"Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum" (PDF, 299 kB )
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LENTOS Kunstmuseum Linz Presseunterlage 10 JAHRE LENTOS Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum DVR-Nummer 0002852 22. März bis 9. Juni 2013 LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1 Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at Inhalt Ausstellungsdaten ………………………………………………………………………….. 3 Pressetext …………………………………………………………………………………… 4 Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm …………………………………….. 5 Saalhefttexte 7 .…………………………………………………………………………….. Pressebilder ……………………………………………………………………………….. Seite 2 23 Ausstellungsdaten Ausstellungstitel 10 JAHRE LENTOS. Die Sammlungsausstellung zum Jubiläum Ausstellungsdauer 22. März bis 9. Juni 2013 Eröffnung Donnerstag, 21. März 2013, 19 Uhr Pressekonferenz Donnerstag, 21. März 2013, 10 Uhr Ausstellungsort LENTOS Kunstmuseum Linz, gesamtes Obergeschoss KuratorInnen Stella Rollig, Elisabeth Nowak-Thaller, Brigitte Reutner, Nina Kirsch sowie die KünstlerInnen EVA & ADELE, Maria Bussmann, Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Gerwald Rockenschaub und Nasan Tur Exponate Mehr als 300 Exponate aus der LENTOS Sammlung Unterstützung Die Ausstellung wird von UNIQA unterstützt. Saalhefte Den BesucherInnen stehen zwei Saalhefte mit Informationen zu den KünstlerInnen- und Kuratorinnenräumen und zu den Neuzugängen zur Verfügung. Web App Das LENTOS bietet zur Ausstellung wieder ein mobiles Service für Smartphones und Tablets an (plattform- und geräteunabhängig). Einfach vor, während oder nach der Ausstellung unter http://app.lentos.at zu erreichen. Kontakt Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600; [email protected], www.lentos.at Öffnungszeiten Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen (außer 1.4. und 20.5.) Eintritt € 8,-, ermäßigt € 6 / € 4,50 Pressekontakt Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected] GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz: Stella Rollig, Direktorin LENTOS Kunstmuseum Linz und Kuratorin Petra Eibel, UNIQA / Bereichsleitung Kunstversicherung Elisabeth Nowak-Thaller, Brigitte Reutner, Nina Kirsch, Kuratorinnen EVA & ADELE, Maria Bussmann, Nasan Tur, KünstlerInnen/KuratorInnen Seite 3 Pressetext 10 Jahre LENTOS: Grund zu feiern. Zum Jubiläum steht die Sammlung im Mittelpunkt. Es erwartet Sie eine neue Präsentation der LENTOS Sammlung, ein Streifzug durch die Kunstgeschichte, Freude am Wiedersehen, überraschende Begegnungen. Mit dem Erwerb der ersten hundert Kunstwerke legte die Stadt Linz im Jahr 1953 den Grundstein zur Neuen Galerie der Stadt Linz, der Vorgängerinstitution des LENTOS. Seither wurden die Bestände kontinuierlich um markante Positionen der jeweils zeitgenössischen Kunst sowie um historische Nachkäufe erweitert. Das LENTOS verfügt nun über eine Schatzkammer, die mit etwa 1.700 Gemälden und Skulpturen sowie rund 12.000 Grafiken und 1.200 Beispielen künstlerischer Fotografie reichhaltig bestückt ist. In Wiederaufnahme des erfolgreichen und wegweisenden Projekts Aufmischen aus dem Jahr 2007 hat das LENTOS zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, in fünf Räumen ihre Präsentationen zu entwickeln. Das eigene Schaffen ist Ausgangspunkt zur Auswahl aus der Sammlung. Kunsträume mit starken Werken, als Netz anschaulicher Bezüge, ein Stelldichein von Wahlverwandten. Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: EVA & ADELE, Maria Bussmann, Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Gerwald Rockenschaub und Nasan Tur. In kleineren Kabinetten werden Schwerpunkte gesetzt, unter anderem auf selten gezeigte Konvolute und wertvolle Schenkungen: darunter bedeutende Gemälde von 1880 bis zur Gegenwart, Hauptwerke aus der Sammlung Gurlitt von Gustav Klimt, Oskar Kokoschka und Lovis Corinth, rare Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert sowie historische Fotografien aus den Anfängen dieser Technik. Eine monatlich wechselnde Schau stellt unter dem Titel Zu schade für die Lade Entdeckungen aus dem Grafikdepot vor. Der große Saal erweist sich als vielfältiger Überblick über das aktuelle, vor allem österreichische Kunstschaffen. Hier werden Neuzugänge seit der Eröffnung des LENTOS im Jahr 2003 präsentiert: darunter Gottfried Helnwein, Brigitte Kowanz, Markus Schinwald, VALIE EXPORT, Dietmar Brehm oder Béatrice Dreux – Bekanntes, Entdeckungen und Empfehlungen für morgen. Seite 4 Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN Dauer 1 Stunde, € 3,- zuzügl. Eintritt. Keine Anmeldung erforderlich. Die TeilnehmerInnenanzahl ist begrenzt. Immer sonntags, 16 Uhr Immer donnerstags, 19 Uhr 10 JAHRE LENTOS & JASON DODGE. Kombinierte Führung durch beide Ausstellungen Jeden 1. Samstag im Monat, 16 Uhr Blitzlichtführung auf Englisch und Tschechisch GRUPPENFÜHRUNGEN gegen Voranmeldung Blitzlichtführung: Dauer 30 Minuten, € 45,- zuzügl. Eintritt, max. 25 TeilnehmerInnen Führung: Dauer 1 Stunde, € 65,- zuzüglich Eintritt, max. 25 TeilnehmerInnen Führung mit dem chinesischen Korb: Dauer 1,5 Stunden, € 90,-, max. 15 TeilnehmerInnen SCHULE & MUSEUM SchülerInnenführungen Eintritt frei für SchülerInnen im Klassenverband, max. 15 TeilnehmerInnen alle Alterstufen, Dauer 1 Stunde, € 35,SchülerInnenführungen mit dem chinesischen Korb ab Unterstufe, Dauer 1,5 Stunden, € 45,Improve your English. SchülerInnenführungen nach Sprachlevels alle Altersstufen, Dauer 1 Stunde, € 35,Workshops