Dossier als PDF - Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee eV
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Dossier als PDF - Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee eV
0-2007 Dossier Ein Dossier von AKLHÜ in Zusammenarbeit mit der Redaktion „welt-sichten“. Lernen und tatkräftiges Helfen Der BMZ-Freiwilligendienst „weltwärts“ Eine EIRENE-Freiwillige unterstützt ein Projekt für Mikrokredite im Niger Foto: Brigida Ferber/EIRENE Dr. Charlotte Schmitz, verantwortliche Redakteurin Editorial Inhalt Nach dem Schulabschluss wünschen sich viele Jugendliche eine „Auszeit“, bevor die Mühle Berufsausbildung – Arbeit sich weiter dreht. Nicht wenige möchten einen Aufenthalt in fernen Ländern mit tatkräftigem Engagement verbinden. Dafür bietet das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) nun die Rahmenbedingungen: Mit dem Programm „weltwärts“ werden Freiwilligendienste verschiedener Träger unter ein Dach gebracht. Dieser Schritt wird von nahezu allen Akteuren der Entwicklungspolitik begrüßt. Über die Ausgestaltung und Finanzierung des Programms herrschen allerdings noch unterschiedliche Meinungen. Wir stellen die Möglichkeiten des Programms „weltwärts“ und die Debatte darüber vor. Interessentinnen und Interessenten finden in diesem Dossier Informationen zu Kriterien für die Wahl eines Projekts, das sie unterstützen möchten. 3 Engagement für eine gerechte Globalisierung Hartwig Euler 6 Mit „weltwärts“ in den Süden Laura Fuesers, Santiago Alonso Rodriguez 8 Kein Bedarf an Besserwissern Peggy Niezel 9 Vom Lernen zum Lehren Andrea Schwieger Hiepko 12 Die schmackhaften Seiten des Sandwiches Monika Dülge, Manfred Belle 13 Freiwillige sind keine Touristen Elisabeth Freise 15 Und was kommt danach? Kambiz Ghawami 18 Erfahrungen aus Lateinamerika Peter Nilles 19 Kooperation ist gefragt Jürgen Deile Kommentar: 21 Nachhilfeschüler Cornelia Füllkrug-Weitzel 23 Materialien 24 Impressum Dossier 0-2007 | 3 Freiwilligendienste Dossier Engagement für eine gerechte Globalisierung Das BMZ-Programm „weltwärts“ hat eine lange Vorgeschichte – Erfahrungen des AKLHÜ Foto: AKLHÜ | Hartwig Euler Der neue Freiwilligendienst des „Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) ist ein Novum, denn er ermöglicht, dass erstmals deutsche Fördermittel in einem größeren Umfang für einen außereuropäischen Freiwilligendienst eingesetzt werden. Ein zweites Novum ist die angestrebte Zahl von 10.000 Freiwilligen in diesem Programm. Weltweit gibt es kein vergleichbar großes Programm. Die Beur- | Dossier 0-2007 teilungen dieser Initiative gehen weit auseinander. Wer hat einen Nutzen an einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst? Welch sind die unterschiedlichen Interessen? Wo birgt ein Freiwilligendienst gar Risiken oder ist vielleicht unerwünscht? Anfang des letzten Jahrhunderts wurden auf Grund des Ersten Weltkriegs und der damit einhergehenden gesellschaftspolitischen Veränderungen unterschiedliche Ideen für ein persönliches Engagement in Form von unentgeltlichen Arbeitseinsätzen entwickelt. Die ersten internationalen Arbeitseinsätze, bei denen der Lernaspekt noch nicht im Vordergrund stand, waren Beiträge zur Not- und Ka- Ein Freiwilligeneinsatz wie hier im Niger stärkt die interkulturelle Kompetenz. Doch der Zuwachs an eigenen Erfahrungen sollte nicht der einzige Beweggrund sein, am „weltwärts“-Programm teilzunehmen. tastrophenhilfe. Das Lernen machte bei dieser Form freiwilligen Engagements noch keinen expliziten Bestandteil aus.1 Die damals friedenspolitisch orientierten Trägerorganisationen, die auch heute noch internationale Freiwilligendienste anbieten, verfolgten klar formulierte Ziele. Es galt, Vorurteile zu überwinden und Feindschaften zwischen den Völkern abzubauen bzw. Verständ- Dossier Freiwilligendienste Foto: AKLHÜ 4 Gemeinsames Arbeiten stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit. | Soziales Kapitel für mehr Demokratie nis für andere Lebensumstände zu gewinnen sowie sozialer Ungerechtigkeit zu begegnen. Aus diesem Ansatz erwuchsen erste Konzepte, deren integrale Bestandteile Bildung und somit auch Lernen waren2. Damit sind bereits drei beteiligte Parteien bei einem Freiwilligendienst ausgemacht. Einerseits die Trägerorganisationen, die einen Freiwilligendienst mit Bildungs- und Lernelementen entwickeln, andererseits die Freiwilligen selbst, die individuelle Erfahrungen in einer globalisierten Welt machen möchten, und schließlich die Partner in den Gastländern, die für diese Anliegen einen authentischen Raum schaffen. | MDGs gemeinsam erreichen In der innenpolitischen Debatte und auch im internationalen Kontext spielt das zivilgesellschaftliche Engagement zunehmend eine gewichtige Rolle. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Bericht zur Zukunft der Freiwilligendienste für eine gezielte Förderung des freiwilligen Engagements in Deutschland ausgesprochen3. Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst ist dabei ein Element. Ein weiterer Hintergrund für staatliches Förderinteresse im entwicklungspolitischen Bereich ist die Aufforderung der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD), die öffentliche Wahrnehmung der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland zu stärken und eine öffentliche Unterstützung nicht nur der Nothilfe, sondern auch der langfristigen Entwicklung sicher zu stellen4. Zudem empfehlen auch die Vereinten Nationen, junge Menschen bei der Erreichung der „Millennium Development Goals“ (MDG) mit einzubinden5. Zentraler Ansatz der Vereinten Nationen ist, dass eine Investition in junge Menschen eine lang anhaltende und effektive Dividende in den Aufbau sozialen Kapitals für demokratische Bürgergesellschaften darstellt. Durch die Bereitstellung von staatlichen Fördermitteln sollen demnach staatliche entwicklungspolitische und innenpolitische Ziele angestrebt werden. Um das von der OECD benannte entwicklungspolitische Ziel der Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu erreichen, setzt sie „eine breit fundierte Unterstützung sowohl auf Regierungsebene als auch seitens der Zivilgesellschaft, insbesondere der politischen Stiftungen, kirchlichen Verbände und Nichtregierungsorganisationen, voraus“6. Der „U.S. Peace Corps“, mit derzeit 7.749 Freiwilligen7 ähnlich groß wie das vom BMZ geplante „weltwärts“-Programm, formuliert als seine zentrale „Mission“, „Weltfrieden und Freundschaft zu unterstützen“. Er will drei Ziele erreichen: 1. interessierte Partnerländer mit ausgebildeten Männern und Frauen zu unterstützen, 2. in diesen Ländern ein besseres Verständnis für US-Amerikaner zu erreichen und 3. ein besseres Verständnis für andere Kulturen in den USA zu bewirken. Der BMZ-Freiwilligendienst strebt folgende Ziele8 an: : • Junge Menschen sollen sich für globale Themen engagieren (Bewusstseinsbildung). • Nachwuchsförderungskräfte sollen gewonnen werden. • Ein Beitrag zur Völkerverständigung soll geleistet werden. • Zivilgesellschaftliche Strukturen in den Entwicklungsländern und auch in Deutschland sollen gestärkt werden. Werden die entwicklungspolitischen Ziele des BMZ auch von den Gastländern mitgetragen? Und haben die zivilgesellschaftlichen Beteiligten im Freiwilligendienst weiterhin eine selbstbestimmte Rolle oder werden sie zu Auftragnehmern degradiert? Aus den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass der entwicklungspolitische Freiwilligendienst sowohl entwicklungspolitisch als auch innenpolitisch begründet wird. Was aber mögen die Interessen der Entwicklungsländer