Thema: Frauen und Männer - Forum Junge Anwaltschaft

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Thema: Frauen und Männer - Forum Junge Anwaltschaft
G 48742
04/ 09
Anwalt der Anwälte
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
E X T RA 2010
Kalender zum
Heraustrennen
Thema:
Frauen und Männer
„Die Anwälte" - Ströbele, Schily, Mahler
Geschlechterkampf im Gerichtssaal
Vom FORUM in den Bundestag
Kanzleibewertung und Checkliste
Anwalt in Elternzeit
FORUM Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
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Aus der Redaktion
Robe, Gefängnis, Bundestag
Am Anfang steht die Idee. Die Idee zu diesem
Heft war: Männer und Frauen. Dazu müsste uns
doch bestimmt etwas einfallen, was unsere Leser
interessiert. Und es fiel uns etwas ein, eine ganze
Menge sogar. Es fiel uns nicht nur etwas ein,
sondern es fiel auch etwas auf. Nämlich, dass
immer, wenn man das Thema Männer und Frauen anspricht, die Frauen die Nase vorn haben.
Davon konnten auch wir uns nicht ganz befreien.
Und so neigt sich Justitias Waage für dieses
Heft, die Männer mögen es uns verzeihen, auf
der weiblichen Seite nach unten, was wiederum
nicht heißt, dass dieses Heft nicht auch für
Männer lesenswert ist.
Frauen als Strafverteidiger
Strafverteidiger, denkt man, ist doch bestimmt nicht
typisch weiblich. Schließlich ist vom Strafverteidiger
und nicht von der Strafverteidigerin die Rede. Strafverteidigung – da denkt man doch sofort an Knast
und böse Jungs, aber an eine nette Kollegein? Ja, das
ist eine Geschichte. Anke Schiller-Mönch fiel sofort
eine Kollegin ein, die das schon seit vielen Jahren
macht. Sie durfte mit ihr in die hiesige JVA. Die Beamten dort waren recht unkompliziert. Innerhalb
kürzester Zeit hatte sie Erlaubnis, die Kollegin zu
begleiten und auch zu fotografieren. Sie war erstaunt – nicht nur darüber.
Schwul und Robe?
Recht und Politik
Ist dies heute noch ein kontroverses Thema? Düstere
Vorstellungen von Diskriminierung und Mobbing
nähren das Bild über die nach außen als traditionsbewusst wahr genommene Roben tragende Zunft.
Die junge Geschichte hat gezeigt, dass jedes Recht
auf gleichberechtigte Teilhabe zumeist einen langen
Kampf durch die Institutionen bedeutete. Der Abschaffung des „Schwulenparagraphs“, 175 Strafgesetzbuch, gingen somit unlängst harte politische,
aber auch juristische Auseinandersetzungen voraus.
Grund genug, den aktuellen Sachstand abzufragen,
ob etwas dran ist, unter anderem an der Befürchtung der Ausgrenzung homosexueller Juristen. Die
Szene und die Menschen, die deren Unterstützer
waren und sind, klären AdVoice auf.
Foto: Kusiuk – fotolia.com
AdVoice
Redaktionsteam
RA
Percy Ehlert, Berlin
Redaktion und Autor
Diese beiden Felder sind eng ineinander verwoben.
Das weiß unser Redakteur Percy Ehlert, der vor seiner Tätigkeit als Anwalt mehrere Jahre als Referent
für einen Bundestagsabgeordneten tätig war. Diese
Verbindung wird Rechtsanwältin Katja Keul in den
kommenden vier Jahren erleben. Unter den Linden
50 heißt die Adresse für den Interviewtermin mit
Katja, die gegenwärtig wahrscheinlich das dienstälteste Forumsmitglied ist. Nur ein paar Meter sind
es von hier bis zum Brandenburger Tor und dann
noch einen Steinwurf bis zum Reichstag. Aus dem
niedersächsischen Marklohe, wo sie noch bis Ende
September die einzige Kanzlei am Ort geführt hat,
als Abgeordnete in den Bundestag – dieser Geschichte sind unsere Redakteure Percy Ehlert und
Tobias Sommer im Gespräch mit der erfahrenen
FORUMskollegin nachgegangen. Ihr Fazit: Für den
Schritt vom RA zum MdB (Mitglied des Bundestags) braucht es Überzeugungen, eine gute Rede
und auch ein bisschen Glück.
RA
Tobias Sommer, Berlin
Chefredakteur
RAin
Anke Schiller-Mönch, Weimar
Redaktion und Autorin
RA
Patrick Ruppert, Köln
Redaktion und Autor
Journalistin
Stefanie Salzmann, Eschwege
Zentralredaktion
RA
Jens Jenau
Schloß Holte-Stukenbrock
Bücherforum
Andrea Vollmer, Berlin
Fotografin und Bildredaktion
ADVOICE 04/09
1
Inhalt
Thema: Frauen und Männer
Magazin
x
Frauen sind die besseren Männer
Über den kleinen Unterschied
x
Streben nach Normalität
Homosexualität im juristischen Alltag
x
Lechts und Rinks
„Die Anwälte“ –Schily, Ströbele, Mahler
x
Fertigssalat oder Fünf-Sterne-Sushi
Zwei Alltagsgeschichten
x
Typisch Frau / Typisch Mann
Meinungen
x
Die RVG-Frage
x
Leserbrief
x
Familienrecht ist weiblich
Klischee oder Wirklichkeit?
x
Ernsthaft bei der Sache
Über den Sinn von Anwältinnentagen
x
Über den Wert einer Kanzlei
Richtlinien und Checkliste
Jungs gegen Mädchen
Geschlechterkampf im Gerichtssaal
x
Männer sagen nein - Frauen wägen ab
Haltungsunterschiede
x
Entscheidungsticker
x
Justitia ist ein Frau
Ist das Recht auch weiblich?
x
Gleichung mit Unbekannten
Versorgungswerk
x
Robe auf Rollen
Eine Anwältin im Rollstuhl
x
Anwalt und Vater
Über Männer und Elternzeit
x
Sie raffiniert, er brutal
Geschlechtstypische Gefährlichkeit
x
Haftungsvermeidung
Haftungsfalle „Vergleich“
x
Anwaltschaft in Zahlen
Statistik
x
Hinter Gittern
Strafverteidigerin im Knast
x
Erfahrungsbericht Kanzleigründung
Wirtschaften in der Wirtschaft
x
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Frauen verdienen weniger
x
Alles für die Katz?
Auf Umwegen zum Ziel
x
Auf Abwegen
Jürgen im Familienrecht
x
Frauen-Frust
Über den Sinn von Frauenbeauftragten
x
2
ADVOICE 04/09
Inhalt
Euer FORUM
x
x
Das andere Mandat
Katja Keul im Bundestag
Bücherforum
x
Passion Arbeitsrecht
Der Arbeitsvertrag
Drin!
FORUMs-Damen im Anwaltsverein
Bundle Fachanwaltschaft Arbeitsrecht
XING
Kanzlei und Kind im Netz
Taktik in neuen familienrechtlichen Verfahren
Auf die Sprünge helfen
Karrieretag Hamburg
Das Recht in der Untersuchungshaft
x
Fälle von der FORUMs-Mailingliste
Kommentare zum GmbH-Gesetz
x
Global vernetzt
Länderbeauftragte weltweit aktiv
x
x
Zugewinnausgleich in der Praxis
Familienverfahrensrecht
Praxis Strafmessungsrecht
Fotografie und Recht
Verkehrsrecht
Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz
x
FORUM regional:
Neue RB für Coburg
x
Länderbeauftragte stellen sich vor
Marokko
AGB-Recht in der anwaltlichen Praxis
Das insolvenzrechtliche Mandat
Formularbuch des FA Miet- und
Wohneigentumsgesetz
Kommentar zum RDG
Mietrecht aktuell
Münchener AnwaltsHandbuch
Medizinrecht
Zivilprozessordnung
Kommentiertes Prozessformularbuch
Info + Service
x
Autorenverzeichnis
x
Das letzte Wort
x
Impressum
E X T RA 2010
Kalender zum
Heraustrennen
Der Autokauf
Stiftungsrechts-Handbuch
im Mittelteil dieses Heftes
ADVOICE 04/09
3
Thema
Frauen sind die besseren Männer
Über den Unterschied zwischen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen
X und Y. Überwiegend gleich und doch grundverschieden: Frauen und Männer.
Männer und Frauen sind gleichberechtigt, so
verlangt es unsere Verfassung. Jede Form der
geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung, mithin Diskriminierung, ist demnach abgeschafft?
Sind wir, egal ob männlich oder weiblich, nicht
inzwischen sogar auf dem besten Weg, neben
dem Ziel der Gleichberechtigung auch die totale
Geschlechtergleichheit erreicht zu haben?
Indizien für letztaufgeworfene These scheinen
allerorten sichtbar. So wird auf großen Werbeplakaten mit knabenhaften Modelkörpern, weiblich, für Jeans und Sakkos geworben. Auffällig der
Gesichtsausdruck jener Mannequins, die bereits
wegen der gut gegelten Seitenscheitelkurzhaarfrisuren an einen James Dean oder Elvis Presley in
jungen Jahren erinnern. Es fehlt nur noch der
Schnurrbart, um das Bild vom „männlichen Imitat“
perfekt zu machen. Vorbei die Zeiten, in denen nur
lang gewelltes Barbiepuppenhaar und reichlich
Kurven zählten.
Auch den Männern geht es in Sachen ihrer Männlichkeit erkennbar an die Wäsche. Ein – vorsichtig
formuliert – „Amüsiermagazin für Frauen“ mit dem
Namen „Jungsheft“ zeigt weiche Männerkörper, die
alles andere als dem Bild des gestählten Muchomachos entsprechen. Androgyn ist die neue Mitte
der Geschlechter. Folgerichtig werden auch die typischen Männerjobs, vor noch nicht einmal zwanzig
Jahren undenkbar, von Frauen erobert. Die Polizei,
die Feuerwehr, die Bundeswehr, die städtischen
Abfallbetriebe, die Medien, die Politik und auch die
Juristerei sind keine Domänen des Mannes mehr.
Gleichheit / Gleichmacherei
Konservative Kreise wettern dagegen und beschwören den Untergang der Zivilgesellschaft, da
die Familiengründung zu kurz komme und die
Erziehung des Nachwuchses leide, denn schließlich
seien Frauen der Hort und die Wiege ... und so
Foto: Andrea Vollmer
weiter und so fort. Die „Frauen-an-den-Herd“Debatten dürften hinlänglich bekannt sein. Haben
diesbezüglich die Warner vor der angeblichen
Apokalypse Recht, ist das Gleichheit im Sinne einer
Gleichmacherei? Zählt der kleine Chromosomenunterschied nichts mehr in einer aufgeklärten
Welt? Trotz der aufgezählten Beispiele, die vermeintlich die Egalisierung von männlicher und
weiblicher Biologie versinnbildlichen, ist die Antwort klar: Doch, der Unterschied zählt, nur eben
nicht wie früher oder nicht so, wie es viele Männer
alter Schule erwarten.
Kindererziehung für alle
Von Juristen für Juristen, allerdings eben nicht
ausschließlich für sie, sondern für alle Bürger, ist
etwa das Gesetz über die Elternzeit. Dank dieser
Regelung steht es Partnern frei, die Kindererziehung
in der Anfangszeit des Wachstums mit staatlicher
Thema
Unterstützung aufzuteilen oder einem Elternteil in
der Hauptsache zu überlassen. So kann der noch
vor dem zweiten Examen steckende „Er“ getrost
eine Auszeit nehmen, um den Säugling zu betreuen,
während seine Partnerin als gut verdienende „Sie“
Associate in der Großkanzlei bleiben kann. Ein Pro
also für die Annäherung der Geschlechter?
Ost-West-Spaltung
Ein Blick auf die Landkarte Deutschlands zeigt
jedoch, dass es zwischen Ost und West erhebliche
Unterschiede gibt, was die Vorstellung von Frau und
Beruf angeht. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2004 waren in
Westdeutschland immerhin noch 40 Prozent der
Befragten der Überzeugung, dass sich Frauen besser
ausschließlich um die Kinder und den Haushalt
kümmern sollten. In Ostdeutschland waren dieser
Meinung hingegen nur 17 Prozent. Folgerichtig
konnten dann auch nur 29 Prozent im Osten eine
Gefahr für das Kindeswohl darin sehen, wenn sich
die Frau der beruflichen Karriere widmet. Im Westen
waren noch ganze 63 Prozent dieser Auffassung.
Der Anwaltsberuf ist letztlich ein Spiegelbild der
gesellschaftlichen Entwicklung, was die Emanzipation gegenüber dem Geschlecht anbelangt.
Gehirntätigkeit macht krank
Rückblickend hatten es Frauen alles andere als
leicht, als sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Jurisprudenz strebten. Obgleich nach
der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August
1919 Frauen gleiche staatsbürgerliche Rechte zuer-
kannt bekamen, ließ man sie nicht in die juristischen Berufe vorstoßen. Dies geschah mit teils
abenteuerlichen Begründungen, die sich auf vermeintlich wissenschaftliche Erkenntnisse stützten.
So sah man in der weiblichen Biologie ein ernstliches Problem, den Beruf eines Richters oder Anwalts ausüben zu können. Die Kinderfrage war
hierbei noch nicht einmal das Argument, das einen
heutzutage sofort den Kopf schütteln ließe. Da war
beispielsweise die Rede davon, dass es einer
verheirateten Juristin an Objektivität fehlen könnte,
weil sie von der „Geistesrichtung des Mannes“
abhängig sei (Juristische Wochenschrift 1919, S.
654 f). Ferner war man(n) der Meinung, dass „übermäßige Gehirntätigkeit das Weib nicht nur verkehrt, sondern auch krank“ mache (Fritz Ostler, Die
Deutschen Rechtsanwälte 1871-1971, S. 170 f.).
Dies waren laut geäußerte Ansichten, die ob ihrer
Eigentümlichkeit heute keiner weiteren Kommentierung mehr bedürfen und für sich selbst sprechen.
Frauen mit harter Gangart
Die Verhältnisse haben sich geändert, und das
grundlegend. Frauen drängen vehement in die Anwaltschaft und die anderen juristischen Berufe. Da
nimmt es auch nicht Wunder, dass es manch
männlichen Kollegen sonderbar vorkommt, wenn
sich die Frauen an ihnen einstweilen orientieren.
So meint etwa Rechtsanwalt Martin Möller aus
Hannover beobachtet zu haben, dass einige Kolleginnen zu einer besonders harten, gar übermännlichen Gangart neigen und beschreibt Frauen als
„bessere“ Männer. Er hätte oft den Typ der rigoros
auftretenden Staatsanwältin erlebt, die den Indubio-pro-reo-Grundsatz lieber gegen den Aus-
Hübsche Beine, aber harte Gangart. Sind Frauen inzwischen die besseren Männer?
spruch „Ihr Mandant gehört aus der Öffentlichkeit
entfernt“ eintauscht. Heißt dies also, dass der Geschlechterkampf mitten im Gange ist und Männer
sowie Frauen einander belauern und beharken, wo
immer es geht?
Diskriminierung - kein Thema
Die Praxis spricht eine andere Sprache. Tatsächlich
gibt es zwar Reibereien, die auf der Geschlechterebene funktionieren. Faktisch nehmen sie aber
einen deutlich geringeren Umfang ein, als es gemeinhin vermuten lässt. Mobbing und Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit
sind zumindest aus Sicht der Antidiskriminierungsrechtslage wenig messbar. Verfahren nach dem
noch jungen Antidiskriminierungsgesetz wurden
bislang kaum registriert. Auskünfte der regionalen
Rechtsanwaltskammern bestätigen diese Annahme.
Der Geschäftsführer der Kölner Rechtsanwaltskammer Martin Huff meint: „Antidiskriminierungsfälle
unter Kollegen hatten wir bisher keine. Das ist in
unserem Kammerbezirk aktuell kein Thema.“ Sollte
es eine Beschwerde deswegen geben, nähme man
sich natürlich der Sache an, so Huff. Nachfragen bei
der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin stützen
die These ebenfalls, dass es weniger kollegialen
Zwist gibt, der sich mit der Geschlechterrolle
auseinandersetzt. Eigens eingerichtete Abteilungen,
die sich mit Gleichstellung und Antidiskriminierung
auseinandersetzen, existieren daraus folgernd dort
nicht. Dass es künftig ein geändertes Bewusstsein
und somit eine Verschlechterung im Verhältnis
Mann/Frau geben wird, erscheint unwahrscheinlich.
RA Patrick Ruppert, Köln
Fotos: Andrea Vollmer
5
Thema
Schon wieder morgen, eben war doch noch gestern?
Aus dem Alltag einer Anwältin
07:09 Uhr
Es ist viel zu spät. Wie passend, dass sie an diesem
Morgen völlig übernächtigt zu sein scheint (ich
weiß ganz genau, dass sie nachts die Barbies rausholt und heimlich damit spielt, aber habe sie noch
nie in flagranti dabei erwischt). „Nöö, diese Hose
ziehe ICH nicht an, die ist völlig uncool.“
07:28 Uhr
Also gut, dann übe ich eben schon im Bad noch
mal den Aufbau eines strafrechtlichen Plädoyers.
07:45 Uhr
Ankunft am Schulgebäude. Es klingelt zum Unterricht. „Daran bist nur DU schuld!“ Der vorwurfvolle
Tonfall ist schon bemerkenswert. Woran bin ich
eigentlich nicht schuld?
Eklig aber schnell. oft reicht die zeit nur für Fast food.
Foto: Thommy-Weiss . pixelio
06:05 Uhr
Fertigsalat oder
5-Sterne-Sushi
Zwei Menschen, zwei Tagesabläufe. Der eine
männlich, der andere weiblich. Beide haben
jedoch eines gemeinsam, sie bedienen ein klassisches Klischee. Sie muss als selbstständige
Anwältin neben ihrer Kanzlei den Haushalt
schmeißen und darauf achtgeben, dass die Kids
pünktlich in Kita und Schule kommen. Er, Typ
rastloser Singleanwalt, scheint geradezu geschmeidig durchs Leben zu gleiten, denn zwischen Gerichtssaal und Mandantenmeetings
sind kurze Klicks im Facebook und Wellness am
Abend Pflichtprogramm. Harte Realität? Nicht
jeder junge Anwalt ist kinderlos und hoppt leger
zwischen Mandantenterminen und 5-SterneSushi durch den Tag. Auch die selbstständige
Anwältin hat das Modell „moderner Ehemann
und Vater“ an ihrer Seite.
6
ADVOICE 04/09
Um diese Uhrzeit geruht der mit zu organisierende
Teil der Familie noch zu schlafen. Ich habe eine
knappe Stunde für mich allein. Wenn ich mich in
dieser Zeit nur meinem seriösen Erscheinungsbild
und einer großen Tasse Kaffee widmen könnte?
Stattdessen muss ich Zeugenaussagen noch mal
durchlesen. Der Mandant in der JVA, bei dem ich für
09:00 Uhr angemeldet bin, erwartet schließlich,
dass ich optimal vorbereitet bin. Also schnell den
Anzug übergeworfen, die Haare auf „kann so bleiben“ getrimmt und die Ordner aufgeschlagen.Die
wichtigen Zeugenaussagen befinden sich auf Bl.
582 ff. und 756 ff. im Leitzordner II. Und es gibt
noch neue Zeugenaussagen im Leitzordner III, Bl.
1043 ff. Warum nur müssen wir solche Papierberge
anhäufen? Den Kaffee vergesse ich bei der Lektüre
natürlich zum wiederholten Mal unter der Kaffeemaschine. Jetzt schmeckt er eher nach eingeschlafenen Füßen. Ab in den Ausguss. So – die wichtigsten Aussagen habe ich schon wieder vergessen,
aber mit bunten Zettelchen markiert, sind sie gespeichert. Schnell die Tasche gepackt und los. Ach
nee – doch nicht. Zuvor sollte ich dann doch meine
Tochter noch zur Schule bringen, die schläft ja noch
und geht davon aus, dass sie jemand weckt.
07:56 Uhr
Das Radio vermeldet: 20 km Stau. Ich fahre die
nächste Ausfahrt raus. Das mit dem Kaffe an der
nächsten Raststelle hat sich erledigt.
08:59 Uhr
Ankunft an der JVA. Der Mandant ist sehr gut
vorbereitet. Alle Bescheinigungen, die ich haben
wollte, hat er besorgt, und einen recht gefassten
Eindruck macht er auch. Ich freue mich, das hat ja
richtig gut geklappt!
10:30 Uhr
Zurück in die Kanzlei. Um zwölf kommt eine Mandantin. Für die Fahrt brauche ich ungefähr eine
Stunde. Ich bin rechtzeitig zurück. Allerdings kommt
die „Mandantin“, die ein Mandant ist, zu früh und
bringt einen Mini-Streitwert mit. Egal, die beziehungsweise der ist wenigstens rechtsschutzversichert.
Äh – vorgelegt wird allerdings eine Karte über das
Bestehen einer Haftpflichtversicherung bei einem
namhaften Unterneh-men. Nachdem nun aber der
Mandant hartnäckig beteuert, er sei dort „…für
alles versichert…“, werde ich das klären.
Thema
Highlife iLife
Aus dem Alltag eines Anwalts
13:15 Uhr
Da ich um zwei in einer Zivilsache (Fortsetzungstermin) am Landgericht sein muss, reicht es für den
heiß ersehnten Kaffee.
Das warme Mittagessen fällt aus. Macht nichts, seit
ich meinen Kanzlei-Kühlschrank angeschafft habe,
sorge ich immer für ausreichend Brotbelag und
Fertigsalate als Inhalt.
13:40 Uhr
Gestärkt mache ich mich auf zum Landgericht und
ahne nichts Böses. Das ist auch besser so, denn
nachdem ich angekommen bin, muss ich feststellen, dass mein Mandant nicht erscheint.
So wie es aussieht, wird er auch nicht mehr kommen, und wie der Teufel so will, sagen die Zeugen,
die erschienen sind, reihum nicht unbedingt positiv
für ihn aus.
15:48 Uhr
Ich bin im Büro. Um fünf ist noch eine weitere
Besprechung angesetzt. Ich habe keinen Abholtag
und die Kinder sind bis abends versorgt.
17:00 Uhr
Die Mandantin ist pünktlich. Sie bringt ein tatsächlich rechtsschutzversichertes größeres Mandat mit. Na also – geht doch.
20:00 Uhr
Wieder zu Hause war die Hose des Fräulein Tochter
doch ganz ok so dass ich die Besitzerin derselben
gerne morgen früh wieder zur Schule bringen darf.
Deren männliches Gegenstück stimmt ein und
findet „…die Mama auch supa…“, will sich aber
eigentlich so nur den Schnuller erschleichen.
Nachdem beide im Bett sind, sollte ich eigentlich
noch… und… und dann noch…
Uuuuaahhh, ich bügle noch ein-, zwei uncoole
Kinderhosen und gehe dann ins Bett. Morgen ist
auch noch ein Tag.
RAin Silke Waterschek, Heilbronn
Morgen
Mein Iphone weckt mich das erste Mal um 6 Uhr
(mit Formel 1-Sounds), dann um 7 Uhr (mit „Ice Ice
baby“) und schließlich um 7.30 Uhr (mit „Eye of the
tiger“). Man kann das dank der neusten App so
einstellen. Danach Dusche, Kaffee, Audi, ab!
Der Vorteil des männlichen Anwaltdaseins ist
sicherlich der, dass man - egal welchen Alters – am
Vortag bei der AfterWork-Party richtig Gas geben
kann und trotzdem am nächsten Morgen im Anzug
einfach nur gut aussieht. Merkt man ja auch, wenn
man an der Sekretärin vorbeibraust und den frischen Kaffee-to-go mit einem Lächeln in die Hand
gedrückt bekommt.
Die Gerichtstermine laufen ebenfalls wie geschmiert,
was will einem die Gegnerin -eine Kollegin nur, zum
Glück- auch entgegenhalten? Die Argumentation
passt, neuste BGH-Entscheidung beigefügt, die Frisur hält, basta.
Das muss dann auch das Gericht – immerhin ein
Richter, zum Glück- einsehen und wird in zwei
Monaten die korrekte Entscheidung verkünden.
Dann kann man schon mal kurz im Anwaltzimmer
nach neuen Referendarinnenfotos an der Pinnwand
schauen, wer weiß, ob da rechtlich und visuell
brauchbares Material dabei ist? Immerhin muss
man auch was für die zukünftigen Nachfolger tun
– wegen der sozialen Verantwortung.
Mittag
Apropos Verantwortung: Der Körper muss dieser Anstrengung gewachsen sein, und deswegen braucht
er Treibstoff. Ich treffe mich mit Kollegen und esse
mittags Salat- die Variante zwischen den beiden
Brötchenhälften und dem Stück gebratenen Hackfleisch. Dessert: Starbucks, Coffee of the week,
Venti, 5,60 €.
Der frühe Nachmittag hält dann des einen Übel, des
anderen Glück parat: Mandantentermine.
Personally habe ich da keine Probleme, immerhin
gibt es auch nette Gespräche, Kaffee wird immer
von der Sekretärin gebracht, und rechtlich sind das
eh alles Peanuts. Letztlich tut es dem Mandanten
doch gut, wenn man ihm das Gefühl verschafft,
Recht zu haben – und sollte er es auch noch bekommen, umso besser, right? Right alright.
5-Sterne-Susih absahnen.
Foto: Hartmut910 . pixelio
Zwischendurch noch ein paar Verfügungen, Diktate,
Telefonate, ein kurzer Skype-Chat, die neusten
Facebook-Uploads, Portfolio gecheckt und geupdated, NJW durchgeblättert, beim Online-Poker
abgesahnt – und ab in den auswärtigen Termin.
Kein Mandantengespräch (unter Männern) ist so
effektiv wie das nach dem Sport (mit Männern),
also Treffen mit Herrn Dr. K. zum „Squash’n’Spa“.
Knapp gewinnen lassen, dann darf’s beim Stundensatz auch gern a bisserl höher san. Dafür Einladung
zum Sterne-Sushi vom echten Sushi-Tsu, man lässt
sich ja nicht lumpen – und die Bewirtungsrechnung
clever zuschicken, wie immer. Zwischendurch die
neusten Sport-Nachrichten übers Iphone, Schumacher kommt zurück, yes, die Wochenenden sind
gerettet, man guckt wieder Qualifying.
Abend
Abends dann noch eine Runde joggen, Ipod im und
„Final Countdown“ auf dem Ohr, Absacker-Cocktails
mit den Jungs in der „Cigar Lounge“, fertig. Morgen
wieder.
RA Martin Möller, Hannover
ADVOICE 04/09
7
Thema
Familienrecht ist weiblich
Klischee oder Wirklichkeit?
Persönlich kam ich – inzwischen Fachanwältin
für Familien- und Sozialrecht – zum Familienrecht wie die Jungfrau zum Kinde.
Schon während des Studiums stark auf das
Sozialrecht ausgerichtet, konnte ich mir beim
besten Willen nicht vorstellen, fremder Leute
dreckige Wäsche zu waschen und damit meinen
Lebensunterhalt zu verdienen. Entgegen jeglicher Erwartung stellte sich jedoch heraus, dass
mir gerade dieses Rechtsgebiet Spaß machte
und ich sowohl mit den Rechtsfragen als auch
mit den Mandanten gut klar kam. Diese schätzen offenbar meine geduldige und verständnisvolle Art – beides Eigenschaften, welche man
gemeinhin eher Frauen nachsagt.
Meine persönlichen Erfahrungen mit gegnerischen
Bevollmächtigen oder Besuchern von Fortbildungsveranstaltungen zeigten, dass in diesem Rechtsgebiet überdurchschnittlich viele Frauen tätig sind,
wohingegen aus meiner Sicht Mandate mit wirtschaftsrechtlichem Schwerpunkt oder auch im
strafrechtlichen Bereich vorwiegend von Männern
bearbeitet wurden.
»Meine persönlichen Erfahrungen
mit gegnerischen Bevollmächtigen
oder Besuchern von Fortbildungsveranstaltungen zeigten, dass in diesem
Rechtsgebiet überdurchschnittlich
viele Frauen tätig sind...«
Handelt es sich hier um ein bloßes Vorurteil oder
lässt sich eine tatsächliche Tendenz ausmachen, die
sich auch belegen lässt? Dieser Frage wollte ich auf
den Grund gehen und kam dabei zu erstaunlichen
Ergebnissen.
Der Anteil weiblicher Abiturienten nimmt stetig zu
und liegt mittlerweile sogar schon leicht über 50 %
eines Jahrganges. Auch die Anzahl weiblicher Studenten im Fachbereich Rechtswissenschaften lag
im Jahr 2007 bei 44.154 von insgesamt 83.6831,
wobei auch mehr als die Hälfte aller Studienabsolventen (allerdings aller Fachgebiete) 2007 mit
58.777 von insgesamt 112.607 weiblich war.
Gleichwohl nimmt die Anzahl der zugelassenen
Kolleginnen erheblich langsamer zu und lag im Jahr
2008 trotz kontinuierlicher Steigerungen nur bei
30,43 % der Zulassungen im Bundesgebiet3.
8
ADVOICE 04/09
Das Soldaninstitut hat sich konkret mit der Situation
von Frauen im Anwaltsberuf beschäftigt und dabei
festgestellt, dass Frauen bei ihrer Berufswahl sehr
genau darauf achten, diese auch mit einem Wunsch
nach Familie möglichst gut vereinbaren zu können,
wohingegen männliche Absolventen derartige Überlegungen offenbar weniger beschäftigen. Daher
streben Frauen auch verhältnismäßig oft eine Anstellung im vermeintlich sicheren Staatsdienst an4.
Versicherungsrecht, Verkehrsrecht, Bau- und Architektenrecht sowie Transport- und Speditionsrecht
sind klassische Männerdomänen – von Handelsund Gesellschaftsrecht und den neuen Fachanwaltschaften im Urheber- und Medienrecht, IT-Recht
und Bank- und Kapitalmarktrecht ganz zu schweigen. Hier erreicht der Frauenanteil oftmals keine
15%, obwohl sich der Anteil der Frauen an den
Zulassungen insgesamt sich bei fast einem Drittel
eingependelt hat.
»Entscheidet eine Frau sich gleichwohl
für die Anwaltschaft, so wird sie häufig
ihrer Karriere weniger Bedeutung beimessen als ihre männliche Kollegen...«
Warum ist das so? Das Soldaninstitut hat festgehalten, dass Frauen oftmals mehr Wert auf die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen und nicht
so häufig eine Karriere in einer Großkanzlei
anstreben, was eventuell schon erklärt, warum
wenig Frauen in Rechtsgebieten mit wirtschaftlichem Schwerpunkt oder im Bereich des Medienrechts zu finden sind. Vielleicht sind Frauen auch
nicht so sehr an technischen Vorgängen interessiert
wie Männer, weshalb für viele Anwältinnen Rechtsgebiete ausscheiden, bei denen es auch darum geht,
diese auszuwerten und im Verfahren zu würdigen,
so wie im Verkehrsrecht oder auch im Bau- und
Architektenrecht?
Entscheidet eine Frau sich gleichwohl für die Anwaltschaft, so wird sie häufig ihrer Karriere weniger
Bedeutung beimessen als ihre männliche Kollegen,
weshalb Frauen auch überdurchschnittlich oft in
Kleinst-/ Einzelkanzleien (48%) und in Bürogemeinschaften (16%) tätig sind. In großen und vor allem
überörtlichen Sozietäten sind sie mit nur ca. 36%
deutlich unterrepräsentiert. Zudem sind Frauen
wesentlich häufiger in Teilzeit tätig als männliche
Kollegen5.
»Vielleicht sind Frauen auch nicht
so sehr an technischen Vorgängen
interessiert wie Männer,... «
Richtet man das Augenmerk auf die Rechtsgebiete,
so geben die Statistiken über Fachanwaltschaften
einen Aufschluss über die Schwerpunkte weiblicher
und männlicher Anwälte. Dabei ist zunächst auffällig, dass der Anteil der Kolleginnen von knapp
einem Drittel der Zulassungen nochmals auf nur
noch 27 % aller Fachanwälte schrumpft6.
Oder kommen ihnen Fähigkeiten, die als typisch
weiblich gelten, bei der Bearbeitung von Mandaten
aus dem Bereich Familienrecht zugute? Gerade
Mandanten in Trennungssituationen schätzen es
nach meiner Erfahrung sehr, wenn ihnen Verständnis entgegengebracht wird und sie ihren
persönlichen Schmerz - erforderlichenfalls auch
wiederholt – mitteilen dürfen, ohne dass der oder
die Bevollmächtigte deshalb entnervt die Besprechung abbricht.
Muss man also ein guter Zuhörer sein, braucht man
Geduld und ein ausgleichendes Wesen, um im
Familienrecht tätig zu sein? Ein Muss ist es vielleicht
nicht, aber gerade diese Eigenschaften zahlen sich
bei der Vertretung familienrechtlicher Mandate
häufig aus, weshalb nicht nur Frauen sondern auch
Männer sich gerne von einer Frau vertreten lassen,
wenn es um Fragen rund um Trennung und
Scheidung geht. Hier mag auch ein bisschen
Klischee mit am Werke sein, aber die Tendenz lässt
sich dennoch belegen.
Bei noch näherer Betrachtung kann man dann aber
feststellen, dass 53 % aller Fachanwaltstitel im Familienrecht von Frauen geführt werden, wodurch
die Anwältinnen in diesem Bereich deutlich überrepräsentiert sind, ebenso wie im Sozialrecht, wo der
Anteil der Kolleginnen immerhin noch bei 31 % der
Anwälte liegt7.
»53 % aller Fachanwaltstitel im
Familienrecht werden von Frauen
geführt.«
Damit ist zumindest der Eindruck belegt, dass das
Familienrecht vornehmlich von Frauen bearbeitet
wird. Und eine weitere Vermutung lässt sich mit
einem Blick in die Statistik der BRAK zu den Fachanwaltschaften (Stand 01.01.2008) belegen: Steuerrecht, Verwaltungsrecht, Strafrecht, Insolvenzrecht,
1
Statistisches Bundesamt Bildung, Stand 11.05.09 I
RAin Carolin Ott, Landshut
2
Statistisches Bundesamt Bestandene Prüfungen, Stand 14.10.08
Thema
Auch Männer lassen sich in Familienrechtssachen gern von Frauen vertreten. Die können angeblich besser zuhören und haben mehr Geduld.
3
BRAK, Anteil der Rechtsanwältinnen seit 1970, Stand 31.12.08 I
4-7
Forschungsbericht des Soldaninstituts Band 5, Zusammenfassung
Foto: Andrea Vollmer
ADVOICE 04/09
9
Thema
Dicke Mauern schützen nicht vor Emotionen. Auch in Verhandlungen blitzen menschliche Seiten auf, z. B. die Interaktion zwischen Frau und Mann.
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ADVOICE 04/09
Foto: Michael Grabscheid . pixelio.de
Thema
Jungs gegen Mädchen
Geschlechterkampf im Gerichtssaal
Über Sieg oder Niederlage, Krieg oder Frieden
entscheiden nicht nur nackte Tatsachen und bestehende Kräfteverhältnisse. Das ist im wahren
Leben so und spiegelt sich gleichermaßen in Gerichtssälen wieder. Schlachtentscheidend sind
oft persönliche Ausstrahlung, zwischenmenschliche Schwingungen und das Spannungsverhältnis zwischen Mann und Frau.
Es ist ein Mittwoch im Oktober, vormittags. Auf den
von Neonlicht erhellten Gängen im ersten Stock
des Amts- und Landgerichts in Köln herrscht rege
Betriebsamkeit. Anwälte besprechen sich mit Mandanten, während Zeugen mehr oder weniger ungeduldig ausharren, bevor sie in die Sitzungssäle
gerufen werden. Von irgendwo dringt das Gequängel eines kleinen Kindes herüber. Auf dem Flur
ist eine Anspannung zu spüren, die noch nicht
weiß, ob sie sich in Freude oder Enttäuschung entladen soll. Im Saal 104 tagt die 3. Zivilkammer. Die
vorsitzende Richterin – Alter jenseits der 50 – wird
eingerahmt von zwei jüngeren männlichen Kollegen. Sie wirkt ruhig, erfahren, aber keinesfalls
abgeklärt, was gegenteilig negativ auf Voreingenommenheit hindeuten könnte. In dem zu entscheidenden Verfahren geht es um Gewährleistungsfragen aus einem Werkvertrag, genauer um
Glastüren zu einem Geschäft, durch die es ziehe,
so der beklagte Auftraggeber, der dem klagenden
Handwerksunternehmen die vollständige Bezahlung verweigerte. Außerdem gibt es auf dem Glas
Farbabweichungen, die nicht zum übrigen Schaufenster passen.
»Die Rechtsanwälte, beide männlich,
blicken ernst in die Runde, wollen
keinen Meter an Autorität preisgeben.«
Den Parteien sieht man an, dass der Prozess seinen
Tribut gefordert hat. Kläger und Beklagter wirken
müde, wahrscheinlich wurde Vertrauen zerstört.
Die Rechtsanwälte, beide männlich, blicken ernst
in die Runde, wollen keinen Meter an Autorität
preisgeben. Noch bevor ein verbaler Schlagabtausch der Prozessvertreter losgehen kann, fasst
die Vorsitzende den Sachverhalt zusammen und
geht sehr geschickt zunächst auf die Fehler ein, die
sie als gegeben beschreibt. Gleichwohl relativiert
sie die Farbabweichung als nicht derart gravierend.
In der Funktion sei die Glastür nicht eingeschränkt.
Wegen des Spaltmaßes, das wohl größer als üblich
ausgefallen sei, empfiehlt sie freundlich, aber bestimmt, dass der Kläger den Fehler mit dem Aus
tausch durch andere Gummidichtungen beheben
möge. Die beisitzenden Richter schweigen beinah
devot, während sie vorträgt. Und – es wirkt wie ein
Wunder – urplötzlich löst sich der monatelange
Rechtsstreit in Wohlgefallen auf. Die Parteien
nicken zustimmend zu dem richterlichen Vorschlag, als sei es das gewesen, was sie schon immer
gewollt hätten. Der Vergleich wird zu Protokoll
genommen und die einstigen Streithähne verlassen
zufrieden den Verhandlungssaal. Das Ergebnis
wirkt verblüffend. War es besonderes weibliches
Geschick, die männlichen Kontrahenten zu befrieden? Eine Antwort darauf gibt es leider nicht.
