Gehört das Anziehen von Berufskleidung zur Arbeitszeit?

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Gehört das Anziehen von Berufskleidung zur Arbeitszeit?
Dr. Norbert Pflüger, Pflüger Rechtsanwälte GmbH, Frankfurt am Main
Gehört das Anziehen von
­Berufskleidung zur Arbeitszeit?
Dr. Norbert Pflüger, erschienen in F.A.Z. vom 2. März 2013 / F.A.S. vom
3. März 2013, Beruf und Chance, Seite C3, Rubrik „Mein Urteil”
Arbeitskleidung gehört in vielen Unternehmen zum Alltag, manchmal muss sie
sogar mehrmals am Tag gewechselt werden. Nicht überall ist sie zwingend geboten,
um die Arbeitsaufgaben zu erledigen zu können. Besonders in Kliniken, wo die
Berufskleidung Hygienestandards absichern soll, kann das Umziehen einige Zeit in
Anspruch nehmen. Lange war streitig, ob der Arbeitgeber solche angeordneten
Umkleidezeiten wie die eigentliche Arbeitsleistung zu vergüten hat. Nachdem das
Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Vergütungspflicht im Jahr 2000 noch abgelehnt
hatte (Az.: 5 AZR 122/99), nimmt es jetzt eine Korrektur zugunsten der Arbeitnehmer vor: Zur Arbeitszeit gehört auch das Umkleiden, wenn der Arbeitgeber das
Tragen von Berufskleidung vorschreibt und sie vor Beginn der Arbeit im Betrieb
angezogen werden soll (Az.: 5 AZR 678/11).
Geklagt hatte eine Krankenschwester im OP-Dienst. Ihr und ihren Kollegen
gegenüber hatte der Arbeitgeber angeordnet, zu Arbeitsbeginn zunächst im Klinikgebäude Berufskleidung – dunkelblaue Hosen und Hemden mit V-Ausschnitt –
anzuziehen. Wenn sich die Krankenschwester anschließend in den OP-Bereich
begeben musste, hatte sie sich abermals umzuziehen. Die von der Klinik gestellte
Kleidung durfte von den Beschäftigten nicht mit nach Hause genommen werden
und war täglich zu wechseln. Dadurch entstehende Umkleidezeiten machten etwa
30 Minuten täglich aus. Die Klinik nahm eine Änderung des Tarifvertrages zum
Anlass, die Vergütung der Umkleidezeiten einzustellen. Hiergegen wehrt sich die
Krankenschwester mit ihrer Klage. Bei seiner Entscheidung orientierte sich das
BAG am Arbeitszeitgesetz. Dort heißt es lapidar, Arbeitszeit ist „die Zeit vom
Beginn bis zum Ende der Arbeit“.
Arbeit ist dabei jede Tätigkeit, die der „Befriedigung eines fremden Bedürfnisses“ dient. Das BAG folgert hieraus, dass Arbeit immer dann vorliegt, wenn der
Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung und das Umziehen im Betrieb
anordnet. Durch seine Weisung macht er es zu einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung und hat die dafür nötigen Zeiten als Arbeitsleistung zu vergüten. Dabei
kommt es nicht darauf an, ob das Tragen von Berufskleidung notwendig für den
Betriebsablauf ist. Umkleidezeiten sind also nicht nur in Kliniken und keimfreien
Produktionsstätten zu bezahlen.
Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber dem Beschäftigten freistellt, die
Berufskleidung schon zu Hause anzuziehen. Zieht sie der Arbeitnehmer dann erst
im Betrieb an, ist das sein Privatvergnügen. Auch in diesem Fall sollte der Arbeitgeber aber sein Vorgehen mit dem Betriebsrat abstimmen. Der Arbeitnehmervertretung steht nämlich bei der Regelung von Kleiderordnungen ein Mitbestimmungsrecht zu. Und die könnte sich dabei durchaus auf den Standpunkt stellen,
aus Gründen des Persönlichkeitsrechts sei es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar,
eine grelle Firmenkluft außerhalb des Betriebsgeländes zu tragen.
Norbert Pflüger ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main.
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