sein? Auf einer internationalen Konferenz9 ergab sich im September 2007 erstmalig die Möglichkeit, den Freiwilligendienst „weltwärts“ mit Vertretern von Partnerorganisationen und damit aus der Perspektive der Entwicklungsländer zu diskutieren. Aus der Südperspektive wird das deutsche Interesse an einer zivilgesellschaftlichen Stärkung begrüßt und unterstützt. | Beitrag zum Karrieresprung? Dennoch wird darauf verwiesen, dass junge Menschen aus entwickelten Ländern bereits in großer Zahl Lernerfahrungen in Entwicklungsländern machen und diese Erfahrungen für ihre individuelle Karriere und persönliche Entwicklung nutzen. Tendenziell möchten Entwicklungsländer keine große Anzahl ungelernter junger Menschen aus den Ländern des Nordens10 aufnehmen. Genau wie die entwickelten Länder sind sie allerdings daran interessiert, ihren eigenen Jugendlichen die Möglichkeit eines Lerndienstes im Ausland zu bieten. Einige Entwicklungsländer entsenden bereits Freiwillige in internationale Projekte in Ländern des Nordens, so etwa die Philippinen. Diese Entwicklungen gilt es zu stärken. Die Südpartner verweisen allerdings darauf, dass weiterhin ein Bedarf an qualifizierten Fachkräften aus dem Norden besteht. Demokratische Strukturen und hohes bürgerschaftliches Engagement wünschen sich auch die Partner des Süden und würden es sehr begrüßen, wenn im Rahmen des entwicklungs- Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier „Wir hoffen auf den Tag, da die Jugend einen freiwilligen Beitrag zur Entwicklung eines Landes in Übersee oder einer zurückgebliebenen Gegend der eigenen Heimat als politischen Freiwilligendienstes auch zivilgesellschaftliche Prozesse im nationalen Kontext gestärkt werden könnten, beispielsweise durch die gleichzeitige Förderung nationaler Strukturen zum Aufbau von Freiwilligendiensten. Eine Broschüre zum „Freiwilligen Sozialen und Freieigenen Bildung und willigen Ökologischen Jahr“ Reifung versteht.“ trägt die Aufschrift „Für mich und für andere“. Der Maha Thray Sithu U Thant, Generalsekretär der Vereinten damit angesprochene SpaNationen von 1961-1971 gat in der Zielrichtung muss auch beim entwicklungspolitischen Freiwilligendienst im Blick behalten werden. Viele junge Menschen möchten nach | Stärkung der Zivilgesellschaft dem Schul- oder Universitätsabschluss eine Häufig fehlt es in Entwicklungs- und Transforaußergewöhnliche Erfahrung erleben. mationsländern an Strukturen für zivilgesell| Abenteuerurlaub auf Staatskosten? schaftliches Engagement. Auch mag es an Der Freiwilligendienst darf jungen Menschen Strukturen zur Begleitung und Betreuung aber nicht als Abenteuerurlaub auf Staatskosdeutscher Freiwilliger in den Einsatzplätzen ten angeboten werden. Es gilt, die Freiwilligen fehlen. Ähnlich wie bei Entwicklungsdiensten, sorgfältig auszuwählen. Sie müssen sich und bei denen Fachkräfte häufig zur Stärkung der ihre Motivation gut kennen. Interessierte müsNachhaltigkeit mit einem lokalen Counterpart sen sich über die Gastkultur, den Einsatzplatz, zusammenarbeiten, könnte auch „weltwärts“ die Erfahrungen und Erkenntnisse vorheriger eine Stärkung zivilgesellschaftlicher StruktuFreiwilliger im Projekt informieren. Ihre Rolle ren im Umfeld des Freiwilligeneinsatzplatzes im Projekt, ihre eigenen Erwartungen sowie ihanstreben. re Anpassungsfähigkeit sollten geklärt sein. Gute Entsendeorganisationen begleiten in der Freiwilliges Engagement in Übersee war und Vorbereitungszeit die Freiwilligen auf diesem ist auch eine Frage der finanziellen Ressourcen. Weg12. Internationales freiwilliges Engagement von Seiten der Entwicklungsländer in Deutschland Eine erste Möglichkeit der Orientierung wird (Reverse- oder Incoming-Programme) ist auf Interessierten auf der Internetseite www.rausGrund der finanziellen Möglichkeiten in den vonzuhaus.de der „Fachstelle für InternationaPartnerländern und den rechtlichen Bedingunle Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschgen im Aufnahmeland Deutschland nur land e.V.“ und für außereuropäische Freiwillischwer möglich. geneinsätze insbesondere bei www.entwicklungsdienst.de, der Internetplattform des ArEines dieser Incoming-Programme (im Rahbeitskreises „Lernen und Helfen in Übersee men der „Internationalen Freiwilligendienste e.V.“ (AKLHÜ) geboten. Der Arbeitskreis ist häufür unterschiedliche Lebensphasen“) wird in fig die erste Anlaufstelle für Interessierte, die einer Pilotphase der generationsübergreifensich im Ausland engagieren wollen. Ihm den Freiwilligendienste11 vom Arbeitskreis „Lernen und Helfen in Übersee“ e.V. koordiniert. kommt „daher eine wichtige Rolle zu, ob MenErste Evaluationsergebnisse lassen erkennen, schen sich für einen derartigen Dienst entdass solche Maßnahmen erfolgreich entwickscheiden und auf eine neue Herausforderung lungspolitische Inlandsarbeit und interkultueinlassen“.13 „Manch’ Entwicklungshelferin oder Entwicklungshelfer hat über einen Freirellen Austausch auf Seiten der Partnerorganiwilligendienst sein Engagement begonnen“.14 sationen ermöglichen. Für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst hat das BMZ außerdem eine eigene Internetseite bereitgestellt (www.weltwaerts.de). | Dossier 0-2007 normalen Bestandteil der | Zeit der Umwälzungen Bei der Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes, der in seinen Anfängen dem neuen BMZ-Freiwilligendienst ähnelte15, sich aber auf Grund der geforderten hohen Qualifikation der Entwicklungshelfer und Entwicklungshelferinnen von seiner Ausgangslage entfernt hat, hatte die Bundesregierung einem spezifischen Konstrukt zugestimmt, um vor allem die zivilgesellschaftlichen Organisationen in die entwicklungspolitische Zusammenarbeit verantwortlich mit einzubinden. Der AKLHÜ, in dem viele dieser Organisationen zusammengeschlossen sind, wurde damals neben der Bundesregierung Mitgesellschafter des „Deutschen Entwicklungsdienstes“ (DED). Diese Aufstellung hat sich über Jahrzehnte bewährt. Die dauerhafte Gestaltung der zukünftigen Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Trägerorganisationen ist beim neuen Freiwilligendienst eine noch offene Frage. Bereits 1965 regte der AKLHÜ rechtliche Regelungen für internationale Freiwilligendienste von einem Jahr Dauer an. Seitdem wird auf den rechtlichen Klärungsbedarf kontinuierlich hingewiesen. Zuletzt noch durch das „Eckpunktepapier zum Gesetz zur Förderung eines internationalen Freiwilligendienstes16“. Längerfristige internationale außereuropäische Freiwilligendienste stehen auf Grund des BMZ-Freiwilligendienstes vor großen Umwälzungen. Alle Beteiligten sollten sich in der Pilotphase dafür einsetzen, dass das gemeinsame Ziel, die Unterstützung von demokratischen Strukturen durch Menschen, die sich sozial engagieren und aktive Zivilcourage üben | | wollen, auch erreicht werden kann. Hartwig Euler ist Geschäftsführer des Arbeitskreises „Lernen und Helfen in Übersee e.V.“. 5 6 Dossier Freiwilligendienste Mit „weltwärts“ in den Süden Der neue entwicklungspolitische Freiwilligendienst des BMZ Anmerkungen 1) Außerschulische Bildung 4-2005, Materialien zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung – Mitteilungen des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V., Arno Thomas, Seite 415, „Tradition trifft Moderne – Internationale Workcamps zwischen Völkerverständigung und Globalisierung“. Siehe auch Dieter Dankwortt/Dieter Claessens: Jugend in Gemeinschaftsdiensten, München 1957, Seite 11ff. 2) ebenda 3) Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, Drucksache 16/6145 vom 19.07.2007, Bericht der Bundesregierung zu Prüfaufträgen zur Zukunft der Freiwilligendienste, Ausbau der Jugendfreiwilligendienste und der generationsübergreifenden Freiwilligendienste als zivilgesellschaftlicher Generationenvertrag für Deutschland. Seite 4, 1d) Entwicklungspolitischer Freiwilligendienst. Siehe auch: Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode, Drucksache 14/8006 vom 17.01.2002, Entwicklungspolitisches Jugendprogramm „Solidarisches Lernen“. 4) DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland, OECD 2005. 5) Youth and the Millennium Development Goals: Challenges and Opportunities for Implementation, Final Report of the AD HOC Working Group for Youth and the MDG’s, April 2005. 6) DAC-Prüfbericht über die Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland, OECD 2005. | Laura Fuesers und Santiago Alonso Rodriguez Mit dem neuen Förderprogramms „weltwärts“ wird es für einen breiten Kreis junger Menschen möglich, eigene Erfahrungen in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Osteuropa zu sammeln. Es gibt zwar schon viele Hilfsorganisationen, private Träger und Kommunen, die Freiwillige in Schulen, Krankenhäuser, Straßenkinderheime oder Öko-Projekte zu ihren Partnern in Entwicklungsländer schicken. Die bisherigen Einsatzplätze sind aber begrenzt und häufig teuer. Zumindest müssen die Freiwilligen meist den Flug und die Auslandsversicherung selbst zahlen. „weltwärts“ dagegen soll die Freiwilligen kein Geld kosten. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen haben ihre Erfahrungen beigesteuert und entscheidend mitgeholfen, „weltwärts“ so zu gestalten, dass es den Bedürfnissen der Partner vor Ort und der Freiwilligen selbst entspricht. 7) U.S. Peace Corps Fact Sheet 2007. 8) Richtlinien zur Umsetzung des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes „weltwärts“, Seite 3: „Kontext und Ziele des neuen Freiwilligendienstes.“ 9) IVCO 2007, Montreal, Canada – International Forum on Development Service. 10) Opportunities and Challenges for International Volunteer Co-operation, Betty Plewes and Rieky Stuart, IVCO Conference, September 17-19, 2007. 11) Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von Juni 2005 bis Juni 2008. 12) Beispielhaft hierfür: „Volunteer Charter“ von Comhlámh – development workers in global solidarity. www.comhlamh.org. 13) Grußwort der Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zur 40-Jahr-Feier des AKLHÜ. 14) ebenda 15) Siehe auch: Programmvorschlag für den Einsatz deutscher Freiwilliger in Entwicklungsländern, September 1964. 16) Stellungnahme des Gesprächskreises Internationale Freiwilligendienste. Ob man in Bolivien, Ghana oder Georgien mit Kindern Fußball trainiert, in einem Kinderheim kocht oder rings um eine Schule Bäume pflanzt: mit jeder dieser Tätigkeiten tragen Freiwillige zur Völkerverständigung bei. Sie zeigen, dass sie sich für die Belange anderer in anderen Ländern interessieren, können sich einbringen und das Gelernte nach Deutschland tragen. In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft und Gesellschaft sind Fremdsprachen, kommunikative Fähigkeiten, interkulturelle Zusammenarbeit und soziale Kompetenz von hohem Wert. Dass die Freiwilligen in den einzelnen Einrichtungen der Partnerprojekte in den Entwicklungsländern gebraucht werden, aber dennoch keine Erwerbsarbeitsplätze ersetzen, ist dabei ein wichtiges Kriterium von „weltwärts“. Um als so genannte „Entsendeorganisation“ finanzielle Unterstützung für die Entsendung von Freiwilligen zu bekommen, muss die deutsche Trägerorganisation darlegen, welche Inhalte und Ziele die Tätigkeiten der Freiwilligen haben, dass die Freiwilligen explizit von dem Organisator vor Ort gewünscht werden und ein Mentor vor Ort ihnen bei Schwierigkeiten zur Seite stehen kann. Die Partnerperspektive ist für den neuen Freiwilligendienst sehr entscheidend. Bereichernd einbringen werden sich manche Freiwillige auf Grund ihrer speziellen Fähigkeiten (Tischlern, Sprachen, Schneidern etc.). Andere tragen auf weniger offensichtliche Weise bei, zum Beispiel durch die indirekte Förderung der Zivilgesellschaft, indem sich junge Menschen über die Grenzen hinweg kennenlernen, sich von ihren Formen des Engagements in der Gesellschaft berichten und jeweils von den Aktivitäten der anderen lernen. | Wie funktioniert „weltwärts“? Mit einem jährlichen Fördervolumen bis zu 70 Mio. Euro werden ab Januar 2008 bis zu 10.000 Freiwilligenplätze pro Jahr ermöglicht. Die Freiwilligen dürfen zur Zeit der Vereinbarung über den Auslandseinsatz mit der Entsendeorganisation nicht älter als 28 und nicht jünger als 18 Jahre sein. In den Partnerprojekten der Entwicklungsländer können sie 6 bis 24 Monate mitarbeiten. Die Bundesregierung zahlt einen Zuschuss von 580 Euro pro Person pro Monat, mit dem ca. 75 Prozent der Kosten von Reise, Seminaren, Verpflegung, Unterkunft, Versicherung und Taschengeld abgedeckt werden sollten. Die restlichen 25 Prozent bringen die Entsendeorganisationen als Eigenanteil auf. Die Auslandskrankenversicherung und die Impfkosten übernimmt das BMZ zusätzlich. Für die Freiwilligen ist das Programm grundsätzlich kostenlos. Sie haben sich lediglich um einzelne persönliche Posten zu kümmern, wie z.B. ihre Anreise zu Auswahl- Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Voraussetzungen Das sollten Freiwillige mitbringen: • Interesse an den Kulturen und Lebensverhältnissen in Entwicklungsländern gesprächen vor der eigentlichen „weltwärts“-Förderung und die Beantragung und Finanzierung ihrer Visa. Die Freiwilligen können außerdem Spenden einwerben und sollten sich entwicklungspolitisch engagieren. Das Engagement der Rückkehrer ist ein besonders wichtiger Baustein von „weltwärts“, der entscheidend für die Bildungsarbeit im Inland und die Akzeptanz von entwicklungspolitischen Fragen in unserer Gesellschaft ist. Die vielseitigen Erfahrungen der Träger und der Ehemaligenvereinigungen sind im Hinblick auf die Ausgestaltung der Rückkehrerarbeit hilfreich. Bis zum Ende des „weltwärts“-Einsatzes können Spenden nur bis zu einer Höhe von 150 Euro pro Monat eingeworben werden. Die Zielgruppe ist ähnlich flexibel und bunt wie die Einsatzplätze: eingeladen sind Abiturientinnen und Abiturienten ebenso wie junge Menschen mit Hauptschul- oder Realschulabschluss plus Berufsausbildung oder vergleichbarer Eignung. Auch wer sein Studium bereits abgeschlossen hat kann noch weltwärts gehen, solange er noch nicht älter als 29 ist. Nicht-Deutsche mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland sind ebenfalls aufgefordert, sich zu bewerben. Eine Entsendung ins eigene Herkunftsland ist jedoch nicht möglich. | „weltwärts“ zählt für ZVS-Wartezeit Wer nach dem „weltwärts“-Freiwilligenaufenthalt studieren möchte, braucht sich keine Sorgen zu machen, dass er über den Auslandsaufenthalt den Studienplatz verliert. „weltwärts“ wird als Dienst im Sinne des § 19 Vergabeordnung ZVS anerkannt. Sollten die Freiwilligen einen Studienplatz erhalten und auf Grund des Freiwilligendienstes nicht antreten können, können sie sich nach dem Freiwilligendienst nochmals bewerben und haben einen Anspruch auf erneute Zulassung. Außerdem läuft für die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) | Dossier 0-2007 die Wartezeit (d.h. die Zeit zwischen Abitur und Aufnahme des Studiums) während des Freiwilligendienstes mit „weltwärts“ weiter, d.h. für die entstehen Freiwilligen keine Nachteile in Bezug auf die Wartezeit, wenn sie sich im Ausland befinden. Bisher interessieren sich hauptsächlich Frauen für einen