Aufbau, Funktionsweise, Gefährdungspotential von Lithium

Transcrição

Aufbau, Funktionsweise, Gefährdungspotential von Lithium
Bild: BMZ Batterien-Montage-Zentrum GmbH
STROMVERSORGUNG
Aufbau, Funktionsweise
und Gefährdungspotenzial
von Li-Ionen-Zellen
Zellen. Zum Dritten jedoch ist Lithium
ein Metall, das sehr reaktionsfreudig
und leicht brennbar ist. Beim Umgang
mit Lithium ist also Vorsicht geboten,
denn Metallbrände sind nur sehr
schwer zu löschen. Auch muss ein Kontakt von Lithium mit Wasser vermieden
werden. Bei der Reaktion Lithium mit
Wasser wird sehr viel Wärme entwickelt und als Reaktionsprodukte entstehen ätzende Lithiumlauge (LiOH)
und leicht brennbarer Wasserstoff
(H2).
Im Gegensatz zu der Blei-, NiCdund NiMH- wird bei der Li-Ionen-Technik deshalb auch kein wässeriger Elektrolyt verwendet.
_08P1B_Gaia_N_EK_ECO.ps;S:
1;Format:(90.00Stattdessen
x 62.00 mm);11.werden
Jul 2012 14:07:31
Lithium-Ionen-Zellen dominieren den Markt für wiederaufladbare Batterien. Sie haben konkurrierende elektrochemische
Speicher wie Nickel-Cadmium oder Nickel-Metallhydrid im
Laufe der letzten Jahre ersetzt. Das liegt einerseits daran, dass
die Verwendung von Cadmium, ein giftiges Schwermetall, in
Europa verboten wurde. Andererseits sind Li-Ionen-Zellen bezüglich Energiedichte, Zyklenfestigkeit und Selbstentladungsrate ihren Konkurrenten überlegen. Von Lithium-Ionen-Zellen
geht aber bei Über- und Tiefentladen eine Gefahr aus, die im
ungünstigsten Fall zu einem Feuer führt.
Von Dr. Jochen Mähliß
L
ithium (Li) ist in mehrerer Hinsicht ein ganz besonderes Element: Zum Ersten ist Lithium das leichteste
feste Element auf unserer Erde, und obwohl es ein
Metall ist, ist seine Dichte so gering, dass es auf Wasser
schwimmt. Mit Lithium lassen sich also besonders leichte
Zellen konstruieren – wesentlich leichter, als es mit Blei
möglich ist. Zum Zweiten hat Lithium das negativste Normalpotenzial (E0: –3,04 V) aller Elemente; das heißt einerseits, dass es ein Elektron so bereitwillig abgibt wie kein
anderes Element – freie Elektronen werden für den Stromfluss von der Anodenseite (negative Elektrode) zur Kathodenseite (positive Elektrode) benötigt – und andererseits,
dass sich mit Lithium die höchsten Zellspannungen erreichen lassen. Beides zusammengenommen ergibt eine
unschlagbare, auf das Gewicht bezogene Energiedichte,
die mindestens doppelt so hoch ist wie die von NiMH
Elektronik ecodesign August 2012
33
STROMVERSORGUNG
Li-Cobaltoxid
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Li-Graphit
Laden
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Kathode
Li+
Li+
Li+
Li+
Li+
Entladen
Li
Li
Li+
Li+
Li
Li
Li
Li
Li
Li
Li
Anode
Bild 1. In der Zelle eines Li-Ionen-Akkus werden beim Laden und Entladen die Lithium-Ionen von einer Elektrode zur anderen umgelagert – je nach Stromrichtung.
(Quelle: batteryuniversity.eu GmbH)
wasserfreie organische Elektrolytflüssigkeiten eingesetzt. Eine Elektrolytflüssigkeit ist in jeder elektrochemischen Zelle notwendig, damit es zum
Ladungsausgleich kommen kann. Jede
Zelle besteht zudem aus einer Anode
(dort treten die Elektronen aus), einer
Kathode (dort werden die Elektronen
aufgenommen) und einem Separator
(meistens Polyethylen-Folie), der einen
direkten Kontakt zwischen Anode und
Kathode und somit einen Kurzschluss
verhindert. Beim Entladevorgang gibt
ein Li-Atom auf der Anodenseite ein
Elektron, d.h. negative Ladung, ab und
zurück bleibt ein positiv geladenes LiIon. Die Elektronen fließen über den
äußeren Stromkreis von Anode zu Kathode, gleichzeitig wandern aufgrund
der elektrischen Anziehung die Li-Ionen über die Elektrolytflüssigkeit
durch den Separator zur Kathode. Somit wird verhindert, dass die Kathode
sich negativ auflädt, nachfolgende
Elektronen abgestoßen werden und
der Stromfluss zum Erliegen kommt.
Beim Aufladevorgang kehren sich die
Vorgänge um und wegen der beim
Laden und Entladen hin- und herwandernden Li-Ionen spricht man von der
Li-Ionen-Zelle.
