"Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum" (PDF, 299 kB )

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"Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum" (PDF, 299 kB )
LENTOS Kunstmuseum Linz
Presseunterlage
10 JAHRE LENTOS
Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum
DVR-Nummer 0002852
22. März bis 9. Juni 2013
LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1
Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at
Inhalt
Ausstellungsdaten …………………………………………………………………………..
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Pressetext ……………………………………………………………………………………
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Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm ……………………………………..
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Saalhefttexte
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Pressebilder ………………………………………………………………………………..
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Ausstellungsdaten
Ausstellungstitel
10 JAHRE LENTOS. Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum
Ausstellungsdauer 22. März bis 9. Juni 2013
Eröffnung
Donnerstag, 21. März 2013, 19 Uhr
Pressekonferenz
Donnerstag, 21. März 2013, 10 Uhr
Ausstellungsort
LENTOS Kunstmuseum Linz, gesamtes Obergeschoss
KuratorInnen
Stella Rollig, Elisabeth Nowak-Thaller, Brigitte Reutner, Nina Kirsch
sowie die KünstlerInnen EVA & ADELE, Maria Bussmann, Anetta
Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Gerwald Rockenschaub und Nasan Tur
Exponate
Mehr als 300 Exponate aus der LENTOS Sammlung
Unterstützung
Die Ausstellung wird von UNIQA unterstützt.
Saalhefte
Den BesucherInnen stehen zwei Saalhefte mit Informationen zu den
KünstlerInnen- und Kuratorinnenräumen und zu den Neuzugängen
zur Verfügung.
Web App
Das LENTOS bietet zur Ausstellung wieder ein mobiles Service für
Smartphones und Tablets an (plattform- und geräteunabhängig).
Einfach vor, während oder nach der Ausstellung unter
http://app.lentos.at zu erreichen.
Kontakt
Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600;
[email protected], www.lentos.at
Öffnungszeiten
Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr,
Mo geschlossen (außer 1.4. und 20.5.)
Eintritt
€ 8,-, ermäßigt € 6 / € 4,50
Pressekontakt
Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected]
GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz:
Stella Rollig, Direktorin LENTOS Kunstmuseum Linz und Kuratorin
Petra Eibel, UNIQA / Bereichsleitung Kunstversicherung
Elisabeth Nowak-Thaller, Brigitte Reutner, Nina Kirsch, Kuratorinnen
EVA & ADELE, Maria Bussmann, Nasan Tur, KünstlerInnen/KuratorInnen
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Pressetext
10 Jahre LENTOS: Grund zu feiern. Zum Jubiläum steht die Sammlung im
Mittelpunkt. Es erwartet Sie eine neue Präsentation der LENTOS Sammlung, ein
Streifzug durch die Kunstgeschichte, Freude am Wiedersehen, überraschende
Begegnungen.
Mit dem Erwerb der ersten hundert Kunstwerke legte die Stadt Linz im Jahr 1953 den
Grundstein zur Neuen Galerie der Stadt Linz, der Vorgängerinstitution des LENTOS.
Seither wurden die Bestände kontinuierlich um markante Positionen der jeweils
zeitgenössischen Kunst sowie um historische Nachkäufe erweitert. Das LENTOS verfügt
nun über eine Schatzkammer, die mit etwa 1.700 Gemälden und Skulpturen sowie rund
12.000 Grafiken und 1.200 Beispielen künstlerischer Fotografie reichhaltig bestückt ist.
In Wiederaufnahme des erfolgreichen und wegweisenden Projekts Aufmischen aus dem
Jahr 2007 hat das LENTOS zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, in fünf
Räumen ihre Präsentationen zu entwickeln. Das eigene Schaffen ist Ausgangspunkt zur
Auswahl aus der Sammlung. Kunsträume mit starken Werken, als Netz anschaulicher
Bezüge, ein Stelldichein von Wahlverwandten.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: EVA & ADELE, Maria Bussmann, Anetta Mona
Chişa & Lucia Tkáčová, Gerwald Rockenschaub und Nasan Tur.
In kleineren Kabinetten werden Schwerpunkte gesetzt, unter anderem auf selten gezeigte
Konvolute und wertvolle Schenkungen: darunter bedeutende Gemälde von 1880 bis zur
Gegenwart, Hauptwerke aus der Sammlung Gurlitt von Gustav Klimt, Oskar Kokoschka und
Lovis Corinth, rare Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert sowie historische Fotografien
aus den Anfängen dieser Technik. Eine monatlich wechselnde Schau stellt unter dem Titel
Zu schade für die Lade Entdeckungen aus dem Grafikdepot vor.
Der große Saal erweist sich als vielfältiger Überblick über das aktuelle, vor allem
österreichische Kunstschaffen. Hier werden Neuzugänge seit der Eröffnung des LENTOS
im Jahr 2003 präsentiert: darunter Gottfried Helnwein, Brigitte Kowanz, Markus Schinwald,
VALIE EXPORT, Dietmar Brehm oder Béatrice Dreux – Bekanntes, Entdeckungen und
Empfehlungen für morgen.
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Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm
ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN
Dauer 1 Stunde, € 3,- zuzügl. Eintritt. Keine Anmeldung erforderlich.
Die TeilnehmerInnenanzahl ist begrenzt.
Immer sonntags, 16 Uhr
Immer donnerstags, 19 Uhr
10 JAHRE LENTOS & JASON DODGE. Kombinierte Führung durch beide Ausstellungen
Jeden 1. Samstag im Monat, 16 Uhr
Blitzlichtführung auf Englisch und Tschechisch
GRUPPENFÜHRUNGEN
gegen Voranmeldung
Blitzlichtführung: Dauer 30 Minuten, € 45,- zuzügl. Eintritt, max. 25 TeilnehmerInnen
Führung: Dauer 1 Stunde, € 65,- zuzüglich Eintritt, max. 25 TeilnehmerInnen
Führung mit dem chinesischen Korb: Dauer 1,5 Stunden, € 90,-, max. 15
TeilnehmerInnen
SCHULE & MUSEUM
SchülerInnenführungen
Eintritt frei für SchülerInnen im Klassenverband, max. 15 TeilnehmerInnen
alle Alterstufen, Dauer 1 Stunde, € 35,SchülerInnenführungen mit dem chinesischen Korb
ab Unterstufe, Dauer 1,5 Stunden, € 45,Improve your English. SchülerInnenführungen nach Sprachlevels
alle Altersstufen, Dauer 1 Stunde, € 35,Workshops
alle Altersstufen, Dauer 2 Stunden, € 5,- pro TeilnehmerIn, max. 15 TeilnehmerInnen
Das ausführliche Workshop-Programm finden Sie im Kunstvermittlungsund Veranstaltungsprogramm oder auf www.lentos.at
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KINDER & FAMILIE
Fr 12. Juli, 18–24 Uhr
Nacht der Familie. Näheres auf www.lentos.at
Inspektor LENTOS´ Rätselkiste
Die ganze Familie folgt den Spuren eines Tatverdächtigen im Museum.