Freiwilligeneinsatz mit „weltwärts“. Junge Männer, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind, können nach § 14 b Zivildienstgesetz über „weltwärts“ einen Freiwilligendienst leisten, der als Ersatz für den Zivildienst anerkannt werden kann. Dabei muss der Einsatz des Freiwilligen sowohl die Kriterien nach § 14 b als „anderer Dienst im Ausland“ erfüllen (z.B. Einsatzzeit von mindestens zwei Monaten mehr als der Zivildienst), als auch die Kriterien von „weltwärts“. | | • Bereitschaft zur engagierten und tatkräftigen Mitarbeit in einem Projekt der Entsendeorganisation und zur Teilnahme an dem fachlich-pädagogischen Begleitprogramm • Hauptschul- oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung, Fachhochschulreife oder allgemeine Hochschulreife oder vergleichbare Voraussetzungen • Deutsche Staatsbürgerschaft oder ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht • Gute Grundkenntnisse einer der Sprachen im Gastland • Bereitschaft zum entwicklungspolitischen Engagement auch nach dem Auslandseinsatz. Mehr unter www.weltwaerts.de Laura Fuesers ist Referentin im BMZReferat 112 (Vorhaben privater Träger; Entwicklungsdienste; DED). Santiago Alonso Rodriguez ist Regierungsdirektor und Das sollten Entsendeorganisationen mitbringen: Besuchen auch Sie die Internetseite www.weltwaerts.de. Dort finden Sie die erforderlichen Antragsformulare zur Anerkennung als Entsendeorganisation und zur Beantragung von Fördermitteln und können einen Newsletter abonnieren. Das weltwärts-Sekretariat im DED berät im Auftrag des BMZ über Näheres. Stellv. Referatsleiter im Referat 112 des BMZ. Kontakt: Postfach 12 06 19 53048 Bonn Tel.: 0228/2434444 Fax.: 0228/2434443 E-Mail: [email protected] 7 8 Dossier Freiwilligendienste Kein Bedarf an Besserwissern Was sollten Bewerber für ein freiwilliges Engagement mitbringen? | Peggy Niezel Die Möglichkeiten für einen Freiwilligendienst im In- oder Ausland sind zahlreich. Bevor man sich jedoch konkret für den vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) initiierten entwicklungspolitischen Freiwilligendienst entscheidet, sollten sich die Freiwilligen genau überlegen, warum sie sich dafür interessieren und ob sie überhaupt dafür geeignet sind. Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst soll jungen Menschen aus Deutschland1 im Alter zwischen 18 und 28 Jahren die Möglichkeit eröffnen, für einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten mit einer vom BMZ anerkannten Trägerorganisation in einem Entwicklungsland als freiwillige Helfer entwicklungspolitisch tätig zu werden. Vielfach wird sicherlich die Lust auf ferne Länder und neue Erfahrungen die Triebfeder für eine Bewerbung sein. So verständlich diese Motivationen sind, so sind diese doch bei Weitem nicht ausreichend. Es ist zunächst wichtig, sich klar zu machen, dass es sich um einen Aufenthalt in einem Entwicklungsland handelt. Damit ist vor allem gemeint, dass es sich um weltpolitisch und -wirtschaftlich benachteiligte Regionen handelt, jedoch die Freiwilligen unabhängig davon den Menschen vor Ort stets auf Augenhöhe zu begegnen haben. Die Menschen in den Partnerländern haben keinen Bedarf an besserwisserischen Westlern, die die Armutsgebiete der Welt einmal live erleben wollen („Katastrophentourismus“) oder aber sich auf einen günstigen Urlaub freuen („Safari auf Staatskosten“). | Kein Selbstzweck Darüber hinaus gilt es, sich von Anfang an vor Augen zu führen, dass mit dem Geld, welches die Bundesregierung für jeden einzelnen Freiwilligen bereitstellt, vielfach eine Familie vor Ort für mehrere Wochen leben könnte. Diese Feststellung soll nicht den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Frage stellen, sondern lediglich die Verhältnismäßigkeit klären. Das heißt, Entsende- und Aufnahmeorganisation gehen davon aus, dass die Freiwilligen die ihnen gebotene Chance für globales Lernen und Helfen verantwortungsvoll nutzen. Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst darf sich nicht zu einem Selbsterfahrungskurs wandeln, sondern muss von dem Willen getragen sein, vor Ort tatkräftig mitzuwirken und auch nach der Rückkehr die Auslandserfahrungen engagiert in Deutschland einzubringen. Gleichzeitig gilt es, den eigenen Einfluss realistisch einzuschätzen. Die Freiwilligen sollten nicht auf einen großen, schnellen Erfolg hoffen, sondern sich bewusst sein, dass Veränderungen Zeit brauchen. Außerdem ist es möglich, dass man zu Beginn im Aufnahmeland nicht überall mit offenen Armen empfangen wird, sondern sich das Vertrauen der Menschen vor Ort erst durch solide und ernsthafte Arbeit erwerben muss. Ist das der Fall, kann damit gerechnet werden, dass die Menschen für das Engagement der Freiwilligen dankbar sind. | Interesse an anderen Kulturen Ein persönlicher Bezug zu gesellschaftlichem Engagement sollte ebenfalls vorliegen. Das heißt, dass man sich entweder gesellschaftlich bereits eingebracht hat oder aber zumindest ein ernsthafter Wille glaubhaft gemacht werden kann. Denn in der Regel ist es unwahrscheinlich, dass von heute auf morgen der Wunsch nach freiwilligem Engagement entsteht. Meist hat man sich bereits längere Zeit damit auseinander gesetzt. Auch der Umgang mit Migranten im eigenen Land sollte gegeben sein, da das Interesse an Menschen anderer Nationalität im Heimatland beginnt. Freiwillige sollten mit Neu- und Wissbegierde und großem Interesse an der anderen Kultur ausgestattet sein. Trägt man nicht den ehrlichen Willen in sich, die Menschen vor Ort und deren Situation verstehen zu wollen, sollte die Idee, einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst absolvieren zu wollen, gründlich überdacht werden. | „Komisches“ Verhalten akzeptieren Es ist essentiell, den Menschen im Partnerland offen und mit Respekt zu begegnen. Auch wenn viele Dinge im Partnerland anders funktionieren und möglicherweise „komisch“ erscheinen, ist es wichtig, sich nicht zu vorschnellen, wertenden Äußerungen hinreißen zu lassen. Besser ist es, sich damit auseinander zu setzen, warum die Menschen so handeln, wie sie es tun, und sich erst daraufhin ein Urteil zu bilden. Damit der Aufenthalt für den Partner, die Entsendeorganisation und die Freiwilligen erfolgreich verläuft, ist es notwendig, funktionsfähige soziale Beziehungen aufzubauen und zu erhalten. Nicht minder notwendig sind die persönlichen Kompetenzen. Damit sind Fähigkeiten gemeint, die der eigenen physischen und psychischen Gesunderhaltung dienen. Einerseits sollte man körperlich gesund und tropentauglich sein. Außerdem sollten multikulturelle Teamfähigkeit, Anpassungsbereitschaft, Kompromissfähigkeit und ein gesundes Selbstbewusstsein vorhanden sein. Auch sollte man Situationen, die sich einem auf Grund des anderen kulturellen Hintergrundes nicht sofort | | erschließen, aushalten können. Peggy Niezel ist Medienwissenschaftlerin und freie Mitarbeiterin beim Arbeitskreis „Lernen und Helfen in Übersee e.V.“ in Bonn. Anmerkung 1) Darin inbegriffen sind deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger oder Nicht-Deutsche mit dauerhaftem Aufenthalt und Aufenthaltsrecht in Deutschland. Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Vom Lernen zum Lehren Erfahrungen von Freiwilligen im Ausland und Ausländern in Deutschland | Andrea Schwieger Hiepko Der Begriff des Freiwilligenaustauschs mutet zunächst befremdlich an. Was tauscht man denn hier aus? Die Freiwilligen werden von einem Land ins andere geschickt, oder die Freiwilligen tauschen sich untereinander über ihre Erfahrungen aus. Doch eher geht es darum, den Umstand zu bezeichnen, dass nicht nur deutsche Freiwillige weltweit in sozialen, ökologischen und kulturellen Projekten eingesetzt werden, sondern auch junge und ältere Menschen nach Deutschland kommen. Ein pädagogischer Mitarbeiter des Abenteuerspielplatzes Raitelsberg (Aki) im Zentrum Stuttgarts beschreibt seine langjährigen Erfahrungen mit ausländischen Freiwilligen: „1996, vor über zehn Jahren also, kam der erste Freiwillige aus Mexiko auf den Aki. Andres brauchte viel Humor, denn außer einer Matratze zwischen Zementsäcken hatten wir für seine Unterbringung nichts zu bieten: die musste er erstmal selbst bauen. Seither hat der Aki viele Freiwillige gesehen, sie wohnen komfortabel mit fließend Wasser, einer abschließbaren und beheizbaren Wohnung mitten auf dem Aktivspielplatz. Da war Anu, die Künstlerin aus Finnland die sich in unseren Kassenwart verliebt hat und immer noch in Deutschland ist; Elsa, die Psychologin aus Lissabon, die uns die analytische Bedeutung des Hüttenbaus für Kinder erklärte; Olga die Allrounderin; Hrön, die mit den Ponys isländisch reden konnte...“ Im Zentrum des Freiwilligenaustauschs steht der Kontakt zwischen und mit Freiwilligen aus den Ländern des Nordens und des Südens. Bei Aufnahme und Entsendung ist die Orga- | Dossier 0-2007 Foto: EIRENE-Archiv nisation und vor allem die Gewährleistung des Qualitätsstandards eines solchen Austauschs äußerst kompliziert und bedarf eines weltweiten Netzes von Partnern, die dabei helfen, Freiwillige und Projekte in der südlichen wie der nördlichen Hemisphäre zusammenzubringen und zu betreuen. | Eine Erfahrung fürs Leben Doch die Durchführung der Dienste sollte ein umfassendes Bildungsprogramm einschließen, das den Teilnehmern nicht nur Basisinformationen für ihr Auslandsjahr vermittelt, sondern sie auch inhaltlich vorbereitet. In Seminaren werden den Freiwilligen von ihrer Ausreise bis zur Rückkehr ins Heimatland Schlüsselkompetenzen vermittelt, die den interkulturellen Austausch erst möglich machen und aus dem Jahr eine Erfahrung fürs Leben werden lassen. Welches sind die Prämissen dieses Lernprozesses? Im alltäglichen Zusammenleben und in der gemeinsamen Arbeit wird die Wahrnehmung globaler Ungleichheit geschärft. Persönliche Beziehungen zwischen Menschen aus allen Teilen der Welt entstehen. Gegensei- Ein ehemaliger Freiwilliger der Organisation EIRENE informiert Interessierte über die Möglichkeiten eines Friedensdienstes. tiges Verständnis wächst und legt den Grundstein für die Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Doch das allein genügt nicht. Vielmehr müssen sich die eigenen Werte und Traditionen der kritischen Auseinandersetzung stellen. | Weltanschauungen geraten ins Wanken Wie deutsche Freiwillige ihren Aufenthalt im Einsatzland wahrnehmen, wird von ihnen zumeist intensiv dokumentiert. Dies könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass das weltanschauliche Gerüst, in dem sie vorher standen, plötzlich ins Wanken kommt und sich neue Sichtweisen eröffnen. Die verschiedenen Medien, die ihnen zur Verfügung stehen, vermitteln ihre Erfahrungen an andere Freiwillige, die in einer ähnlichen Situation sind, oder die- 9 10 Dossier Freiwilligendienste jenigen, die zu Hause miterleben sollen, was man selbst gerade erfährt. Von der E-Mail über Fotoseiten im Netz oder Blogs gibt es heute viele Wege, um Berichte bis hin zu ganzen Reisetagebüchern global zur Verfügung zu stellen. Ob nun Briefe, Berichte, Gedichte oder Songs, aus allen Texten kann man das Bedürfnis herauslesen, die vielen Eindrücke in eine leichter erfassbare Form zu bringen und anderen zu vermitteln. Foto: AKLHÜ | Phasen der Verwirrung Dabei kann man erkennen, dass das erste Drittel des Aufenthalts immer die gleichzeitig erfahrungsreichste und schwierigste Phase darstellt. Schnell stellt man fest, dass auch die beste Vorbereitung auf das Auslandsjahr die Verwirrung bei der Ankunft, „wenn alles immer ganz anders aussieht, als man es sich ausgemalt hat“, nicht verhindern kann. „Wir hatten so oft über unsere Erwartungen und unsere Motivation geredet und geschrieben, aber ich habe das Gefühl, dass jetzt, wo ich wirklich hier bin, alles irgendwie anders aussieht. Mein Beitrag zur Verbesserung der Welt erscheint mir in der konkreten Arbeit kleiner, als ich es in Deutschland immer formuliert hatte“, schrieb uns die Freiwillige Sandra aus Brasilien. Doch genau diese Irritation scheint der Katalysator für eine Auseinandersetzung mit der eigenen Anschauung zu sein. So weicht die Vorstellung, die Welt verbessern zu wollen, häufig dem Bewusstsein, sich auf andere Denk- und Lebensweisen einstellen zu müssen. An diesem Punkt beginnt bereits die Transformation des Sendungs- zu einem Aufnahmebewusstsein: vom Helfen wollen zum Lernen wollen. Die Neugier auf das Land und die Menschen, die einem begegnen, fördert den offenen Blick auf eine Realität, die zunächst verschleiert erscheint. Die dabei entstehende Unsicherheit wird über den Kontakt zu anderen Freiwilli- gen im Gastland aufzufangen versucht. Doch ist der erste Schock erst mal überstanden, versucht man, das Gelernte einzusetzen und seine eigenen Fähigkeiten in den Dienst des Projektes zu stellen. So erfahren wir häufig von einer hohen Motivation der Freiwilligen, sich auch über ihre vorgesehene Arbeitszeit hinaus in den Einsatzstellen zum Beispiel mit zusätzlichem Sprachunterricht oder gemeinsamer Freizeitgestaltung einzubringen. „Die Arbeit fiel mir mit der Zeit immer leichter. So wurde zum Beispiel das Füttern älterer Menschen, das mir zu Anfang ziemlich schwer fiel, immer einfacher und normaler. Ich konnte über die besser werdende Sprache ein Verhältnis zu ein paar Patienten aufbauen. Ich lasse mir bis jetzt noch gerne Geschichten von ihnen erzählen. Da sammelt sich so einiges an, wenn man 1911 geboren wurde“, schrieb uns Ryan aus einem Altenpflegeheim in Italien. | Das Zeitgefühl verändert sich Die Gastfamilien fördern in der Regel ein schnelles und einfaches Einleben in die neue Umgebung. So erzählt Leonie, wie sie in ihrer Wohngemeinschaft in Ghana gelernt hat, auf Errungenschaften des modernen Lebens auch einmal zu verzichten und sich einem anderen Zeitgefühl anzupassen. „Der erste Genuss eines neuen Tages war üblicherweise die schrille Stimme meiner Mitbewohnerin, aus der die pure Verzweiflung über das Nicht-Vorhanden-Sein des Stroms und des fließenden Wassers herauszuhören war. Es war nie genau vorhersehbar, wie lange wir auf die Behebung dieses Problems warten mussten, aber irgendeine Lösung fand man mit der Zeit eigentlich immer und die nötige Geduld zu haben, lernt man in Ghana wie von selbst.“ Fühlt man sich schon fast wie zu Hause, möchte man am liebsten alles Wissens- und Sehenswerte des Gastlandes erkunden und freut sich auf seine Reisezeit nach dem Freiwilligendienst. Oft beginnt auch bereits im letzten Drittel des Aufenthalts eine Form von vorweggenommener Traurigkeit darüber, diesen Ort, den man in all seiner Komplexität und Andersartigkeit zu akzeptieren gelernt hat, bald schon wieder verlassen zu müssen. | Ausländische Freiwillige in Deutschland Doch wie sieht es auf der Seite der Freiwilligen aus, die nach Deutschland kommen, um sich hier einzusetzen? Aus ihren Berichten geht kein eindeutig zu umreißendes Bild der Deutschen hervor. Der Zugang zum Deutschen wird allgemein als sehr schwierig empfunden. Auf der anderen Seite lernen Freiwillige häufig die deutsche Sprache in ihren Projekten, das heißt zum großen Teil mit Kindern, Jugendlichen, behinderten Menschen oder auch alten Menschen. Sie müssen sich nicht im Berufsleben unter dem Druck harter Konkurrenz beweisen oder sich in Ausbildungs- oder Universitätskontexten einem elaborierten Code stellen, sondern lernen die Sprache auf eine einfachere, eher intuitiv gesteuerte Weise. Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Freiwillige mit Fachkenntnissen sind besonders gefragt, wie hier ein Veterinär, der seine Erfahrung in Afrika weiter gibt. Ein „Ja“ oder „Nein“ zu interpretieren ist im „Land der Kartoffeln“ nicht vonnöten. Vielmehr wird jeder Sprecher in der Regel auf seine Äußerung festgelegt. Diese Sprachverhaltensregelung wird in fast allen Regionen der Erde unterschiedlich gehandhabt. Während in vielen afrikanischen Ländern ein „Ja“ zunächst eine Interessenbekundung ausdrückt, die gefolgt von einem „In-sch’Allah“ (So Gott will) eher als „Mal sehen“ zu verstehen ist, wird in lateinamerikanischen Ländern häufig aus einem „Nein“ nach längerer Diskussion doch noch ein „Ja“, und ist in asiatischen Ländern ein „Nein“ oft völlig verpönt. Dies kann zu einem heillosen Durcheinander und großen Missverständnissen führen. Im Freiwilligenjahr besteht die Möglichkeit eine Sensibilität für diese Fragen der Differenz zu entwickeln. | Gebrauchsanweisung für Deutschland Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Wetter in Deutschland, das oft herangezogen wird, um sich die Gesellschaft zu erklären. Die Zurückhaltung und Ernsthaftigkeit vieler Deutscher wird im Unterschied zu wärmeren Regionen der Erde gesehen, in denen die Kontakte spontaner und offener erscheinen. Durch das Bild des kälteren, verschlosseneren Deutschen ist die Kontaktaufnahme zunächst etwas erschwert, doch über dieses Hemmnis kommen die meisten Freiwilligen schnell hinweg und finden oft „Freunde fürs Leben“. Hilfestellung geben dabei die anderen Freiwilligen und Mentoren, die die ersten Schritte im fremden Land erleichtern. So verfasste beispielsweise ein ehemaliger Freiwilliger aus Indien eine Art Vademecum der interkulturellen Kompetenz für alle zukünftigen Freiwilligen, die nach Deutschland gehen. Ein kleiner Auszug: „Reserve vs. Directness: Germans can be both reserved and direct at the same time. They will take their time to warm towards you, whilst speaking their mind almost immediately. Do not be offended! It is not meant to be a personal insult. | Dossier 0-2007 Dinner-invitations: try to be punctual and bring a small gift. Generally, people will understand if you make a mistake. Don’t worry, they have been abroad and made such mistakes themselves....“ | Vorbereitung ist alles Auf Seminaren bereiten sich die Freiwilligen auf ihren Auslandsaufenthalt vor und werten ihre Erfahrungen aus. Ein Gesamtkonzept des Freiwilligendienstes umfasst Seminare, Begegnungen mit anderen Freiwilligen, den Freiwilligendienst und die schriftliche Aufbereitung als Teile eines ganzheitlichen Lernprozesses, der bereits lang vor der Reise beginnt und weit über sie hinausreicht. Als Bildungseinrichtung und nicht nur Dienstleister verstehen sich diejenigen Nichtregierungsorganisationen (NRO), die in ihren Programmen sicher stellen, dass die Teilnehmenden gründlich informiert, gut vorbereitet und begleitet werden. Die Info-, Vorbereitungs-, Orientierungs-, Zwischenauswertungs- und Auswertungsseminare dienen der Kontaktaufnahme und der gemeinsamen Erarbeitung von Themen mithilfe von partizipativen Lernmethoden, bei denen Freiwillige aus Nord und Süd die Komplexität weltweit vernetzter Gesellschaften wahrnehmen. Dadurch wird die Fähigkeit zu globalem Denken und Handeln aufgebaut. Es gibt viele Studien darüber, wie sprachliche und kulturelle Kompetenzen sich entwickeln, in welche Zeitphasen das Lernen einzuteilen ist, doch ist unbestritten, dass ein kurz befristeter Aufenthalt von nur wenigen Monaten nicht derartig nachhaltige Veränderungen einleiten kann, wie ein Freiwilligendienst, bei dem man ein ganzes Lebensjahr lang seine Familie, Freunde und Umgebung hinter sich lässt, um in eine andere Welt einzutauchen. | Lernende werden Lehrende Viele der ehemaligen Teilnehmenden empfinden die Erfahrung ihres Austauschjahres als so wichtig und lehrreich, dass sie sich im Anschluss in ihren Freiwilligenorganisationen fortbilden und ehrenamtlich einsetzen. Sie gestalten die inhaltliche Arbeit, übernehmen Verantwortung in Regionalgruppen und in den Gremien der Vereine. Durch diesen Switch vom lernenden Freiwilligen zum Lehrenden, also demjenigen, der die eigenen Erfahrungen didaktisch aufbereitet weitergibt, werden die Kompetenzen auch über die Zeit im Ausland hinaus kontinuierlich weiter aufgebaut und Fähigkeiten entwickelt, die für das spätere Berufsleben und die Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. Wie bedeutungsvoll der Austausch von Freiwilligen für die einzelnen Teilnehmer, aber auch die deutsche Gesellschaft sein kann, zeigt das Beispiel des brasilianischen Freiwilligen Dr. Luiz Ramalho, der mit dem „ICJA Freiwilligenaustausch weltweit“ 1969/1970 nach Deutschland reiste: „Ich kam aus einem autoritär regierten Brasilien in ein sich antiautoritär artikulierendes Deutschland, ich genoss Freiheit und litt mit an der deutschen Teilung. Und dann konnte ich aus politischen Gründen nicht zurück – vom ICJAner zum politischen Flüchtling, eine eher traumatische Angelegenheit! Und heute? Seit fast 30 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit, haupt- und ehrenamtlich tätig, Deutsch-Brasilianer und ‘weise’ geworden: Folgen eines Austauschjahres...“ Dr. Ramalho ist heute Bereichsleiter für Nachhaltiges Wirtschaften | | bei InWEnt. Dr. des. phil. Andrea Schwieger Hiepko arbeitet seit März 2006 als Referentin für Kommunikation für den „ICJA Freiwilligenaustausch weltweit“. 11 12 Dossier Freiwilligendienste Die schmackhaften Seiten des Sandwiches Welche Chancen bietet „weltwärts“ für die entwicklungspolitische Inlandsarbeit? | Monika Dülge und Manfred Belle Der Entwurf des geplanten Freiwilligengesetzes zielt auch darauf, die entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit im Inland zu stärken. Das geht am besten, wenn der Einsatz in Entwicklungsprojekten mit Engagement in der Inlandsarbeit verbunden werden kann. Ein Freiwilligendienst sollte dann in der hiesigen Eine-Welt-Arbeit beginnen, danach ginge es für mindestens ein halbes Jahr in ein Auslandsprojekt und abschließend wäre wieder eine Zeit für Inlandsarbeit vorgesehen. Inland-Ausland-Inland: Das so genannte „Sandwich-Modell“ würde viele Vorteile bringen. Die Vorteile einer Einbettung des Auslandsaufenthalts in Inlandsarbeit liegen auf der Hand: Die konkrete Mitarbeit in der hiesigen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit intensiviert die Vorbereitung auf den Auslandseinsatz. Bildungsprojekte setzen die eigene Auseinandersetzung mit entwicklungspolitischen Inhalten voraus. Sie motivieren, selbst zu lernen. Der Wechsel von Schule oder Uni in das Arbeitsumfeld von Nichtregierungsorganisationen und Initiativen wird bereits vor der Ausreise vollzogen, noch im gewohnten sozialen Umfeld. Es erleichtert den Einstieg in die Projektarbeit im Ausland, wenn man schon im Inland Erfahrungen mit Projektarbeit sammeln konnte und z.B. selbstständiges Handeln und Entscheiden eingeübt hat. Das entlastet auch die Träger der Einsatzstellen im Ausland: Die Freiwilligen können schneller starten und tragen weniger eigene Probleme mit sich herum. Die Umstellung auf ein fremdes Land mit verunsichernder Umgebung bleibt schließlich anstrengend genug. Besonders günstig wird es, wenn die