In der Parabel „Vor dem Gesetz“ von Franz Kafka aus dem Roman

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In der Parabel „Vor dem Gesetz“ von Franz Kafka aus dem Roman
Beispieltext; Analyse / Interpretation „Vor dem Gesetz“ (Schülerarbeit, korrigiert)
Interpretation zur Parabel „Vor dem Gesetz“ von Franz Kafka.
Schülerarbeit (SA, 8. Klasse)
In der Parabel „Vor dem Gesetz“ von Franz Kafka geht es um einen Mann, der unbedingt zum
Gesetz will, das aber von mehreren Türhütern bewacht wird. Er wartet bis an sein Lebensende
vor dem ersten Türhüter; in der Hoffnung, Einlass zu bekommen. Schlussendlich geht der
Türhüter und schließt den Eingang.
Das Thema der Parabel ist das Scheitern an einem selbst gesetzten Ziel. Es stellt sich die
Frage, woran der Protagonist scheitert. Der Mann hat sich das Ziel gesetzt, zu diesem Gesetz
zu kommen. Und er will offenbar so lange warten, bis er bekommt, was er will. Er hat keine
anderen Ziele mehr und alles andere wird unwichtig. Auch der Verlust seiner wertvollsten
Sachen macht ihm nichts aus, solange es Hoffnung gibt, den Türhüter damit zu bestechen.
Wir erfahren nicht viel über den Ort, an dem die Geschichte spielt. Sicher ist: die Geschichte
handelt in einem symbolischen Raum. Der Mann kommt vor eine Tür, die von einem Türhüter
bewacht wird. Hinter der Tür sind mehrere Säle, die von weiteren Türhütern bewacht werden.
Die Säle bekommt der Mann aber nie zu sehen. Wir wissen nur aus den Erzählungen des
Türhüters, dass es sie gibt. Wahrscheinlich ist es vor der Tür eher ungemütlich und kalt, da der
Türhüter einen Pelzmantel trägt.
Auch über die Zeit, in der die Parabel spielt, wissen wir nicht viel. Offenbar ist auch die
Zeitstruktur symbolisch zu verstehen. Wir erfahren nur, dass sehr viel Zeit vergeht, weil der
Mann fast sein ganzes Leben lang vor der Tür wartet.
Die Geschichte ist in auktorialer Erzählperspektive geschrieben. Der Erzähler beobachtet das
Geschehen und weiß vermutlich mehr, als er erzählt. Er sieht den Ort, beschreibt ihn aber nicht.
Außerdem erfahren wir trotz der auktorialen
Erzählperspektive auch nichts über die
Innenhandlung, also die Gedanken und Gefühle der Figuren. Der Erzähler bleibt außerhalb des
Geschehens und will nur das beschreiben, was er sieht. Die Parabel ist in der Zeitform der
Gegenwart geschrieben. Das hat eine aktualisierende Wirkung. Und als Leser bekommen wir
das Gefühl, direkt daneben zu stehen und zu beobachten, was passiert.
Die Hauptfiguren sind der Mann und der Türhüter. Über das Aussehen des Mannes erfahren wir
nichts. Er kommt vom Lande und ist mit vielem ausgestattet, was vermuten lässt, dass er sich
auf ein langes Warten vorbereitet hat. Als er am Anfang zur Tür kommt, ist er noch jung und
voller Hoffnung. Er ist sich fast sicher, dass er zum Gesetz kommen wird, und versucht mit allen
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Beispieltext; Analyse / Interpretation „Vor dem Gesetz“ (Schülerarbeit, korrigiert)
Mitteln, den Türhüter dazu zu bringen, ihn hinein zu lassen. Fast ununterbrochen beobachtet er
ihn und auch seine wertvollsten Sachen gibt er her, um ihn zu bestechen; allerdings vergeblich.
Mit der Zeit wird er immer unsicherer, er verflucht den unglücklichen Zufall. Anfangs ist er noch
rücksichtslos und laut, später wird er immer schwächer und brummt nur noch vor sich hin.
Die Geschichte enthält viele Symbole, die die zunehmende Schwäche des Mannes zeigen.
Zum Beispiel bittet er die Flöhe im Pelzmantel des Türhüters um Hilfe. Meiner Meinung nach
gibt er damit zu verstehen, wie verzweifelt er schon ist, wenn sogar kleine Ungeziefer wie Flöhe
ihm helfen sollen. Außerdem wird der Größenunterschied zum Türhüter immer größer; das
zeigt, dass der Mann immer kleiner und schwächer wird. Auch sein Augenlicht lässt immer mehr
nach und lässt die Aussicht auf Hoffnung schwächer werden.
Der Türhüter hingegen wird immer mächtiger. Er trägt einen Pelzmantel, hat eine große
Spitznase und einen tatarischen Bart. Immer wieder stellt er dem Mann teilnahmslose Fragen,
lässt ihn aber nicht hinein.
Die anderen Türhüter, die die weiteren Türen bewachen, werden nur kurz erwähnt und haben
auch keinen direkten Einfluss auf das Geschehen. Alles, was wir über sie wissen, ist, dass einer
mächtiger ist als der andere und dass ihr Anblick gefährlich ist. Sogar der erste Türhüter kann
ihn nicht ertragen. Zumindest behauptet er das. (Denn möglich wäre natürlich auch, dass der
Türhüter nur behauptet, die anderen Türhüter seien so mächtig, dass es an ihnen kein
Vorbeikommen gebe.)
Eines der wichtigsten Symbole in der Geschichte ist die Tür. Sie trennt den Mann von seinem
Ziel und hindert ihn daran, zum Gesetz zu kommen. Dieses Symbol der Tür können wir in vielen
Geschichten von Franz Kafka erkennen. Sie trennt zwei Welten voneinander: Die Welt der
gegenwärtigen Realität und die Wunschwelt, in der die Figur gerne wäre.
Ich denke, mit der Parabel will Franz Kafka sagen, dass wir nicht blind durchs Leben laufen
sollen und uns nicht immer nur auf eine bestimmte Sache konzentrieren sollen. Es ist wichtig,
nicht alle anderen Sachen aufzugeben, nur weil wir uns ein Ziel gesetzt haben. Im Leben gibt
es verschiedene Möglichkeiten, die wir nur erkennen können, wenn wir offen bleiben für neue
Dinge. Wir sollten erkennen, dass wir unser Ziel nur dann erreichen, wenn wir auf dem Weg
dort hin auch Neues dazu lernen können. Nur warten und alles andere aufgeben führt uns nicht
zu unserem Ziel.
(800 Wörter)
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