Fokale Therapie des Prostatakarzinoms

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Fokale Therapie des Prostatakarzinoms
Uro-Onkologie
Fokale Behandlung des Prostatakarzinoms –
neue Option in der Sequenztherapie des
Prostatakarzinoms
B
Dr. med. Jörn H. Witt
Chefarzt der Urologie,
St. Antonius-Hospital,
Gronau.
is vor wenigen Jahren bestand
die Therapie des Prostatakarzinoms aus zwei wesentlichen
Prinzipien: Erstens der lokalen Therapie der gesamten Prostata durch die
radikale Prostatektomie oder alternativ strahlentherapeutischen Verfahren
und zweitens durch eine systemische
Therapie im Sinne einer Androgendeprivation. Dieses Spektrum hat sich
in den letzten Jahren durch die Active Surveillance als Maßnahme vor
einer lokalen Therapie unter kurativer Zielsetzung und durch die erweiterten systemischen Therapieformen
(Chemotherapie, sekundäre Hormonmanipulation, Bisphosphonat-Therapie und nuklearmedizinischen Optionen) erweitert.
Durch die Implementierung einer
neuen Form der hochintensiven fokus-
Abb. 1: Tumor peripher Zone dorsal li (Pfeil).
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sierten Ultraschallbehandlung ergibt
sich jetzt die Möglichkeit der fokalen
Therapie des Prostatakarzinoms.
Ist eine fokale Therapie sinnvoll?
Bei vielen Organtumoren wird seit
längerer Zeit keine Komplettentfernung des Organs mehr durchgeführt,
sondern nur das tumorbefallene Gewebe entfernt. Beim Mammakarzinom
wurde schon vor langem die Mastektomie verlassen, neben der lokalen Tumorentfernung wird zusätzlich
typischerweise eine sentinel Lymphknotenentfernung durchgeführt und
die Behandlung durch systemische
Therapien ergänzt. Im urologischen
Bereich hat sich dieses in den letzten 15 Jahren besonders im Bereich
der Nierentumorchirurgie etabliert.
In unserer Klinik werden zwischenzeitlich ca. 80 % der Nierentumoren
roboterassistiert organerhaltend operiert. Dieses wird ermöglicht zum
einen durch die präoperative Möglichkeit der exakten Bildgebung
mit entsprechender CT-Diagnostik sowie der ebenfalls bildgebend
möglichen präoperativen Identifikation der tumorversorgenden Gefäße.
Durch die exzellenten Möglichkeiten der roboterassistierten Chirurgie
lassen sich zudem auch minimal-invasiv die kurzen Ischämiezeiten der
offenen Chirurgie duplizieren. Zusätzliche Optionen ergeben sich für
zentrale Tumore, die mit selektiver
Versorgung der tumorversorgenden
Gefäße teilweise ohne Ischämie exzidiert werden können.
Für das Prostatakarzinom galt bislang ein komplett anderes Paradigma. Bildgebend ließen sich Prostatakarzinome bis vor kurzem kaum
darstellen, ebenfalls war die systematische Prostatabiopsie mit zahlreichen Unsicherheiten über die genaue
Tumorlokalisation und -ausdehnung
behaftet. Hinzu kommt die häufige
Multilokalität des Prostatakarzinoms.
Durch aktuelle bildgebende Verfahren (multiparametrisches MRT der
Prostata) und die Möglichkeiten einer dreidimensionalen Biopsietechnik
der Prostata lassen sich jetzt Tumorlokalisation und -ausdehnung exakter verifizieren.
Wenn sich tumorbefallene Areale
in der Prostata reproduzierbar darstellen lassen, sind die Voraussetzungen
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zur Planung einer alleinigen Behandlung der erkrankten Bereiche gegeben.
Wenn die entsprechenden Werkzeuge zur Durchführung einer derartigen
„partiellen Prostatektomie“ oder einer fokalen Therapie vorhanden sind,
ist die Evaluation solcher Konzepte
nur konsequent.