Spannend für Familien mit Kindern ab 4 Jahren. In Kooperation mit Koh-I-Noor
Los Lentoniños
Ein monatlich wechselndes Programm im Museum, speziell für 4–5 jährige Kinder
Jeden zweiten Samstag im Monat von 15–16.30 Uhr
Für Kindergartengruppen ist das Programm zu gewünschten Terminen buchbar.
Dauer 1,5 Stunden, € 4,- pro Kind
ANMELDUNG
Teleservice Center der Stadt Linz an unter T 0732.7070
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Saalhefttexte
KünstlerInnen und Kuratorinnen bespielen elf Räume.
Einleitung
Ein Streifzug durch die Sammlung: In Wiederaufnahme des erfolgreichen und
wegweisenden Projekts Aufmischen aus dem Jahr 2007 hat das LENTOS
zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, in fünf Räumen neue
Präsentationen zu entwickeln. Das eigene Schaffen ist der Ausgangspunkt zur Auswahl
aus der Sammlung.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: EVA & ADELE, Maria Bussmann, Anetta Mona
Chişa & Lucia Tkáčová, Gerwald Rockenschaub und Nasan Tur.
In kleineren Kabinetten wird besonderen Aspekten der Sammlung Raum gegeben: dazu
zählen u. a. bedeutende Gemälde von 1880 bis zur Gegenwart, rare Zeichnungen aus
dem 18. Jahrhundert, historische Fotografien aus den Anfängen dieser Technik, Pop Art
und konstruktivistische Tendenzen.
Kuratorinnen: Stella Rollig, Elisabeth Nowak-Thaller, Brigitte Reutner, Nina Kirsch
Raum 1
Der Ursprung der Sammlung
Die verfolgte Avantgarde
Im November 1946 übergibt der Berliner Kunsthändler Wolfgang Gurlitt (1888–1965)
seine private Kunstsammlung als Leihgabe an die Linzer Stadtverwaltung und leitet mit
Enthusiasmus und Sachkenntnis den Aufbau der Neuen Galerie der Stadt Linz. Die
erste, Alfred Kubin gewidmete Sonderausstellung findet im Juni 1947 statt. 1951
organisiert Gurlitt u. a. eine als Sensation wahrgenommene Oskar-KokoschkaAusstellung.
1953 wird der Grundstock der Neuen Galerie und des heutigen LENTOS Kunstmuseum
– 84 Gemälde und 33 Grafiken – aus dem Besitz von Wolfgang Gurlitt von der Stadt Linz
erworben.
Viele der heute hoch gerühmten „Klassiker“ Lovis Corinth, Karl Hofer, Emil Nolde, Oskar
Kokoschka oder Otto Müller wurden vom nationalsozialistischen Regime als „entartete
Künstler“ diffamiert. Ihre Werke wurden ab 1937 aus deutschen Museen und
Sammlungen beschlagnahmt und über den Kunsthandel oder Auktionshäuser
versteigert. Diese Maler zählten noch Anfang der 1950er Jahre zur verfolgten, kaum
geschätzten Avantgarde.
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Mit der Sammlung Gurlitt als Grundstock betreut das LENTOS ein ebenso glanzvolles
wie zum Teil problematisches Erbe. Als Kunsthändler auch während der
nationalsozialistischen Diktatur aktiv, kaufte Gurlitt Werke sowohl von jüdischen
SammlerInnen, die aufgrund rassischer Verfolgung zur Veräußerung ihres Besitzes
gezwungen waren, als auch solche der sogenannten „entarteten Kunst“ auf Auktionen.
Bis heute ist die Rolle Gurlitts Gegenstand kontroversieller Darstellungen.
Gilt er den einen als Freund der Kunst, der jüdischen SammlerInnen mit dem Ankauf
ihrer Kunstwerke behilflich war, sehen andere in ihm einen Nutznießer des
Unrechtsregimes.
Das LENTOS ist mittels kontinuierlicher Provenienzforschung intensiv bestrebt, die
Herkunft jedes Werks aus der Sammlung Gurlitt aufzuklären und unrechtmäßigen Besitz
zu restituieren. Seit 2003 sind mehrere Werke restituiert worden. Die
Herkunftsgeschichte von beschlagnahmten Werken, mit denen Wolfgang Gurlitt während
des Zweiten Weltkriegs handelte, wurde mehrfach in Ausstellungen thematisiert und in
Sammlungsbeschriftungen und Publikationen veröffentlicht.
Raum 2
Sehnsucht nach Arkadien
… Nie wird euch mein Auge wiedersehen,
Doch ein Hauch wird lispelnd zu euch wehen:
„Ich, auch ich war in Arkadien“ (Johann Gottfried Herder)
Im Zuge seiner Italienischen Reise kam Johann Wolfgang von Goethe 1786 nach Rom.
In einem Brief an Charlotte von Stein erwähnt er „Palläste und Ruinen, Gärten und
Wildniß, Fernen und Engen, Haüsgen, Ställe, Triumphbögen und Säulen“. In Tivoli ließ
sich der berühmte Dichter von seinem Landsmann Jakob Philipp Hackert in das Fach
der Landschaftsmalerei einweisen.
Arkadien ist eine Landschaft auf der griechischen Halbinsel Peloponnes. Ihr Name
wurde mit einer idealtypischen Hirtenwelt verbunden. Der Mythos wurde von Vergil in
seinen Bucolica, einer Sammlung von Hirtengedichten, zwischen 43 und 39 v. Chr.
erschaffen. Diese Hirtenwelt steht ganz unter dem Zeichen einer alles bestimmenden
Liebessehnsucht, die bis zum Tod reicht. Im 18. Jahrhundert. wird das Todesmotiv durch
eine allgemein gehaltene Ruinenmetapher ersetzt, wie Goethe und Hackert sie
illustrieren. Auch die Grafik Rudolf Schicks zeigt ein verfallendes Gebäude im Park der
römischen Villa Doria Pamphili.
Mit Romako, Menzel und Siewert schreiten wir vom dezenten Hinweis zur allegorischen
Darstellung des Todes weiter. Anton Romakos Herbst und Winter kreist um Fülle und
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Vergänglichkeit. Adolf Menzels Chronos übergibt dem Todesengel bereits die Sense. In
Clara Siewerts Mädchen mit Tod wird die Schöne schon in jungen Jahren vom
Knochenmann hinweggerafft.
