romeo und julia

Transcrição

romeo und julia
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romeo & julia fassung antonio lallo
William Shakespeare
ROMEO UND JULIA
(Romeo and Juliet) Tragödie in 5 Akten
Deutsch von Frank Günther
Strichfassung
für das Theater Ulm
Antonio Lallo
18. Mai 2008
Verlag für Bühne, Film, Funk und Fernsehen
Bismarckstr. 36 • D-5O672 Köln
Tel. (O2 21) 48 53 86 • Fax (O2 21) 51 54 O2
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romeo & julia fassung antonio lallo
ROMEO UND JULIA
© der deutschen Fassung by Hartmann & Stauffacher GmbH
Den Bühnen gegenüber Manuskript.
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, Verfilmung oder Übertragung durch
Rundfunk oder Fernsehen, vorbehalten.
Dieses Buch darf zu Bühnenzwecken, Vorlesungen oder Vereinsaufführungen nur benutzt werden,
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romeo & julia fassung antonio lallo
PERSONEN
BÜRGERCHOR (Isi, Anni, Burcio, Jonathan, Angelo, Larissa, Anna)
LADYS
MERCUTIO, ein adliger junger Herr und Verwandter des Fürsten, ein Freund Romeos
PARIS, ein junger Graf, Verwandter des Fürsten und Mercutios sowie Bewerber um
Julia
ROMEO, Montagus Sohn
BENVOLIE, Neffe von Montagu und Freund von Romeo und Mercutio
JULIA, Capulets Tochter
TYBALT, Neffe der Lady Capulet
ANNE, Freundin von Julia
ROSALINDE
CAPULETS und MONTAGUS
LORENZO, ein Medium
APOTHEKER aus Mantua
CHOR (alle)
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romeo & julia fassung antonio lallo
ERSTER AKT
PROLOG Chor tritt auf.
CHOR (alle):
Zwei Häuser, beide gleich an Rang und Stand
Hier in Verona, wie ihr's gleich erlebt,
Entfachen alten Haß zu neuem Brand,
Bis Bürgerblut an Bürgerhänden klebt.
Vom unheilschwangren Schoß der Feinde sprießt
Ein Liebespaar, von bösem Stern bedroht.
Sein elend unglücklicher Sturz beschließt
Den Streit der Eltern mit dem eignen Tod.
Der Liebe Todesglanz, ihr Leidensgang,
Und wie der Eltern langer Haß zerfiel
Und erst im Tod der Kinder spät verklang,
Zeigt euch zwei Stunden unser Bühnenspiel;
Und wir, wobei wir sehr auf Nachsicht zählen,
Wolln das verbessern, was dem Text mag fehlen.
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ERSTER AKT
1. Szene
JONATHAN:
Strecken Sie uns die Zunge raus, Capulet?
Strecken Sie uns die Zunge raus, Capulet?
ISI:
Suchen Sie Streit?
JONATHAN:
Streit, Nein.
(SELIM geht zu JONATHAN)
GREGOR:
Verstärkung, eine Verwandte meiner Herrschaft.!
(BURCIO geht zu ISI)
(BURCIO und SELIM kämpfen. Massenkeilerei entsteht)
BENVOLIE:
Hitzköpfe, auseinander!
(TYBALT tritt auf.)
TYBALT:
He hier, Benvolie, hier steht dein Tod.
BENVOLIE:
Ich stift nur Frieden. Hilf mir, die hier zu trennen.
TYBALT:
Lügen und Friede rufen? Das Wort haß
Ich wie die Hölle und die Montagus
Und dich. Komm ran, du feiges Schwein!
LADYS:
Was für Radau? –Wo ist mein langes Schwert?!
Nein, Krücken! Krücken! Was brauchst du ein Schwert?
(CHOR tritt auf.)
CHOR:
Halt! - He, Frauen! Viecher! Will keiner hören?
Ihr hört den Richtspruch der erzürnten Bürger:
Drei Bürgerkriege, die ein halbes Wort
Von Capulet und Montagu erzeugte,
Zerstörten dreimal unsrer Straßen Frieden,
Hört, wenn ihr je noch einmal unsre Stadt in Aufruhr bringt,
Zahlt ihr den Friedensbruch mit eurem Leben.
Nochmals, bei Todesstrafe, alle fort.
(Alle ab außer LADYS und BENVOLIE.)
LADYS:
Wer hat den alten Streit neu aufgerührt?
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Sag, Neffe, als es anfing, warst du da?
BENVOLIE:
Die Diener deines Feindes wurden grad
Handgreiflich mit den deinen, als ich kam.
Ich zog, um sie zu trennen. Plötzlich kam
Dann Hitzkopf Tybalt, und zack.
LADYS:
Wo ist nur Romeo? Hast du ihn gesehn?
Ich danke Gott: er konnt dem Kampf entgehn.
BENVOLIE:
Ich sah so früh schon deinen Sohn spazieren.
Ich wollte zu ihm, doch er merkte mich.
LADYS:
Vergräbt sich mit sich selbst in seiner Stube,
Schließt Fenster zu, sperrt Tageslicht hinaus,
Und schafft sich selber künstlich seine Nacht.
Ein schlimmes Ende nimmt nochmals sein Träumen,
Falls nicht ein Rat vermag, die Gründe auszuräumen.
BENVOLIE:
Und diese Gründe, Tante, weißt du nicht?
LADYS:
Nichts weiß ich und erfahre nichts von ihm.
BENVOLIE:
Und hast du ihn dir gründlich vorgenommen?
LADYS:
Ich höchstpersönlich und auch viele Freunde.
Doch er bespricht nur mit sich selbst sein Fühlen,
Wenn man nur wüßte, was sein Leiden ist;
Wir heilten ihn so gern, wenn man es wüßt.
(LADYS ab.)
(ROMEO tritt auf.)
ROMEO:
War das meine Mutter, die so hastig ging?
BENVOLIE:
Sie wars. Und was für Trauer dehnt die Stunden?
Liebe?
Keine Liebe?
ROMEO:
Nein, keine Gegenliebe, wo ich liebe.
Gott, was war hier los?
Nein, sag mir nichts, ich hab das schon gehört.
Hier wütet Haß, doch Liebe wütet mehr.
BENVOLIE:
Sag jetzt todernst, wer ist die, die du liebst?
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ROMEO:
Ich lieb ein Mädchen.
BENVOLIE:
Ach was, ein Mädchen? Fast hätt ichs getroffen!
ROMEO:
Kunstschütze! Die ich liebhab, die ist schön.
BENVOLIE:
Beim schönen Ziel kommt man doch leicht zum Schuß.
ROMEO:
O, der Schuß ging daneben. Denn sie weist
Amors Geschosse ab,
Und lebt im Panzer Keuschheit eingeschnürt
Von Amors Spielzeugpfeilen unberührt.
BENVOLIE:
Sie schwört, sie bleibt auf ewig keusch und züchtig?
Ein guter Rat - hör auf, an sie zu denken.
ROMEO:
Wie hört man auf zu denken? Sag mir das!
BENVOLIE:
Schau andre Frauen an.
ROMEO:
Leb wohl. Vergessen lehren kannst du nicht.
BENVOLIE:
Die Lehre schuld ich dir aus Freundschaftspflicht.
(ROMEO ab.)
(BENVOLIE singt)
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ERSTER AKT
2. Szene
PARIS:
So angesehne Frauen sind Sie beide,
Montagu und Capulet
Ein Jammer, dieser endlos lange Zwist!
Doch nun mein Antrag, was sagen Sie?
LADYS:
Wer früh gereift ist, der ist früh verbraucht.
