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DNotI Fax - Abfrage Deutsches Notarinstitut Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: 1134# letzte Aktualisierung: 14. Juni 2004 WEG §§ 25 Abs. 2, 10 Abs . 1 S. 2 Verteilung von Stimmrechten in der Gemeinschaftsordnung; Mehrstimmrecht Nach der Sachverhaltsschilderung sollen drei Eigentumswohnung gebildet werden. Zwei der Eigentumswohnungen (Wohnung 2 und 3) sollen den Eheleuten F. gehören und eine Eigentumswohnung (Wohnung 1) Frau N. Mit Ihrer Anfrage haben Sie uns eine Verteilung der Stimmrechte des Inhalts zu prüfen gebeten, daß der Eigentümer der Wohnung 1 eine Stimme hat und die Eigentümer der Wohnung 2 und 3 zusammen eine Stimme, und zwar unabhängig davon, ob die Eigentümer der Wohnung 2 und 3 identisch sind oder nicht. Hierzu dürfen wir wie folgt Stellung nehmen: 1. Nach allgemeinen Grundsätzen können die Wohnungseigentümer gem. §10 Abs. 1 S. 2 WEG ihr Verhältnis untereinander durch „Vereinbarungen“ grundsätzlich frei gestalten (BGHZ 99, 90, 96; 121, 236, 238 f.). Dies gilt gem. §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG auch für in der Teilungserklärung durch den teilenden Eigentümer einseitig gesetzte Bestimmungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander (BGH MittBayNot 1994, 219; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl. 1995, § 10 Rn. 25; Pick, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl. 1997, § 10 Rn. 44). Dementsprechend kann auch das in § 25 Abs. 2 S. 1 WEG normierte sog. Kopfprinzip durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer abbedungen und durch eine andere Stimmrechtsregelung ersetzt werden, z.B. durch Anordnung des sog. Objektprinzips, d.h. Stimmkraft nach Anzahl der Wohnungseigentumseinheiten, oder des Wertprinzips, d.h. Stimmkraft nach Größe der Miteigentumsanteile (Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 25 Rn. 29, 30; Weitnauer/Lüke, a.a.O., § 25 Rn. 8). 2. In dem vom OLG Karlsruhe mit Beschluß vom 23.7.1986 (WuM 1988, 325 ff.) entschiedenen Fall waren den Teileigentumseinheiten im Vergleich zu den Wohnungseigentumseinheiten teilweise wesentlich höhere Miteigentumsanteile zugeteilt, als es der Nutzfläche im Verhältnis zur Gesamtfläche entsprochen hätte. Nach Maßgabe des in der Teilungserklärung vorgesehenen Wertprinzips führte dies dazu, daß die Teileigentümer der vier Gewerbeeinheiten die Stimmenmehrheit hatten. Demgegenüber erfolgte die Verteilung der Nutzen und Lasten im wesentlichen nach der Größe der Nutzfläche bzw. der beheizbaren Wohnfläche. Das OLG Karlsruhe entschied, daß sowohl die Stimmrechtsregelung als Seite 2 auch die Verteilung der Nutzen und Lasten wirksam waren (WuM 1988, 325, 326 f.). Dies gelte selbst dann, wenn man das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die in der Teilungserklärung enthaltene Stimmrechtsregelung anwenden wolle (a.a.O.). In einem durch das OLG Zweibrücken mit Beschl. v. 10.7.1989 (OLGZ 1990, 186 ff.) entschiedenen Fall hatte der Bauträger in der Teilungserklärung das Stimmrecht abweichend von § 25 Abs. 2 S. 1 WEG dahingehend geregelt, daß von insgesamt einundfünfzig Stimmen auf den Eigentümer des Teileigentums I sechsundzwanzig Stimmen, auf die Eigentümer der Teileigentumseinheiten II und III je drei Stimmen und auf die Wohnungseigentümer je eine Stimme entfiel. Damit hatten die Eigentümer der drei Ladenlokale (I, II und III) eine Mehrheit von insgesamt