Bildgebung der Prostata
Das multiparametrische MRT der Prostata mittels 3-Tesla-Technologie oder
1,5-Tesla mit Endorektalspule erlaubt
zunehmend eine Identifizierung von
tumorsuspekten Arealen (Abb. 1), insbesondere für Herde mit höheren Aggressivitätsgraden. Mit der Anwendung des PI-RADS Score Systems
lassen sich entsprechende Befunde auch untersucherunabhängig beschreiben und klassifizieren. Neben
der Anwendung bei vorangegangenen negativen Prostatabiopsien findet das multiparametrische MRT
auch zunehmend Einsatz in der Primärdiagnostik oder zur Operationsstrategieplanung vor einer radikalen
Prostatektomie.
Bei einem bildgebenden fokalen
Tumornachweis mit entsprechender
Bestätigung in der Biopsie stellt sich
schnell die Frage nach einem entsprechenden fokalen Therapiekonzept. Seit über einem Jahr führen
wir in unserer Klinik die perineale
Fusionsbiopsie der Prostata durch.
Hierbei werden in die zuvor in dem
multiparametrischen MRT der Prostata gewonnenen Informationen (alternativ können auch andere bildgebende Verfahren wie Histoscanning
oder Elastographie für die Fusion verwendet werden) mit dem TRUS-Bild
der Prostata fusioniert. Mit einem
entsprechenden perinealen Template (entsprechend der Brachytherapie)
können dann gezielt aus den verschiedenen anatomischen Bereichen der
Prostata Proben entnommen werden.
Mit einem solchen „3D-Mapping“
(auch „Template-Biopsie“ genannt)
(Abb. 2) lassen sich die Tumorlokalisationen exakt dokumentieren und
bilden die Grundlage für eine fokale
Therapie. Ein 3D- Mapping der Prostata ist auch ohne einen bildgebenden Tumornachweis möglich.
Fokale Prostatakarzinomtherapie mittels HIFU
Focal One
Bislang war eine fokale Therapie
des Prostatakarzinoms kaum möglich. Unsere Klinik besitzt seit mehr
als zehn Jahren Erfahrung mit der
hochintensiven fokalen Ultraschalltherapie (HIFU) des Prostatakarzinoms. Die bisherigen technischen
Möglichkeiten erlaubten jedoch nur
eine komplette Behandlung der Prostata alternativ zu den anderen leitlinienkonformen lokalen Therapieformen wie radikale Prostatektomie oder
Strahlentherapie. Zusätzlich war eine
transurethrale Resektion im Vorfeld
erforderlich. Nur in ausgewählten Fällen konnte die Teilaussparung eines
Lappens zur verbesserten Neuroprotektion erfolgen.
Neben fotodynamischen Therapieformen und der Radiofrequenzablation,
die sich alle im Wesentlichen noch im
experimentellen Stadium befinden, besteht seit Kurzem die Möglichkeit einer gezielten fokalen HIFU-Therapie
durch eine entsprechende technologische Weiterentwicklung. Das Focal One
System ermöglicht die gezielte HIFUTherapie von einzelnen Bereichen der
Prostata. Die im MRT detektierten Tumorherde können ebenso wie die im
3D-Mapping nachgewiesenen Lokalisationen am Beginn der Behandlung
Abb. 2: 3D-Mapping-Schema (aus: L. Dickinson et al, Magnetic Resonance Imaging for the
Detection, Localisation, and Characterisation of Prostate Cancer: Recommendations from a
European Consensus Meeting, Eur Urol 2011; (59):477–494).
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mit den intraoperativen TRUS-Bildern fusioniert werden. Sowohl die
Indexläsion (Tumor mit dem größten
Volumen) als auch mögliche zusätzliche aggressive Tumorbefunde können auf diese Weise behandelt werden (Abb. 3).
