unterschiedlichen Eindrücke genannt werden. Die Kinder sollen dadurch lernen, die verschiedenen Meinungen zu akzeptieren und sich somit in Toleranz üben. 129 Während der Betrachtung der Werke sollen die Schülerinnen und Schüler besonders auf die Darste llungsweisen der Künstler achten, mit denen sie die Bewegungen zum Ausdruck gebracht haben. Dadurch werden die Kinder nicht nur mit expressionistischen Ausdrucksformen vertraut gemacht, sondern finden Anregungen zur Umsetzung von Bewegungsmomenten in statischer und zweidimensionaler Form. 130 Ergänzend wird ein Ausschnitt aus dem Werk „Zwei Vögel“ von Wassily Kandinsky (H)131 als weiteres Beispiel hinzugefügt. Die Rahmenrichtlinien geben bezüglich des farbigen Gestaltens vor, die freie Gestaltung von Erlebnissen und Vorstellungen zu unterstützen. 132 Bei der Umsetzung der Skizze in die Malerei sollen die sinnlich erfahrenen Erlebnisse und Gefühle zum Ausdruck kommen. Aus diesem Grund sind keine weiteren Angaben zum Farbauftrag oder der Farbwahl gegeben, damit die Schülerinnen und Schüler ohne einschränkende Vorgaben ihre Empfindungen malerisch darstellen können. Der Ausdruck der individuellen Farbvorstellung und des Farbauftrags soll hiermit gefördert werden.133 Hierbei sollen sie 127 Vgl. Haftmann, Bd. 1, S. 157 Vgl. I. 2.2 Kriterien der Bildauswahl 129 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung 130 Vgl. III. 2.2.1 Sachinformation Bewegung 131 vgl. II. 1.2.7 Kandinsky: “Zwei Vögel“ 132 Vgl. RRL, S. 9 133 Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage 128 mit den Werkzeugen, Borsten- und Haarpinsel, sachgemäß umgehen können und sie ihren Vorstellungen entsprechend gezielt einsetzen zu können. 134 Zur Ergebnissicherung werden ausgewählte Arbeiten der Kinder neben die Werke der Künstler an die Tafel gehängt. Dadurch lernen sie ihre Werke als eine Möglichkeit der Umsetzung neben anderen zu verstehen. Nach einer formal intendierten Beschreibung sollen sich die Schülerinnen und Schüler zur Wirkung der eingesetzten Farbe und Farbauftrags äußern und erläutern können, mit welchen Mitteln dieses erreicht wurde. Durch die Beschreibung soll eine sachliche Grundlage geschaffen werden, damit die subjektiv empfundenen Wirkungen nicht wertend werden. Außerdem wird die sachliche Begründung von subjektiven Eindrücken geschult. Zudem sollen sie die eingesetzten Mittel zum Ausdruck der Bewegungen erläutern und Gemeinsamkeiten und Unterschiede darlegen können. Damit wird die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Ausdrucksweisen gefördert. 2.2.3 Reflexion der Sequenz Die Kinder zeigten sich schon zu Beginn der Sequenz sehr motiviert, da sie ihre Skizzen vorliegen hatten, sie betrachteten oder sich über die Erlebnisse des Vogelparkbesuchs austauschten. Die Wahl der „Lieblingsskizze“ fiel nicht schwer, da sie vermutlich schon vorher getroffen war. Sie fanden verschiedene Erklärungen für die Wahl: Einige äußerten sich fasziniert von dem Vogel, von dessen Schnabel, Krallen oder langen Schwanzfedern sie beeindruckt waren. Andere suchten nach Skizzen, die ihnen ihrer Meinung nach besonders gelungen waren. Im Vordergrund stand jedoch immer das Erlebnis, das sie mit der Skizze verbanden. Den Werken der Künstler begegneten sie zunächst skeptisch, was durch Äußerungen wie „Was soll denn das sein?“ oder „Ich kann da gar nichts erkennen!“ deutlich wurde. Während der Betrachtung hielt ich mich bewusst zurück, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, eigenständig Ideen zu entwickeln und den Austausch untereinander zu fördern. Im weiteren Verlauf des Gesprächs und nach eingehender, interessierter Betrachtung (die Kopien wurden im Stuhlkreis herumgegeben) äußerten sie Erkenntnisse, die einem „Aha-Effekt“ glichen. Sie erkannten den Radfahrer und die Vögel und erklärten sich gegenseitig die Bildinhalte. Eine Schülerin erklärte bezüglich des Werkes „Der Radfahrer“: „Es sieht aus wie ein verwackeltes Foto“ und machte so die Bewegung deutlich, die in dem Werk dargestellt ist. Das Werk Mackes beeindruckte einen Schüler so sehr, dass er fragte, ob er sein Bild genauso gestalten dürfe. Allerdings ging durch das Herumreichen der Kopien (etwa DIN A4) viel Zeit verloren, die durch größere Formate hätte eingespart werden können. Der Vogel aus Kandinskys Werk „Zwei Vögel“ wirkte fantasieanregend auf die Kinder. Ein Schüler meinte z.B. an dem Vogel zwei Köpfe zu erkennen. Während der Arbeitsphasen waren die Schülerinnen und Schüler auffallend konzentriert. Zwischenzeitlich gingen einige Kinder zu den Werken, um sich spezielle Details nochmals anzusehen. Manche Kinder nutzten ihre Skizzen als Vorlagen, andere brachten ihre Vorstellungen direkt zum 134 Vgl. II. 2. Material und Werkzeug, RRL, S. 10 Ausdruck. 135 Sie nutzten die in den Werken erkannten grafischen Mittel und machten die Bewegungen und z.T. sogar die Geräusche in ihren Werken durch den Einsatz von schrägen (fliegen), gewellten (zittern) und spiralförmigen (zwitschern) Linien sichtbar.136 Hierdurch wurde deutlich, dass sie sich eher mit der gegenständlicheren Ausdrucksweise Gontscharowas identifizieren konnten. Die Kinder leisteten hier zudem einen Transfer, da sie die eingesetzten Mittel zur Bewegungsdarstellung auf ihren Inhalt übertrugen. Der abstrahiertere Ausdruck Mackes schien ihnen trotz der Begeisterung bei der Betrachtung in der Umsetzung nicht realisierbar. Eine alternative Weiterarbeit wäre an dieser Stelle, das Werk intensiver zu betrachten, ggf. formal zu analysieren und analog zum Bildinhalt verschiedenfarbige eckige Formen auszuschneiden und eine Collage zu erstellen. Es entstanden sehr unterschiedliche Arbeiten, sowohl in Bezug auf Farbeinsatz als auch des Farbauftrags. Während des Vergleichs in der Ergebnissicherung bezeichneten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise eine Arbeit mit wässrigem Farbauftrag als luftig, eine andere als bunt (deckender Farbauftrag). Sie beschrieben die dargestellten Bewegungen und fanden Gemeinsamkeiten im Vergleich mit dem Werk „Der Radfahrer“. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz : „Merkwürdige Schnabel-, Krallen- und Flatterwesen“ mit ausführlichem Unterrichtsentwurf der Stunde „Die Verwandlung der Paradiesvögel“ Die Intention dieser Unterrichtssequenz liegt in der Erweiterung des Erfahrungspotentials der Kinder bezüglich verfremdeten bzw. abstrahierten Darstellungen. Daher sollen zunächst die Begriffe Abstraktion und Verfremdung näher erläutert werden. 2.3.1 Sachinformation Verfremdung und Abstraktion Die Begriffe „Verfremdung“ und „Abstraktion“ in Bezug auf die bildende Kunst sind meiner Meinung nach eng miteinander verzahnt. Beiden Verfahren liegt die „Loslösung vom Gegenständlichen“ zugrunde, indem Vertrautes, scheinbar Unabänderliches in ungewöhnlicher Weise dargeste llt wird. 137 Der Unterschied der beiden Begriffe liegt in der Art und Weise der „Loslösung“. Mit dem Begriff „Verfremdung“ wird das Ergebnis von Veränderungen bezeichnet. So kann beispielsweise Gewohntes und für zusammenhängend Gehaltenes in neuartige ungewohnte Beziehungen gebracht und somit verfremdet werden. Die Veränderungen können aber auch mit bildnerischen Mitteln, z.B. durch Verzerrung, herbeigeführt werden. Der Schwerpunkt liegt demnach nicht mehr auf der bloßen Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern wird auf die Veranschaulichung von Assoziationen, Träumen und Gedanken verschoben. 138 Der Begriff „Abstraktion“ (lat. abstrahere – abziehen, entfernen) bezieht sich dagegen auf die Vernachlässigung von Merkmalen, um somit andere, subjektiv höher gewichtete Merkmale 135 Siehe Foto Nr. 5, Nr. 6 Siehe Foto Nr. 7 137 Vgl. Klant (1988), S. 166, vgl. Lange, S. 651 138 Vgl. Schülerduden Kunst, S. 498 136 hervorzuheben. 139 Er wird bevorzugt für Werke gebraucht, in denen die optische Wirklichkeit noch vorhanden, aber „abstrahiert“ bzw. „figurativ“ dargestellt ist. Rein ungegenständliche, nicht abbildhafte Werke werden als „abstrakt“ und „non-figurativ“ bezeichnet und zählen zur „absoluten“, „konkreten Kunst“. 140 Das bedeutet, dass sich Verfremdung und Abstraktion nicht gegenseitig ausschließen sondern einander auch bedingen können. Somit besteht die Möglichkeit, beide Verfahren innerhalb eines Werkes einzusetzen, sodass Überschneidungen möglich sind. 2.3.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen Vögel sind Teil der natürlichen Lebensumwelt der Schülerinnen und Schüler. Aber nicht nur in der Natur kommen sie mit ihnen in Kontakt, sondern auch durch ihre Existenz in Sprichwörtern, Märchen, Werbung, Filmen und Comics.141 Gerade in Comics oder Trickfilmen sind Vögel verfremdet oder auch abstrahiert dargestellt, indem beispielsweise besondere Eigenschaften durch vergrößerte Darste llung hervorgehoben bzw. andere charakteristische Merkmale vernachlässigt werden (z.B. Tweety (Kanarienvogel), die Ducks (Enten), Pingu (Pinguin), Petry (Flugsaurier) u.a.).142 In dieser Sequenz betrachten die Schülerinnen und Schüler zunächst das Werk „Konzert auf dem Zweig“ von Paul Klee (E) und fertigen daraufhin eine Grattage143 in Kleisterfarbe an, in der sie einzelne Merkmale ihrer Lie blingsvögel abstrahiert oder verfremdet hervorheben sollen. 144 Im weiteren Verlauf sollen sie die hervorgehobenen Merkmale durch den gezielten Einsatz von Farbe noch verstärken, sodass nicht nur die Form auf das subjektiv Wesentliche aufmerksam macht, sondern auch die Farbe. Während die Grattage zunächst nur einfarbig gestaltet wurde, sollen die Kinder durch die Betrachtung ausgewählter Arbeiten überlegen, wie die dargestellten Hervorhebungen durch den gezielten Einsatz von Farbe noch unterstrichen werden können und erkennen, dass sich hierfür Farben eigenen, die im Hell-Dunkel-Kontrast zur Hintergrundfarbe stehen. Somit erfahren sie, dass die Wirkung einer Farbe durch Kontraste gesteigert werden kann.145 Zudem vertiefen und festigen sie ihre Kenntnisse bezüglich des gezielten Mischens von Farben zweiter Ordnung. 