Paris, dann werben Sie um Julia, versuchen Sie Ihr Glück,
Ich geb heut abend eines meiner Feste
Nach altem Brauch, zu dem ich liebe Gäste
Und Freunde lade; kämen Sie noch her
Zu uns, wärs hochwillkommen ein Freund mehr
Nun kommen Sie schon mit.
Nach Paris.
(LADYS und Paris ab.)
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ERSTER AKT
3. Szene
(LADYS treten auf.)
LADYS:
Julia!!
Anne!!
ANNE:
Julia. Deine Mutter will dich sprechen.
(JULIA tritt auf.)
JULIA:
Mama, hier bin ich. Womit kann ich dienen?
LADY LADYS:
Hoch an der Zeit, daß wir von Hochzeit reden.
Deswegen kam ich her. Nun, Julia, sag,
Was hieltest du denn so vom Hochzeithalten?
JULIA:
Von einer solchen Ehre träum ich nicht.
LADYS:
Dann denk ab jetzt an Hochzeit, j a? Der junge Paris
wirbt um deine Liebe.
Was sagst du? Kannst du dich in ihn verlieben?
Heut nacht wirst du ihn sehn auf unserm Fest
Sag schnell, kannst du dein Herz für ihn entdecken?
JULIA:
Ich schau, ob Liebe durch schauen sich lässt wecken
LADYS:
Paris wartet, Julia. Gib gut acht!
(Beide ab.)
(Festgemeinschaft formiert sich im Hintergrund, Festgeräusche)
BENVOLIE:
Nach altem Brauch das Fest der Capulets.
Da nimmt auch Rosalinde, die du liebst,
Wie jede Schönheit ganz Veronas teil.
(Jonathan, Burcio, Anni treten auf)
Geh hin, vergleich mit unbefangnem Blick
Sie mit den andern, die ich aus der Nähe
Dir zeigen will; dein Schwan wird dann zur Krähe!
(Rosalinde tritt auf)
ROMEO:
Rosalinde!
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BENVOLIE:
Schöner als sie? Die Sonn, die alles schaut,
ROMEO:
Sah keine Schönre, seit die Welt erbaut.
(Beide ab.)
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ERSTER AKT
4. Szene
(MERCUTIO tritt hinzu)
BENVOLIE:
Mercutio, Los, nichts wie rein, und erst mal drin,
Daß mir dann jeder gleich die Beine schwingt!
ROMEO:
Mir eine Fackel! Jeder Leichtfuß soll
Von Herzen gern die toten Dielen kitzeln!
Ich bin der Kerzenhalter und schau zu;
MERCUTIO:
Was hast du gegen Tanz?
ROMEO:
Ich hab geträumt.
MERCUTIO:
Ich auch, in vollen Zügen.
ROMEO:
Na schön, und was?
MERCUTIO:
Daß Träumer häufig lügen.
ROMEO:
Aus lauter Angst, denn Wahrheit liegt im Traum.
MERCUTIO:
Dann war Frau Mab heut nacht bei dir im Raum.
BENVOLIE:
Frau Mab, wer ist denn das?
MERCUTIO:
Hebamme in der Feenwelt. Sie fährt
Klein wie ein Schnörkel auf dem Siegelring
Am Zeigefinger eines Stadthauptmanns
Im Kutschbock ihres Sonnenstaubgespanns
Durch Menschennasen hin und her im Schlaf.
Im Staatsgalopp befährt sie Nacht für Nacht
Verliebte Hirne, die dann Liebe schäumen,
Und Höflingskniee, die gleich Knickse träumen,
Und Anwaltsfinger, die den Geldtraum träumen,
Und Frauenlippen, die den Traumkuß träumen Die Mab besonders gern mit Bläschen plagt,
Weil ihr der Konfituregeschmack nicht paßt.
Bald kommt sie an mit einem Ferkelschwanz
Und reibt ihn einem Pfarrer um die Nase,
Dem gleich von einer reichen Pfründe träumt.
Dann fährt sie dem Soldaten um den Hals,
Der träumt von fremden Kehlen, die er schlitzt,
Von Breschen, Hinterhalten, langen Messern,
Und bodenlosem Suff. Da paukt sie ihm
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Das Trommelfell, und er wird wach, fährt hoch,
Und flucht vor lauter Schreck ein, zwei Gebete
Und schläft gleich wieder ein. Das ist die Mab,
Die Mädchen, die am Rücken schlafen, drückt
Sie, diese Hex, lehrt sie, Gewicht ertragen,
Daß sie als Fraun beim Tragen sich betragen.
Sie ist die –
ROMEO:
Du sprichst nur Blasen.
MERCUTIO:
Stimmt. Ich sprech von Träumen,
BENVOLIE:
Der Wind, den du da machst, bläst uns vom Kurs. Essen ist
aus, wir kommen noch zu spät.
(Alle drei gehen zur Party)
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ERSTER AKT
5. Szene
(LADYS, JULIA, TYBALT, ANNE, alle Gäste und Damen treten auf.)
LADYS singen:
Grüß Gott, die Herrn! Die Damen, die am Zeh
Kein Hühnerauge plagt, könnt ihr betanzen.
Na, meine Schönsten, wer hat jetzt noch Mut,
Nicht mitzuhüpfen? Wer Mimöschen spielt,
Ich schwörs, hat Hühneraugen
Willkommen, meine Herrn! Musik! Musik!
(Musik; sie tanzen. Rosalinde tritt auf. Romeo sieht sie.)
ROMEO:
Rosalinde!
(Bevor er sie ansprechen kann, ist sie verschwunden. Romeo sieht Julia)
ROMEO:
Wer ist die Dame, die dem Kavalier
Die Hand beim Tanzen adelt?
MERCUTIO:
Weiß nicht, Herr.
ROMEO:
Sie hat das Licht zum Leuchten erst gebracht!
Gleich nach dem Tanz will ich ihr hier begegnen,
Und, sie berührend, meine Hände segnen.
(Romeo bemerkt Julia)
LADYS:
He, Neffe, was ist los? Du kochst, wie’s scheint?
TYBALT:
Das ist ein Montagu, ein Feind:
Ein Schuft, der nur aus Bosheit heute Nacht
Auf unser Fest kommt und sich lustig macht.
LADYS:
Der junge Romeo?
TYBALT:
Grad der, der Dreckskerl Romeo.
LADYS:
Um alles Gold der Welt nicht möchte ich ihm
In diesem meinem Haus ein Unrecht tun.
Deshalb sieh drüber weg, beacht ich nicht.
TYBALT:
Doch grade, wenn ein Gast ein Gauner ist.
Den dulde ich hier nicht.
LADYS:
Er wird geduldet.
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(LADYS ab.)
TYBALT:
Stößt echte Wut mit falscher Ruh zusammen,
Gibt’s Funken, die mein heißes Blut entflammen.
Ich gehe, gut. Doch für dein Rumschmarotzen
Wirst du mir noch Konfekt mit Galle kotzen.
(TYBALT ab.)
(ROMEO geht zu JULIA)
ROMEO:
Entweihe ich mit unwürdigster Hand
Sie Heilgenbild, muß ich die Buße schildern:
Lippen, schamrot wie Büßer, sind imstand,
Den rauhen Griff mit zartem Kuß zu mildern.
JULIA:
Die Buße, Büßer, bleibt der Hand erlassen,
Die Anstand mit der Andacht schön verband.
Denn Büßerhand darf Heilgenhände fassen,
Beim Büßerkuß küßt nur die Hand die Hand.
(Er küßt sie.)
ROMEO:
Dein Mund nimmt meine Sünde mit sich fort.
JULIA:
Ach, Ihre Sünde krieg ich für die Gunst?
ROMEO:
Ein süßer Vorwurf liegt in diesem Wort!
Gib meine Sünde wieder!
(Er küßt sie.)
ANNE:
Julialein, deine Mutter will dich sprechen.
