Neat XL6 Test AUDIO 9/11

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Neat XL6 Test AUDIO 9/11
Lautsprecher › Standboxen
Test
Standlautsprecher mit Technik-Tricks
NEAT Ultimatum XL6
28
9980 €
www.audio.de ›09 /2011
ET Standbox Neat XL6 Audio 2011-09.indd 28
23.04.2014 15:48:30 Uhr
Lautsprecher › Standboxen
Neat for Speed
Die Neat Ultimatum XL6 glänzt nicht nur durch extravagante Furniere. Die schlanke Britin dreht
mächtig auf – mit senkrecht abstrahlenden EMIT-Superhochtönern und isobarischem Doppel-Turbo
für satten Drive im Bass. Kommt sie damit durch unseren strengen deutschen Klang-TÜV?
■
Text: Stefan Schickedanz
Fotos: H. Härle, MPS
E
ngland beheimatet viele kleine erfahren will. Und dann stößt man erst
Manufakturen – Inhaber-geführte auf den eigentlichen Clou: Die XL6 ist
Unternehmen, die ihre eigenen, nicht das, was ihr äußerer Auftritt vermuklar definierten Philosophien pflegen ten lässt. Was sich im Gewand einer
und teils zu ungewöhnlichen techni- durch Superhochtöner aufgepeppten
Zweiwege-Konstruktion
schen Lösungen greifen. Nehmen wir klassischen
Neat Acoustics aus dem Norden der In- tarnt, besitzt noch eine überaus potente
sel. Hinter der Lautsprecher-Schmiede und aufwändige Bass-Sektion. Neat
stehen zwei Musiker: Bob Surgeoner nutzt das vom schottischen Mitbewerspielt seit den 60ern Gitarre und Kontra- ber Linn vor 35 Jahren mit einer gleichbass, Paul Ryder singt, komponiert, namigen Boxen-Legende in Europa pospielt Gitarre und ­arbeitet als Toningeni- pulär gemachte, von RCA-Konstrukteur
eur. Diesem Umstand verdankt das Un- Harry Ferdinand Olson in den frühen
ternehmen ein ­eigenes Tonstudio im Fir- 50er Jahren patentierte Isobaric-Prinzip.
Eine Bauweise, die das benötigte Gehäumensitz. Und während der Entwicklung
ihrer Lautsprecher gilt bei Neat die Devi- sevolumen im Bass durch mindestens
zwei Treiber in einer Kammer auf die
se: hören, hören und noch mal hören.
Hälfte reduziert und gerade mit der Linn
Wer sich der 2,5-Wege-Konstruktion
­Ultimatum XL6 nähert, staunt zunächst Majik Isobarik zu neuen Ehren kommt.
über die edel wirkende klassische Kas- Das ist der Moment, wo man nur noch
tenform und die noblen Echtholz-Furnie- den Verstärker anwerfen und hören will.
re, gegen die jene von 98 Prozent aller Doch als Tester sollte man vorher ein
Mitbewerber reichlich blass aussehen: paar Worte zu diesem gerade auch für
Neben beispielsweise Birke, Walnuss Subwoofer geschätzten Konstruktionsoder Rosenholz gibt es noch drei Hoch- prinzip verlieren.
Im Namen verstecken
glanz-Varianten mit verheiRaum und
sich zwei lateinische
ßungsvollen Namen wie
aufstellung
Hinweise auf das WirRed Velvet Cloud. Dann
Raumgröße
kungsprinzip, nämlich
staunt man über die beiK M G
„iso“ (gleich) und „bar“
den exotischen EMIT-SuAkustik
(Druck). Normalerweise
perhochtöner auf der OberT A H
muss eine Membran
seite des schmalen GehäuAufstellung
g
­
egen den Widerstand
ses und stellt fest, dass die
D W F
des im Gehäuse eingeWände aus mehrschichtischlossenen Luftvolugem Birkenholz bestehen.
