Die Handlung
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Die Handlung
Candide Eine Einführung Voltaires philosophischer Roman «Candide ou l´Optimisme» erschien 1759 anonym. Von seinem Autor als trivialer Scherz verleugnet wurde Candide doch bald anerkannt, viel gelesen, belacht, verdammt, gelobt, interpretiert, illustriert, auf den Index gesetzt, missverstanden und in seiner bleibenden Aktualität erst spät anerkannt. Stilistisch und thematisch von souveräner Vielseitigkeit, die Geschichtliches, Philosophisches und Dichterisches vereint, ist die Geschichte der Abenteuer des gutgläubigen Candide in einer Welt wechselnder Realitäten und Utopien auf den ersten Blick ein gelungener Spaß. Alexander Pope schließt den ersten Teil seines „Versuchs über den Menschen“ mit dem erschreckenden Vers: „Eine Wahrheit steht fest: Was immer ist, ist recht.“ Teil II von Händels erhabenem Drama „Jephta“ endet mit einem Chor von tragischer Strenge: „Was immer ist, ist recht.“ Voltaire schrieb Candide, um Einspruch gegen diese, von Leibniz initiierte Überzeugung einzulegen. Er verspottet die Philosophie, alles stünde zum Besten in der besten aller möglichen Welten. Die ostentativ-boshafte Lustigkeit täuscht nicht über die latente Problematik der Geschehnisse hinweg. Voltaire orientiert sich am hellenistischen Trennungsroman (vgl. Heliodors Aithiopika Cervantes´ Trabajos de Persiles y Sigismunda), dessen peripetienreiche Handlungsführung in idealtypischer Weise das Spiel von Kontingenz und Vorsehung spiegelt und so die Theoreme der Aufklärung – den Glauben an die Maschinenwelt und die Mündigkeit des Individuums – anzuzweifeln erlaubt. Hier wird nicht nur das politische und soziale Gefüge der Zeit angegriffen, sondern der Sinn des Lebens an sich mitsamt seinem Schöpfer in Frage gestellt. Dennoch wäre es einfach, den Candideim Sinne seines Untertitels als satirische Attacke gegen den Optimismus und seine Kosmologie, gegen die Lehre von der Zweckmäßigkeit und deren Vertretern Leibniz, Wolff und Pope zu interpretieren. Das Werk ist doppelsinnig und widersprüchlich, sowohl pessimistisch, zynisch und skeptisch als auch optimistisch. Gutes und Böses halten sich die Waage in der von Voltaire beschriebenen Welt. Er entlarvt Utopien, Heilslehren und jedes Paradies auf Erden als Illusion und setzt nach kritischer Prüfung allen Seinsspekulationen den Mut zur Arbeit, wenn nicht als letzten Sinn des Lebens, so doch als Möglichkeit, es mit Würde zu bestehen, entgegen. Die Handlung 1. Akt Die Geschichte beginnt in Westfalen auf Schloss Thunderten Tronck, dem schönsten aller möglichen Schlösser. Hier sind die glücklichsten aller glücklichen Menschen zu Hause. Da ist der Herr Baron, einer der einflussreichsten Edelleute überhaupt, weiter die Frau Baronin nebst ihrem Sohn Maximilian, dem hübschesten Burschen des ganzen Landes überhaupt. Des Weiteren sei ihre Tochter Kunigunde genannt, der Liebreiz an sich, was besonders ihr unedler Cousin Candide findet. Er ist arglosen Gemütes, jede Regung seiner Seele spiegelt sich auf seinem Antlitz wider. Meister Pangloss ist der größte aller Philosophen und somit auch der ganzen Welt. Bei ihm lernen die jungen Leute, dass sie in der besten aller möglichen Welten leben. Nach dem Unterricht erteilt Pangloss der hübschen Kammerzofe Paquette Spezialunterricht in der Aneinanderreibung zweier Körper unterschiedlichen Geschlechts. Frl. Kunigunde beobachtet sie und will nun mit Candide dieses physikalische Experiment ausprobieren. Das Experiment gelingt, aber beider Zeugen werden Baron und Baronin, und ein Fußtritt befördert Candide aus der besten aller möglichen Welten. Candide wird in die Bulgarische Armee zwangsrekrutiert, muss dort Spießrutenlaufen und kann gerade wieder gehen, als die Bulgaren ihrem bevorzugten Schlachtziel Westfalen den Krieg erklären, dort einfallen und auch die Familie des Barons niedermetzeln. Candide versteckte sich während der Schlacht so gut er konnte. Er trifft auf einen alten Mann, dem die Syphilis die Nasenspitze abgefressen hat. Es ist Pangloss, der trotz aller schlechten Erfahrungen ein Loblied auf die Liebe anstimmt. Von ihm erfährt Candide, dass das Schloss zerstört und alle seine Bewohner dahin gemetzelt wurden. Um Pangloss zu kurieren, ziehen sie nach Lissabon, wo sie zwar