Inlandsarbeit einen klaren thematischen oder länderspezifischen Bezug zum Auslandsaufenthalt hat. Die Verbindung kann dazu beitragen, die eigene soziale Arbeit im Ausland in einen entwicklungspolitischen Zusammenhang zu bringen. | Aktuelle Erfahrungen für die Inlandsarbeit Nach der Rückkehr geht es zurück in die Inlandsarbeit: Dieser wird es gut tun, mit lebendigen und aktuellen Erfahrungen aus dem Projektland konfrontiert zu werden. Die hiesige Bildungsarbeit ist noch lange nicht frei von Vorurteilen. Der arme Afrikaner trommelt vor seiner Hütte, so wie der dicke Europäer gerne in Lederhosen Blasmusik spielt. Hoffentlich nutzen Rückkehrer ihre Gelegenheiten, hier beherzt zu korrigieren. Das wird nicht allen gelingen, denn auch der Aufenthalt im Ausland bietet keine Garantie dafür, anderes zu sehen, als das, was man erwartet hat. Der Korrektur-Effekt würde stärker, wenn man die Freiwilligendienste mit einem Reverse-Programm ergänzt. Es ist ja nicht so, dass es in Deutschland keine Straßenkinder-Projekte und Armenküchen gäbe, von Kindergärten und Krankenhäusern ganz zu schweigen. Im Gelsenkirchener Altenheim könnten junge Senegalesen ebenso wichtige Erfahrungen machen wie deutsche Freiwillige im Aids-Waisenhaus in Lusaka. Beide korrigieren zu Hause die Klischees von Trommeln bis Blasmusik. aber auch von der Offenheit der Gruppen und Nichtregierungsorganisationen ab, ob sie für junge Menschen attraktiv sind. Sicher nicht, wenn alles so bleiben soll, wie es ist. Wahrscheinlicher als ein breiter Zustrom junger Leute in alte Gruppen ist, dass neue Gruppen entstehen, deren Mitglieder ähnliche Lebensumfelder und Erfahrungen haben. Die Freiwilligendienste und das Sandwich-Modell bieten große Chancen. Ähnliche Programme wie der konkrete Friedensdienst in Nordrhein-Westfalen können auf viele Teilnehmer verweisen, die für die Eine Welt-Arbeit zu Glücksfällen geworden sind. Wenn man das genau wissen will, muss man mit den Freiwilligen den Kontakt aufrechterhalten und das Programm auswerten. Die langfristige Evaluation des Freiwilligendienstes sollte deshalb von Anfang an mitgeplant werden. Mehr unter: www.eine-welt-netz-nrw.de | | Monika Dülge ist Mitglied im Vorstand von VENRO, dem Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen. Manfred Belle ist Koordinator für Öffentlichkeitsarbeit beim Eine Welt-Netz NRW. Viele hoffen, mit den Freiwilligendiensten würde auch die Eine Welt-Arbeit insgesamt mehr junge Leute gewinnen. Dafür verbessern sich auf jeden Fall die Voraussetzungen, wenn Tausende persönliche Erfahrungen in Entwicklungsprojekten machen. Es hängt Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Freiwillige sind keine Touristen Eine gute Qualitätssicherung gewährleistet den Nutzen von Auslandeinsätzen | Elisabeth Freise „Weniger ist mehr“ war einst ein berühmtes Motto in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Das durch „weltwärts“ angepeilte „Mehr“ an Freiwilligen sollte nicht zu weniger Qualität führen. Freiwilligendienste sind ein sehr komplexes Geschehen zwischen verschiedenen Akteuren. Erst die bewusste Gestaltung dieser Wechselbeziehungen ermöglicht einen guten Freiwilligendienst. Deshalb ist Qualitätssicherung so wichtig. „Einer meiner Unterstützer fragte mich einige Tage vor meiner Abfahrt, warum er denn meinen Bildungsurlaub unterstützen solle. Diese Frage betäubt mir jetzt noch oft meine Sinne.“ Das schreibt ein Freiwilliger in einen Rundbrief, nachdem er ein Jahr lang in einem Bukarester Straßenkinderprojekt gearbeitet hat. Seine Empörung ist nachvollziehbar. Scheinen mit der Bezeichnung „Bildungsurlaub“ die Herausforderungen, denen er sich in seinem Freiwilligendienst täglich zu stellen hat, doch völlig verkannt zu werden. Ein internationaler Freiwilligendienst ist kein Selbstzweck. Als Lerndienst ist er ein Instrumentarium, mit dem zumeist junge (und inzwischen auch ältere) Menschen in den verschiedenen Länder dieser Welt erfahren, wie z.B. soziale Missstände bearbeitet werden, wie politische Lobbykampagnen agieren und welche Mittel Staaten, Gesellschaften und ihnen selbst zur Verfügung stehen. Sie lernen durch praktische Unterstützung des vorgegebenen, manchmal auch selbst gesuchten Aufgabenfeldes. Freiwillige sind keine Touristen. Sie lernen nicht durch Zugucken und kurzes Reinschnuppern, sondern durch Mittun. | Sorgfalt geboten Dieses Verständnis von Freiwilligendienst findet sich im Konzept des BMZ zum neuen Programm des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes „weltwärts“ im Ansatz wieder, mit dem das BMZ globales Lernen fördern will. Bei vielen Organisationen, die | Dossier 0-2007 Foto: AKLHÜ jetzt schon Freiwillige in südliche Länder entsenden, geht mit der Freude über diese Initiative die Befürchtung einher, dass die Qualität eines solches Einsatzes nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Die vom BMZ anvisierten großen Zahlen legen in der Tat die Frage nahe, ob z.B. die Auswahl der Freiwilligen, die Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation und der Kontakt zur Einsatzstelle oder die Begleitung vor Ort, um nur einige Faktoren eines Freiwilligendienstes zu nennen, mit der notwendigen Sorgfalt erfolgen kann. Die Tatsache, dass das BMZ immer wieder betont, dass der Dienst für die Freiwilligen kostenlos sei, und die restriktiven Finanzierungsbedingungen verstärken diese Sorge. Die Akteure in einem Freiwilligendienst sind neben den Freiwilligen selbst die jeweilige Entsendeorganisation und die Partnerorganisation im Gastland mit ihrem Aufnahmeprojekt. In diesem Dreieck spielt sich zunächst der Freiwilligendienst ab. Alle drei Ein Reverse-Programm würde bedeuten, dass Freiwillige auch aus Entwicklungsländern in Deutschland soziale Projekte unterstützen, wie hier etwa ein Altenheim. stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, und nur wenn diese Wechselbeziehungen bewusst sind und transparent geregelt werden, kann der Freiwilligendienst gelingen. Die Mindeststandards, wie sie z.B. von der Berliner Zertifizierungsagentur QUIFD (Qualität in Freiwilligendiensten) vorlegt werden, stellen ein Regelwerk für Entsendeorganisationen vor, wie diese Wechselbeziehungen gestaltet werden können. | Liste von Mindeststandards Die Mindeststandards betreffen verschiedene Bereiche: die Selbstdarstellung der Organisation und ihre Öffentlichkeitsarbeit, die Auswahl, die Vor- und Nachbereitung, die Kooperation mit der Partnerorganisation, die Organisation und Begleitung des Dienstes und die Bildungsmaßnahmen. 