Das Gericht zieht sich zurück, bevor nach einer
Unterbrechung der Sitzungstag fortgesetzt wird.
Zwei Türen weiter tagt die Verkehrszivilabteilung
des Amtsgerichts. Über zu wenig Arbeit kann sich
Amtsrichter R. wahrlich nicht beschweren. Auf dem
Richterpult liegen Spielzeugautos. Eine sehr praktische Sache, wie der Richter sehr freundlich und
um eine gelöste Atmosphäre bemüht den Parteien
erklärt. „Die Autos haben so manch jungen Besucher schon begeistern können“, sagt er lachend
und freut sich sichtlich, dass die Anwesenden seine
Erheiterung teilen.
»Ihre Rechtsanwältin erinnert
äußerlich ein wenig an eine resolute
Moderatorin einer Kochsendung, die
ihr Konzept niemals aus der Hand zu
geben bereit ist.«
Die rheinisch unkonventionelle Art scheint anzukommen, denn die Fronten wirken auch hier verhärtet. Auf Klägerseite ist ein 34 Jahre junger
deutsch-türkischer Anwalt. Er vertritt seinen Vater,
der Fahrzeughalter ist und dem Prozess aber nicht
beiwohnt. Gefahren ist den BMW sein jüngerer
Bruder, der Medizin studiert. Er ist als Zeuge geladen. Die Unfallgegnerin, die auf der Vorfahrtsstraße den sich „herein tastenden“ 5er übersehen
haben soll, bevor es krachte, schaut betreten in die
Mitte des Saales. Ihre Rechtsanwältin erinnert
äußerlich ein wenig an eine resolute Moderatorin
einer Kochsendung, die ihr Konzept niemals aus der
Hand zu geben bereit ist. Die Szenerie könnte nicht
klischeehafter sein – Jungen gegen die Mädchen.
Trotz der professionellen Höflichkeit mustern die
Prozessbevollmächtigten einander auffällig. Neben
dem fahren- den Bruder soll auch eine Passantin
aussagen. Diese ist unter 30 und kam mit ihrem
kleinen Kind, das sie aus dem Kinderwagen nimmt
und beruhigend auf dem Arm hin und her wiegt.
Alle Augen richten sich auf das Kind. Richter R. ist
verzückt, ebenso die Beklagtenvertreterin. Plötzlich
– und das passt auch ins Klischee – wird das
Verfahren zur Nebensache, denn man will wissen,
ob der Zögling der Zeugin alles auch ertrage.
Die Blicke der vor allen Dingen weiblichen Verfahrensbeteiligten bedeuten ein klares „Ist-ernicht-süß“. Weil die Zeugin mit Baby gekommen
ist, soll alles angenehm und rasch verlaufen. Sie
macht ihre Aussage. Obgleich die wenig detailreiche Auskunft im Gegensatz zu den Angaben
steht, die sie bei der Polizei machte, fällt das
Kreuzverhör faktisch aus. Sie wird entlassen und
ausgewählt freundlich verabschiedet.
»Als ob ein Schalter umgelegt wurde,
so ist auf Seiten der Beklagten ein
Wandel erkennbar. Die Anwältin
wechselt in den Angriffsmodus.«
Der Sohn des Halters wird hereingerufen und soll
den Hergang aus seiner Sicht erklären. Als ob ein
Schalter umgelegt wurde, so ist auf Seiten der
Beklagten ein Wandel erkennbar. Die Anwältin
wechselt in den Angriffsmodus. Sie blickt mit ernster Miene den Zeugen an und verwickelt ihn in
Widersprüche. Der ältere Rechtsanwaltsbruder, so
ist ebenso spürbar, will ihm zur Seite springen. Er
kann es jedoch nicht so, wie er vielleicht möchte.
Das sehr förmliche „Sie“, mit dem er seinen Bruder
während der Befragung anspricht, mutet befremdlich an und soll jedweden Eindruck zerstreuen, hier
gehe es um ein „Familiending“ außerhalb der Objektivität. Die Zeugenvernehmung läuft tatsächlich
reibungslos, niemand wird vereidigt, die Sache wird
zum Spruch genommen. Es ist ein Verfahren, wie es
zigmal täglich in deutschen Gerichtssälen abläuft.
Dennoch war zu spüren, dass etwas in der Luft lag,
das sich außerhalb der unbestechlichen Paragraphen abspielte. Es war zwischenmenschlich, wirkte
direkt und unmittelbar, vielleicht auch, weil Mann
und Frau auf der Bühne größtmöglicher Objektivität interagierten. In jedem Fall haben die Protagonisten der Verhandlungen für einen kurzen
Augenblick ihre menschliche Seite aufblitzen lassen, sowohl gütig als auch streng, männlich oder
weiblich. Jeder der erschienenen Rechtsanwälte
hatte die Palette drauf. Der immer wiederkehrenden Frage, ob ein bestimmtes Geschlecht in der
Gerichtssituation besonders von Vorteil sei, ist
somit klar mit einem Nein zu begegnen.
RA Patrick Ruppert, Köln
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Thema
Justitia ist eine Frau
Ist das Recht auch weiblich?
Provozierend ließe sich fragen, was die Rede
von einem „weiblichen Recht“ eigentlich bedeuten soll. - Sind Frauen etwa die gerechteren
Menschen? Und: Wenn das Recht weiblich wäre,
müsste es dann nicht – umgekehrt - Männer
ausschließen und benachteiligen? Ein weibliches Recht in diesem Sinne wäre wohl auch
kein gerechtes Recht. Wie aber würde denn ein
wirklich geschlechtergerechtes Recht aussehen?
Frauen hatten in frühen, antiken und mittelalterlichen Gesellschaften durchaus starke Positionen
inne. Im späten römischen Recht waren Frauen zum
Beispiel voll geschäftsfähig, durften also selbstständig Verträge abschließen. Im mittelalterlichen
Europa konnten Frauen teilweise als Handwerkerinnen und selbstständige Kauffrauen auftreten
sowie freie Zünfte gründen. Sie konnten sich in
Frauenklöstern organisieren, geistig bilden und als
Äbtissinnen sogar Politik mitgestalten. Dennoch
waren sie unterdrückt. Zwar waren die Frauen im
späten römischen Recht voll geschäftsfähig, öffentliche Ämter durften sie jedoch nicht bekleiden. Zwar
konnten sich Frauen im Mittelalter teils als Selbstständige betätigen und genossen in Klöstern Freiheiten. Im Mittelalter erstarkte allerdings auch die
These, dass Frauen von Natur aus minderwertig
seien, eine These, die ab dem 13. Jh. zum wissenschaftlichen Standard wurde. Das hatte auch im
Recht Folgen: Frauen galten als z. B. „wankelmütig“,
so dass ihre Aussagen als Zeuginnen vor Gericht
eine geringere Beweiskraft hatten. Trotz aller Benachteiligungen gab es immer wieder Frauen, die
ihre Stimme erhoben und für die Frauen gekämpft
haben, teilweise unter Einsatz ihres Lebens.
„Stadt der Frauen“
So bezahlte Olympe de Gouges ihr Engagement für
gleiche Recht der Frauen als Bürgerinnen mit dem
Leben. Sie war eine der Revolutionärinnen, die
Anteil an den Errungenschaften der Französischen
Revolution hatten: Olympe de Gouges eröffnete im
Jahre 1791 ihre „Erklärung der Menschenrechte der
Frau und Bürgerin“ mit den Worten: „Mann, bist du
imstande gerecht zu sein? Es ist eine Frau, die dir
diese Frage stellt, dieses Recht wenigstens kannst
du ihr nicht nehmen.“ Sie reagierte damit auf „Die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“, die die
französische Nationalversammlung zwei Jahre
zuvor verabschiedet hatte. Diese Erklärung sicherte
scheinbar „allen Menschen“ Freiheit und Gleichheit
zu. Nur: die Frauen waren dabei ganz selbstver-
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ständlich nicht mitgemeint, das Wort „l’homme“,
dessen Bedeutung zwischen französisch Mensch
und Mann changiert, wurde im Sinne von „Mann“
verstanden. Vermutlich ließe sich auch sagen, dass
mit Menschen im vollwertigen Sinne nur die Männer gemeint waren. Olympe de Gouges hingegen
bezieht in ihrer „Erklärung der Rechte der Frau und
Bürgerin“ alle den Männern durch die „Erklärung
der Menschen- und Bürgerrechte“ zugebilligten
Rechte ausdrücklich auf Frauen und auf Männer.
Die „Natur der Frau“
Es stellt sich die Frage, wie man sich die Gesellschaft, die die „Erklärung der Menschen- und der
Bürgerrechte“ formt, näher vorgestellt hat. Insbesondere ist zu fragen, wo der Ort der Frauen sein
sollte. Die freien, gleichen, männlichen Bürger, welche die Erklärung vor Augen hat, können wählen,
öffentliche Ämter bekleiden, sich bilden, sich selbst
durch Erwerbstätigkeit versorgen und frei über ihr
Eigentum verfügen. Die Frauen werden dem Bürger
als Vater oder Ehemann im häuslichen, privaten
Bereich untergeordnet. Als Ehefrauen sind sie unter
der Herrschaft des Mannes verantwortlich für die
Familie und haben für die Kinder zu sorgen. Das
hielt man – in der Tradition der These von der Minderwertigkeit der Frau – für die natürliche Ordnung
der Dinge: Man ging davon aus, dass Frauen von
Natur aus ausschließlich dazu bestimmt seien,
schwanger zu werden und Mutter zu sein. Frauen
galten als nicht vernünftig genug, als viel zu emotional, um ihnen öffentliche Angelegenheiten und
ein Mitentscheidungsrecht in der Familie anzuvertrauen. Dieses Denken hat das Recht lange Zeit
unmittelbar geprägt. Noch meine Urgroßmutter, die
1904 18 Jahre alt wurde, durfte bis 1918 nicht
wählen und nicht gewählt werden. Als sie heiratete,
hatte ihr Ehemann das Recht, mit Ermächtigung
des Vormundschaftsgerichts ihr Arbeitsverhältnis
zu kündigen, wenn das Arbeitsverhältnis die ehelichen Interessen seiner Meinung nach beeinträchtigte. Vermutlich hätte der Arbeitgeber meiner
Urgroßmutter aber von allein gekündigt, da sie
aufgrund der Heirat versorgt sei. Ihr Ehemann hatte
zudem das Recht, in allen gemeinschaftlichen
Angelegenheiten allein zu entscheiden. Meine
Urgroßmutter durfte das Hauswesen nur unter dem
Letztentscheidungsrecht des Ehemannes führen. In
dieser Situation haben, wie schon Olympe de
Gouges, immer wieder Frauen und Männer dafür
gekämpft, dass auch den Frauen die Rechte eingeräumt werden, die die Männer innehaben.
Gleichberechtigung
Im Kampf um Gleichberechtigung wurde auf deutschem Boden 1949 ein großer Erfolg erzielt: Die
Verfassungen beider deutscher Staaten enthielten
jeweils eine Norm, wonach Mann und Frau gleichberechtigt waren. Wie Sie wissen, ist das bis heute
geltendes Recht. Der Kampf um die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen war und ist
damit aber noch lange nicht gewonnen. Hierfür
möchte ich drei Gründe anführen:
1. die nur zögerlich Umsetzung des Grundsatzes
der Gleichberechtigung im Recht
2. die langsame tatsächliche Gleichstellung
der Frauen und schließlich
3. die Orientierung des Rechts an einem
männlichen Idealbild.
Erstens wurde der Grundsatz der gleichen Rechte
teilweise nur sehr langsam in allen Details des einfachen Rechts umgesetzt. In der Bundesrepublik
Deutschland beispielsweise wurde das Eherecht erst
im Jahre 1957 reformiert, nachdem die Umsetzungsfrist schon vier Jahre abgelaufen war und das
Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber in Zugzwang gebracht hatte. Dabei wurde unter anderem
das Recht des Ehemannes, in allen gemeinschaftlichen Angelegenheiten allein zu entscheiden, aufgehoben. Das Eherecht orientierte sich aber zunächst weiter an der Hausfrauenehe.
Der Ehefrau wurde die Haushaltsführung in alleiniger Verantwortung zugewiesen. Sie hatte ausdrücklich das Recht erwerbstätig zu sein, allerdings
nur soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und
Haushalt vereinbar war. Noch heute fördert im
Übrigen das Steuerrecht mit dem Ehegattensplitting mittelbar die Alleinverdienerehe, die in den
meisten Fällen eine Hausfrauenehe sein dürfte.
Zweitens haben die gleichen Rechte nicht dazu
geführt, dass Frauen heute in allen gesellschaftlichen Bereichen auch tatsächlich gleichgestellt
sind. Insbesondere in Führungspositionen sind
Frauen noch immer nur weit unterdurchschnittlich
vertreten.
Drittens – und das ist das versteckteste Problem
der Gleichberechtigung – werden den Frauen die
Rechte eingeräumt, die die Männer schon haben,
und diese Rechte sind an traditionell männlichen
Lebensweisen orientiert.
Thema
Hierzu gehört das Ideal der Vollzeiterwerbsarbeit,
dem Frauen traditionell nicht entsprechen können,
sobald sie Kinder bekommen. Die Regelungen des
Rentenrechts zum Beispiel orientieren sich am sogenannten „Eckrentner“. Dieser „Eckrentner“ soll
eine Rente erhalten, die seinen Lebensstandard
sichert. Er ist typischerweise männlich, denn er hat
45 Jahre lange ohne Unterbrechungen in Vollzeit
gearbeitet. Frauen, die schwanger werden, und
Frauen und Männern, die Erziehungs- bzw. Elternzeiten in Anspruch nehmen, kommt das Rentenrecht also nicht in demselben Umfang zugute wie
den Menschen, die die Erwerbsbiografie des Eckrentners aufweisen. Die Renten von Frauen sind
deshalb heute statistisch deutlich niedriger.
Wirkliche Gleichbehandlung?
Um dieser Fixierung auf das männliche Ideal zu
entkommen, werden von Feministinnen und Feministen verschiedene Wege diskutiert. Einer dieser
Lösungsansätze betont weibliche Werte, um sie
dem männlichen Ideal entgegenzusetzen. Als solche
Werte gelten immer wieder Gerechtigkeit, liebevolles und gewaltfreies Handeln. Aber: auch Frauen
sind und waren immer wieder Täterinnen. Denken
Sie nur an die KZ-Aufseherinnen im Nationalsozialismus oder an die Soldatin Lynndie England, die
irakische Militärgefangene misshandelte.
Ich meine – und auch das ist eine feministische
Position –, wir alle können als Menschen gerecht
und ungerecht handeln, wir alle sind als Menschen
daran interessiert, gesellschaftlich teilzuhaben und
unsere individuellen Lebensentwürfe entfalten zu
können. Das Idealbild von Recht und Politik sollte
also wirklich menschlich sein. Es sollte weder offen
noch verdeckt traditionell männliche oder traditionell weibliche Lebensweisen bevorzugen oder
benachteiligen und auch Lebensentwürfe jenseits
dieser Traditionen ermöglichen.
Es ist nicht so leicht, diese Gedanken zu einer
Utopie von einer wirklich geschlechtergerechten
Gesellschaft zu konkretisieren. Denn wir müssten z.
B. vom Ideal der Vollzeiterwerbsarbeit abrücken und
dennoch allen Menschen eine gute Versorgung
ermöglichen können. Und das ist eine wirkliche
Herausforderung in einer Zeit, in der 1-Euro-Jobs
als zumutbar gelten.
Eine konkrete Utopie einer wirklich geschlechtergerechten Welt kann ich Ihnen deshalb leider hier
und heute nicht anbieten. Doch auch „eine tausend
Meilen weite Reise beginnt mit dem ersten Schritt“,
also dem kritischen Betrachten der Geschlechterverhältnisse auch in der heutigen Zeit und dem
Entwickeln von Visionen zur Lösung der immer
noch bestehenden Probleme.
Anja Schmidt, Leipzig
Der Beitrag ist eine gekürzte und leicht überarbeitete Fassung einer zur Eröffnung der Ausstellung „Justitia ist eine Frau“ am 5. März 2008
im Leipziger Rathaus gehaltenen Rede. Insbesondere sind deshalb auch keine Quellenangaben enthalten. Eine vollständige Fassung inkl.
Literaturhinweisen ist unter folgender Adresse
hinterlegt:
> www.uni-leipzig.de/strafe/
anjaschmidt.htm
Foto: Andrea Vollmer
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Thema
Einfach machen!
Ein junger Anwalt hat sich Elternzeit genommen und überlebt
schnell Klarheit darüber erhält, wie es im Leben
weiter geht. Ist man selbst Workaholic und teilt die
Vorliebe für die alltägliche After-Work-Party, ist
man schnell seine auf der Suche nach einer Familie
befindliche Frau los. Andernfalls zieht man aus
dem Umstand, dass die Arbeit, welcher man gerade
nachgeht, dem persönlichen Glück im Weg steht,
besser sofort die Konsequenz und schaut sich nach
einer neuen um.
Schatz, ich muss noch mal schnell ins Büro.
Der Durchschnittsanwalt respräsentiert sicher
nicht die deutsche Avantgarde. Aber durchgreifende gesellschaftliche Veränderungen hinterlassen früher oder später selbst in Anwaltskreisen Spuren. So kommt uns heute schon normal
vor, was vor Jahren undenkbar schien. Wer von
den Älteren unseres Standes hätte etwa vor drei
oder nur zwei Dekaden geduldet, dass seine Frau
ihrem eigenen Berufsleben nachgeht oder ihrer
Karriere gar die selbe Wichtigkeit beimisst, wie
der des Mannes.
Ich will nicht behaupten, dass es solche Kollegen
und Frauen nicht mehr gibt. Immerhin. Wenn sich
heute Anwalts Frau in den eigenen vier Wänden
selbst verwirklicht, dürfte dies eher Ergebnis ihres
eigenen Entschlusses sein. Die gesellschaftlichen
Konventionen, welche sie dazu zwingen würde, sind
nahezu verschwunden. Aber dennoch. Auch heute
ist die Frau, bei welcher zwischen Beruf und Kind
ein ausschließliches Oder und kein Und steht, eher
die Normalität. Wie, um alles in der Welt, sollen wir
uns in Anbetracht dessen an das Bild des den
Haushalt führenden, die Kinder erziehenden Anwalts gewöhnen? Ganz einfach. Indem immer mehr
Anwälte es einfach tun. Von den Schwierigkeiten
bei der Umsetzung des Wunsches, ein paar Monate
seinen Nachwuchs zu betreuen, sollte man sich
dabei nicht abschrecken lassen.
Glücklicherweise ist das erste Hindernis auf dem
Weg zum Anwalt, der zu Hause bleibt, nicht mehr so
schwierig zu bewältigen wie früher. Es gibt kaum
noch fragende Blicke von Kollegen, Nachbarn oder
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Foto: Ursula Deja – fotolia.com
Vereinsgenossen auf das Geständnis, dass man sich
zu Hause um die Kinder kümmert und den Haushalt
führt. Immer häufiger gibt es Männer, die sich
bewusst dafür entscheiden, sich wenigstens für
eine Weile ganztägig um den Nachwuchs zu kümmern. Im Übrigen. Warum sollte man sein Leben im
Einklang mit Unverständnis einrichten, und nicht
besser mit seiner Familie und sich selbst?
Schwieriger ist da schon die anstehende Umorganisation der Arbeit oder des Büros. Der weitaus
größte Teil unserer Kollegen arbeitet alleine oder
mit einem, seltener zwei Kollegen zusammen. Ist
ein solches Büro voll ausgelastet, lässt sich eine
Auszeit von mehreren Monaten nur unter allergrößter Anstrengung bewerkstelligen. Möglicherweise ist die einzige Möglichkeit, eine Erziehungszeit einlegen zu können, die befristete Einstellung
eines Kollegen. Entscheidet man sich hierfür, würde
man möglicherweise zugleich einem Kollegen bei
dem Sprung ins Berufsleben helfen.
Einfacher bei der Organisation seiner Abwesenheit
hat es der zahlenmäßig kleinere Teil unserer Kollegen, der in größeren oder Großkanzleien arbeitet.
Die Arbeit für einige Monate auf andere Kollegen
zu übertragen oder eine befristete Arbeitsstelle
einzurichten, dürfte hier kein Problem darstellen.
Schwerer kann es nur werden, wenn der Chef oder
die Partner denken, alle Mitarbeiter seien Workaholics oder teilten die Vorliebe für die tägliche
After-Work-Party ab 22:00 Uhr. Das Positive an einer solchen Situation wiederum wäre, dass man
Hat man für die zuvor angesprochenen Probleme
eine Lösung gefunden, wird die Auszeit am Geld
nicht mehr scheitern. Vor dem „Zugangserschwerungsgesetz“ hat Frau von der Leyen nämlich das
„Elterngeld“ durchgeboxt. Hiermit wird der Verdientsausfall, welcher einem in der Betreuungsauszeit entsteht, in vertretbaren Grenzen gehalten.
Immerhin etwas über 60 Prozent des Durchschnittsnettoeinkommens des der Geburt des Nachwuches
vorausgehenden Jahres erhält man in den Monaten,
in welchen man vorwiegend das Kind betreut.
Ich bereue meine Entscheidung, mich für einige
Monate ganztags um meinen Nachwuchs zu kümmern, in keiner Weise. Es ist schon ein Unterschied,
ob man sich von seiner Frau vom ersten Lächeln
des Nachwuchses erzählen lässt oder ob man es
mit eigenen Augen sieht, ob man sich Fotos vom
Nachwuchs beim Frühstück oder Abendbrot anschaut oder mit eigenen Augen sieht, wie er beim
ersten Yoghurt seines Lebens die Miene verzieht
und – Entschuldigung für die treffende Wortwahl
– sich und die gesamte Küche mit dem ersten
Spaghetti-Mahl einsaut.
Allerdings wurde mir die Entscheidung zu Hause
zu bleiben, in keiner der oben angesprochenen
Weisen schwer gemacht. Meine Frau war zufrieden,
dass sie damit schneller wieder ins Berufsleben
einsteigen konnte. Mein Chef ist selbst Familienvater und weiß, dass man als Elternteil möglichst
flexibel sein muss. Und dann waren da selbstverständlich noch meine Kollegen, die meine Arbeit in
der Zeit meiner Abwesenheit ohne Murren übernommen haben.
Abschließend kann jedem Kollegen / jeder Kollegin
m. E. nur geraten werden, sich für beruflichen
Erfolg und Familie zu entscheiden. Zunächst ist
natürlich der „Chef“ freien Mutes anzusprechen.
Ein Schritt, der sich sicherlich lohnt. Für einen
selbst und für alle nachfolgenden Kollegen.
RA Tilo Wendt, Bonn
Thema
Anwaltschaft in Zahlen
Sachsen und Brandenburg mit größtem Frauenanteil in der Anwaltschaft
Anwälte in der Übersicht
1.1.2009
Anwälte insgesamt
davon männlich:
davon weiblich:
„Richter“ in der Übersicht
31,08%
150377
103641
46736
2000
Anwälte insgesamt
davon weiblich:
24,59%
104067
25589
1990
Anwälte insgesamt
davon weiblich:
15,07%
56638
8537
1980
Anwälte insgesamt
davon weiblich:
7,64%
36077
2756
1970
Anwälte insgesamt
davon weiblich:
4,52%
22882
1035
Folgende ausgewählte Kammern haben im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich viele
weibliche Mitglieder:
Sachsen:
Brandenburg:
München:
Frankfurt:
Thüringen:
Nürnberg:
Berlin:
34,80%
34,80%
33,46%
33,08%
33,08%
32,78%
31,74%
Folgende Kammern liegen mit weiblichen Mitgliederzahlen unter dem bundesweiten Durchschnitt:
BGH:
Schleswig:
Tübingen:
Oldenburg:
Stuttgart:
Hamm:
Zweibrücken:
17,00%
26,16%
26,26%
27,22%
28,16%
28,46%
28,49%
31.12.2008
Richter insgesamt
davon weiblich:
Zum Vergleich
weiblicher Anteil bei
Richtern auf Probe:
20.101
7.195
35,79%
53,94 %
Richter bei Truppendienstgerichten:
davon weiblich:
15
0
Staatsanwälte:
davon weiblich:
38,71%
zum Vergleich
weiblicher Anteil bei
Staatsanwälten auf Probe: 52,98%
Hauptschöffen 2005
Hauptschöffen insgesamt:
davon männlich:
52,10%
davon weiblich:
47,90%
5122
1983
36.029
Referendare in der Übersicht
1.1.2008
Referendare insgesamt:
davon weiblich:
19.464
8.898
Anteil der geprüften Kandidaten zur Zweiten
Juristischen Staatsprüfung im Jahre 2007:
Kandidaten insgesamt
davon weiblich:
davon haben bestanden:
davon weiblich:
10.196
50,80%
8351
51,00%
Höchster und niedrigster Frauenanteil an den
geprüften Kandidaten:
Brandenburg:
Mecklenburg-Vorpommern:
Thüringen:
65,30%
62,10%
58,50%
Hamburg:
Bremen:
Berlin:
36,80%
40,70%
41,20%
Foto: Bonsai – fotolia.com
ADVOICE 04/09
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Thema
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
Mehr Frauen denn je im Anwaltsberuf, Männer haben beim Geld die Nase vorn
Angestellt / freie Mitarbeit
Das Soldan-Institut fand bei den weiblichen Befragten heraus, dass sie am Anfang ihrer beruflichen Karriere als Angestellte einer Sozietät
durchschnittlich 45.000,- Euro (brutto) verdienten.
Ihre männlichen Kollegen hingegen gaben ihr
Durchschnittseinstiegsgehalt mit 52.000,- Euro an.
In Einzelkanzleien oder Bürogemeinschaften erzielten angestellte Rechtsanwältinnen im Durchschnitt
25.700,- Euro. Die Männer kamen immerhin noch
auf gemittelt 31.800,- Euro. Wenig höher liegen die
Beträge bei der freien Mitarbeit. Hier gaben die
Anwältinnen an, dass sie 28.000,- Euro brutto im
Schnitt erwirtschafteten. Die Männer brachten es
als freie Mitarbeiter im Jahr auf 35.700,- Euro.
Umsätze der Kanzlei
Nur Peanuts in der Börse.
Foto: paulin . pixelio.de
Anwältinnen verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen. Sind sie daran selber schuld?
Sie schließen seltener freie Honorarvereinbarungen ab, verhalten sich in Gehaltsverhandlungen weniger rigoros als Männer und sind
bereit, für geringere Einstiegsgehälter an den
Start zu gehen. Hier lohnt es sich zu kämpfen.
Vor der Bundestagswahl warb manch politische
Partei mit dem markigen Slogan „Mehr Netto vom
Brutto“ und deutete an, dass sie nach der Inthronisierung für Lohnsteigerungen durch Steuersenkungen sorgen wollte. Doch ist diese Forderung
nahe liegend angesichts klaffender Haushaltslöcher,
Bildungsdefizit und Weltwirtschaftskrise? Aus
Anwältinnensicht dürfte dieser Leitsatz nur ein
müdes Lächeln hervorrufen, bedenkt man, dass sie
immer noch erkennbar schlechter bezahlt werden.
Und dieser Zustand hält trotz statistisch nachweislich leichter Verbesserung an, erstaunlicherweise unabhängig von der fachlichen Qualifikation.
Die Durchsicht des vorliegenden Zahlenmaterials
verdeutlicht die Problematik. Nach einer Studie des
Soldan-Instituts aus dem Jahre 2007 haben männliche Berufsträger die Nase vorn, wenn es um den
Verdienst geht. Das gilt sowohl in der Situation der
Anstellung als auch in der beruflichen Selbstständigkeit. Allerdings existieren Feinheiten, auf die es
einzugehen lohnt und die junge Anwältinnen
ermutigen sollten, für eine Vergütungsanpassung
zu kämpfen.
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ADVOICE 04/09
Interviewt man Rechtsanwälte nach den erzielten
Umsätzen ihrer juristischen Tätigkeit, geben sie sich
zurückhaltend. Groß ist oftmals nicht nur die Sorge
vor der neugierigen Konkurrenz. Der Selbstständige
muss auch die Blicke der Klientel fürchten, die in
Zeiten knapper Finanzmittel auch schon einmal
zum günstigeren Anbieter juristischer Dienstleistungen wechselt. Man gibt sich zugeknöpft und
wenn überhaupt nur unter amtlichem Druck (siehe
der Fall des ehemaligen Bundesinnenministers Otto
Schilly, der sich weigerte, dem Bundestag seine
anwaltlichen Jahresumsätze als Nebeneinkünfte
offen zu legen.) bzw. 100 Prozent anonym. Unter
Wahrung letztgenannter Prämisse konnte das Soldan-Institut folgendes zu Tage fördern.
56 Prozent der zugelassenen Anwältinnen gaben
an, dass sie in Kanzleien mit einem Jahresumsatz
von bis zu 100.000,- Euro beschäftigt seien. Bei den
Männern waren nur 31 Prozent in Kanzleien mit
derartigem Umsatz tätig. Augenfällig ist, dass weibliche Berufsträger zu 75 Prozent in Einzelkanzleien
mit einem Umsatz bis zu 100.000,- Euro, männliche
nur zu 59 Prozent in vergleichbaren Kanzleien arbeiten – ein deutliches Gefälle.
Allerdings ist ein Trendwechsel erkennbar, so ermittelte das Soldan-Institut. Beschränkt man die
Zulassungen zur Anwaltschaft nämlich auf das Jahr
1996 und jünger, so sind zwar 80 Prozent der
Frauen in Einzelbüros mit einem Jahresumsatz bis
100.000,- Euro assoziiert. Damit haben sie jedoch
die Männer überholt, die mit 86 Prozent in so
beschriebenen Kanzleien beschäftigt waren.
Ausgehandelte Vergütungen
Bemerkenswert sind auch die Vergütungssätze, die
Männer und Frauen mit ihren Mandanten im
Durchschnitt vereinbaren, wenn sie diese überhaupt
frei vereinbaren wollen. Auch hier bestätigt sich der
Verdacht, dass Rechtsanwälte zu höheren Vergütungsabschlüssen kommen als Rechtsanwältinnen.
Auch empfindet ein höherer Teil der weiblichen
Anwaltschaft die aktive Ansprache, ihre Honorierung betreffend, als unangenehm.
Tatsächlich, so die Soldan-Studie, verzichten 35
Prozent der Rechtsanwältinnen gänzlich auf die
Möglichkeit der freien Honoraraushandlung. Von
den Rechtsanwälten schlossen nur 23 Prozent für
sich diese Honorargestaltungsform aus. Bei den
durchschnittlichen Stundensätzen lagen Männer
mit 150,- bis 235,- Euro vor den Frauen, die sich mit
129,- bis 213,- Euro zufrieden gaben.
Männer verhandeln resoluter
Was sind die Gründe für die deutlichen Abweichungen in Sachen Geldverdienen?
Ein Grund ist, dass überproportional viele Rechtsanwältinnen von der Möglichkeit der Teilzeit Gebrauch machen und von daher nicht die gleichen
Umsätze erwirtschaften können. In Hinblick auf die
Angestelltenlöhne ist zudem anzunehmen, dass
sich Männer oftmals resoluter als ihre weiblichen
Kollegen bei den Gehaltsverhandlungen in Szene
setzen und Frauen gerade wegen der Kind- und
Erziehungsfrage und dem damit verbundenen Arbeitsausfall, ihren Marktwert von vornherein niedriger ansetzen. Mag eine gewisse Opferbereitschaft
noch hinzutreten, zunächst für ein niedrigeres
Einstiegsgehalt zur Verfügung zu stehen.
Die Feststellungen des Soldan-Instituts decken sich
insoweit mit der gesamtgesellschaftlichen Situation, in der Frauen nach wie vor weniger verdienen.
Im Rahmen moderner Teilzeitbeschäftigungsmodelle ist dennoch nicht verstehbar, warum ein nicht
unerheblicher Teil weiblicher Juristinnen mangelnden Mut zur Veränderung dieser Lage aufbringt. Das
gegenwärtige System wird nicht nur von den „alten
Herren“ bestimmt. Es bedingt sich tatsächlich gegenseitig. Ohne weibliches gesteigertes Engagement, gleiche Bezahlungsverhältnisse zu schaffen,
keine alsbaldige Veränderung.
RA Patrick Ruppert, Köln
Quelle: Soldan-Studie, Anwaltsblatt 5/2007 S. 362ff
Thema
Auf Abwegen
Jürgen im Familienrecht
Der Jürgen, der ist ja eigentlich Fachanwalt für
Bank- und Kapitalmarktrecht. Jedenfalls steht das
auf seinem schicken goldenen Schild an seiner
Kanzlei. Er hat seine Kanzlei mit Bedacht so ausgerichtet. Schon vor seinem Studium stand für ihn
fest, dass er Anwalt wird und zwar genau in dem
Bereich. Zielstrebig hat er darauf hingearbeitet, jede
Menge Praktika absolviert. Natürlich war er auch ein
Semester in den USA. Familienrecht – so was wollte
er nie machen. Sorgerecht, Umgangsrecht, Gewaltschutz – da gibt’s doch nichts zu verdienen.
Nee, das sollen mal schön die anderen machen. Nur
neulich, da kam einer seiner besten Mandanten,
Herr Böck. Der ist groß in Immobilien. Und eine
hübsche junge Frau hat der an seiner Seite, von der
kleinen Tochter ganz zu schweigen. Die liebt der
Herr Böck ja über alles. Nur ihre Mutter, die mag er
seit Neustem nicht mehr so sehr. Seine neue Sekre-
Illustration: Anke Schiller-Mönch
tärin, die mit den gaaanz langen Beinen, für die hat
sich sein Herz entflammt. Entflammt war auch seine
Ex, die mit der er das Kind hat, als sie das mit der
neuen Flamme erfuhr. Regeln wollte der Herr Böck
das, mit dem, wovon er genug hat und mit dem er
bisher alles regeln konnte – mit Geld.
An eine sechsstellige Summe hatte er gedacht. Seine
Ex sieht das anders. Und dass sich es richtig lohnt,
hat sie eine einstweilige Verfügung erwirkt, wegen
Gewaltschutz. Als der Herr Böck die Begründung
liest, fällt dem fast die Kinnlade runter. Bedroht
haben soll er seine Ex. Die habe jetzt Angst, auch
um das gemeinsame Kind. Der Herr Böck sei kurz
davor gewesen sie zu schlagen. Er habe seinen Zorn
nicht im Griff und die Sorge um das gemeinsame
Kind gebiete es, dass der Herr Böck sich den beiden
nicht mehr nähert. Der sonst so friedliche Herr Böck
ist außer sich und fragt den Jürgen nun um Rat.
Klar dagegen muss er sich wehren – denkt sich der
Jürgen. Ungerecht findet er das. Jetzt steht der nette
Herr Böck als Schläger da. Dabei stimmt das alles so
gar nicht, was da in dem Beschluss steht, sagt der
Herr Böck. Also macht der Jürgen einen Ausflug in
ein Rechtsgebiet, um das er doch eigentlich einen
großen Bogen machen wollte. Er hätte den Herrn
Böck ja auch zu der netten Kollegin Theresia
schicken können. Nur, das wollte der nicht. Schließlich sei das alles sehr brisant und zum Jürgen habe
er Vertrauen. Das ehrt den Jürgen und er hängt sich
richtig rein, wälzt das Gewaltschutzgesetz, das
FamFG und alles was dazu gehört. Zuvor schaut er
aber noch mal auf den Beschluss – 500,- € Streitwert steht da. Sind die wahnsinnig! Der Jürgen sitzt
mindestens einen ganzen Tag an der Beschwerdeschrift. So ganz ohne Bedeutung ist das doch auch
nicht. Schließlich auch nicht für den Herrn Böck. Für
den geht es um seinen guten Ruf. Das müsste dem
doch eigentlich was wert sein, denkt sich der Jürgen
und schließt schnell noch eine Vergütungsvereinbarung mit dem Herrn Böck.
Phuu – Glück gehabt, dass der keine PKH – ach nein,
das heißt ja neuerdings Verfahrenskostenhilfe –
beantragen muss. Das wär nix mit einem Stundensatz von 320,- € gewesen.
Der Jürgen macht sich also an die Arbeit – braucht
wirklich den ganzen Tag – sogar bis ziemlich spät
abends. Am nächsten Morgen bringt er alles zum
Gericht.
Als das dann endlich den Beschluss aufhebt, fühlt
sich der Jürgen richtig gut – hat er doch der Gerechtigkeit genüge getan.
Und noch besser fühlte er sich, als er gemeinsam
mit der Kollegin, die die Ex seines Mandanten
vertritt, die Parteien dazu bringen konnte, ihren
Frust auf den jeweiligen Partner im Sinne des Kindes
runterzuschlucken.
Apropos Gerechtigkeit – der Jürgen denkt noch eine
ganze Weile drüber nach, wie schnell man mit Hilfe
dieses Gewaltschutzgesetzes Tatsachen schaffen
kann. Ob das immer so gerecht ist? Auf der anderen
Seite – wenn wirklich Gewalt im Spiel ist, ist Eile
geboten.
Da wird sich der Jürgen bewusst, welche Verantwortung die Rechtspflege und auch er als Anwalt
eigentlich haben. Und er hat das Gefühl, mit der
Sache mit Herrn Böck dieser Verantwortung gerecht
geworden zu sein. Ein gutes Gefühl, findet der
Jürgen – ja – auch Männer sind dazu in der Lage.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
ADVOICE 04/09
17
Thema
Das „andere“ Recht strebt nach Normalität
Homosexualität im juristischen Alltag
„Ich bin schwul, und das ist auch gut so“, ist das
Zitat eines der prominentesten Juristen der Bundesrepublik. Berlins regierender Bürgermeister
Klaus Wowereit ging mit diesem Ausspruch im
Jahre 2001 auf einem Parteitag der SPD in die
Offensive, um vor seiner Kandidatur zum höchsten Leitungsamt im Stadtstaat einer vermeintlichen Diskussion über seine sexuelle Orientierung
zuvor zu kommen. Wowereit, der diese Äußerung nicht als sein Outing verstanden wissen
wollte, äußerte hinterher sein Bedauern darüber,
dass Homosexualität immer noch ein derartiges
Thema sei und keine Normalität.
Das Wowereitsche Outing liegt nun acht Jahre zurück. So könnte man annehmen, dass das genug
Zeit sei, um positive Veränderung für schwule und
lesbische Juristen zu spüren. Auf den ersten Blick
ist die Antwort „Ja“. Denn etwa mit der Einführung
des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 scheint ein
wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung homosexueller Lebensgemeinschaften
zu heterosexuellen Partnerschaften erreicht.