Selbstverständlich handelt es sich
hierbei noch um einen neuen Therapieansatz der einer entsprechenden
kritischen Überprüfung bedarf.
Besonders für Patienten, die sich
bei einer niedrig Risikosituation nicht
mit einer aktiven Überwachung abfinden möchten, stellt die fokale Therapie eine Möglichkeit dar. Alternativ kann die fokale Therapie jedoch
auch bei umschriebenen Tumoren
mit mittlerem (vielleicht sogar bei
hohem) Aggressivitätsgrad diskutiert werden.
Als eines von wenigen Zentren in
Deutschland können auch wir im Prostatazentrum Nordwest ab sofort bei
entsprechender Patientenaufklärung
und unter Studienbedingungen eine
fokale Therapie des Prostatakarzinoms anbieten.
Fokale HIFU als Teil eines
Stufenkonzeptes in der lokalen
Prostatakarzinomtherapie?
Durch die aktuellen Möglichkeiten der
Bildgebung und die Erweiterung der
Biopsietechnik werden fokale Therapieformen in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Auch unter dem
Wissen der Karzinomdiagnostik im
frühen Lebensalter und der langjährigen urologischen Betreuung bei weiterhin zunehmender Lebenserwartung
der Prostatakarzinom-Patienten ist anzunehmen, dass die fokale Therapie
des Prostatakarzinoms einen Stellenwert in der Behandlung einnehmen
wird. In einem Stufenkonzept bietet
sich die Einordnung zwischen aktiver
Überwachung und radikaler Prostatektomie an. Die sorgfältige Datenevaluation eines solchen Vorgehens
ist selbstverständlich obligat.
Die fokale HIFU-Therapie ist wiederholbar, auch hieraus können zusätzliche Optionen resultieren.
Zusätzlich ist es wahrscheinlich,
dass die fokale Therapie des Prostatakarzinoms eine zu einem späteren Zeitpunkt erforderliche radikale
Prostatektomie weniger beeinflusst
als strahlentherapeutische Verfahren.
Möglicherweise lassen sich dann im
Rahmen einer roboterassistierten radikalen Prostatektomie nach fokaler
HIFU noch ähnlich gute funktionelle Ergebnisse erzielen wie bei einer
primären operativen Versorgung. Die
radikale Prostatektomie nach HIFU
muss dann vielleicht nicht mehr als
Salvage-Therapie betrachtet werden,
sondern als nächster logischer Therapieschritt.
Die Zukunft wird zeigen welchen
Stellenwert fokale Therapien in der
Prostatakarzinomtherapie erhalten.
Neben der fokalen HIFU sind u.a.
die Radiofrequenzablation, photosensibilisierende Verfahren, Kryotherapie, fokale Brachytherapie und
die (roboterassistierte) partielle Prostatektomie zu evaluieren. Wesentliche
Fragen sind: Wie lassen sich Karzinombereiche am genauesten behandeln, wie kann der Therapieerfolg sicher überprüft werden (PSA erscheint
wenig hilfreich), wie sind die Auswirkungen auf die Umgebung und damit
die funktionellen Aspekte und welche
Therapieform beeinflusst am wenigsten weitere Behandlungen?
Zusammenfassung
Insgesamt erscheint es wahrscheinlich,
dass die fokale Therapie das Spektrum der Prostatakarzinomtherapie
erweitert und unser therapeutisches
Konzept verändert. Erfreulicherweise ist dabei die fokale HIFU-Therapie
(im Gegensatz zu anderen Entwicklungen) ein Instrument in Händen von
uns Urologen.
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Abb. 3: Prätherapeutische Planung (li), Behandlung (re).
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Verfasser: Dr. med. Jörn H. Witt
Chefarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie, Prostatazentrum Nordwest, St. Antonius-Hospital, Akademisches Lehrkrankenhaus der WWU Münster,
Möllenweg 22, 48599 Gronau.