Zu schade für die Lade
Entdeckungen aus dem Grafikdepot
Im Depot des LENTOS werden mehr als 10.000 Grafiken sorgsam verwahrt. Die
Ausstellung Zu schade für die Lade. Entdeckungen aus dem Grafikdepot zeigt jeden
Monat abwechselnd vier bis fünf besonders wertvolle Grafiken. Begleitet wird diese
Präsentation von einer umfangreichen Dokumentation zu den einzelnen Werken,
KünstlerInnen und Techniken auf der LENTOS Website.
In den Bereich Grafik fallen alle künstlerischen Arbeiten auf Papier, wie z. B.
Handzeichnungen, Holzschnitte, Lithografien, Radierungen, Linolschnitte und
Siebdrucke.
Beginnend mit einer Lithografie Honoré Daumiers aus dem Jahr 1845 spannt sich der
Bogen der Ausstellung quer durch das 19., 20. bis zum beginnenden 21. Jahrhundert.
Die Auswahl beinhaltet u. a. Werke von Henri de Toulouse-Lautrec, Alfred Kubin, Gustav
Klimt, Käthe Kollwitz, Ernst Ludwig Kirchner, Erika Giovanna Klien, Klemens Brosch,
Herbert Bayer, Karl Schmidt-Rottluff, Vilma Eckl, Maria Lassnig, Alfred Hrdlicka, Andy
Warhol, Pablo Picasso, Bruno Gironcoli, Birgit Jürgenssen, Edgar Honetschläger sowie
Ulrike Lienbacher.
Mit der Präsentation von Carola Dertnigs Collagebild Dance Report – L. A. Report geht
im Februar 2014 ein Jahr der spannenden Neuentdeckungen aus dem Grafikdepot zu
Ende.
Raum 3
EVA & ADELE
Zwei
„Alle Welt“ kennt EVA & ADELE, das extravagante Berliner Künstlerpaar, das seit 1991
mit seinen Performances den Großereignissen der internationalen Kunstwelt ein
Glanzlicht aufsetzt: unübersehbar, funkelnd, attraktiv. EVA & ADELE mit ihren Slogans
„Coming out of the future“, „Wherever we are is museum“ sind Selbsterfindung und inszenierung, Live-Act und lebendes Kunstwerk.
Mit dem Titel Zwei haben EVA & ADELE nun einen Sammlungsraum konzipiert, in dem
schräge Künstlerpaarungen spannende Dialoge führen. Alte und neue Klassiker werden
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zu hintergründigen Kombinationen vereint. Überraschende Korrespondenzen und Echos
finden sich ebenso wie dämonische, leidgeprüfte Gesichter von Paul Kranzler, Othmar
Zechyr und Pirmin Blum oder Holzköpfe, die als rituelle Helme fungieren. Klimts
unvollendetes Frauenbildnis wirkt maskenhaft und kühl. Wir wissen nichts über die
Porträtierte, hingegen erzählt das männliche Pendant von Richard Hamilton, Finn
MacCool, eine umfassende Legende. Der irische Riese und keltische Krieger gastiert
zwischen geheimnisvollen Linienbildern von Maria Lassnig. Eine leuchtende Innenfläche
umrahmt von bunten Linien wird zum Körper. Hockt hier ein Monster? Als bezaubernde
Wesen mit universalem Globus schweben EVA & ADELE in geflügelter Gestalt im
Wohnzimmer, Garten, Reihenhaus.
Erstmalig gezeigt wird das vom LENTOS Förderverein 2013 angekaufte 25-teilige Family
Portrait, eine Komposition von Fotoarbeiten, die EVA & ADELE als schillernde
Flügelwesen – im kraftvollen doch zarten Duett – in Begleitung von SammlerInnen und
FreundInnen zeigt. Stringenz und Humor, die abstrakte Symbolsprache der
ausgewählten Skulpturen, die rätselhafte Fülle der Fotografien, Gemälde und
Zeichnungen, viele Porträts und das wiederkehrende Konterfei von EVA & ADELE
demonstrieren Verwandtschaft und Gleichklang, aber auch Disparatheit und
Individualität.
Raum 4
Stein und Bein
Stein und Bein schwören – in archaischen Zeiten wurden wichtige Zeugnisse mit einem
Schwur auf einen heidnischen (Altar)stein sowie auf die Reliquien von Heiligen
abgesichert. Stein und Bein bedeutet in unserem Kontext eine Gegenüberstellung von
Fotomotiven mit unterschiedlichen Anschauungsqualitäten: lebendige oder tote Materie?
Bilddokumentation versus künstlerische Fotografie
William Henry Fox Talbot begann bereits 1834 mit fotografischen Versuchen. Sein mit
Gotisches Portal betiteltes Bild zählt zu den ältesten Fotografien der LENTOS
Sammlung. Roger Fentons 1856 entstandene Aufnahme der Stadt Sebastopol
entstammt einer Serie über den Krimkrieg. Sie zählt zu den ältesten visuell
dokumentierten Kriegsberichten der Weltgeschichte. Die Erfindung der billigen, leicht
transportablen Kodak-Rollfilmkamera eröffnete den Fotografen ab 1888 neue
Möglichkeiten. Die Fotografie trat nun in Konkurrenz zur Malerei. Piktoralisten wie Oscar
Gustav Reijlander und Julia Margaret Cameron sahen den Kunstcharakter einer
Fotografie als oberste Priorität.
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Der Bildjournalismus der 1950er und 1960er Jahre wiederum ließ das Foto zum
zeitgeschichtlichen Dokument werden. Erich Lessing und Inge Morath schossen ihre
Bilder für die renommierte Fotoagentur MAGNUM, die ihrerseits Zeitschriften wie Life,
Vue, Stern damit belieferten. VALIE EXPORTs Film Selbstportrait mit Kopf kombiniert
schließlich beides – Stein und Bein – und schließt damit den Kreis um die Diskussion
von Wirklichkeitsbildern.
Raum 5
Zeichen für die Ewigkeit
Was haben Erika Roessing, Kolo Moser, Andjé, Birgit Jürgenssen, Alex Katz und
Dorothee Golz gemeinsam? Es sind KünstlerInnen, die dank großzügiger Stiftungen in
die Sammlung des LENTOS Eingang gefunden haben. Schon die Gründung der Neuen
Galerie (Vorgängerinstitution des LENTOS) beruht auf einer privaten Initiative. Auf
Engagement des Berliner Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt kam es 1952 zu ersten
Museumsschenkungen und weitere Zuwendungen sollten folgen. Doch Gönner, Stifter,
Wohltäter oder Förderer – bleiben meist dezent im Hintergrund: jene Menschen, die
durch ihre Großzügigkeit den Museen helfen, Sammlungslücken zu schließen oder ihre
Bestände zu erweitern.