alle Altersstufen, Dauer 2 Stunden, € 5,- pro TeilnehmerIn, max. 15 TeilnehmerInnen Das ausführliche Workshop-Programm finden Sie im Kunstvermittlungsund Veranstaltungsprogramm oder auf www.lentos.at Seite 5 KINDER & FAMILIE Fr 12. Juli, 18–24 Uhr Nacht der Familie. Näheres auf www.lentos.at Inspektor LENTOS´ Rätselkiste Die ganze Familie folgt den Spuren eines Tatverdächtigen im Museum. Spannend für Familien mit Kindern ab 4 Jahren. In Kooperation mit Koh-I-Noor Los Lentoniños Ein monatlich wechselndes Programm im Museum, speziell für 4–5 jährige Kinder Jeden zweiten Samstag im Monat von 15–16.30 Uhr Für Kindergartengruppen ist das Programm zu gewünschten Terminen buchbar. Dauer 1,5 Stunden, € 4,- pro Kind ANMELDUNG Teleservice Center der Stadt Linz an unter T 0732.7070 Seite 6 Saalhefttexte KünstlerInnen und Kuratorinnen bespielen elf Räume. Einleitung Ein Streifzug durch die Sammlung: In Wiederaufnahme des erfolgreichen und wegweisenden Projekts Aufmischen aus dem Jahr 2007 hat das LENTOS zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, in fünf Räumen neue Präsentationen zu entwickeln. Das eigene Schaffen ist der Ausgangspunkt zur Auswahl aus der Sammlung. Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: EVA & ADELE, Maria Bussmann, Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Gerwald Rockenschaub und Nasan Tur. In kleineren Kabinetten wird besonderen Aspekten der Sammlung Raum gegeben: dazu zählen u. a. bedeutende Gemälde von 1880 bis zur Gegenwart, rare Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert, historische Fotografien aus den Anfängen dieser Technik, Pop Art und konstruktivistische Tendenzen. Kuratorinnen: Stella Rollig, Elisabeth Nowak-Thaller, Brigitte Reutner, Nina Kirsch Raum 1 Der Ursprung der Sammlung Die verfolgte Avantgarde Im November 1946 übergibt der Berliner Kunsthändler Wolfgang Gurlitt (1888–1965) seine private Kunstsammlung als Leihgabe an die Linzer Stadtverwaltung und leitet mit Enthusiasmus und Sachkenntnis den Aufbau der Neuen Galerie der Stadt Linz. Die erste, Alfred Kubin gewidmete Sonderausstellung findet im Juni 1947 statt. 1951 organisiert Gurlitt u. a. eine als Sensation wahrgenommene Oskar-KokoschkaAusstellung. 1953 wird der Grundstock der Neuen Galerie und des heutigen LENTOS Kunstmuseum – 84 Gemälde und 33 Grafiken – aus dem Besitz von Wolfgang Gurlitt von der Stadt Linz erworben. Viele der heute hoch gerühmten „Klassiker“ Lovis Corinth, Karl Hofer, Emil Nolde, Oskar Kokoschka oder Otto Müller wurden vom nationalsozialistischen Regime als „entartete Künstler“ diffamiert. Ihre Werke wurden ab 1937 aus deutschen Museen und Sammlungen beschlagnahmt und über den Kunsthandel oder Auktionshäuser versteigert. Diese Maler zählten noch Anfang der 1950er Jahre zur verfolgten, kaum geschätzten Avantgarde. Seite 7 Mit der Sammlung Gurlitt als Grundstock betreut das LENTOS ein ebenso glanzvolles wie zum Teil problematisches Erbe. Als Kunsthändler auch während der nationalsozialistischen Diktatur aktiv, kaufte Gurlitt Werke sowohl von jüdischen SammlerInnen, die aufgrund rassischer Verfolgung zur Veräußerung ihres Besitzes gezwungen waren, als auch solche der sogenannten „entarteten Kunst“ auf Auktionen. Bis heute ist die Rolle Gurlitts Gegenstand kontroversieller Darstellungen. Gilt er den einen als Freund der Kunst, der jüdischen SammlerInnen mit dem Ankauf ihrer Kunstwerke behilflich war, sehen andere in ihm einen Nutznießer des Unrechtsregimes. Das LENTOS ist mittels kontinuierlicher Provenienzforschung intensiv bestrebt, die Herkunft jedes Werks aus der Sammlung Gurlitt aufzuklären und unrechtmäßigen Besitz zu restituieren. Seit 2003 sind mehrere Werke restituiert worden. Die Herkunftsgeschichte von beschlagnahmten Werken, mit denen Wolfgang Gurlitt während des Zweiten Weltkriegs handelte, wurde mehrfach in Ausstellungen thematisiert und in Sammlungsbeschriftungen und Publikationen veröffentlicht. Raum 2 Sehnsucht nach Arkadien … Nie wird euch mein Auge wiedersehen, Doch ein Hauch wird lispelnd zu euch wehen: „Ich, auch ich war in Arkadien“ (Johann Gottfried Herder) Im Zuge seiner Italienischen Reise kam Johann Wolfgang von Goethe 1786 nach Rom. In einem Brief an Charlotte von Stein erwähnt er „Palläste und Ruinen, Gärten und Wildniß, Fernen und Engen, Haüsgen, Ställe, Triumphbögen und Säulen“. In Tivoli ließ sich der berühmte Dichter von seinem Landsmann Jakob Philipp Hackert in das Fach der Landschaftsmalerei einweisen. Arkadien ist eine Landschaft auf der griechischen Halbinsel Peloponnes. Ihr Name wurde mit einer idealtypischen Hirtenwelt verbunden. Der Mythos wurde von Vergil in seinen Bucolica, einer Sammlung von Hirtengedichten, zwischen 43 und 39 v. Chr. erschaffen. Diese Hirtenwelt steht ganz unter dem Zeichen einer alles bestimmenden Liebessehnsucht, die bis zum Tod reicht. Im 18. Jahrhundert. wird das Todesmotiv durch eine allgemein gehaltene Ruinenmetapher ersetzt, wie Goethe und Hackert sie illustrieren. Auch die Grafik Rudolf Schicks zeigt ein verfallendes Gebäude im Park der römischen Villa Doria Pamphili. Mit Romako, Menzel und Siewert schreiten wir vom dezenten Hinweis zur allegorischen Darstellung des Todes weiter. Anton Romakos Herbst und Winter kreist um Fülle und Seite 8 Vergänglichkeit. Adolf Menzels Chronos übergibt dem Todesengel bereits die Sense. In Clara Siewerts Mädchen mit Tod wird die Schöne schon in jungen Jahren vom Knochenmann hinweggerafft. Zu schade für die Lade Entdeckungen