JULIA:
Sie küssen so mit Kunst!
ROMEO:
Wer ist die Mutter?
ANNE:
Heiland! Junger Mann,
Die Mutter ist die gnädge Frau persönlich.
ROMEO:
Eine Capulet?
Was eine Rechnung für mein Liebespfand!
Mein Leben liegt in meiner Feinde Hand.
BENVOLIE:
Komm.
Wenns am schönsten ist, dann soll man gehn.
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JULIA:
Wer war der Herr?
ANNE:
Romeo heißt er und ist ein Montagu,
Der einzge Sohn von deinem großen Feind.
JULIA:
Einzige Liebe, die im einzgen Haß sich fand!
Erst unerkannt gesehn, jetzt viel zu spät erkannt!
Dass Liebe mir als schlimme Mißgeburt erscheint,
Weil ich ihn lieben muß, ihn, den verhaßten Feind!
ANNE:
Was? Wie war das?
JULIA:
Ein Reim, den ich vorhin
Von einem Tänzer lernte.
(Stimme von draußen: „Julia!")
ANNE:
(Beide ab.)
Gleich! Sofort!
Komm, laß uns gehn. Die Gäste sind doch fort.
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ZWEITER AKT
PROLOG
(CHOR tritt auf.)
CHOR (alle):
(CHOR ab.)
Die alte Liebe ist wie tot verschollen,
Und neue Neigung heimst ihr Erbe ein.
Die Schöne, um die man hat sterben wollen,
Soll neben Julia plötzlich unschön sein.
Romeo liebt jetzt und wird geliebt; und voll
Verzauberung sind ihre beiden Seelen;
Doch er muß lieben, wo er hassen soll,
Und sie, wie Fisch den Köder, Liebe stehlen.
Er gilt als Feind und darf sich ihr nicht nähern
Mit Flüsterworten, wie er sie doch liebt;
Sie liebt wie er und ist umringt von Spähern,
Vor denen es gar kein Entkommen gibt.
Doch Liebe schenkt die Kraft, den Weg die Nacht,
Dass höchstes Glück in höchster Not erwacht.
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ZWEITER AKT
1.Szene
(ROMEO tritt auf.)
ROMEO:
Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt?
Geh, frostge Erde, suche deine Sonne!
(ROMEO versteckt sich. BENVOLIE und MERCUTIO treten auf.)
BENVOLIE:
Romeo! He, Liebster Romeo!
MERCUTIO:
Schlauberger der,
Ich schwörs, der hat sich heim verdrückt, ins Bett.
(BENVOLIE und MERCUTIO ab.)
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ZWEITER AKT
2. Szene
(ROMEO tritt vor. Eine Leiter fällt auf die Bühne. Dann ein Blumentopf)
ROMEO:
Der Osten ist's, und Julia ist die Sonne!
Strahl, schöne Sonne, schlag Frau Luna tot,
Die krank vor Gram ist, bleich vor Eifersucht,
Daß du, du, ihre Magd, viel schöner bist.
(JULIA tritt oben auf.)
Jedoch sie sagt nichts. Gut, was tut's?
Ihr Auge redet. Meins wird Rede stehn.
Ich bin zu dreist. Ich bins nicht, den sie meint
JULIA:
Ach!
ROMEO:
Sie spricht.
O sprich noch einmal, lichter Engel! –
JULIA:
O Romeo, Romeo! - Warum bist du Romeo?
Leugne den Vater, wehr dich deines Namens.
Oder wenn du nicht willst, bind dich an mich,
Und ich will keine Capulet mehr sein.
ROMEO:
Soll ich noch horchen oder soll ich sprechen?
JULIA:
Dein Name, nur dein Name ist mein Feind:
ROMEO:
Ich nehme dich beim Wort.
Nenn mich Geliebter, und du taufst mich neu.
Von da an will ich nie mehr Romeo sein.
JULIA:
Wer bist du, der du in mein Selbstgespräch
Eintrittst vom Schattendunkel?
ROMEO:
Keinen Namen
Weiß ich, um dir zu sagen, wer ich bin:
Geliebte Heilige, mein Name ist
Mir selbst verhaßt, weil er dir Feind ist.
JULIA:
Wie kommst du her, sag mir, und sag warum?
Und dieser Ort ist Tod, denk, wer du bist,
Wenn wer von den Verwandten dich hier findet!
ROMEO:
Beschwingt von Liebe schwang ich mich herüber,
Denn Liebe macht vor keiner Mauer Halt,
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Und was die Liebe kann, wird Liebe immer wagen:
Drum sind Verwandte mir kein Hindernis.
JULIA:
Ich will um alles nicht, daß sie dich sehn.
ROMEO:
Ich trag den Mantel Nacht, der mich verbirgt
JULIA:
Wer hat dich hergeführt an diesen Platz?
ROMEO:
Die Liebe, die mich trieb, dir nachzuforschen.
Sie lieh mir Rat, und ich verlieh ihr Augen
JULIA:
Nun, liebst du mich? Ich weiß schon, du sagst „ja",
Und ich, ich glaub dir dann.
O sanfter Romeo, wenn du mich liebst, sag's wahr
ROMEO:
Ich schwör dort bei dem weihevollen Mond,
Der silbersanft die Obstbaumwipfel säumt –
JULIA:
Schwör nicht beim Mond, dem wechselhaften Mond,
Der sich am Himmel jeden Monat ändert,
Daß sich nicht deine Liebe auch so wandelt!
ROMEO:
Ja, wobei soll ich schwören?
JULIA:
Ach, schwör doch nicht! Ich freu mich zwar an dir,
Doch freut mich nicht so ein Vertrag heut nacht.
Das ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich;
Gut Nacht, gut Nacht! So sanfte Rast und Ruh,
Wie ich sie fühl, schließ dir die Augen zu!
ROMEO:
So ungetröstet läßt du mich hier stehn?
JULIA:
Ja, was für Trost soll denn heut nacht geschehn?
ROMEO:
Für meinen Liebestreueschwur den deinen.
JULIA:
Ich gab ihn dir, lang eh du ihn verlangt hast,
Und doch wollt ich, er wär noch zu vergeben.
Ich hör drin reden. Geh auch schlafen, du.
(ANNE ruft von drinnen.)
Wart noch ein bißchen, ich komm gleich zurück.
(JULIA ab.)
ROMEO:
O wunderschöne Nacht! Ich hab so Angst,
Weil alles Nacht ist, alles sei nur Traum,.
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(JULIA tritt oben auf.)
JULIA:
Drei Worte, Romeo, dann im Ernst gut Nacht.
Hast du's mit deiner Liebe ehrlich, willst
Du mich zur Frau, so gib mir morgen Nachricht
Durch jemand, den ich zu dir schicken werd,
Wann du die Trauung haben willst und wo,
Und was ich hab, das leg ich dir zu Füßen,
Und folg dir, meinem Herrn, in alle Welt.
ANNE:
(innen) Julia!
JULIA:
Bin fast schon da!
Ich schick dir morgen wen.
Gut Nacht, gut Nacht! So süß tut Scheiden weh,
Daß ich gut Nacht sag, bis ich Taglicht seh.
(JULIA ab.)
ROMEO:
(ROMEO ab.)
Der Morgen lächelt blau der finstern Nacht,
Im Ost sein Licht streift Wolkenränder sacht,
Zur Klausnerei Lorenzos will ich gehn,
Mein Glück berichten und um Beistand flehn.
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ZWEITER AKT
3. Szene
(LORENZO allein, mit einem Korb.)
LORENZO singt:
Die Erde schluckt das Leben mütterlich;
Welch große Gnadenkraft doch darin wirkt,
Was Pflanze, Kraut und Stein tief in sich birgt.