Anlässlich unseres Jubiläums und angesichts knapper Etats und rasant steigender
Kunstmarktpreise sind Sammlungen vermehrt auf Mäzenatentum angewiesen. Mit
besonderem Engagement vermochten Förderer der ersten Stunde, Mag.a Maria und
Mag. Gerald Fischer-Colbrie, Norli und Dr. Hellmut Czerny, Greta und Dr. Gert Humer
und der 1985 gegründete Verein der LENTOS Freunde über Jahrzehnte hindurch das
Museum durch umfassende Schenkungen zu bereichern.
Was veranlasst Privatpersonen Museen zu helfen? Es ist die Kunstbegeisterung eines
großzügigen Menschen, gepaart mit dem Wunsch ein Vermächtnis für die Allgemeinheit
– ein Zeichen für die Ewigkeit – zu setzen. Auf potenzielle Förderer zuzugehen und
Kontakte zu pflegen, zählt zu den vornehmsten und erfreulichsten Aufgaben eines
Museums. Bis heute wachsen die Bestände durch Stiftungen zeitgenössischer
KünstlerInnen, Banken, Versicherungen, Industriebetriebe und Privatpersonen
idealerweise in Absprache mit MuseumsdirektorInnen und SammlungsleiterInnen: zu
den jüngsten Schenkungen gehören die Stiftungen von Uta Scherb und Gerald FischerColbrie, beide langjährige FreundInnen und treue BegleiterInnen des LENTOS.
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Raum 6
Maria Bussmann
Von Vögeln und Ratten
Von Vögeln und Ratten – das könnte der Titel einer Erzählung oder einer KunstWanderung sein. Sie spielt im Sommer und im Süden, am Rand einer Millionenstadt, da
wo Wohnblocks und Felder sich berühren, wo Straßen in Wendeplätzen und
Sackgassen enden, Zivilisation auf mehr oder weniger kultivierte Natur trifft,
Schutthaufen und Autowracks von Unkraut überwuchert werden. Man könnte dort Lois
und Franziska Weinberger beim Sammeln von Ruderalien begegnen oder ertappt sich
selber beim Abrupfen Gironcoli‘scher Ähren, wären diese nur nicht 1,60 m hoch und aus
Aluminium.
Vielleicht beschränkt sich die Spaziergängerin aber auch darauf, die Zukunft aus dem
Flug der Vögel am Himmel zu lesen, oder die Löcher der Ratten am Boden zu zählen?
Von oben nach unten und umgekehrt geht dieser Weg, divergierend zwischen Schönheit
und Hässlichkeit, Licht und Schatten. Kultur und deren Übersetzungen. (Maria
Bussmann)
Maria Bussmann ist Künstlerin. Sie ist außerdem promovierte Philosophin. Die
Verbindung von Zeichnung und Philosophie entwickelt sie seit Jahren zu ihrem Thema.
Sie arbeitet immer wieder als Kuratorin (MAK) und in der kunsttheoretischen Lehre, lebt
in Wien und New York.
Raum 7
Geometrie trifft Poesie
Nach dem Zweiten Weltkrieg beherrscht die abstrakte Malerei die Kunstwelt. Vorreiter
sind die USA, wo viele Impulse aus Europa aufgenommen und neu interpretiert werden.
Neben der gestisch-expressiven und lyrischen Variante mit Zentrum Paris nimmt die
geometrische Abstraktion international einen hohen Rang ein.
Reine Farben als Ausdruck „reiner Empfindung“ finden sich in der Avantgarde bei Piet
Mondrian, am Bauhaus bei Lászlo Moholy-Nagy, Josef Albers, Wassily Kandinsky oder
Herbert Bayer. Mit geometrischen Formen löst Kasimir Malewitsch bereits um 1915 im
Suprematismus die Farbe radikal vom Gegenstand. Geordnete Strukturen, innere
Klarheit und logische Gesetzmäßigkeiten prägen diese Kunst, die in Europa und in den
USA weiterentwickelt wird: aus dem niederländischen Konstruktivismus entsteht
in den 1960er Jahren die Op Art, die mit der optischen Wahrnehmung der
BetrachterInnen spielt.
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Quadrate, Kreise, Ellipsen, Drei- und Vierecke werden konstruiert und geordnet auf
Leinwand und Papier gesetzt. Schlicht reduziert auf Schwarz-Weiß, wie bei Hildegard
und Harold Joos, nach dem Farbkreisprinzip mathematisch organisiert, wie bei Herbert
Bayer, Josef Albers und Andrew Molles, oder als Zirkelspiel mit Komplementärfarben
komponiert, wie bei Nino di Salvatore. Helmuth Gsöllpointner und Donald Judd
verwandeln die geometrischen Formen in die dritte Dimension.
Geometrie kann mehr sein als nur Ordnung und Strenge. Sie kann sich drehen,
bewegen und fort tragen. Sie kann Leichtigkeit, Räumlichkeit und Bewegung
vortäuschen.
Raum 8
Red-Yellow-Blue... POP
Blickte man nach dem Zweiten Weltkrieg gespannt nach Paris, gebührt in den 1960er
Jahren New York die künstlerische Vormachtstellung. Die dort erfolgreiche Pop Art war
mehr als nur gegenständliche Malerei: Sie war laut, bunt, schrill, plakativ, und leicht
verständlich. Sie fand in Musik, Werbung, Mode, Tanz, Film und Design Eingang und
wurde zum Synonym der Selbstverwirklichung einer neuen Generation. In einer Zeit des
Aufbruchs wurden Alltägliches, Banales, die Medien-, Konsumgesellschaft, sogar
Comics wichtige Inspirationsquellen dieser Großstadtkunst.
Die Karriere vieler großer Pop-Künstler begann mit Werbung und Zeichnung. Andy
Warhol arbeitete als Werbegrafiker, Robert Rauschenberg und Allen Jones waren
Schaufensterdekorateure, James Rosenquist hat als Plakatmaler sein Geld verdient.
Und Keith Haring startete seine steile Karriere im Underground als Graffiti-Künstler.
Warhols Marilyn-Serie, für die ein Still des 1953 gedrehten Film Niagara als
Ausgangsfoto diente, wurde ebenso zur Ikone wie seine Mao-Reihe, für die wiederum
ein offizielles Staatsfoto als Vorlage fungierte. Ebenfalls Markenzeichen wurden
Lichtensteins Rasterpunkte oder Keith Harings Strahlenbabys, -hunde und
Strichmännchen.
Die Abstraktion als Weltsprache der Kunst gehörte schlagartig der Vergangenheit an.
„Wie man der Abstraktion ein Schnippchen schlägt“, beweist Lichtensteins farblich
reduzierter Spiegel. In keinem seiner 50 Spiegelbilder erscheint tatsächlich eine
menschliche Figur. Aber auch Mao, Marilyn und Martin bleiben grellbunte, leere Masken.