aus dem Grafikdepot Im Depot des LENTOS werden mehr als 10.000 Grafiken sorgsam verwahrt. Die Ausstellung Zu schade für die Lade. Entdeckungen aus dem Grafikdepot zeigt jeden Monat abwechselnd vier bis fünf besonders wertvolle Grafiken. Begleitet wird diese Präsentation von einer umfangreichen Dokumentation zu den einzelnen Werken, KünstlerInnen und Techniken auf der LENTOS Website. In den Bereich Grafik fallen alle künstlerischen Arbeiten auf Papier, wie z. B. Handzeichnungen, Holzschnitte, Lithografien, Radierungen, Linolschnitte und Siebdrucke. Beginnend mit einer Lithografie Honoré Daumiers aus dem Jahr 1845 spannt sich der Bogen der Ausstellung quer durch das 19., 20. bis zum beginnenden 21. Jahrhundert. Die Auswahl beinhaltet u. a. Werke von Henri de Toulouse-Lautrec, Alfred Kubin, Gustav Klimt, Käthe Kollwitz, Ernst Ludwig Kirchner, Erika Giovanna Klien, Klemens Brosch, Herbert Bayer, Karl Schmidt-Rottluff, Vilma Eckl, Maria Lassnig, Alfred Hrdlicka, Andy Warhol, Pablo Picasso, Bruno Gironcoli, Birgit Jürgenssen, Edgar Honetschläger sowie Ulrike Lienbacher. Mit der Präsentation von Carola Dertnigs Collagebild Dance Report – L. A. Report geht im Februar 2014 ein Jahr der spannenden Neuentdeckungen aus dem Grafikdepot zu Ende. Raum 3 EVA & ADELE Zwei „Alle Welt“ kennt EVA & ADELE, das extravagante Berliner Künstlerpaar, das seit 1991 mit seinen Performances den Großereignissen der internationalen Kunstwelt ein Glanzlicht aufsetzt: unübersehbar, funkelnd, attraktiv. EVA & ADELE mit ihren Slogans „Coming out of the future“, „Wherever we are is museum“ sind Selbsterfindung und inszenierung, Live-Act und lebendes Kunstwerk. Mit dem Titel Zwei haben EVA & ADELE nun einen Sammlungsraum konzipiert, in dem schräge Künstlerpaarungen spannende Dialoge führen. Alte und neue Klassiker werden Seite 9 zu hintergründigen Kombinationen vereint. Überraschende Korrespondenzen und Echos finden sich ebenso wie dämonische, leidgeprüfte Gesichter von Paul Kranzler, Othmar Zechyr und Pirmin Blum oder Holzköpfe, die als rituelle Helme fungieren. Klimts unvollendetes Frauenbildnis wirkt maskenhaft und kühl. Wir wissen nichts über die Porträtierte, hingegen erzählt das männliche Pendant von Richard Hamilton, Finn MacCool, eine umfassende Legende. Der irische Riese und keltische Krieger gastiert zwischen geheimnisvollen Linienbildern von Maria Lassnig. Eine leuchtende Innenfläche umrahmt von bunten Linien wird zum Körper. Hockt hier ein Monster? Als bezaubernde Wesen mit universalem Globus schweben EVA & ADELE in geflügelter Gestalt im Wohnzimmer, Garten, Reihenhaus. Erstmalig gezeigt wird das vom LENTOS Förderverein 2013 angekaufte 25-teilige Family Portrait, eine Komposition von Fotoarbeiten, die EVA & ADELE als schillernde Flügelwesen – im kraftvollen doch zarten Duett – in Begleitung von SammlerInnen und FreundInnen zeigt. Stringenz und Humor, die abstrakte Symbolsprache der ausgewählten Skulpturen, die rätselhafte Fülle der Fotografien, Gemälde und Zeichnungen, viele Porträts und das wiederkehrende Konterfei von EVA & ADELE demonstrieren Verwandtschaft und Gleichklang, aber auch Disparatheit und Individualität. Raum 4 Stein und Bein Stein und Bein schwören – in archaischen Zeiten wurden wichtige Zeugnisse mit einem Schwur auf einen heidnischen (Altar)stein sowie auf die Reliquien von Heiligen abgesichert. Stein und Bein bedeutet in unserem Kontext eine Gegenüberstellung von Fotomotiven mit unterschiedlichen Anschauungsqualitäten: lebendige oder tote Materie? Bilddokumentation versus künstlerische Fotografie William Henry Fox Talbot begann bereits 1834 mit fotografischen Versuchen. Sein mit Gotisches Portal betiteltes Bild zählt zu den ältesten Fotografien der LENTOS Sammlung. Roger Fentons 1856 entstandene Aufnahme der Stadt Sebastopol entstammt einer Serie über den Krimkrieg. Sie zählt zu den ältesten visuell dokumentierten Kriegsberichten der Weltgeschichte. Die Erfindung der billigen, leicht transportablen Kodak-Rollfilmkamera eröffnete den Fotografen ab 1888 neue Möglichkeiten. Die Fotografie trat nun in Konkurrenz zur Malerei. Piktoralisten wie Oscar Gustav Reijlander und Julia Margaret Cameron sahen den Kunstcharakter einer Fotografie als oberste Priorität. Seite 10 Der Bildjournalismus der 1950er und 1960er Jahre wiederum ließ das Foto zum zeitgeschichtlichen Dokument werden. Erich Lessing und Inge Morath schossen ihre Bilder für die renommierte Fotoagentur MAGNUM, die ihrerseits Zeitschriften wie Life, Vue, Stern damit belieferten. VALIE EXPORTs Film Selbstportrait mit Kopf kombiniert schließlich beides – Stein und Bein – und schließt damit den Kreis um die Diskussion von Wirklichkeitsbildern. Raum 5 Zeichen für die Ewigkeit Was haben Erika Roessing, Kolo Moser, Andjé, Birgit Jürgenssen, Alex Katz und Dorothee Golz gemeinsam? Es sind KünstlerInnen, die dank großzügiger Stiftungen in die Sammlung des LENTOS Eingang gefunden haben. Schon die Gründung der Neuen Galerie (Vorgängerinstitution des LENTOS) beruht auf einer privaten Initiative. Auf Engagement des Berliner Kunsthändlers Wolfgang Gurlitt kam es 1952 zu ersten Museumsschenkungen und weitere Zuwendungen sollten folgen. Doch Gönner, Stifter, Wohltäter oder Förderer – bleiben meist dezent im Hintergrund: jene Menschen, die durch ihre Großzügigkeit den Museen helfen, Sammlungslücken zu schließen oder ihre Bestände zu erweitern. Anlässlich unseres Jubiläums und angesichts knapper Etats und rasant steigender Kunstmarktpreise