Denn nichts auf Erden ist so nutzlos schlecht,
Daß es der Erd nicht auch sein Gutes brächt.
Und nichts so gut, daß es für falsche Ziele
Missbraucht nicht in sein Gegenteil verfiele.
Die zarten Fasern hier im Blumenschaft
Bewohnt ein Gift und eine Heilungskraft.
Riecht man daran, erfolgt ein Kraftgewinn,
Ißt man davon, stockt uns Herz, Geist und Sinn.
(ROMEO tritt auf.)
ROMEO:
Schön' Morgen, Vater!
LORENZO:
Ich wett, der gute Romeo war noch nicht im Bett.
ROMEO:
Das stimmt. Ich fand viel süßre Ruh.
LORENZO:
Mit Rosalinde?
ROMEO:
Mit Rosalinde? Nicht doch, nein!
Beim Feind gefeiert hab ich in der Stadt,
Wo plötzlich jemand mich verwundet hat,
Den ich verwundet hatt, und wir gesunden
Erst, wenn du heilger Arzt uns hast verbunden.
LORENZO:
Wie bitte!
ROMEO:
Dann schlicht und klar: mein Glück kann nur allein
Vom reichen Capulet die Tochter sein.
Wie mein Herz ihr, gehört ihr Herz dem meinen,
Im Herz vereint, mußt du uns noch vereinen
In heilger Heirat. Wie und wo und wann
Wir uns gesehn, verliebt, verlobt sodann,
Erzähl ich nachher. Nur laß dich bewegen,
Und gib uns bitte heut noch deinen Segen.
LORENZO:
Was für ein neuer Ton!
Wieviel Tränensalz
Floß dir für Rosalinde um den Hals!
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Salzwassermeere hast du kühl verschwendet,
Liebe zu würzen, die geschmacklos endet.
Die Sonne kämpft noch mit den Seufzerschwaden,
Noch dröhnt mirs Ohr von deinen Schmerztiraden,
ROMEO:
Schimpf nicht! Ich lieb jetzt eine, die mich liebt,
Und Gunst für Gunst und Lieb für Liebe gibt.
LORENZO:
Aus einem Grunde werd ich zu dir stehn:
Eure Verbindung könnte glücklich lehren,
Den Sippenhaß in Liebe umzukehren.
ROMEO:
Mensch, Ich steh auf Kohlen! Renne, eile!
LORENZO:
Wer rennt, der rutscht. Drum Eile nur mit Weile.
(Beide ab.)
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ZWEITER AKT
4. Szene
(BENVOLIE und MERCUTIO treten auf.)
(ROMEO tritt auf.)
BENVOLIE:
Da kommt Romeo!
MERCUTIO:
Da kommt nur Meo, wo ist sein Ro? Wie ein schrumpfgepökelter
Heringsschwanz! O Fleisch, o Fleisch, wie hast du dich verfischigt Signor
Romeo, bon jour. Sie sind ein Hexer und Falschmünzer.
ROMEO:
Morgen, ihr zwei. Wieso Hexer und Falschmünzer?
MERCUTIO:
Du hast mit Fersengeld bezahlt und dich verschwinden lassen, du falscher
Fünfziger. Schwer von compri, wie?
ROMEO:
Vergebung, Allerwertester! Es ging mir um was Großes, und in so einem Fall
kann mich die Höflichkeit kreuzweis am Buckel.
MERCUTIO:
Ach, da sollen dann die andern verständnisvoll kreuzbucklige Diener dienern?
ROMEO:
Als höfliche Bücklinge, richtig.
MERCUTIO:
Oh, danke für die Blumen.
ROMEO:
Blume, wem Blume gebührt.
MERCUTIO:
Wenn wir jetzt im Schweinsgalopp lausige Witze totreiten, muß ich passen. Du
hast nämlich mehr Läuse im Kopf als ich Finger zum Knacken. Unter Freunden:
hol dir einen Affen.
ROMEO:
Soll ich dir Zucker geben?
MERCUTIO:
Ich beiß dich gleich ins Ohr für diesen Witz!
ROMEO:
Nicht doch, Schweinchen, nicht beißen!
MERCUTIO:
Du bist so komisch wie saure Äpfel.
ROMEO:
Schweinsköpfe werden mit Äpfeln garniert.
MERCUTIO:
Haarsträubend, deine Witze! Ich bin der Igel, Vorsicht mit den Stacheln!
ROMEO:
Wie ich sage: Schwein plus Igel gibt Schweinigel.
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romeo & julia fassung antonio lallo
MERCUTIO:
Na, Gott seis gedankt! Klingt das jetzt nicht besser als dein Liebesgewimmer?
Endlich wieder Romeo. Diese Sabbelsabberschlapperliebe, das ist doch wie
einer mit Dachschaden, der mit raushängender Zunge für sein Narrenszepter ein
Loch zum Reinstecken sucht.
BENVOLIE:
Hör auf! Hör auf!
MERCUTIO:
Sehr ungesund, mitten drin aufhören.
BENVOLIE:
Wenn du erst drin bist, wirds ein Schwanz ohne Ende.
ROMEO:
Seht mal, die Fregatte!
(ANNE tritt auf.)
MERCUTIO:
Mahlzeit, die Frau.
ANNE:
Ist schon Mahlzeit?
MERCUTIO:
So gut wie, sag ich Ihnen; soeben greift die schamlose Hand der Sonnenuhr dem
Mittag an den Zapfen.
ANNE:
Pfui Teufel! Was sind Sie denn für ein Mensch!
Meine Herrn, kann mir jemand sagen, wo ich den jungen Romeo finde?
ROMEO:
Ich kanns Ihnen sagen. Aber der junge Romeo wird älter geworden sein, wenn
Sie ihn gefunden haben werden, als er gewesen ist, als Sie ihn gesucht hatten.
Ich bin der Jüngste dieses Namens, in Ermangelung eines Schlechteren.
ANNE:
Wenn Sie das sind, mein Herr, hab ich ein paar Vertraulichkeiten mit Ihnen.
BENVOLIE:
Sie will ihn zum Abendessen vorladen.
MERCUTIO:
Eine Ku-, eine Ku-, eine Kupplerin! Hallo!
Romeo, kommst du mit zu deiner Mutter? Wir wollen dort essen.
ROMEO:
Ich komm nach.
(MERCUTIO und BENVOLIE ab.)
ANNE:
Widerlicher Patron.
Bitte, Herr, ein Wort nur: mein junges Fräulein befahl mir, Sie
auszukundschaften. Und was sie mich sagen läßt, behalt ich für mich.
Eins sag ich Ihnen gleich vorneweg, wenn Sie die in ein Wolkenkuckucksheim
reinverführen sozusagen, das wär ein sehr unfeines Verhalten sozusagen
ROMEO:
Freundin, empfiehl mich deinem Fräulein. Ich beteure -
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ANNE:
Sie gutes Herz! Die Hand darauf, das will ich ihr sagen.
ROMEO:
Was werden Sie ihr sagen, Amme? Sie hören j a gar nicht zu!
ANNE:
Mein Herr, ich werde ihr sagen, daß Sie beteuern, was ich vermute, ist ein
anständiges Angebot.
ROMEO:
Sag ihr, auf irgendeine Weise soll sie heut nachmittag zur Beichte gehn. Und
dort in Lorenz' Klause wird Sie absolviert und dann getraut.
ANNE:
Heut nachmittag, Herr? Gut, sie ist zur Stelle.
ROMEO:
Leb wohl, sei treu, dann lohn ich dir die Mühe. Leb wohl. Empfiehl mich
deinem Fräulein.
ANNE:
Der Herrgott segne Sie.