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Raum 9
Gerwald Rockenschaub
Bouncing Ball
Gerwald Rockenschaub wählte Exponate indigener Völker Afrikas aus der LENTOS
Sammlung aus und stellt diese seinen eigenen Folienbildern gegenüber. Das
vielschichtige Ensemble kann rein formal als Konzept im Raum betrachtet werden.
Anders als in der zeitgenössischen Kunst, ist der/die UrheberIn ethnologischer Objekte
zumeist unbekannt. Es lassen sich somit Überlegungen zum Schöpfermythos und dem
Umgang mit Bildwerken anstellen. Es geht um Kunst und Kult, Gegenständlichkeit und
Abstraktion sowie Bildbetrachtung und -verehrung.
Rockenschaub zählt zu den international renommiertesten Künstlern Österreichs und ist
zugleich als Musiker und DJ tätig. Musik ist Teil seines kulturellen Hintergrunds, vor dem
ein komplexes bildnerisches Werk entstanden ist. Es reicht von geometrisch
konstruierten Ölbildern der frühen 1980er Jahre, über maschinell gefertigte
Plexiglasplatten, riesige aufblasbare PVC-Objekte bis hin zu computergenerierten
Animationen, Folienbildern, Objekten und Skulpturen.
1993 bespielte Gerwald Rockenschaub mit Andrea Fraser und Christian Philipp Müller
den Österreichischen Pavillon der Biennale von Venedig. 2007 war er auf der documenta
12 mit mehreren Arbeiten vertreten.
Raum 10
Nasan Tur
In der Dresdner Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR
waren bis zum Jahr 1989 zwischen 12.000 und 15.000 politische Häftlinge
untergebracht. Dieses Gefängnis war spezialisiert für politische Häftlinge und
Regimekritiker. Als Gedenkstätte steht dieser Erinnerungsort heute interessierten
BesucherInnen offen. Sie ist die einzige noch im Original erhaltene und zugängliche
Untersuchungshaftanstalt der „Stasi“ in Sachsen.
Nasan Tur hat sich mit der dunklen Geschichte dieser Institution beschäftigt. Als
Ergebnis entstand die fotografische Serie Bautzner Straße (2009), benannt nach der
Adresse der Haftanstalt. Diese Arbeit wird hier in einem Raum-im-Raum gezeigt, welcher
der Größe einer Zelle entspricht. Auf den ersten Blick identisch, zeigen die Fotos 15
Zellentüren: gleichförmig, abweisend, brutal. Die Regeln für Häftlinge gewährten eine
Stunde Ausgang pro Tag. Der Außenbereich war von hohen Mauern umgeben und
überdacht, so dass die Gefangenen nie die Möglichkeit hatten, den Himmel zu sehen.
Dieses Leid ruft Tur ins Gedächtnis und stellt damit gültige Fragen über das Strafrecht.
Seite 14
Nasan Tur, geboren 1974, stammt aus Offenbach und lebt und arbeitet heute in Berlin.
Als Konzeptkünstler interessieren ihn Lebensbedingungen und Handlungsmöglichkeiten
von Menschen in unterschiedlichen Kulturen und politischen Systemen. Zu seiner
Auswahl aus der Sammlung des LENTOS sagt er: „Ich wählte Kunstwerke, die eine
gewisse Weite der Landschaft zeigen, die so etwas wie Sehnsucht nach Freiheit
symbolisieren können.“
Raum 11
Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová
Why like the door knob, is there a blonde?
It meaning that everyone obtains revolution.
Der seltsame Text aus Neonbuchstaben war ursprünglich ein Blondinenwitz. Anetta
Mona Chişa & Lucia Tkáčová übersetzten den Witz mit Hilfe von Google ins Japanische
und wieder zurück. Das Übersetzungsprogramm warf dieses Satzgebilde aus. Nicht nur
der Witz geht verloren, sondern auch die frauenfeindliche Aussage.
Das Neon-Schriftbild ist der Ausgangspunkt des Raumkonzepts beider Künstlerinnen. In
ihrer Arbeit nehmen Untersuchungen von gesellschaftlichen Phänomenen, wie
Geschlechter- und Machtverhältnisse, eine zentrale Rolle ein.
Betitelt ist die Arbeit ironischerweise mit Haiku, einer komplexen japanischen
Gedichtform. Kombiniert haben sie die Künstlerinnen mit Werken aus der Sammlung, die
auf der Auseinandersetzung mit Text bzw. Sprache und dem Blondinen-Klischee
beruhen.
Das Kreuzworträtsel von Daniel Spoerri ist dem Neon-Haiku verwandt; beide Werke
spielen mit der Bedeutung von Worten und deren Position im Satzgefüge. Kutlug Ataman
dagegen schreibt 35 Shakespeare-Stücke übereinander, wodurch sie unleserlich und
ihrer Aura beraubt werden. Auch VALIE EXPORT rückt mit ihrem Fingergedicht Sprache
und ihre Funktion in den Mittelpunkt. Ausgewählt wurde außerdem ein Billboard von
Marlene Haring, auf dem die Künstlerin extrem behaart zu sehen ist. Eine
Ganzkörperblondine?
Gemein ist all diesen Werken die Idee, dass die Bedeutung von Wörtern und Bildern nur
in unseren Köpfen existiert. Der Begriff Blondine beinhaltet viel mehr als die bloße
Bezeichnung einer blonden Frau. Werden Sätze und Bilder nur leicht abgeändert,
verlieren sie für uns die gewohnte Bedeutung.
Chişa und Tkáčová arbeiten seit 2000 zusammen. Sie leben in Berlin und Prag. 2011
bespielten sie den rumänischen Pavillon auf der Biennale in Venedig.
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Die Neuzugänge / Großer Saal
Einleitung
Die Bestände des LENTOS werden kontinuierlich um markante Positionen der
zeitgenössischen Kunst erweitert. Innerhalb der Sammlungsausstellung zum Jubiläum
bietet der große Saal einen vielfältigen Überblick über das aktuelle, vor allem
österreichische Kunstschaffen der letzten Dekade. Es wird eine Auswahl an
Neuzugängen (Ankäufe und Schenkungen) seit der Eröffnung des LENTOS im Jahr
2003 präsentiert: darunter VALIE EXPORT, Markus Schinwald, Vanessa Jane Phaff,
Ralo Mayer und Kutlug Ataman.
Zu Themenkreisen wie „Ökonomie und Politik“, „Körper im Raum“ oder „Individuum und
Handlungsspielraum“ fi nden Sie Werke von KünstlerInnen, die Sie vielleicht schon
kennen, aber auch solche, die Entdeckungen oder Empfehlungen für morgen sind.