146 Während der Ergebnissicherung werden diese Aspekte aufgegriffen. Die Kinder sollen bei der Präsentation ihre Farbwahl begründen können, um sich so der Wirkung bewusst zu werden. Zudem werden sie angeregt darüber nachzudenken, wie ihre Bilder in einer Ausstellung präsentiert werden können und sollen herausfinden, dass Rahmen eine Möglichkeit darstellen. Die Herstellung von Rahmen bedeutet eine unmittelbare Würdigung und Emporhebung der Arbeiten. Auch die Ankündigung an die bevorstehende Ausstellung zeigt den Schülerinnen und Schülern, dass 139 Vgl. a.a.O., S. 13 Vgl. Klant (1988), S. 174 141 Vgl. Manser, S. 2ff 142 Vgl. III. 2.3.1 Sachinformation Verfremdung und Abstraktion 143 vgl. II. 1.3.2 Die Malerei 144 Vgl. III. 2.3.3.1 Didaktische Entscheidungen 145 Vgl. RRL, S. 9, vgl. II. 1.2.2 Die Malerei 146 Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage 140 ihre Arbeiten gewürdigt werden. 147 Für die Anfertigung der Rahmen stehen Bambusstöcke und Äste zur Verfügung, die mit Draht verbunden werden sollen. Die Techniken, die sich zur Verbindung von sich kreuzenden Stöcken bzw. Ästen gut eignen, sollen die Schülerinnen und Schüler erprobend erlernen, indem sie ihre Ideen unmittelbar umsetzen und auf Haltbarkeit überprüfen. Hie rmit wird sowohl die Feinmotorik als auch die Kreativität, durch Antizipation von Lösungsprinzipie n, und das technische Verständnis gefördert. Die Verbindung der Stöcke macht die Partnerarbeit notwendig, um das Verrutschen der Stöcke während des Verbindens zu vermeiden. Im Anschluss sollen die Kinder die Rahmen mit unterschiedlichem Material wie Federn, Schmirgelpapier, Kreppbändern, Draht, etc.148 entsprechend ihrer inhaltlichen Aussage gestalten können, um somit den Zusammenhang zwischen dem Bild und dem Rahmen zu verdeutlichen. Zudem werden die Schülerinnen und Schüler durch die Vielfalt und den hohen Aufforderungscharakter des Materials zu kreativem Arbeiten angeregt. Die Schülerarbeiten werden an wenigen Stellen gelocht und mit Draht an dem Rahmen befestigt. Hiermit wird eine weitere Verbindungstechnik von den Schülerinnen und Schülern erprobt und der Umgang mit dem Material vertieft und festigt. 2.3.3 Ausführliche Darstellung der Unterrichtsstunde „Die merkwürdige Verwandlung der Paradiesvögel“ Die Unterrichtsstunde „Die Verwandlung der Paradiesvögel“ bildet den Beginn der Sequenz. Die folgenden didaktischen Entscheidungen ergänzen und vertiefen die didaktisch-methodischen Vorüberlegungen zur Unterrichtssequenz. 2.3.3.1 Didaktische Entscheidungen Gestützt auf die Vorerfahrungen der Kinder bezüglich verfremdet bzw. abstrakt dargestellter Vögel in ihrer Lebenswelt und ihren Erlebnissen aus dem Vogelpark sollen die Kinder in dieser Stunde das Werk „Konzert auf dem Zweig“ von Paul Klee (E)149 kennen lernen. Die Schülerinnen und Schüler sollen zunächst die aus dem Werk isolierten Vögel150 und dann das Werk betrachten und beschreiben können. Die abstrahierten Vogeldarstellungen rufen bei den Kinder Irritationen hervor, da die Darstellungen nicht ihrer subjektiven Wirklichkeitsvorstellung entsprechen. Die Kinder sollen so zum Austausch und zur Verarbeitung ihrer Eindrücke angeregt werden und andere Vorstellungen kennen und akzeptieren lernen. 151 Während der Betrachtung und im Austausch sollen die Kinder erkennen, welche Merkmale der Vögel vom Künstler besonders hervorgehoben wurden und mit welchen Mitteln er die s erreicht hat. Hiermit soll die Fähigkeit entwickelt werden, sinnbildliche Darstellungen zu entschlüsseln. 147 Vgl. Aissen-Crewett, S. 122f vgl. II. 2. Material und Werkzeug 149 vgl. II. 1.2.4 Klee: „Konzert auf dem Zweig“ 150 vgl. I. 2.2 Kriterien der Bildauswahl, vgl. III. 2.3.3.3 Methodische Überlegungen 151 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung 148 Die abstrahierte Darstellung lässt Raum für eigene Vorstellungen, sodass die Kinder angeregt werden, subjektiv wichtige Merkmale ihres Lieblingsvogels aus dem Vogelpark zu nennen und herauszufinden mit welchen Mitteln sie diese hervorheben können. Diese Vorstellungen sollen in den Arbeiten umgesetzt werden und somit ihre „inneren Empfindungen“ zum Ausdruck bringen. 152 Durch das analoge Handeln soll den Kindern der Zugang zum Werk ermöglicht und die Intention der Künstler der Klassischen Moderne nachvollzie hbar werden.153 Für die Umsetzung ihrer Ideen stehen den Kindern Kleisterfarben in den Grundfarben und großformatiger Karton zur Verfügung. 154 Sie sollen den Kleister mit den Händen flächig auftragen und mit den Fingern ihre verfremdeten oder abstrahierten Vogelvorstellungen in die Farbe ritzen können. Hierdurch entsteht eine Grattage, da durch das Abkratzen der Farbe der Untergrund hervortritt.155 Neben der sinnlichen Erfahrung haben die Kinder die Möglichkeit verschiedene Lösungswege zu suchen und auszuprobieren, indem sie abgeschabte Stellen jederzeit wieder mit Farbe füllen können.156 Das Experimentieren mit abstrahierenden und verfremdenden Ausdrucksweisen kann zu Erkenntnisprozessen und Verständnis im Umgang mit irritierenden, ungewöhnlichen Bildaussagen führen. 157 Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Arbeiten vorstellen und Überlegungen äußern können, welches Merkmal besondere Beachtung bekommen hat und die eingesetzten Mittel zur Umsetzung erläutern können. Durch die Beschreibung sollen die rezeptiven Fähigkeiten der Kinder geschult und das Deutungs- und Ausdrucksrepertoire erweitert werden. 2.3.3.2 Zielsetzungen Grobziel Die Schülerinnen und Schüler sollen durch die Betrachtung des Werks „Konzert auf dem Zweig“ von Paul Klee angeregt werden, eine verfremdete bzw. abstrahierte Version ihres Lieblingsvogels darzustellen und dadurch einen Zugang zu dem Werk finden. Fachliche Ziele Die Schülerinnen und Schüler sollen - die isoliert dargestellten Vögel erkennen können. - erklären können, auf welches Merkmal der Vögel der Künstler besonders Wert gelegt hat und welche Mittel er dazu eingesetzt hat. 152 Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus Vgl. I. 2.1 Zur Klassischen Moderne, RRL, S. 5 154 Vgl. III. 2.3.3.3 Methodische Überlegungen 155 Vgl. II. 1.3.2 Die Malerei 156 Vgl. RRL, S. 30 157 Vgl. Lüttges, S. 78 153 - verstehen, dass durch Veränderung oder Vernachlässigung von Merkmalen Einzelheiten besonders betont werden können. - erläutern können, mit welchen Mitteln sie das besondere Merkmal ihres Lieblingsvogels betonen wollen. - ihre Vorstellung experimentell erarbeitend in Kleisterfarbe gravieren können. - ihre und andere Werke vorstellen und inhaltlich erläutern können. Prozessuale Ziele im sozialen und affektiven Bereich Die Schülerinnen und Schüler sollen - Zugang zu dem Werk „Konzert auf dem Zweig“ von Paul Klee finden. - ihr kreatives Verhalten und ihre Fantasiefähigkeit weiterentwickeln. - ihre Symbolisierungsfähigkeiten ausbilden. - ein Verfahren zum besonderen Ausdruck subjektiv gewichteter Details kennen lernen. - die Technik der Grattage kennen lernen. - ihre sinnliche Wahrnehmung schulen. - sich gegenseitig zuhören und lernen, andere Meinungen zu akzeptieren. 2.3.3.3 Methodische Begründungen Die Schülerinnen und Schüler werden durch ein ritualisiertes ikonisches Zeichen aufgefordert in den Stuhlhalbkreis zu kommen. Die Einstiegs- und Erarbeitungsphase findet im Stuhlhalbkreis statt, um den Kindern eine bessere Sicht auf die isolierten Vögel, das Werk und die Demonstrationsmaterialien zu ermöglichen und um eine bessere Kommunikationsatmosphäre zu schaffen. Das Werk „Konzert auf dem Zweig“ zeigt viele kreuzende Linien, die auf die Kinder verwirrend wirken könnten. Aus diesem Grund werden zunächst Darstellungen, auf denen die Vögel isoliert abgebildet sind an die Tafel gehängt.158 Somit wird die Aufmerksamkeit auf die einzelnen Vögel gelenkt und vereinfacht den Prozess des Erkennens.159 Die Technik zur Erstellung der Grattage entwickeln die Kinder im Demonstrationsverfahren, um ihnen Möglichkeiten der Bearbeitung aufzuzeigen. Ich habe bewusst Kleisterfarbe und die Bearbeitung mit Händen und Fingern gewählt, damit die Kinder sinnliche Erfahrungen im Umgang mit dem Material machen können. 160 Durch den flächigen Auftrag der Farbe ist einerseits der weiße Untergrund bereits mit Farbe bedeckt und andererseits bildet das Verwischen der Farbe Strukturen, sodass diese Technik möglichen Blockaden entgegenwirkt. Zudem fördert die Möglichkeit des Verwerfens, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, das ungezwungene Herangehen an die Arbeit. Die Beschränkung auf die Grundfarben soll die Kinder zum Mischen anregen. 158 Siehe V. Anhang, 8. Tafelbild (Dritte Sequenz) Vgl. V. Anhang, 9. Isolierte Vögel aus „Konzert auf dem Zweig“ 160 Vgl. I. 1.1 Zur Wahrnehmung 159 In der Arbeitsphase arbeiten die Kinder mit großformatigem Karton und einer von ihnen gewählten Farbe. Ich habe das Format DIN A2 gewählt, um die Kinder zum Einsatz ihres gesamten Körpers während des Experimentierens zu bewegen und ihnen so die Gelegenheit einer umfassenden Wahrnehmungserfahrung zu geben. 