Oh, da gibts hier einen Herrn in der Stadt, einen Herrn Paris, der wetzt auch
schon sein Messer. Aber die, das gute Herz, die nähm grad so gern `ne Kröte ins
Bett, `ne leibhaftige Kröte, wie den. Ich triez sie manchmal so zum Spaß und sag
ihr, Paris wär der schönre Mann. Aber was soll ich Ihnen sagen, wenn ich das
sag, wird sie weiß wie das weißeste Bettuch im Universum.
ROMEO:
Empfehlung an das Fräulein.
(ROMEO ab.)
ANNE:
(ANNE singt)
(Anne ab.)
Jawohl, tausendmal!
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ZWEITER AKT
5. Szene
(JULIA tritt auf.)
(Kurze Zeit später ANNE tritt auf.)
JULIA:
Anne?
Los, Antwort, gute Nachricht oder schlechte?
So quäl mich doch nicht so: ist's gut, ist's schlecht?
ANNE:
Also, da hast du vielleicht danebengegriffen.
Du weißt nicht, wie Männer aussuchen. Romeo?
Nie im Leben. Schön, ein hübscheres Gesicht hat er als alle andern Männer. Ein
Ausbund an Höflichkeit ist er grad nicht
Wie denn, Mittagessen schon vorbei?
JULIA:
Was sagt er wegen Heirat? Sag, was ist damit?
Was sagt mein Liebster?
ANNE:
Dein Liebster sagt als anständiger Herr und als höflicher und freundlicher und
hübscher, und dafür leg ich die Hand ins Feuer, wohlerzogener Kavalier - wo ist
die Frau Mutter?
JULIA:
Was, wo ist die Frau Mutter? Sie ist drin.
Wo soll sie sein? Du sprichst so eigenartig.
„Dein Liebster sagt als anständiger Herr:
Wo ist die Frau Mutter?"
ANNE:
Du Allmächtiger!
Bist du so geil? Dann nimm dich mal zusammen.
JULIA:
Was für ein Umstand! Was sagt Romeo, komm!
ANNE:
Darfst du heut nachmittag zur Beichte gehn?
JULIA:
Ja. Ja.
ANNE:
Dann auf und fort zu Lorenz' Klause.
Dort steht ein Mann, um dich zur Frau zu machen.
Da steigt dir jetzt das freche Blut zu Kopf!
Bei jeder Neuigkeit gleich rote Ohren. Ich will erst essen.
(ANNE geht, kommt aber wieder)
Fort zur Klause, geh!
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(ANNE geht.)
JULIA:
(JULIA ab.)
Mit Glück zum Gipfel meines Glücks! Ade!
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ZWEITER AKT
6. Szene
(LORENZO und ROMEO treten auf.)
LORENZO:
So lächle diesem heiligen Akt der Himmel,
Daß uns die Folgezeit nicht Kummer trägt.
ROMEO:
Amen! Doch komm an Kummer, was da will,
Nichts wiegt den Wert der Freude auf, die mir
Eine Minute ihres Anblicks schenkt.
LORENZO:
So wilde Freude nimmt ein wildes Ende
(JULIA tritt schnell auf und umarmt ROMEO.)
JULIA:
Mein Fromme, einen guten Abend.
LORENZO:
Kommt jetzt, wir machen das ganz kurz.
(Alle ab.)
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DRITTER AKT
1. Szene
(MERCUTIO, BENVOLIE treten auf.)
BENVOLIE:
Mercutio, bitte, laß uns hier verschwinden.
Der Tag ist heiß, die Capels schwärmen rum.
Wenn wir sie treffen, gibts doch gleich Krawall,
Da kocht das Blut in dieser Brodelhitze.
MERCUTIO:
Komm, komm, du bist als Wüterich so wütig wie kein zweiter im ganzen Land,
und genauso wütig aufs Wüten wie beim Wüten wütig.
BENVOLIE:
Du meinst wirklich mich?
MERCUTIO:
Wen sonst? Wenns zwei wie dich gab, hätten wir bald nicht mal einen, denn
einer würd den andern umbringen. Genau du! Du hast dich mit einem geprügelt,
der auf der Straße hustete, weil das deinen Hund geweckt hat, der schlafend in
der Sonne lag. Und so was will mich wegen Streitsucht schulmeistern?
BENVOLIE:
Sicher, wenn ich ein friedliches Unschuldslamm wär wie du, könnt ich
überall anschreiben lassen - für zehn Minuten.
MERCUTIO:
Unschuldslamm? O du Schaf!
(TYBALT, ISI und ANGELO treten auf.)
TYBALT:
Stößt echte Wut mit falscher Ruh zusammen,
Gibt’s Funken, die mein heißes Blut entflammen.
Ich gehe, gut. Doch für sein Rumschmarotzen
Wirst er mir noch Konfekt mit Galle kotzen.
BENVOLIE:
Bei meinem Haupt, da kommen die Capulets.
MERCUTIO:
Bei meinem Hintern, mir egal.
TYBALT:
Bleibt hinter mir, mit denen will ich reden.
Mercutio, du ziehst mit Romeo immer rum -
MERCUTIO:
Rumziehn? Wir ziehn rum? Gottverdammich, rumziehn?
(ROMEO tritt auf.)
TYBALT:
Na, Friede zwischen uns. Da kommt mein Mann.
MERCUTIO:
Dein Mann! Ich lach mich krank! Küßchen, Madame!
Ab ins Gebüsch, da nimmt er dich zur Brust,
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Da wird er dich bedienen.
TYBALT:
Romeo, die Liebe, die ich für dich hege,
Erlaubt nur einen Satz: du bist ein Lump.
ROMEO:
Tybalt!
TYBALT:
Halt, Kerl, so kommst du mir nicht aus für die Beleidigung.
ROMEO:
Ich schwöre dir, ich hab dich nie beleidigt,
Und lieb dich viel mehr, als du ahnen kannst,
Solang du nicht den Grund der Liebe kennst.
Drum, lieber Capulet, und weil dein Name
Mir wertvoll ist wie meiner, sei der Sieger.
MERCUTIO:
Was, ehrlos feige, zahme Unterwerfung!
Tybalt, du Rattenfänger?
TYBALT:
Was willst denn du von mir?
MERCUTIO:
Du König aller Kater, eins deiner neun Leben zum an die Wand spießen, und
dann werd ich auch die andern acht durchwalken.
TYBALT:
Ganz der deine.
(Sie kämpfen. Nach jedem Move gibt es ein Nummernschild)
ROMEO:
Mercutio
(Sie kämpfen.)
ROMEO:
Benvolie, hilf! Leute, hört auf! Laßt diesen Wahnsinn sein!
Mercutio, Tybalt, die Bürger verboten,
Ausdrücklich Straßenkämpfe in Verona!
Halt, Tybalt! Nicht, Mercutio!
(ANGELO tritt mit der Waffe auf.)
ANGELO:
Töte ihn!
(TYBALT erschießt MERCUTIO)
ISI:
Weg, Tybalt!
MERCUTIO:
Ich bin verletzt.
Die Pest auf eure Häuser!
Herrgottnochmal
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Wurmfutter haben sie aus mir gemacht.
(MERCUTIO stirbt in ROMEOS Armen)
ROMEO:
Der Unstern dieses Tags droht vielen Tagen.
Was heut beginnt, das müssen andre tragen.
Am Leben voll Triumph, Mercutio tot! Mercutios Seele
Schwebt voll Erwartung über unsern Köpfen
Und hofft, daß deine ihr Gesellschaft leistet.
Du oder ich gehn mit ihm, oder beide!
TYBALT:
Du Hund bist ihm auf Erden nachgelaufen,
Lauf ihm zum Himmel nach.
(ROMEO erschießt TYBALT.)
ROMEO:
Ich bin der Narr des Schicksals.
(BÜRGERCHOR, LADYS kommen dazu.)