Das Saalheft der Kunstvermittlung bietet, alphabetisch nach Künstlernamen geordnet,
einen Kommentar zu einigen ausgewählten Werken der bei der individuellen
Annäherung als Unterstützung dienen soll.
Kutlug Ataman
geb. 1961 in Istanbul; lebt in Istanbul
Strange Space (Stills), 2009
Die Fotoserie geht auf eine Performance Atamans zurück, die auch auf Video
aufgezeichnet wurde. Der Künstler und Filmemacher verband sich die Augen und
bewegte sich barfuss durch diese Wüstenlandschaft in die Unendlichkeit, wie er selbst
äußerte. Auf poetische Weise und ganz unmittelbar näherte er sich bei einem Besuch
seinem Heimatland Anatolien an und wählte dafür ein geschichtsträchtiges Gebiet am
Fuße des Ararat.
Ataman versteht sich als Europäer. Sein OEuvre kreist stets um die Brüche zwischen
dem „Eigenen“ und dem „Fremden“. Die Arbeit gehört zur Serie Mesopotamische
Erzählungen. 2009 fand die gleichnamige Ausstellung im LENTOS statt, anlässlich der
die Filmstills erworben wurden. Ein altes mesopotamisches Märchen, in dem ein Held
blind aus Liebe zu seiner Auserwählten durch die Wüste wandelt, inspirierte Ataman zu
dieser Aktion.
Sabine Bitter & Helmut Weber
leben in Wien und Vancouver
Super Citizens, 2005
Demonstrierende Menschen in Städten, die nur in Architekturumrissen zu erkennen sind:
Wer steht hier hierarchisch höher? Mensch oder Architektur? Wie verhält es sich mit
gegenseitigen Abhängigkeiten?
Seite 16
Bitter und Weber beschäftigen sich mit der Transformation des Stadtraums.
Städtebauliche Veränderungen, wie z. B. in Caracas, haben ihren Ursprung in
politischen und privaten Initiativen. Prägte in den 1950er Jahren die Diktatur unter
Marcos Pérez Jiménez das Stadtbild, verbinden sich heute Reformprojekte der
Regierung Hugo Chávez mit Demokratisierungsprojekten von unten. Die GebäudeUmrisse sind Referenzen auf utopische Architekturzeichnungen aus den 1960er Jahren,
die seinerzeit für Entwicklung und Fortschritt standen. Ergänzt wird die Fotoarbeit zu
Caracas mit einer Fotografie einer Demonstration in Wien.
Beide wurden 2007 für das LENTOS erworben und sind Ausdruck der Frage, inwieweit
architektonische Programme überhaupt gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen
können.
Dorothee Golz
geb. 1960 in Mühlheim an der Ruhr, Deutschland; lebt in Wien
Lebensentwurf, 2004
Wie eine unfertige Zeichnung im Raum wirken der angedeutete Tisch und der
zugehörige Stuhl aus Eisen. Es gibt keine Tischplatte und das Geschirr ist aus Polyester.
Wie sollte man davon essen oder trinken? Lebensentwurf nennt die Bildhauerin dieses
Werk, bei dem bekannte Gegenstände aus dem Alltag zum Symbol geworden sind.
Symbol für ein gescheitertes Lebenskonzept möglicherweise. Arbeiten wie diese „sind oft
Ausdruck einer Hoffnung und bergen das Scheitern in sich“ 1, so äußert sich Golz selbst
dazu. Auch eine besondere Auffassung von Raum lässt sich aus der Arbeit herauslesen:
„Der Raum antwortet uns (…) mit dem, was uns die Dinge eingeben“, davon ist die
Künstlerin überzeugt. Eigentlich vertraute Gegenstände werden zur surrealen Bühne.
Was aber auf dieser passiert, ob es um verdrängte häusliche Konflikte geht oder die
Schwierigkeit oder das Bedürfnis, sich mitzuteilen, bestimmen die ZuschauerInnen.
Golz war 1997 auf der Documenta X in Kassel vertreten. Lebensentwurf wurde 2006 mit
Mitteln der Galerienförderung des Bundes erworben.
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Ausst. Kat. Dorothee Golz, Arbeiten 1995-2005, gugler forum melk (hrsg./ed.), Melk
2007, nicht paginiert
Jack Hauser
geb. 1958 in Horn; lebt in Wien
Bilder aus der Wohnung Miryam van Doren. Carte de Tendre, 1999–2007
Hausers collagiertes Tableau zeigt unter anderem Landkarten, Tafelbilder, Zeitungen,
Plattencovers und Fotografien. Der Titel verrät, dies alles stammt aus der Wohnung
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einer Miryam van Doren. Wer kann das sein? Es ist eine fiktive Figur, ersonnen vom
Künstler, der gerne in verschiedene Rollen schlüpft, um die eigene Autorenschaft zu
unterwandern. Dadurch ergeben sich für den Künstler Freiräume und es entstehen
Dialoge zwischen ihm und der erdachten Figur. Eine Carte de Tendre, was soviel wie
„eine Landkarte des Reichs der Liebe“ bedeutet, wird über die Wand ausgebreitet. Die
Filmdosenschachtel transportiert Kleidungsstücke, Gaben und Geheimnisse zu den
Tafelbildern der Carte de Tendre. Mittels einer zweiten Beigabe, einer Schachtel von
Elke Silvia Krystufek, schickt Hauser die Künstlerfreundin als „Agentin“ ins Feld des
hemmungslosen Storytelling.
Hausers Wunsch ist es, die Trennung zwischen Atelier, Wohnung und Museum in Frage
zu stellen und dabei „eine Art Magie ins Spiel zu bringen“. Die Arbeit wurde dem
LENTOS 2012 vom Künstler geschenkt.
Julie Hayward
geb. 1968 in Salzburg; lebt in Wien
Sublimator, 2003
Wie eine Laborsituation, eine Maschine oder ein merkwürdiges Wesen wirkt dieses
Kunstwerk. Die raumgreifende Skulptur konfrontiert uns mit hartem Material in Weiß und
weichem Material in Rot. Sublimator lautet ihr Titel. Unter „Sublimation“ oder
„Sublimierung“ verstand Sigmund Freud die Umlenkung von Triebwünschen in eine
geistige Leistung oder eine kulturell anerkannte Verhaltensweise. In der Thermodynamik
dagegen wird unter denselben Begriffen der Prozess des Übergangs eines Stoffs vom
festen in den gasförmigen Aggregatzustand verstanden.
Aber wird hier überhaupt ein psychischer oder physikalischer Vorgang beschrieben? In
jedem Fall handelt es sich bei Sublimator um eine „Emotionsskulptur“2. Sie entstand
spontan zunächst als Zeichnung und ermöglicht BetrachterInnen einen unerschöpflichen
Assoziationsspielraum. Sublimator wurde 2005 mit Mitteln der Galerienförderung des
Bundeskanzleramtes erworben.