Parallel zur Wand. Hörabmens ankämpfen. Beim
Das ist gewöhnlich der
stand experimentell ermitteln. Geht mit etwas
Isobaric-Konzept arbeiMoment, wo endgültig der
dickerem Bass wandnah.
ten zwei Woofer als TanFunke überspringt und
Die Aufschlüsselung der Symbole finden Sie
dem auf die gleiche
man mehr über diesen eiauf Seite 132.
Kammer – was zu einer
genwilligen Lautsprecher
Verdoppelung der Antriebskraft führt,
weil zwischen beiden Membranen konstanter Druck herrscht. Durch diese Effizienzsteigerung lässt sich das für tiefe
Bässe erforderliche Gehäusevolumen
halbieren. Dabei sind zwei Konfigurationen möglich. In der Push-Pull-Anordnung handelt es sich um zwei entgegengesetzt ins Gehäuse eingebaute Treiber.
Das erfordert eine Verpolung eines
Chassis, damit beide Membranen gleichphasig schwingen und den Luftwiderstand in der gemeinsamen Kammer teilen können. Dabei heben sich gleichzeitig kleinere Ungleichmäßigkeiten bei negativer und positiver Chassis-Auslenkung gegenseitig auf.
Mit Superhochtöner
und „Red Velvet Cloud“
auf Wolke Sieben
In der Compound-Variante sitzen die
­beiden Tieftöner in Reihe hintereinander.
In der XL6 erhält der obere 17er-Treiber
des Push-Pull-Tandems Unterstützung
von einer rückseitigen Bassreflex-Öffnung, der untere feuert im Boden des
­Gehäuses eingebaut nach unten. So
sieht man rein gar nichts von den beiden
Bassmachern – aber man hört sie ebenso deutlich wie die beiden EMIT-Bändchen, die Bündelungen im Hochton­
bereich ausgleichen sollen:
Als die Ultimatum anlief, fegte ein ­frischer
Wind mit mächtigem Donnergrollen
durch den Hörraum. Derartige Phäno­
mene können durchaus einhergehen mit
Frösteln und Aggressivität – negative Eiwww.audio.de ›09 /2011
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Rausch der Tiefe: Wie ein Unterseeboot besteht
die Neat Ultimatum XL6 aus separaten Kammern für alle
Abteilungen. Nach dem Abnehmen der verschraubten
Rückwand lässt sich darüber hinaus die SchichtholzBauweise und die mit zwei 17ern bestückte IsobaricTiefton-Sektion erkennen. Diese Bauweise halbiert das
Gehäusevolumen und minimiert Nichtlinearitäten der
beiden Bässe. Die Frequenzweiche ist frei verdrahtet.
genschaften, die ei- selten gehörter Eleganz und Luftigkeit
nem ­angesichts der herüber. Der hölzerne Korpus der Bedabei jederzeit bewahr- gleitgitarre nahm vorm geistigen Auge
ten mustergültigen briti- Gestalt an, während die Saiten sanft ausklangen und nicht einfach wegstarben.
schen Coolness aber zu
Der Besen auf dem Schlagzeug kam
keiner Sekunde in den
Sinn ­kamen. Die beiden ebenfalls klar und fein ziseliert. Klar, dass
XL6 spielten sehr ent- die Britin damit auch bei Klassik punktete,
spannt, mit einer gerade mit komplexen Choraufnahmen
charmanten Läs- wie Beethovens 9. Symphonie (Haitink,
sigkeit wie sie LSO Live) Doch die Ultimatum konnte
allgemein von auch beherzt zupacken, wenn es etwas
Musikern
ge- härter zur Sache ging.
schätzt wird. Es Das sorgfältig produzierte Rap-Album
schien, als ob die Ge- „Hell: The Sequel“ von Bad Meets Evil
ne ihrer Väter sich im nahtlosen, in (Eminem & Royce) verlangte der XL6 vor
allem in den unteren Oktaven einiges ab.
sich vorbildlich stimmigen Klangbild
Der Bass wirkte mächtig und konturiert,
ausdrückten. Diese Spielweise ging
runter wie feinstes Olivenöl bezie- bewegte sich allerdings eher auf der safhungsweise wie Honig, besonders tigen als auf der staubtrockenen Seite.