CHOR:
Wo sind die Schuldigen an diesem Streit?
Wer wird für dessen Blut verantwortlich gemacht?
(ROMEO geht nach hinten und legt die Waffe in den Koffer).
CHOR:
(Alle ab.)
Und für diese Tat
Verbannen wir ihn hiermit aus dem Staat.
Taub gegen Schwur und Bitten wolln wir sein,
Kein Flehn und Weinen kauft sich Ablaß ein.
Sparts euch. Schickt Romeo fort aus diesem Grunde,
Wenn man ihn greift, schlägt seine letzte Stunde.
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DRITTER AKT
2. Szene
(JULIA allein und singt.)
JULIA:
Komm, liebe, samtne, sanfte Nacht. Komm, gib
Mir meinen Romeo. Und wenn ich ersterbe,
Nimm ihn und schneid ihn dir in kleine Sterne,
Und das Gesicht des Himmels wird so schön,
Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt
Und auch die Sonnenanbetung vergißt.
Was Neues, Liebes?
ANNE:
Tybalt, du mein bester Freund!
O gütger Tybalt, braver junger Mensch!
Daß ichs erleben muß, dich tot zu sehn!
Tybalt ist tot, und Romeo ist verbannt;
Romeo, der Mörder, Romeo ist verbannt.
JULIA:
Gott! Romeos Hand hat Tybalts Blut vergossen?
Verkommener Auswurf göttlichster Gestalt!
War je ein Buch so eklehaften Inhalts
So schön gebunden?
Verdammt als Heilger, ehrenwert als Lump!
ANNE:
Es hat nicht Treu noch Glaub noch Ehre bei den Männern;
Wortbrüchig, falsch, verlogen, alle, alle.
Schande auf sein Haupt!
JULIA:
Maulfäule sollst
Du kriegen für den Wunsch! Zur Schande war
Er nicht bestimmt. O was ein Biest war ich, auf ihn zu
schimpfen!
ANNE:
Willst du den loben, der den Vetter totschlug?
JULIA:
Ja, soll ich den verfluchen, der mein Mann ist?
„Tybalt ist tot, und Romeo ist - verbannt."
O das „verbannt", das eine Wort „verbannt"
Erschlug zehntausend Tybalts.
Ich will ins Brautbett, in die Kerkerhaft!
Nicht Romeo, Tod nimmt meine Jungfernschaft!
ANNE:
Geh du nur schlafen. Ich such dir zum Trost
Den Romeo. Ich weiß schon, wo er steckt.
Ich geh. Bei Lorenzo ist er.
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JULIA:
(Beide ab.)
romeo & julia fassung antonio lallo
Find ihn!
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DRITTER AKT
3. Szene
ROMEO:
Verbannung? Was? Sei gnädig, sag doch „Tod"!
Bann droht mehr Schrecken an in seinem Bild,
Mehr, viel mehr als der Tod. Sag nicht Verbannung.
LORENZO:
Hier aus Verona bist du jetzt verbannt.
Doch keine Angst, die Welt ist groß und weit.
ROMEO:
Qual ist das, keine Gnade. Hier ist Himmel,
Wo Julia lebt. Und jede Katz und Maus
Und Kröte, jedes wertlose Geschöpfe
Lebt hier im Himmel und darf sie betrachten,
Aber der Romeo nicht.
LORENZO:
Kindisch, verrückter Kerl, laß mich was sagen.
ROMEO:
Ach, willst du wieder mal „Verbannung" sagen!
LORENZO:
Man sieht, Verrückte haben keine Ohren.
ROMEO:
Red mir doch nicht von dem, was du nicht fühlst!
Wärst du verliebt wie ich, wär Julia dein,
Grad erst getraut, Tybalt auf dem Gewissen,
Entflammt wie ich und grad wie ich verbannt,
Dann könntst du reden, könntst die Haare raufen,
Könntst dich zu Boden werfen wie jetzt ich,
Maß nehmen für ein ungemachtes Grab.
(Klopfen.)
(Klopfen.)
(Klopfen.)
Wer klopft so wild? Wer sind - was wollen Sie?
ANNE:
(von draußen)
Ich komm von Fräulein Julia.
LORENZO:
Dann willkommen.
(ANNE tritt ein.)
ANNE:
Ach, Herr! ach, Herr! Der Tod macht alles gleich!
ROMEO:
Wo ist sie? Und was macht sie? Was sagt mein
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Heimliches Weib zum Heimgang unsrer Liebe?
ANNE:
Nichts sagt sie, Herr, nur weint sie, weint und weint,
Und wirft sich mal aufs Bett, mal springt sie auf.
Und schreit erst „Tybalt", schreit dann „Romeo",
Und sinkt schon wieder um.
ROMEO:
Als würd mein Name,
Wie ein Gewehrschuß tödlich abgefeuert,
Sie morden wie mein gottverfluchter Arm
Den Vetter mordete.
(Er will sich erstechen; die ANNE fällt ihm in den Arm.)
LORENZO:
Nicht den Kopf verlieren!
Nimm dich zusammen, Mann! Denn Julia lebt,
Für die du um ein Haar gestorben wärst.
Da liegt dein Glück. Der Tybalt wollt dich morden,
Doch du erschlugst den Tybalt. Da liegt Glück.
Los, schleich zu deiner Liebsten wie besprochen.
Steig in ihr Zimmer. Geh sie trösten, los.
Dort bleibst du, bis wir hier den Zeitpunkt finden,
Die Hochzeit zu verkünden, beide Sippen zu
Versöhnen, Gnade zu erflehn vom Fürst,
Und dich mit noch hunderttausendmal
Mehr Freude heimzurufen, als du jetzt
Mit Klagen fliehst.
(zu Anne)
Geht schon vor und grüß mir Dein Fräulein,
sag, sie soll das ganze Haus
Schnell in die Betten jagen,
Denn Romeo kommt.
ANNE:
Mein Herr, ich sag dem Fräulein, daß Sie kommen.
Und jetzt Beeilung, schnell, es wird schon spät.
(Alle ab.)
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DRITTER AKT
4. Szene
(LADYS und PARIS treten auf.)
LADYS:
So unglücklich lief alles, Herr, daß wir
Die Zeit nicht hatten, Julia zu bereden.
Es ist sehr spät, sie bleibt heut abend oben.
PARIS:
Die Trauerzeit ist nicht die Zeit zum Trauen.
Madame, gut Nacht. Empfehlung an die Tochter.
LADYS:
Gewiß. Gleich morgen früh frag ich sie aus.
Heut nacht hat sie sich eingesperrt ins Leid.
(PARIS will abgehn, und LADYS ruft ihn zurück.)
LADYS:
Graf Paris, ich biet einfach mich als Bürgen
Für Julias Liebe. Lenken läßt die sich
von mir in allem, denk ich. Vielmehr ... weiß ich.
Wir gehen noch zu ihr, eh wir schlafen gehen.
Teilen ihr die Liebe unseres Sohnes Paris mit,
Und sagen ihr - hörst du zu? - Am nächsten Mittwoch Moment mal! Was ist heute?
PARIS:
Montag, Herrin.
LADYS:
Montag! Hm! Hm! Nun, Mittwoch ist zu früh.
Dann Donnerstag. Am Donnerstag
Wird sie getraut mit diesem werten Grafen.
PARIS:
Ich wollte, Donnerstag wär morgen, Herrin.
LADYS:
Nun, gehn Sie jetzt. Alsdann am Donnerstag
(Alle ab.)
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DRITTER AKT
5. Szene
(ROMEO und JULIA treten oben am Fenster auf.)
JULIA:
Willst du schon gehn? Es ist noch lang nicht Tag.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Was eben dein erschrecktes Ohr zerriß.