Den Schwulen- und Lesben-Interessengemeinschaften ist das bloße Gesetz nicht genug. Denn
mit einem Gesetz allein entstehen nicht automatisch Anerkennung und Teilhabe. Als Unterorganisation im Lesben- und Schwulenverband in
Deutschland (LSVD) macht sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ) stark für die
Belange der lange Zeit wegen ihrer sexuellen Anschauung Ausgegrenzten. Die aus Richtern, Rechtsanwälten, Referendaren, aber auch Studenten
bestehende Vereinigung mischt sich in allen
Themen ein, die homosexuelle Berührpunkte haben
können.
Der Themenkatalog reicht somit von der „HomoEhe“, über die Diskriminierung am Arbeitsplatz und
alltäglich erlebte Gewalt bis hin zu Fragen rund um
das Asyl- und Ausländerrecht. Die BASJ sieht sich
als Gegengewicht zur traditionell eher zugeknöpften Rechtsanwaltschaft. Zugeknöpft schon deshalb, weil man in den berufsständischen Organisationen, wie den regionalen Anwaltsvereinen und
Anwaltskammern, vergebens nach offiziell eingerichteten Gremien zur Vertretung homosexueller
Interessen sucht. Das ist im Zeitalter der Antidiskriminierungsregelungen einigermaßen verwunderlich. Dabei könnte insbesondere den Kammern der
Blick zurück in die Geschichte eine Mahnung sein.
Bereits im 19. Jh. kämpfte der Jurist Karl Heinrich
Ulrichs (1825-1895) als Vordenker für die Befreiung
gleichgeschlechtlicher Verbindungen. Im Jahre 1867
forderte Ulrichs auf dem 6. Deutschen Juristentag
18
ADVOICE 04/09
in München, Homosexualität straflos zu stellen –
eine Forderung, die letztlich erst mit Abschaffung
des § 175 Strafgesetzbuch („Unzucht zwischen
Männern“) über 100 Jahre später, im Jahr 1994,
erfüllt wurde. In der Phase des Nationalsozialismus
und der dadurch vorangetriebenen Gleichschaltung
der öffentlichen Organe, so auch der damaligen
Rechtsanwaltskammern, erreichte die Diskriminierung homosexueller Juristen ihren Gipfel. Wer als
homosexuell enttarnt wurde, wurde mit einem
Berufsverbot belegt, erhielt in der Regel Zuchthaus
oder landete im KZ. Viele der verfolgten Homosexuellen wurden von den Nazis umgebracht. Die
historische Rückbesinnung hätte somit Grund genug sein können, auch die Kammern zu Vorreitern
für Gleichberechtigung & Teilhabe zu machen.
Dass sich die Justiz mit Homosexualität sehr schwer
tue, sagt einer der umtriebigsten Unterstützer für
die Gleichstellung, Manfred Bruns. Bruns (geb.
1934) ist Bundesanwalt a.D. und Sprecher des
LSVD. Er tritt nicht nur als Sprachrohr nach außen
hin auf, sondern unterstützt mit Mustertexten und
Rechtsberatung die Anliegen Schwuler und Lesben.
Im Interview mit AdVoice sagt der Jurist: „Mir sind
keine Fälle von Diskriminierung schwuler oder
lesbischer Kollegen bekannt.“ Seine Tätigkeit ziele
in erster Linie auf die Bereiche, die mit der noch
jungen Möglichkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammenhängen. „Da gibt es eine Vielzahl noch ungelöster Probleme. Wir setzen uns
unter anderem dafür ein, dass verpartnerte Schwule
und Lesben in der Rente genauso behandelt werden
wie Eheleute“, führt Bruns aus und verweist auf die
Rententräger und berufsständischen Versorgungswerke, die teilweise in ihren Satzungen die Hinterbliebenenversorgung noch nicht der geltenden
Rechtslage angepasst, also auf Gleichgeschlechtliche erweitert haben.
Gute Stimmung auf dem
Christopher-Street-Day
in Berlin. Doch in berufsständigen Organisationen
sucht man vergeblich nach
offiziell eingerichteten
Gremien zur Vertretung
homosexueller Interessen.
„Das Bundesverfassungericht hat mit seiner Entscheidung im Jahre 2002 klargestellt, dass die eingetragene Partnerschaft verfassungsgemäß ist. Vor
allen Dingen hat es betont, dass Verpartnerte sich
wegen ihrer Rechte unmittelbar auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG beziehen
können“, so Bruns weiter. Ein zusätzlicher Aspekt
der Unterstützungsarbeit liegt ferner auf der Rehabilitierung unrechtmäßig Verurteilter allein aufgrund ihrer homosexuellen Neigung. Ein Erfolg sei
es, so der frühere Bundesanwalt, dass Nazi-Urteile
gegen Homosexuelle für unwirksam erklärt worden
sind. Leider sei es aber bisher noch nicht gelungen,
spätere Verurteilungen aus dem ehemaligen § 175
StGB rückwirkend aufzuheben.
Deswegen werde man sich weiter bemühen. Bruns
streitet leidenschaftlich für die Normalität im
Umgang mit Homosexualität, das aber auch auf
„beiden Seiten“. Er erzählt von einem Telefonat, in
dem er von einem schwulen Pärchen gefragt wurde, ob er einen schwulen Rechtsanwalt kenne, der
in einer Rechtsfrage helfen könnte. „Ich habe gelacht und den Ratsuchenden gesagt, dass ihr keinen
schwulen Anwalt braucht sondern jemand, der sich
in Familienrechtsfragen, speziell in Partnerschaftsrechtsfragen auskennt.“ Für derlei Anfragen hat der
LSVD eigens eine Liste im Internet veröffentlicht,
in der Kanzleien aufgeführt sind, die sich mit der
eingetragenen Partnerschaft beschäftigen. Rechtsanwälte, die Interesse haben, entsprechende Mandate zu übernehmen, können ihre Kanzlei auf der
genannten Seite vorschlagen.
> Weitere Informationen gibt es auf www.lsvd.de
RA Patrick Ruppert, Köln
Foto: Andrea Vollmer
Thema
Nachgefragt
Gibt es DEN typischen Anwalt und DIE typische Anwältin?
Frauen kaufen Schuhe und Männer gehen
zum Business - Talk? Jeder hat ja so seine
ganz eigenen Vorstellungen, was so alles
geschlechtertypisch ist. Wir haben die Frage
auf die FORUMs-Liste gestellt und sehr
unterschiedliche Antworten bekommen, die
sich nicht immer nur auf Mann / Frau, sondern auch auf das Thema jung / alt bezogen.
Lesenswert waren sie alle. Hier eine Auswahl, die natürlich nicht repräsentativ ist.
Was soll das sein?
Typisch Anwalt ist eine schlammfarbene Breit-Cord-Hose und typisch Anwältin ein kurzes dunkelblaues Kostüm
mit hochgebundenen Haaren?
RAin Jytte Peper, Offenbach
Jeder Familienrechtler / jede Familienrechtlerin hat schon mal den Satz
– auf die Frage, warum der Mandant einen ausgesucht hat – gehört:
„Und mir war auch wichtig, dass mich ein Mann / eine Frau vertritt.“
RA Reinhart Enßlin, Mannheim
Der gegnerische Anwalt, nennen wir ihn RA Lauthals, schreit, als ihm
der Mandant der Kollegin – nennen wir ihn mal Herrn Müller – ins Wort
fällt: „Herr Müller, jetzt rede ich und nicht Sie! Warten Sie, bis Sie an der
Reihe sind!“ Kurze Pause, die unsere Kollegin nutzt. Sie wendet sich zu
ihrem Mandanten und sagt : „Herr Müller, da hat der Kollege Lauthals
Recht.“ Sie lehnt sich zurück und grinst süffisant „Na dann warten wir
mit Spannung, was uns Herr Lauthals Wichtiges zu sagen hat.“ Herr
Lauthals war dann eher kleinlaut...
RA Henrik Franz, Frankfurt / Main
Ich möchte mal eine Lanze für die
Familienrechtlerinnen und Familienrechtler brechen. Ich habe wohl kaum
engagiertere Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei einem FA-Kurs kennengelernt. :-)
!
Zu mir kommen ca. 70% der familienrechtlichen Mandate
in Form von Männern. Auf die Frage, wie sie denn auf mich
gekommen sind, kommt von den Männern häufig: „Ich verstehe meine Frau nicht mehr, ich hoffe, Sie können das.“
RAin Ulrike Szlapka, Osnabrück
RAi Hans-Christoph Hellmann, Burgwedel
?
Ich habe schon von Mandanten gehört: „Ich wollte mich von einem Mann vertreten lassen.
Zuletzt hatte ich eine Frau, da fühle ich mich einfach nicht vehement / aggressiv / stark /
nachhaltig genug vertreten. Ich denke, dass Sie als männlicher Anwalt da stärker meine
Interessen wahrnehmen"
Das deckt sich allerdings nicht mit meinen Erfahrungen. Es gibt im Familienrecht unter den
Männern wie den Frauen vergleichbar große Anteile an biestigen Kollegen/Kolleginnen mit
Haaren auf den Zähnen und eher Softie-lastigen Anwälten / innen.
RA Reinhart Enßlin, Mannheim
ADVOICE 04/09
19
Thema
Ernsthaft bei der Sache
Über den Sinn oder Unsinn von Anwältinnentagen – ein Überzeugungsversuch
Um es vorweg zu nehmen – ja, ein Anwältinnentag macht Sinn und er ist notwendig. Ich
muss zugegeben, dass ich zu der Fraktion Frau
gehöre, die sich ab und an schon fragt, ob wir
diese Anwältinnentage, Förderprogramme für
Frauen und diese ganze Dinge überhaupt brauchen. So bin ich auch eher mit Skepsis zu dieser
Tagung gefahren, zu der ich mich als Anwältin
wohl nicht angemeldet hätte – als Journalistin
schon.
Schon am ersten Abend in der Bibliothek des
Münchner Rathauses begann ich meine Meinung
zu korrigieren. Ich stellte fest, dass ich in meinem
bisherigen Leben wohl ziemlich viel Glück gehabt
habe. Ja, ich habe zwei Kinder, war (trotzdem) immer arbeiten und musste bisher nie die Erfahrung
machen, dass mich die beiden in meiner beruflichen Laufbahn behindert hätten, weil irgendwer
meinte, es sei ein Problem, einer Mutter mit zwei
Kindern einen Job oder einen Auftrag zu geben.
Das mag daran liegen, dass es in Thüringen
flächendeckende Kinderbetreuung gibt und dass
ich dann doch ein eher modernes Exemplar von
Mann an meiner Seite habe, der sich nicht zu
schade ist, die Kinder früh morgens in den Kindergarten und die Schule zu bringen, den Einkauf
zu erledigen, Wäsche zu waschen und und, und –
ja, so etwas gibt es.
Doch was ich schon am ersten Abend der Anwältinnenkonferenz hörte, überzeugte mich, dass
Frauen noch mehr Unterstützung brauchen und
dass es noch lange keine Gleichberechtigung /
Gleichstellung gibt. Allein die Zahlen lassen
aufhorchen. Weniger als ein Drittel, nämlich 31 %
der deutschen Anwaltschaft, ist weiblich. Das Honorar der Anwältinnen liegt im Durchschnitt 23 %
unter dem ihrer männlichen Kollegen.
Spannend und nützlich - die Themen auf der Anwältinnenkonferenz in München gaben neue Impulse und Ideen.
20
ADVOICE 04/09
Frauensache Familienrecht
Die Statistik der Fachanwaltschaften zeigt, dass das
Familienrecht Frauendomäne ist. Hingegen stehen
in streitwertintensiven Rechtsgebieten, wie dem
Handels- und Gesellschaftsrecht 529 Fachanwälten nur 52 Fachanwältinnen gegenüber. Ähnlich
ist es im Steuerrecht. Hier stehen 4431 Anwälten
ganze 539 Anwältinnen gegenüber. Immer noch sei
der Anteil für Anwältinnen in Wirtschaftskanzleien
gering, Partner zu werden nahezu unmöglich. Das
sind Aussagen, die ich an diesem Wochenende
öfter höre. Und noch etwas höre ich, und zwar von
Monika Zumstein. Sie ist langjährige Frauenbeauftragte der Universität in München. Dort gibt es
derzeit 33 Professuren, eine davon ist Professorin
und eine weitere hat man hinzugewinnen können.
Es scheint schwer zu sein, Frauen in diese Positionen zu bekommen.
Thema
Frauenprofessur-Kopfgeld
An der Uni München hat man deshalb ein sogenanntes Kopfgeld ausgesetzt. 25.000,- € gibt es,
wenn eine Frau zur Professorin berufen wird. Seit
drei Jahren hatte die Uni keine einzige Habilitation
einer Frau. Und noch etwas stellt Monika Zumstein
fest. Wenn man Fälle gestaltet, dann redet man von
dem Rechtsanwalt, von dem Steuerberater, aber
von der Putzfrau. In einer Klausur sei sogar die Rede
von der „Putzfrau Frau Fettarsch“ gewesen. Das sei
Diskriminierung in der Praxis.
»Junge Frauen machen sich keinen
gescheiten Karriereplan«
Manchmal, so stellt sie fest, sind es aber auch die
Frauen, die sich speziell in die für sie scheinbar vorprogrammierten Gebiete drängen lassen. „Frauen
neigten immer wieder dazu, sich die vermeintlich
leichteren Schwerpunkte auszusuchen“ sagt sie. Das
seien dann Rechtsgeschichte, Familienrecht usw.
Das sind genau die Gebiete, in denen später junge
Frauen zu finden sind. „Junge Frauen machen sich
keinen gescheiten Karriereplan“, sagt Monika Zumstein. Das aber wiederum sei nötig, um einen steilen
Aufstieg in einer Wirtschaftskanzlei zu verfolgen.
Apropos Aufstieg: Der Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer München, Rechtsanwalt Dr. Fritz
Kempte, berichtet von einer jungen Kollegin, Partnerin in einer Kanzlei. Sie wurde nach drei Jahren
schwanger. „Wir würden Ihnen nahelegen, zu
kündigen“ sei die Reaktion der Kollegen gewesen.
„Es ist wichtig, was sie tun“ sagt der Dr. Kempter
und ich nehme ihm ab, dass er davon wirklich
überzeugt ist.
Nicht ohne Stolz berichtet er auch von den positiven Beispielen. In einer Kanzlei mit drei Anwälten
und einer Anwältin habe man das von Anfang an
genau geregelt, das mit der Elternzeit. Und siehe
da, nachdem die Kollegin vorgelegt hatte, zogen
die Herren nach – nahmen auch Elternzeit. Der
jeweils abwesende Partner wurde von den anderen
vertreten. Das klappte wunderbar.
In der Krise liegt die Chance
Es gibt noch zwei Sätze, die bei mir hängen
geblieben sind. Und zwar,: „In der Krise liegt die
Chance. Es waren die Männer, die uns in die Krise
geführt haben, jetzt liegt es an uns, das für uns zu
nutzen“. Das mag ein Grund sein, weshalb sich
zahlreiche Anwältinnen zu dieser Konferenz in
„Es waren die Männer, die uns in die Krise geführt haben - jetzt liegt es an uns, das für uns zu nutzen." Renate Maltry
München eingefunden hatten. Und mir fällt auf,
dass diese Anwältinnen nicht, wie es ihr Klischee
vermuten lässt, shoppen gehen, tütenweise Schuhe
und Klamotten nach Hause schleppen. Nein, sie
sitzen in den Vorträgen, saugen jede Hilfe dankbar
auf, sind aufmerksam bis zum Schluss, nehmen die
Sache ernst.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Netzwerke
Bund Deutscher Akademikerinnen (BDA)
Bundesverband der Freien Berufe
Bundesverband der Frauen im freien Beruf
und Management e. V. (BFBM)
Deutscher Verband Berufstätiger Frauen
Bundesweite Agentur für Gründerinnen
Deutsches Gründerinnen Forum DGF
Schöne Aussichten –
Verband selbstständiger Frauen e. V.
Verband Deutscher Unternehmerinnen e. V.
Fotos: Anke Schiller-Mönch
ADVOICE 04/09
21
Thema
Männer sagen nein - Frauen wägen ab
Unterschiede in der Wirkung von Männern und Frauen
noch einen Moment so stehen zu lassen. Das
verleihe dem Ganzen Nachdruck. „Frauen tendieren
dazu, in die Gebärde der Behauptung die Haltung
des Aufnehmens hineinzunehmen.“ Die Kollegin auf
der Bühne bekommt Anweisungen, ihre Bewegungen offener und weiter auszuführen, um das zu
demonstrieren, zeigt selbst auch, was sie meint.
Handflächen nach oben, Arme geöffnet. Die Seminarteilnehmerinnen sind beeindruckt. Die erste Probandin wird mit einem anerkennenden Applaus von
der Bühne entlassen. Eine nächste Kollegin ist
schnell gefunden. Sie soll etwas verneinen. Gisela
Maria Schmitz geht auf sie, zu bis ihr signalisiert
wird: „Stopp“.
»...das Aufnehmen, das Zuhören sei
etwas, was Frauen gut können. Dabei
hätten eher die Herren Nachholbedarf.«
Gisela Maria Schmitz (li.) zeigt, wie die behauptende Gebärde ihre optimale Wirkung entfaltet.
Sind Männer und Frauen wirklich so verschieden? Ist es wirklich so, dass Frauen die kleinen
Duckmäuschen sind, die ihr Wissen und Können
gern hinter dem Berg halten und zu allem Überdruss ihre Unsicherheit auch noch nach außen
tragen?
So pauschal mag das Gisela Maria Schmitz nicht
sagen. Sie kennt sich mit der Materie aus. Als Regisseurin kommt sie aus dem Theaterbereich und
hat sich intensiv damit auseinander gesetzt, wie
wir auf Menschen wirken. „Take five, die fünf
Grundlagen erfolgreicher Kommunikation im Mandat“ heißt ihr Seminar auf der 10. Anwältinnenkonferenz in München. Und es ist wirklich ein
Seminar und kein bloßer Vortrag, denn mitmachen
ist angesagt.
Take five – damit meint Gisela Maria Schmitz die
fünf Gebärden. „Der bewusste Umgang mit den
fünf Grundhaltungen der Kommunikation soll dazu
führen, dass Gesagtes und Körpersprachen kongruent sind“ sagt sie und ergänzt: „Das ist in kon-
22
ADVOICE 04/09
Foto: ARGE Anwältinnen
fliktreichen Situationen bei vielen Menschen häufig
nicht der Fall“, und dabei macht sie bewusst keinen
Unterschied zwischen Männern und Frauen. Konfliktreiche Situationen und Anwaltschaft – das passt
irgendwie zusammen. Die Expertin beginnt mit dem
Praxisteil und holt sich eine Rechtsanwältin auf die
Bühne. Sie soll eine Behauptung aufstellen. „Ich
wette, sie haben alle schon mal eine Urheberrechtsverletzung begangen“ sagt die Kollegin.
»Mit der Haltung des Verneinens tun
sich viele Frauen schwer.«
Und sie sagt es nicht nur, sie tut auch etwas dabei.
Sie verleiht dem, was sie sagt, mit einer bekräftigenden Handbewegung nach vorn Gewicht. Die
Expertin ist angetan. Die Kollegin war überzeugend.
Aber ein Seminar ist kein gutes Seminar, wenn der
Referent nicht wüsste, wie es noch besser geht. „Die
Haltung der Behauptung wird von Frauen gern verwässert“ weiß Gisela Maria Schmitz und gibt ihrer
Probandin den Tipp, ihre Gestik, sprich die Hand,
„Mit der Haltung des Verneinens tun sich viele
Frauen schwer. Manchen muss ich es regelrecht neu
beibringen“, die Expertin weiß wovon sie spricht.
Schließlich schult sie regelmäßig Frauen (und Männer) in Führungspositionen und solche, die gern
dahin wollen. Neu beibringen, muss sie das NeinSagen der Kollegin auf der Bühne nicht. Aber wie
sie ihrem Nein noch mehr Ausdruck verleihen kann,
ist spannend zu sehen. Oft sind es nämlich nur
Nuancen, die den Ausdruck verändern, die Hand
etwas energischer nach vorn und etwas weiter nach
oben und schon macht alles mehr Eindruck. Ein
Gefühl und das Bewusstsein für die fünf Gebärden
möchte die Expertin vermitteln. Und sie stärkt ihre
Seminarteilnehmer in dem, was sie gut können.
„Frauen sind stark in den Gebärden des Aufnehmens und des Hin- und Hergezogenseins“, weiß sie.
Gerade das Hin- und Hergezogensein signalisiere
ein bewusstes Abwägen. Das schaffe Vertrauen und
Glaubwürdigkeit. Auch das Aufnehmen, das Zuhören sei etwas, was Frauen gut können. Dabei hätten
eher die Herren Nachholbedarf.
Wie die Männer denn so reagierten, wenn sie in den
Seminaren an ihrem Ausdruck arbeiten würden,
möchte eine Teilnehmerin wissen. „Wissen Sie, so
anders als mit den Frauen ist das gar nicht. Es gibt
immer Teilnehmer, die haben mehr Scheu und
welche, die haben weniger Scheu. Und die, die zu
mir kommen, wollen ja an sich arbeiten, egal ob
Männer oder Frauen“, und damit bleibt sich Gisela
Maria Schmitz ihre Aussage vom Anfang treu –
einfach pauschalisieren kann man nicht.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Thema
Gleichung mit vielen Unbekannten
Männer und Frauen und das Versorgungswerk
Damals, das müssen traumhafte Zeiten gewesen
sein für Versorgungsmathematiker: Berufstätig
waren überwiegend Männer. Die Beitragszahler
hatten weitgehend bruchlose so genannte Erwerbsbiografien, und viele sind kurz nach dem
Eintritt in das Versorgungsalter aus dem Leben
geschieden. Das Ermitteln der Versorgungsbezüge muss mathematisch beinahe ein Kinderspiel gewesen sein.
Die Versorgungswerke erbringen Leistungen auf
Grundlage der von dem einzelnen Mitglied geleisteten Beiträge. Im Grundsatz erhält jeder Leistungsempfänger ratenweise und mit Zins zurück,
was er in früheren Jahren eingezahlt hat.
Doch die rosigen Zeiten sind vorbei, in denen viele
überdurchschnittlich verdienende Mitglieder für
überschaubare Versorgungszeiten Beiträge angehäuft haben. Zwar steigt mit wachsender Zahl der
Anwälte auch die der Beitragszahler im Versorgungswerk. Aber viele Kollegen machen sich in-
Kindererziehungszeiten,
Versorgungswerk
und die gesetzliche
Rentenversicherung
§
zwischen gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit selbstständig und zahlen jahrelang nur die Mindestbeiträge. Die weiteren Einkommensaussichten sind
angesichts weiter steigender Zulassungszahlen
jedenfalls (pro Kopf betrachtet) nicht durch exorbitantes Wachstum gekennzeichnet. Ein weiterer
Dämpfer für die Versorgungserwartungen sind die
langfristigen Zinsentwicklungen. Waren in den vergangenen Jahren vier Prozent Jahreszinsen auch
mit konservativen Anlagen zu erzielen, ist angesichts der Finanzkrise fraglich, ob eine solche Mindestrendite dauerhaft zu halten ist.
Dann wäre da noch die Lebenserwartung. Die ist bei
Männern gegenüber den Annahmen von 1998 um
mehr als vier Jahre gestiegen. Von wegen: jung
kaputt spart Altersheime.
Als wären das für die Rechenkünstler der Versorgungswerke nicht schon Denkaufgaben genug,
kommen jetzt noch immer mehr Frauen hinzu. Im
Versorgungswerk Berlin sind bereits mehr als ein
Welche Leistungen erhält die glückliche Anwältin
und Mutter in der Zeit und für die Zeit, in der sie
sich im Mutterschutz befindet oder der Kindererziehung statt der Kanzlei widmet? Die trockene Antwort lautet: gar keine. Das höchste der Gefühle ist
Beitragsfreiheit während Mutterschutz und Erziehungszeit, die auf Antrag gewährt wird. Doch die
Empfehlung lautet, dass kinderversorgende Anwältinnen und Anwälte auch während ihrer beruflichen
Auszeit freiwillig weiter Beiträge leisten, um im
Rentenalter bei der Versorgung keine kinderbedingten Abstriche in Kauf nehmen zu müssen. Allerdings
sah das Bundessozialgericht in einer Entscheidung
aus dem vergangenen Jahr Ansprüche der kindererziehenden Anwältinnen und Anwälte gegenüber
der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben. Zur
Begründung verweist das BSG darauf, dass Steuern
zahlende Anwältinnen und Anwälte auf diesem Weg
zur solidarischen Altersversorgung in der Rentenversicherung beitragen. Zwar wäre die Berücksichtigung von Mutterschutz- und Kindererziehungszeiten im Rahmen des Versorgungswerks nach Ansicht
des BSG folgerichtig. Jedoch habe sich der Gesetzgeber nicht entschließen können, den Versorgungswerken entsprechende Anteile des Steueraufkom-
Drittel der Mitglieder Frauen. Auch versorgungsmahtematisch sind Frauen keine Männer. Anwältinnen fangen früher an zu arbeiten, im Schnitt mit
31,65 Jahren (in Berlin), statt, wie ihre männlichen
Kollegen, mit 32,51 Jahren. Aber sie leben halt auch
länger als die Männer, laut Sterbetafel fast drei
Jahre. Und sie kriegen Kinder, die Anwältinnen, einige jedenfalls. Dann gehen sie in Mutterschutz und
verabschieden sich außerdem für mehr oder weniger lange Erziehungszeiten aus dem Erwerbsleben.
Für diese Zeit erhalten sie vom Versorgungswerk
keine Leistungen (siehe Kasten). Es soll auch Anwälte geben, die Kindererziehungszeit nehmen – gegenwärtig aber offenbar noch in einer Größenordnung,
die unterhalb des Messbaren liegt. Jedenfalls kann
das Versorgungswerk Berlin keine statistischen
Angaben zu kindererziehenden Kollegen machen.
Auch aus Sicht der Versorgungsmahtematik gilt
also: Ohne Frauen wäre das Leben wesentlich
unkomplizierter. Aber auch sehr viel langweiliger.
RA Percy Ehlert, Berlin
mens zuzuweisen. Inzwischen hat der Gesetzgeber
die Rechtsprechung insofern nachvollzogen, als er
§ 56 Abs. 4 SGB VI nunmehr so gefasst hat, dass
sich eine Anspruchsberechtigung kindererziehender
Anwältinnen und Anwälte auch ohne Auslegungsakrobatik ergibt. Voraussetzung für einen Rentenanspruch ist eine Kindererziehungszeit von mindestens
60 Monaten. Da pro Kind maximal eine Erziehungszeit von 36 Monaten angerechnet wird, erwirbt
einen Rentenanspruch nur, wer zwei Kinder über
insgesamt fünf Jahre in Erziehungszeit betreut.
Allerdings gibt es nunmehr gemäß § 208 SGB VI die
Möglichkeit, Zusatzzahlungen zu leisten, falls noch
einige Monate zur Begründung einer Rentenanwartschaft fehlen sollten. Diese Zusatzzahlungen
sind bei Erreichen des Renteneintrittsalters fällig. Für
Forumsmitglieder steht diesbezüglich also eine
endgültige Entscheidung nicht unmittelbar bevor.
Für alle bereits aktiven oder werdenden Anwaltseltern empfiehlt sich sicher eine Beratung beim
zuständigen Versorgungswerk zum Themenfeld freiwillige Beiträge zum Versorgungswerk und gesetzliche Rentenversicherung.
RA Percy Ehlert, Berlin
ADVOICE 04/09
23
Thema
Reine Männersache?
Schwere Straftaten verüben meist Männner - Frauen klauen
Sind Frauen harmloser als Männer? Der Anteil
von Frauen und Männern an strafrechtlich
relevanten Verhaltensweisen ist auch aus dem
Blickwinkel des auf das Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalts von großem Interesse. So
begegnet man als Strafverteidiger Frauen überwiegend in der „Opferrolle“.
Ein angeblich höherer Anteil der Tatverdächtigen bei weiblichen Jugendlichen oder gar Zuwächse bei den Verurteilungsziffern kann von
hier keineswegs bestätigt werden.
Kriminalität scheint weit überwiegend eine „Männer-Angelegenheit“ zu sein. Der Anteil der Frauen
an registrierten Tatverdächtigen lag 2008 trotz des
Verhältnisses von 52:48 an der Bevölkerung bei
insgesamt nur 24,4 % (aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik 2008, S. 11). Der Frauenanteil ist dabei
bei den vergleichsweise leichten Straftaten (wie
einfachem Diebstahl mit 40%) vergleichsweise
erhöht, bei der schweren Kriminalität niedriger. Der
Anteil von inhaftierten Frauen ist nochmals deutlich geringer (ca. 4-5 %). In sieben Jahren Strafverteidigung sind mir nicht mehr als drei Frauen
im Gedächtnis geblieben, gegen die eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt wurde. Die Gründe dieser geschlechtsspezifischen Abweichungen
werden in regelmäßigen Abständen von wissenschaftlichen Untersuchungen aufzuklären versucht.
Physiologischer Schwachsinn
Noch im 19. Jh. kamen einige Studien zu dem (abwegigen) Ergebnis, dass die weibliche Erscheinungsform des Verbrechens die Prostitution sei
(Lombroso/Ferrero).
Andere versuchten die geringe Kriminalitätsrate mit
dem „physiologischen Schwachsinn des Weibes“
(Möbius, 1900) oder der angeblich höheren
Dunkelziffer („Frauen können ihre Taten besser
verschleiern“) zu erklären. Hierauf können die
auffallenden Abweichungen jedoch keineswegs
zurückgeführt werden. Fest steht offenbar, dass
Frauen kulturelle Werte höher als Männer bewerten, sich eher an die Gesetze halten und eine höhere
Hemmschwelle besitzen. Abschließend konnten
kriminologische Untersuchungen die niedrige Frauenkriminalität jedoch noch nicht erklären, zumal
das Phänomen komplexe Ursachen zu haben
scheint.
Einige Autoren haben sich genauer mit den
Besonderheiten der Entwicklung der Kriminalität
nach einzelnen Deliktsformen und sogar den Abweichungen in der Begehungsweise befasst. So
lautet das Ergebnis von Harbort in seinem Buch
„Wenn Frauen morden“ (2008), dass Frauen nicht
nur seltener, sondern auch anders morden.
Frauen wird im Reich des Verbrechens besondere Heimtücke nachgesagt – behauptet Stephan Harbot.
Foto: Andrea Vollmer
Sie raffiniert, er brutal
Die Unterschiede in der Tatbegehung sollen im
Regelfall darin liegen, dass Frauen eher planvoll
und heimtückisch vorgehen, Männer demgegenüber eher im Affekt handeln. Mal abgesehen von
Tötungsdelikten traten Frauen vor allem bei Betrugsdelikten, Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten sowie wegen Beleidigungen vermehrt in
Erscheinung, wobei die „Auffälligkeiten“ jeweils
noch deutlich unter 50% lagen.
Fast ausschließlich sind es dagegen Männer, die in
Schlägereien verwickelt sind und die sich im Zuge
der Beendigung von Beziehungen in unterschiedlicher Weise (z.B. nach Gewaltschutzgesetz, wegen
Körperverletzung) strafbar machen. Besonders
deutlich überwiegt die Anzahl der Straftaten durch
Männer im Sexualstrafrecht.
Auch bei Straßenverkehrsdelikten, man denke nur
an Imponiergehabe durch schnelle Autos, sind
Männer seit jeher besonders auffällig.
Überraschender Weise wird auch der ganz überwiegende Teil an Ordnungswidrigkeiten – im Gegensatz zum weit verbreiteten Irrglaube, Frauen
am Steuer seien unberechenbar – schwerpunktmäßig vom „starken Geschlecht“ begangen.
Kein Verfolgungsinteresse
Auch wenn die sog. „Gleichverteilungsthese“, die
besagt, dass das weibliche Geschlecht bei Straftaten gar nicht unterrepräsentiert sei, als nahezu
unvertretbar zu bezeichnen ist, fällt gleichwohl auf,
dass Taten von Frauen in der Gesellschaft anders
aufgenommen werden. Zum einen besteht in bestimmten Konstellationen oft seitens der Strafverfolgungsbehörden kein Verfolgungsinteresse,
zum anderen scheinen Frauen vor Gericht noch
einen gewissen weiblichen Bonus zu haben. Gesichertes Zahlenmaterial gibt es hierzu allerdings
nicht. Im Strafverfahren eines männlichen Ausländers gegen den Vorwurf der Scheinehe war die
deutsche „Ehefrau“ nicht etwa mitangeklagt, obwohl sie die Ehe nur eingegangen war, weil ihr ein
größerer Geldbetrag versprochen worden war.
Stattdessen hatte die Staatsanwaltschaft das
Strafverfahren gegen sie schnell wegen angeblich
geringer Schuld eingestellt.
RA Dr. Ingo Fromm, Koblenz
24
ADVOICE 04/09
Thema
Hinter Gittern
Für Strafrechtlerin Gabriele Müller sind Knastbesuche Alltag
Gut gesichert durch Einblick - nachdem es einmal laut wurde in der Zelle, als der Anwalt da war, baute man diese Sichtfenster ein.
Es ist Freitagmorgen, kurz vor 09:00 Uhr. Ich habe
mich mit einer Kollegin verabredet, vor der JVA in
Weimar. Es ist kalt, irgendwie ungemütlich. Ich bin
ein wenig aufgeregt, schließlich ist es meine „Knastpremiere“. Ich halte Ausschau nach der Kollegin. Die
fährt vor, parkt ein, kommt mir gut gelaunt entgegen, zierlich, schick in hellen Hosen und Stiefeln.
Die JVA ist für sie Alltag.
Rechtsanwältin Gabriele Müller ist Strafverteidigerin, seit fast 20 Jahren. Sie studierte in Jena,
noch zu DDR-Zeiten. Dort wurden damals die
Staatsanwälte ausgebildet. Bei denen musste sie
mithören. In den Staatsdienst wollte sie nie. Aber
Strafrecht, das hat sie schon immer fasziniert. Dass
das nicht das typische Rechtsgebiet für eine Frau,
ist, stört sie nicht: „Ja, es sind schon eher Männer,
die Strafverteidiger sind“, weiß sie. Ein Problem ist
das für sie nicht; auch nicht für ihre Mandanten.
Die reichen vom kleinen Ladendieben über Betrüger
bis hin Sexualstraftätern. „Emotionen sind da
unangebracht. Da muss man sich auf das Rechtliche konzentrieren“, kommt sie meiner Frage zuvor,
was einer Mutter durch den Kopf geht, wenn sie
einen Sexualstraftäter verteidigt. Kalt lässt sie das
nicht. „So etwas lässt einen nicht los, auch mich
nicht. Diese Gedanken kommen hinterher, wenn ich
zur Ruhe kommt. In der eigentlichen Verhandlung
kann ich das ausblenden.“ Das zeichnet wohl einen
guten Strafverteidiger, oder hier besser eine gute
Strafverteidigerin, aus.
Und mit der gehe ich nun an diesem Freitagmorgen
hinter Gittern. Das ist gar nicht so spektakulär. Wir
gehen durch eine ganz normale Tür. Na gut, sie ist
schon aus Eisen, und um eine Sicherheitskontrolle
kommen wir auch nicht herum, auch wenn die
Kollegin Müller hier alle kennen. Ein kurzes
Gespräch mit der Sicherheitsbeamten, und dann
kommt der Mandant.
Wir sind mittlerweile in dem Besprechungszimmer,
einem kahlen Raum mit Gittern an den Fenstern –
Gefängnis eben. In der Tür ist ein kleines Fenster.
„Das haben wir eingebaut, nachdem es mal gepoltert hat in dem Raum“, erzählt mir die Sicherheitsbeamtin. Rechtsanwältin Müller sieht das
gelassen: „Ich hatte das ein einziges Mal. Da wurde
ein Mandant ausfällig. Aber er hat sich schnell
beruhigt. Dann ging es wieder.“ Die Mandanten haben kein Problem damit, von einer Frau vertreten
Fotos: Anke Schiller-Mönch
zu werden. Der heutige Mandant hat seinen Pflichtverteidiger gegen sie ausgetauscht. „Frauen müssen
immer mehr leisten als Männer, wenn sie berufliche
Anerkennung haben wollen, egal in welchem
Rechtsgebiet“, sagt sie. Ich hatte gefragt, ob man es
als Frau schwerer hat, sich gegen die männliche
Konkurrenz zu behaupten. „Frauen gehen anders an
die Sache heran, arbeiten oft genauer. Das wissen
die Mandanten zu schätzen.“
Sachlich und genau arbeitet Strafverteidigerin
Müller auch an diesem Freitagmorgen. Sie geht
Akte für Akte des dicken Stapels gemeinsam mit
dem Häftling durch, berechnet Haftzeiten, spricht
mit ihm über Entlastungsbeweise und das weitere
Vorgehen. Nach einer halben Stunde ist alles gesagt.
Kollegin Müller packt ihren Stapel Akten wieder in
ihre Tasche, verabschiedet sich. Ihr Mandant geht
wieder auf seine Zelle. Wir verlassen die sicheren
Mauern. Und irgendwie bin ich froh darüber, mich
frei auf mein Rad schwingen zu können und in die
Kanzlei zu radeln. Dort warten Akten. Ein paar
strafrechtliche sind auch dabei.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
ADVOICE 04/09
25
Thema
Alles für die Katz?
Eine Berliner Anwältin über Pläne und Umwege – ein Erfahrunsgbericht
Rückzug Wohnzimmerkanzlei
Für Grit Sänger standen die Weichen auf Führungsposition - bis die Kinder kamen.
Beim letzten Anwältinnentag in München sind
sie mir zum ersten Mal leibhaftig begegnet:
Rechtsanwältinnen, die Karriere und Familie
stringent geplant und dann plangemäß unter einen Hut gebracht haben. Respekt! Bisher dachte
ich immer, es gehe allen anderen wie mir. Mit
dem ersten Kind läuft die Karriereplanung aus
dem Ruder und ab Nummer zwei ist es aus mit
dem Lenken. Pläne kommen – wenn überhaupt –
nur noch in ihrer B-Variante zur Anwendung,
und bis aus der Schadensbegrenzung wieder beruflicher Erfolg wird, sind einige Jahre zu überstehen.