Zellen, die pures Lithium
beinhalten, die sogenannten
Lithium-Metall-Zellen, sind
nicht wiederaufladbar. Prinzipiell ließen sie sich zwar wiederaufladen, jedoch würde
sich das Lithium beim Aufladen nicht planar (flach) abscheiden, sondern als spitzes
„Nädelchen“ (Dendrit) aufwachsen, das leicht den Separator durchstoßen und somit
einen Kurzschluss verursachen könnte. Aus diesem
Grund wird für Li-Ionen-Zellen kein metallisches Lithium,
sondern ein Aktivmaterial –
üblicherweise Graphit – auf
der Anodenseite eingesetzt,
in das die Li-Atome kontrolliert eingelagert werden können (Interkalation). Auf der
Kathodenseite wird ein MeBild 2. Überladeversuch an einer voll geladenen Li-Ionentalloxid, z.B. Cobaltoxid oder
Polymerzelle mit 2,2 Ah (links: Ursprungszustand). Bereits
nach fünf Minuten Überladen mit 2C (4,4 A) hat sich so viel
Manganoxid, eingesetzt, um
Gas in der Zelle gebildet, dass die Gehäusefolie sich prall
eine möglichst große Potenzialdifferenz zwischen Anode
aufbläht (rechts). (Bild: Fraunhofer ICT)
34
Elektronik ecodesign August 2012
und Kathode zu generieren. Sowohl
das Graphit als auch die Metalloxide
sind schichtweise strukturiert, damit
die Li-Ionen sich zwischen den Schichten einlagern können (Bild 1).
Werden Li-Ionen-Zellen überladen
oder hohen Temperaturen ausgesetzt,
dann bricht die Schichtstruktur der
Metalloxide zusammen. Bei diesem
Vorgang – er verläuft stark exotherm,
d.h. hohe Energiemengen werden freigesetzt – wird elementarer Sauerstoff
gebildet. Die hohe Wärmeenergie
führt zu einer Verdampfung der organischen Elektrolytflüssigkeit, wodurch
leichtbrennbare Gase entstehen. Überschreitet die Temperatur in der Zelle
den Flammpunkt eines Gases, dann
entzündet sich dieses organische Gas
und die Li-Ionen-Zelle brennt. Da dies
ein sich selbst verstärkender Prozess
ist, kann er zum thermischen Durchgehen führen und die eingelagerten LiAtome entzünden (Metallbrand). Ein
solcher Brand lässt sich nur schwer löschen. Auf keinen Fall darf mit Wasser
gelöscht werden! Auch Löschversuche
mit speziellen Metallbrandlöschern
(Feuerlöscher Klasse D) können erfolglos bleiben, da Li-Ionen-Zellen den
zum Brand benötigten Sauerstoff
selbst erzeugen.
Das Tiefentladen einer Li-IonenZelle kann ebenfalls zu einem Brand
führen. Wiederum zersetzt sich die
Elektrolytflüssigkeit und bildet dabei
leicht brennbares Gas. Aus dem Kupferblech, das auf Anodenseite als Ableitermaterial genutzt wird, gehen
Kupfer-Ionen in Lösung. Wird solch
eine tiefentladene Li-Ionen-Zelle geladen, kann die zugeführte Energiemenge durch das Fehlen von Elektrolytflüssigkeit nicht mehr in chemische Energie gespeichert werden. Die LadeEnergie wird in Wärme umgesetzt.
Außerdem scheiden sich die gelösten
Kupfer-Ionen als Kupfer-Nadeln auf
dem Graphit (Anode) ab. Sie können
die Separatorfolie durchstechen und
einen Kurzschluss herbeiführen.
Was passiert beim Überladen und
Tiefentladen?
Um den zeitlichen Verlauf der Gasentwicklung und die Zusammensetzung
der anfangs gebildeten Gase zu untersuchen, wurden in Zusammenarbeit
mit dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT, [1]) in Pfinztal
STROMVERSORGUNG
Häufigkeit
Häufigkeit
Überlade- und Tiefentladeoxid, Methan, Ethan und
versuche vorgenommen. Die
Ethen erwartet, die sich
80.000
Temperaturentwicklung in
auch tatsächlich wiederH2
den Li-Ionen-Zellen wurde
fanden (Bild 4). Ein erhöhdurch jeweils zwei Temperater Sauerstoffanteil aus
turfühler aufgezeichnet.
dem Zerfall der MetallN2
Im Überladeversuch wuroxidschichten (Kathode)
den vollgeladene 2,2‑Ah-Likonnte nicht nachgewieO2
thium-Ionen-Polymerzellen
sen werden, da dieser ProCH4 CO
CO2
(Ladeschlussspannung 4,2 V)
zess durch die geringe
mit einem konstanten Strom
Überladung noch nicht
von 4,4 A (2C) innerhalb von
oder nur gering stattge−10.000
5 min bis auf 4,9 V überladen.