Ralo Mayer
geb. 1976 in Eisenstadt; lebt in Wien
Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE, 2011
Ein Astronautenanzug und ein Video erzählen vom NASA-Space-Shuttle. Es wurde
Ende der 1960er Jahre als Transportraumschiff gebaut, um Frachten zwischen der Erde
und den Weltraumkolonien zu befördern. Die Weltraumkolonien wurden nie realisiert;
trotzdem wurde das Space Shuttle bis 2011 über hundert Mal ins All geschickt. Den
Astronautenanzug, hier zwischen Plexiglas geklemmt, ließ der Künstler nach OriginalSeite 18
Vorbildern nachschneidern. Das Video, das sich im Plexiglas spiegelt, zeigt gefundenes
NASA-Videomaterial, welches Mayer neu montierte.
Die Arbeit wurde anlässlich der gleichnamigen Ausstellung Obviously a major
malfunction / KAGO KAGO KAGO BE (2011 im LENTOS, zugleich Preis der Triennale
Linz 1.0) erworben. Im Titel, der wie eine Beschwörungsformel klingt, nimmt Mayer auf
den Begriff „Kago“ Bezug. Dieser geht auf die Cargo-Kulte in Melanesien zurück. Nach
dem Ende der Besatzung durch die US-Armee baute die Inselbevölkerung Cargo
(Frachtgut), wie z. B. Funkgeräte, aus Holz nach. Dadurch verarbeitete sie die
traumatische Begegnung mit der westlichen Zivilisation.
Ursula Mayer
geb. 1970 in Oberösterreich; lebt in London
Trilogy (Portland Place 33, Keeling House, Villa Mairea), 2006
Loops, jeweils 3 Minuten
Es gibt in diesen drei Filmen keine Handlung. Dieselbe Frau durchwandert, verfolgt von
der Kamera, Räume an unterschiedlichen Orten: In Keeling House einen pavillonartigen
Vorbau eines brutalistischen Wohnblocks aus den 1950er Jahren in London. In Portland
Place 33 ein von Robert Adam errichtetes viktorianisches Stadthaus aus dem 18.
Jahrhundert, ebenfalls in London. In Villa Mairea ein von Alvar Aalto realisiertes Haus in
Finnland. Die Frau spiegelt sich in Oberflächen, benutzt unterschiedliche Türen, Möbel
und Treppen. Die zugehörige Tonspur ist minimalistisch: Sanfte Musik,
Wassergeplätscher, ein knisternder Kamin oder Vogelzwitschern hie und da. Langsame
Kamerafahrten, das Spiel mit dem Licht oder das Verweilen auf Motiven lassen
Darstellerin, Architektur und Gegenstände bedeutsam erscheinen. Als Ausdruck ihrer
feministischen Haltung weist Mayer in ihren Filmen ausschließlich Frauen die
Hauptrollen zu. Die Frage nach individuellen Handlungsräumen in vorgegebener
Architektur steht hier im Zentrum. Trilogy wurde 2007 anlässlich einer Einzelausstellung
der Künstlerin angekauft.
Vanessa Jane Phaff
geb. 1965 in Tarleton, England; lebt in Rotterdam
Lisa, Here is Lisa, 2005
Will sich dieses Mädchen seiner selbst vergewissern? Es schreibt „Hier ist Lisa“ und sagt
damit: „Ja, ich bin auf der Welt.“ Das hier kann aber kein Kinderbild sein. Es stammt von
der Künstlerin Vanessa Jane Phaff. Sie zeigt uns das Mädchen von vorne und hinten
und setzt den Namen LISA spiegelbildlich auf die Leinwand.
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Die Spiegelung erinnert daran, dass ein Kind erst dann ein Bewusstsein von sich selbst
entwickelt, wenn es sich im Spiegel sieht (Jacques Lacan). Lisa wirkt nicht nur „sich ihrer
selbst bewusst“, sondern auch sehr „selbstbewusst“.
Das Thema des Kindes und seiner Nöte zieht sich wie ein roter Faden durch das OEuvre
Phaffs, die sich an stereotypen Darstellungen von Kindern als freundliche Wesen stört.
Das mag auch der Grund sein, warum Lisa mit ihren zusammengekniffenen Augen alles
andere als lieblich aussieht. Die unvirtuose Technik des Linolschnitts unterstützt diese
Wirkung noch. Lisa, Here is Lisa wurde 2006 anlässlich der Ausstellung
Spiegelkabinett, der ersten Ausstellung Phaffs in Österreich, erworben.
Markus Schinwald
geb. 1973 in Salzburg; lebt in Wien und New York
Untitled (Veils), 2007
2011 fand im LENTOS eine Personale mit Werken Schinwalds statt. Im selben Jahr
vertrat der Künstler Österreich auf der Biennale von Venedig. Zu diesem Zeitpunkt waren
die Vorbereitungen für eine Ausstellung im LENTOS bereits seit langem in Gang. In
einer architektonischen Gesamtinstallation verbanden sich Schinwalds zentrale Themen
wie Bühne, Kostüm, optische Phänomene oder Prothesen zu einem großen Ganzen.
Anlässlich dieser Retrospektive wurde Untitled (Veils), o.T. (Schleier) erworben.
Üblicherweise verhüllt ein Vorhang ein Fenster, trennt eine Bühne vom
ZuschauerInnenraum oder eine Filmleinwand vom Kinopublikum. Seiner Funktion
beraubt wird er zu einem autonomen Bildträger aus Stoff. Die Verhüllung des Körpers
interessiert Schinwald, der die Höhere Bundeslehranstalt für Mode und
Bekleidungstechnik in Linz besucht hat, besonders. Was aber bewirkt sie? Eine surreal
wirkende, verschleierte Frauengruppe eröffnet Spielraum für eigene Gedanken.
Kamen Stoyanov
geb. 1977 in Rousse, Bulgarien; lebt in Wien
Bicycle Parade, 2002
Auf den ersten Blick eine alltägliche Straßenverkehrsszene: Auf der zweispurigen Straße
kommen uns links Autos entgegen. Die andere Spur haben sich RadfahrerInnen erobert.
RadfahrerInnen und AutofahrerInnen sind in Stoyanovs Gemälde gleichberechtigt. Der
Realität entspricht das nicht. Der Titel Bicycle Parade verweist darauf, dass die
AutofahrerInnen die Spur nicht freiwillig aufgegeben haben. Ein Radler nutzt einen
Zwischenraum, den eigentlich niemand für sich beanspruchen darf, und fährt gegen den
Strom. Stoyanov arbeitet seit 2003 in den Medien Fotografie, Video und Performance.