»Mit dem ersten Kind läuft die
Karriereplanung aus dem Ruder,
ab Nummer zwei ist es aus mit
dem Lenken«
Dabei hatte auch ich perfekt geplant. In der fünften
Klasse beschloss ich, japanisch zu lernen. Mit 15
habe ich damit angefangen, später in Tokyo, Heidelberg und Berlin studiert. Das Jura-Examen absolvierte ich parallel dazu. Die Weichen standen auf
Führungsposition in der Wirtschaft oder Einstieg
in eine internationale Großkanzlei. Doch dann kam
alles anders.
Die erste Tochter kam zu spät, die zweite zu früh,
und alle Planung war für die Katz. Dies sei also der
Bericht für alle, die ihre Kinder gerade entwerfen
oder bekommen, zum Mut machen und gelassen
werden.
26
ADVOICE 04/09
Foto: privat
Großer Frust, großer Mut
Eigentlich fing – nach Tochter eins – alles relativ
gut an. Natürlich hatte ich im achten Monat den
Job in Japan nicht mehr bekommen, obwohl mein
Mann die Babypause übernehmen wollte. Aber
nach einem Dreivierteljahr als Sklave in einer mittelmäßigen Kanzlei waren wenigstens die ersten
Erfahrungen gesammelt und der Mut und Frust
groß genug für den Schritt in die Feld-, Wald- und
Wiesen-Selbstständigkeit. Das erste eigene Büro
war das Hinterzimmer in einer Steuerberaterkanzlei. Die erste eigene Sekretärin teilten sich die Wirtschaftsprüfer und die Arbeitsagentur mit mir. Im
Erdgeschoss betrieb eine Mandantin ein florierendes Restaurant und alle, die beim Essen auf ihre
Probleme zu sprechen kamen, konnten im Anschluss eine Treppe höher kommen. Nach einem
knappen Jahr lief es richtig gut.
»Die erste Tochter kam zu spät,
die zweite zu früh«
Dann kam der Tag im August, an dem die Bürogemeinschaft sich trennte und meine Sekretärin
ihren Studienwunsch offenbarte. Nach zwei Kündigungen (Mitarbeiterin und Büro) stand am Nachmittag nur noch dieser Arzttermin auf dem Programm. Nach zwei negativen Schwangerschaftstests war ich optimistisch. Doch dann fand meine
Ärztin doch die ersten Spuren unserer zweiten
Tochter. Vier Jahre vor dem Termin, den wir uns
dafür überlegt hatten.
Es folgte der Rückzug in die Wohnzimmerkanzlei.
Ein Mini-Büro in Berlin-Mitte diente als Empfangsmöglichkeit für Mandanten. Es konnte praktischerweise mit Sekretärin gemietet werden, die erst
durchstellte, wenn kein Baby schrie oder gerade
gestillt werden musste. Dann Umzug drei und vier.
Erst einen Steinwurf von Kind und Wohnzimmer
entfernt, dann ins Stadtzentrum in eine SchönerWohnen-Kanzlei mit Fahrzeiten von einer Stunde
pro Strecke. Dazu ein buntes Gemisch von Mandaten und das Gefühl, hier fährt ein Zug eindeutig
in die falsche Richtung. Durch eine Reise nach
Tokyo soll endlich die richtige Richtung klar werden,
auf dem Heimweg dann jedoch nur die Erkenntnis,
dass Großkanzlei und Wirtschaftsrecht mit 60Stundenwoche nicht mehr als Ziel in meiner Lebensplanung stehen.
»...das Gefühl, hier fährt ein Zug
eindeutig in die falsche Richtung.«
Ein paar Monate später hilft dann der Zufall: eine
Mandantin besteht auf der Übernahme ihrer Ehescheidung, und „mein“ Gebiet ist endlich gefunden,
ein Fachanwaltskurs sorgt für das nötige KnowHow.
Als ich selbst weiß, was ich will – wie viele Stunden
arbeiten, wie viel Honorar verdienen – ist die Zeit
reif für einen professionellen Kanzleicheck.
Erfolgreicher Kanzleicheck
Ich melde mich bei der abc Anwaltsberatung an.
Die Hälfte der Kosten übernimmt der Staat. Ergebnis: Kanzlei-Umzug in Wohnortnähe, mit S-BahnAnbindung für die Mandanten und Fahrrad-Anfahrt für mich, Beschränkung auf Arbeits- und
Familienrecht, Bürogemeinschaft mit Kollegen aus
gleichem Fachgebiet für Austausch und Kosteneinsparung, Mut zu Gebührenvereinbarungen.
Nach einigem Üben kommen mir die neuen Preise
über die Lippen, die Mandanten können anscheinend damit leben. Unterm Strich verdoppelt sich
nach dem Coaching der Umsatz binnen eines
halben Jahres. Mein Mann kann auf eine 2/3-Stelle
gehen und die Kinder haben genau so viel Eltern
wie geplant.
RAin Grit Sänger, Berlin
Thema
Frauenbeauftragten-Frust – wegen der Frauen
Brauchen wir überhaupt noch so ein Amt an den juristischen Fakultäten?
Viele Jahre lang war ich Frauenbeauftragte der
juristischen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität in München (LMU), auch stellvertretende Universitätsfrauenbeauftragte.
Ein überflüssiges Amt aus den 80-er Jahren?
Kann man etwas bewirken, Frauen unterstützen
und stärken, und wollen dies die Kolleginnen
denn (noch)? Haben Studierende und Wissenschaftlerinnen eine „Sonderbehandlung“ überhaupt noch nötig?
In der Sitzung einer Berufungskommission: Ein
Lehrstuhl soll neu besetzt werden, die Besetzung der
Kommission: neun Professoren, eine wissenschaftliche Assistentin, die Frauenbeauftragte. 40 Bewerbungen, davon vier Bewerberinnen. Schnell sind sich
die Herren einig, dass die Kolleginnen leider wissenschaftlich nicht topp sind, dagegen aber doch etliche Herren Kollegen. Man kennt sich, pflegt seit
Jahren Kontakte, die einst selbst betreuten Privatdozenten oder Professoren werden wärmstens
empfohlen – ein Netzwerk, ständiger Informationsaustausch, gegenseitige Unterstützung.
Und die Kolleginnen? „Hab ich nicht nötig.“, „Ich bin
nicht auf irgendeine Hilfe angewiesen.“ Frauenbeauftragte? „Aber bitte! Nicht diese Schiene!“ Kein
Anruf vor dem Vortrag, was ist so üblich an der
LMU? Was wird erwartet? Wer hat sich noch beworben? Aber nein, nichts, mögliche Informationen
werden nicht abgefragt. Da kommt es durchaus zu
Frauenbeauftragten-Frust – wegen der Frauen.
Sicherlich: Ein Stimmrecht wurde in den Kommissionen und im Fachbereichsrat erkämpft - aber was
kann frau mit einer Stimme erreichen? Nicht viel,
aber eben doch kleine Fortschritte – man geht
etwas vorsichtiger und sensibler mit Frauenfragen
um, ist sich des Problems zumindest bewusst.
Einige Beispiele: Wird heute eine Wissenschaftlerin
Mutter, erhält der Lehrstuhl 2.000,- € um eine
Vertretung in der Lehre bestellen zu können.
Besonders erfreulich: Wir haben ein MentoringProgramm durchsetzen können, das großen Anklang findet. Es gibt endlich an der LMU einen
Gender-Lehrstuhl – besetzt mit einer Frau.
Wir haben ein Exzellenz-Training für Nachwuchswissenschaftlerinnen. Und: Wir haben ein höchst
professionelles Kinderbetreuungsangebot über die
pme Familienservice GmbH, einen Uni-Kindergarten, eine Uni-Kinderkrippe und für alle die
Möglichkeit (auch für die Studierenden), Kinder
stundenweise abgeben zu können. Das sind durchaus Fortschritte für uns Frauenbeauftragte, es ist
das Ergebnis von kontinuierlicher und hartnäckiger
– auch kämpferischer – Arbeit seit 1989.
Vielleicht gelingt es ja mit Hilfe der vielen Stipendien, die wir an exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen vergeben konnten, den Frauenanteil
spürbar zu erhöhen – ansonsten: Müssen wir für
die Frauenquote kämpfen?
Vielleicht sollte aus der „Frauenbeauftragten“ eine
„Familienbeauftragte“ werden, wäre dies zeitgerechter? Nein, es ist zu früh. Erst dann, wenn die
Frauen in allen Fachbereichen der Universität angemessen und ausgewogen vertreten sind, kann es
soweit sein. Bis das aber erreicht ist, werden die
Universitäts-Frauenbeauftragten noch viel Frust
hinunterschlucken müssen, viel Geduld brauchen
und hoffentlich den Kolleginnen auch vermitteln
können, dass sie von Anfang an eine seriöse Karriereplanung betreiben und Netzwerke schaffen
müssen. Von Beginn des Studiums an!
Mich hat das Amt nicht frustriert, ich bin stolz auf
diese Fortschritte und denke, das Amt ist (noch)
absolut notwendig, um Art. 3 II GG etwas näher zu
kommen.
Gemeinsame Themen - Dr. Monika Zumstein (l.) und RAin Sabine Feller.
Dr. Monika Zumstein, München
Foto: Anke Schiller-Mönch
Und tröstet es wirklich, dass die Frauenbeauftragten erreicht haben, dass pro berufener Professorin
ein „Kopfgeld“ i.H.v. 25.000,- € an die berufende
Fakultät bezahlt wird? Wird es helfen? Zweifel sind
angebracht.
Tatsache ist, dass wir bei der juristischen Fakultät
bei 33 Professuren nur zwei Professorinnen haben.
55% unserer Studierenden sind Frauen, nur 1/3 der
Doktoranden sind Doktorandinnen, ihre Beurteilungen auffallend schlechter, obwohl die Examensnoten besser als die der Doktoranden waren.
Ein Zufall? Wohl kaum, und ebenso kein Zufall ist,
dass Frauen nurmehr sehr selten bereit sind zu
habilitieren – seit drei Jahren keine einzige Juristin
an unserer Fakultät.
Kein Wunder: Zwischen 30 und 40 Jahren steht für
viele Frauen die Familienplanung an, und die ist
schlecht vereinbar mit der Habilitation, Veröffentlichungen, Ortswechsel, befristeten Verträgen. Ein
frauenfeindliches Ausbildungssystem.
ADVOICE 04/09
27
Magazin
Lechts und Rinks kann man doch velwechsern
„Die Anwälte" Schily, Ströbele, Mahler - Drei streitbare Lebensläufe im Film
Oktober 2009. Eine Dokumentarfilmpremiere
im Berliner Traditionskino Delphi. Gedrängel im
Foyer, darunter Paparazzi. Bei einem Dokumentarfilm? Die Fotografenmeute ist wegen der
Mitglieder des ehemaligen sozialistischen Anwaltskollektivs gekommen und wegen eines
Bundesinnenministers a. D. Denn Otto Schily,
Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler –
„Die Anwälte“ sind die Protagonisten des Films.
Sie sind Politpromis mit starkem Ego und so
bekannt, dass selbst die Klatschspalten ein
gewisses Interesse entwickeln. Oder jedenfalls
das Feuilleton. Stoff für Diskussionen hat der
Film jedenfalls genug.
Es geht um bundesdeutsche Geschichte und Politik,
den Baader-Meinhoff-Komplex, bewaffneten und
unbewaffneten Widerstand, um Gerechtigkeit,
Männerfreundschaften und Loyalität, Ruhm und
um drei, für Außenstehende, völlig widersprüchliche
Biografien. Es geht darum, wie einer wird, was er
ist bzw. das, was andere in ihm sehen wollen. Und
natürlich geht es um die Juristerei. Anwälte – das
ist die Klammer, welche die Dokumentarfilmregisseurin Birgit Schulz ihrem politisch-historischen
Film über das Trio gegeben hat.
Das Anwaltskollektiv
Erst mal klingt es ganz einfach. Der Anwaltsberuf
hat die drei Männer zusammengeführt und vor
mehr als 40 Jahren ihre Leben untrennbar ineinander verwoben. Als politisch engagierte, linke
Anwälte haben sich die Drei kennen gelernt. Ein
Foto aus dem Jahr 1973 illustriert diese Geschichte,
zu sehen sind zwei Verteidiger und ein Angeklagter
mit schütterem Haar, Rauschebart und Brille. Horst
Mahler sitzt auf der Anklagebank, Hans-Christian
Ströbele wendet sich ihm zu, Otto Schily, mit weißer
Krawatte, schaut nachdenklich an der Kamera
vorbei. Heute wäre es nicht mehr möglich, das Trio
für ein gemeinsames Foto zu gewinnen. Schily und
Ströbele gehen sich aus dem Weg, Mahlers Nähe
meiden beide. Persönliche Entscheidungen und
Überzeugungen haben die Sache schwierig
gemacht. Der gemeinsame Weg war wichtig, er war
bedeutend über das persönliche Umfeld hinaus,
aber er war „befristet“, wie Anwälte sagen würden.
Büro, Sozietät, Kanzlei – das sind die gängigen
Namen, wenn Anwälte sich zur gemeinsamen
Berufsausübung zusammenschließen. Bei Ströbele
und Mahler war das anders.
Ströbele und Schily verteidigen 1973 Horst Mahler, der unter anderem wegen
schweren Raubs und Gründung einer kriminellen Vereinigung (RAF) vor Gericht steht.
Foto: © dpa
Am 1. Mai 1969 gründeten sie mit dem Anwalt
Klaus Eschen das „sozialistische Anwaltskollektiv“.
Ströbele war 1967 als Referendar in Mahlers Kanzlei eingetreten, um ihn in den vielen Strafverfahren
um die Studenten-Demonstrationen 1967/68 zu
unterstützen. Schily praktizierte in der gleichen
Straße. Gerade mal 22.108 Anwälte waren damals
in der BRD zugelassen, das klingt, als ob der Beruf
damals noch ein Privileg war. Zehn Jahre hatte das
„Kollektiv“ Bestand, 1979 wurde es aufgelöst. Der
„Senat für Anwaltssachen“ beim Bundesgerichtshof hatte zwischenzeitlich festgestellt, dass die
Bezeichnung „sozialistisch“ gegen die Pflichten
verstoße, die Anwälten obliegen. Die Bezeichnung
sei „unvereinbar mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts und seiner im Gesetz festgelegten Stellung“.
Das Wort Kollektiv hatte aber bereits Schule
gemacht, die Probleme waren ähnlich: die Praxis
der Anwälte des Hamburger Anwaltskollektivs,
Blankovollmachten von flüchtigen und womöglich
weiterschießenden RAF-Mitgliedern entgegenzunehmen, wurde von der Bundesanwaltschaft als
standeswidrig eingestuft.
Radikales Engagement
Es waren schwierige Zeiten für einen engagierten
Anwalt damals. Der Spiegel stellte 1972 fest: „Was
für einen Anwalt bei der Wahrnehmung von
Mandanten-Interessen erlaubt, was nicht erlaubt
ist – diese ohnehin kurvenreiche Grenze ist erkennbar schwer einzuhalten, wenn herkömmlicher
Anwaltskodex und radikales Engagement in Widerstreit geraten.“ Aus der Kurve getragen hat es den
Anwalt Ströbele – vorübergehend. Er hat durch
seine Verteidigung selbst eine Bewährungsstrafe
kassiert, er wurde direkt vor Beginn des Stammheim-Prozess ausgeschlossen. „Baader stand plötzlich ohne Anwalt seines Vertrauens dar.“
Aus heutiger Sicht wirkt das anwaltliche Engagement der drei Männer nur wie eine Durchgangsstation. Es war Sprungbrett für die politischen
Karrieren von Otto Schily und Hans-Christian
Ströbele. Springer, Stammheim, Mahler – in spektakulären Prozessen standen sie im Rampenlicht,
später haben sie die Partei „Die Grünen“ mitbegründet und in den Bundestag geführt. Doch der
gerade Weg ist für Schily damit vorbei. Er hat sich
vom RAF-Verteidiger, der dem Staat sehr genau auf
die Finger sah, zum Minister, der nach dem 11.
September 2001 harte Sicherheitsgesetze auf den
Weg brachte, gewandelt.
Fortsetzung > Seite 31
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ADVOICE 04/09
Magazin
Die Toten von Stammheim
Die Einen über die Anderen
Die eigene Kindheit
STRÖBELE - ÜBER DIE TOTEN VON STAMMHEIM
MAHLER ÜBER SCHILY
SCHILY – ÜBER SEINE KINDHEIT
»Das war eine Nacht, die von Enttäuschung
und Verzweiflung geprägt gewesen ist ...
Völlige Bestürzung - und ich konnte mir
nicht vorstellen, dass Waffen in die Zellen
reingekommen sind und dass sich Baader,
Ensslin und Raspe selber umgebracht haben.
Und ich habe es deshalb als meine Pflicht
angesehen, alles dafür zu tun, dass dieses
unabhängig, möglichst durch eine international besetzte Kommission aufgeklärt wird.«
»Seine Gegner beschreiben ihn als eitel; ich
würde diese Vokabel nicht auf sein Verhalten
anwenden. Das war nicht Eitelkeit, sondern
das Bewusstsein, dass er zu einer geistigen
Elite des Anwaltsstandes gehörte. Das war
zweifellos der Fall. Er gehörte zur Elite der
deutschen Anwaltschaft. Er hatte Fähigkeiten,
die andere nicht haben und lange Zeit
vergeblich sich mühen, sich das anzulernen.
Das schaffen sie nicht, das muss angeboren
sein.«
»Also, ich kann einen Satz meiner Mutter
sagen. Die hat gesagt: „Du kannst werden,
was du willst, bleib nur ein anständiger
Mensch.“ Also, ganz schlicht. Und dann war
da noch die Offenheit meiner Eltern, die mir
diese wunderbare Mitgift fürs Leben der
künstlerischen Tätigkeit mit auf den Weg
gegeben haben. Ursprünglich wollte ich gerne
Dirigent werden. Ich war ja nun mit der
Musik sehr verbunden, habe auch mal
versucht, eine kleine Komposition zu
schreiben. Das war aber alles ziemlich
läppisch, und dann habe ich doch erkannt,
dass mein Talent dafür nicht ausreicht.«
»Ja, es ist ganz eindeutig ein Gefühl des
Gescheitertseins, der Niederlage, wenn es
in mehreren Fällen nicht gelungen ist,
wenigstens das Leben der Mandanten im
Gefängnis zu retten.«
»Zur RAF-Zeit war Schily ja einer der
Vorreiter des Widerstandes gegen diese
Entwicklung, die er jetzt mit seinem
Sicherheitswahn ins Extreme gesteuert hat,
wo man sagt, also: Der Mann hat sich damit
selbst zerstört.“«
SCHILY - ÜBER DIE TOTEN VON STAMMHEIM
»Dann erreicht mich die Nachricht, die
Untersuchungsgefangenen in Stammheim
sind tot, und einer davon ist erschossen
worden. Das kann ich natürlich überhaupt
nicht begreifen, wie es möglich ist, jemand
dort zu erschießen, da muss ich zunächst
mal Fremdverschulden annehmen. Und
deshalb sind wir auch zu der Obduktion
gegangen. Was schwer emotional zu
verarbeiten ist, wenn Sie jemanden auf dem
Obduktionsbett liegen sehen, mit dem sie
bisher als Mandant geredet haben.«
»Wenn man etwas tiefer versucht, in die
Geschichte einzudringen, dann muss man
natürlich schon die Frage stellen: Wie
kommt es, dass ein Mensch wie Holger
Meins, der ein überzeugter Pazifist war, ...
dann meint, er muss diesem Staat militant
gegenüberstehen, ... Was da passiert ist, das
rechtfertigt kein einziges Attentat, aber ich
glaube, wenn wir die Geschichte begreifen
wollen, muss man diese Tragödie sehen. Alle
diese Menschen, ... hätten einen wichtigen
Beitrag leisten können für unsere Gesellschaft.«
»Also, ich kann mir vorstellen, dass er also
voll davon überzeugt ist, dass ich schlicht
politischer Unrat bin und auch als Mensch
völlig indiskutabel. Das würde zu der
Einschätzung passen, die ich heute von ihm
habe. Ich würde mir das zur Ehre gereichen
lassen.«
SCHILY ÜBER MAHLER
»Die Entwicklung von Horst Mahler in die
rechte Szene ist eine Tragödie.«
»Ich erinnere mich daran, dass ich durch
nichts so aufgewühlt wurde wie Ungerechtigkeiten, die entweder mir selber passiert sind
oder anderen. Also ich erinnere mich, dass
ich mich dann brüllend in mein Zimmer
eingeschlossen habe und irgendwie erwartete,
dass das gelöst wurde. Meine Mutter hat
dann meistens die Vermittlerin gespielt
und hat das dann aufgelöst, aber irgendwann
und irgendwie muss mir ein Gerechtigkeitsempfinden gekommen sein, dass ich mich
über nichts so sehr erregen konnte wie eine
Ungerechtigkeit.«
MAHLER – ÜBER SEINE KINDHEIT
MAHLER ÜBER STRÖBELE
»Er ist einfach menschlich von einer Wärme –
er hat sich dann auch sehr um meine Familie
gekümmert, als ich im Gefängnis war, und hat
sich absolut loyal verhalten und hat alle seine
Möglichkeiten ausgeschöpft, diesen Ausfall
meiner Person als Ernährer der Familie
auszugleichen, indem er meiner Frau eine
Anstellung an der Universität besorgt hat.«
STRÖBELE ÜBER MAHLER
MAHLER - ÜBER DIE TOTEN VON STAMMHEIM
»Dass wenn sie vor sich haben „es geht
nichts mehr“, lebenslänglich, dass sie sich
das nicht ansehen wollten, dass es klar war,
dass sie dann dem ein Ende machen wollen
und dann auch die Entschlossenheit, wenn
es denn notwendig ist, den eigenen Körper
und damit auch das Verschwinden des
Körpers zu einer Waffe zu machen.«
STRÖBELE – ÜBER SEINE KINDHEIT
»Ich will mich dazu nicht äußern, da fehlen
mir die Worte.«
»Ich wollte in die Politik; das war die große
Angst meiner Mutter, weil sie sagte, also
Politiker sind schlechte Menschen. Ich habe
mir die Haare so geschnitten wie Adolf Hitler
und habe mich dann hingestellt und habe
Reden gehalten. Gott, was macht man als
kleines Kind? Man spielt irgendeine Rolle,
die man sich als Ideal vorstellt. Das war
schon immer irgendwie in mir drin; dann
wusste ich, wenn du in den Staat gehen
willst, musst du das Recht studieren. Es
war also von vornherein klar, ich wollte
nicht Mediziner werden, ich wollte nicht
Pilot werden, ich wollte nicht Lokomotivführer werden, ich wollte Politiker werden.«
Die hier zitierten Aussagen der filmische Protagonisten stammen allesamt aus dem Dokumentarfilm
„Die Anwälte“ von Birgit Schulz.
> www.die-anwaelte.realfictionfilme.de
ADVOICE 04/09
29
Magazin
Anwaltsbiografien
Otto Schily
Horst Mahler
Hans-Christian Ströbele
Otto Georg Schily wurde am 20.06.32 in Bochum
als Sohn eines Hüttendirektors geboren. Nach dem
Abitur studierte Schily Rechtswissenschaften und
wurde 1963 Rechtsanwalt. Vermutlich wäre er ein
saturierter Rechtberater geworden, denn er vertrat
bis 1967 vor allen Dingen die Interessen von
Grundstückseigentümern. Im Zuge der Studentenproteste wechselte Schily das Lager. Auf Empfehlung des früheren RAF-Terroristen Horst Mahler
übernahm er die Vertretung der Nebenklage im Fall
Ohnesorg. Er freundete sich mit führenden Linken,
u. a. mit Rudi Dutschke an und wurde 1968
Rechtsbeistand der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin.
In den RAF-Prozessen um die Köpfe Baader, Meinhof und Ensslin bezweifelte Schily deren Selbsttötungen und bezichtigte stattdessen den Staat,
mit den Todesfällen in Verbindung zu stehen. Im
Jahr 1980 gehörte er zu den Gründungsvätern der
Partei Die Grünen, die er aber 1989 nach innerparteilichen Querelen verließ. Er wurde 1990 SPDMitglied und im Kabinett Schröder Bundesinnenminister. Für Aufsehen sorgte Schily mit seiner
Weigerung, vor dem Deutschen Bundestag seine
Nebeneinkünfte offen zu legen. Heute ist Schily in
pat
Berlin Rechtsanwalt.
Der am 23.01.36 in Haynau geborene Horst Mahler gehört heute zu dem führenden Personenkreis
der rechtsextremistischen Szene. Entgegen seiner
heutigen rechtsradikalen Haltung begann Mahler
als Rechtsanwalt Mitte der 1960er Jahre im linksextremen Spektrum. Er vertrat vornehmlich in Strafsachen die Mitglieder der Außerparlamentarischen
Opposition (APO) und schloss sich 1970 als Mitbegründer der Rote Armee Fraktion (RAF) an. Mahler
war an der Befreiung von Andreas Baader und an
Banküberfällen beteiligt, weswegen er zu einer 14jährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Diese musste
er jedoch nur zu zwei Dritteln absitzen. Dafür eingesetzt hatte sich sein damaliger Verteidiger und
späterer Bundeskanzler Gerhard Schröder. Noch
während seiner Haftzeit orientierte sich Mahler
politisch um. Er sympathisierte mit der NPD, in die
er 2000 eintrat. Nach seinem Austritt im Jahre
2003 sorgte Mahler in der Öffentlichkeit mit einer
Vielzahl von antisemitischen Äußerungen und der
Leugnung des Holocaust für Aufsehen.
Mahler verbüßt gegenwärtig eine sechsjährige
Haftstrafe wegen Volksverhetzung. Seine Anwaltszulassung wurde ihm von der Anwaltskammer Berpat
lin entzogen.
Geboren wurde der Mitbegründer der Partei Die
Grünen und der Tageszeitung TAZ am 07.06.39 in
Halle an der Saale. Hans Christian Ströbele besuchte in Marl das Gymnasium und leistete im Anschluss an das Abitur seinen Wehrdienst ab. Darauf
folgend studierte er Jura an der Universität Heidelberg und arbeitete im Referendardienst unter anderem für die Kanzlei von Horst Mahler. Nach dem
Erhalt des zweiten Staatsexamens verteidigte Ströbele namhafte RAF-Angehörige, so den Kopf der
Baader-Meinhof-Bande Andreas Baader und später Horst Mahler gemeinsam mit Otto Schily. Als
Folge der Rechtsvertretung der RAF-Führungsriege
geriet Ströbele in das Fadenkreuz staatsanwaltlicher
Ermittlungen und wurde 1983 rechtskräftig wegen
Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu
einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Seine anwaltliche Zulassung behielt er jedoch.
In der Folgezeit seiner politischen Tätigkeit musste
sich Ströbele wiederholt für seine damalige Verteidigung der RAF-Mitglieder rechtfertigen und
stand deswegen in der öffentlichen Kritik. Einen
Namen machte sich der in Berlin lebende Bundestagsabgeordnete vor allem durch sein Nein zu Auspat
landseinsätzen der Bundeswehr.
Otto Schily
Horst Mahler
Hans-Christian Ströbele
30
ADVOICE 04/09
Foto: © dpa
Übersicht 2010
OKTOBER
NOVEMBER
DEZEMBER
01
FR
01
MO
01
MI
02
SA
02
DI
02
DO
03
SO
03
MI
03
FR
04
MO
04
DO
04
SA
05
DI
05
FR
F O R U M „ S t a r t i n d e n A n w a l t s b e r u f “, D ü s s e l d o r f
05
SO
06
MI
06
SA
F O R U M „ S t a r t i n d e n A n w a l t s b e r u f “, D ü s s e l d o r f
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Heiligabend
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Weihnachten
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Weihnachten
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Tag der Dt. Einheit
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Winterzeit (-1 Stunde)
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Totensonntag
1. Advent
2. Advent
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
3. Advent
4. Advent
Ve r j ä h r u n g !
Silvester
FORUM Junge Anwaltschaft im DAV
www.davforum.de
JANUAR
FEBRUAR
MÄRZ
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Rosenmontag
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Fastnacht
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Aschermittwoch
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Neujahr
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Stuttgarter Juristenball, Liederhalle Stuttgart
Sommerzeit (+1 Stunde)
Übersicht 2010
APRIL
MAI
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Morgen Umsatzsteuererklärung fällig!
Maifeiertag
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Ostersonntag
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„15 Jahre FORUM Junge Anwaltschaft“, Berlin
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Ostermontag
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„15 Jahre FORUM Junge Anwaltschaft“, Berlin
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FORUM „Start in den Anwaltsberuf“, Berlin
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FORUM „Start in den Anwaltsberuf“, Berlin
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D A T, A a c h e n
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Pfingstsonntag
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Pfingstmontag
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Karfreitag
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Morgen Umsatzsteuererklärung fällig!
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Christi Himmelfahrt
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
FORUM Junge Anwaltschaft im DAV
JULI
Terminänderung gem. § 227 ZPO möglich
i n d e r F r i s t 1 . J u l i - 31 . A u g u s t 2 010
www.davforum.de
AUGUST
SEPTEMBER
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68. Deutscher Juristentag Berlin
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68. Deutscher Juristentag Berlin
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68. Deutscher Juristentag Berlin
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68. Deutscher Juristentag Berlin
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Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Ende der Frist Terminänderung gem. § 227 ZPO
Zahlung & Meldung Umsatz- / Lohnsteuer
Magazin
Fortsetzung von Seite 28
Von APO bis NPD
Der Anwalt Mahler hat zweimal seine Zulassung
verloren (1974 und 2004). Zurzeit verbüßt er eine
6-jährige Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung
und Holocaustleugnung. Mahler verkörpert in
seinem Werdegang das gesamte politische Spektrum jüngster deutscher Geschichte. Er war APOAnwalt, Mitbegründer des sozialistischen Anwaltskollektivs und Anwalt der NPD. 1967 vertrat er die
Kommunarden. Er beriet den Zentralen Ausschuss
der außerparlamentarischen Opposition (APO) in
politischen und juristischen Belangen. Die Staatsanwaltschaft versuchte schon 1968 ein Berufsverbot wegen der Teilnahme an Anti-SpringerDemonstrationen gegen ihn durchzusetzen. Später
verurteilt ihn das West-Berliner LG zu Schadensersatz in Höhe von rund 75.800 Mark an das
Verlagshaus für die Schäden, die 1968 bei den
Protesten vor dem Berliner Springer-Hochhaus
entstanden waren. Im Strafprozess erhält er zehn
Monate Haft auf Bewährung. Wolf Biermann
spendet ihm das Preisgeld seines Fontane-Preises,
da er die Frankfurter Kaufhausbrandstifter Andreas
Baader und Gudrun Ensslin verteidigt. Das RAFMitglied Horst Mahler wird zu zwölf Jahren Freiheitsentzug wegen gemeinschaftlichen schweren
Raubes in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen Vereinigung verurteilt, verteidigt von Otto
Schily und Hans-Christian Ströbele. Der spätere
Bundeskanzler Gerhard Schröder, damals JusoVorsitzender, erreicht 1980 seine vorzeitige Entlassung. 1988 hat sich der Anwaltssenat des
Bundesgerichtshofes von einer „echten Wandlung“
Mahlers überzeugt und spricht ihm die Anwaltszulassung wieder zu, er eröffnet eine Kanzlei in
West-Berlin. Im Jahr 2000 tritt er der NPD bei und
verteidigt sie erfolgreich in dem Verbotsverfahren
bis zum Bundesverfassungsgericht. 2003 tritt er
aus der NPD aus. Im Februar 2004 wird er wegen
Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von neun
Monaten verurteilt, ein vorläufiges Berufsverbot
wird verhängt. Er verliert zum zweiten Mal seine
Anwaltszulassung.
Ströbele bleibt sich treu
Hans-Christian Ströbele ist seit 40 Jahren zugelassener Anwalt, betreibt immer noch eine Kanzlei.
Das Gefühl, es solle bei Aufklärung des Todes von
Benno Ohnesorg etwas vertuscht werden, stört
sein „Gerechtigkeitsempfinden“. Später bezeichnet
er RAF-Mitglieder als „Genossen“ und wird auf
Bewährung zu zehn Monaten Haft wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verurteilt.
Otto Schily ist sein Anwalt. Seine aktuelle Stellungnahme dazu: „Verurteilt wurde ich ausschließlich wegen der Beteiligung an dem Infosystem. Das
Infosystem war von uns Verteidigern im Anwaltsbüro eines Mitverteidigers in Hamburg eingerichtet
worden. Es war gedacht als Hilfsmittel, um die ge-
meinsame Verteidigung, die damals noch gesetzlich zulässig war, gegen eine gemeinsame Anklage
der Gefangenen aus der RAF und ihren zahlreichen
Verteidigern zu koordinieren und zu organisieren.
Daneben diente es auch der Beschäftigung und
Diskussion der Untersuchungsgefangenen, die unter
der abgeschotteten und isolierten Unterbringung
in den Gefängnissen litten und zum Teil dadurch
auch krank geworden waren...“ Ströbele, der führende RAF-Mitglieder verteidigt, wird kurz vor
Prozessbeginn von der Verteidigung im Prozess in
Stuttgart-Stammheim ausgeschlossen. Der Versuch,
ihm seine Anwaltszulassung streitig zu machen,
scheitert in allen Instanzen.
Glaube ans Recht
Der Anwalt Otto Schily glaubt an das Recht. In dem
Film räumt er einen seiner größten Irrtümer ein,
die genau auf diesem Glauben beruhen. Er hatte
eine Mandantin, das RAF-Mitglied Katharina Hammerschmidt, 1972 überredet, sich den deutschen
Behörden zu stellen. Trotzdem kommt sie in Untersuchungshaft und bleibt dort bis zu ihrem Tod. Sie
stirbt dort drei Jahre später an Krebs. Sie hatte –
so die Materialien zum Film – im Gefängnis die
nötige Behandlung nicht bekommen. Anwalt Schily
war überrascht, dass sie überhaupt inhaftiert wurde. Es wirkt, als ob er einen Teil der Schuld an ihrem
Tod bei sich selbst sieht. Schily verteidigt Anfang
der 70er Horst Mahler und später Ströbele. Im
Stammheimprozess hält er sein Plädoyer statt im
Gerichtssaal in einem Hotel vor der Öffentlichkeit.
Zu den (angeblichen) Selbstmorden seiner Mandanten Gudrun Ensslin und Andreas Baader sagt
er: „Dann erreicht mich die Nachricht, die Untersuchungsgefangenen in Stammheim sind tot, und
einer davon ist erschossen worden. Das kann ich
natürlich überhaupt nicht begreifen, wie es möglich ist, jemand dort zu erschießen, da muss ich
zunächst mal Fremdverschulden annehmen.“ 1986
stellt Otto Schily wegen des Verdachts der Falschaussage vor den Untersuchungsausschüssen im
Bundestag und im Mainzer Landtag zur Parteispenden-Affäre Strafanzeige gegen Bundeskanzler
Helmut Kohl. Später ist er Vorsitzender des Treuhand-Untersuchungsausschusses des Bundestages. 1998 ist er noch ein Gegner des „Großen
Lauschangriffs”, als Innenminister ändert sich das.
in der Regel vor den Verhandlungstüren der Karlsruher Verfassungshüter. Das Duell heißt: Schily
gegen Mahler. Verhandelt wird das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.
Kläger ist der SPD-Bundesinnenminister Otto Schily,
Verteidiger für die NPD: Horst Mahler, inzwischen
NPD-Mitglied und Holocaust-Leugner. Hans-Christian Ströbele nimmt an dem Verfahren als der
parlamentarische Kontrolleur teil. Ein Juristenduell
mit Vorgeschichte. Allein dafür lohnt sich der Film.
Die Regisseurin hat die drei Anwälte für ihre Interviews in einen Berliner Gerichtssaal geholt. Schily
spricht über seine RAF-Verteidigungen, obwohl er
das sonst kategorisch ablehnt. Er glaubt an das
Recht, auch als Innenminister. Ströbele spricht über
Gerechtigkeit, Mahler über die gemeinsamen Jahre.
Und alle geben auch mehr oder weniger beredte
Statements zu den anderen ab. Damals hat diese
Männer der Kampf für ihre Vorstellungen von einer
»linken Gerechtigkeit« verbunden. Sie sind Risiken
eingegangen, als sie sich mit Menschen zu solidarisiert haben, die als Staatsfeinde galten. Heute
verbindet sie eine gemeinsame Geschichte, die sehr
viel mit Justizgeschichte zu tun hat. Sie sind sich
aus dem Weg gegangen, trotz Bundestagsmandat
und Regierungskoalition. Heute ist der eine SPDBundesinnenminister a.D., der andere ist das linke
Gewissen der Grünen im Bundestag und der Dritte
einer der Anführer der rechten Szene. Ströbele ist
der unbeirrbare Linke, Schily der Bürgerliche in der
konservativen Mitte, Mahler der Rechtsextreme.
«Jeder der Drei würde sagen, dass sein Weg kontinuierlich und konsequent war», sagt Schulz, die
drei Jahre an dem Film gearbeitet hat.
Das Ereignis ist nicht der Film, das Ereignis ist, dass
es diesen Film überhaupt gibt. Deshalb waren die
Fotografen zur Dokumentarfilmpremiere gekommen. Horst Mahler konnte nicht. Ströbele und
Schily tauschten ein „Grüß Dich“ aus und nahmen
später gemeinsam den warmen Applaus des Premierenpublikums entgegen. Gut, dass es diesen
Film gibt.
RA Tobias Sommer, Berlin
Mehr Informationen im Internet unter:
Treffen unter Feinden
Knapp 30 Jahre nach dem legendären Foto treffen
sich Schily, Ströbele und Mahler in einem Gerichtssaal wieder. Der Ort für dieses kleine Schauspiel
könnte nicht besser ausgedacht sein. Es ist das
rechtlich erhabenste, was einem Juristen in
Deutschland passieren kann. In roten Roben werden hier Grundsatzfragen des Rechts und der
Gesellschaft verhandelt. Der politische Wille bleibt
>
>
>
>
www.die-anwaelte.realfictionfilme.de
www.otto-schily.de/
www.stroebele-online.de
www.wikipedia.org/wiki/Horst_Mahler
Im Kino: seit 19.11.09
Prädikat: besonders wertvoll
ADVOICE 04/09
31
Magazin
Die RVG-Frage
Unsicherheiten im RVG kann sich kein Anwalt
leisten. Viel zu oft verschenken wir Geld, weil
auch das RVG inzwischen eine Spezialmaterie
ist. Gerade das RVG hält ein paar Fallen für
Berufsanfänger bereit. Vertiefte RVG-Kenntnisse sind unverzichtbar. In loser Folge stellen
wir typische und untypische Vergütungsfragenund Antworten zu Anwaltsrechnungen vor. Eure
Fragen und Tipps sind willkommen.