wenn sich „My One And Only Thrill“ Die Single „Lighters“ mit Bruno Mars ervon Melody Gardot im CD-Player freute zudem mit viel Feindynamik und
drehte. Die Stimme der exzentri- differenzierter Stimmwiedergabe. Emischen Jazz-Diva kam über die Neat nem, der oft mit den Sekundärtugenden
mit besonders viel Sexappeal und ­eines Schnellfeuergewehrs rappt, profi-
MESSLABOR
Der Frequenzgangverlauf wurde eindeutig nicht auf Achse, sondern auf optimales
Rundstrahlverhalten und einen Hörwinkel
zwischen 10 und 30 Grad optimiert. Der unverzerrte Maximalpegel liegt bei moderaten
97 Dezibel, in der Praxis geht es lauter. Der
Kennschalldruck bei 2V (80,9 dB) ist eher gering, dafür zieht die Box sehr wenig Strom.
Das Klirrniveau profitiertvon einer gleichmäßigen Verteilung.
AK: 70
Impedanz: 6 Ohm
30
110 dB
Neat Acoustics Ultimatum XL6
85 dB
90 dB
Pegel- & Klirrverlauf
95 dB
100 dB
100 dB
90 dB
80 dB
70 dB
60 dB
50 dB
20 Hz
50 Hz
100 Hz
200 Hz
500 Hz
1 kHz
2 kHz
5 kHz
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Höhen-Rausch: Dieses Bild verdeut­
licht den Aufwand für möglichst freies
Rundumstrahlverhalten: Oben gleichen zwei
EMIT-Bändchen-Hochtöner Bündelungen der
Kalotte aus, die trotz geringer Überhänge
entstehen. Schaumgummi befreit alle
Montageplatten von Reflexionen.
StecKBRIEF
Vertrieb
tierte hier hörbar in Sachen Artikulationsklarheit. Allerdings lenkte diese Aufnahme die Aufmerksamkeit auf ein spezifisches kleines Manko im Zusammenspiel
mit dem Hörraum.
Während normale Wohnzimmer die Höhen etwas abdämpfen, sind im AUDIOHörraum schon die Mitten merklich bedämpft, weshalb die Höhen einen Hauch
überbetont wirkten, jedoch keineswegs
scharf oder unangenehm. Das war es
auch schon mit der negativen Kritik. Die
Neat ist sicher kein Sonderangebot, aber
ein akustisch wie haptisch hochwertiger
Freudenspender, der unseren deutschen
Klang-TÜV mit Bravour überstand und
den Stempel „künstlerisch wertvoll“
erhält.
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Fazit
Stefan Schickedanz
AUDIO-Mitarbeiter
www.
Listenpreis
Garantiezeit
Maße B x H x T
Gewicht
Furnier/Folie/Lack
Farben
Arbeitsprinzipien
Raumanpassung
Besonderheiten
Neat Acoustics
Ultimatum XL6
Input Audio
0 43 46 / 60 06 01
www.inputaudio.de
9980 Euro
4 Jahre
22 x 100 x 37 cm
34 kg
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Kirsche, Hochglanz Schwarz
2,5-Wege-Isobaric, Kalotte
plus EMIT-Superhochtöner
–
Bi-Wiring
AUDIOGRAMM
Boxen müssen gut klingen und
Armbanduhren die Zeit anzeigen.
Und doch gibt es Genießer, die
neben diesen Selbstverständlichkeiten in der Luxusklasse auch
noch auf die Form und die Ausführung sowie komplexe Details
Wert legen. Die XL6 ist das audiophile Pendant zu Jaeger Le Coultre oder Lange & Söhne. Dieser
kleine Unterschied macht aus einer sehr guten Box ein Kulturgut.
Å Sehr homogene Box mit
schönem Spielfluss, sehr
räumlich und relaxt.
ÍIn manchen Räumen wirken
die Höhen leicht überzeichnet.
Neutralität (2x)
Detailtreue (2x)
Ortbarkeit
Räumlichkeit
Feindynamik
Maximalpegel
Bassqualität
Basstiefe
Verarbeitung
klangurteil
Preis/Leistung
90
115
95
115
100
75
95
85
überragend
98 Punkte
gut
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