161 Die Kinder sollen sich für eine Grundfarbe entscheiden, um ungewünschte Farbmischungen, die durch Verwischungen entstehen würden, zu vermeiden. Zu Anfang der Experimentierphase helfe ich Sedat, indem ich mit ihm ggf. den Arbeitsauftrag nochmals fragend entwickelnd erarbeite und ihn und Joshua mit dem Farbauftrag vertraut mache.162 Zudem habe ich die Möglichkeit, die Kinder während ihres Erfahrungsprozesses zu beobachten. Die Experimentierphase wird mittels eines ritualisierten akustischen Zeichens zwei Minuten vorher beendet, damit die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit haben, Angefangenes zu beenden, ihre Plätze aufzuräumen und die Materialien zurückzubringen. Für die Präsentation und Ergebnissicherung versammeln sich die Schülerinnen und Schüler in einem Stehkreis. Der Stehkreis bietet sich aufgrund der großformatigen Schülerarbeiten an, da der Boden mehr Platz bietet als die Tafel. Einige ausgewählte Arbeiten, in denen auf unterschiedliche Merkmale Wert gelegt wurde, und das Werk Klees werden in die Mitte des Stehkreises gelegt. Dadurch haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen nebeneinander zu betrachten und zu vergleichen, was die Argumentation begünstigt. Sollte am Ende der Stunde noch etwas Zeit übrig sein überlegen die Schülerinnen und Schüler, mit welchen Mitteln die herausgestellten Merkmale noch deutlicher hervorgehoben werden könnten. 2.3.3.4 Geplanter Unterrichtsverlauf Zeit/ Phase Lehrer-Schüler-Interaktion Begrüßung Einstieg Begrüßung LAn bittet die SuS in den Stuhlhalb kreis und hängt die aus dem Werk Klees isoliert dargestellten Vögel an die Tafel. LAn hängt die Kopie „Konzert auf dem Zweig“ an die Tafel. Die SuS äußern sich zu den Darste llungen und überlegen, was der Künstler besonders zum Ausdruck bringen wollte und wodurch dies deutlich wird. Die SuS beschreiben Merkmale, die ihnen an ihrem Lieblingsvogel wichtig sind und stellen Überlegungen zur Umsetzung an. Einige SuS demonstrieren unter Anle itung der LAn den Umgang mit der Kleisterfarbe und den 9:45-9:50 Erarbeitung 9:50-10:00 161 162 Vgl. ebd. Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage Unterrichts- und Medien Sozialform Ikonisches Zeichen, Stuhlhalbkreis, isoliert dargestellte Betrachtung Vögel aus dem Werk „Konzert auf dem Zweig“ Stuhlhalbkreis, Tafel, isoliert gelenktes dargestellte Vögel, Unterrichtsgesprä Kopie von Klees Werk ch, SuS „Konzert auf dem Demonstration Zweig“, Karton, Aluschüsseln, Kleisterfarbe Arbeitsphase 10:00-10:20 Ergebnissicherung 10:20-10:30 experimentellen Möglichkeiten. Die SuS nehmen sich einen Bogen Karton und füllen die gewählte Farbe in eine Schüssel und beginnen zu experimentieren. LAn beobachtet die SuS während ihres Schaffensprozesses, steht für Hilfestellungen und zur Beratung zur Verfügung und achtet gezielt auf Sedat und Joshua. LAn beendet die Experimentierphase durch ein akustisches Zeichen. LAn bittet die SuS in den Stehkreis und legt einige Arbeiten der SuS und Klees Werk in die Mitte. Die SuS äußern sich zu den Bildinhalten und stellen heraus, worauf besonders Wert gelegt wurde und wodurch dies deutlich wird. LAn beendet die Stunde. Kooperative Einzelarbeit, SuSAktivität, LAnHilfestellung Stuhlhalbkreis, gelenktes Unterrichtsgesprä ch Karton (DIN A2), Aluschüssel, Kleisterfarbe, (Grundfarben), Kelle, Hände Triangel Ikonisches Zeic hen, ausgewählte Arbeiten der SuS, Kopie von Klees Werk „Konzert auf dem Zweig“ Zeit+: Die Schülerinnen und Schüler überlegen mit welchen Mitteln sie die herausgestellten Merkmale noch deutlicher hervorheben können. Zeit-: Die Präsentation wird an den Anfang der folgenden Stunde verlegt. 2.3.4 Reflexion der Sequenz Bei der Betrachtung der isolierten Vögel aus Klees Werk war der erste Schülerbeitrag: „Was ist das?“, der die Irritation aufgrund der Differenz zu bekannten Anknüpfpunkten deutlich machte. An den folgenden Beiträgen war zu erkennen, dass einige Schülerinnen und Schüler sehr schnell die Darstellungen als Vögel erkannten und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern freundlich Erläuterungen anboten. In dem Gespräch wurden viele Einfälle (Luftballon, Besen, Gabel, etc.) dargelegt und besprochen, woraus sich letztlich der Konsens, es seien Vögel, die singen bzw. zwitschern, ergab. Durch die verschiedenen Beiträge und die Reaktion der Schülerinnen und Schüler wurde eine Akzeptanz gegenüber den jeweiligen subjektiven Eindrücken bezüglich des Werkes deutlich, indem sie z.B. dargelegte Ideen interessiert aufgriffen. Zudem erkannten und nannten sie die vom Künstler eingesetzten Mittel zur Verdeutlichung, was durch Beiträge wie „Die Köpfe sind ganz groß und alles andere ganz dünn“, „Die Schnäbel sind offen“, „Die Vögel haben gar keine Flügel“ deutlich wurde. Jedoch äußerten sie sich nicht nur beschreibend, sondern hatten fantastische Vorstellungen, indem sie beispielsweise kle ine Geschichten zu den Vögeln erfanden. In Anknüpfung daran zeigten sie großen Einfallsreichtum bezüglich ihrer Lieblingsvögel und ihrer Merkmale bzw. Eigenschaften und äußerten ihre Vorstellu ngen zur Umsetzung („Meiner kriegt `nen riesengroßen Schnabel mit tausend spitzen Zähnen“). Die ungewöhnliche Technik, die Farbe mit den Händen aufzutragen, war für die Kinder sehr ereignisreich. An Äußerungen wie „Ihh, das ist ja ganz kalt!“ oder „Das riecht aber komisch!“ konnte ich erkennen, dass verschiedene Sinne angesprochen wurden. Viele arbeiteten im Stehen mit dem Einsatz des ganzen Körpers, entwarfen und verwarfen wieder, andere arbeiteten vorsichtig und zielgerichtet.163 Sedat und Joshua begannen zunächst recht verhalten, waren dann jedoch so sehr mit der haptischen Erfahrung beschäftigt, dass sie auch die Folgestunde für das Experimentieren nutzten. Einige Kinder äußerten den Wunsch, zusätzlich andere Farben einzusetzen. Entgegen meiner Planung habe ich dem Wunsch nachgegeben, da den Schülerinnen und Schülern bewusst war, dass sich die Farben durch Verwischung mischen und dadurch andere Farben entstehen. Hierdurch erschienen interessante Effekte, durch die die Arbeiten an Tiefenwirkung gewannen. Eine Alternative wäre demnach, dass die Kinder zunächst ihre Bedürfnisse bezüglich der haptischen Erfahrung ohne spezielle motiv ische Einbindung ausleben und gleichzeitig mit allen Farben verschiedene Farbmischungen ausprobieren können. Diese Erfahrungen könnten sie dann bei der Bearbeitung ihrer Vogeldarstellung gezielt einsetzen. Die erarbeiteten Mittel zur Hervorhebung der subjektiv wichtigen Merkmale, wurden von den Schülerinnen und Schülern in den Werken umgesetzt, indem sie die Beine und Krallen, den Schwanz oder den Schnabel besonders groß und den restlichen Körper des Vogels verhältnismäßig kle in bzw. als „Strichzeichnung“ darstellten. 164 Sie zeigten sich begeistert von der ungewöhnlichen Darstellungsweise, wobei insbesondere Torben und Stefan positiv auffielen, da sie sehr ausdauernd und konzentriert arbeiteten. Einige nutzten ihre Vorerfahrungen und setzten grafische Stilmittel zur Verdeutlichung von Bewegungen oder Geräuschen ein. 165 Die Ergebnissicherung musste auf den Anfang der nächsten Stunde verschoben werden, da die Kinder sehr viel Zeit für das Experimentieren brauchten. Bei der Teilpräsentation fiel den Kindern auf, dass sich Grattagen in gelber Kleisterfarbe am wenigsten von dem weißen Untergrund abzeichneten. Zur weiteren Bearbeitung ihrer Werke haben die Schülerinnen und Schüler gezielte Farbmischungen vorgenommen, wobei sich besonders Lukas M., Alexander und Don Peer begeistert zu den ermischten Farben äußerten.166 Einige Kinder nutzten gezielt die Kontrastwirkung von Komplementärfarben. 167 Nach der Betrachtung der Bilder im Zusammenhang mit der kommenden Ausstellung kamen die Kinder auf die Idee, dass die Bilder Rahmen bräuchten. Das angebotene Material nahmen sie gern an und arbeiteten gut mit ihrem Partner zusammen. 168 Alexander und Lukas L. hatten anfangs Schwierigkeiten mit der Verbindungstechnik, woraufhin andere Paare helfend eingriffen und somit eine hohe Sozialkompetenz zeigten. Die Gestaltung der Rahmen mit dem angebotenem Material regte die Kinder zu Kreativität an.169 Viele nutzen eher die neu erlernte Verbindungstechnik mit Draht – sogar um Federn zu befestigen – als die bekannte mit Klebstoff und zeigten damit ihr Interesse und 163 Siehe Foto Nr. 10 Siehe Foto Nr. 11 165 Vgl. III. 2.2. Zweite Unterrichtssequenz 166 Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage 167 Siehe Foto Nr. 12 168 Siehe Foto Nr. 14 169 Siehe Foto Nr. 15, Nr. 16 164 den Willen, diese Technik gut beherrschen zu können. Den Kindern bereitete dann auch die Befestigung ihrer Arbeit in den Rahmen keine Probleme.170 2.4. Vierte Unterrichtssequenz: „Maschineller Antrieb für die märchenhaften Sänger“ mit ausführlichem Unterrichtsentwurf der Stunde „Flatter-, Krächz-, Greif- und Zwitschermaschinen“ In dieser Unterrichtssequenz wird die räumliche Gestaltung von kinetischen Objekten beschrieben. Die Grundlage hierfür bilden konstruktive Vorstellungsvermögen und die Anfertigung von Skizzen, die in der ausführlichen Beschreibung der Unterrichtsstunde erläutert wird. 2.4.1 Methodisch-didaktische Vorüberlegungen der Sequenz In den niedersächsischen Rahmenrichtlinien ist das Thema ‚Obje kte’ dem räumlichen Gestalten zuzuordnen. Für das dritte Schuljahr ist die Gestaltung eines Reliefs vorgesehen. Ich habe mich stattdessen aufgrund der Interessen und Fähigkeiten der Lerngruppe 171 für eine räumliche Umsetzung der Vögel zu einem Objekt entschieden. Hierzu angeregt werden die Kinder durch die Betrachtung des Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee (F)172 . Zudem fließen bei der Umsetzung die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus dem Vogelpark mit ein. Das Objekt soll in sich beweglich sein, also kinetische Elemente enthalten, sodass es nicht nur zum Betrachten, sondern auch zum Spielen anregt. Malen, Formen, Basteln, Bauen und Sammeln sind Tätigkeiten, die in ihrem Ursprung mit dem Spiel verwandt sind. Das eigene Herstellen und Gestalten von Spielzeugen übt auf Kinder eine besondere Faszination aus, die in Zeiten industrieller Spielzeugproduktion immer mehr verloren geht. 173 Viele Spielzeuge lassen sich heutzutage mittels eines Knopfdrucks in Bewegung setzen, sodass die Kinder wenig Einfluss auf das Spiel ausüben können. Dadurch wird der Fantasietätigkeit, der Möglichkeit zum Probehandeln und der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit entgegengewirkt, die die Spielfähigkeit ausmachen. 