FRAGE
Kollege auf der Gegenseite hat die volle außergerichtliche Gebühr mit der Klage geltend gemacht. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass nur
der nicht anrechenbare Teil mit eingeklagt werden
kann und auch zugesprochen werden dürfte. Er
stellt sich stur – zu Recht?
Ein Beispiel ist die Anrechnung der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die nachfolgende Verfahrensgebühr. Was zu BRAGO-Zeiten
ganz einfach war (die Geschäftsgebühr wurde
komplett auf die Prozessgebühr angerechnet), wird
seit den fünf Jahren, die das RVG jetzt gilt, in
höchst differenzierter Weise gehandhabt.
Durch eine Klarstellung soll es jetzt einfacher werden. Mit dem neuen § 15 a und dem neuen § 55
Abs. 5 RVG wurde die bisherige Rechtsprechung
zur Anrechnung der Geschäftsgebühr hinfällig.
Nunmehr kann der Rechtsanwalt entscheiden, welche der Gebühren er fordert. Insgesamt darf jedoch
nicht mehr als der um den Anrechnungsbetrag verminderte Gesamtbetrag der beiden Gebühren verlangt werden.
Es bleibt also dem Anwalt überlassen, ob er die
Geschäftsgebühr in voller Höhe oder nur zum Teil
mit einklagt und welche Gebühren im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden.
In der Praxis geht man zur Ermittlung des korrekten Betrages wie folgt vor:
Die Postpauschale nebst anteiliger Umsatzsteuer
bleibt auch bei Anrechnung bestehen, entsteht also
sowohl im vorgerichtlichen als auch im gerichtlichen Verfahren!
Welche Gebühren und Auslagen
sind entstanden und anzurechnen?
ANTWORT
Anrechnung Geschäftsgebühr – kurzer Überblick
Wie hoch ist der Gesamtbetrag der Gebühren?
Für viele ist das RVG ein Buch mit sieben Siegeln
und die hierzu existierenden Fachzeitschriften und
Bücher tragen nicht immer zur Aufklärung bei.
Regeln und Ausnahmen von der Regel verwirren;
unterschiedliche Rechtsprechung tut ihr Übriges.
Berechnung der Anrechnung
(die Hälfte, maximal 0,75)
Nachtrag
ADVOICE 04/09
TIPP
Im Rahmen der Festsetzung der Prozesskostenhilfe
nach § 55 RVG ist anzugeben, ob Zahlungen auf
eine anzurechnende Gebühr erfolgt sind. Ist dies
nicht der Fall, so sind die Kosten in voller Höhe
festzusetzen.
Ilona Cosack, ABC AnwaltsBeratung Mainz
zu „Das selbstständige Beweisverfahren“ / AdVoice 3 / 2009
In unserem Aufsatz „Das selbstständige Beweisverfahren“ in der Advoice 3/2009 haben wir auf S. 28 in
der linken Spalte, 3. Absatz am Ende geschrieben:
„Die Gebühren des Beweisverfahrens werden nicht
auf das Hauptverfahren angerechnet.“ Dies ist nicht
ganz richtig. Nach Vorbemerkung 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG in Abs. 5 wird die Verfahrensgebühr in dem Maße angerechnet, in dem der
Gegenstand des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens in das Hauptverfahren übergeht. Die
Terminsgebühr und andere Gebühren werden nicht
angerechnet. Wir wollten an dieser Stelle darauf
hinweisen, dass früher wegen § 37 BRAGO die
Gebühren des selbstständigen Beweissicherungsverfahrens vollständig auf die des Hauptverfahrens
32
Abzug des Anrechnungsbetrages
vom Gesamtbetrag
Wird anstelle des Klageverfahrens das Mahnverfahren betrieben, empfiehlt es sich, in Zeile 44 im
Feld „Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit“ die um den Anrechnungsbetrag verminderte
Geschäftsgebühr anzugeben. Dann setzt das Mahngericht die Kosten des Mahnverfahrens in voller
Höhe hinzu.
(soweit der Streitgegenstand identisch war) angeDie Autoren (Franz und Preiss)
rechnet wurden.
In einem Leserbrief zu diesem Thema empfiehlt der
Kollege Gregor Zillich, den Beweistermin vor Ort immer wahrzunehmen: „Bisweilen agieren die Gutachter sehr selbstherrlich gegenüber den nur allein
anwesenden Parteien. Teilweise wird vom Gutachter
nicht nur der Auftrag abgearbeitet, sondern auch
noch rechtlicher Blödsinn erzählt. Teilweise arbeitet
der Gutachter auch inhaltlich nicht richtig und ist
geschwätzig, weswegen er auf seinen unparteiischen
Auftrag hingewiesen werden sollte. Der Gutachter
kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt
werden, § 406 ZPO, auch noch und gerade nach dem
Ortstermin – möglichst unverzüglich, auf jeden Fall
innerhalb der Zwei-Wochen-Frist. Zu spät ist der
Antrag, wenn er erst nach Erstattung des Gutachtens gestellt wird. Wenn das erstattete Gutachten
schlecht ist, kann ein weiteres Gutachten – allerdings durch die Partei finanziert – auf Grundlage des
erstatteten Gerichtsgutachtens beauftragt werden
und beim Gericht eingereicht werden mit dem Antrag, einen Obergutachter mit einem neuen Gutachter zu beauftragen, §§ 286, 412 ZPO. Dadurch wird
die Sache zwar insgesamt teurer, dem Mandanten
ist das jedoch meist lieber, als mit dem für ihn
schlechten Gutachten ein unsicheres Hauptsacheverfahren durchzuführen. Lieber so früh wie möglich
den Anspruch festmachen und klarstellen lassen.“peh
Magazin
Praxiswert ist Rechensache
BRAK billigt neue Bewertungsrichtlinien für Anwaltskanzleien
Checkliste für Kauf / Verkauf
1. Mandantenverzeichnis nach Person
und übertragener Angelegenheit
2. Mandantenvermittler
(event. Beziehung zu diesem,
übertragbar?)
3. Offene Forderungen
abgerechnet
nicht abgerechnet
Einbringlichkeit sicher
Einbringlichkeit fraglich
4. Verbindlichkeiten
allgemein
zu viel erhaltene Vorschüsse
Haftungsfälle bekannt od. denkbar
(bei Vermögensschadenshaftpflicht gemeldet/nicht gemeldet)
5. Freistellung des Verkäufers
6. Mitarbeit des Übergebers wichtig
für Mandatsübergang 3 bis 6 Monate,
eventuell gegen Entgelt /ohne Entgelt
7. Dauerverträge, Mietverträge,
Arbeitsverträge, Versorgungsverträge,
Leasingverträge; (insbesondere auch
Laufzeit und Kündigungsmöglichkeit)
8. Versicherungsverträge von
Bürohaftpflicht bis Vermögensschadenshaftpflicht
9. Verschwiegenheitspflicht
10. Steuerliche Fragen vom Einzelfall
abhängig, Fachmann einschalten
RA Dr. Jürgen F. Ernst, München
34
ADVOICE 04/09
Vielfältig und von der Zahl her steigend sind
die Anlässe zur Bewertung von Anwaltspraxen
oder Anteilen an solchen. Sie reichen vom Kauf/
Verkauf, der Regelung von Ausscheidensfolgen
aus Anwaltsgesellschaften bis zur Überprüfung
auf Sittenwidrigkeit vertraglicher Bewertungsoder Abfindungsregeln.
Bei der Wahl der Bewertungsmethoden (Ertragswertmethoden mit verschiedenen Untergruppierungen oder Umsatzmethode) hat sich die
BRAK für letztere entschieden, weil diese Umsatzmethode einfach zu handhaben ist und im
Allgemeinen zu dem vom Bewertungsanlass vorgegebenen Stichtag ein akzeptables und von
den Beteiligten wenig beeinflussbares Ergebnis
bringt.
Neben dem eigentlichen Substanzvermögen
(z. B. Einrichtung) und den im Einzelnen festzustellenden Forderungen (Einbringlichkeit unter
Abzug der Verbindlichkeiten) stellt der ideelle
Wert einer Praxis (auch Good Will genannt) den
Kernbereich einer Anwaltspraxis dar.
Dessen Bewertung erfolgt in zwei Stufen:
Stufe 1
Feststellung der Bemessungsgrundlage:
Hierzu werden die Kanzleiumsätze der letzten drei
vollständigen Geschäftsjahre addiert und zur Berücksichtigung einer zukünftigen Kanzleientwicklung mit einer Verdoppelung des Umsatzes des
letzten Jahres durch vier geteilt (Jahr 1 + Jahr 2 +
(Jahr 3 x 2))÷4.
Bei auffälligen Umsatzschwankungen innerhalb
dieses Zeitraumes müssen diese Schwankungen
auf ihre Ursachen überprüft, und soweit sie nicht
wiederholbar erscheinen, aus dem jeweiligen Jahr
herausgerechnet werden, da die Bemessungsgrundlage auf der Wiederholbarkeit des Jahresumsatzes beruht.
Auch ist bei Kanzleien, deren Umsatz auf nur wenigen Großmandanten (Großmandaten) beruht, die
Gefahr des Wegbrechens solcher Umsatzteile zu
berücksichtigen, insbesondere wenn die zugrundeliegenden Mandate auf persönlichen Beziehungen des bisherigen Betreibers zu etwaigen
Geschäftsführern oder Inhabern von Mandatserteilern oder auch ständigen Mandatsvermittlern
beruhen.
Stufe 2
Auf die festgestellte Bemessungsgrundlage ist der
für den konkreten Bewertungsfall festzusetzende
Berechnungsfaktor anzusetzen. Dieser ergibt sich
aus den Gesamtumständen der zu beurteilenden
Praxis und liegt zwischen 0,3 und 1,0 des jeweiligen Nettoumsatzes. Bei der Ausfüllung dieses
Rahmens ist primär das Verhältnis von Gewinn zu
Umsatz zu berücksichtigen, darüber hinaus die
Ausbaufähigkeit, eventuell die Sicherheit der Beibehaltung des bisherigen Kanzleisitzes und des
eingearbeiteten Personals.
Zwei Gesichtspunkte sind von entscheidender
Bedeutung bei der Prognose: inwieweit aus dem
bestehenden bisherigen Mandantenkreis weitere
neue Mandate erteilt werden oder Empfehlungen
ausgesprochen werden zugunsten des jeweiligen
Kanzleiinhabers.
Für den Fall der Praxisübergabe und damit einen
eventuellen Verkauf sind jedoch für die Preisgestaltung noch eine Vielzahl anderer Umstände in die
Überlegungen mit einzubeziehen. Nur beispielhaft
seien aufgeführt gleiche Fachanwaltschaft, gleiche
Tätigkeits- oder Interessensschwerpunkte, eine
zeitliche befristete Mitarbeit des früheren Kanzleiinhabers, sei es gegen Entgelt oder auch unentgeltlich, die jeweilige Kostenstruktur und deren
Änderungsmöglichkeiten.
Stets muss aber im Auge behalten werden, dass
auch der so festgestellte Praxiswert auf der persönlichen Vertrauensbasis des bisherigen Betreibers zu seiner Klientel beruht, die als solche nur
beschränkt übertragbar ist.
Gleiche Fachanwaltschaft, Tätigkeits- oder Interessensschwerpunkte von Übergeber und Übernehmer mögen zwar für die Überlegungen zur Höhe
eines etwaigen Kaufpreises von erheblicher Bedeutung sein. Auf die Bewertung des Praxiswerts
mit Stichtag haben sie keinen Einfluss. Auch die
Praxis der entgeltlichen Kanzleiübertragungen
zeigt, dass bei der Festlegung eines Entgelts eine
Vielzahl von Umständen Berücksichtigung findet,
die außerhalb des oben beschriebenen Praxiswerts
liegen.
Selbst bei Anwälten spielt zwischenzeitlich der Freizeitwert des Kanzleiortes eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei den Kaufüberlegungen.
RA Dr. Jürgen F. Ernst, München
Magazin
Entscheidungsticker und Anwaltsinfos
+++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++ +++
Privat bleibt privat
+++ Rechtsanwältin ist Verbraucherin im Sinne
des § 14 BGB, wenn sie im Rechtsverkehr unzweifelhaft als solche auftritt. Im vorliegenden Fall
bestellte die Rechtsanwältin über das Internet
Lampen für ihre Privatwohnung. Sie ließ sich diese
jedoch ohne Angabe ihrer Berufsbezeichnung in
die Kanzlei schicken.
Das Internethandelsunternehmen, das die bei Internetkäufen verpflichtende Kundenbelehrung über
das Widerrufsrecht unterließ, verweigerte die begehrte Warenrücknahme und Rückzahlung des
Kaufpreises, weil die Rechtsanwältin Unternehmerin und keine Verbraucherin sei.
Der BGH entschied allerdings, dass es darauf
ankommt, ob das rechtsgeschäftliche Handeln
eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder
selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet
werden kann. Vorliegend war keine Gewerblichkeit
erkennbar gewesen (BGH, Urteil vom 30.09.2009,
AZ: VIII ZR 7/09) +++
Recht auf Berichterstattung
+++ SAT 1 darf RTL-Fernsehausschnitt aus der
Sendung DSDS verwenden, in dem ein Kandidat
nach ablehnendem Votum der Jury zusammengebrochen war. Während die Anwälte von RTL den
Schutz des Urheberrechts durch die Ausstrahlung
des Beitragsausschnitts verletzt sahen, stufte der
6. Zivilsenat das Interesse der Öffentlichkeit auf
Berichterstattung höher ein. Zumal sei nur ein kleiner Ausschnitt des Beitrags verwendet worden, der
für die Meinungsbildung aber erforderlich gewesen
sei. (OLG Köln, Urteil vom 30.10.2009, AZ: 6 U
100/09) +++
Mobilteil ist kein Handy
+++ Drahtlose Telefone eines heimischen Festnetzanschluss sind keine Mobiltelefone im Sinne
des § 23 StVO, entschied der 1. Strafsenat des OLG
Kölns. So wurde ein Bußgeld der Vorinstanz in
Höhe von 40,- Euro gegen einen im Auto telefonierenden Fahrer aufgehoben. Dieser hatte sein
Schnurlostelefon ein paar Meter vom Haus
entfernt benutzt, als er in seinem Auto saß (OLG
Köln, Beschluss vom 22.10.2009, AZ: 82 Ss-OWi
93/09) +++
Liste Pflichtverteidiger
+++ Bisher gilt, wer Geld für einen Wahlverteidiger
hat, wird vom ersten Tag der Haft an verteidigt.
Wer arm ist, bekommt den Pflichtverteidiger nach
§ 140 I Nr. 5 StPO erst nach drei Monaten Haft.
Diese Gerechtigkeitslücke wird am 1. Januar 2010
endlich geschlossen. Eine Neuregelung der §§ 140
I Nr. 4, 141 StPO tritt zum neuen Jahr in Kraft.
Danach ist allen Beschuldigten, gegen die Untersuchungshaft vollstreckt wird und die noch keinen
Verteidiger gewählt haben, unverzüglich nach Beginn der Vollstreckung ein Verteidiger zu bestellen.
Damit hat der Bundesgesetzgeber einer langjährigen Forderung der Anwaltschaft entsprochen
und Forschungsergebnissen Rechnung getragen,
nach denen verteidigte Beschuldigte kürzer in UHaft bleiben als unverteidigte Gefangene. Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hat beschlossen,
eine Liste aller an der Übernahme dieser Pflichtverteidigungen interessierten Kolleginnen und Kollegen, und zwar unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Vereinigung, zu führen. Diese Liste soll
den Beschuldigten frühzeitig, möglichst bereits bei
der Polizei, ausgehändigt werden, damit sie eine
Auswahl treffen können. Auf der Liste soll die
Fachanwaltsqualifikation sowie der Interessensschwerpunkt vermerkt werden. Der Vorstand der
Rechtsanwaltskammer Berlin befürwortet die
Listenführung durch die Vereinigung Berliner
Strafverteidiger. Diese führt bekanntlich auch die
Notrufliste und organisiert seit vielen Jahren zuverlässig die Einteilung der kostenlosen Rechtsberatung in den U-Haftanstalten. +++
Anmeldungen zur Liste bitte unter:
> [email protected]
Besetzung der Chefetage
+++ Die Führungsetage eines Unternehmens muss
nicht dem Geschlechterverhältnis des gesamten
Betriebes entsprechen. Das Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg wies eine Klage einer schwangeren Mitarbeiterin ab, die in der von der sonstigen
Unternehmensstatistik abweichenden, geschlechtermäßigen Besetzung der Unternehmensleitung
eine Diskriminierung sah. Die Statistik sei nicht
relevant. Das Verhältnis der Geschlechterverteilung
sage nichts darüber aus, wie viele Männer oder
Frauen sich auf Führungspositionen bewerben
würden (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
12.02.2009, AZ: 2 Sa 2070/08) +++
Keine Honorarbegrenzung
+++ Die Kappungsgrenze der Strafverteidigervergütung, die der BGH auf das Fünffache der
gesetzlichen Gebühren pauschal festlegte, ist verfassungswidrig. Rechtsanwalt Prof. Dr. Holger Matt
setzte sich mit seiner Verfassungsbeschwerde vor
dem 1. Senat des Bundesgerichtshofs durch. Die
feste Begrenzung des Honorars sei ein tiefer Eingriff in die Privatautonomie des Strafverteidigers.
Der Staat hätte sich dort grundsätzlich herauszuhalten. Ob eine Vergütung angemessen sei, könne nicht anhand eines pauschalen Gebührenrechts
überprüft werden. Obgleich die feste Obergrenze
unzulässig sei, so die Richter in Karlsruhe, verbleibe
die Prüfmöglichkeit wegen der Angemessenheit
der Vergütung nach § 3a des RVG (BVerfG,
Beschluss vom 15.06.2009, AZ: 1 BvR 1342/07) +++
Berlin bald ohne Robe?
+++ An Berliner Gerichten gilt entgegen der Lockerung durch die Senatsverwaltung für Justiz vorerst
noch die Pflicht, in der Verhandlung eine Robe zu
tragen. Dennoch scheint die Rechtsanwaltskammer
mit der Jahrhunderttradition künftig brechen zu
wollen. In einer Entscheidung vom 11.11.2009
beschloss die Kammer, die tatsächliche Handhabung des Tragens einer Robe an den Gerichten
evaluieren zu wollen. Das Ergebnis soll im Berliner
Anwaltsblatt veröffentlicht werden. Bis zum Abschluss der Evaluation soll der Robenverzicht sanktionslos bleiben. (Pressemitteilung RAK Berlin vom
12.11.2009) +++
Schreibt uns!
Über welche Entscheidungen, die für das Anwaltsleben interessant sind, seid Ihr gestolpert?
Die Entscheidungen können aktuell sein, müssen
es aber nicht.
[email protected] !
ADVOICE 04/09
35
Magazin
Robe auf Rollen
Über die Beschwerlichkeit, als Anwältin im Rollstuhl zu sitzen
Der Weg in den Gerichtssaal führt für die gehbehinderte Anwältin Nicole Prior nicht selten durch muffig riechende Kellereingänge und dustere Katakomben.
Die Anwältin Nicole Prior sitzt im Rollstuhl.
Nicht nur die Deutsche Bahn, sondern auch
Deutschlands Gerichte geben in Sachen Barrierefreiheit ein eher unwürdiges Bild ab. Zugang
zu Gerichten findet sie oft nur über Hintereingänge und über lange Wege durch muffige
Katakomben. Dumme Sprüche und Unbeholfenheit im Umgang mit Gehbehinderten erlebt sie
häufig. Aber es gibt auch Positives. Ein Bericht.
Es regnet. Langsam löst sich die kunstvoll drapierte
Hochsteckfrisur und fällt ihrer Schwerkraft gemäß.
Ich weise erneut meine Arbeitsassistentin an, auf
den Klingelknopf zu drücken, damit ein Gerichtsdiener uns bei dem unsäglichen Wetter endlich Einlass gewährt. Von einer Überdachung fehlt
auf dem unansehnlichen Hof jede Spur. Alles steht
im Kontrast zum pompösen Hauptportal. Als meine
dünne Anzughose schon völlig durchnässt ist, ertönt eine blecherne Stimme: „Ja bitte?“ Mittlerweile
schon eindeutig entnervt erkläre ich knapp, weshalb
ich den für Rollstuhlfahrer ausgewiesenen Klingelknopf gedrückt habe. Nach dem „Moment!“ vergeht
36
ADVOICE 04/09
noch mal wieder eine halbe Ewigkeit, bis jemand
erscheint und uns die Tür öffnet. Durch einen muffig riechenden dunklen Kellereingang – das Licht
ist, so wird uns erläutert, schon seit geraumer Zeit
defekt – werden wir durch unterschiedliche Katakomben zu unserem Ziel geführt. Bevor ich in den
Saal eintrete, muss die Arbeitsassistentin mir meine
Jacke ausziehen, die Handschuhe und sodann die
Robe anziehen, die an mir zierlicher Person wirkt,
als hätte Twiggy sich mit Umstandsmode für den 9.
Monat bekleidet, und so schwer auf meinen Schultern lastet, dass ich kaum noch in der Lage bin, den
Arm zu heben.
»Durch einen muffig riechenden
dunklen Kellereingang werden wir
durch unterschiedliche Katakomben
zu unserem Ziel geführt.«
Meine Finger sind von dem Fußweg vom Bahnhof
noch so eisig, dass ich gleich Mühe haben werde,
während der Verhandlung mit dem schnellen Ste-
Foto: Andrea Vollmer
nodiktat des Vorsitzenden mithalten zu können. Ein
genervter Richter erwartet uns, der bereits seit einer Viertelstunde seiner Mittagspause zuarbeiten
möchte. Nach einer kurzen erläuternden Entschuldigung kann die Verhandlung beginnen. Ein
Abfangen dieser Verspätung durch frühzeitiges Losfahren scheidet mit der Bahn aus. Denn als Rollstuhlfahrerin kann ich auf Grund der Beschränkungen der Deutschen Bundesbahn im Bereich
Mobilitätsservice (Einstiegshilfe) frühestens um
06.20 Uhr mit dem Zug losfahren, so dass ich bei
den Gerichten mittlerweile bekannt bin für meinen
Wunsch auf Terminierung innerhalb der Mittagszeit. Wenn die Bahn dann allerdings – wie regelmäßig – Verspätung hat oder unerwartete Zwischenfälle passieren, die ebenfalls häufig vorkommen, gerät der Zeitplan vollends aus den Fugen.
Der Richter möchte noch einmal die zahlenmäßigen Aufstellungen sehen. Da ich keine Kraft habe,
in der mittlerweile auf einen ganzen Aktenordner
angewachsenen Handakte die richtige Stelle aufzublättern, muss die Arbeitsassistentin herange-
Magazin
wunken und ihr der richtige Standort erläutert
werden. Auch die vorbereiteten ergänzenden Unterlagen übergibt die Assistentin dem Vorsitzenden.
»...bei Teilnahme der ebenfalls
gehbehinderten Mandanten wird vom
Richter regelmäßig die Frage gestellt,
wer denn nun der Mandant sei oder
wo denn der Prozessvertreter wäre.«
Heute entfällt die ansonsten obligatorische Verwechslung mit meinem regelmäßig ebenfalls Rollstuhl fahrenden Mandanten, da dieser an dem Termin nicht teilnehmen wollte und mangels Ladung
auch nicht musste. Obwohl ich meist bereits vor
der Tür die Robe anlege, weil ich beim Anziehen
durch meine Arbeitsassistentin dabei nicht von
Dritten beobachtet werden mag, kommt zu Beginn
der Verhandlung bei Teilnahme der ebenfalls gehbehinderten Mandanten vom Richter regelmäßig
die Frage, wer denn nun der Mandant sei oder wo
denn der Prozessvertreter wäre. Und das selbst in
Verfahren, wo die Mandantin weit über 70 ist und
somit eigentlich schon wegen des Alters eine klare
Zuordnung gegeben ist. Gelegentlich äußere ich
dann, dass wir noch keinen Karneval haben und ich
nicht aus Lust und Laune Robe trage.
Neuerdings bin ich nicht nur wegen des wunderschönen Elbufers ein Fan von Dresden. Das Gericht
ist bislang das einzige, wo ohne Probleme eine Unterfahrbarkeit des Tisches gegeben ist, zumindest
in den Sitzungssälen, die ich aufgesucht habe, so
dass ich nicht wie sonst üblich mit weitem Abstand
zum Tisch halb seitlich kauernd meine Akte, Notizzettel und zum Schreiben meinen Arm platzieren
muss. Auch sind die Tische in der Regel so eng, dass
zwei Rollstühle nur dann halbwegs Platz daran
finden, wenn jeder sich mit einem Bein außerhalb
des Tisches positioniert.
durch das Gebäude zurücklegen, um schließlich
noch mal einen weiteren mit Schlüssel bedienbaren
Fahrstuhl zu nutzen, mit dem man endlich im
Amtsgericht angelangt ist. Dort muss dann erneut
ein Fahrstuhl genutzt werden, falls der Termin in
einem anderen Stockwerk stattfindet.
Ich muss an die gestrige Verhandlung in Düsseldorf
denken. Dort war im Landgericht in einem Saal
terminiert, der nur über Stufen zu erreichen war.
Daher fragte meine Arbeitsassistentin beim Gerichtsdiener höflich nach einer Rampe. Dieser erschien mit einer altertümlichen Sackkarre, mit der
sonst in der Regel Akten transportiert werden. Mit
einem Stirnrunzeln gab ich freundlich zu verstehen,
dass ich nicht beabsichtigen würde, mich mit dem
Vehikel in meinem ca. 120 kg schweren Elektrorollstuhl dort hoch bugsieren zu lassen. Alternativ wurde die Sitzung daher kurzfristig in das private Büro
des Vorsitzenden verlegt. Auf kuschelig engem
Raum kam eine ganz andere Gesprächsatmosphäre
auf als im unpersönlichen Sitzungssaal.
Das nicht nur die Gerichte mit dem Nachrüsten
von Barrierefreiheit Probleme haben, wurde neulich bei einem MDK-Ortstermin deutlich. Zu diesem
war die Mandantin mit einem hoch technologisierten Elektro-Rollstuhl geladen. Der Fahrstuhl
war zu klein für zwei Rollstühle, so dass wir uns
darauf einigten, dass ich vorfahren sollte. Als die
Mandantin dann nach zehn Minuten nicht folgte,
schickte ich meine Assistentin ins Erdgeschoss. Von
meiner Mandantin war jedoch keine Spur zu sehen.
Irgendwann wurden wir informiert, dass der Fahrstuhl bei Überschreitung eines bestimmten Gewichts regelmäßig streiken würde, man sich aber
zeitnah bemühen würde, die Mandantin und deren
Zivi zu befreien.
»Am Landgericht meines Heimatortes
bin ich stets mit einem umfassenden
Schlüsselbund bewaffnet.«
Morgen geht´s mal wieder nach Berlin. Ich bin sehr
gespannt, was mich dort an neuen Abenteuern
erwartet. Proviant und Lesestoff für Zeitverzögerungen wird auf jeden Fall mit im Gepäck sein.
Am Landgericht meines Heimatortes bin ich stets
mit einem umfassenden Schlüsselbund bewaffnet.
Denn ich muss mir dort, um Termine wahrnehmen
zu können, über das Amtsgericht Zutritt verschaffen. Dabei muss ich zunächst einen für Außenstehende abgeschlossenen Außenfahrstuhl nutzen,
dann mit einem weiteren Fahrstuhl in einen der
oberen Stockwerke fahren, einen längeren Weg
Irgendwo hinten am Gebäude lässt sich vielleicht die Rollstuhlfahrerklingel finden.
RAin Nicole Prior, Osnabrück
Foto: Andrea Vollmer
ADVOICE 04/09
37
Magazin
Die Haftung richtig beschränken
Haftungsfalle „Vergleich“
Leider bringt ein Vergleich nicht immer den von
den Parteien gewünschten Rechtsfrieden mit sich.
Mit ihm bezweckte, aber nicht realisierte Ziele oder
durch ihn bewirkte, jedoch für den Mandanten
nicht erwartete Auswirkungen führen vielmehr
nicht selten zu einer Inanspruchnahme des Anwaltes auf Schadenersatz. So zählt die Behauptung, der Anwalt habe zu einem ungünstigen
Vergleich geraten, zu den häufigsten Gründen im
Zusammenhang mit der Geltendmachung von
Regressansprüchen.
Damit sich ein Vergleichsabschluss nicht als Haftungsfalle entpuppt und der Anwalt sich zum Teil
immens hohen Schadenersatzforderungen ausgesetzt sieht, empfiehlt es sich gerade für Berufseinsteiger, bei einer entsprechenden Beratung die
bestehenden Pflichten fest im Blick zu haben. Als
Eckpunkte sind insoweit zu nennen:
Korrekter Regelungsinhalt und zutreffende
Risikoeinschätzung
Ausreichende Aufklärung über Inhalt
und Risiko des Vergleichs
Zustimmung durch den Mandanten
Klare Formulierungen
Häufig stellt sich im Nachhinein heraus, dass mit
einem Vergleich das Anliegen des Mandanten nicht
in allen Punkten abschließend geregelt worden ist
oder sich die Einigung viel weitreichender darstellt,
als es gewollt war. Das Unterbleiben der Regelung
wichtiger Punkte, z. B. die Abgeltung von etwaigen
Spätschäden, stellt ein hierfür typisches Beispiel
dar. Zunächst muss ein Anwalt also erst einmal mit
dem Mandanten klären, was mit einem etwaigen
Vergleich genau bewirkt werden soll. Erst nachdem
das geschehen ist, kann das mit einem Vergleich
verbundene Risiko anhand einer zutreffenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage eingeschätzt
werden.
Die Kunst bei einem Vergleichsabschluss besteht
darin, eine ausreichende, aber nicht über das Ziel
hinausschießende Regelung zu schaffen. Für die
Risikoeinschätzung eines Vergleichsabschlusses
bzw. der Ablehnung einer entsprechenden Einigung
wird allerdings keine mathematische Genauigkeit
verlangt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Anwalt
sich in die Situation des Mandanten versetzt. Neben
rechtlichen Faktoren, können dabei übrigens auch
wirtschaftliche und sonstige Gesichtspunkte wie
z. B. die gesundheitliche oder psychische Verfassung
des Vertretenen eine sehr wichtige Rolle spielen.
38
ADVOICE 04/09
Ausreichende Aufklärung
Ein häufiges Problem im Zusammenhang mit Vergleichsabschlüssen stellt eine unzureichende Aufklärung dar. Gewissenhaft muss der Anwalt dem
Mandanten die Chancen und Risiken eines Vergleichs im Verhältnis zu einer streitigen Auseinandersetzung aufzeigen. Wie bereits erwähnt, können
dabei neben rechtlichen Aspekten auch wirtschaftliche und sonstige Gesichtspunkte in die Beratung
einfließen. Haftungsträchtig kann es für den Anwalt vor allem dann sein, wenn er die Reichweite
und die Folgen des Vergleichs gegenüber dem Vertretenen nicht hinreichend deutlich macht.
Insbesondere bei sog. Abgeltungsklauseln geht es
oft um sehr viel für den Mandanten, so dass dieser
in die Lage versetzt werden muss, sich selbst ein
Bild über das Für und Wider einer vergleichsweisen
Regelung machen zu können. Ist der Mandant in
der mündlichen Verhandlung zugegen, befreit
dieser Umstand den Anwalt nicht von seiner Beratungs- und Aufklärungspflicht in Bezug auf
den Vergleichsabschluss. Sogar ein gerichtlicher
Vergleichsvorschlag entbindet den rechtlichen Vertreter nicht von seiner Verpflichtung zur Aufklärung. Dabei darf ein Anwalt seiner Mandantschaft
die Entscheidung für oder gegen einen Vergleich
weder abnehmen noch ihn bedrängen. Besteht die
Möglichkeit, empfiehlt es sich, dem Mandanten die
Einzelheiten der Beratung über die Chancen und
die Risiken eines Vergleichs im Verhältnis zur streitigen Auseinandersetzung schriftlich mitzuteilen.
Hierdurch dokumentiert der rechtliche Vertreter
zugleich, dass er seinen Beratungspflichten hinreichend nachgekommen ist.
Zustimmung des Mandanten
Brenzlig kann die Situation für den Anwalt dann
werden, wenn er Vergleichsabschlüsse ohne vorherige Absprache mit seiner Mandantschaft tätigt.
Schon der Umstand, dass ein Vergleich im Alleingang herbeigeführt wird, kann als anwaltliche
Pflichtverletzung zu werten sein. Für den rechtlichen Vertreter ist es daher ratsam, vor Vergleichsabschlüssen stets die Einwilligung des Mandanten
einzuholen oder Vergleiche zumindest nur unter
Widerrufsvorbehalt abzuschließen. Im letzteren Fall
muss der Mandant den Vergleich genehmigen.
Stimmt der Klient dem Vergleich nicht ausdrücklich
zu, ist er zu widerrufen. Ändert sich die rechtliche
Situation während einer mündlichen Verhandlung,
z. B. aufgrund einer Zeugenvernehmung, kann dies
eine zuvor durch den Mandanten erteilte Einwilligung hinfällig werden lassen. Der Anwalt sollte in
einem solchen Fall daher nochmals unbedingt
sicherstellen, ob es nach wie vor bei der zuvor festgelegten Marschroute bleiben kann.
Klare Formulierungen
Hat der Anwalt den Mandanten korrekt und ausreichend über das Für und Wider eines Vergleichs
beraten und sich der Klient gegen eine streitige
Auseinandersetzung entschieden, ist noch sicherzustellen, dass der Vergleich so formuliert wird,
dass seine Durchsetzung keine Schwierigkeiten bereitet, den Willen der Parteien wiedergibt und eine
Auslegung nicht erforderlich wird.
RAin Katrin Spelmeyer, HDI-Gerling
Anwalt der Anwälte
Erfolg ist
planbar.
Neuer
LL.M.
Mit dem neuen LL.M.
„Anwaltsrecht und Anwaltspraxis“.
Berufsbegleitendes Fernstudium mit LL.M.-Abschluss: Auch für erfahrene Anwältinnen und Anwälte,
die noch besser werden wollen. Weitere Informationen unter www.dav-master.de.
Magazin
Wirtschaften in der Wirtschaft
Auf Umwegen zur Steuerrechtskanzlei - ein Gründerbericht
Für jeden, der Jura studiert, stellt sich spätestens mit dem zweiten Staatsexamen die Frage,
welcher juristische Beruf ergriffen werden soll.
Häufig wird die Antwort lauten: Rechtsanwalt
(klarstellend: gemeint ist die Berufsbezeichnung, egal ob die betreffende Person männlich
oder weiblich ist, vgl. § 1 BRAO). Der eine oder
andere entwickelt aber schon frühzeitig klare
Vorstellungen darüber, was er werden will –
dabei ist der Anwaltsberuf nicht zwingend.
mir die Möglichkeit, schon vorher den einen oder
anderen Fall zu bearbeiten, was sich schnell zu
einer ständigen Mitarbeit verfestigte. Ich bemerkte
zunehmend, dass der Anwaltsberuf in vielfältiger
Hinsicht für mich ein erfüllender, abwechslungsreicher und anspruchsvoller Beruf sein könnte, bei
dem ich mich verwirklichen kann.
So stand für mich der Anwaltsberuf anfänglich
überhaupt nicht im Fokus. Meine Vorstellung zu
Beginn des Studiums (ab Oktober 1993) war es
vielmehr gewesen, nach Abschluss der Ausbildung
in die Wirtschaft zu gehen. Den Wirtschaftsjuristen
bieten sich nämlich vielfältige und interessante
Aufgabengebiete wie beispielsweise Rechts- und
Personalabteilungen. Ein solch juristischer Einstieg
ermöglicht zudem lukrative Karrieremöglichkeiten
und die Chance, in der Führungsetage von Unternehmen tätig zu werden. Zugegeben kamen wichtige Impulse für diese Vorstellung einerseits vom
„großen“ Bruder und andererseits aus den informativen weiß-orangen Heften der Berufsberatung.
Daher verwundert es nicht, dass ich nach dem
zweiten Staatsexamen sofort Anwalt geworden bin.
Seit Juli 2000 habe ich meine Anwaltszulassung.
Leicht fiel mir diese Berufswahl auch deshalb, weil
der Inhaber der Ausbildungskanzlei frühzeitig artikulierte hatte, mich als Anwalt übernehmen zu
wollen.
Ziel Wirtschaft
Diese anfängliche Berufsvorstellung verfolgend
wählte ich als Wahlfachgruppen „Wirtschaft und
Steuern“ und „Internationales Privatrecht“. Weil das
zweite Staatsexamen die so genannte „Befähigung
zum Richteramt“ verleiht, hielt ich es zum Ende des
Studiums für überlegenswert, Richter zu werden.
Indes korrigierte das Referendariat (Mai 1998 bis
Mai 2000) diese Überlegung sehr schnell, denn die
während des Referendariats gesammelten Eindrücke vom Richterdasein – und das meine ich
weniger in juristischer, als vielmehr in sonstiger,
vor allem menschlicher Hinsicht – vermittelten mir
das Gefühl, dass mich der Richterberuf wohl eher
nicht erfüllen wird. Diese Einschätzung bestätigte
sich für mich später durch die Erfahrungen einer
Bekannten, die in den Richterdienst eintrat.
Die Vorstellung, in die Wirtschaft zu gehen, war
trotz dieser Überlegungen nicht aufgegeben. Zeitgleich rückte wie von selbst mit dem Referendariat
der Anwaltsberuf in mein Blickfeld. Grund hierfür
war, dass ich mir gleich zu Beginn des Referendariats meinen Ausbildungsplatz für die Anwaltsstation gesichert hatte. Die Ausbildungskanzlei bot
40
ADVOICE 04/09
Fachanwaltslehrgang
Wegen meiner schon im Studium gewählten
Schwerpunktlegung bot es sich ferner an, mich in
dieser Richtung weiterzuentwickeln. Folglich buchte ich den nächstmöglichen Fachanwaltslehrgang
Steuerrecht. Seit Juli 2004 trage ich den Fachanwaltstitel.