sind Sammlungen vermehrt auf Mäzenatentum angewiesen. Mit besonderem Engagement vermochten Förderer der ersten Stunde, Mag.a Maria und Mag. Gerald Fischer-Colbrie, Norli und Dr. Hellmut Czerny, Greta und Dr. Gert Humer und der 1985 gegründete Verein der LENTOS Freunde über Jahrzehnte hindurch das Museum durch umfassende Schenkungen zu bereichern. Was veranlasst Privatpersonen Museen zu helfen? Es ist die Kunstbegeisterung eines großzügigen Menschen, gepaart mit dem Wunsch ein Vermächtnis für die Allgemeinheit – ein Zeichen für die Ewigkeit – zu setzen. Auf potenzielle Förderer zuzugehen und Kontakte zu pflegen, zählt zu den vornehmsten und erfreulichsten Aufgaben eines Museums. Bis heute wachsen die Bestände durch Stiftungen zeitgenössischer KünstlerInnen, Banken, Versicherungen, Industriebetriebe und Privatpersonen idealerweise in Absprache mit MuseumsdirektorInnen und SammlungsleiterInnen: zu den jüngsten Schenkungen gehören die Stiftungen von Uta Scherb und Gerald FischerColbrie, beide langjährige FreundInnen und treue BegleiterInnen des LENTOS. Seite 11 Raum 6 Maria Bussmann Von Vögeln und Ratten Von Vögeln und Ratten – das könnte der Titel einer Erzählung oder einer KunstWanderung sein. Sie spielt im Sommer und im Süden, am Rand einer Millionenstadt, da wo Wohnblocks und Felder sich berühren, wo Straßen in Wendeplätzen und Sackgassen enden, Zivilisation auf mehr oder weniger kultivierte Natur trifft, Schutthaufen und Autowracks von Unkraut überwuchert werden. Man könnte dort Lois und Franziska Weinberger beim Sammeln von Ruderalien begegnen oder ertappt sich selber beim Abrupfen Gironcoli‘scher Ähren, wären diese nur nicht 1,60 m hoch und aus Aluminium. Vielleicht beschränkt sich die Spaziergängerin aber auch darauf, die Zukunft aus dem Flug der Vögel am Himmel zu lesen, oder die Löcher der Ratten am Boden zu zählen? Von oben nach unten und umgekehrt geht dieser Weg, divergierend zwischen Schönheit und Hässlichkeit, Licht und Schatten. Kultur und deren Übersetzungen. (Maria Bussmann) Maria Bussmann ist Künstlerin. Sie ist außerdem promovierte Philosophin. Die Verbindung von Zeichnung und Philosophie entwickelt sie seit Jahren zu ihrem Thema. Sie arbeitet immer wieder als Kuratorin (MAK) und in der kunsttheoretischen Lehre, lebt in Wien und New York. Raum 7 Geometrie trifft Poesie Nach dem Zweiten Weltkrieg beherrscht die abstrakte Malerei die Kunstwelt. Vorreiter sind die USA, wo viele Impulse aus Europa aufgenommen und neu interpretiert werden. Neben der gestisch-expressiven und lyrischen Variante mit Zentrum Paris nimmt die geometrische Abstraktion international einen hohen Rang ein. Reine Farben als Ausdruck „reiner Empfindung“ finden sich in der Avantgarde bei Piet Mondrian, am Bauhaus bei Lászlo Moholy-Nagy, Josef Albers, Wassily Kandinsky oder Herbert Bayer. Mit geometrischen Formen löst Kasimir Malewitsch bereits um 1915 im Suprematismus die Farbe radikal vom Gegenstand. Geordnete Strukturen, innere Klarheit und logische Gesetzmäßigkeiten prägen diese Kunst, die in Europa und in den USA weiterentwickelt wird: aus dem niederländischen Konstruktivismus entsteht in den 1960er Jahren die Op Art, die mit der optischen Wahrnehmung der BetrachterInnen spielt. Seite 12 Quadrate, Kreise, Ellipsen, Drei- und Vierecke werden konstruiert und geordnet auf Leinwand und Papier gesetzt. Schlicht reduziert auf Schwarz-Weiß, wie bei Hildegard und Harold Joos, nach dem Farbkreisprinzip mathematisch organisiert, wie bei Herbert Bayer, Josef Albers und Andrew Molles, oder als Zirkelspiel mit Komplementärfarben komponiert, wie bei Nino di Salvatore. Helmuth Gsöllpointner und Donald Judd verwandeln die geometrischen Formen in die dritte Dimension. Geometrie kann mehr sein als nur Ordnung und Strenge. Sie kann sich drehen, bewegen und fort tragen. Sie kann Leichtigkeit, Räumlichkeit und Bewegung vortäuschen. Raum 8 Red-Yellow-Blue... POP Blickte man nach dem Zweiten Weltkrieg gespannt nach Paris, gebührt in den 1960er Jahren New York die künstlerische Vormachtstellung. Die dort erfolgreiche Pop Art war mehr als nur gegenständliche Malerei: Sie war laut, bunt, schrill, plakativ, und leicht verständlich. Sie fand in Musik, Werbung, Mode, Tanz, Film und Design Eingang und wurde zum Synonym der Selbstverwirklichung einer neuen Generation. In einer Zeit des Aufbruchs wurden Alltägliches, Banales, die Medien-, Konsumgesellschaft, sogar Comics wichtige Inspirationsquellen dieser Großstadtkunst. Die Karriere vieler großer Pop-Künstler begann mit Werbung und Zeichnung. Andy Warhol arbeitete als Werbegrafiker, Robert Rauschenberg und Allen Jones waren Schaufensterdekorateure, James Rosenquist hat als Plakatmaler sein Geld verdient. Und Keith Haring startete seine steile Karriere im Underground als Graffiti-Künstler. Warhols Marilyn-Serie, für die ein Still des 1953 gedrehten Film Niagara als Ausgangsfoto diente, wurde ebenso zur Ikone wie seine Mao-Reihe, für die wiederum ein offizielles Staatsfoto als Vorlage fungierte. Ebenfalls Markenzeichen wurden Lichtensteins Rasterpunkte oder Keith Harings Strahlenbabys, -hunde und Strichmännchen. Die Abstraktion als Weltsprache der Kunst gehörte schlagartig der Vergangenheit an. „Wie man der Abstraktion ein Schnippchen schlägt“, beweist Lichtensteins farblich reduzierter Spiegel. In keinem seiner 50 Spiegelbilder erscheint tatsächlich eine menschliche Figur. Aber auch Mao, Marilyn und Martin bleiben grellbunte, leere Masken. Seite 13 Raum 9 Gerwald