funden hatte. Vielmehr
0
14
min
Retentionszeit
Bild 2 illustriert, wie sich die
entsprach der Ausschlag
Polymerzellen – sie haben
für Sauerstoff und Stickkein festes Metallgehäuse –
stoff dem Verhältnis 1:4,
infolge der entstehenden
was die natürliche ZusamGase aufblähen. Gleichzeitig
mensetzung der Luft wie3.800.000
stieg die Temperatur der Zeldergibt. ÜberraschenderMethan
len von 20 °C auf 39 °C.
weise wurde im ÜberladeIm Tiefentladeversuch
sowie im Tiefentladefall
wurden entladene Li-Ionenein sehr hoher WasserZellen (Entladeschlussspanstoffanteil detektiert. Im
Ethan
nung 2,8 V) mit einem kon­
Überladefall betrug dieser
Kohlenmonoxid
stanten Strom von 1C bis in
ca. 85 %, im TiefentladeKohlenden Bereich der Spannungsfall ca. 42 %. Wasserstoff
Ethen
dioxid
umkehr tiefentladen. Die
ist ein sehr leicht brenn−900.000
Zelle wurde hierzu mit einem
bares Gas, das mit dem
0
10
min
Netzteil (Ausgangsspannung
Sauerstoff der Luft exploRetentionszeit
12 V) in Reihe geschaltet und
sives Knallgas bilden kann.
mit einer hierzu parallelgeDie beim Über- und Tiefschalteten elektronischen
entladen von Li-IonenBild 4. Beim Tiefentladen bis zur Umpolung wurde im Gas, das sich in der
Last entladen (Bild 3). Auch
Zellen intern ablaufenden
Li-Ionen-Zelle entwickelte, vorrangig Wasserstoff (Bild a: TCD-Detektor) und
hier blähten sich die Zellen
Reaktionen sind sehr komKohlenwasserstoffverbindungen wie Methan, Ethan und Ethen (Bild b: FIDinfolge entstehender Gase
plex, und die Entstehung
Detektor) gefunden. Der nicht bezeichnete Ausschlag (Bild a, nach dem COauf und die Temperatur der
von Wasserstoff wird in
Signal) ist kein von einem Gas hervorgerufenes Signal, sondern stammt von
Zellen stieg um 29 °C.
der Fachwelt noch diskuder Säulenschaltung im Gaschromatograph. Sie verursacht einen kurzen
Zur Entnahme der Gastiert. Es wird jedoch verDruckunterschied, der ein „Signal“ im Detektor erzeugt. (Quelle: Fraunhofer ICT)
proben wurde Silikonkleber
mutet, dass Wasserstoff
als Septum auf die Oberfläche der
die überladenen Zellen davor auf 0 V
aus der Reaktion zwischen dem interPouchzellen aufgetragen und das Gasentladen.
kalierten Lithium und dem verwengemisch über eine feine Kapillarspritze
Zu der qualitativen und quantitatidenten fluorinierten Binder entstamentnommen. Zur Sicherheit wurden
ven Analyse wurde ein Gaschromatomen könnte. hs
graph in Kombination mit einem Wärmeleitfähigkeitsdetektor (TCD-Spek­
Literatur
trum) und einem Flammenionisations[1] www.ict.fraunhofer.de
12 V
detektor (FID-Spektrum) eingesetzt.
I=1C
U
Durch den vorangeschalteten Gaschromatographen wurden die Gase
elektronische
Li-IonenLast
sauber aufgetrennt, so dass diese mit
Zelle
den nachgeschalteten Detektionsmethoden leicht bestimmt werden konnDr. Jochen Mähliß
ten. Im gemessenen Spektrum wurde
studierte Chemie an der Goefür jedes Gas ein charakteristischer
the-Universität in Frankfurt
Bild 3. Für den Tiefentladeversuch wurde die
Ausschlag ermittelt.
und promovierte im Juni 2006
entladene Li-Ionen-Polymerzelle (2,2 Ah) über
Da die verwendete Elektrolytflüsam dortigen Anorganischen
eine elektronische Last mit einem konstanten
sigkeit in den untersuchten Li-IonenStrom von 2,2 A (1 C) bis zur Spannungsumkehr
und Analytischen Institut. Seit
Zellen ein Gemisch aus Ethylencarboentladen. Da die entladene Zelle den für diesen
Oktober 2010 ist er bei der
nat und Ethylmethylcarbonat war,
Test nötigen Strom nicht selbst erzeugen kann,
batteryuniversity.eu GmbH angestellt und seither dreht
wurden als gasförmige Entstehungssich bei ihm alles um elektrochemische Energiespeicher.
ist ein 12‑V-Netzteil in Reihe geschaltet.
produkte Kohlenmonoxid, [email protected]
(Quelle: Elektronik)
Elektronik ecodesign August 2012
35