bei einem Erdbeben und einem Vulkanausbruch gerade noch mit dem Leben davonkommen, aber der Ketzerei beschuldigt und von dem Generalinquisitionsgericht verurteilt werden. Sie werden zum Autodafé – einer vom Volksfest umwogten öffentlichen Folterung und Hinrichtung – geführt; Pangloss wird gehängt, Candide ausgepeitscht. In Paris hat unterdessen eine geheimnisvolle Schöne die Herzen zweier Männer erobert, das des reichen Juden Isaschar und des Erzbischofs von Paris. Ihr zur Seite ist eine Old Lady, Tochter des Papstes Urban X. und nur mit einer halben Hinterbacke versehen. Candide, den ein glücklicher Zufall nach Paris verschlagen hat, erkennt zu seinem Erstaunen in der geheimnisvollen Schönheit seine geliebte Kunigunde. Den Juden und den Erzbischof sticht der sanftmütige Candide aus Versehen tot. Unter Mitnahme sämtlicher Juwelen fliehen Old Lady, Kunigunde und Candide nach Cadiz. Candide wird als Hauptmann angeworben, für die Sache der Jesuiten in Südamerika zu kämpfen. Zusammen mit Kunigunde, Old Lady und Cacambo, einem Viertelspanier, der sich als getreuer und welterfahrener Diener anbietet, geht es in die „Neue Welt“. 2. Akt Hoffnungsvoll kommen Candide, Kunigunde und die Old Lady in Buenos Aires an. Ohne ihr Wissen treffen zufällig auch Maximilian und Paquette, wunderbarerweise zu neuem Leben erweckt, gleichzeitig dort ein, beide als Sklavenmädchen verkleidet. Maximilian wird durch einen verliebten Jesuitenpater von der Bildfläche geschafft. Candide wird von der Old Lady in den Dschungel geschickt unter dem Vorwand, die Polizei sei ihm bis Südamerika auf den Fersen. Allein zurückgeblieben feiern Kunigunde und die Old Lady den Triumph ihrer Weiblichkeit. Candide trifft im Dschungel auf ein Jesuitenlager, wo er der Schar der Büßer beitritt. Zufällig findet er dort Maximilian und Paquette wieder. Als Candide Maximilian erzählt, dass auch Kunigunde noch lebt und er sie heiraten will, ist dieser außer sich vor Empörung über seinen nicht standesgemäßen Vettern. Candide sticht ihn aus Versehen tot und flieht in den Dschungel. Dem Hungertod nahe finden Candide und Cacambo ein verlassenes Boot. Auf einem großen Fluss lassen sie sich stromabwärts treiben und landen nach 24 Stunden Finsternis in Eldorado, einer Märchenstadt aus Gold und Juwelen. Hier ist es noch schöner als in Westfalen. Die Steine im Staub sind Edelsteine und der Staub Goldstaub. Trotz Reichtümern im Überfluss ist Candide nicht glücklich ohne Kunigunde. Er will gleich weiterreisen und, um Kunigunde freikaufen zu können, bittet er, einige mit Edelsteinen beladene Schafe mitnehmen zu können. Ein Schaf nach dem anderen kommt auf ihrer strapaziösen Reise zu Tode. Mit einem letzten Schaf schickt Candide Cacambo nach Buenos Aires, um Kunigunde freizukaufen. Er selbst will nach Venedig voraus. Ein holländischer Händler kommt dahinter, dass Candide auf seinem Schaf Reichtümer transportiert und bietet ihm ein Boot an, dass rein zufällig mit Ziel Venedig in See sticht. Die guten Wünsche für die Überfahrt erweisen sich als Hohn, denn das seeuntüchtige Schiff ist dem Untergang geweiht. Ebenso ergeht es aber auch der Mannschaft des Holländers mit dem geraubten Schaf, welches Candide retten kann. In den Fluten trifft er auf den abermals wie durch ein Wunder wiedererstandenen Pangloss sowie fünf entthronte Könige. Die Könige haben ihre Lektion gelernt: Sollten sie je Land erreichen, wollen sie in Bescheidenheit und Demut leben. Als das Floß landet, befinden sie sich in einem venezianischen Casino zur Zeit des Karnevals. Die Könige stürzen sich unverzüglich in das einfache Leben des Roulettes. Ein Seemann will Candide zu Kunigunde führen, trifft aber auf die Königin der Kurtisanen, auf Paquette und wird beinahe vom Polizeipräfekten, der kein anderer als Maximilian ist, festgenommen. Cacambo hat inzwischen Kunigunde und Old Lady freigekauft. Doch wurden sie auf ihrer Heimreise beraubt und bedroht und sind jetzt Animiersklavinnen des berüchtigten Prinzen Ragotski, welcher eben jenes Spielkasino führt. Mit Glück, Geld und Mut können Kunigunde, Old Lady sowie Paquette und auch Maximilian im Roulette freigewonnen werden. Zu guter Letzt verfügen sie über genug Geld, um sich in der Nähe von Venedig einen kleinen Bauernhof zu kaufen und dort ihr gemeinsames Glück zu finden.