Rockenschaub Bouncing Ball Gerwald Rockenschaub wählte Exponate indigener Völker Afrikas aus der LENTOS Sammlung aus und stellt diese seinen eigenen Folienbildern gegenüber. Das vielschichtige Ensemble kann rein formal als Konzept im Raum betrachtet werden. Anders als in der zeitgenössischen Kunst, ist der/die UrheberIn ethnologischer Objekte zumeist unbekannt. Es lassen sich somit Überlegungen zum Schöpfermythos und dem Umgang mit Bildwerken anstellen. Es geht um Kunst und Kult, Gegenständlichkeit und Abstraktion sowie Bildbetrachtung und -verehrung. Rockenschaub zählt zu den international renommiertesten Künstlern Österreichs und ist zugleich als Musiker und DJ tätig. Musik ist Teil seines kulturellen Hintergrunds, vor dem ein komplexes bildnerisches Werk entstanden ist. Es reicht von geometrisch konstruierten Ölbildern der frühen 1980er Jahre, über maschinell gefertigte Plexiglasplatten, riesige aufblasbare PVC-Objekte bis hin zu computergenerierten Animationen, Folienbildern, Objekten und Skulpturen. 1993 bespielte Gerwald Rockenschaub mit Andrea Fraser und Christian Philipp Müller den Österreichischen Pavillon der Biennale von Venedig. 2007 war er auf der documenta 12 mit mehreren Arbeiten vertreten. Raum 10 Nasan Tur In der Dresdner Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR waren bis zum Jahr 1989 zwischen 12.000 und 15.000 politische Häftlinge untergebracht. Dieses Gefängnis war spezialisiert für politische Häftlinge und Regimekritiker. Als Gedenkstätte steht dieser Erinnerungsort heute interessierten BesucherInnen offen. Sie ist die einzige noch im Original erhaltene und zugängliche Untersuchungshaftanstalt der „Stasi“ in Sachsen. Nasan Tur hat sich mit der dunklen Geschichte dieser Institution beschäftigt. Als Ergebnis entstand die fotografische Serie Bautzner Straße (2009), benannt nach der Adresse der Haftanstalt. Diese Arbeit wird hier in einem Raum-im-Raum gezeigt, welcher der Größe einer Zelle entspricht. Auf den ersten Blick identisch, zeigen die Fotos 15 Zellentüren: gleichförmig, abweisend, brutal. Die Regeln für Häftlinge gewährten eine Stunde Ausgang pro Tag. Der Außenbereich war von hohen Mauern umgeben und überdacht, so dass die Gefangenen nie die Möglichkeit hatten, den Himmel zu sehen. Dieses Leid ruft Tur ins Gedächtnis und stellt damit gültige Fragen über das Strafrecht. Seite 14 Nasan Tur, geboren 1974, stammt aus Offenbach und lebt und arbeitet heute in Berlin. Als Konzeptkünstler interessieren ihn Lebensbedingungen und Handlungsmöglichkeiten von Menschen in unterschiedlichen Kulturen und politischen Systemen. Zu seiner Auswahl aus der Sammlung des LENTOS sagt er: „Ich wählte Kunstwerke, die eine gewisse Weite der Landschaft zeigen, die so etwas wie Sehnsucht nach Freiheit symbolisieren können.“ Raum 11 Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová Why like the door knob, is there a blonde? It meaning that everyone obtains revolution. Der seltsame Text aus Neonbuchstaben war ursprünglich ein Blondinenwitz. Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová übersetzten den Witz mit Hilfe von Google ins Japanische und wieder zurück. Das Übersetzungsprogramm warf dieses Satzgebilde aus. Nicht nur der Witz geht verloren, sondern auch die frauenfeindliche Aussage. Das Neon-Schriftbild ist der Ausgangspunkt des Raumkonzepts beider Künstlerinnen. In ihrer Arbeit nehmen Untersuchungen von gesellschaftlichen Phänomenen, wie Geschlechter- und Machtverhältnisse, eine zentrale Rolle ein. Betitelt ist die Arbeit ironischerweise mit Haiku, einer komplexen japanischen Gedichtform. Kombiniert haben sie die Künstlerinnen mit Werken aus der Sammlung, die auf der Auseinandersetzung mit Text bzw. Sprache und dem Blondinen-Klischee beruhen. Das Kreuzworträtsel von Daniel Spoerri ist dem Neon-Haiku verwandt; beide Werke spielen mit der Bedeutung von Worten und deren Position im Satzgefüge. Kutlug Ataman dagegen schreibt 35 Shakespeare-Stücke übereinander, wodurch sie unleserlich und ihrer Aura beraubt werden. Auch VALIE EXPORT rückt mit ihrem Fingergedicht Sprache und ihre Funktion in den Mittelpunkt. Ausgewählt wurde außerdem ein Billboard von Marlene Haring, auf dem die Künstlerin extrem behaart zu sehen ist. Eine Ganzkörperblondine? Gemein ist all diesen Werken die Idee, dass die Bedeutung von Wörtern und Bildern nur in unseren Köpfen existiert. Der Begriff Blondine beinhaltet viel mehr als die bloße Bezeichnung einer blonden Frau. Werden Sätze und Bilder nur leicht abgeändert, verlieren sie für uns die gewohnte Bedeutung. Chişa und Tkáčová arbeiten seit 2000 zusammen. Sie leben in Berlin und Prag. 2011 bespielten sie den rumänischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Seite 15 Die Neuzugänge / Großer Saal Einleitung Die Bestände des LENTOS werden kontinuierlich um markante Positionen der zeitgenössischen Kunst erweitert. Innerhalb der Sammlungsausstellung zum Jubiläum bietet der große Saal einen vielfältigen Überblick über das aktuelle, vor allem österreichische Kunstschaffen der letzten Dekade. Es wird eine Auswahl an Neuzugängen (Ankäufe und Schenkungen) seit der Eröffnung des LENTOS im Jahr 2003 präsentiert: darunter VALIE EXPORT, Markus Schinwald, Vanessa Jane Phaff, Ralo Mayer und Kutlug Ataman. Zu Themenkreisen wie „Ökonomie und Politik“, „Körper im Raum“ oder „Individuum und Handlungsspielraum“ fi nden Sie Werke von KünstlerInnen, die Sie vielleicht schon kennen, aber auch solche, die Entdeckungen oder Empfehlungen