ROMEO:
ROMEO:
Komm, Tod, willkommen! Ganz, wie Julia will.
Nun, Herz? Komm, reden wir. Es ist nicht Tag.
JULIA:
Nein, Tag ist! Tag ist! Fort, nur fort von hier!
Es ist die Lerche, die so scheußlich singt,
So unmelodisch kreischt, mit schrillen Tönen!
Jetzt wünsch ich ihr dazu die Krötenstimme,
Weil ihre Stimme uns auseinander quakt,
Ihr Jagdruf, der den Tag weckt, dich verjagt.
Nun geh! Hell wirds und heller weit und breit.
ROMEO:
Hell wirds und heller: schwarz und schwärzer unser Leid.
(ANNE tritt hastig auf.)
ANNE:
Julia!
JULIA:
Jaha!
ANNE:
Deine Frau Mutter kommt gleich hier ins Zimmer.
(ANNE ab.)
JULIA:
Glaubst du, daß wir uns jemals wiedersehn?
ROMEO:
Hab keine Angst; und dieses Leid dient uns
Dereinst als Stoff zu fröhlichen Gesprächen.
JULIA:
Mir ist, ich seh dich jetzt da unten
Wie einen Toten auf dem Grund des Grabs.
Der Blick versagt mir, oder du bist blaß.
ROMEO:
Glaub mir, daß ich dich ganz genauso seh.
Das dürre Leid saugt unser Blut. - Ade.
(ROMEO ab.)
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JULIA:
O Glück! Glück!
LADYS:
(rufen von draußen)
He, Julia, bist du auf?
JULIA:
Was ist? Wer ruft mich denn? Ach, die Frau Mutter.
(LADYS treten auf.)
LADYS:
Julia, wie gehts?
JULIA:
Mutter, mir ist nicht gut.
LADYS:
Noch immer Schluchzer über Tybalts Tod?
Willst ihn mit Tränen aus der Erde schwemmen?
JULIA:
Las mich doch weinen um den schmerzlichen Verlust.
LADYS:
Nun, Kind, du weinst so sehr nicht um den Tod,
Als daß der Lump noch lebt, der ihn erschlug.
JULIA:
Was für ein Lump?
LADYS:
Der Lump von Romeo.
JULIA:
Wirklich, ich werde nie zufrieden sein
Mit Romeo, bis ich ihn seh - ganz tot Gequält hat sich mein Herz um meinen Vetter.
Ach, Mutter, könntest du nur jemand finden,
Der ihm ein Gift reicht, dann würd ich es mischen Daß Romeo gleich, wenn ers genommen hat,
Gut schlafen soll
LADYS:
Find du das Mittel, dann find ich den Mann.
Denk nur, mein Kind, früh nächsten Donnerstag
Macht der galante, junge Edelmann
Graf Paris dich in der Sankt Peters Kirche
Gerührt und froh zur hochbeglückten Braut.
JULIA:
Jetzt bei Sankt Peter samt der Peterskirche,
Er macht mich nicht zur hochbeglückten Braut!
Ich heirat jetzt noch nicht; und wenn, ich schwörs,
Wirds eher Romeo, den ich haß, du weißts,
Als Paris sein. Das sind mir Neuigkeiten!
LADYS:
Reiß lieber deine zarten Knochen hoch
Für Paris in Sankt Peter Donnerstag,
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Sonst schleif ich dich noch an den Haaren hin.
Raus, grünes Aas! Du bleichsüchtiges Luder!
Du Talggesicht!
JULIA:
Meine Mutter, ich bitt dich.
Hör nur ein Wort in aller Ruhe an!
LADYS:
Geh, laß dich hängen, Biest! verstockte Schlampe!
Ich sag dir eins - am Donnerstag gehst du
Zur Kirch, sonst komm mir nie mehr vors Gesicht.
(LADYS ab.)
JULIA:
Was sagst du?
(ANNE tritt auf.)
Hast du nicht ein Wort der Freude?
Nicht einen einzigen Trost?
ANNE:
Trost? Da denk ich, nimm am besten gleich den Grafen.
Ist das ein schöner Mann!
Romeo dagegen - nur ein Scheuerlappen.
JULIA:
O, nun, du hast so wundervoll getröstet.
Geh rein, sag meiner Mutter, weil ich schuld
An Vaters Zorn bin, wär ich zu Lorenzo
Zum Beichten fort, um absolviert zu werden.
ANNE:
Gott, ja, das tu ich.
JULIA:
Ratgeberin!
Du und mein Herz, ihr beide seid geschieden.
Auf zu Lorenzo und seine Hilfe werben.
Schlägt alles fehl, hab ich auch Kraft zum Sterben.
(JULIA ab.)
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romeo & julia fassung antonio lallo
VIERTER AKT
1. Szene
(LORENZO und PARIS treten auf.)
LORENZO:
Am Donnerstag, mein Herr? Die Zeit ist knapp.
PARIS:
Die Capulets bestehen darauf,
Und ich leg seiner Hast nichts in den Weg.
(JULIA tritt auf.)
JULIA:
Graf!
PARIS:
Schön, Sie zu sehn, mein liebes Fräulein Braut!
JULIA:
Mag sein, wenn man mich traut, werd ich zur Braut.
PARIS:
Behüt mich Gott, daß ich die Andacht störe! Früh Donnerstag werd ich Sie wecken, Julia.
Bis dann, adieu, nimm diesen keuschen Kuß.
(PARIS ab.)
LORENZO:
O Julia, Kind, ich weiß schon deine Leiden.
Du mußt auf Biegen oder Brechen
Donnerstag früh dem Grafen dich vermählen.
JULIA:
Kennst du bei aller Weisheit keine Hilfe,
Dann nenn zumindest meine Absicht weise,
Und gleich helf ich ihr mit dem Messer nach.
Gott band mein Herz und Romeos, du die Hände;
Drum gib mir aus erfahrungsreichem Leben
Schnell deinen Rat.
Sag was, red schnell. Ich sehn mich nach dem Tod,
Sprichst du mir nicht von Hilfe aus der Not.
O heiß mich statt der Hochzeit lieber dort
Vom Zinnenkranz des Turms herunterspringen,
Heiß mich in frisch gemachte Gräber kriechen,
Und mich mit Leichen in die Laken wickeln Und alles tu ich ohne Furcht und Zweifel,
Um meinem Mann untadelig zu leben.
LORENZO:
Nun denn, geh heim, sei guter Dinge, stimm
Dem Bund mit Paris zu. Mittwoch ist morgen.
Schau, daß du morgen nacht alleine schläfst.
Und dann im Bett nimmst du dir diese Flasche
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Und trinkst daraus den destillierten Saft;
Dann läuft ein kaltes, schläfriges Gefühl
Sofort durch alle Adern, denn kein Puls
Schlägt wie natürlich weiter, sondern stockt.
Und im geborgten Aussehn welken Tods
Verbleibst du zweiundvierzig Stunden lang
Und wachst wie aus gesundem Schlaf dann auf.
Wenn nun der Bräutigam des Morgens kommt,
Dich aus dem Bett zu holen, liegst du tot.
Inzwischen, bis du wiederum erwachst,
Soll Romeo brieflich unsern Plan erfahren
Und hierher kommen; er und ich bewachen
Dann dein Erwachen, und die gleiche Nacht
Nimmt Romeo dich mit fort nach Mantua.
Das wird dich retten vor der drohnden Schmach,
JULIA:
Gib mir's, gib mir's!
LORENZO:
Nimm. Geh jetzt. Stärke und Entschlossenheit
Tut not. Ich schicke wen mit Briefen
An deinen Mann sofort nach Mantua rein.
JULIA:
Liebe, gib Kraft! Denn Kraft wird Hilfe sein.
Leb wohl, mein Lorenzo.