Als Berufsanfänger allein
Indes musste ich sehr schnell erkennen, dass mir
die Mitarbeit in der Referendarzeit nur einen
beschränkten Einblick in den Anwaltsberuf gewährt
hatte. Denn als Referendar führte ich kein Dezernat
und kein Personal, musste keine Verantwortung
tragen und blieb von den vielen kleinen sonstigen
Dingen des Anwaltseins verschont. Das war nun
von einem Tag auf den anderen anders. All das
wäre wohl kein Problem gewesen, wenn mir die
Unterstützung und Anleitung, die ich während des
Referendariats erfahren hatte und die mir für die
Anfangszeit versprochen worden war, weiterhin
zuteil geworden wäre. Verschärft wurde das noch
dadurch, dass ich eine Umschülerin als Rechtsanwaltsfachangestellte zur Seite gestellt bekam –
also zwei unbeleckte Berufsanfänger. Hierdurch
musste ich vieles nachkontrollieren oder es gleich
selbst machen. Ich fühlte mich als Einzelanwalt.
Schlussendlich wurde mir klar, dass ich in dieser
Kanzlei nicht lange bleiben will.
Deshalb bewarb ich mich bei anderen Kanzleien
beziehungsweise einer Personalagentur und wurde
zu zwei viel versprechenden, aber letztlich nicht
erfolgreichen Bewerbungsgesprächen geladen.
Das erste Gespräch offenbarte in Bezug auf die geschaltete Anzeige einen „Etikettenschwindel“. In Folge der weltweiten Auswirkungen der Enron-Pleite
wurde das zweite Gespräch obsolet, weil im steuerberatenden Bereich plötzlich viele erfahrene Berufsträger verfügbar waren. Insgesamt konnte ich
keinen schnellen Bewerbungserfolg erwarten.
Mandat stellt Weichen
Glücklicherweise kam zur gleichen Zeit ein Bekannter mit einem lukrativen erbrechtlichen Mandat auf mich zu. Dadurch stellte sich, weil ich das
Mandat so (Kanzlei) oder so (eigener Briefkopf)
bearbeiten würde, die Frage, wer letztlich das
Honorar erhält.
Nach kurzem Überlegen und der Prüfung wichtiger,
vor allem berufsrechtlicher Fragen, entschied ich
mich Anfang Juli 2002 für den eigenen Briefkopf
und den Aufbau eines eigenständigen Mandantenstammes. Um etwaige Konflikte mit dem Kanzleiinhaber zu verhindern, hatte ich mein Vorhaben
grundsätzlich offenbart und mit für ihn wichtigen
Argumenten begründet.
Eigene Infrastruktur
Wegen der nun erforderlichen Infrastruktur für die
Bearbeitung eigener Mandate stellte ich eine
konkrete Bedarfsplanung nebst Finanzierungsbedarf auf und aktualisierte sie ständig (ExcelTabelle(n)). Zeitgleich setzte ich sie schrittweise und
konsequent aus den Einnahmen der eigenen Mandate – eine wichtige selbst gesetzte Bedingung –
um. Das betraf EDV-Technik, Bürobedarf, Aktenmaterial, Literatur etc. Denn meine eigenen Akten
bearbeitete ich ausschließlich zu Hause.
Um gleichwohl auf die Akten tagsüber zugreifen
zu können, war ich unter anderem zu einer
Digitalisierung meiner Aktenbestände gezwungen.
Das wirkt natürlich bis heute fort und erweist sich
nunmehr in vielfältiger Hinsicht als sehr hilfreich
für schlanke Kanzleiabläufe und den elektronischen
Rechtsverkehr.
Aus der Bedarfsplanung, die die Lebenshaltungskosten einbezog, ergaben sich Zielmarken, deren
Erfüllung die Voraussetzung für mich war, um die
freie Mitarbeit zu beenden und fortan nur mein
„eigenes Ding zu machen“. Währenddessen verfeinerte ich meine Erfahrungen und überprüfte die
Magazin
Realisierbarkeit meiner Vorstellungen in Bezug auf
die Führung einer eigenen Kanzlei am praktischen
Beispiel. Gut gewappnet entschied ich im Frühjahr
2006, nunmehr die Gründung der eigenen Kanzlei
gezielt anzugehen. Unmittelbar nach der letzten
wichtigen technischen Anschaffung, einem leistungsfähigen Scanner, begab ich mich auf die Suche
nach passenden Kanzleiräumen. Anfang Februar
2007 unterzeichnete ich endlich den Mietvertrag.
Weil ich parallel die Einrichtung der Kanzleiräume
fertig geplant hatte, konnte ich sofort die notwendigen Bestellungen auslösen. Ostern 2007 war
alles fertig und seit Mai 2007 bin ich nur noch für
mich tätig.
Eigene Räume und Personal
Da ich die Entwicklung der eigenen Kanzlei mit
einem zurückhaltenden Optimismus abgeschätzt
hatte, waren meine Kanzleiräume bewusst auf
einen Kanzleibetrieb ohne Personal zugeschnitten.
Jedoch musste ich mir bereits im März 2008
eingestehen, ohne eine(n) Mitarbeiter(in) nicht
mehr auskommen zu können. Wieder hatte ich
Glück und im Nachbarhaus, welches ebenfalls dem
Vermieter gehörte, konnte ich (Juli 2008) größere
und schönere Räumlichkeiten beziehen. Gleichzeitig schrieb ich mit Unterstützung der Arbeitsagentur den neu geschaffenen Arbeitsplatz aus.
Seit September 2008 bin ich Arbeitgeber.
Rückblickend empfinde ich es für die Gründung
meiner Kanzlei als sehr vorteilhaft, dass ich auf
Fremdmittel nicht angewiesen gewesen bin, sondern alles aus eigener Kraft habe realisieren
können. Dadurch blieb mir nämlich der nicht zu
unterschätzende Kostenpunkt der Kreditrückzahlung erspart. Ohne eine detaillierte und Lebenshaltungskosten einbeziehende, ständig aktualisierte, selbstkritische Bedarfs- und Finanzierungsplanung hätte ich das so wohl nicht geschafft.
Abschließend kann ich resümieren, dass meine berufliche Entwicklung zur eigenen Kanzlei gerade
nicht von Anfang an so gewollt gewesen, sondern
von den situationsbedingt richtigen Entscheidungen im richtigen Moment und deren konsequenter Umsetzung geprägt ist. Dennoch bin ich
mit dem Anwaltsberuf sogar meiner ursprünglichen Berufsvorstellung treu geblieben: ich bin in
der Wirtschaft tätig und führe (m)ein Unternehmen,
wenn auch ein kleines.
RA Olaf Baur, Potsdam
Olaf Bauer wollte eigentlich in die Wirtschaft, gründete aber eine Steuerrechtskanzlei.
Foto: privat
ADVOICE 04/09
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Euer FORUM
Das etwas andere Mandat
Mit Redekunst vom DAV-Wettstreit in den Bundestag
Katja Keul ist das mutmaßlich dienstälteste
Mitglied des FORUM, eingetreten noch als Referendarin Ende 1995 oder Anfang 1996. Inzwischen ist sie vierzig und scheidet deshalb
zum Jahresende aus dem FORUM aus. Dafür ist
sie seit Oktober Mitglied des Deutschen Bundestags.
Anfang Oktober in Berlin, zwei AdVoice-Redakteure
stehen in der Eingangsschleuse der Bundestagsliegenschaft Unter den Linden 50. „Wo möchten
Sie hin?“ fragt der Pförtner. „Zu Frau Keul.“ „Welches Büro ist das, bitte?“ „Büro Keul.“ Wenige Tage
nach der Wahl hat der Herr am Eingang noch
keinen vollständigen Überblick über die neu gewählten Abgeordneten.
Katjas Wechsel von der Kanzlei in den Bundestag
ist erklärungsbedürftig. Schließlich hatte sie noch
in der AdVoice 01/07 erklärt, sie lebe mit ihrer
kleinen Familie nun schon fünf Jahre ausschließlich
von ihrer kleinen Kanzlei und möchte auch ehrlich
gesagt gar nichts anderes mehr tun! Aber Katja hat
schon ein paar Neuorientierungen hinter sich in
ihrem Leben, oder, wie ihr Mann Michael sagt: „Ach
ja, immer mal was Neues!“
Aufgewachsen im Ausland, hatte Katja während
des Studiums zunächst eine Tätigkeit im diplomatischen Dienst oder auch in einer internationalen Organisation im Sinn. Nach der Geburt der
ersten Tochter während des Referendariats traten
die Pläne von der großen weiten Welt erst mal in
den Hintergrund. Der Lebensunterhalt musste gesichert werden und Katja entdeckte, dass die
anwaltliche Tätigkeit eine erfüllende und spannende Aufgabe war. Nach der Geburt des zweiten
Kindes gab es schwer Krach mit dem Chef.
Ermutigt von vielen Gründerberichten von Forumsmitgliedern wagte Katja den Schritt in die Selbstständigkeit, während ihr Mann Michael die Aufgabe
des hauptberuflichen Familienvaters übernahm.
Vernetzte Einzelanwältin
Katja Keul in ihrem Berliner Abgeordneten-Büro. Ihre Kanzlei lief bis zum Wahlsonntag.
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ADVOICE 04/09
Foto: Tobias Sommer
Der Wirkungskreis Kanzlei hat ihr schon bald nicht
mehr ausgereicht. Mit jüngeren Kollegen hat sie
fleißig genetzwerkelt und war bald Vorsitzende des
örtlichen Anwaltvereins. Irgendwann war Anwaltstag, der Rednerwettstreit war ausgerufen mit dem
Thema „Schlosserei und Rechtsanwaltskanzlei –
neue Formen beruflicher Zusammenarbeit“.
Euer FORUM
Michael spornte seine Frau Katja an: „Wenn Du
nicht zu dem Thema sprichst, wer soll es dann
tun?“ Also marschierte die Rechtsanwältin Keul ans
Rednerpult und erzählte zehn Minuten lang vom
Leben zwischen Robe und Schürze – und das
Publikum applaudierte begeistert. „Eine packende
und sehr persönliche Rede!“ erinnert sich auch
Tobias Sommer, der GfA-Verantwortliche für die
AdVoice. Zum Sieger hat die Jury einen anderen
Redner gekürt – ein Mitglied der Jury räumte
später ein, man habe nicht glauben können, dass
Katja mit ihrem Beitrag wahrhaftig ihren Werdegang dargestellt habe. Entscheidend für Katja war
die Erfahrung, mit einer freien Rede die Aufmerksamkeit und den Zuspruch des Publikums gewinnen zu können.
Im März hatte sie einen ordentlichen Dämpfer zu
verarbeiten. „Vom FORUM kam ein Brief, in dem
mir erklärt wurde dass mit meinem bevorstehenden vierzigsten Geburtstag zum Jahresende meine
Mitgliedschaft im FORUM enden werde. Toll!“
erzählt Katja und verzieht kurz in gespieltem
Schmerz das Gesicht.
Eine Erfahrung, an die sich Katja im November
2008 erinnert hat. Sie war zum Nominierungsparteitag der niedersächsischen Grünen für den
Bundestag angereist. Nach ihrem Austritt aus der
Partei im Jahr 1999, als die grüne Bundestagsfraktion den Kosovo-Krieg mit zu verantworten
hatte, war sie zurückgekehrt, denn der Wunsch
nach politischer Mitgestaltung überwog inzwischen den Schmerz über die damalige Kriegsentscheidung. Ein Anliegen war ihr, der zunehmenden
Verarmung, die sie unter ihren Mandanten und in
ihrem Lebensumfeld beobachtet, auf einer anderen
Ebene als vor Gericht entgegen zu treten.
Bis Montag mittag sind die letzten Maßnahmen in
der Kanzlei zu erledigen, Bankvollmachten zu
zeichnen und der AB zu besprechen. Am Abend
findet in Katjas Geburtsstadt Berlin schon die erste
Sitzung mit alten und neuen Mitgliedern der Fraktion statt.
Nun ging es also um die Nominierung der Landesliste. Im Hintergrund versuchten einflussreiche
Leute, die nach ihrer Meinung richtigen Kandidaten
in Position zu bringen. Unbeirrt davon meldete
Katja ihre Kandidatur für Platz fünf der Liste an,
der nach aller Wahrscheinlichkeit den Einzug in
den Bundestag sicheren würde. Eine zehnminütige
freie Rede, wie damals beim Anwaltstag – und wie
damals war das Publikum überzeugt. In basisdemokratischer Abstimmung nominierten die Parteimitglieder Katja für Platz fünf – an Stelle der
aktuellen Inhaberin des Mandats im Bundestag.
Katja konnte es kaum fassen: Für Platz sieben hatte
sie sich gewisse Chancen ausgerechnet. Dass der
Coup mit der Kandidatur für Platz fünf gelingen
würde, das war auch für sie eine riesige Überraschung. Recht nüchtern hat offenbar Ehemann
Michael, inzwischen Vater dreier Kinder, reagiert.
Katja erzählt: „Michael, der hat gesagt 'Ach ja,
immer mal was Neues!'.“
Dann der Wahlabend. Der Einzug in den Bundestag
war schon vorher so gut wie sicher. Nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen von Euphorie keine Spur. Denn bei aller Freude über das
gute Abschneiden der Grünen ist das Wahlergebnis
insgesamt überhaupt nicht nach Katjas Geschmack. Doch für Enttäuschung bleibt nicht viel
Zeit.
Katja erinnert sich: „Die ersten Tage in Berlin waren
sehr intensiv.“ Das neue Umfeld; die Fraktionskollegen, alles gestandene Persönlichkeiten; Wohnungssuche, zahllose E-Mails, gefühlt mindestens
zweihundert Bewerbungen für Mitarbeit; erste
Versuche, die informellen Strukturen zu durchschauen und der Wunsch, gleich loszulegen. „In der
Fraktionssitzung am Dienstag nach der Wahl ging
es lang um Analysen des Wahlkampfs und den
Erfolg, den wir erzielt haben. Aber die anderen
neuen und ich, wir wollten dann auch mal wissen,
wie es weiter geht!“ berichtet Katja.
Alles NEU!
Katja Keul ist eine von 202 neuen Mandatsträgern.
Insgesamt gibt es im 17. Deutschen Bundestag
mit Überhangmandaten 622 Abgeordnete, davon
sind 204 weiblich. Der „Beruf“ MdB (Mitglied des
Bundestages) steht bei der Mehrzahl der Abgeordneten. Bei Katja steht Rechtsanwältin. Damit
gehört sie der mit über 200 Mitgliedern stärksten
informellen Fraktion an: der Gruppe der Juristen.
Der Altersschnitt im aktuellen Bundestag ist 49
Jahre. Mit ihren 40 Jahren drückt Katja Keul das
Durchschnittsalter in der statistisch jüngsten
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen von
46,62 Jahren. (Am ältesten sieht die SPD-Fraktion
tobi
mit einem Schnitt von 51,64 Jahren aus.)
> www.bundestag.de
Unter den Linden 50
Foto: Tobias Sommer
International und sozial
Die Mitgliedschaft im Bundestag gibt Katja Gelegenheit, ihr Interesse für internationale Politik
wieder auszuleben. Sie möchte ihre Partei im Verteidigungsausschuss vertreten. Engagement für die
sozialen Themen, die ihr am Herzen liegen, möchte
sie mit konkreten Maßnahmen im Wahlkreis sichtbar machen. Das klingt nach einer Menge Arbeit.
Ehemann Michael hält ihr den Rücken frei und
kümmert sich um drei Kinder, den achtjährigen
Sohn und die beiden fünf und 13 Jahre alten Töchter. „Das ist ein Riesenpaket Verantwortung, was
ich da abgeben kann“, würdigt Katja das Engagement ihres Mannes.
Mandatsarbeit bis zuletzt
Katja wusste, dass sie bei Einzug in den Bundestag
ihre Anwaltsmandate würde übergeben müssen
und bereitete darum organisatorisch die Fusion mit
ihrer Lieblingskollegin im benachbarten Nienburg
vor. Bis Freitag vor dem Wahlsonntag lief die Kanzlei jedoch auf vollen Touren. „Alles andere wäre
existenzgefährdend gewesen.“ meint Katja.
„Die Aufgabe als Politikerin fühlt sich richtig an!“
meint sie. Aber eine Rückkehr in den Anwaltsberuf
schließt Katja auf keinen Fall aus. Schon jetzt ist
AdVoice zu einem Folgegespräch mit ihr in vier
Jahren verabredet. Mit Michael dürfen wir gespannt sein, welche Neuigkeiten dann anstehen.
RA Percy Ehlert, Berlin
ADVOICE 04/09
43
Euer FORUM
Katja Keuls Mannheimer Rede
Schlosserei und Kanzlei – neue Formen der beruflichen Zusammenarbeit
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen heute
von einer erfolgreichen Unternehmensgründung
berichten – von einem kleinen Familienunternehmen, das in den letzten Jahren kräftig expandiert
ist und dessen Hauptgesellschafter ein Schlosser
und eine Rechtsanwältin sind.
Die Zusammenarbeit der Gesellschafter, von denen
hier die Rede ist, begann bereits während des Referendariats der angehenden Rechtsanwältin. Es hat
noch keiner Übungsklausur geschadet, wenn der
Sachverhalt zunächst einmal aus der Sicht des
Schlossers auf Praxisrelevanz im wirklichen Leben
überprüft wird.
Oder wollten Sie nicht auch immer schon mal wissen, was eine Kurbelwelle wirklich ist und was diese
von einer Nockenwelle unterscheidet? Wer heutzutage allen Ernstes in einer Ölwanne badet und
wie man einen Kolbenfresser füttert? Nur in Teamarbeit lässt sich die Bedeutung der zahlreichen
Simmerringe im Sachverhalt ergründen.
Das anschließende Rechtsgespräch verlief in der
Regel weniger einvernehmlich. Beim Gutachtenaufbau schon beginnen die Differenzen. Wo die
Juristin sich fragt, ob ein Tatbestand erfüllt ist,
fragt der Schlosser in der Stufe vorher bereits
schon nach der Beweisbarkeit. Beim Aufbau eines
Gutachtens stehen sich die Ansichten von Alpmann-Schmidts denen der Schrauberszene unversöhnlich gegenüber: Warum soll etwas, das nicht
beweisbar ist, darauf untersucht werden, ob es einen Tatbestand erfüllt?
Man beginnt an dieser Stelle zu ahnen, warum sich
nach Durchsicht der Akten oft ergibt: Der Täter ist
wieder der Schlosser!
Das junge Unternehmen überstand diese erste
Phase mit Bravour, indem die Gesellschafter sich
zu einer klaren Arbeitsteilung entschieden. Der
Schlosser hielt den Fuhrpark instand, erweiterte
und erneuerte beständig Räumlichkeiten des Unternehmens und versorgte die nachwachsenden
Gesellschafter, während die Anwältin sich der
Rechtsberatung widmet.
Eine Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht –
sprach einst zur Referendarin: „Mein Gott – Ihr
Partner ist Schlosser – was ein Glück! Stellen Sie
sich vor: Mein Mann ist Philosoph! Wir können
selbst gemeinsam nicht einmal ein Bild an die Wand
nageln.!“
44
ADVOICE 04/09
Die Fruchtbarkeit dieser interdisziplinären Zusammenarbeit zeigte sich ganz besonders in dem Moment, als die erste Firmenfiliale zwecks Auslagerung der Rechtsberatung gebaut werden musste.
Der Schlosser ging 14 Tage lang intensiv ans Werk:
riss Wände ein, baute neue Wände auf, installierte
Heizkörper, Sanitäranlagen, verlegte Fliesen, Stromanschlüsse und Teppiche, während die Rechtsanwältin trotz des Störfeuers zweier plärrender und
kreischender Mitgesellschafter tagelang versuchte,
die Hotline der Telekom zu überlisten und die rätselhaften Wege zu einem ISDN-Anschluss und
einer Telefonanlage zu ergründen.
Die im § 230 HGB erwähnten Stillen Gesellschafter
wären in diesem Moment deutlich konstruktiver
gewesen. Wenn es dann in der beruflichen Praxis
um Mandantenakquise geht, ist ein Schlosser besonders für angehende Verkehrsrechtler oder Strafverteidiger geradezu unersetzlich. Er kennt sie alle:
den schlauen Schrauber, den kleinkriminellen Bastler, den Schrotthändler mit der Hosentasche voll
Bargeld, und natürlich auch den örtlichen Abschleppunternehmer, der stets als erster am Ort des
Geschehens eintrifft.
Sie kennen sich, sie vertrauen sich (mehr oder
weniger), sie verkaufen sich untereinander Fahrzeuge (oder das was davon übrig ist) und sie sprechen die gleiche Sprache, wenn sie stundenlange
Benzingespräche führen.
Halt! – denken jetzt vielleicht einige von Ihnen. Wie
ist das denn mit der Schweigepflicht gegenüber
dem Partner? Die Antwort darauf führt gleich zu
der weiteren Frage, wie der Schlosser nun Kanzleimitarbeiter wird und welche steuerlichen und
sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen es
nach sich zieht, wenn er es nicht wird.
In den klassischen Rechtsanwalt-Hausfrau-Fällen
übernimmt in der Regel letztere die Buchführung
der Kanzlei oder arbeitet als Sekretärin mit, und der
Nachwuchs ist auf diese Art und Weise zum Minibeitrag gesetzlich krankenversichert. Natürlich nur,
solange der Existenzgründer nicht über der Beitragsbemessungsgrenze verdient.
Nun ist es aber tatsächlich wenig praktikabel, einen
Schlosser als Bürokraft einzustellen und auch gegenüber dem Finanzamt nur schwer plausibel zu
machen, es sei denn, die Kanzleiräume rechtfertigen von Anfang an einen Hausmeister.
Schmiedet der Schlosser daher überwiegend an
Plänen für die Zukunft, bleibt von Anfang an nur
die freiwillige gesetzliche Versicherung, um alle
Mitgesellschafter gesundheitlich abzusichern. Jeder
noch so motivierte Vertreter der privaten Versicherungswirtschaft beendet fluchtartig das Gespräch,
wenn er damit konfrontiert wird, eine fünfköpfige
Gesellschaft unter Vertrag zu nehmen!
Die fehlende Anstellung in der Kanzlei führt als
nächstes auch zu steuerlichen Nachteilen. Denn:
Wäre der Schlosser Arbeitnehmer der Kanzlei, könnten nicht nur sein eigenes Einkommen als Betriebsausgabe, sondern auch die Fremdbetreuung des
Nachwuchses steuerlich abgesetzt werden.
Da Buchführung nun nicht gerade die Stärke des
Schlossers ausmacht, und er die Gesellschaft lieber durch handwerkliche Arbeiten unterstützt, ist
weder seine eigene Betreuungsleistung steuerlich
relevant, noch können Kindergartenkosten in Abzug gebracht werden.
Im Vergleich zur klassischen Variante bleibt sowohl
das Gesamteinkommen des Familienunternehmens
als auch der Betreuungsaufwand insgesamt identisch. Nur die Kindergartenkosten sind einmal steuerlich absetzbar und einmal nicht. An dieser Stelle
muss der Ruf nach dem Gesetzgeber laut werden:
Nur wo Kinderbetreungskosten uneingeschränkt
geltend gemacht werden können – oder besser
noch: gar nicht mehr anfallen – besteht tatsächlich
Wahlfreiheit zwischen Fremd- und Eigenbetreuung!
Als seines Glückes Schmied ist der Schlosser nicht
einmal riesterfähig... macht bei einer fünfköpfigen
Gesellschaft einen jährlichen Zulagenverlust von
knapp 1000,- Euro.
Bleibt am Ende noch die scheinbar einfache
Übertragung der Kindererziehungszeiten von der
Rechtsanwältin auf den erziehenden Schlosser.
Wer schon einmal ein Familienunternehmen gegründet hat, kennt vielleicht noch das freundliche
Begrüßungsschreiben der BfA, in dem mitgeteilt
wird, dass Kindererziehungszeiten von Gesetzes
wegen erst einmal bei der Mutter berücksichtigt
werden – eine Umschreibung auf den Vater allerdings jederzeit möglich sei und der entsprechende
Antrag bei der örtlichen Gemeinde gestellt werden
könne.
Eine erste Anfrage ergab, dass dort weder Antragsformulare vorhanden seien, noch wisse man
überhaupt von einem solchen Verfahren. Die für
den Schlosser seinerzeit noch zuständige LVA
reagierte am Telefon ähnlich. So etwas habe es
doch noch nie gegeben – da müsste erst einmal ein
gemeinsames Gespräch geführt und der Sachverhalt überprüft werden.
Gesagt, getan: Es erfolgte ein ernsthaftes Prüfungsgespräch durch zwei Sachbearbeiter der LVA, in
dem geklärt werden sollte, ob die Rechtsanwältin
nicht vielleicht doch zwischendurch einmal Mittagessen kocht oder Wäsche wäscht!
Auf Nachfrage, ob eine solche Inquisition in vergleichbaren Fällen üblich sei, erfolgte die Mitteilung,
dass es noch nie vergleichbare Fälle gegeben habe...
Meine Damen und Herren, man mag es kaum glauben, dass eine solche Zusammenarbeit von Schlosser und Rechtsanwältin derart neu und ungewöhnlich sein soll – so ungewöhnlich, dass sie zum
Thema des Rednerwettstreits auf dem diesjährigen
Anwaltstag geworden ist.
Heute besteht das Unternehmen neben den beiden
Hauptgesellschaftern, aus insgesamt drei Nachwuchsgesellschaftern (nach wie vor keine stillen
Gesellschafter) und zwei Kanzleimitarbeiterinnen.
Die Zusammenarbeit zwischen den Büromitarbeiterinnen und dem Schlosser funktioniert reibungslos. Mal teilen die einen ihr Büromaterial mit den
Nachwuchsgesellschaftern – mal löst der andere
technische oder handwerkliche Probleme im Büroalltag.
Ob dieses Modell ein Ausreißer oder ein Trendsetter
ist: Die Zukunft wird es zeigen. Ich wünsche allen
Existenzgründern in diesem Bereich viel Kraft, starke Nerven und Kreativität – denn die werden sie
brauchen!
Meine Damen und Herren – ich danke für Ihre
geschätzte Aufmerksamkeit.
Diese hier abgedruckte Rede hielt RAin Katja
Keul auf dem Deutschen Anwaltstag 2007 in
Mannheim.
RAin Katja Keul, MdB
www.davforum.de
Die Stimme
junger Anwälte
Das FORUM bietet allen m/w Referendaren,
Assessoren und Anwälten bis 40 Jahren
• Interessenvertretung
• Mailingliste
• Vergünstigungen
• Stammtische
• Erfahrungsaustausch
Mitgliedsbeiträge € 50,– / 25,– p.a.
Informationen zur Mitgliedschaft: www.davforum.de
Kontakt: [email protected] | 030 / 72 6152-0
Starthilfe | Fortbildungen | Netzwerk
Foto: Tobias Sommer
Euer FORUM
Neu gewählt
Auf XING
Zwei FORUMs-Frauen im Itzerhoer Anwaltsverein
mit Kanzlei und Kind
Der Itzehoer Anwalt- und Notarverein e.V. hatte
am 24.09.2009 seine jährliche Mitgliederversammlung, in der ein neuer Vorstand gewählt wurde. Der
bisherige Vorstand, der sich viele gemeinsame Jahre verdient für den Verein eingesetzt hat, stellte
sich insgesamt nicht mehr zur Wiederwahl. Es wurden dann erfreulicherweise zwei Mitglieder des
FORUM Junge Anwaltschaft in den Vorstand gewählt. Als Kassenwartin wurde Rechtsanwältin
Annika Boeck (31) aus Wilster und als Schriftführerin wurde ich, Rechtsanwältin Julia Salzwedel
(33) aus Schenefeld, gewählt. Als 1. Vorsitzender
wurde Rechtsanwalt und Notar Andreas Bothe
gewählt, der zwar nicht Mitglied im FORUM, aber
auch erst 39 Jahre jung ist. Der neue Vorstand freut
sich, von den Mitgliedern des Itzehoer Anwaltsund Notarvereins gewählt worden zu sein und
damit auch das Vertrauen für die zukünftige Arbeit
erhalten zu haben. Der Vorstand des Itzehoer Anwalt- und Notarverein wird die gute Arbeit des
bisherigen Vorstandes fortführen und weiter tolle
und informative Fortbildungsveranstaltungen, die
ca. 4-5 Mal im Jahr stattfinden, für seine Mitglieder
anbieten. Ebenso wird auch das gemütliche Zusammensein nicht zu kurz kommen.
XING, ehemals Open Business Club, vernetzt in WEB
2.0-Manier alle, die dem FORUM Junge Anwaltschaft nahe stehen. Die seit April 2006 bestehende
Diskussionsgruppe unter selbigem Namen hat ganze
853 Mitglieder und arbeitet alle Fragen rund um den
Anwaltsberuf ab. Brandaktuell zum Heftschwerpunkt entdeckte AdVoice dort den Thread „Kanzlei
und Kind“.
xxx
46
Ich kann nur jeden jungen Anwalt/ jede junge Anwältin ermutigen, sich in den örtlichen Anwaltsvereinen zu engagieren, um weiter die Interessen
der Anwaltschaft zu vertreten und das Miteinander
im Gerichtsbezirk zu fördern. Zwar wird die ehrenamtliche Tätigkeit nicht unerheblich Zeit in Anspruch nehmen, was mich selber zunächst abgeschreckt hat, mich überhaupt zur Wahl zu stellen.
Nach kurzem Überlegen bin ich jedoch zu dem
Entschluss gekommen, dass ich für diese Tätigkeit
gerne Zeit aufbringen möchte. Nicht nur, weil ich
uns im Gerichtsbezirk Itzehoe einen aktiven Anwaltsverein erhalten möchte, sondern auch um
bereits früh wichtige Infos zu Änderungen oder
Reformen, die unseren Beruf betreffen, zu erhalten.
Die Mitglieder des neuen Vorstandes kannten sich
bereits von dem Itzehoer Stammtisch für Juristen,
so dass ich alle Mitglieder des FORUMs ermuntern
möchte, an den Stammtischen, die in fast allen
Gerichtsbezirken stattfinden, teilzunehmen. Damit
werden Freundschaften und Netzwerke geknüpft,
die ich persönlich nicht missen möchte und die
nicht nur den Berufsalltag bereichern.
RAin Julia Salzwedel, RB Itzehoe
Foto: xxx
ADVOICE 04/09
> www.xing.com/net/fja/kanzlei-und-kind-434728/
Wer, Mann oder Frau, bisher erfolglos nach Tipps
gesucht hat, wie anwaltliche Selbstständigkeit und
Familie unter einen Hut zu bekommen sind, soll dort
Anregungen aus erster Hand erhalten. Vorausgesetzt, es diskutieren genug Teilnehmer mit. Also,
einloggen bei XING (xing.com), Mitglied in der Diskussionsgruppe „Forum Junge Anwaltschaft im DAV
e. V.“ werden und praxistaugliche Hinweise von Juristen für Juristen posten, um es all denen leichter zu
machen, die erstmals mit Windelwechseln, Betreuungsgeldanträgen und Babysittersuche konfrontiert
pat
werden!
Väter willkommen.
Foto: S.Thomas . pixelio.de
Euer FORUM
Auf die Sprünge helfen – Karrieretag Hamburg
Junge Juristen konnten sich mit verschiedenen Berufsbildern vertraut machen
Am Vormittag wurde ein Überblick über einen Teil
der beruflichen Möglichkeiten gegeben, die ein
Volljurist nach dem Zweiten Staatsexamen hat. Am
Nachmittag ging es um die Selbstständigkeit, Soft
Skills und Bewerbungen.
Den Tag eröffnete der Pressesprecher der Rechtsanwaltskammer Köln, Rechtsanwalt Martin W. Huff,
mit einem Überblick über den Markt und die Entwicklung der rechts- und steuerberatenden Berufe.
Es folgte Frau Bente Hamann, die als Juristin in
einem Unternehmen tätig ist. Sie erläuterte das
Besondere an der juristischen Tätigkeit in einem
Unternehmen und wies auf die permanente Gratwanderung zwischen der rein rechtlichen Beurteilung einer Sache und den zu beachtenden kommerziellen Zielen hin.
Frau Monika Rolf-Schoderer, Richterin am Oberverwaltungsgericht in Hamburg, berichtete mit viel
Enthusiasmus über die Arbeit in der Justiz mit den
Freiheiten und Grenzen des Richterberufes.
Martin W. Huff berichtete über die interessanten
Tätigkeiten eines Juristen als Journalist oder in
Verbänden. Am Ende des Vormittags wurden die
Vorzüge und Nachteile der Tätigkeiten als Rechtsanwalt in einer kleinen, mittleren und großen
Kanzlei dargestellt. Jeder der Referenten war
überzeugt davon, dass gerade seine Tätigkeit das
Richtige – zumindest für ihn bzw. sie – sei. Im
Hinblick auf die Anforderungen wurde sowohl die
fachliche als auch die soziale Kompetenz als wichtig hervorgehoben.
Zum Thema Selbstständigkeit referierte Rechtsanwalt Marko Dörre. Der Kollege betonte, wie
wichtig dabei Spezialisierung sei. „Wenn Ihr erst
einmal für etwas bekannt seid, kommen auch die
Mandanten“, so Dörre. Er selbst hatte sich im Jahr
2002 auf die Erotikbranche spezialisiert, eine Nische, in der es kaum konkurrierende Kollegen gibt.
Mandate aus anderen Rechtsgebieten können an
Kollegen abgegeben werden. Hierfür sei es wichtig,
sich ein Netzwerk zu schaffen, wie beispielsweise
im FORUM Junge Anwaltschaft.
Für die Planung der Selbstständigkeit ist ein Businessplan notwendig. Das wichtigste daran sei, zu
überlegen und seine Ziele schriftlich zu fixieren, rät
Dörre. Weiter in die Tiefe des Businessplans stieg
Dr. Carsten Blunk von der Deutschen Bank ein.
Zurücklehnen und entspannen konnten die von
Zahlen und Fakten überschütteten Teilnehmer
dann bei Rechtsanwalt Dr. André Niedostadek. In
einem erfrischenden Vortrag sensibilisierte er die
jungen Juristen für die Bedeutung von Soft Skills.
Gefordert werden neben der fachlichen Qualifikation vor allem besondere Schlüsselqualifikationen
wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, Organisationstalent, Durchsetzungsvermögen oder Kritikfähigkeit. Diese so genannten Soft Skills müssen
trainiert werden. Beispielsweise, indem man Vorträge hält oder sich ehrenamtlich engagiert.
Zum Abschluss gaben Rechtsanwälte Dr. André
Niedostadek sowie die Kollegen Dr. Philip Brügge,
Nils Obenhaus von Münchow Commandeur + Partner Rechtsanwälte und Stephanie Wolfrum anhand
ihres eigenen Karrierewegs konkrete Tipps für den
Berufseinstieg. Bei der Bewerbung sei es wichtig,
den Nutzen herauszustellen, weshalb der Arbeitgeber gerade Sie einstellen soll. Innovativ war die
Empfehlung, eine eigene Bewerbungswebsite ins
Netz zu stellen. Potentiellen Arbeitgebern kann beispielsweise auf Bewerbungsmessen eine Visitenkarte
mit der Domain und gegebenenfalls einem Passwort
überreicht werden. Dort findet er dann alle wichtigen Informationen über den Bewerber.
Wichtig sei es auch, raus zu gehen und Kontakte zu
knüpfen, gab Rechtsanwalt Niedostadek den Teilnehmern nach einem langen Tag mit auf den nach
Heimweg.
RAin Babette Kusche, Hamburg
RA Sebastian Trabhardt, Hamburg
Wir geben Ihnen Orientierung
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Erarbeitung Ihres Kanzleiprofils
Effektives Marketing
Professionelle Organisationsstrukturen
Zeitmanagement und Controlling
www.abc-anwalt.de
Freecall 0800.ABC ANWALT
Viele neue Absolventen des Ersten und Zweiten
Staatsexamens stellen sich nun die Frage: „Was
mache ich jetzt?“ Sie wissen einfach nicht genau,
welchen Weg sie nach dem Ende der Ausbildung
beruflich einschlagen sollen, sei es weil es so
viele Wege gibt oder auch, weil sie nicht wissen
können, was alles möglich ist. Um einen Teil
dieser Fragen zu beantworten oder den Absolventen bei ihrer Suche zumindest ein wenig
auf die Sprünge zu helfen, hatte die Fachbuchhandlung boysen + mauke in Kooperation
mit dem Hamburgischen Anwaltsverein und dem
FORUM Junge Anwaltschaft am 7. November
2009 den Karrieretag in der Grundbuchhalle des
Ziviljustizgebäudes veranstaltet.
Wir sind von der KfW für das Gründercoaching akkreditiert. Bis zu 90 % Zuschuss
zu den Beratungskosten möglich.
ADVOICE 04/09
47
FORUM
Junge
Anwaltschaft
im DAV
Das FORUM ist:
Die Stimme der jungen Anwälte.
Eine der größten Arbeitsgemeinschaften
innerhalb des Deutschen Anwaltvereins
(DAV).
Das Forum bietet:
Fortbildungen. Netzwerke.
Lobby. Starthilfe.
Antworten und Hilfe
für den Berufsstart und die ersten
Berufsjahre.
Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus:
Vorteile für alle Anwälte, Assessoren
und Referendare bis 40 Jahre
(Diese Vorteile bietet nur das FORUM
Junge Anwaltschaft)
Kostenlos:
Anwaltsmagazin AdVoice
Mit Schwerpunktthemen,
Erfahrungsberichten,
unterhaltsames und wissenswertes aus der
Anwaltschaft, Mitgliederinformationen
und natürlich viel Service: Checklisten,
Fachanwaltssteckbriefe, Steuerinfos, Tipps
zur Haftungsvermeidung u.v.m.
Vertretung der Interessen
der jungen Anwaltschaft in der
Berufspolitik und der anwaltlichen
Selbstverwaltung
Teilnahme an der Mailingliste
Fachliche Unterstützung durch Kollegen,
Antworten auf fast jede Frage des
Anwaltsalltags, Terminvertretungen,
Fällen von Kollegen
VORTEILE
für alle, die (noch) nicht im DAV sind
günstige Konditionen für die
Berufshaftpflichtversicherung
Mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen
exklusiv für FORUMsmitglieder mit hohem
Sparpotenzial
Fortbildung:
eigene Seminare und günstigere
Konditionen bei anderen Anbietern
z.B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis zu 50%
bei der Deutschen AnwaltsAkademie
Netzwerk und Erfahrungsaustausch
national
Regelmäßige Stammtische in den allen
LG-Bezirken. Kontakte zu örtlichen und
überörtlichen jungen Kolleginnen und
Kollegen. Regionalbeauftragte als
Ansprechpartner, die Euch gern vor
Ort weiter helfen.