für morgen sind. Das Saalheft der Kunstvermittlung bietet, alphabetisch nach Künstlernamen geordnet, einen Kommentar zu einigen ausgewählten Werken der bei der individuellen Annäherung als Unterstützung dienen soll. Kutlug Ataman geb. 1961 in Istanbul; lebt in Istanbul Strange Space (Stills), 2009 Die Fotoserie geht auf eine Performance Atamans zurück, die auch auf Video aufgezeichnet wurde. Der Künstler und Filmemacher verband sich die Augen und bewegte sich barfuss durch diese Wüstenlandschaft in die Unendlichkeit, wie er selbst äußerte. Auf poetische Weise und ganz unmittelbar näherte er sich bei einem Besuch seinem Heimatland Anatolien an und wählte dafür ein geschichtsträchtiges Gebiet am Fuße des Ararat. Ataman versteht sich als Europäer. Sein OEuvre kreist stets um die Brüche zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“. Die Arbeit gehört zur Serie Mesopotamische Erzählungen. 2009 fand die gleichnamige Ausstellung im LENTOS statt, anlässlich der die Filmstills erworben wurden. Ein altes mesopotamisches Märchen, in dem ein Held blind aus Liebe zu seiner Auserwählten durch die Wüste wandelt, inspirierte Ataman zu dieser Aktion. Sabine Bitter & Helmut Weber leben in Wien und Vancouver Super Citizens, 2005 Demonstrierende Menschen in Städten, die nur in Architekturumrissen zu erkennen sind: Wer steht hier hierarchisch höher? Mensch oder Architektur? Wie verhält es sich mit gegenseitigen Abhängigkeiten? Seite 16 Bitter und Weber beschäftigen sich mit der Transformation des Stadtraums. Städtebauliche Veränderungen, wie z. B. in Caracas, haben ihren Ursprung in politischen und privaten Initiativen. Prägte in den 1950er Jahren die Diktatur unter Marcos Pérez Jiménez das Stadtbild, verbinden sich heute Reformprojekte der Regierung Hugo Chávez mit Demokratisierungsprojekten von unten. Die GebäudeUmrisse sind Referenzen auf utopische Architekturzeichnungen aus den 1960er Jahren, die seinerzeit für Entwicklung und Fortschritt standen. Ergänzt wird die Fotoarbeit zu Caracas mit einer Fotografie einer Demonstration in Wien. Beide wurden 2007 für das LENTOS erworben und sind Ausdruck der Frage, inwieweit architektonische Programme überhaupt gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen können. Dorothee Golz geb. 1960 in Mühlheim an der Ruhr, Deutschland; lebt in Wien Lebensentwurf, 2004 Wie eine unfertige Zeichnung im Raum wirken der angedeutete Tisch und der zugehörige Stuhl aus Eisen. Es gibt keine Tischplatte und das Geschirr ist aus Polyester. Wie sollte man davon essen oder trinken? Lebensentwurf nennt die Bildhauerin dieses Werk, bei dem bekannte Gegenstände aus dem Alltag zum Symbol geworden sind. Symbol für ein gescheitertes Lebenskonzept möglicherweise. Arbeiten wie diese „sind oft Ausdruck einer Hoffnung und bergen das Scheitern in sich“ 1, so äußert sich Golz selbst dazu. Auch eine besondere Auffassung von Raum lässt sich aus der Arbeit herauslesen: „Der Raum antwortet uns (…) mit dem, was uns die Dinge eingeben“, davon ist die Künstlerin überzeugt. Eigentlich vertraute Gegenstände werden zur surrealen Bühne. Was aber auf dieser passiert, ob es um verdrängte häusliche Konflikte geht oder die Schwierigkeit oder das Bedürfnis, sich mitzuteilen, bestimmen die ZuschauerInnen. Golz war 1997 auf der Documenta X in Kassel vertreten. Lebensentwurf wurde 2006 mit Mitteln der Galerienförderung des Bundes erworben. 1 Ausst. Kat. Dorothee Golz, Arbeiten 1995-2005, gugler forum melk (hrsg./ed.), Melk 2007, nicht paginiert Jack Hauser geb. 1958 in Horn; lebt in Wien Bilder aus der Wohnung Miryam van Doren. Carte de Tendre, 1999–2007 Hausers collagiertes Tableau zeigt unter anderem Landkarten, Tafelbilder, Zeitungen, Plattencovers und Fotografien. Der Titel verrät, dies alles stammt aus der Wohnung Seite 17 einer Miryam van Doren. Wer kann das sein? Es ist eine fiktive Figur, ersonnen vom Künstler, der gerne in verschiedene Rollen schlüpft, um die eigene Autorenschaft zu unterwandern. Dadurch ergeben sich für den Künstler Freiräume und es entstehen Dialoge zwischen ihm und der erdachten Figur. Eine Carte de Tendre, was soviel wie „eine Landkarte des Reichs der Liebe“ bedeutet, wird über die Wand ausgebreitet. Die Filmdosenschachtel transportiert Kleidungsstücke, Gaben und Geheimnisse zu den Tafelbildern der Carte de Tendre. Mittels einer zweiten Beigabe, einer Schachtel von Elke Silvia Krystufek, schickt Hauser die Künstlerfreundin als „Agentin“ ins Feld des hemmungslosen Storytelling. Hausers Wunsch ist es, die Trennung zwischen Atelier, Wohnung und Museum in Frage zu stellen und dabei „eine Art Magie ins Spiel zu bringen“. Die Arbeit wurde dem LENTOS 2012 vom Künstler geschenkt. Julie Hayward geb. 1968 in Salzburg; lebt in Wien Sublimator, 2003 Wie eine Laborsituation, eine Maschine oder ein merkwürdiges Wesen wirkt dieses Kunstwerk. Die raumgreifende Skulptur konfrontiert uns mit hartem Material in Weiß und weichem Material in Rot. Sublimator lautet ihr Titel. Unter „Sublimation“ oder „Sublimierung“ verstand Sigmund Freud die Umlenkung von Triebwünschen in eine geistige Leistung oder eine kulturell anerkannte Verhaltensweise. In der Thermodynamik dagegen wird unter denselben Begriffen der Prozess des Übergangs eines Stoffs vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand verstanden. Aber wird hier überhaupt ein psychischer oder physikalischer Vorgang beschrieben? In jedem Fall handelt es sich bei Sublimator um eine „Emotionsskulptur“2. Sie