174 Das Herstellen eines eigenen Spielzeugs und die damit verbundene handelnde Auseinandersetzung mit Material knüpft an die Spielfähigkeit an. Durch den gestalterischen Produktionsprozess eröffnen sich jedoch zusätzlich Erfahrungschancen, die Erkenntnisse hervorrufen, da das sinnlich entdeckende, fantasiereiche Handeln im Vordergrund steht. Das Märchen „Die Nachtigall“ von Hans Christian Andersen175 und die Betrachtung des Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee (F) soll die Fantasietätigkeit der Kinder anregen, indem sie Vorstellungen einer eigenen „Vogelmaschine“ entwickeln und skizzieren. 176 Die Erfahrungen der 170 Siehe Foto Nr. 17 vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage 172 vgl. II. 1.2.5 Klee: “Die Zwitscher-Maschine“ 173 Vgl. Rams, S. 110 174 Vgl. Kirchner (1999), S. 306 175 vgl. V. Anhang, 10. Märchen 176 Vgl. III. 2.4.2.1 Didaktische Entscheidungen 171 Kinder bezüglich des Skizzierens zu Beginn der Unterrichtseinheit werden wieder aufgegriffen und erweitert, da sie die Skizze aus ihrer Vorstellung heraus anfertigen sollen. 177 Im weiteren Verlauf sollen sich die Schülerinnen und Schüler überlegen, wie sie die Vorstellung ihrer „Vogelmaschine“ umsetzen können. Da die „Maschine“ die Form und die Bewegung des Vogels bestimmt, soll zunächst das Gerüst montiert werden, in das der Vogel später integriert wird. Hierbei müssen die Kinder die Größe ihres Vogels bedenken, wodurch ihre Raumvorstellung erweitert wird. Zur Umsetzung stehen den Kindern Bambusstöcke, Äste, Draht und Gips zur Verfügung. Da einige skizzierte Vorstellungen möglicherweise zu komplex für eine Umsetzung mit den gegebenen Möglichkeiten sind, habe ich zuvor eine Materialauswahl getroffen. Dadurch soll die Kreativität der Kinder gefördert werden, da sie ihre Vorstellungen ggf. modifizieren müssen. Des Weiteren sollen die Schülerinnen und Schüler einen Gipssockel gießen. In diesem werden mit Draht oder Ästen Gerüste bzw. „Ständer“ für die Vögel gestaltet. Hierbei lernen sie, dass sich das flexible Material „Draht“ in der Verbindung mit Gips durch leichte Bewegungen lösen lässt, sodass die Drahtenden umgebogen werden müssen, um eine feste Verbindung zu schaffen.178 Als Anregung für die räumliche Gestaltung ihres Vogels betrachten die Kinder zunächst sechs verschiedene Bildausschnitte aus: „Vögel“ (Marc) (C), „Zwei Vögel“ (Kandinsky) (H), „Der große Vogel“ (Nolde) (G), „Rotgeflügelte Sumpfhühner“ (J), „Vogel-Begegnung“ (K) und „Die ZwitscherMaschine“ (Klee) (F). Unter den Ausschnitten befinden sich drei unbekannte und drei aus den vorangegangenen Stunden bekannte Darstellungen, die den Kindern den Zugang zu Neuem über das Wiedererkennen von Bekanntem erleichtern sollen. Zudem werden ihnen die bekannten Darstellungen vertrauter. Die vergleichsweise hohe Anzahl an Bildern habe ich gewählt, um den Kindern möglichst viele unterschiedliche Darstellungen von Künstlern der Klassischen Moderne und verschiedene Arten möglicher Umsetzungen nebeneinander zeigen zu können. Hiermit soll ihnen die Vielfalt von Ausdrucksweisen zu einem Thema bewusst werden. Ich habe Ausschnitte gewählt, damit der Gesamteindruck der Werke nicht von der Darstellung der Vögel ablenkt. Bei der Betrachtung sollen die Kinder an ihre Beobachtungen aus dem Vogelpark anknüpfen und die Darstellungen mit diesen Erfahrungen und den Vorstellungen von ihrem Lieblingsvogel in Beziehung setzen. Durch die Erinnerung und den Einbezug emotionaler Aspekte, werden bei der Bildbetrachtung die Bildinhalte mit den Vorerfahrungen verknüpft und erweitern so das Erfahrungspotential der Kinder.179 Der Impuls „Die Vögel fühlen sich in den Bildern schon ganz wohl, aber manchmal möchten sie auch raus und flattern, zwitschern und Eier legen“180 soll die Kinder zu Überlegungen bezüglich der räumlichen Gestaltung ihres Vogels anregen. 177 Vgl. III. 2.1 Erste Unterrichtssequenz Vgl. II. 1.4.1 Bauen und Montieren 179 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung 180 vgl. Wiehe/ Seydel, S. 11 178 Zur räumlichen Gestaltung der Vögel setzen die Kinder ihre Erfahrungen mit den Verbindungstechniken ein, indem sie geknülltes Zeitungspapier mit Draht umwickeln und so einen Vogel formen. Während der Arbeitsphase bleiben die Werke an der Tafel hängen, um den Kindern bei Bedarf einen visuellen Zugang zu ermöglichen. Die Werke sollen in der Ergebnissicherung mit den entstandenen Arbeiten in Beziehung gesetzt werden. Hiermit soll den Kindern der Weg von der Betrachtung über die Vorstellung bis zur Entstehung ihrer Arbeiten bewusst werden. Das anschließende Kaschierverfahren mit Kleisterpapier 181 bildet einen glatten Untergrund zum farbigen Gestalten der Vögel. Durch die handelnde und sinnliche Auseinandersetzung mit dem bekannten Material182 soll der gedankliche Prozess, für den die Werkbetrachtung den Anstoß gab, weitergeführt werden. In der Ergebnissicherung haben die Kinder die Möglichkeit, ihre Gedanken auszutauschen, indem sie an ihren Objekten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Vogeldarstellu ngen in den Werken aufzeigen. Durch den Austausch und auch innerhalb der Arbeiten werden Unterschie de deutlich, die verschiedene Meinungen und Eindrücke hervorrufen. Die Schülerinnen und Schüler le rnen so die Verschiedenheit möglicher Ausdrucksweisen kennen und sollen lernen, ihre eigene Auffassung sowohl verbal als auch bildnerisch darzustellen. Dies beinhalten zudem, dass sie lernen, sich gegenüber anderen Standpunkten tolerant zu verhalten. 183 Zur farbigen Gestaltung der Vögel lese ich den Kindern einen Auszug aus dem Text „Die Katze mit den grünen Punkten“ von Herold Gottfried184 vor, um den Kindern eine Möglichkeit aufzuzeigen, mit dem verfremdenden Einsatz von Farbe und Muster die Einzigartigkeit ihres Lieblingsvogels zu unterstreichen. Zum Einfügen der Vögel in die „Maschinen“ werden wieder Verbindungstechniken aufgegriffen, die dabei vertieft und gefestigt werden. Zudem sollen die Kinder Verbindungen von der „Maschine“ zum Vogel gestalten (z.B. Draht, elastisches Band, „Zahnräder“, Kurbel o.a.), sodass der Antrieb bzw. die Funktionsweise sichtbar wird. Gemäß einer didaktischen Reduktion besteht bei den Montagen nicht der Anspruch auf Funktionsfähigkeit, sie sollen jedoch in sich beweglich sein. 185 Die fertigen kinetischen Objekte werden in der Ergebnissicherung durch Vorführung bzw. Vorstellung der tatsächlichen bzw. „imaginären“ Funktionsweise präsentiert. Zudem sollen sie die Funktionsweise ihrer kinetischen Montage mit der der „Zwitscher-Maschine“ vergleichen. Hiermit wird wieder eine konkrete Verbindung zum Werk hergestellt, sodass das Werk in Zusammenhang mit den positiven Empfindungen bezüglich der eigenen Arbeiten in der Erinnerung der Schülerinnen und Schüler bleibt. 186 181 vgl. Hietkamp, S. 138 vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz 183 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung 184 siehe V. Anhang, 11. Erzählung 185 Vgl. II. 1.4.2 Kinetische Kunst 186 Vgl. Zimbardo, S. 124f 182 2.4.2 Ausführliche Darstellung der Unterrichtsstunde „Maschineller Antrieb für die märche nhaften Sänger“ Die Unterrichtsstunde bildet den Anfang der Sequenz. Hinweise über die Lernausgangslage und die Lerngruppe sind dem zweiten Kapitel zu entnehmen. Die Sachinformationen für die Unterrichtsstunde beziehen sich auf den Künstler Paul Klee und sein Werk „Die Zwitscher-Maschine“ sowie auf die Skizze, die im zweiten Kapitel dieser Arbeit beschrieben sind. Die didaktischen Entscheidungen sind ergänzend zu den didaktisch-methodischen Vorüberlegungen der Sequenz zu sehen. 2.4.2.1 Didaktische Entscheidungen Ein wesentliches Ziel des Kunstunterrichts ist, Lernbedingungen zu schaffen, die den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, Zugang zu Kunstwerken zu finden. 187 Ich habe mich entschieden, den Kindern einen Zugang zu dem Werk „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee (F) über das Märchen „Die Nachtigall“ nach Hans Christian Andersen zu eröffnen. Das Märchen enthält einerseits Motive des Fantastischen, Wunderbaren, die die Kinder unterstützen fantasievolle Vorstellungen zu entwickeln und andererseits inhaltliche Ähnlichkeiten mit dem Entstehungsprozess des Werkes.188 Zudem ruft es bei den Kindern Assoziationen aus ihrem Erfahrungsbereich hervor, an die sie während der Werkbetrachtung anknüpfen können. Die mechanische Nachtigall des Märchens kommt in ihrer Funktionsweise dem „Musikautomat“ gleich, der Klee zu seinem Werk inspirierte. Den Schülerinnen und Schülern sind solcherart Spielzeuge vertraut. Sie kennen z.T. aufziehbare, zumeist aber batteriebetriebene Spielzeuge.189 Bei diesen, wie auch dem „Musikautomat“ bleibt die Elektronik bzw. Mechanik versteckt. Klee hat in seinem Werk den „mechanischen“ Teil des Automaten durch einfache Linien und das „Anbringen“ einer Kurbel „sichtbar“ gemacht. Die Schülerinnen und Schüler kennen bereits Klees Darstellung der Vögel190 und werden bei der Betrachtung ihr Augenmerk auf die veränderten Teile des Bildes, das Gestänge mit der Kurbel, legen. Die Betrachtung ruft die Vorstellung der potentiellen Bewegungen der Vögel hervor, wenn an der Kurbel gedreht wird. Hierbei fließen ihre Vorerfahrungen aus dem Vogelpark in die Vorstellung mit ein, da sie durch die genaue Beobachtung und Wahrnehmung der Vögel deren Bewegungen antizipieren können. Durch die Hypothesenbildung und deren Versprachlichung setzen sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit dem Werk auseinander und nehmen es in seinen Einzelhe iten und Zusammenhängen wahr. Die Kinder bekommen die Möglic hkeit, einen persönlichen Bezug zum Werk aufzubauen und sich über ihre unterschiedlichen Eindrücke auszutauschen. Hierdurch lernen sie aufgeschlossen gegenüber Meinungen und Kunstwerken zu sein, deren Inhalte von ihren Eindrücken und Erfahrungen der Lebenswelt differieren. Die Erweiterung ihres Erfahrungspotentials durch die Differenzerfahrung 187 188 189 190 Vgl. RRL, S. 5 Vgl. II. 1.2.5 Klee: „Die Zwitscher-Maschine“ Vgl. III. 2.4.