zweiunddreißig gegenüber neunzehn Stimmen, obgleich die den drei Teileigentumseinheiten zugeordneten Miteigentumsanteile nicht einmal 30 % ausmachten. Der Eigentümer der Teileigentumseinheit I konnte sogar alleine alle übrigen Teilund Wohnungseigentümer überstimmen, obgleich auf das Teileigentum I nur 28,42 % der Miteigentumsanteile entfielen. Das OLG Zweibrücken erkannte an, daß die einseitig in der Teilungserklärung gesetzte Gemeinschaftsordnung der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB unterliegt (BGHZ 99, 90, 94; BGH MittBayNot 1994, 290, 291; BayObLG MittBayNot 1995, 388). Bei Anwendung des Maßstabes von Treu und Glauben erachtete das OLG Zweibrücken die genannte Stimmrechtsregelung gleichwohl für rechtswirksam (OLGZ 1990, 186, 188 f.). Insbesondere lasse sich ein Minderheitenschutz auch im Wege einer Einzelfallprüfung auf mißbräuchliche Stimmrechtsausübung gewährleisten (a.a.O., 189). Auf derselben Linie liegt ein Beschluß des OLG Oldenburg vom 22.10.1996 (OLG Report Celle Braunschweig - Oldenburg 1997, 109 f.). Darin hat das OLG die Wirksamkeit einer „Vorrangsregelung“ (bei der Veräußerung von Wohnungseigentum und der Verwalterbestellung) zugunsten einer Wohnungseigentumseinheit bei Mehrheitsentscheidungen innerhalb einer aus zwei Wohnungseigentümern bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft bestätigt mit der Begründung, daß die gesetzlichen Regelungen (§§ 25, 10 Abs. 1 WEG) sämtlich abdingbar seien. Mit Beschluß vom 02.04.1997 hat das BayObLG (WuM 1997, 285 f.) über die Eintragungsfähigkeit eines Vetorechts zugunsten des teilenden Eigentümers entschieden, das diesem solange zustehen sollte, als er Eigentümer oder Miteigentümer auch nur eines Wohnungs- oder Teileigentums sei. Zwar betonte das BayObLG, das Grundbuchamt dürfe die Eintragung nur ablehnen, wenn zweifelsfrei feststehe, daß das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig werde. Eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB sei daher einer gerichtlichen Überprüfung im Rahmen des § 43 WEG vorbehalten. Gleichwohl hat das BayObLG keinen Zweifel daran gelassen, daß das Vetorecht einer positiven Inhaltskontrolle standhielt, dabei aber betont, daß das Vetorecht in seiner Wirkung hinter einem Mehrstimmrecht zurückbleibe (aaO., 286). Nach einem Beschluß des KG vom 10.1.1994 (NJW-RR 1994, 525, 526) und einem Beschluß des OLG Hamm vom 25.2.1986 (DWE 1990, 70, 72) findet die privatautonome Gestaltungsmöglichkeit daran ihre Grenze, daß die Stimmrechtsregelung nicht zu einem allgemeinen Ausschluß eines Wohnungseigentümers von seinem Stimmrecht führen darf. In der Literatur wird das Mehrstimmrecht kontrovers diskutiert. Der vorstehend zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung hat sich Lüke (in: Weitnauer, a.a.O., § 25 Rn. 8) angeschlossen, wobei die Beschlüsse des BayObLG vom 02.04.1997 und des OLG Oldenburg vom 22.10.1996 naturgemäß noch nicht kommentiert werden konnten. Demgegenüber will Lotz-Störmer (Stimmrechtsausübung und Stimmrechtsbeschränkung im Wohnungseigentumsrecht, 1993, 255) einer Seite 3 Stimmrechtsregelung gem. § 138 BGB die Wirksamkeit versagen, bei der unter Vereinbarung des Wertprinzips und Zuordnung eines überproportionalen Miteigentumsanteils in der Sache ein Mehrheitsstimmrecht eingeräumt wird, ohne daß die „Eigentümerposition“ und/oder Kostentragungslast des Begünstigten damit korrespondiert. Auch Merle (in: Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 25 Rn. 33) versagt dem durch überproportionale Zuordnung von Miteigentumsanteilen modifizierten Wertprinzip die Anerkennung, hält jedoch beim Objektprinzip eine disproportionale Verteilung der Stimmkraft aufgrund der unterschiedlichen Größe von Wohnungseigentumsrechten für wirksam. 3. Auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen bedeutet dies: Die hier zu beurteilenden Stimmrechtsregelung kann als Einräumung eines Mehrstimmrechtes zugunsten des Eigentümers der Wohnung 1 betrachtet werden. Basis eines solchen Mehrstimmrechtes auf der Grundlage des Objektprinzips wäre, daß eine Wohnung grundsätzlich ihrem Eigentümer nur eine halbe Stimme gewährt. In der Konsequenz der vorstehend zu Ziff. 2 zitierten oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung dürfte dieser Regelung die Wirksamkeit nicht zu versagen sein. Eine andere Beurteilung liegt jedoch zumindest nahe, wenn man die von Lotz-Störmer und Merle vertretene Position zum sog. modifizierten Wertprinzip zugrunde legt. 4. U.E. spricht für die Wirksamkeit der vorliegenden Stimmrechtsregelung folgende Überlegung: Würde es sich zunächst nur um zwei Wohnungen mit je einer Stimme (Objektprinzip) handeln und würde später eine der Wohnungen in zwei Wohnungseigentumseinheiten unterteilt, so würde auf der Basis des Objektprinzips auf die beiden Eigentümer der aus der Unterteilung hervorgegangenen Wohnungseigentumseinheiten je 1/2 Stimme entfallen (OLG Düsseldorf, OLGZ 1990, 152, 155; OLG Köln, WE 1992, 259 f.; Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 25 Rn. 40; Weitnauer/Lüke, a.a.O., § 25 Rn. 13). Wird ein Wohnungseigentum in zwei oder mehr Wohnungseigentumseinheiten unterteilt, ist für eine Vermehrung der ursprünglichen Stimmenzahl nur Raum, wenn die Gemeinschaftsordnung dies für die Unterteilung eines Wohnungseigentums vorsieht (BayObLG NJWRR 1991, 910; OLG Köln, WE 1992, 259, 260; Weitnauer/Lüke, a.a.O., § 25 Rn. 13 a.E.). Dies bedeutet: Hätte der Bauträger vorliegend anstelle der Wohnungen 2 und 3 eine einheitliche Wohnung vorgesehen und würde diese später unterteilt werden, so würde sich auf der Basis des Objektprinzips die hier zu beurteilende Stimmrechtsverteilung von selbst ergeben. Für die Zulässigkeit der vorliegenden Stimmrechtsregelung spricht u.E. weiter, daß nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben zulässigerweise mit bestimmten Geschäftsanteilen Mehrstimmrechte verbunden werden können (OLG Frankfurt a. M., GmbHR 1990, 79, 80; BayObLG DNotZ 1986, 373, 375 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 47 Rn. 11). Die Einführung von Mehrstimmrechten im Wege der Satzungsänderung bedarf nach Maßgabe des Gleichheitsgrundsatzes der Zustimmung aller nicht bevorrechtigten, übrigen Gesellschafter (OLG Frankfurt a. M., a.a.O.; Scholz/Winter, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 14 Rn. 20). Wenn aber die durch den Eigentümer des ungeteilten Grundstücks mit der Teilungserklärung einseitig gesetzte Gemeinschaftsordnung einer einstimmigen Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG gleichsteht, so muß auch in der Teilungserklärung ein Mehrstimmrecht vorgesehen werden können. U.E. kann der von Frau N. beabsichtigten Regelung daher nicht die Wirksamkeit versagt werden. Seite 4 Gutachten des DNotI sind nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt und eine Veröffentlichung oder Vervielfältigung ist nicht zulässig.