entstand spontan zunächst als Zeichnung und ermöglicht BetrachterInnen einen unerschöpflichen Assoziationsspielraum. Sublimator wurde 2005 mit Mitteln der Galerienförderung des Bundeskanzleramtes erworben. Ralo Mayer geb. 1976 in Eisenstadt; lebt in Wien Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE, 2011 Ein Astronautenanzug und ein Video erzählen vom NASA-Space-Shuttle. Es wurde Ende der 1960er Jahre als Transportraumschiff gebaut, um Frachten zwischen der Erde und den Weltraumkolonien zu befördern. Die Weltraumkolonien wurden nie realisiert; trotzdem wurde das Space Shuttle bis 2011 über hundert Mal ins All geschickt. Den Astronautenanzug, hier zwischen Plexiglas geklemmt, ließ der Künstler nach OriginalSeite 18 Vorbildern nachschneidern. Das Video, das sich im Plexiglas spiegelt, zeigt gefundenes NASA-Videomaterial, welches Mayer neu montierte. Die Arbeit wurde anlässlich der gleichnamigen Ausstellung Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE (2011 im LENTOS, zugleich Preis der Triennale Linz 1.0) erworben. Im Titel, der wie eine Beschwörungsformel klingt, nimmt Mayer auf den Begriff „Kago“ Bezug. Dieser geht auf die Cargo-Kulte in Melanesien zurück. Nach dem Ende der Besatzung durch die US-Armee baute die Inselbevölkerung Cargo (Frachtgut), wie z. B. Funkgeräte, aus Holz nach. Dadurch verarbeitete sie die traumatische Begegnung mit der westlichen Zivilisation. Ursula Mayer geb. 1970 in Oberösterreich; lebt in London Trilogy (Portland Place 33, Keeling House, Villa Mairea), 2006 Loops, jeweils 3 Minuten Es gibt in diesen drei Filmen keine Handlung. Dieselbe Frau durchwandert, verfolgt von der Kamera, Räume an unterschiedlichen Orten: In Keeling House einen pavillonartigen Vorbau eines brutalistischen Wohnblocks aus den 1950er Jahren in London. In Portland Place 33 ein von Robert Adam errichtetes viktorianisches Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert, ebenfalls in London. In Villa Mairea ein von Alvar Aalto realisiertes Haus in Finnland. Die Frau spiegelt sich in Oberflächen, benutzt unterschiedliche Türen, Möbel und Treppen. Die zugehörige Tonspur ist minimalistisch: Sanfte Musik, Wassergeplätscher, ein knisternder Kamin oder Vogelzwitschern hie und da. Langsame Kamerafahrten, das Spiel mit dem Licht oder das Verweilen auf Motiven lassen Darstellerin, Architektur und Gegenstände bedeutsam erscheinen. Als Ausdruck ihrer feministischen Haltung weist Mayer in ihren Filmen ausschließlich Frauen die Hauptrollen zu. Die Frage nach individuellen Handlungsräumen in vorgegebener Architektur steht hier im Zentrum. Trilogy wurde 2007 anlässlich einer Einzelausstellung der Künstlerin angekauft. Vanessa Jane Phaff geb. 1965 in Tarleton, England; lebt in Rotterdam Lisa, Here is Lisa, 2005 Will sich dieses Mädchen seiner selbst vergewissern? Es schreibt „Hier ist Lisa“ und sagt damit: „Ja, ich bin auf der Welt.“ Das hier kann aber kein Kinderbild sein. Es stammt von der Künstlerin Vanessa Jane Phaff. Sie zeigt uns das Mädchen von vorne und hinten und setzt den Namen LISA spiegelbildlich auf die Leinwand. Seite 19 Die Spiegelung erinnert daran, dass ein Kind erst dann ein Bewusstsein von sich selbst entwickelt, wenn es sich im Spiegel sieht (Jacques Lacan). Lisa wirkt nicht nur „sich ihrer selbst bewusst“, sondern auch sehr „selbstbewusst“. Das Thema des Kindes und seiner Nöte zieht sich wie ein roter Faden durch das OEuvre Phaffs, die sich an stereotypen Darstellungen von Kindern als freundliche Wesen stört. Das mag auch der Grund sein, warum Lisa mit ihren zusammengekniffenen Augen alles andere als lieblich aussieht. Die unvirtuose Technik des Linolschnitts unterstützt diese Wirkung noch. Lisa, Here is Lisa wurde 2006 anlässlich der Ausstellung Spiegelkabinett, der ersten Ausstellung Phaffs in Österreich, erworben. Markus Schinwald geb. 1973 in Salzburg; lebt in Wien und New York Untitled (Veils), 2007 2011 fand im LENTOS eine Personale mit Werken Schinwalds statt. Im selben Jahr vertrat der Künstler Österreich auf der Biennale von Venedig. Zu diesem Zeitpunkt waren die Vorbereitungen für eine Ausstellung im LENTOS bereits seit langem in Gang. In einer architektonischen Gesamtinstallation verbanden sich Schinwalds zentrale Themen wie Bühne, Kostüm, optische Phänomene oder Prothesen zu einem großen Ganzen. Anlässlich dieser Retrospektive wurde Untitled (Veils), o.T. (Schleier) erworben. Üblicherweise verhüllt ein Vorhang ein Fenster, trennt eine Bühne vom ZuschauerInnenraum oder eine Filmleinwand vom Kinopublikum. Seiner Funktion beraubt wird er zu einem autonomen Bildträger aus Stoff. Die Verhüllung des Körpers interessiert Schinwald, der die Höhere Bundeslehranstalt für Mode und Bekleidungstechnik in Linz besucht hat, besonders. Was aber bewirkt sie? Eine surreal wirkende, verschleierte Frauengruppe eröffnet Spielraum für eigene Gedanken. Kamen Stoyanov geb. 1977 in Rousse, Bulgarien; lebt in Wien Bicycle Parade, 2002 Auf den ersten Blick eine alltägliche Straßenverkehrsszene: Auf der zweispurigen Straße kommen uns links Autos entgegen. Die andere Spur haben sich RadfahrerInnen erobert. RadfahrerInnen und AutofahrerInnen sind in Stoyanovs Gemälde gleichberechtigt. Der Realität entspricht das nicht. Der Titel Bicycle Parade verweist darauf, dass die AutofahrerInnen die Spur nicht freiwillig aufgegeben haben. Ein Radler nutzt einen Zwischenraum, den eigentlich niemand für sich beanspruchen darf, und fährt gegen den Strom. Stoyanov arbeitet seit 2003 