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz fördert die Bereitschaft, auch zukünftig offen und interessiert Kunstwerken mit ungewöhnlichen oder auch irritierenden Inhalten zu begegnen. 191 Die Vorerfahrung im Zusammenfügen und Befestigen von Stöcken und anderen Materialien und in der grafischen Darstellung von Bewegungen unterstützt die Vorstellungskraft zur gedanklichen Entwicklung einer Bewegungsablä ufe. 192 „Vogelmaschine“, ihrer mechanischen Elemente und potentiellen Gemäß einer didaktischen Reduktion kommt es hierbei ebenso wenig wie in Klees Werk darauf an, dass die Konstruktion auch in der „Realität“ funktionieren würde. Zur Anfertigung einer „Vogelmaschinenskizze“ bietet sich der gezielte Einsatz grafischer Mittel an, da es hierbei weniger um die flächige, farbige Gestaltung geht, als vielmehr um den Gewinn an Kla rheit (Maschinenentwurf) und Informationswert (Bewegungsdarstellung) durch die Reduktion auf einfache Linien. 193 Fächerübergreifend wird im Sachunterricht das Thema „Wasser“ behandelt, bei dem verschiedene Schwerpunkte wie Wasserbewegungen und -läufe oder auch Wasservögel behandelt werden. Die zeichnerische Umsetzung ihres Vogels in einer selbst entworfenen „Vogelmaschine“ bildet einen weiteren Schritt auf der „Gedanken- und Handlungsstraße“ Klees, da dieser zur Umsetzung seiner Idee ebenfalls grafische Mittel einsetzte.194 Die Schülerinnen und Schüler bauen durch dieses analoge Handeln einen persönlichen Bezug zum Werk Kle es auf, der es Ihnen ermöglichen kann, die Intentionen des Malers mit den eigenen in Beziehung zu setzen. Der Vergleich mit dem Werk Klees sowie der Arbeiten untereinander ist ebenso Bestandteil bei der Vorstellung und Beschreibung einzelner Arbeiten. 195 Hierbei sollen keine Wertungen vorgenommen, sondern Klees Werk als eine Variante unter anderen verstanden werden. Durch die Beschreibung der Arbeiten wird die Bildmitteilung nicht nur wahrgenommen, sondern erhält durch die gezielte Auseinandersetzung einen Wiedererkennungswert, so dass vorher Gewusstes wieder verfügbar gemacht werden kann. 2.4.2.2. Zielsetzungen Grobziel Die Schülerinnen und Schüler sollen durch das Märchen „Die Nachtigall“ von H. Chr. Andersen und Klees Werk „Die Zwitscher-Maschine“ angeregt werden, eine „Vogelmaschine“ zu skizzieren. Feinlernziele Fachliche Lernziele Die Schülerinnen und Schüler sollen 191 192 193 194 195 Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung Vgl. III. 2.3 Zweite Unterrichtssequenz Vgl. II. 1.3.1.1 Die Skizze, vgl. Büchner, S. 17f Vgl. RRL, S. 11 Vgl. RRL, S. 5 - durch das Märchen „Die Nachtigall“ von H. Chr. Andersen zu fantasievollen Vorstellungen einer „Vogelmaschine“ angeregt werden und ihre Gedanken verbal darlegen können, - die Farbkopie des Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ betrachten und Hypothesen zum potentiellen Bewegungsvorgang bilden können, - Vorstellungen zu einer „Vogelmaschine“ bilden und in einer Skizze zum Ausdruck bringen können, - ihre zeichnerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und festigen, indem sie grafische Bildelemente gezielt einsetzen, - die Arbeiten beschreiben und vergleichen können und sie als unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten neben anderen verstehen. Prozessuale Ziele im sozialen und affektiven Bereich Die Schülerinnen und Schüler sollen - ihre Fantasie entfalten, indem sie durch das Märchen dazu angeregt werden. - ihre soziale und kommunikative Kompetenz erweitern, indem sie einander Zuhören und andere nicht stören. - in ihrem fantastischen und künstlerischen Ausdruck positiv bestärkt werden, indem jeder themenbezogene Beitrag als wichtig und sinnvoll gewürdigt wird. - Zugang zur Klassischen Moderne und speziell dem Werk „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee finden. - ihre Differenzerfahrungen erweitern, indem sie Unterschiede wahrnehmen und akzeptieren lernen (sprachlich und bildnerisch). - ihre Wahrnehmung, Feinmotorik und die Auge-Hand-Koordination schulen, vertiefen und festigen. 2.4.2.3. Methodische Begründungen Nach der Begrüßung kommen die Kinder, aufgefordert durch ein ikonisches Zeichen, in den Stuhlhalbkreis. Gern hätte ich für den Einstieg einen Musikautomat als Anschauungsmittel mitgebracht. Da aber keiner zur Verfügung stand, habe ich das Märchen gewählt, da hierin ein „Musikautomat“ die zentrale Rolle spielt. Zudem hat es den Vorteil, dass es die Kinder zu fantasievollen Vorstellungen anregt und sie außerdem ein Stück Weltliteratur kennen lernen. Ich habe für den Einstieg den Stuhlhalbkreis gewählt, um eine intensivere Stimmung zum Vorlesen des Märchens zu bewirken. Das Märchen von Hans Christian Andersen196 habe ich stark gekürzt, um es einerseits zeitlich anzupassen und anderseits die Elemente der Wichtigkeit für diese Stunde stärker hervorzuheben. Aus letztgenanntem Grund werde ich das Märchen selber vorlesen, um an bestimmten 196 siehe V. Anhang, 11. Märchen Stellen bedeutungsvolle Pausen einlegen zu können oder wichtige Elemente durch gezielte Intonation hervorzuheben und damit die Vorstellungskraft der Schülerinnen und Schüler unterstützen. Die folgende Erarbeitungsphase findet ebenfalls im Stuhlhalbkreis statt, da diese Sozialform kommunikationsfördernd wirkt und den Kindern einen freien Blick zur Farbkopie des Werks gewährt.197 Die Farbkopie ist stark vergrößert, damit alle Schülerinnen und Schüler auch Einzelheiten gut erkennen können. Ich habe das Ganzwerk gewählt, damit die Kinder unmittelbar die Unterschiede und Zusammenhänge zu dem Werk „Konzert auf dem Zweig“ erkennen können. Während der Gespräche werde ich die Lerngruppe gegebenenfalls durch gezielte Impulse zur sprachlichen Darstellung ihrer Vorstellungen ermuntern. Diese Lenkung erfolgt im ersten Gespräch bezüglich der Beschreibung der künstlichen Nachtigall und wie ein solcher Musikautomat funktionieren könnte. Das zweite Gespräch erfolgt nach dem stummen Impuls der Bildbetrachtung. Gegebenenfalls lenke ich das Gespräch auf die „Mechanik“ der „Zwitscher-Maschine“ und ihrer Funktionsweise und rege sie durch verbale Impulse an, sich Gedanken zu ihrem Vogel zu machen und welche Bewegung die „Mechanik“ herbeiführen soll. Ich bezwecke damit, die Kinder auf die folgende Aufgabe einzustimmen und vorzubereiten. In der Arbeitsphase arbeiten die Schülerinnen und Schüler in kooperativer Einzelarbeit, da sich diese Arbeitsform zur individuellen Umsetzung der Ideen und Vorstellungen besonders eignet. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit dem Bleistift auf Papier (DIN A4), da mit diesen Arbeitsmitteln zeichnerische Elemente gut umgesetzt und ungewünschte Spuren beseitigt werden können. Am Anfang dieser Phase werde ich mich zunächst Sedat zuwenden und ihn durch fragendentwickelnde Impulse dazu ermuntern, den Arbeitsauftrag zu verinnerlichen. Des Weiteren achte ich besonders auf Thorben, Stefan und Verena, um ihnen gegebenenfalls durch gezielte Impulse Anregungen und Hilfestellungen zur Weiterarbeit zu geben. 198 Ein ritualisiertes akustisches Signal zur Beendung der Arbeitsphase setzt zwei Minuten vorher ein und beendet die Arbeitsphase nach Ablauf der zwei Minuten durch ein erneutes Signal. Die Kinder haben so die Möglichkeit, letzte Verfeinerungen vorzunehmen und sich auf die folgende Phase vorzubereiten. Da in der Präsentations- und Ergebnissicherungsphase nicht sämtliche Arbeiten der Schülerinnen und Schüler besprochen werden können, wähle ich gezielt einzelne Arbeiten aus, die übersichtlich und nachvollziehbar gestaltet sind, um Verwirrungen und nicht nachvollziehbaren Ausschweifungen entgegenzuwirken. In der Präsentations- und Ergebnissicherungsphase kommen die Schülerinnen und Schüler erneut in den Stuhlhalbkreis. Ausgewählte Arbeiten werden zunächst im Stuhlkreis herumgegeben und daraufhin neben Klees Werk an die Tafel gehängt. Ein vollständiges Erkennen aufgrund ihrer Größe und der zu vermutenden inhaltlichen Komplexität wäre sonst höchstwahrscheinlich nicht möglich. 197 198 Siehe V. Anhang, 12. Tafelbilder Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage Sollte noch etwas Zeit sein, überlegen sich die Schülerinnen und Schüler, welches Material sie zum Bau ihrer „Vogelmaschine“ benötigen. 2.4.2.4. Geplanter Unterrichtsverlauf Zeit/ Phase Lehrer-Schüler-Interaktion Begrüßung Einstieg LAn begrüßt die SuS und stellt den Besuch vor. LAn bittet die SuS in den Stuhlhalbkreis 10:35-10:40 und liest ein Märchen vor. Erarbeitung Gesprächsphase 1: LAn bittet die SuS von ihren Vorstellungen 10:40-10:50 bzgl. der künstlichen Nachtigall zu berichten und gibt ggf. Impulse die Funktionsweise genauer zu beschreiben. Gesprächsphase 2: LAn hängt die Farbkopie an die Tafel und gibt ggf. den Impuls: „Was passiert, wenn du an der Kurbel drehst?