Nach einem Malereistudium in Sofia studierte er von 2000 bis 2005 Fotografie an der
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Wiener Akademie der bildenden Künste. Für das LENTOS wurde 2007 diese frühe
Arbeit angekauft. Auch heute noch widmet sich Stoyanov intensiv dem Diskurs um den
öffentlichen Raum; dies reicht von der Kapitalisierung urbaner Räume bis hin zu deren
Rückeroberung durch die Kreativität des Einzelnen.
Johannes Vogl
geb. 1981 in Kaufbeuren; lebt in Berlin
Kleiner Mond, 2006
Vogl beobachtet das Alltägliche sehr genau. Durch winzige Eingriffe erfindet er poetische
und oft auch humorvolle Objekte aus vertrauten Gegenständen. Im Museum wird der
Alltagsgegenstand, wie hier ein altes Fahrrad, zum Kunstwerk. Ein klassisches Readymade also – aber ein sehr romantisches: Die LED-Fahrrad-Lampe projiziert nicht wie
gewohnt einen Lichtkegel, sondern einen wunderschönen kleinen Mond. Ein ganzer
Kosmos an möglichen Geschichten öffnet sich: Ob ich wohl mit diesem Fahrrad durch
das Weltall gleiten kann? …
Im OEuvre Vogls lassen sich oft kinetische Objekte finden, die das Interesse des
Künstlers an physikalischen Phänomenen widerspiegeln und surreal anmuten.
Kleiner Mond wurde mit Mitteln der Galerienförderung des Bundes 2008 erworben.
Maja Vukoje
geb. 1969 in Düsseldorf; lebt in Wien
Minotauri, 2010
Vor einem Abbruchhaus in winterlicher Kulisse in Belgrad stehen vier schwarze
Personen mit Minotaurusmasken. Karibischer Karneval in (post-)jugoslawischem
Setting? Wie sind die verkleideten Menschen hierher gekommen? Warum wirken ihre
Körper durchscheinend? Vukoje hat eine besondere, diaphane (durchsichtige) Malweise,
wodurch die Figuren wie Illusionen wirken. Sie trägt Farben in Schichten auf, verwendet
transparente Lasuren, fließende Farben oder auch Farbspray.
Die in Belgrad aufgewachsene Künstlerin interessiert sich für das Verkleiden, für rituelle
Verwandlungen und für Erscheinungsformen afroamerikanischer Kulturen. Viele ihrer
Motive hat sie in Trinidad und Tobago beim Karneval fotografiert und anschließend
malerisch umgesetzt. In ihren Gemälden, die Ausdruck radikaler Veränderungen einer
globalisierten Gesellschaft sind, reflektiert sie kritisch westliche exotisierende
Klischeevorstellungen. Minotauri wurde 2011 mit Mitteln der Galerienförderung für das
LENTOS angekauft.
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Nives Widauer
geb. 1965 in Basel, Schweiz; lebt in Wien
Deadlands, Werkgruppe: “dialog mit analog”, 2009
Widauer beschäftigt sich in dieser Arbeit mit dem Tod. Die Auseinandersetzung findet –
ausgerechnet – in Wien statt. Es geht hier aber nicht darum, alte Klischees zu bedienen,
denn dazu ist diese Auseinandersetzung viel zu persönlich: Nach dem Tod ihres Vaters
findet sie in dessen Bücherregal Egon Friedells Buch über Totenporträts von berühmten
Persönlichkeiten aus dem Jahr 1929 und damit jene Abbildungen von Totenmasken, die
sie hier auf fotografisches Fundmaterial geklebt hat. Sie geben den Impuls für eine
einjährige Trauerarbeit, in der mehrere Collagen entstehen. Die Fotografien von
Landschaften oder archäologischen Stätten fand Widauer auf dem Wiener Flohmarkt.
Anders als in dem Buch Das letzte Gesicht des Kulturhistorikers Friedell sind bei den
von ihr ausgewählten Totenmasken bewusst keine Namen angegeben. Diese „letzten
Porträts“ werden von Widauer neu verortet. Sie entschweben in idyllische Totenländer:
Tröstlich, friedlich und still. Die Werkgruppe wurde 2012 für das LENTOS angekauft.
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Pressebilder
Pressebilder stehen für die Dauer der Ausstellung auch auf www.lentos.at zum Download
bereit. Lizenzfreie Nutzung nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung.
1. Egon Schiele
Doppelbildnis Heinrich und Otto
Benesch, 1913
LENTOS Kunstmuseum Linz
2. Béatrice Dreux
Menschenfresserin mit
blauem Lamm, 2012
LENTOS Kunstmuseum
Linz
4. Helene Funke
In der Loge, 1907
LENTOS Kunstmuseum Linz
5. Deborah Sengl
Strauss aus der Serie Hohe
Tiere, 2010
LENTOS Kunstmuseum Linz
a
Schenkung Mag. Maria und
Gerald Fischer-Colbrie
7. EVA & ADELE
© EVA & ADELE
8. EVA & ADELE
Family Portrait (Heidi), 1992
LENTOS Kunstmuseum Linz
© VBK, Wien 2013
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3. Manfred Erjautz, Shelter (In, Under
and Over), 2007/08
LENTOS Kunstmuseum Linz
© VBK, Wien 2013
6. Marlene Haring
Weil jedes Haar anders ist / Because
every hair is different, 2005–2007
LENTOS Kunstmuseum Linz
9. Künstlerinnenraum von
EVA & ADELE: Zwei
LENTOS Kunstmuseum Linz
Foto: maschekS.
10. Maria Bussmann
Foto: maschekS.
11. Maria Bussmann
Ohne Titel, aus der 7-teiligen
Serie Japanische Übungen, 2008
LENTOS Kunstmuseum Linz
13. Gerwald Rockenschaub
Foto: © Sabine Hauswirth
16. Nasan Tur
14. Gerwald Rockenschaub
Picture # 7152, 2009
LENTOS Kunstmuseum Linz
© Gerwald Rockenschaub
17. Nasan Tur
Bautzner Straße, 2009
LENTOS Kunstmuseum Linz
© VBK, Wien 2013. Foto: maschekS.
19. Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová
12. Künstlerinnenraum von Maria
Bussmann: Von Ratten und Vögeln
LENTOS Kunstmuseum Linz
Foto: maschekS.
15. Künstlerraum von Gerwald Rockenschaub:
Bouncing Ball
LENTOS Kunstmuseum Linz
Foto: maschekS.
18. Künstlerraum von Nasan Tur
LENTOS Kunstmuseum Linz
Foto: maschekS.
20. Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová
Haiku, 2008
Seite 24
LENTOS Kunstmuseum
Linz
Courtesy Christine König Galerie, Wien/Vienna
21. Künstlerinnenraum von
Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová
LENTOS Kunstmuseum Linz
Foto: maschekS.

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