in den Medien Fotografie, Video und Performance. Nach einem Malereistudium in Sofia studierte er von 2000 bis 2005 Fotografie an der Seite 20 Wiener Akademie der bildenden Künste. Für das LENTOS wurde 2007 diese frühe Arbeit angekauft. Auch heute noch widmet sich Stoyanov intensiv dem Diskurs um den öffentlichen Raum; dies reicht von der Kapitalisierung urbaner Räume bis hin zu deren Rückeroberung durch die Kreativität des Einzelnen. Johannes Vogl geb. 1981 in Kaufbeuren; lebt in Berlin Kleiner Mond, 2006 Vogl beobachtet das Alltägliche sehr genau. Durch winzige Eingriffe erfindet er poetische und oft auch humorvolle Objekte aus vertrauten Gegenständen. Im Museum wird der Alltagsgegenstand, wie hier ein altes Fahrrad, zum Kunstwerk. Ein klassisches Readymade also – aber ein sehr romantisches: Die LED-Fahrrad-Lampe projiziert nicht wie gewohnt einen Lichtkegel, sondern einen wunderschönen kleinen Mond. Ein ganzer Kosmos an möglichen Geschichten öffnet sich: Ob ich wohl mit diesem Fahrrad durch das Weltall gleiten kann? … Im OEuvre Vogls lassen sich oft kinetische Objekte finden, die das Interesse des Künstlers an physikalischen Phänomenen widerspiegeln und surreal anmuten. Kleiner Mond wurde mit Mitteln der Galerienförderung des Bundes 2008 erworben. Maja Vukoje geb. 1969 in Düsseldorf; lebt in Wien Minotauri, 2010 Vor einem Abbruchhaus in winterlicher Kulisse in Belgrad stehen vier schwarze Personen mit Minotaurusmasken. Karibischer Karneval in (post-)jugoslawischem Setting? Wie sind die verkleideten Menschen hierher gekommen? Warum wirken ihre Körper durchscheinend? Vukoje hat eine besondere, diaphane (durchsichtige) Malweise, wodurch die Figuren wie Illusionen wirken. Sie trägt Farben in Schichten auf, verwendet transparente Lasuren, fließende Farben oder auch Farbspray. Die in Belgrad aufgewachsene Künstlerin interessiert sich für das Verkleiden, für rituelle Verwandlungen und für Erscheinungsformen afroamerikanischer Kulturen. Viele ihrer Motive hat sie in Trinidad und Tobago beim Karneval fotografiert und anschließend malerisch umgesetzt. In ihren Gemälden, die Ausdruck radikaler Veränderungen einer globalisierten Gesellschaft sind, reflektiert sie kritisch westliche exotisierende Klischeevorstellungen. Minotauri wurde 2011 mit Mitteln der Galerienförderung für das LENTOS angekauft. Seite 21 Nives Widauer geb. 1965 in Basel, Schweiz; lebt in Wien Deadlands, Werkgruppe: “dialog mit analog”, 2009 Widauer beschäftigt sich in dieser Arbeit mit dem Tod. Die Auseinandersetzung findet – ausgerechnet – in Wien statt. Es geht hier aber nicht darum, alte Klischees zu bedienen, denn dazu ist diese Auseinandersetzung viel zu persönlich: Nach dem Tod ihres Vaters findet sie in dessen Bücherregal Egon Friedells Buch über Totenporträts von berühmten Persönlichkeiten aus dem Jahr 1929 und damit jene Abbildungen von Totenmasken, die sie hier auf fotografisches Fundmaterial geklebt hat. Sie geben den Impuls für eine einjährige Trauerarbeit, in der mehrere Collagen entstehen. Die Fotografien von Landschaften oder archäologischen Stätten fand Widauer auf dem Wiener Flohmarkt. Anders als in dem Buch Das letzte Gesicht des Kulturhistorikers Friedell sind bei den von ihr ausgewählten Totenmasken bewusst keine Namen angegeben. Diese „letzten Porträts“ werden von Widauer neu verortet. Sie entschweben in idyllische Totenländer: Tröstlich, friedlich und still. Die Werkgruppe wurde 2012 für das LENTOS angekauft. Seite 22 Pressebilder Pressebilder stehen für die Dauer der Ausstellung auch auf www.lentos.at zum Download bereit. Lizenzfreie Nutzung nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung. 1. Egon Schiele Doppelbildnis Heinrich und Otto Benesch, 1913 LENTOS Kunstmuseum Linz 2. Béatrice Dreux Menschenfresserin mit blauem Lamm, 2012 LENTOS Kunstmuseum Linz 4. Helene Funke In der Loge, 1907 LENTOS Kunstmuseum Linz 5. Deborah Sengl Strauss aus der Serie Hohe Tiere, 2010 LENTOS Kunstmuseum Linz a Schenkung Mag. Maria und Gerald Fischer-Colbrie 7. EVA & ADELE © EVA & ADELE 8. EVA & ADELE Family Portrait (Heidi), 1992 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2013 Seite 23 3. Manfred Erjautz, Shelter (In, Under and Over), 2007/08 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2013 6. Marlene Haring Weil jedes Haar anders ist / Because every hair is different, 2005–2007 LENTOS Kunstmuseum Linz 9. Künstlerinnenraum von EVA & ADELE: Zwei LENTOS Kunstmuseum Linz Foto: maschekS. 10. Maria Bussmann Foto: maschekS. 11. Maria Bussmann Ohne Titel, aus der 7-teiligen Serie Japanische Übungen, 2008 LENTOS Kunstmuseum Linz 13. Gerwald Rockenschaub Foto: © Sabine Hauswirth 16. Nasan Tur 14. Gerwald Rockenschaub Picture # 7152, 2009 LENTOS Kunstmuseum Linz © Gerwald Rockenschaub 17. Nasan Tur Bautzner Straße, 2009 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2013. Foto: maschekS. 19. Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová 12. Künstlerinnenraum von Maria Bussmann: Von Ratten und Vögeln LENTOS Kunstmuseum Linz Foto: maschekS. 15. Künstlerraum von Gerwald Rockenschaub: Bouncing Ball LENTOS Kunstmuseum Linz Foto: maschekS. 18. Künstlerraum von Nasan Tur LENTOS Kunstmuseum Linz Foto: maschekS. 20. Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová Haiku, 2008 Seite 24 LENTOS Kunstmuseum Linz Courtesy Christine König Galerie, Wien/Vienna 21. Künstlerinnenraum von Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová LENTOS Kunstmuseum Linz Foto: maschekS.