Netzwerk international
Länderbeauftragte als Ansprechpartner bei
grenzüberschreitenden Rechtsproblemen.
Kontakte zu internationalen
Organisationen junger Anwälte und
Mitgliedschaft in der European Young
Lawyers Bar Association.
Vergünstigte Teilnahme
beim Anwaltstag z.B. 2009: 49,00 € statt
89,00 € für DAV-Mitglieder
Kostenlos: 11x jährlich das Anwaltsblatt
günstige Konditionen des DAV
(http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte)
· Auto & Verkehr: z.B. Sonderboni beim
Autokauf, vergünstigte Mietewagen
· Hotels: Mitgliederrabatte des
DAV in vielen Hotels
· Fortbildung/Webdienste: z.B. juris DAV
· Kommunikation: Rahmenabkommen
für Mobilfunk-Rabatte
· Versicherungen: z.B. bei der
Krankenversicherung und
Altersversorgung
Rahmenabkommen für kostenlose
Kreditkarten
NJW-Abo-Ermäßigung um 22 € jährlich
(Referendare erhalten vom Verlag weitere
Ermäßigungen)
VORAUSSETZUNGEN
für eine Mitgliedschaft:
Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren,
Referendare und Assessoren
Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50,00 €
Ermäßigungen auf 25,00 €:
1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres
2. für Mitglieder eines dem DAV
angeschlossenen Anwaltvereins
Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung
Euer FORUM
Fälle der FORUMs-Mailingliste
Über Geld trotz PKH und Stalker-Fristen
Die FORUMs-Mailingliste ist eine der hilfreichsten Instrumente des Anwaltsalltags. Jedes erdenkliche Anwaltsthema wird hier diskutiert,
vom richtigen Einstieg in eine Fallbearbeitung
über Fundstellen bis hin zur Organisation der
Kanzlei und Terminsvertretungen gibt es fast
immer eine Lösung. Wir stellen in loser Folge
Fragen und Antworten vor, die auf der Liste
gestellt wurden.
Die Frage
„Ich habe den Fall, dass nach drei Jahren PKH wegen „Vermögen“ aufgehoben wurde. Nun bin ich
aufgefordert, meine Wahlanwaltsgebühren mitzuteilen, §§ 50, 55 VI Abs. 2 RVG. Ich habe damals
nicht mehr als die PKH Gebühren abgerechnet. Von
daher weiß ich nicht genau, was zu tun ist. Was
teile ich dem Gericht mit? Wer muss was zurückzahlen? Und kann ich nun Wahlanwaltsgebühren
ggü. Mandantin abrechnen? Wer kann mir helfen?“
Innerhalb von 20 Minuten war das geklärt!
Die Antworten
„Ich reiche, wenn ich PKH abrechne, immer gleich
die Wahlanwaltsgebühren mit ein. Erst die PKH-Berechnung, dann der Satz: Desweiteren wird gemäß
§ 50 II RVG die Regelvergütungsberechnung zur
Akte gereicht und geltend gemacht. Dann die Berechnung Wahlanwalt, von der Summe die PKHGebühren abgezogen und der Satz „verbleibt als
weitere Vergütung.“ Und manchmal kommt dann
tatsächlich noch mal Geld von der Justizkasse. Hol
die zweite Berechnung nach und schick es demjenigen, der Dich dazu aufgefordert hat.“
Weitere Antworten folgten:
„Ich kenne das so, dass man dem Gericht die so genannte weitere Vergütung, also die vollen RVGGebühren mitteilt und diese dann von der Partei
eingefordert werden, und zwar vom Gericht. Die an
dich gewährte PKH-Vergütung wird dabei berücksichtigt.“
„Kostenfestsetzung der weiteren Vergütung (Wahlanwaltsgebühr abzüglich PKH-Gebühr) beantragen.
Sonst nix. Staatskasse zieht diese im Rahmen der
PKH mit ein (soweit mit den evtl. PKH-Raten möglich). Geld kommt dann von der Staatskasse.“
Die Frage
Mandant hat Unterlassungsverfügung erhalten,
sich seinem Nachbarn zukünftig nicht mehr als
zehn Meter zu nähern. Anfangs hat es ihn nicht
gestört, und er hat gegen die einstweilige Verfügung nichts unternommen. Jetzt stört es ihn doch
und er will dagegen vorgehen. Er behauptet, nach
sechs Monaten habe die einstweilige Verfügung
ohnehin keine Wirkung mehr bzw. man könne sich
nach sechs Monaten auf Verjährung berufen,
sofern bis dorthin noch kein Hauptsacheverfahren
eröffnet wurde. Ich meine zwar, so etwas auch
schon einmal gehört zu haben, finde hierfür im
Gesetz oder Kommentar keine wirkliche Grundlage.
Eigentlich gelten einstweilige Verfügungen doch
„endlos“, oder !?!
Vielen Dank für Euere Einschätzung !!
Termine
9.-10. April 2010
Berlin
5.-6. November 2010
Düsseldorf
„Start in den Anwaltsberuf“ für 2010
Anmeldung über:
DeutscheAnwaltAkademie
Tel.: 030 / 726153-181
[email protected]
www.anwaltakademie.de
Die Antworten
In derartigen Sachen wird die EV immer auf sechs
Monate befristet. Nach § 1 GewSchG sollen Anordnungen nach diesem Gesetz befristet werden. Diese
Soll-Vorschrift ist wohl eine Muss-Vorschrift. Die
unterlassene Befristung führt zur Fehlerhaftigkeit
der Anordnung. Guck mal zum Einstieg hier:
6. März 2010
Verkehrsrecht für junge Kollegen
in Zusammenarbeit mit ARGE Verkehrsrecht
und dem FORUM in Essen
www.stalker-recht.de/urteil/details.php?id=164
13.-15. Mai 2010
Vielleicht meint der Mandant das. Was steht genau
im Tenor der Verfügung drin? Wirklich unbefristet?
Deutscher Anwaltstag DAT 2010
Aachen
Eine weitere Antwort:
Du könntest Widerspruch gem. §§ 936, 924 ZPO
erheben. Mein DAV-Musterbuch schlägt folgenden
Antrag vor:
In Sachen XY gegen Z erhebe ich namens und in
Vollmacht des Antraggegners gegen die eV vom ...
WIDERSPRUCH. Ich beantrage, die einstweilige Verfügung vom ... aufzuheben und dem Antragsteller
die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Begründung: Verfügungsanspruch (besteht nicht), Verfügungsgrund wird bestritten. usw.
5./6. Juni 2010
15 Jahre FORUM Junge Anwaltschaft
Berlin
ZUM VORMERKEN:
Auch im nächsten Jahr wird es wieder eine Veranstaltung „Forum Start in den Anwaltsberuf +3“
geben. Wo und wann findet Ihr auf:
> www.davforum.de/forumplusdrei.
Tipps und Regeln zur Mailinglistenbenutzung
findet ihr unter: > www.davforum.de/262/.
ADVOICE 04/09
49
Euer FORUM
Global vernetzt – FORUM Junge Anwaltschaft
Unsere Länderbeauftragten sind weltweit aktiv
Armenien
Brasilien
Dänemark
RA David Conrad, Jena
Tel.: 03641-50770
[email protected]
RAin Linda Schwarzer, Bonn
Tel.: 0228-4109605
[email protected]
Aserbaidschan
Bulgarien
RA Annika Rutschow, Dresden
Tel.: 0351-814060
RAin Irina Keil, Flensburg
Tel.: 0461-144640
[email protected]
RA David Conrad, Jena
Tel.: 03641-50770
[email protected]
Assessor Konstantin Konstantinov, Bielefeld
Tel.: 0179-5349631
[email protected]
Australien
Chile
RAin Astrid Schrader, Nassau an der Lahn
Tel.: 0151-21774863
[email protected]
RA Carsten Engelhardt, Mosbach
Tel.: 06261-4022
[email protected]
Belgien
China
RAin Helicia Herman, Ottobrunn
Tel.: 089-61534266
[email protected]
RAin Mareen Schneider, Frankfurt/Main
Tel.: 069-71373180
Estland
Assessorin Katrin Rohner, Mittenwalde
[email protected]
Finnland
RAin Anja Kinderling, Tecklenburg
Tel.: 05482-7709
[email protected]
Frankreich
RAin Claudia JiaoJiao Sun
Tel.: 069-59792309
[email protected]
50
ADVOICE 04/09
RA Dr. Alexander Mittmann, Hamburg
Tel.: 040-3696330
RA Martin Heitmüller, Hannover
Tel.: 0511-3533780
Euer FORUM
RA Sebastian Tietz, Frankfurt/Main
Tel.: 069-6786580
RAin Cornelia Urban, Palermo
Tel.: 0039-091-342575
[email protected]
RA Robin von Jacobi, München
Tel.: 089-5471910
Georgien
Mexiko
RA Florian Wörtz, Heilbronn
[email protected]
Mongolei
[email protected]
RA David Conrad, Jena
Tel.: 03641-50770
[email protected]
Kanada
RA Munkh-Ochir Tsogoo, Frankfurt/Main
Tel.: 069-70791934
[email protected]
Griechenland
Rechtsreferendar Jan Hendrik Unger, Aachen
Tel.: 0241-9906060
[email protected]
Niederlande
RAin Christina auf dem Graben, Patras
Tel.: 0030-2610-225020
RA Kiriakos Sfatkidis, Stuttgart
Tel.: 0711-91293750
RAin Irini Mavreli, Bielefeld
Tel.: 0521-4042520
Kasachstan
RAin Lidija S. Ponomarjova, Offenbach/Main
Tel.: 069-85093393
[email protected]
RA Jan Dwornig, Mühlheim an der Ruhr
Tel.: 0208-9415288
RA Alexander Sanio, Enschede NL
Tel.: 0031-534335466
[email protected]
Kroatien
Norwegen
[email protected]
RA Dr. Daniel Knok, Bremen
Tel.: 0421-160545
Großbritannien
RA Urs Breitsprecher, Düsseldorf
Tel.: 0211-69990699
RAin Astrid Schrader; Nassau an der Lahn
Tel.: 0151-21774863
RA Dr. Zoran Domic, Hamburg
Tel.: 040-697989624
RA Christoph Morck, Oslo
Tel.: 0047-22340000
[email protected]
Österreich
RA Christian Weiß; Niederkassel
Tel.: 0228-908200
RAin Astrid Schrader, Nassau an der Lahn
Tel.: 0151-21774863
[email protected]
[email protected]
Lettland
RA Dominik Mertl, Rosenheim
Tel.: 08031-9089460
Indien
RA Rahul Oza, Nürnberg
Tel.: 0911-91933151
Assessorin Katrin Rohner, Mittenwalde
[email protected]
[email protected]
Polen
Litauen
RA Oliver Hartmann, Berlin
Tel.: 030-38100847
Assessorin Katrin Rohner, Mittenwalde
[email protected]
[email protected]
Luxemburg
RAin Claudia Sebastiani, Berlin
Tel.: 030-89068480
RAin Patrycja Gerhardy, Göttingen
Tel.: 0551-37075656
Iran
RA Kourosh Aminyan, Köln
Tel.: 0221-2225240
[email protected]
RA Dominik Demisch, Hamburg
Tel.: 040-414030
Portugal
RAin Mevlüde – Aysun Tokbag, Luxembourg
Tel.: 00352-404960286
[email protected]
RAin Silvia Rodrigues, Köln
Tel.: 0221-27798781
[email protected]
Marokko
Rumänien
RAin Touria Boukllouâ, Remscheid
Tel.: 02191-4627104
[email protected]
RA Adrian Wegel, Frankfurt/Main
Tel.: 069-40586270
Italien
RA Klaus Wille, Köln
Tel.: 0221-2724745
RA Salvatore Barba, Rosenheim
Tel.: 08031-9008336
RA Dr. Michael Tillmann, Köln
Tel.: 0221-97304930
[email protected]
RAin Dr. Stefania Slavu, Düsseldorf
Tel.: 0211-16971051
[email protected]
ADVOICE 04/09
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Euer FORUM
Russland
Thailand
RAin Lidija S. Ponomarjova, Offenbach/Main
Tel.: 069-85093393
RA Susann Porzig, Nürnberg
Tel.: 0911-3409262
[email protected]
RA Andreas Dippe, Berlin
Tel.: 030-3087840
[email protected]
Türkei
RA Gönül Kurt, München
Tel.: 089-86466943
Schweden
Dipl-iur. Marcus Bauckmann, Paderborn
Tel.: 05251-2029244
RA Florian Wörtz, Heilbronn
Tel.: 0178-1902424
RA Sabri D. Kamiloglu, Offenbach am Main
Tel.: 069-36609921
RA Servet Pinarak, Hannover
Tel.: 0511-7611779
[email protected]
[email protected]
Ukraine
Slowakei
RA Tomas Klimes, Dortmund
Tel.: 0231-7299810
[email protected]
RAin Lidija S. Ponomarjova, Offenbach/Main
Tel.: 069-85093393
[email protected]
Regionalbeauftragte
gesucht!
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMskolleginnen und -kollegen in den LG-Bezirken
Amberg, Bückeburg, Cottbus, Kleve, Landau,
Memmingen und Stendal! In diesen Bezirken
ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt.
Welche engagierten FORUMs-Mitglieder möchten diese Lücken schließen? Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUM
Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in
erster Linie den monatlichen Stammtisch zur
Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle
zwischen dem geschäftsführenden Ausschuss
und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet.
Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein
wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht
Spaß und bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Ungarn
Spanien
RAin Carmen López Salaver, Koblenz
Tel.: 0261-9423173
RA Joachim Raschendorfer, Lüneburg
Tel.: 04131-263264
RA Steffen Küntzler, Saarbrücken
Tel.: 0681-8839880
RA Mario Azzola, Wiesbaden
Tel.: 0611-951420
[email protected]
USA
RA Lara Michaela Pair, Heilbronn
Tel.: 07131-203910
[email protected]
RA Ole Grünberg, Berlin
Tel.: 030-61749961
Südafrika
[email protected]
RA Marco Noli
Tel.: 089-5427500
[email protected]
Venezuela
Taiwan
RA Dominik Suoniemi, Bensheim
Tel.: 06251-842966
[email protected]
RAin Djamila Strößner, Leipzig
Tel.: 0341-35055876
[email protected]
Weißrussland
RA Lidija S. Ponomarjova, Offenbach/Main
Tel.: 069-85093393
Tschechien
Assessorin Katrin Rohner, Mittenwalde
RA Noreen Loepke, Plauen
Tel.: 03741-137437
Regionalstammtische
Termine und Orte für die regionalen Stammtische in den LG-Bezirken findet Ihr unter
www.davforum.de/kalender
Berlin: an jedem 3. Montag des Monats um
19.30 Uhr in der Gaststätte „Cum Laude“ (im
Salon) in der Universitätsstraße
Hamburg: an jedem 1. Montag eines Monats
um 19.30 Uhr im Parlament (www.parlamenthamburg.de) Rathausmarkt 1
Frankfurt am Main: an jedem 1. Mittwoch des
Monats, 20.00 Uhr in wechselnden Lokalen.
mail an [email protected]
Dortmund: an jedem 1. Donnerstag im Monat
ab 19.30 Uhr im Café Endlos in der Kaiserstraße/Ecke Goebenstraße
Düsseldorf: an jedem 2. Mittwoch des Monats
um 20.00 Uhr in der Gaststätte Schwan am Burgplatz in der Mühlenstr. 2
Köln: an jedem 1. Mittwoch des Monats ab
19.30 Uhr in Hellers Brauhaus, Roonstraße 33
München: an jedem 1. Mittwoch des Monats ab
19.30 Uhr in der Gaststätte „Marktwirt“ in der
Heiliggeiststraße 2 in München (Viktualienmarkt)
[email protected]
Schreibt uns ...
RA Tomas Klimes, Dortmund
Tel.: 0231-7299810
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ADVOICE 04/09
Weitere Informationen findet Ihr unter :
> www.davforum.de/laenderbeauftragte
… Euer Lob, Eure Kritik und Eure Anregungen. Die
AdVoice lebt von Euch! Infos und Themen, die
Euch wichtig sind und natürlich Eure Beiträge
schickt Ihr an: > [email protected]
Euer FORUM
Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragte RAin Doreen Stubert
für den LG Bezirk Coburg
Nach dem Ausscheiden der Regionalbeauftragten
Gabriele Knöpfle für den Bereich Coburg habe ich
nunmehr deren Aufgabe übernommen. Ich bin 32
Jahre alt und arbeite seit über drei Jahren nach
abgeschlossenem Studium und Referendariat in der
Kanzlei Hörnlein & Feyler in Coburg, Schwerpunkt
Verkehrsrecht. Dem Studium ging eine Ausbildung
als Rechtsanwaltsfachangestellte voraus.
Coburg ist eine kreisfreie Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Oberfranken. Die Stadt ist vor allem
bekannt durch die Versicherungsgruppe HUK-Coburg. Blickfang und Wahrzeichen der Stadt ist die
zweitgrößte erhaltene Burg Deutschlands – die
Veste Coburg. In Coburg befinden sich sowohl ein
Amts- als auch ein Landgericht. Für die Anwälte
macht sich regional der Coburger Anwaltsverein mit
dem Vorsitzenden Wolfgang Hörnlein stark. Zahlreiche Veranstaltungen werden hier organisiert.
Diese werden sowohl von Anwaltschaft als auch
Justiz gut und gerne besucht. Der Anwaltsstammtisch findet jeden ersten Mittwoch im Monat vorzugsweise im „Henneberger Haus“ statt.
Viele Veranstaltungen und zahlreiche kulturelle
Highlights bieten hier die Plattform für die eigene
Präsentation. Die Reise kann beginnen.
Regional aufgestellt
[email protected]
Eine Übersicht aller Regionalbeauftragten findet
Ihr im Internet unter:
> www.davforum.de/469/
Länderbeauftragte
stellen sich vor
Länderbeauftragte RAin Touria Bouklouà
für Marokko
Was verbindet dich mit Marokko?
Geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland,
meine Eltern stammen jedoch ursprünglich aus
Marokko. Ein großer Teil meiner Verwandtschaft lebt
noch dort, deshalb habe auch ich den Bezug zu
Marokko nie verloren.
Was sollte ein Anwalt über Marokko wissen?
Foto: Dieter Schütz . pixelio.de
Das marokkanische Rechtssystem unterscheidet sich
nur geringfügig vom französischen. Marokko gilt
spätestens seit dem Inkrafttreten des neuen Familiengesetzes, der Moudawana (franz. Code du Statut
Personnel et des Successions), als eines der liberalsten und politisch interessantesten Länder der arabisch-islamischen Welt. Die Moudawana entspricht
der modernen Auffassung von Ehe und Familie,
postuliert die rechtliche Gleichstellung von Mann
und Frau, legt die Teilung der in der Ehe erworbenen
Güter fest und schafft eine Familiengerichtbarkeit.
Diese Politik der Modernisierung des Landes wurde
mit weiteren Reformen wie z. B. im Arbeitsrechts
oder der Energiepolitik fortgesetzt. So wurde ein
Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie (MA-EEG) verabschiedet, das
Unternehmen neue Investitions- und Kooperationsmöglichkeiten bietet.
Wie kannst du bei Rechtsproblemen helfen?
Durch meine regelmäßigen Aufenthalte in Marokko
verfüge ich nicht nur über Kenntnisse der marokkanischen Gesellschaft, sondern kenne auch die
Mentalität der Menschen. Da ich zudem mit ortsansässigen Anwälten kooperiere, bin ich gerne bereit, bei internationalen Rechtsproblemen den Kontakt zu einem geeigneten Anwalt herzustellen.
[email protected]
ADVOICE 04/09
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Bücher-FORUM
Passion Arbeitsrecht –
Erfahrungen einer unruhigen Generation
Erd/Fabian/Kocher/Schmidt,
1. Aufl. 2009, 268 S., 48,00 EUR,
Nomos Verlag
Machen wir uns nichts vor: Rechtswissenschaften ist ein Studienfach, das eine Vielzahl von jungen Menschen anzieht, die zu
Beginn ihres Studiums noch überhaupt keine Ahnung haben, was
sie werden wollen, wenn sie mal groß sind. Manche von ihnen
wissen das auch nach dem Studium nicht so genau, andere waren
bereits bei Studienbeginn zur Karriere im juristischen Bereich
entschlossen, einige haben ihre Berufung erst während des Studiums entdeckt. Dass junge Menschen in krisengebeutelten Zeiten
wie den unsrigen der Wunsch nach wirtschaftlicher Sicherheit
und einem krisenfesten Arbeitsplatz umtreibt und in die Rechtswissenschaften drängt, ist nachvollziehbar. Schließlich gelten, vor
allem in den Augen vieler Studienanfänger, juristische Berufe
nach wie vor als ebenso solide wie lukrativ. Doch wie war das
früher?
Aus welchen Gründen sich junge Menschen in der Zeit um das
legendäre Jahr 1968 für ein Studium der Rechtswissenschaften
entschieden haben, ist in der Festschrift Passion Arbeitsrecht –
Erfahrungen einer unruhigen Generation nachzulesen, die gerade
anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr. Thomas Blanke erschienen ist. Blanke, selbst Jahrgang 1944, gehörte zu einem Kreis
Frankfurter Jura-Studenten, die sich, ihrer Zeit entsprechend, sehr
kritisch mit ihrem Studienfach auseinandergesetzt haben. Seit
1972 ist er Mitherausgeber der Zeitschrift Kritische Justiz und
war von 1975 bis 2009 Professor für Arbeitsrecht an der
Universität Oldenburg.
Zu den Freunden und Wegbegleitern Blankes gehören Persönlichkeiten der Rechtswissenschaften wie z. B. der langjährige
Leiter der DGB-Bundesrechtsstelle Rudolf Buschmann und der
nicht nur als Ehemann der früheren Bundesjustizministerin
bekannt gewordene Professor für Arbeitsrecht Prof. Dr. Wolfgang
Däubler. Zu Ehren ihres Freundes und Kollegen haben diese
Wegbegleiter für die vorliegende Festschrift sehr lebendige
Zeugnisse der Anfangsjahre ihrer juristischen Tätigkeit abgelegt.
Fazit: Entstanden ist auf diese Weise ein Lesebuch für alle
zeitgeschichtlich Interessierten, die schon immer einmal
erfahren wollten, was in jungen Rechtswissenschaftlern zur
Zeit der großen gesellschaftlichen Umbrüche zu Beginn der
70er Jahre vorgegangen ist. Zu vernehmen sind dabei auch
durchaus kritische Töne zur Entwicklung der Rechtswissenschaften im Allgemeinen und des Arbeitsrechts im Besonderen. Alles in allem also ein Buch, das zu lesen sich für den
rechtshistorisch und -soziologisch interessierten Jung-Anwalt lohnt.
Der Arbeitsvertrag
Bundle Fachanwalt Arbeitsrecht
Ulrich Preis (Hrsg.),
3. Aufl. 2009, 1.894 S., 149,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
3. Aufl. 2009, 5.296 S., 249,00 EUR,
Luchterhand Verlag
Anfang 2009 ist Der Arbeitsvertrag von Preis neu erschienen. In
Anbetracht der zunehmenden Rechtsprechung des BAG zur AGBrechtlichen Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB war das Team
um Ulrich Preis – bestehend aus drei Professoren, einer Anwältin
und einem Richter – gefordert, nicht nur die neue Rechtsprechung in das Handbuch einzuflechten, sondern auch die
Klauselentwürfe anzupassen.
Das Bundle Fachanwalt Arbeitsrecht umfasst das Handbuch des
Fachanwalts Arbeitsrecht, herausgegeben von Dörner/Luczak/
Wildschütz, 8. Aufl. 2009 und den Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, herausgegeben von Dornbusch/Fischermeier/Löwisch,
2. Aufl. 2009.
Die Autoren beabsichtigen, den arbeitsrechtlichen Berater zu einer
noch präziseren arbeitsrechtlichen Würdigung bei der Vertragsgestaltung anzuhalten und bieten Unterstützung bei einer
rechtssicheren, klaren und fairen Vertragsentwicklung.
Das Werk ist benutzerfreundlich gestaltet. In den Ausführungen
sind wichtige Begriffe fett gedruckt, was die gezielte Suche nach
bestimmten Passagen erleichtert. Allen Kapiteln ist eine
Gliederung vorgeschaltet, gefolgt von einem Literaturverzeichnis.
In den Kommentierungen der Vertragstypen und –klauseln sind
die Formulierungsvorschläge gut erkennbar durch einen Rahmen
eingefasst. Besonders hilfreich ist die Unterscheidung der Autoren
in verwendbare Klauseln – mit „Typ“ gekennzeichnet – oder in
nicht verwendbare Klauseln – mit „nicht geeignet“ – markiert. Der
nicht überfrachtete Fußnotenapparat ist dominiert von neuester
Rechtsprechung.
Teil I widmet sich den methodischen Grundlagen der Vertragsgestaltung über die gegenwärtige Praxis und die Grenzen der
Vertragsgestaltung sowie den damit einhergehenden sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Fragen. Mittelpunkt bildet
Teil II mit der umfassenden lexikonartigen Kommentierung der
Vertragstypen und -klauseln aus etwa 60 Regelungsbereichen.
Unter anderem sind Klauseln zu Abtretungsverboten und Lohnpfändung, Arbeitsentgelt und Arbeitszeit, der Haftung des Arbeitnehmers, zu Internet und Telekommunikation, zur Teilzeitarbeit,
den Vertragsstrafen und Wettbewerbsverboten bis zu Zurückbehaltungsrechten erläutert. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf
der Behandlung der materiellen Wirksamkeit der Klauseln vor dem
Hintergrund zwingenden Gesetzesrechts und der Inhaltskontrolle
nach §§ 307-309 BGB. Teil III, mit seinen verschiedenen Vertragsmustern, rundet das Handbuch ab.
Fazit: Der Arbeitsvertrag bietet auf die unterschiedlichsten
Problemstellungen in der Gestaltung und Prüfung von Arbeitsverträgen praktikable und zuverlässige Antworten. Aufgrund der ausführlichen Bearbeitung und der Vielzahl von
Formulierungsbeispielen ist das Handbuch sehr zu empfehlen.
Der neue Preis ist seinen Preis wert.
RAin Astrid Ackermann, LL.M., Frankfurt am Main
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Das Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht bereitet – gegliedert
in vier Teile – das materielle Arbeitsrecht und das Verfahrensrecht
systematisch auf. Während Teil 1 den Grundlagen gewidmet ist,
wird im Teil 2 – Individualarbeitsrecht – das breite Spektrum von
der Anbahnung und der Begründung des Arbeitsverhältnisses
über dessen Beendigung bis zu den Pflichten bei einer Beendigung geboten. Erwähnt seien die eingängigen Ausführungen zur
Sozialauswahl und deren Auswahlkriterien sowie den Auswirkungen des AGG auf sie. Das Kollektivrecht bildet Teil 3, bevor der
vierte Teil zum Arbeitsgerichtsverfahren das Werk abrundet. Der
hier neu eingefügte Abschnitt zur Mediation zeigt die steigende
Bedeutung dieser Form der Streitbeileggung.
Des Weiteren sind die Fortentwicklungen im AEntG und MiArbG,
zur Zurechnung des Anwaltsverschuldens bei verspäteter Erhebung der Kündigungsschutzklage, zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Freistellung und die aktuelle
Rechtsprechung zur Altersdiskriminierung bearbeitet.
Der Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht mit Rechtsstand
31.3.2009 bietet eine an der anwaltlichen Praxis und der Rechtsprechung orientierte Kommentierung der einschlägigen Arbeitgesetze und Nebengesetze. Alle gesetzlichen Neuerungen sind
bearbeitet. Erwähnt seien die neue Kommentierung zum
PflegeZG, das AEntG, das SGG-ArbGG-Änderungsgesetz mit den
Änderungen des § 5 Abs. 4 und 5 KSchG und der ArbeitnehmerDatenschutz. Berücksichtigt ist auch die neue Rechtsprechung
zur Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, zum AGG, zum KSchG
und zum BUrlG.
Für den Leser hilfreich sind die mit fettgedruckten Begriffen
durchzogenen Texte, grau unterlegten Hinweise, Checklisten,
Formulierungsbeispiele und Übersichten. Rechtsprechungs- und
Literaturzitierung findet man im Fließtext. Im Handbuch des
Fachanwalts Arbeitsrecht sind allen Kapiteln dezidierte Gliederungen zur schnellen Problemsuche vorangestellt.
Fazit: Das Bundle Arbeitsrecht bildet eine hervorragende Einheit mit einem bemerkenswerten Fundus für die Beratungsund Verteidigungspraxis. Den jungen Kollegen begleitet es auf
dem Weg zum Fachanwaltstitel. Dem erfahrenen Kollegen
bietet es mit seiner Aktualität, den Checklisten, den Formulierungsmustern und der – auch instanzgerichtlichen – Auswertung der Rechtsprechung ein zuverlässiges Nachschlagewerk.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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ADVOICE 04/09
Bücher-FORUM
Zugewinnausgleich in der Praxis
Lambert Krause
1. Aufl. 2009, 379 S., 44,00 EUR
ZAP Verlag (LexisNexis)
Das Recht der Zugewinngemeinschaft ist neu gestaltet worden.
Viele Probleme werden nach neuem Recht genauso behandelt wie
nach altem Recht. Bewährtes wurde vom Gesetzgeber nicht
angetastet. Daher ist in der Praxis stets darauf zu achten, ob das
bisher geltende Recht zu den aufgeworfenen Fragen nicht gerade
geändert wurde.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Lambert Krause
ist es gelungen, den Kontrollblick des Anwalts entbehrlich zu
machen: Er beschreibt die zentralen Fragen des Güterrechts unter
Beachtung des neuen Rechts. Insbesondere ist es ihm gelungen,
die grundlegenden Fragen des Güterrechts danach gegliedert
darzustellen, wie sie sich in der alltäglichen Praxis ergeben.
Problemstellungen sind nach der Thematik erfasst. Der Autor beschränkt sich nicht auf Veränderungen durch die Gesetzesreform.
Im Kapitel – Vorzeitiger Zugewinnausgleich – stellt Krause
zunächst die bisherige Rechtslage dar. Optisch hervorgehoben
stellt er die Reform des vorzeitigen Zugewinnausgleichs mit ihren
Hintergründen dar, bevor er dessen Voraussetzungen erläutert.
Der Auskunftsanspruch besteht nach neuem Recht bereits ab dem
Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Antrags auf vorzeitigen
Zugewinnausgleich bzw. vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Nach neuem Recht kann der ausgleichsberechtigte
Ehegatte nach dreijähriger Trennungszeit den Antrag auf
vorzeitigen Zugewinnausgleich stellen. Der ausgleichspflichtige
Ehegatte muss gem. § 1386 BGB die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen. Neu ist auch die Stichtagsregelung gem.
§ 1387 BGB. Abgeschafft wurde die Spezialregelung des § 1389
BGB. Künftig kann Arrest nach §1385 Nr. 1-4 BGB iVm. § 916 ZPO
beantragt werden. Das aus anwaltlicher Sicht beste Vorgehen
erläutert Krause anschaulich anhand von Fallbeispielen. Das
Kapitel schließt er mit den Kosten. Hier erläutert er – erneut mit
Beispielen – wie und warum es wichtig ist, sich rechtzeitig
Gedanken zum Streitwert zu machen, schriftsätzlich vorzutragen
und eine vorläufige Streitwertfestsetzung zu beantragen.
Fazit: Zugewinnausgleich in der Praxis ist ein Buch, das es
dem Leser ermöglicht, sich schnell in die Materie unter
Berücksichtigung alter und neuer Gesetzeslage einzuarbeiten.
Die Praxistipps erleichtern die alltägliche Arbeit. Auch der
nicht ständig im Familienrecht tätige Rechtsanwalt findet
einen leichten Einstieg in die Materie.
RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld
Taktik im neuen familiengerichtlichen
Verfahren
Familienverfahrensrecht
Handkommentar
Franz-Josef Roßmann
1. Aufl. 2009, 711 S., 68,00 EUR
ZAP Verlag (LexisNexis)
Friederici/Kemper (Hrsg.)
1. Aufl. 2009, 864 S., 89,00 EUR,
Nomos Verlag
Rechtsanwalt Dr. Franz-Thomas Roßmann hat mit diesem Werk
einen umfassenden Leitfaden für alle Praktiker im Familienrecht
geschrieben, die sich schnell über die Änderungen des Verfahrensrechts informieren wollen.
Am 01.09.2009 ist das neue FamFG in Kraft getreten. Das gesamte
Familienverfahrensrecht wurde tiefgreifend umstrukturiert. Die
Reform ist einer der wichtigsten und bedeutsamsten Einschnitte
in das Familienverfahrensrecht seit der Verabschiedung des ersten
Ehereformgesetzes von 1977. Kommentare zum Familienverfahrensrecht gehören daher nach der Reform sicherlich zur juristischen Standardausstattung des (auch) familienrechtlich
arbeitenden Rechtsanwalts. Gerade weil nach einer Reform
aktuelle Rechtsprechung auf sich warten lässt, ist ein Handkommentar ein unverzichtbarer Begleiter, um schnelle Antworten
auf Verfahrensfragen zu finden, die sich im Zuge der Bearbeitung
einzelner Mandate zwangsläufig stellen.
Das Werk ist in drei Teile untergliedert. Der Autor beginnt mit
einer Einführung. Übersichtlich und klar strukturiert zeigt er die
Änderungen auf. Im zweiten Teil nimmt er zu den allgemeinen
Verfahrensvorschriften Stellung, der dritte Teil befasst sich mit
den einzelnen Verfahren. Der Anhang enthält eine Synopse aus
altem und neuem Recht. Die mitgelieferte CD-ROM mit Musterschriftsätzen erleichtert die Arbeit mit dem neuen FamFG und
macht die Anschaffung eines Formularbuchs entbehrlich. Die
Texte der CD-ROM sind als Word-Dateien gespeichert, so dass sie
vom Anwender individuell bearbeitet, als Vorlagen abgespeichert
und ausgedruckt werden können.
Der Leser wird durch Schaubilder gut geführt. Auch Checklisten
vereinfachen die tägliche Arbeit. Neben der gut im Druckbild
hervorgehobenen Darstellung der neuen Rechtslage legt der
Autor großen Wert auf taktische Verfahrenshinweise sowie auf
anwaltliche Hinweise, die in einem grauen Kasten mit erhobenem
Zeigefinger abgedruckt sind. Zum Beispiel weist er darauf hin,
dass die einstweilige Unterhaltsanordnung seit dem 01.09.2009
vereinfacht ist. Auch die Auskunftspflichten sind neu geregelt:
Gemäß §§ 235, 236 FamFG ist nunmehr das Gericht für die
Ermittlungsarbeit zuständig.
Taktische Hinweise sind in umrandeten Kästen eingefügt und mit
Fettdruck hervorgehoben. So ist es nicht mehr möglich, eine Folgesache in der letzen mündlichen Verhandlung zur Scheidungssache anhängig zu machen. In der Kanzlei müssen daher
organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um diese neue
Frist nicht unbemerkt verstreichen zu lassen. Ist die ZweiWochenfrist vor der mündlichen Verhandlung verstrichen, kann
die Folgesache nur im isolierten Verfahren betrieben werden.
Fazit: Ein überaus gelungenes Werk, das den Leser an die
Hand nimmt und alle Neuerungen Schritt für Schritt gut
erklärt! Auch nicht ständig im Familienrecht tätige Anwälte
finden sich schnell zurecht und die nötigen Informationen.
RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld
Das Autorenteam des Handkommentars besteht aus Richtern,
Fachanwälten, Professoren. Besonders erfreulich ist aus meiner
Sicht, dass in dem Kommentar trotz Erscheinens vor Inkrafttreten
der Neuregelung bereits die Änderungen des FamFG durch das
Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsaugleichs, das Gesetz
zur Reform des Zugewinnausgleichs und des Betreuungsrechts
sowie das so genannte „Reparaturgesetz“ berücksichtigt sind.
Der Handkommentar erläutert als Spezialwerk die ersten beiden
Bücher des neuen FamFG und hier im Schwerpunkt die familienverfahrensspezifischen Fragestellungen. Das Betreuungs- und
Unterbringungsrecht wurden ausgespart.
Die neuen Begrifflichkeiten werden ebenso gut erläutert wie das
Verhältnis des FamFG zur ZPO. Auch der Eilrechtsschutz, die
Rechtsmittel und die Zwangsvollstreckung finden ausreichende
Berücksichtigung.
Fazit: Der Kommentar erspart natürlich nicht die Anschaffung eines auf das neue Recht abgestimmten Formularbuchs.
Um sich – gerade als Berufsanfänger – im Dschungel der
neuen Regelungen und Begrifflichkeiten zurechtzufinden,
sollte neben dem Formularbuch aber auch der Praxiskommentar nicht fehlen. Zumal in der täglichen Praxis oftmals
die Zeit fehlt, die sicherlich guten und vertiefenden Abhandlungen zum neuen FamFG in den diversen Zeitungen zu
studieren. Vom Umfang ist ein Handkommentar natürlich
kein Großkommentar, er liefert aber bei einer Vielzahl von
Fragen mehr als einen ersten Anhaltspunkt. Der Kommentar
eignet sich aus meiner Sicht wegen seines klaren Aufbaus
und der gelungenen Gewichtung sowohl zur Einarbeitung als
auch als Nachschlagewerk in der täglichen Arbeit. Der
Handkommentar Familienverfahrensrecht ist daher uneingeschränkt zu empfehlen.
RAin Christina Münder, Northeim
ADVOICE 04/09
55
Bücher-FORUM
Das Recht der Untersuchungshaft
Münchhalffen/Gatzweiler,
3. Aufl. 2009, 330 S., 45,00 EUR,
Verlag C.H.Beck
Das Recht der Untersuchungshaft ist derzeit aufgrund der am
01.01.2010 in Kraft tretenden Reform des Untersuchungshaftrechts wieder in aller Munde. Erfreulicherweise wird dieses
Gesetzesvorhaben bereits in dem soeben in 3. Auflage erschienenen Werk von Münchhalffen/Gatzweiler berücksichtigt.