“ Des Weiteren ermuntert die LAn die SuS, sich Vorstellungen zu ihrer „Vogelmaschine“ zu machen und was an ihrem Vogel bewegt werden soll. Arbeitsauftrag: Erfinde selber eine Mechanik, die dein en Vogel bewegt und zeichne sie auf. LAn verweist auf die zu verwendenden Arbeitsmittel. Arbeitsphase Die SuS zeichnen ihre „Vogelmaschine“. LAn gibt individuelle Hilfestellungen und 10:50-11:10 hilft insbesondere Sedat und ggf. Thorben, Stefan und Verena durch gezielte, anregende Impulse. LAn beendet die Phase mittels eines ritualisierten akustischen Signals. LAn wählt einige Arbeiten für die Präsentation aus. ErgebnisEinzelne Arbeiten werden zur genauen sicherung Betrachtung herumgegeben, anschließend vorgestellt und in der Funktion beschrieben. 11:10-11:20 LAn beendet die Stunde. UnterrichtsSozialform und Medien Ikon. Zeichen, Stuhlhalbkreis, Vorlesung Stuhlhalbkreis, gelenktes Unterrichtsgespräch „Die Nachtigall“ nach H. Chr. Andersen Bildbetrachtung, gelenktes Unterrichtsgespräch Tafel, Farbkopie Kooperative Einzelarbeit, SuSAktivität, LAn Hilfestellung und Beratung Bleistift, Radiergummi, Kopierpapier (DIN A4) Triangel Stuhlhalbkreis, Betrachtung Gespräch Tafel, Arbeiten und der SuS, s/w Kopie „Die Zwitscher Maschine Zeit +: Die SuS überlegen, welche Materialien zur räumlichen Umsetzung der „Vogelmaschinen“ eingesetzt werden können. Zeit –: Die Reflexion findet in der folgenden Stunde statt. 2.4.3 Reflexion der Sequenz Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich im Verlauf der Sequenz sehr motiviert. Die Werkbetrachtungen und das Angebot der unterschiedlichen Materialien regte ihre Fantasie und Kreativität an, die in der Verschiedenheit der entstandenen Arbeiten sichtbar wurde. Der Gesamteindruck des Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ wirkte sehr stark auf die Kinder. Ihr erweitertes Erfahrungspotential zeigte sich darin, dass die abstrahiert dargestellten Vögel keine Irritationen mehr hervorriefen. Aber entgegen meinen Erwartungen, die Kurbel und das Gestänge in Zusammenhang mit den Vögeln würde sie zum Dialog herausfordern, waren es die Farben, die sie beeindruckten und sie zu fantasievollen Vorstellungen und zum Austausch anregten. Die Farben bildeten ihrer Meinung nach eine Art gläsernen Vogelbauer, in dem die Vögel sitzen. Hierdurch kam zum Ausdruck, dass sie das Gestänge wohl wahrgenommen hatten, es aber als Teil des „Käfigs“ sahen. Um die Betrachtung speziell auf die Kurbel und das Gestänge zu zentrieren, könnte ein Passepartout hilfreich sein, das zunächst nur Einzelheiten freigibt. An den Äußerungen ihrer Vorstellungen wurde neben dem Einfluss der Werkbetrachtung auch der des Märchens deutlich. Zudem flossen die Erlebnisse aus dem Vogelpark mit ein, da die Vögel in den Beschreibungen der Kinder bei Inbetriebnahme der Maschine nicht nur singen oder zwitschern, sondern sich auf ganz unterschiedliche Art bewegen sollten. Einige Kinder beschrieben kreativ und fantasievoll den Antrieb und die potentiellen Bewegungsabläufe ihrer „Vogelmaschinen“, andere schilderten originelle aber batteriebetriebene Bewegungsabläufe. Diese Kinder hatten Schwie rigkeiten, die Funktionsweise in ihren Skizzen zum Ausdruck zu bringen, sodass ich sie durch gezielte Fragestellu ngen und Anregungen unterstützte, ihre Vorstellungen „mechanisch“ umzusetzen. Eine Alternative wäre, dass einige Kinder in der Erarbeitungsphase ihre Vorstellungen an der Tafel skizzieren, um exemplarisch Antriebsmöglichkeiten aufzuzeigen. Es entstanden sehr unterschiedliche, fantasievolle und zum Teil komplexe Arbeiten in denen sie z.T. auch ihren Eindruck vom gläsernen Käfig grafisch umsetzten. 199 Gerade diese kreative und fantasievolle Verschiedenheit machte es schwierig, die Maschinen zu gestalten. Die Kinder ließen sich jedoch von dem Material dergestalt anregen, dass sie ihre Vorstellungen modifizierten und Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Skizzen fanden. Bei der Gestaltung der Maschinen-Montagen entwickelten sie die Drehtechnik, da die Vögel in ihrer Vorstellung eine Größe hatten, für die die Stabilität des Blumendrahtes nicht ausreichte. Durch den erprobenden Umgang mit dem Gips während der Erarbeitung kamen die Kinder bei der Problematisierung auf die Lösungswege zur festen Verbindung des Drahtes mit dem Gipssockel. Die Betrachtung der Werkauswahl machte deutlich, dass die Beobachtungen aus dem Vogelpark noch immer präsent waren, da die dargestellten mit den beobachteten Bewegungen in Zusammenhang gebracht wurden. Eine Schülerin bemerkte beispielsweise, dass der Vogel in dem Bildausschnitt Noldes (G) dem Beute fressenden Adler aus dem Vogelpark glich. Sie verwiesen auf die gestaltete Wand im Klassenraum, an der alle Werke und Kopien der Künstler hingen, die sie im Laufe der Einheit kennen gelernt hatten und zeigten somit, dass ihnen die Werke bekannt waren.200 Den unbekannten Werken näherten sie sich sehr offen und zeigten dieses, indem sie die 199 200 Siehe V. Anhang, 13. Skizzen „Vogelmaschinen“ Siehe Foto Nr. 19 Bewegungsvorstellungen ihres Lie blingsvogels problemlos einem oder mehreren Darstellungen zuordnen konnten. Sie reagierten begeistert auf den Impuls und ließen sich von dem Material und dem Werkzeug zu kreativen und fantasievollen Ideen anregen. Dies ze igte sich vor allem darin, dass auch Oliver, Gerrit und Alexander, die sonst weniger Schaffensdrang aufbrachten, eifrig anfingen zu arbeiten. 201 Ihre Begeisterung reichte so weit, dass sie begannen, mit ihren Vögeln zu spielen. Sie brachten die Assoziationen, die durch den handelnden Umgang bei der Herstellung der Vögel ausgelöst wurden, spielend zum Ausdruck. Durch die Einleitung der Ergebnissicherung unterbrach ich diese atmosphärische Phase, da die Situation meiner Meinung nach zu entgleisen drohte. Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich dann aber während der Ergebnissicherung doch noch sehr konzentriert, da sie interessiert ein Ergebnis betrachteten und die dargestellte Bewegung in einem der Werke wiederzufinden suchten. Hier kamen mehrere Meinungen auf, die überprüft und ausnahmslos akzeptiert wurden. Anstatt einer kognitiven Ergebnissicherung könnte alternativ die Spielbereitschaft der Kinder aufgegriffen und strukturiert werden, indem beispielsweise Kindergruppen Spielsituationen mit den „Spielzeugen“ spontan einüben und vorführen. Die sinnliche Vorerfahrung mit den Kleisterfarben ließ die Kinder beherzt an die Arbeit des Kaschierens herangehen.202 Durch die Feuchtigkeit des Kleisters begann der Draht zu rosten, sodass braune Flecken auf der Oberfläche entstanden. Ein interessanter Nebeneffekt, der im Sachunterricht aufgegriffen wurde, in dem das Thema Wasser behandelt wurde. Die Erzählung „Die Katze mit den grünen Punkten“ regte die Fantasie der Kinder an. Dies wurde sichtbar, indem sie ihre Vögel zum Teil ungewöhnlich gemustert (z.B. kariert) gestalteten. Das Einfügen der Vögel in die Maschine bereitete den Kindern keine Probleme, da sie ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Verbindungstechniken nutzen konnten. Hierbei fiel mir auf, dass Alexander und Lukas L. selbstständig ihre Vögel einfügten und nicht mehr auf Hilfe angewiesen waren.203 Durch das vielfältige Materialangebot ließen sich viele der Schülerinnen und Schüler zu kreativen Ideen anregen. Z.B. nutzten einige Kinder zur Verdeutlichung des Antriebs Kronkorken als Zahnräder.204 Andere nutzten die Kronkorken, um in ihre Maschinen Geräusche zu integrieren. 205 Viele brachten eine Kurbel an und zeigten somit ihre gedankliche Auseinandersetzung mit dem Werk „Die ZwitscherMaschine“. 206 Während der Präsentation ihrer kinetischen Objekte wirkte die Begeisterung der Arbeitsphase nach, da sie stolz ihre Werke vorführten und detailliert die Funktion ihrer Maschine und die der „Zwitscher-Maschine“ beschrieben. 2.5 Fünfte Unterrichtssequenz: 201 Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage Vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz 203 Vgl. III. 2.3.4 Reflexion der dritten Unterrichtssequenz 204 Siehe Foto Nr. 27 205 Siehe Foto Nr. 28, Nr. 29 206 Siehe Foto Nr. 27, Nr. 30 202 „Herzlich Willkommen bei den Paradiesvögeln und Flatterwesen“ Im Folgenden wird die Vorbereitung der Ausstellung der Kinderwerke beschrieben. Die entstandenen Arbeiten sollen in einem Café in der Innenstadt Walsrodes für den Zeitraum von einer Woche der Öffentlichkeit zugänglic h gemacht werden. 2.5.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen Die Ausstellung bildet einen wichtigen Teil der Einheit, da die Werke der Kinder das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Künstlern der Klassischen Moderne, aber auch mit sich und ihren hinzugewonnenen Erfahrungen widerspiegeln. Die Ausstellung würdigt und respektiert somit den Arbeitseinsatz und den Ausdruck der Kinder, da sie in den Werken auch immer einen Teil ihres Selbst preisgeben. 