(Lorenzo ab.)
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VIERTER AKT
2. Szene
(LADYS und ANNE )
ANNE:
Ja da schau her, frisch-fröhlich heim vom Beichten.
LADYS:
Na, Trotzkopf? Wo hats dich denn rumgetrieben?
JULIA:
Verzeih, vergib!
Auf immer wird dein Wunsch mein Wille sein.
LADYS:
Das freut mich aber. Sehr sogar.
Holt mir den Grafen.
Genau, weiß Gott.
(zu Anne) Geh, sag ich, hol ihn her.
Hochzeit!
(LADYS ab.)
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VIERTER AKT
3. Szene
(JULIA und ANNE treten auf.)
JULIA:
Leb wohl. Gott weiß, wann wir uns wiedersehn.
(Anne ab.)
Mir fröstelt kalte Angst durch alle Adern,
Daß mir die Lebenswärme fast erfriert.
Und was, wenn das Gebräu nun gar nicht wirkt?
Wie, wenn ich nachher, in die Gruft gelegt,
Erwache vor der Zeit, daß Romeo kommt
Und mich erlöst? Das ist doch auch ein Punkt!
Erstick ich denn nicht gleich dort im Gewölbe,
Durch dessen Modermaul kein Luftzug geht,
Und sterb an Atemnot, eh Romeo kommt?
Was Sterbliche verrückt macht.
(TYBALT S GEIST tritt auf)
Da schau! Mir ist, ich seh schon Tybalts Geist,
Wie er nach Romeo sucht.
Tybalt, steh!
Romeo, Romeo, Romeo.
(Sie liegt)
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VIERTER AKT
5. Szene
(ANNE geht an die Vorhänge.)
ANNE:
Ich muß dich wecken. Gräfin Julia! Julia! Julia!
Wart nur, wenn dich der Graf im Bett erwischt!
Dann gehts hier rund, verlaß dich drauf. Meinst nicht?
Mein Gott. Mein Gott. Zu Hilfe! Sie ist tot!
Daß ich das noch erleben muß! O Gott!
(LADYS treten auf.)
LADYS:
Verdammt, schick Julia raus! Der Graf ist da!
ANNE:
Sie ist doch tot! Gestorben! Sie ist tot!
LADYS:
Was! laßt mich sehn. Aus! Gott, sie ist schon kalt!
Tod liegt auf ihr wie vorzeitiger Frost
Grad auf der schönsten Blume aller Felder.
(PARIS tritt auf.)
PARIS:
Hab ich das Tageslicht herbeigesehnt,
Damits mir solchen Anblick hell bescheint?
LADYS:
Verfluchter, schwarz verhaßter Elendstag!
PARIS:
Getäuscht, getrennt, gekränkt, geprellt, geschlagen!
Ewig verdammter Tod, von dir getäuscht,
Von dir so grausam, grausam überrollt!
O Liebe! Leben! - Leb im Tode, Liebe!
LADYS:
Verhöhnt, gequält, gehaßt, zermalmt, zerschmettert!
Aus Jubelchören wird ein Requiem,
Die Hochzeitsfeier trüb zum Totenfest.
(Alle ab.)
PARIS:
(Alle ab.)
Ich streu dir Blumen, Blume aller Frauen,
Aufs harte Brautbett ganz aus -Staub und Steinen.
Mit Rosenwasser will ichs nachts betauen,
Aus Seufzern kristallierte Tränen weinen.
Auf alle Zeit will ich als Totenwacht
Dein Grab bestreun und klagen jede Nacht.
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FÜNFTER AKT
1. Szene
(BÜRGERCHOR und LORENZO treten auf.)
LORENZO:
Was sagt Romeo? Ist er da?
BÜRGERCHOR:
(individuelle Schuldzuweisungen)
LORENZO:
Und wer hat Romeo dann den Brief gebracht?
BÜRGERCHOR:
Da hast du ihn – wir konnten ihn nicht mehr schicken
LORENZO:
O unglücklicher Zufall!
So in drei Stunden wird die schöne Julia wach.
Verfluchen wird sie mich, weil Romeo
vom ganzen Vorgang nichts erfahren hat.
Doch ich werd gleich noch mal nach Mantua schreiben Die Arme, lebend tot im Totenhause!
(LORENZO ab.)
(ROMEO tritt auf)
BÜRGERCHOR:
Übrigens, mein lieber Romeo, die Julia, die ist tot.
(Bürgerchor beobachtet.)
ROMEO:
Du ekelhafter Schlund, Gedärm des Todes,
Den Leckerbissen dieser Welt im Wanst So brech ich deine morschen Kiefer auf
Und stopf dir trotzig Nachtisch durch die Gurgel.
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FÜNFTER AKT
2. Szene
ROMEO:
Tja, Julia, ich will heute bei dir schlafen.
Fragt sich nur wie. Da fällt mir doch ein Apotheker ein Klapprig sah er aus,
Vom Elend ausgemergelt auf die Knochen.
„Wenn einer Gift braucht hier in Mantua,
Wo man den Handel mit dem Tod bestraft Der Hungerleider da würds ihm verkaufen."
He, hallo, Apotheker!
(APOTHEKER tritt auf.)
APOTHEKER:
Wer schreit so laut?
ROMEO:
Komm näher, Mann. Ich sehe, du bist arm.
Da nimm. Dafür gib
Ein Quentchen Gift.
APOTHEKER:
So Todesmittel hab ich, aber Mantuas
Gesetz droht jedem Tod, der sie verkauft.
ROMEO:
Die Welt ist nicht dein Freund, und nicht der Welt Gesetz;
Die Welt macht kein Gesetz, dich reich zu machen;
Dann sei nicht arm, brich das Gesetz und nimm.
APOTHEKER:
Mein Elend, nicht mein Wille stimmen zu.
ROMEO:
Ich zahl fürs Elend, nicht für deinen Willen.
APOTHEKER:
Sie trinken aus, und hätten Sie auch Kraft
Wie zwanzig Mann, das schafft Sie aus der Welt.
ROMEO:
Leb wohl, kauf Essen, schaff was auf die Knochen.
Komm, Stärkungstrank, nicht Gift! Begleite mich
Zu Julias Grab. Dort nämlich brauch ich dich.
(Beide ab.)
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FÜNFTER AKT
3. Szene
(ROMEO bricht das Grab auf.)
Liebste! Frau!
Der Tod, der deinen Honigatem saugte,
Hat über deine Schönheit noch nicht Macht.
Du bist nicht überwältigt. Schönheit hält
Purpurn die Fahne hoch auf Mund und Wangen, Kein bleiches
Todesbanner ist gehißt.
Liebste Julia, Was bist du noch so schön?
Aug - letzter Blick!
Liebste, zum Wohl!
(er trinkt)
O bravo, Apotheker! Dein Gift wirkt schnell.
So sterbe ich im Kuß.
(ROMEO stirbt. JULIA steht auf.)
JULIA:
Wo ist mein Romeo?
Was ist das in seiner Hand?
Gift, seh ich, war sein vorzeitiges Ende.
Dann küss ich deine Lippen. Kann doch sein,
Wenn noch genügend Gift dran hängt, daß ich
Am Lebenselixier der Küsse sterbe.
(Sie küßt ihn.)
Dein Mund ist warm.
(Sie stirbt.)
CHOR
Der tot dort liegt, war Julias Mann;
Und sie, die dort tot liegt, war Romeos Frau.
Wo sind die Feinde? Capulet! Montagu!
Ein trüber Frieden dämmert mit dem Morgen.
Die Sonne zeigt vor Leid nicht ihr Gesicht.
Kein Leidensweg war schlimmer irgendwo
Als der von Julia und von Romeo.
(Alle ab.)
ENDE

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