Chronologisch dem Mandatsverlauf angepasst, werden zu Beginn
praxisrelevante Fragen zum Thema Kontakt zum Inhaftierten
beantwortet. Insbesondere Anfänger finden so schnell Antworten
z. B. auf die Frage, welche Schritte vor dem Besuch des
Mandanten in spe erforderlich sind oder wie bei der häufigen
Beauftragung durch Dritte zu verfahren ist.
Dem folgen Ausführungen zu den formellen Voraussetzungen,
bevor einer der Schwerpunkte, die materiellrechtliche Seite,
besprochen wird. Die Verfasser beleuchten in diesem Abschnitt
sehr ausführlich die einzelnen Haftgründe, auch die apokryphen
Gründe werden angesprochen.
Weitere Kapitel befassen sich mit den praktischen Seiten des
Haftrechts, so der Vollstreckung des Haftbefehls, der Aussetzung
des Vollzugs, dem Wegfall der Haftvoraussetzungen und auch
den möglichen Rechtsmitteln. Ein Exkurs betrifft die einstweilige
Unterbringung nach § 136a StPO.
Der zweite große Schwerpunkt des Werkes befasst sich im 12. Teil
mit dem Vollzug der Untersuchungshaft. Auf 54 Seiten findet der
Praktiker auch für die Angehörigen sehr wichtige Informationen
zum Umgang mit der Untersuchungshaft. So werden u.a. klar
verständlich die Regelungen des Besuchs- und Schriftverkehrs
mit den Angehörigen dargestellt. Im Weiteren wird detailliert auf
die Haftbedingungen eingegangen. Auch die einschlägigen Rechtsmittel finden sich in diesem Kapitel.
Ein besonderer Abschnitt des Buches ist darüber hinaus dem
Europäischen Haftbefehl gewidmet. Im Anhang findet der Verwender wichtige Muster für den Verteidigeralltag.
Fazit: Das Werk zeichnet sich durch seine Praxisrelevanz aus
und sollte für jeden engagierten Strafverteidiger zur
Pflichtlektüre gehören. Die Verwendung aussagekräftiger
Überschriften erlaubt es dem Benutzer schnell, zur gesuchten
Thematik zu kommen. Das Buch kann daher sehr gut als
Nachschlagewerk genutzt werden. Eine Vielzahl an Rechtsprechungsfundstellen erleichtert dem Nutzer die Untermauerung seiner Argumente.
RA Carsten Jaeger, Dortmund
56
ADVOICE 04/09
Einführung in die Praxis des
Strafzumessungsrechts
Klaus Detter,
1. Aufl. 2009, 338 S., 49,00 EUR,
Carl Heymanns Verlag
Der Autor Dr. h. c. Klaus Detter, Richter am BGH a. D. und seit
langem Referent bei den von der Anwaltakademie veranstalteten
Fachanwaltslehrgängen im Strafrecht, behandelt in seinem Werk
die speziell für die Praxis wichtigen und relevanten Fragen der
Strafzumessung. Es richtet sich an Richter, Staatsanwälte und
insbesondere auch Strafverteidiger. Dem Verteidiger werden die
verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt, wie er im Strafprozess
erfolgreich für ein möglichst günstiges Strafmaß kämpfen kann.
Neben den Grundlagen der Strafzumessung erläutert das Werk
im Einzelnen, welche Gesichtspunkte bei der Strafzumessung
berücksichtigt werden dürfen und welche außen vor bleiben müssen, z. B. Tatumstände, Tatfolgen, Schadenswiedergutmachung,
Nachtatverhalten, Verfahrensdauer und -verzögerung, Verteidigungsverhalten und Geständnis. Auch auf Eigenheiten in speziellen Strafverfahren, in denen sich die Strafzumessung
erfahrungsgemäß besonders schwierig gestaltet, geht das Werk
gesondert ein, etwa auf die Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten, bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
oder bei der Steuerhinterziehung. Besonders berücksichtigt
werden außerdem die Fragen der Strafaussetzung zur Bewährung
und Bewährungsauflagen.
Eigene kurze, aber für den Strafverteidiger und die tägliche Praxis
interessante Kapitel beschäftigen sich mit der Einstellung von
Strafverfahren gemäß §§ 153 ff. StPO und der „Strafzumessung
und Revision“. Das für den Verteidiger nützlichste Kapitel dürfte
wohl das Kapitel zur Strafzumessungsverteidigung sein. Dieses
beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie eine möglichst
günstige Strafe für den Mandanten erreicht werden kann. Erörtert
werden in diesem Zusammenhang insbesondere das Ablegen
eines Geständnisses, das mögliche Einlassungsverhalten, der
Opferschutz sowie der Täter-Opfer-Ausgleich.
Fazit: Das Werk wird jedem Strafverteidiger Nutzen bringen
können. Dies gilt sowohl für denjenigen, der sich erstmals in
das Recht der Strafzumessung einarbeitet, als auch für
denjenigen, der neue Verteidigungsansätze bezüglich der
Strafzumessung sucht, und auch für denjenigen, der im
Revisionsverfahren die Strafzumessung des Tatgerichts
angreifen möchte.
Kommentar zum GmbH-Gesetz
Roth/Altmeppen,
6. Aufl. 2009, 1.291 S., 78,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Mittlerweile ist der GmbHG-Kommentar von Prof. Dr. Günter H.
Roth und Prof. Dr. Holger Altmeppen in 6. Auflage erschienen.
Beide Kommentatoren sind Hochschullehrer, die jedoch auch als
Richter bzw. Rechtsanwalt und Gutachter tätig waren und sich in
zahlreichen Veröffentlichungen mit dem Gesellschafts- und
sonstigem Zivilrecht befassen. Wie bereits die Vorauflagen, wird
auch die aktuelle Auflage ihres Kommentars mit Sicherheit eine
freundliche Beurteilung und häufige Berücksichtigung in der
Rechtspraxis erfahren.
Denn der Roth/Altmeppen bietet weiterhin eine straffe und recht
übersichtliche Kommentierung, in der die maßgeblichen Problemstellungen dennoch eingehend und verständlich erörtert werden.
Entsprechend der ausdrücklichen Zielsetzung wird anstatt umfangreicher Nachweise häufig nur auf die höchstrichterliche
Rechtsprechung verwiesen. Gerade kleinere Kanzleien dürften
dabei schätzen, dass wichtige Urteile nicht nur als BGHZFundstelle, sondern auch mit einem Hinweis auf die NJWVeröffentlichung angegeben sind.
Als wesentliche Neuerung befasst sich die 6. Auflage mit den
durch das MoMiG eingeführten Gesetzesänderungen. Diese
werden jeweils mit einem Vergleich zur bisherigen Rechtslage
erläutert und meist auch kurz bewertet. Erfreulicherweise enthält
die Neuauflage weiterhin eine umfassende Kommentierung des
Kapitalersatzrechts (§§ 32a, 32b a. F.), das für Altfälle fortgilt. In
einem anschließenden Anhang wird die Behandlung von
Gesellschafterdarlehen vertiefend dargestellt. Erwähnenswert
sind außerdem die sehr ausführlichen Erläuterungen zur Existenzvernichtungshaftung, die der BGH mit seinem „Trihotel“-Urteil
nunmehr als eine Fallgruppe des § 826 BGB ansieht.
Fazit: Insgesamt ist auch die 6. Auflage des Roth/Altmeppen
ein übersichtlicher, aber dennoch zuverlässiger Kommentar
zum GmbHG – und damit wohl praxistauglicher als manch
umfangreicherer Standardkommentar. Angesichts der bereits
zum 01.11.2008 durch das MoMiG eingeführten Gesetzesänderungen hätte man sich gewiss ein etwas früheres Erscheinungsdatum gewünscht. Aber auch insoweit kann der
Roth/Altmeppen im Vergleich zu anderen GmbHG-Kommentaren durchaus punkten. Sein Preis/Leistungs-Verhältnis
dürfte ohnehin kaum zu übertreffen sein.
RA Mathias Klose, Regensburg
RA Bertram Stoll, Hamburg
Bücher-FORUM
Fotografie und Recht
Verkehrsrecht
Kötz/Brüggemann,
1. Aufl. 2009, 184 S., 34,95 EUR,
mitp-Verlag
Hartmut Roth (Hrsg.),
2. Aufl. 2009, rund 1.390 S., mit CD-ROM, 118,00 EUR,
Nomos Verlag
Fotografie und Recht richtet sich ausdrücklich auch an Rechtsanwälte und verspricht „gezielt Antworten auf Ihre juristischen
Fragen“. Diesem Anspruch wird es leider nicht gerecht, schon weil
ein gezieltes Nachschlagen schwer fällt. Das Arbeiten in Frage
und Antwort zerstückelt Rechtsprobleme unnötig, darüber hinaus
wird die thematische Gliederung nicht eingehalten. Die Lizenzanalogie ist im Kapitel „Organisation“ erörtert, obwohl es für
Rechtsverletzungen ein eigenes Kapitel gibt. Ob ein Fotograf
Auftragsarbeiten auch selbst verwerten darf, steht im zweiten
Kapitel und wird im vierten erneut wiederholt.
Das Formularbuch von Roth bietet dem Leser eine umfassende
Darstellung des Verkehrsrechts. Die zweite Auflage des Werkes
berücksichtigt die Reform des VVG aus dem Jahre 2008.
Umfassende Hinweise zur alten und neuen Rechtslage wurden
eingearbeitet. Darüber hinaus wurde das Werk um die Kapitel
Arbeitsrecht im Verkehrsrecht und Sachverständigenlösungen
durch Unfallanalysen erweitert. Die Autoren des Werkes sind
Praktiker mit langjähriger Erfahrung im Verkehrsrecht.
Hat man endlich die richtige Stelle gefunden, sind die Ausführungen oft zu knapp, um klare Antworten zu geben. Manchmal
sind sie auch unglücklich formuliert. Der klaren Aussage, Fotos
dürften überhaupt nicht verfremdet werden, folgt unmittelbar,
eine „nicht hinnehmbare Entstellung“ liege letztlich nur selten
vor. Gerade so, als sei das Unzulässige in der Regel doch
hinzunehmen. Auch manche Überschriften führen in die Irre,
unter „Öffentliche Zugänglichmachung bei bloßer Verlinkung“
geht es gerade um den umgekehrten Fall, d. h. um Bilder, die man
im Internet bloß speichert, aber nicht verlinkt.
Dass man Minderjährige nicht in allzu erotischen Posen ablichten
und ihnen keine Pornos zugänglich machen darf, wird über
mehrere Seiten als „gefährliche Entwicklung, die nur noch den
Begriff Zensur verdient“ (S. 42) verteufelt. Statt ihren Unmut über
Gesetze und „die Zensur ausübenden Behörden“ (S. 34) in
epischer Breite kundzutun, hätten die Autoren besser das
geltende Recht präziser dargestellt. Nach einer anschaulichen
Definition von Pornografie sucht man vergeblich. Auf S. 43 wird
der Eindruck erweckt, Kunst sei nie Pornografie. Auf S. 59 folgt
dann zwar das (richtige) Gegenteil, allerdings unter der Überschrift „Verlinkung von Webseiten“, und über das Stichwort
„Pornografie“ ist nichts zu finden.
Beim Recht am eigenen Bild heißt es, jemand wie Oskar Lafontaine dürfte es allein aufgrund seiner Prominenz hinzunehmen
haben, dass Fotos veröffentlicht werden, die ihn im Urlaub zeigen.
Dies mag eine vertretbare Meinung sein, aber in einem Buch „für
die Fotopraxis“ und mit besonderer Zielrichtung auf die Anwaltschaft hätte man sich zumindest einen Hinweis darauf gewünscht, dass BGH (NJW 2007, 1977; 2008, 749) und BVerfG
(NJW 2008, 1793) die Sache ganz anders sehen.
Fazit: Das Werk ist leider zu unstrukturiert, unvollständig und
ungenau, als dass man es empfehlen könnte.
Das Werk gliedert sich in neun Teile. In der Einführung werden
insbesondere dem jungen Anwalt zahlreiche Hinweise an die
Hand gegeben, wie ein verkehrsrechtliches Mandat abzuwickeln
ist. Detailliert wird der Ablauf der Sachbearbeitung geschildert,
zahlreiche Musterschriftsätze, die der Korrespondenz zwischen
den Beteiligten dienen, können auf der beigefügten CD abgerufen
und direkt in die eigene Textverarbeitung aufgenommen werden.
Zudem nehmen die Autoren Stellung zu praktischen Marketingstrategien für Verkehrsanwälte und erläutern ausführlich die
Gebühren in Verkehrsangelegenheiten. Diese komplexe und praktische Einführung macht das Formularbuch zu einem Muss für
den Anfänger im Verkehrsrecht, da solch eine Heranführung an
das Mandat mustergültig ist.
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
Kommentar
Troll/Gebel/Jülicher,
38. EL Juli 2009, Grundwerkspreis mit Fortsetzungsbezug
von mindestens 3 Ergänzungslieferungen 98,00 EUR,
Grundwerkspreis ohne Fortsetzungsbezug 128,00 EUR,
Verlag C.H.Beck
Der Loseblatt-Kommentar zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz liegt aktuell mit der 38. Ergänzungslieferung (Stand
31.07.2009) vor. Kommentatoren dieses von Dr. Troll, Ministerialrat a. D. begründeten Werkes sind weiterhin Gebel, Vizepräsident
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz a. D. und Dr. Jülicher, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht.
Gerade in der letzten Zeit ist es in diesem Rechtsgebiet zu einer
Vielzahl von Änderungen gekommen. So ist zum 01.01.2009 das
Erbschaftsteuerreformgesetz in Kraft getreten und zwischenzeitlich sind hierzu fünf gleich lautende Ländererlasse ergangen.
Diese Erlasse werden voraussichtlich die Grundlage der neuen
Erbschaftsteuerrichtlinien bilden und sind bereits jetzt mit im
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar enthalten.
Auf Grund der umfassenden und übersichtlich gegliederten
Darstellung des Verkehrsrechts in den weiteren Kapiteln ist das
Werk auch für den Fortgeschritten empfehlenswert. Die weiteren
Teile des Buches befassen sich mit der Verkehrsunfallregulierung,
dem Versicherungsrecht, dem Arbeitsrecht und den Sozialvorschriften, dem Verkehrsstrafrecht, dem Ordnungswidrigkeitenrecht, dem Thema Autokauf, Autoleasing und der Autoreparatur,
dem Verwaltungsrecht sowie der Rolle des Sachverständigen im
Verkehrsrecht.
Im Troll wird jeder einzelne Paragraph des Erbschaft- und
Schenkungsteuerrechts ausführlich besprochen. Nach dem Wortlaut jeder Norm findet sich jeweils eine Inhaltsübersicht. Schön
ist, dass die Verfasser die Literaturhinweise untergliedert auf die
jeweils von ihnen kommentierten Absätze der Normen beziehen.
Die Literaturrecherche bzw. die weiterführende Lektüre fällt somit
deutlich gezielter aus. Im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis
jedes einzelnen Paragraphen folgt eine alphabetische Übersicht zu
den dort angesprochenen Schlagwörtern. Dieses Inhaltsverzeichnis ist deutlich aktueller als das am Ende des Kommentars
befindliche Stichwortverzeichnis. Sucht der Benutzer nämlich nur
dort (Stand: April 2003), entgehen ihm zwangsläufig Stichwörter
zwischenzeitlich aktualisierter Normen. Hier wäre eine Aktualisierung des gesamten Stichwortverzeichnisses wünschenswert.
Exemplarisch ist die umfassende Darstellung der zahlreichen
Varianten des Mitverschuldens hervorzuheben. Das Werk bietet
hierzu eine umfangreiche Urteilssammlung an, die eine schnelle
Orientierungshilfe bietet.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Autoren bei den jeweiligen
einzelnen Normen die dazugehörige Rechtsprechung chronologisch angeführt und mit eigenen, praxisrelevanten Anmerkungen
versehen haben.
Fazit: Sowohl dem Neuling im Verkehrsrecht als auch dem
langjährigen Praktiker bietet das übersichtlich gegliederte
Formularbuch umfassende Informationen und Hinweise zur
Bearbeitung eines verkehrsrechtlichen Mandats. 424 Musterschriftsätze, welche von einer CD abgerufen werden können,
dienen der Formulierungshilfe. Die Anschaffung des Fachbuchs kann daher uneingeschränkt empfohlen werden.
Fazit: Für den Anwalt, der sich im Rahmen eines Erb- oder
Schenkungsfalls tiefergehend mit dieser Materie befasst, ist
der Troll weiterhin ein „Must have“, an dem es kein Vorbeikommen gibt. Auch wenn der Umfang des Werks weit über
den eines Handkommentars hinausgeht, ist und bleibt er doch
ein unverzichtbares Hilfsmittel für den Praktiker und darf in
keiner Kanzleibibliothek fehlen, in der ernsthafte Erbschaftund Schenkungsteuerberatung betrieben wird.
RA und Mediator Jonas Leder, München
RA Sebastian Klingl, Berlin
RA und Fachanwalt für Steuerrecht Andreas Thalmann,
Hamburg
ADVOICE 04/09
57
Bücher-FORUM
AGB-Recht in der anwaltlichen Praxis
Das insolvenzrechtliche Mandat
Ring/Klingelhöfer/Niebling,
2. Aufl. 2009, 486 S., 59,00 EUR,
Deutscher Anwaltverlag
Schmittmann/Theurich/Brune,
3. Aufl. 2009, 560 S., 68,00 EUR,
Deutscher Anwaltverlag
Der Deutsche Anwaltverlag veröffentlicht in 2. Auflage ein Handbuch für Rechtsanwälte zum übergreifenden Thema der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, bearbeitet von einem dogmatisch
wie praktisch auf diesem Rechtsgebiet tätigen Autorenteam.
Mit dem Handbuch Das insolvenzrechtliche Mandat veröffentlicht
der Deutsche Anwaltsverlag inzwischen in der 3. Auflage ein Werk
aus der Reihe anwaltlicher Handbücher. Das Autorenteam ist mit
anwaltlichen Praktikern besetzt.
Mit dem Formularbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht startet der Luchterhand Verlag eine neue Reihe
von Formularbüchern. Es ergänzt das gleichnamige Handbuch
aus demselben Hause durch ein Angebot von Arbeitshilfen.
Allgemeine Geschäftsbedingungen haben gerade im geschäftlichen Rechtsverkehr für Verbraucher und Unternehmer erhebliche
Bedeutung. Der zivilrechtlich tätige Anwalt kommt regelmäßig
bei der Bearbeitung von Mandaten mit dieser Materie in Berührung. Er prüft entweder bestehende Allgemeine Geschäftsbedingungen oder aber ist mit der Ausgestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch AGB befasst.
Die insolvenzrechtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts ist aus
mehreren Perspektiven denkbar. Als Insolvenzverwalter, Schuldner- und Gläubigervertreter muss er mit den wesentlichen
Aspekten und Besonderheiten von der Mandatsaufnahme bis zu
seiner Beendigung vertraut sein. Dies gilt sowohl in der
Beratungssituation als auch für die außergerichtliche und gerichtliche Interessensvertretung.
Nach der obligatorischen Einleitung werden der Begriff der AGB
sowie deren Einbeziehung in Verträge erläutert. Klar im Zentrum
des Handbuchs steht die Inhaltskontrolle von AGB. Wie in einem
Prüfungsschema sind die Klauselinhalte im Einzelnen ausführlich
dargestellt. Auch auf die Besonderheit im kaufmännischen Geschäftsverkehr wird jeweils eingegangen. Zahlreiche Verweise in
Fußnoten ermöglichen es, einzelne Themen hauptsächlich anhand
der Rechtsprechung zu vertiefen. Von wissenschaftlichen Ausführungen, die der Praktiker regelmäßig als Ballast empfindet,
bleibt er weitestgehend verschont.
Das Werk behandelt in diversen Kapiteln die insolvenzrechtlichen
Grundlagen, die unterschiedlichen Formen sowie die Wirkungen
der Verfahren. Der Anwalt als Gläubigervertreter erhält Einsicht in
die Geltendmachung von Forderungen sowie die Bedeutung der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens in den praxisrelevanten Bereichen Ar-beits-, Werkvertrags-, Kauf- und Mietrecht. Für den
Anwalt, der Schuldner vertritt, werden die unterschiedlichen
Stationen, von der sich abzeichnenden Krise bis hin zur Restschuldbefreiung, aber auch haftungsrechtliche Themen dargestellt. Weiter widmen sich andere Kapitel vergütungsrechtlichen,
steuerrechtlichen und strafrechtlichen Fragen. Selbst internationale Bezüge im deutschen Insolvenzrecht finden Berücksichtigung. Eingefügte Fallbeispiele füllen die Materie mit Leben.
Formulare findet man leider nicht.
Die Autoren bieten für die außergerichtliche Situation und auch
den Rechtsstreit zahlreiche Muster und Formulare mit
Anmerkungen an. Für die Themen, in denen der angesprochene
Fachanwalt besondere Kenntnisse nachzuweisen hat, finden sich
neben Vertragsmustern und an Beispielsfälle angelehnten Schriftsatzmustern auch Checklisten sowie Berechnungsbeispiele. Nahezu 4/5 des Inhalts sind dem Miet- und WEG-Recht gewidmet. Die
Kapitel mit den Nebengebieten, wie das Bauträger-, Makler-,
Nachbar-, Immobilien- oder Verwaltungsrecht, sind sehr knapp
ausgefallen. Die Rechtsprechung ist bis Juli 2008 berücksichtigt.
Abgerundet wird die Darstellung durch eine Reihe von Vertragsund AGB-Mustern gängiger Verträge – auch mit Auslandsbezug
– sowie durch einen Glossar. In Letzterem kann sich der Nutzer
hauptsächlich über die Rechtslage und Rechtsprechung zu AGB
in verschiedenen Verträgen informieren. Dabei blickt man auch
über den Tellerrand der reinen AGB-Thematik hinaus. So
beispielsweise, wenn auf eine recht aktuelle Entscheidung des
BGH zu den IATA Beförderungsbedingungen verwiesen wird, in
der geradezu versteckt die rechtliche Wertung enthalten ist, dass
ein formularmäßiger genereller Ausschluss für Schäden aus
verpassten Anschlussflügen nicht wirksam möglich ist.
Hohe Aktualität dieser soeben erst erschienenen Auflage ist
gewährleistet. Augenscheinlich wird dies an der ausführlichen
Darstellung und Besprechung der Geschäftsführerhaftung,
speziell zum Themenkreis Haftungsdurchgriff und Existenzgefährdungshaftung der Gesellschafter, dem sich der BGH jüngst
widmete. Auch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts
und zur Bekämpfung von Missbräuchen, welches Änderungen des
Insolvenzrechts mit sich brachte, wurde berücksichtigt.
Formularbuch des Fachanwalts
Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Hinz/Junker/v. Rechenberg/Sternel
1. Auflage, 2009, 1.068 S., 119,00 EUR,
Luchterhand
Exemplarisch sei auf das Thema „Abwälzung von Schönheitsreparaturen“ verwiesen. Es werden eine Reihe starrer bzw. weicher
Fristenpläne sowie die entsprechenden Entscheidungen aufgeführt.
Ins Auge sticht aber auch ein Formular, worin der Vermieter den
Mieter zur einvernehmlichen Vertragsänderung bei unwirksamer
Schönheitsreparaturklausel auffordert und für den Fall der
Ablehnung einen Zuschlag zur ortsüblichen Miete ankündigt. Hat
doch der BGH dem Vermieter diese Möglichkeit mit Urteil aus Juli
2008 abgesprochen. Darauf wird in den Anmerkungen auch
hingewiesen. Gleichwohl stellt sich die Frage, warum ein solches
Muster nicht entsprechend der praxisrelevanten Rechtsprechung
aktualisiert wurde.
Statt einer CD-ROM findet man im Buch einen Zugangscode und
kann nach entsprechender Registrierung auf einer Homepage auf
die über 350 Muster und Formulare zugreifen, was sich als eine
willkommene Arbeitserleichterung herausstellen kann.
Fazit: Die systematische Darstellung hat mich überzeugt.
Leider fehlen jedoch Checklisten und anwaltsstrategische
Tipps. Der Kaufpreis ist in Anbetracht des im Übrigen
umfassenden Inhalts nicht unangemessen. Dem Einsteiger
bietet das Werk einen soliden Einstieg in ein sehr praxisrelevantes Rechtsgebiet und ist zugleich geeignet, Kenntnisse
zu vertiefen. Auch der erfahrene Rechtsanwalt wird dem
Buch eine Vielzahl wertvoller Informationen entnehmen
können.
Fazit: Wer als Rechtsanwalt wirtschaftsprivatrechtlich tätig
ist, wird häufig mit der Zahlungsunfähigkeit des Gegners
oder auch des eigenen Mandanten in Kontakt kommen.
Angesichts der Finanzmarktkrise ist mit einer steigenden Zahl
von Insolvenzverfahren zu rechnen. Das insolvenzrechtliche
Mandat ist ein umfangreiches und kostenmäßig günstiges
Rüstzeug für die insolvenzrechtliche Praxis und daher
unbedingt zu empfehlen.
Fazit: Für den Rechtsanwender, der auf den Nebengebieten
tätig ist, ist die Darstellung zu eng. Für Dienstleister im Immobilienmanagement ist die Vielzahl rechtssicherer Formulierungen unter Umständen für die tägliche Anwendung
interessant. Insbesondere richten sich die Autoren aber an
den erfahrenen Mietrechtler und den Fachanwalt. Diese
werden in der einen oder anderen Hinsicht durch das Buch
eine gute Unterstützung erfahren, um die Rechte ihrer
Auftraggeber zu wahren und erfolgreich durchzusetzen.
RA Hans-Peter Weber, Bonn
RA Hans-Peter Weber, Bonn
RA Hans-Peter Weber, Bonn
58
ADVOICE 04/09
Bücher-FORUM
Für effizientes Kanzleimanagement braucht man
einen zuverlässigen Partner !
Kommentar zum RDG
Michael Kleine-Cosack,
2. Aufl. 2008, 749 S. 59,00 EUR,
Verlag C. F. Müller
Nachdem sich der Rechtsberatungsmarkt im Zuge des Rechtsdienstleistungsgesetzes reformiert und auch für nichtanwaltliche
Rechtsberatung geöffnet hat, steht der Anwaltschaft bisher
ungewohnte Konkurrenz etwa durch Verbände, Banken oder
Architekten gegenüber. Was diese nichtanwaltlichen Berufsgruppen dürfen oder gerade nicht dürfen, wird im Kommentar
zum RDG verständlich und praxisnah dargestellt.
NEU!
In einem einführenden allgemeinen Teil liefert Kleine-Cosack eine
rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Darstellung der
Thematik. Neben den Wurzeln des RBerG im Nationalsozialismus
geht der Verfasser pointiert und hart mit der jahrzehntelang kaum
erfolgten Aufarbeitung des Gesetzes nach 1945 ins Gericht.
Interessant sind auch die Überblicke über die Regelungen des
Rechtsdienstleistungsrechts in anderen europäischen Ländern.
Von besonders hohem praktischen Nutzen sind im allgemeinen
Teil die Bedeutung der Rechtsprechung zum RBerG und die
Motive für die Auslegung des RDG, da diesen – wie Kleine-Cosack
bereits im Vorwort hervorhebt – eine erhebliche Auslegungsrelevanz zukommt. Auch die Rechtsfolgen unzulässiger Rechtsdienstleistungen, das Prüfungsschema einer Erlaubnispflicht
sowie die abschließenden praktischen Hinweise dürften den
Nutzer sehr erfreuen.
Die Kommentierung zum Rechtsdienstleistungsgesetz erfolgt
übersichtlich und verständlich. Nach einer einführenden Inhaltsübersicht klärt der Verfasser zunächst Allgemeines, bevor er sich
anschließend mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen auseinandersetzt.
Kleine-Cosack ist mittlerweile eine Art berufsrechtliche Instanz
geworden. Er ist nicht nur einer der bekanntesten Anwälte auf
dem Gebiet des Berufsrechts, sondern ist neben einer großen Zahl
an Veröffentlichungen auch als Mitherausgeber des Anwaltblatts
bekannt. Außerdem ist er als langjähriges Mitglied im Vorstand
des Deutschen Anwaltvereins sowie dessen Berufsrechtsausschuss, auch verbandspolitisch in dieser Thematik sehr engagiert.
Fazit: Es gibt mittlerweile einige Kommentare zum Rechtsdienstleistungsgesetz. Der Kommentar von Kleine-Cosack
dürfte jedoch zu einem, wenn nicht dem maßgebenden
Praktiker-Kommentar zum RDG werden.
Ich bin schon bei Haufe.
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ADVOICE 03/09
59
Autorenverzeichnis
Ilona Cosack ist seit zehn Jahren als Beraterin für Rechtsanwälte tätig,
Nicole Prior ist selbstständige Rechtsanwältin mit den Interessens-
zuvor hat sie 18 Jahre lang Kanzleien geleitet. Neben einer betriebswirt-
schwerpunkten Sozialrecht, allgemeines Zivilrecht, Medienrecht. Sie ist
schaftlichen Ausbildung sind ihre Fortbildungsschwerpunkte Marketing
Beraterin des bundesweiten, verbandsübergreifenden Forums selbstbe-
und Management.Für Kammern und Vereine ist sie Referentin zu allen
stimmter Assistenz behinderter Menschen e. V. (ForseA) und Beraterin
Themen des Anwaltsmanagements.
des Vereins Mobil-mit-Behinderung e. V. (MMB).
[email protected]
[email protected]
Dr. Jürgen Ernst ist seit 1964 zugelassener Rechtsanwalt in München
Carolin Ott ist selbstständige Rechtsanwältin in Landshut und führt die
und war von 1970 bis 2002 Vorstandsmitglied der RAK München, von
Fachanwaltsbezeichnung für Familienrecht und für Sozialrecht. Sie ist
1990 bis 2002 Präsident der RAK München, innerhalb dieser Zeit acht
RB für den Landgerichtsbezirk Landshut und seit Mai 2009 Mitglied im
Jahre Vizepräsident der BRAK. Derzeit ist er noch Vorsitzender der Aus-
Geschäftsführenden Ausschuss des FORUMs. Dabei betreut sie das
schüsse „Bewertung von Anwaltspraxen“ und „RVG“ der Bundesrechts-
Ressort „Seminare und Fortbildung“.
anwaltskammer. [email protected]
[email protected]
Dr. Ingo E. Fromm ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in der
Julia Salzwedel ist angestellte Rechtsanwältin in Schenefeld bei Itzehoe.
überörtlichen Kanzlei Dr. Caspers & Mock am Standort Koblenz. Seine
Ihre Schwerpunkte liegen im Zivilrecht. Sie ist für das FORUM Regional-
Schwerpunkte liegen im Wirtschafts- und Verkehrsstrafrecht sowie im
beauftragte für den LG Itzehoe.
Ordnungswidrigkeitenrecht.
[email protected]
[email protected]
Grit Sänger ist selbstständige Rechtsanwältin für Arbeits- und Familien-
Anja Schmidt ist Juristin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am
recht in Berlin und betreut als beeidigte Dolmetscherin für Japanisch
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie tätig.
Mandanten vorwiegend im Internationalen Privatrecht und bei Ausein-
Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Strafrechts, der
andersetzungen mit deutschen Behörden.
Rechtsphilosophie und der geschlechterkritischen Betrachtung des
[email protected]
Rechts. [email protected]
Martin Möller ist selbstständiger Rechtsanwalt in Hannover, zudem ist er
Tilo Wendt ist in Bonn als angestellter Anwalt in der IP-Boutique
tätig als beeidigter Dolmetscher und Übersetzer für die englische Sprache
HOELLER RECHTSANWÄLTE tätig und glücklicher Vater des zehn Monate
für die Gerichte und Notare des LG-Bezirks Hannover. Seine Schwerpunkte
alten Elias.
sind Straf- und Mietrecht. Er ist u. a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft
[email protected]
Strafrecht des DAV und der Deutsch-Amerikanischen Juristenvereinigung
e. V. [email protected]
Silke Waterschek ist seit 2005 in eigener Kanzlei in Heilbronn als Rechts-
Monika Zumstein gehört als Akademische Direktorin der Juristischen
anwältin und Mediatorin mit den Schwerpunkten Familien-, Straf- und
Fakultät an. Sie war von 1998 bis 2009 Frauenbeauftragte der Juris-
Vertragsrecht tätig. Sie ist Regionalbeauftragte des FORUMs für den LG
tischen Fakultät sowie seit 2000 stellvertretende Universitätsfrauen-
Bezirk Heilbronn und seit Mai 2007 die Vorsitzende des
beauftragte.
Geschäftsführenden Ausschusses des FORUM Junge Anwaltschaft.
[email protected]
[email protected]
Katrin Spelmeyer ist seit 1999 angestellte Rechtsanwältin bei HDI
Babette Kusche ist seit über sechs Jahren als Rechtsanwältin tätig. Seit
Gerling und dort im Bereich Vermögensschadenshaftpflicht und Heil-
Juli 2009 ist sie Geschäftsführerin des HAV. Nebenbei ist die Fachanwältin
wesen tätig.
für Familienrecht weiterhin als selbstständige Rechtsanwältin in
[email protected]
Hamburg tätig.
[email protected]
Olaf Baur ist Fachanwalt für Steuerrecht und als Einzelanwalt in
Sebastian Trabhardt ist seit 2000 als Rechtsanwalt tätig. Er ist Partner
Potsdam tätig. Seine Rechtsgebiete sind Steuerrecht, Erbrecht, Strafrecht
der Kanzlei Rotermund mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Medienrecht.
und Zwangsvollstreckungsrecht. Er ist Mitglied in der Satzungsversamm-
Seit 2005 ist der Regionalbeauftragter für den LG-Bezirk Hamburg.
lung für die Rechtsanwaltskammer Brandenburg und in der Deutschen
[email protected]
Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V.
[email protected]
60
ADVOICE 03/09
Service / Das letzte Wort
Das letzte Wort
Irren ist richterlich
Wenn drei Berufsrichter einer Berufungskammer
eine relevante Entscheidung unberücksichtigt lassen, die ohne sonderliche Mühe auffindbar gewesen wäre und vielfach veröffentlicht worden ist,
beruht dies auf dem „unvollkommenen menschlichen Erkenntnisvermögen und der nie auszuschließenden Möglichkeit eines Irrtums.“ Der Rechtsanwalt darf nicht irren, sonst haftet er! Der Karlsruher
Anwaltsverein weist in seinem Mitteilungsblatt auf
die Brisanz des obigen Urteils hin. Diese ist so hoch,
dass es sich lohnt, den Beitrag hier wenigstens auszugsweise zu veröffentlichen:
Vorsicht Haftung!
„Der IX. Zivilsenat des BGH hat durch Urteil vom
18.12.2008 im Verfahren IX ZR 179/07 (NJW 2009,
987 ff.) wieder einmal klargestellt, dass der Rechtsanwalt immer damit rechnen muss, für Fehler des
Gerichts haften zu müssen. Er hat dabei aber die
bisherige Rechtsprechung deutlich verschärft.“
So führt der BGH aus
„Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur
unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen
und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines
Ausblick und Impressum
Ausblick:
Schwerpunkt in Heft 1/2010: Sicherheit
Redaktionsschluss:
Heft 1/2009 (März-Ausgabe), 15. Januar 2010
Impressum:
Redaktion verantwortlich für diese Ausgabe:
Stefanie Salzmann, RAin Anke Schiller-Mönch,
RA Patrick Ruppert, RA Percy Ehlert
Bildredaktion: Andrea Vollmer
Bücherforum: Jens Jenau
Chefredaktion: RA Tobias Sommer
Erscheinungsweise:
vierteljährlich
(März/Juni/September/Dezember)
Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2010
Redaktionsanschrift:
Redaktion AdVoice, Deutscher Anwaltverein
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel. 030 / 7261520
Irrtums ist es Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen
des Gerichts entgegen zu wirken.“
Das entspreche im Übrigen auch dem Selbstverständnis der Anwaltschaft.
Es kommt noch schlimmer
„Ein mit verkehrsüblicher Sorgfalt arbeitender Anwalt hätte die fragliche Entscheidung im Zuge der
Bearbeitung des Mandats auch ohne sonderliche
Mühe auffinden und verarbeiten können. Sie war in
dem Zeitpunkt, als die Beklagte die Vertretung der
Klägerin übernahm, bereits in mehreren juristischen
Zeitschriften veröffentlicht worden (...) und wurde
zudem in einem gängigen Kommentar zum BGB
nachgewiesen (...).“
Was folgt daraus?
Wir sind künftig nicht nur gezwungen, die richtige
Rechtsauffassung zu vertreten und zu versuchen,
das Gericht von der Richtigkeit dieser Auffassung zu
überzeugen, sondern wir sind auch gezwungen, dem
Gericht die Belege in Form von einschlägigen Entscheidungen, insbesondere des BGH, die unsere
zutreffende Rechtsauffassung unterstützen, zu
benennen, also zu beweisen. Dies stellt hohe Anforderungen an die juristische Recherche in Rechtsprechung und Literatur. Das lässt sich allein dadurch, dass bestimmte Zeitschriften gehalten und
gelesen werden, nicht mehr erreichen. Wir werden
vielmehr nach meiner Überzeugung künftig ohne
die intensive Nutzung von juristischen Datenbanken
nicht mehr auskommen, und wir werden gezwungen sein, zu zitieren, was das Zeug hält.
Das bedeutet im Klartext:
Wenn drei Berufsrichter einer Berufungskammer
eine relevante Entscheidung unberücksichtigt
lassen, die ohne sonderliche Mühe auffindbar
gewesen wäre und vielfach veröffentlicht worden
ist, dann beruht dies auf dem unvollkommenen
menschlichen Erkenntnisvermögen und der nie
auszuschließenden Möglichkeit eines Irrtums. Der
Rechtsanwalt darf nicht irren, sonst haftet er!
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Tel. 0228 / 97898-10, Fax: 0228 / 97898-20
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zzgl: Versandkosten für 4 Ausgaben.
Einzelheft: 14,50 EUR.
Für Mitglieder des FORUM Junge Anwaltschaft im Deutschen
Anwaltverein ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag
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ISSN 1437-3084
Lektorat: Textmanufaktur MA PAROLE, www.ma-parole.de
Layout/Satz: GUDMAN DESIGN WEIMAR, www.gudman.de
Druck: Liebeskind Druck, Apolda
Auflage: 14.000
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des
Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wieder.
Wir sind sind wie immer auf Eure Reaktionen, Anregungen und
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