207 Zu Beginn der Unterrichtssequenz sollen die Schülerinnen und Schüler zunächst Einladungskarten für die Ausstellungseröffnung gestalten. Die Reste des in der Unterrichtseinheit verwendeten Materials werden zur Gestaltung eingesetzt. Sie regen zu kreativem Gestalten an und rufen Erinnerungen an die Inhalte der vorangegangenen Sequenzen wach. Die Karten sollen von den Kindern verteilt werden. Sie stärken so ihr Selbstbewusstsein, indem sie die Verantwortung für den Besuch der Ausstellung übernehmen. Eigenverantwortlich zeigen sie sich auch, indem sie zur Gestaltung der Ausstellung beitragen, denn die Podeste für die kinetischen Objekte sind lediglich funktionell und sollen von den Kindern verändert werden. Zudem beschriften die Kinder ihre Arbeiten, indem sie einen Titel für ihre Arbeiten finden und die Techniken beschreiben. Hierfür betrachten die Kinder ihre Arbeiten und die Werke der Künstler der Klassischen Moderne und reflektieren gleichzeitig ihre Gedanken, Empfindungen und Handlungen während des Entstehungsprozesses. Somit werden die Inhalte der Sequenz nochmals in Erinnerung gerufen und gefestigt. Während der Ausstellungseröffnung sollen die Schülerinnen und Schüler neben dem Inhalt und der Technik beschreiben können, welche Werke der Künstler der Klassischen Moderne sie zu dem jeweiligen Ausdruck angeregt haben. Aus diesem Grund soll in dem Café ein Plakat aufgehängt werden, auf dem die Werke und Künstler abgebildet und die Sequenzen der Einheit knapp dargestellt sind. 208 Dadurch wird auch späteren Besuchern ein Überblick über die Hintergründe der Einheit ermöglicht. In der Ausstellung sollen dem Wunsch der Kinder entsprechend nach Möglichkeit sämtliche Arbeiten gezeigt werden. Dies ist jedoch aufgrund des eingeschränkten Platzes im Café nicht möglich, sodass einige Arbeiten ausgewählt werden müssen. Da auf die Gäste des Cafés Rücksicht genommen werden muss, habe ich mich entschieden, die Arbeiten selber zu hängen und sie nach Thema, Technik und Entwicklungssequenz zusammenzustellen. Hierauf und auf die Intentionen der Unterrichtseinheit werde ich in einer kurzen Ansprache zur Ausstellungseröffnung hinweisen. Zudem soll die lokale 207 208 Vgl. Aissen-Crewett, S. 120, vgl. RRL, S. 32 Siehe Foto Nr. 37 Presse informiert werden, um nicht nur zufälligen Gästen des Cafés sondern auch der breiten Öffentlichkeit aufzuzeigen, was der Kunstunterricht in der Schule möglich machen kann. 209 2.5.2 Reflexion der Sequenz Die Schülerinnen und Schüler waren sehr motiviert, gestalteten die Einladungskarten mit individuellen Einfällen, sodass sehr unterschiedliche Karten entstanden, die die Kreativität der Kinder widerspiegelten. 210 Für die Beschriftung der Bildunterschriften entwickelten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam Ideen zur Beschreibung der Techniken. Sie erinnerten sich deutlich an den Entstehungsprozess ihrer Arbeiten, was in der Titelfindung zu erkennen war. So bezeichneten sie die Malereien beispielsweise mit Titeln wie „Fischtaucher“ oder „Fangfischi“, in denen die Bewegung zum Ausdruck kam. Die verwandelten Paradiesvögel bekamen die Namen „Piranhaschnabel“, „Scharfzahn“ oder „Großfüßler“, die die Schwerpunktsetzung der Kinder deutlich machten. Die Titel ihrer kinetischen Montagen drückten die Dynamik aus: Sie nannten sie z.B. „Heilungsmaschine“, „Zwitschernder Zweig“ oder „Singbo“. Zur Gestaltung der Podeste äußerten sie verschiedene kreative Ideen wie z.B. Bemalen, Bekleben mit Federn und Bändern oder auch Umwickeln mit Draht, von denen sie sich letztlich darauf einigten, die Podeste mit einem Tuch zu behängen, das farblich zu ihren kinetischen Objekten passt. Die Ausstellungseröffnung war sehr gut besucht, da viele Kinder auch ihre Verwandten und Freunde eingeladen hatten. Alternativ zu der von mir gehaltenen Eröffnungsrede würde ich zukünftig die Kinder in diese Planung mit einbeziehen und einführende Worte mit ihnen zusammen entwickeln, sodass sie die Besucher begrüßen und informieren und damit ihr Verantwortungsgefühl und ihr Selbstbewusstsein stärken. Die Kinder erzählten begeistert und selbstsicher welche Techniken sie genutzt haben und führten stolz ihre beweglichen Montagen vor. Dabei verwiesen sie auf die Werke der Künstler, die sie während der jeweiligen Entstehungsphase betrachtet hatten.211 Dies wurde deutlich, da sie zw ischen ihren Arbeiten und dem Plakat pendelten. Hier wären mehrere Plakate eine Alternative, die neben den Arbeiten der jeweiligen Entwicklungssequenz Platz finden müssten. Dies war jedoch aufgrund der räumlichen Bedingungen nicht möglich. Insgesamt verlief die Ausstellung sehr erfolgreich, da sich alle Besucher, Kinder und Erwachsene, äußerst begeistert von den Schülerarbeiten zeigten und interessiert viele Fragen an die „jungen Künstler“ richteten, die diese souverän beantworten konnten. Einige Kinder wurden durch die Beweglichkeit der „Vogelmaschinen“ zum achtsamen Spiel angeregt.212 209 210 211 212 Siehe V. Anhang, 14. Zeitungsartikel Siehe Foto Nr. 32 Siehe Foto Nr. 36 Siehe Foto Nr. 38 3. Gesamtreflexion der Unterrichtseinheit Der Unterrichtsgang in den Vogelpark Walsrode ermöglichte den Kindern sinnliche Erfahrungen mit den Vögeln in der Natur. Vor allem das Erlebnis sich den scheuen Tieren nähern und manche sogar berühren zu können, beeindruckte die Schülerinnen und Schüler sehr.213 Inwieweit sie jedoch die Erlebnisse verarbeitet und verinnerlicht haben kann, nicht genau festgestellt werden. Zudem ist die Empfänglichkeit abhängig von der Bereitschaft eines jeden Kindes, sich zu öffnen. Dass dieser Unterrichtsgang nachhaltigen Eindruck auf die Kinder hinterlassen hat, wurde im Verlauf der Einheit deutlich, da viele Kinder auf ihre Erlebnisse zurückgriffen und Verbindungen mit neuen Inhalten knüpften. 214 Die Vielfalt der Vögel und vor allem unbekannte Arten faszinierten die Kinder so sehr, dass sie den Anspruch an sich selbst stellten, die Vögel so naturgetreu wie möglich abzubilden. In Zukunft würde ich demnach die Beobachtung weniger Vogelarten innerhalb ihrer Umgebung dem Gesamteindruck des Vogelparks vorziehen. Die Beobachtung der Bewegungen und des Verhaltens ist dann intensiver möglich, sodass in den Skizzen die Eindrücke und Empfindungen eher zum Ausdruck kommen könnten. Die vorgestellten Werke der Klassischen Moderne betrachteten die Kinder mit großem Interesse und einer offenen Einstellung gegenüber den teilweise ungewöhnlichen Darstellungen der Vögel. Die sukzessive Steigerung des Abstraktionsgrades begünstigte die zunehmende Offenheit der Schülerinnen und Schüler. Die anfängliche Skepsis nahm ab und wich einer Neugierhaltung. 215 Durch den Austausch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern wurden den Kindern die Bildinhalte deutlich, die einer „Rätsellösung“ gleichkam. Lösungen zu finden ist mit positiven Empfindungen verbunden, sodass ich davon ausgehe, dass die Werke im Zusammenhang mit diesem Gefühl auf die Kinder einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Unbekannten Werken traten sie dann sehr neugierig gegenüber, schauten genauer hin, waren im Austausch offener und fanden zunehmend leichteren Zugang zu den Werken der Klassischen Moderne.216 Die Visualisierung durch Abbildungen der Künstler und die Hintergrundinformationen zu den Entstehungsweisen der Werke empfanden die Schülerinnen und Schüler als hilfreich, da sie Verbindungen mit eigenen Erfahrungen knüpfen konnten. Die Offenheit gegenüber den Werken zeigte sich in den Gesprächen, in denen sie ihre Irritationen und Eindrücke schilderten. Deutlich wurden Differenzeindrücke z.B. durch Aussagen wie „Ich kann da gar nichts erkennen!“217 oder „Was ist das?“218 , die die Irritation zum Ausdruck brachten. Hier zeigte sich ihre Motivation zur Entschlüsselung der Darstellung, da sie gern bereit waren ihre Auffassungen zu erläutern und zu veranschaulichen. Zum Teil flossen Fragestellungen mit ein („Vielleicht sind es auch 213 214 215 216 217 218 Vgl. III. 2.1.3 Reflexion der ersten Unterrichtssequenz Vgl. III. 2.4.3 Reflexion der dritten Unterrichtssequenz Vgl. III. 2.2 Zweite Unterrichtssequenz, III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz Vgl. Einleitung vgl. III. 2.2 Zweite Unterrichtssequenz vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz Luftballons?“219 ), die Anlass zur Diskussion wurden und die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler aufzeigten, eigene Meinungen zu vertreten und zu begründen und andere Eindrücke zu akzeptieren. Die Toleranz gegenüber anderen Eindrücken war nach meinen Beobachtungen sehr hoch, da die Kinder die anderen Anschauungen und Ideen als bereichernd empfanden und diese z.T. zum Anlass nahmen neue Vorstellungen und Sichtweisen zu entwickeln. Es lässt sich jedoch nicht überprüfen, inwieweit der Austausch über die Eindrücke bezüglich der Werkbetrachtung bei den Kindern nachhaltige Wirkung erzielt und somit zur Persönlichkeitsentwicklung beigetragen hat. Dieses ist ein langfristiger Prozess, zu dessen Weiterentwicklung die Differenzerfahrung einen Beitrag geleistet hat. Deutlich wurde jedoch, dass die ungewöhnlichen Darstellungen die Fantasie und die Kreativität der Kinder anregten. Die Unterschiedlichkeit der Arbeiten macht die individuelle Umsetzung der subjektiven Vorstellungen sichtbar. Sie haben die Betrachtung der Werke als Anregung verstanden, da keiner der Schülerinnen oder Schüler die Darstellung eines der Werke nachzuahmen versuchte. Das vielfältige Materialangebot zur Gestaltung der kinetischen Montage und die unterschiedlichen Techniken regte sie zu kreativen Einfällen an. Im Umgang mit neuerlernten Verfahren brauchten die Kinder viel Zeit zum Experimentieren. Die erworbenen Erfahrungen halfen ihnen jedoch in den folgenden Sequenzen, da sie ihre Erfahrungen nutzen und einsetzen konnten. Ich habe beobachtet, dass Kinder, die anfangs Schwierigkeiten hatten, die Techniken später problemlos einsetzen konnten. 220 In Zukunft würde ich jedoch für die praktische Umsetzung keine neuen Techniken und Materialien anbieten, wenn die Kinder vorher ein ihnen unbekanntes Werk betrachtet haben. Sie konzentrieren sich dann eher auf die praktischen Erfahrungen als auf die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Werk. Das setzt allerdings voraus, dass die Schülerinnen und Schüler mit mehreren Techniken vertraut sind. Insgesamt waren die Kinder sehr zufrieden mit ihren „Werken“, sodass ich annehmen kann, dass sie ihre Ideen und Vorstellungen, die sie durch die Betrachtung von Werken der Klassischen Moderne und dem Dialog mit anderen entwickelt haben, umsetzen konnten. 