Passione Engadina - Gipfeltreffen italienischer Oldtimer
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Passione Engadina - Gipfeltreffen italienischer Oldtimer
Passione Engadina - Gipfeltreffen italienischer Oldtimer: Die erste Passione Engadina für klassische italienische Automobile hat bei den Teilnehmern Begeisterung ausgelöst. Allerdings fielen Absenzen auf. Das Engadin verzeichnet wegen Schikanen des italienischen Fiskus weniger Gäste aus dem Süden. In den Sommermonaten entfliehen viele Italiener gerne der heimischen Hitze und den Menschenmassen ins kühle Engadin, wo sie in den Hotels oder eigenen Immobilien unbeschwerte Tage zu verbringen hoffen – wie heuer der italienische Premierminister Monti, ein Stammgast in Silvaplana. Andere reisen in ihrer Bella Macchina an und treffen hier auf viele Gleichgesinnte, die ebenfalls in automobilen Klassikern unterwegs sind. Das Engadin ist Austragungsort zahlreicher Rallys, wie etwa des British Classic Car Meeting. Davon liess sich der Tessiner und Ex-Mailänder Werbeunternehmer Paolo Spalluto inspirieren, als er an ein Gipfeltreffen für die Besitzer von klassischen italienischen Automobilen dachte. Schliesslich sind sich Liebhaber von alten Autos einig, dass kaum eine Nation schönere und begehrenswertere Autos hervorgebracht hat als die italienische. Schicke und schnelle Carrozze gehören zum Kern der Italianità, des italienischen Kulturverständnisses, welches den guten Lebensstil zelebriert. Und so stiess Spalluto auf grosses Interesse bei Autobegeisterten und Sponsoren aus der Welt des Luxus und des Genusses. Am vergangenen Wochenende konnte er seine Passione Engadina aus der Taufe heben. Eigentlich sah das Konzept vor, dass aus vielen Anwärtern auf die Passione achtzig als Teilnehmer auserlesen würden. Doch gut die Hälfte der Angemeldeten bekam kalte Füsse. Den ersten Dämpfer lösten italienische Steuerfahnder aus, die in Cortina d'Ampezzo die Besitzer teurer Karossen ausspähten. Dann machte eine Story aus St. Moritz die Runde, wonach Agenten der Guardia di Finanza verhaftet worden seien, nachdem sie im Parkhaus beim Notieren italienischer Autoschilder gestellt worden waren. Unsere Überprüfung bei Behörden und der Bündner Polizei ergab allerdings, dass dies eine pure Mär ist. Termine/Veranstaltungen 2012 Realität sind verschärfte Durchsuchungen von Luxusautos und deren Insassen an italienischen Grenzstationen, bis hin zum Entleeren von Damenhandtaschen. Es ist wohl eine Kombination von Schikanen und schlechter Wirtschaftslage in Italien, die viele Tifosi heuer auf ihre geliebten Engadiner Ferien verzichten liess. Schmerzhaft spürt die Tourismusbranche den Wegfall von mindestens einem Fünftel der üblichen italieni- Kleeblatt 1/2013 Schatten der Guardia di Finanza über dem Engadin schen Besucher. Beobachter sprechen bereits auch von sinkenden Preisen gewisser Immobilien. Bei jenen Italienern, die dennoch mit ihrem Lieblingsauto anreisten, war für das Ziel – wenn auch nicht die Art – der italienischen Steuerfahnder durchaus Verständnis auszumachen. Schliesslich müsse er so hohe Steuern zahlen, weil sich allzu viele andere darum drückten, sagte ein Direktor einer internationalen Reifenfirma. Der Manager aus Rom lud uns zur Mitfahrt in seinem Ferrari 330 GT/2 ein. Der 1968 von Pininfarina gekleidete Wagen verströmt immer noch eine beispiellose Eleganz. Und Rasse dazu, angetrieben von zwölf Zylindern. Dem Piloten entfuhren Laute des Glücks, wie er sein Vollblut über die Pässe Ofen, Flüela und Albula steuerte. Mit von der Partie waren eine Reihe schöner Maserati und rarer Alfa Romeo. Das Rally wurde von einem äusserst raren Alfa 2500 SS von 1949. Der Jury, die die Preise des Concorso d'Eleganza zu verteilen hatte, fiel das Urteil für die Kategorie der bis 1949 gebauten Autos leicht. Er wurde einer mausgrauen Limousine Alfa Romeo 6 C 2500 Turismo zugesprochen. Bei den von 1950 bis 1975 gebauten Wagen unterlag der futuristisch geformte Alfa Romeo Giulia TZ der schlichten Eleganz des dunkelblauen Cabriolets Lancia Aurelia B24s. Es wurde übrigens von Vater und Tochter gesteuert, die vor 15 Jahren aus Mailand ins Tessin emigriert waren. Bei den neueren Autos kassierte der Ferrari 288 GTO die Auszeichnung. Das Publikum konnte auch den Ferrari F 40 bestaunen, den Clay Regazzoni umgebaut hatte, um ihn als Paraplegiker mit Händen fahren zu können. Das Panini-Museum stellte einen seltenen Maserati Birdcage aus, flankiert von Pininfarinas gleichnamiger futuristischer Studie von 2006. Die beiden Autos nebeneinander zu sehen, war die Erfüllung eines Traums Paolo Spallutos. Vom Wetterglück belohnt, haftete der ersten Passione Engadina auch ein Hauch von Wehmut an. Die Parade aus Eleganz und Klasse rief die Periode in Erinnerung, als Italien die Aura der fünftgrössten Wirtschaftsmacht der Welt anhaftete. Lancia etwa profitierte von einem ausgezeichneten Ruf als Sportwagenbauer, während die Marke heute als Aufkleber auf Chrysler-Modellen vollständig ruiniert ist. Und für Alfa Romeo bleibe nur noch die Hoffnung, dass sie von Fiat loskomme und in die rettenden Hände aus dem VW-Konzern gelange, wurde im Teilnehmerfeld moniert. Den Widrigkeiten italienischer Gegenwart zum Trotz haben sich der Organisator Paolo Spalluto und viele Teilnehmer geschworen, die Passione Engadina zu einem jährlichen Bestandteil alpinen Genusses zu machen. Text: NZZ vom 30. August 2012 / Oswald Iten Kleeblatt 1/2013