221 Die Ankündigung, dass die Arbeiten ausgestellt werden sollten, nahmen die Kinder zunächst mit etwas Skepsis auf und dann mit Stolz. Bei den Vorbereitungen für die Ausstellung wurde die Motivation der Kinder bezüglich der Ausstellung aber auch der gesamten Unterrichtseinheit deutlich, da sie sich gern ihre Arbeiten wieder ansahen und ihre Erfahrungen mit anderen Kindern austauschten. Während der Ausstellung hatten vermutlich einige Eltern und Geschwister durch die Betrachtung der Kinderarbeiten Differenzerlebnisse, denen die Kinder tolerant begegneten und somit ihre Selbstsicherheit im Umgang mit Differenzeindrücken zeigten. 219 vgl. ebd. Vgl. ebd., III. 2.4 Vierte Unterrichtssequenz 221 Vgl. Einleitung 220 Insgesamt war die Durchführung der Unterrichteinheit nicht nur für die Kinder sondern auch für mich ein positive Erfahrung, die den vergleichsweise hohen Aufwand rechtfertigen. Im Nachhinein würde ich vermutlich den Schwerpunkt auf wenige Werke eines Künstlers legen, da sich die Kinder intens iver auch mit der Künstlerpersönlichkeit auseinandersetzen können und die Wahrscheinlichkeit von möglichen Interferenzen geringer ist. IV Literatur - Aissen-Crewett, M.: Kunstunterricht in der Grundschule, Westermann, 1992 - Bergler, R.: Warum Kinder Tiere brauchen, Herder, 1994 - Büchner, R. et al.: Grundsteine Kunst 2 (Lehrerband), Klett, 1994 - Bütikofer, K. et al.: Zum Beispiel Paul Klee, Aare, 2. Auflage 1993 - Burkhartd, H.: Anfangsunterricht Kunst – 3. und 4. Schuljahr, Klett, 1996 - Der niedersächsische Kultusminister (Hrsg.): Rahmenrichtlinien für die Grundschule: Kunst, Schroedel, 1985 - Dietl, M.-L.; Kirchner, C. 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Auflage, 1983 - Meyer, H.: Unterrichtsmethoden I+II, Cornelsen, 1987 - Ohde, M., Wiederhold, K.A.: Mit Grundschulkindern das Kunstmuseum entdecken, Auer, 1994 - Orlandini, M. V.: Kandinsky und der Blaue Reiter, Pawlak, 1988 - Oswald, M.: Beschreibung von Farbbeziehungen: Farbkontraste, Kunst und Unterricht, 265/ 2002 - Partsch, S.: Franz Marc, Taschen, 1992 - Payrhuber, F.-J.: Der pädagogische Wert des Dramas, in: Lange, G. et al.: Tasche nbuch des Deutschunterrichts, Band 2, Schneider, 1998 - Peez, Georg: Einführung in die Kunstpädagogik, Kohlhammer, 2002 - Rams, H.-P.: Himmelsstürmer und Wolkenkratzer, in: Kunst und Unterricht (Samme lband), Friedrich, 2002 - Schülerduden Kunst, Duden, 1983 - Regel, G.: Moderne Kunst – Zugänge zu ihrem Verständnis, Klett, 2. 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Er unternahm viele Reisen, die ihm von seinem Schwiegervater und dem Berliner Kunstsammler Bernhardt Koehler ermöglicht wurden. So reiste er u.a. nach Belgien, Holland und England (1906), weitere Reisen nach Paris (1908, 1911) und Tunis zusammen mit seinen Malerkollegen Klee und Moilliet (1914) folgten. 1911 wurde er Mitglied der Expressionistengruppe „Der Blaue Reiter“, deren Idealen er jedoch zuweilen skeptisch gegenüber stand. Er fiel 1914 in den ersten Wochen des Krieges.223 2.2 Max Pechstein Max Pechstein wurde 1881 in Zwickau als Sohn eines Appreturmeisters geboren. Nach einer Malerlehre ermöglichte ihm sein Vater den Besuch der Kunstgewerbeschule in Dresden. 1906 223 vgl. Macke, S. 1 begegnete er den Malern Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner und wurde Mitglied in der Expressionistengruppe „Die Brücke“ in Berlin. 1910 wurde er Vorsitzender und neben Heckel und Kirchner Mitbegründer der „Neuen Secession“, da seine Werke für die Ausstellung der „Berliner Secession“ abgelehnt wurden. Die „Brücke-Maler“ schlossen sich der „Neuen Secession“ an, um die Gruppe zu stärken. 1913/14 hielt er sich auf den Palau-Inseln auf, musste die Reise jedoch vorzeitig unterbrechen, da er eingezogen wurde. Nach dem 1. Weltkrieg wurde er Mitbegründer des Arbeitsrats für Kunst und der Preußischen Akademie der Künste. Er erhielt 1933 Mal- und Ausstellungsverbot und 1937 wurde seine Kunst als „entartet“ verfemt. Viele seiner Werke wurden beschlagnahmt. Während des 2. Weltkrieges wurde seine Berliner Wohnung und der Großteil seiner Werke zerstört. 1945 erhielt er die Professur an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Er starb 1955 in Berlin. 224 2.3 Franz Marc Franz Marc wurde 1880 in München als Sohn des Malers Wilhelm Marc geboren. Er studierte zunächst Philosophie, entschied sich aber doch noch zu einem Kunststudium und studierte von 1900 bis 1902 an der Akademie der bildenden Künste in München. Er unternahm mehrere Reisen, u.a. nach Italien (1902) und Paris (1902, 1907, 1912) auf denen er sich vor allem von den Künstlern Derain, Vlaminck und van Dongen beeindruckt zeigte. Diese Künstler führten Marc die Möglichkeit vor Augen, sich von dem Lokalkolorit zu lösen und die Farbe autonom, als ein selbstständiges gestalterisches Element in der Malerei einzusetzen. Ende 1910 bekam er Kontakt zu Mitgliedern der „Neuen Künstlervereinigung München“ und wurde 1911 ebenfalls Mitglied. 1912 wurde er zusammen mit Kandinsky Herausgeber des Almanachs „Der blaue Reiter“. Er fiel 1916 im 1. Weltkrieg. 225 2.4 Natalia Gontscharowa Natalia Gontscharowa erblickte 1881 in Laditschino bei Tula als Tochter einer verarmten Adelsfamilie das Licht der Welt. Sie besuchte zwischen 1898 und 1904 die Schule der Malerei, Plastik und Architektur in Moskau und gehörte zu den Künstlern der russischen Avantgarde. Sie ließ sich von französischen Malern beeinflussen und beteiligte sich u.a. an der zweiten Ausstellung des „Blauen Reiters“ in München (1912). Kurz danach brach sie den Kontakt zu den Münchner Malern je doch ab. Sie fertigte Bühnenbilder und Kostüme für Theater und Ballett und siedelte 1914 nach Paris. Dort arbeitete sie als Bühnenbildnerin bei Diaghilews Balletten und starb 1962 in Paris.226 2.5 Paul Klee Der Künstler Paul Klee wurde 1879 in der Schweiz geboren, lebte aber überwiegend in Deutschland. Er zeigte großes Interesse am Zeichnen und entdeckte frühzeitig seinen „Hang zum Bizarren“. Nach 224 vgl. Elger, S. 83ff, Haftmann, Bd. 1, S. 113 vgl. Elger, S. 163ff 226 vgl. Gray, S. 272f, Haftmann, S. 549 225 dem Abitur studierte er in München an der Akademie. Zumeist arbeitete er für sich selbst, schloss sich 1905 aber der „Münchner Künstlervereinigung“ an, der dann die Expressionistengruppe „Der blaue Reiter“ hervorging, deren Gründungsmitglied er neben Kandinsky, Jawlensky, Marc, Macke, Münter, etc. wurde. Er reiste nach Paris und ließ sich von französischen Malern und deren Werken inspirieren. Eine weitere Reise nach Tunis (1914), zusammen mit seinen Malerkollegen Macke und Moilliet, brachte ihm den Durchbruch im Einsatz von Farbe, so dass er sich seitdem als Maler betrachtete. Nach dem Krieg arbeitet er bis 1933 als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau. Er starb 1940 an den Folgen der Krankheit Sklerodermie.227 2.6 Emil Nolde Emil Nolde, 1867 als Emil Hansen in Schleswig Holstein geboren, machte eine Lehre als Möbelzeic hner und arbeitete anschließend in verschiedenen Möbelfabriken. Er besuchte die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe und wurde dann Lehrer für ornamentales Zeichnen und Modellieren an der Kunstgewerbeschule in St.Gallen. 1906 erhielt er eine Einladung, Mitglied der „Brücke“Gruppe zu werden. Dort fand er den Austausch mit Expressionisten, verließ jedoch die Gruppe nach einem Jahr wieder. Er suchte Anregungen in der Kunst fremder Kulturen und reiste 1913/1914 als Begleiter einer wissenschaftlichen Expedition nach Neuguinea, Russland, China, Korea, Japan und in die Südsee. Später wurde er Mitglied im „Arbeitsrat für Kunst“ und der Preußischen Akademie der Künste. Viele seiner Werke wurden im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und er erhielt 1941 Malverbot. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er zum Professor ernannt und gründet die „Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde“. Er starb 1956 in Seebüll. 228 2.7 Wassily Kandinsky Wassiky Kandinski wurde 1866 in Moskau geboren. Sein Interesse an Kunst und Kultur wurde von seinem Vater geweckt, der selbst Zeichner war. Er begann 1886 ein Jurastudium und nahm an einer wissenschaftlichen Expedition teil, bei der er seine Faszination für die Volkskunst entdeckte. 1887 reiste er nach München, um dort Kunst zu studieren. Dort begegnete er u.a. Klee, Marc, Macke und Münter. Zusammen mit der Malerin Gabriele Münter unternahm er Reisen nach Holland, Belgien, Paris und Tunesien. 1909 wurde er Vorsitzender der „Neuen Künstlervereinigung München“, die er aber nach kurzer Zeit wieder verließ, um mit Franz Marc die Gruppe „Der Blaue Reiter“ zu gründen. Er veröffentlichte das Buch „Über das geistige in der Kunst“ und den Almanach „Der Blaue Reiter“. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges kehrte er nach Russland zurück. 1918 erhielt er die Professur an den Staatlichen Kunstwerkstätten in Moskau. Später wurde er Mitbegründer der Akademie der Kunstwissenschaften, verließ Russland und ging 1921 nach Berlin. In den Jahren von 1922 bis 1933 war er als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau tätig. Er erwarb 1928 die deutsche 227 228 vgl. Geelhaar, S. 14ff vgl. Elger, 109ff Staatbürgerschaft, verlie ß Deutschland aber 1933, um nach Paris zu ziehen. 1939 erwarb er die französische Staatsbürgerschaft. Er starb 1944 in Neuilly-sur-Seine. 229 3. Übersicht über die Werke A: August Macke: „Großer Zoologischer Garten“, 1912 B: Max Pechstein: „Palau Triptychon“, 1917 C: Franz Marc: „Vögel“, 1914 D: Natalia Gontscharowa: „Der Radfahrer“, 1914 E: Paul Klee: „Konzert auf dem Zweig“, 1921 F: Paul Klee: „Die Zwitscher-Maschine“, 1922 G: Emil Nolde: „Der große Vogel“, 1906 H: Wassily Kandinsky: „Zwei Vögel“, 1907 J: Paul Klee: „Rotgeflügelte Sumpfhühner“, 1925 K: Paul Klee: „Vogel-Begegnung“, 1918 229 vgl. Orlandini, S.90ff, Elger, S. 255