13 14 Dossier Freiwilligendienste Ist es nicht wahrscheinlich, dass unter dem Druck, möglichst viele Freiwillige zu vermitteln, nicht genau hingeschaut wird? Es sind strukturelle Standards. Sie beschreiben weniger, wie etwas zu regeln ist, sondern dass es zu regeln ist. Mit der Einhaltung dieser oder ähnlicher Standards, wie sie in der Zwischenzeit auch von anderen Organisationen entwickelt und um inhaltliche Standards erweitert wurden (siehe z.B. Qualitätsstandards pädagogischer Begleitmaßnahem im grenzüberschreitenden Freiwilligendienst der „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“, AGDF) sind die Grundlagen für einen qualitativ hochwertigen Freiwilligendienst gelegt. Für die zukünftige Ausgestaltung des Freiwilligendienstes und eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Entsendeorganisation, Freiwilligen und Partnerorganisation spielt es eine große Rolle, wo der Dienst stattfindet. | Tradition des „volunteering“ Der Unterschied zwischen Freiwilligendiensten in Ländern, die selbst eine Freiwilligendiensttradition haben, und Ländern, in denen diese Tradition unbekannt oder unter dem Generalverdacht der Ausnutzung steht, ist sehr hoch. Die klassischen Länder der Freiwilligendienstes sind die anglophonen, allen voran die USA, die das „volunteering“ als überlebensnotwendiges Element in ihrer eigenen Geschichte erlebt haben und die bis heute weite Teile ihres Sozialsystems über freiwillige Dienste abdecken. In vielen sozialen Einrichtungen, aber auch in anderen Bereichen, sind nationale und internationale Freiwillige selbstverständlicher und auch eingeplanter Teil der Belegschaft. Eine hohe Anerkennungskultur, Organisations- und Begleitstrukturen sorgen in der Regel für einen effizienten Einsatz. Ein gemeinsames Verständnis über Freiwilligendienste zwischen der Partnerorganisation und der Entsendeorganisation zu erzielen, sollte am Anfang einer jeden Kooperation stehen, entwickelt sich aber, wenn überhaupt, oft erst in der konkreten Praxis und da häufig über Konflikte. Die Initiative des BMZ, die Entsendung von Freiwilligen im großen Umfang in alle Länder zu fördern, die auf der OECD-Liste der Entwicklungsländer stehen, wird Freiwillige in Länder führen, in denen das Verständnis für einen Freiwilligendienst nicht oder anders entwickelt ist als bei uns. Sie führt auch in Länder, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist und wo Menschen mit Arbeit oft weniger Geld zur Verfügung haben als das Taschengeld der Freiwilligen. | Kriterienkatalog im Koffer Zur Qualität eines solchen Dienstes würde gehören, dass auch die Beziehungen zwischen der Entsendeorganisation und der Partnerorganisation sowie des Aufnahmeprojektes gewisse Mindeststandards erfüllen. In den Kooperationsvereinbarungen, die Entsendeorganisationen und Aufnahmeorganisationen schließen, sind z. T. solche Mindeststandards formuliert. Dienste, die jetzt diese Stellen aufbzw. ausbauen, haben bei der Suche nach Freiwilligenplätzen einen Kriterienkatalog im Koffer. Doch inwieweit passen diese Kriterienkataloge zur Situation der Partnerorganisation? Und ist es nicht wahrscheinlich, dass unter dem Druck, möglichst viele Freiwillige zu vermitteln, nicht genau hingeschaut wird? Idealerweise würden solche Mindeststandards in den jeweiligen Ländern von den Entsendeorganisationen und Aufnahmeorganisationen gemeinsam entwickelt. Ein solcher Abstimmungsprozess ist jedoch langwierig. Nach allen Erfahrungen, die bisher im Bereich der internationalen Freiwilligendienste vorliegen, erwarten Aufnahmeprojekte, die ein Interesse an Zusammenarbeit mit Freiwilligen äußern, in der Regel eine tatkräftige Unterstützung in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern, ein schnelles sichreinfinden in die Kultur, ein intensives Bemühen, die fremde Sprache zu lernen, Respekt und Anerkennung, Beachtung der Hierarchien... | Dialog tut Not Diese Liste ließe sich lange fortführen, und sie stellt zugleich die potenziellen Konfliktfelder dar. Auch die Frage, was Aufnahmeprojekte selber bereitstellen können und müssen, muss in einem Dialogprozess ausgehandelt werden. Es ist daher notwendig, dass auf Dauer regelmäßige Austauschforen von Partnerorganisationen bzw. Aufnahmeprojekten mit Entsendeorganisationen eingerichtet werden. Zur Qualitätsentwicklung gehört natürlich auch die Weiterentwicklung von inhaltlichen Standards in der Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung eines solchen Dienstes. Darüber hinaus sind Begleitstrukturen im Land, die – auch – organisationsübergreifend die Begleitung und den Kontakt mit den Projekten übernehmen, unverzichtbar. Ein weiterer Punkt ist die Frage danach, wie die Erfahrungen der zurückgekehrten Freiwilligen hier weiterverbreitet werden? Wie finden sie Eingang in die entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit? An dieser Stelle wird auch der Unterschied zum Nachwuchsförderungsprogramm des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) oder zu einem Praktikum deutlich. Beide richten sich darauf, berufsbezogene Qualifikationen zu erreichen und passen sich ein in die individuelle Karriereplanung. Diesen Effekt kann zwar ein Freiwilligendienst auch haben, aber wenn solche Motive stärker sind als die Bereitschaft, sich für eine begrenzte Zeit in den Dienst einer Sache zu stellen, sind Frustrationen vorprogrammiert. | | Elisabeth Freise arbeitet bei Eirene und ist im Beirat der Zertifizierungsagentur Quifd und in der Qualitätskommission der AGDF tätig. Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Und was kommt danach? Weitergabe der Erfahrungen nach der Rückkehr aus dem Freiwilligendienst | Kambiz Ghawami „Keiner hört mir zu – keiner interessiert sich für meine Erlebnisse“, diese Erfahrung machen viele, die nach einer spannenden Urlaubsreise zu Hause, bei Freunden, in der Schule und bei der Arbeit feststellen, das hier der Alltag wie immer weiter gelaufen ist, wo man selber doch auf der Reise so viel Neues und Spannendes erlebt und den Wunsch hat, dieses mit anderen zu teilen – allen die Welt zu erklären. Dies erst recht, wenn ich mit dem Programm „weltwärts“ etliche Monate in Afrika, Asien oder Lateinamerika gelebt, gelernt und gearbeitet habe. Foto: AKLHÜ Die ersten Tagen nach der Rückkehr bringen ein Gefühl der Euphorie mit sich, die Freude, wieder Freunde zu treffen und die vertraute Umgebung zu sehen. Doch schon bald kommt eine Zeit der Ernüchterung, gepaart mit dem Wunsch, wieder zurück zu „meinem“ Projekt zu gehen und den Alltag in Deutschland zurück zu lassen. Doch hoppla: So einfach aufgeben mit dem Satz „Tschüss, ich bin dann mal weg“ geht nicht und ist auch nicht das Ziel des Programms „weltwärts“. Es geht darum, die Erfahrungen aus dem Aufenthalt in Afrika, Asien und Lateinamerika an Freunde und Bekannte in Vereinen, in der Schule, in der Hochschule oder am Arbeitsplatz im Sinne des Globalen Lernens weiter zu geben und damit zu einem besserem Verständnis für die gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Afrika, Asien und Lateinamerika beizutragen und die Akzeptanz von entwicklungspolitischen Zukunftsfragen in unserer Gesellschaft in Deutschland, in Europa zu erhöhen und damit einhergehend die Akzeptanz für Veränderungsprozesse in der eigenen Gesellschaft. | Dossier 0-2007 Schon nach kurzer Zeit sind die Freiwilligen in ihr Team im Einsatzland integriert. Das Bildungskonzept Globales Lernen will zu Weltoffenheit und Empathie erziehen. Es ist inhaltlich und methodisch ganzheitlich orientiert; man vermittelt fächerübergreifend Wissensinhalte zu Eine-Welt-Themen und nutzt dabei innovative, partizipative Lernmethoden. Globales Lernen versteht sich als pädagogische Antwort auf Globalisierungsprozesse. Dabei wird versucht, vom heute üblichen Kategoriendenken (Erste Welt, Zweite Welt, Dritte Welt) wegzukommen und global für die gesamte Welt zu denken und zu handeln. Eine wichtige Rolle spielt die Frage nach Verwirklichung von Menschenrechten, globaler Gerechtigkeit und nach den Bedingungen für eine friedliche Welt (Friedenserziehung). Globales Lernen thematisiert Probleme und Perspektiven weltweiter Entwicklung und bearbeitet dabei auch Chancen und Möglichkeiten des gemeinsamen Handelns von Süd und Nord. Es gibt eine große Nähe und jeweils Schnittmengen im Hinblick auf folgende Teilthemenbereiche: • Entwicklungspolitische Bildung • Friedenspädagogik • Menschenrechtsbildung • Interkulturelle Pädagogik • Interkulturelles Lernen • Interkulturelles Training • Interkulturelle Kompetenz • Umweltbildung • Sprachenpolitik. Innerhalb der Ansätze globalen Lernens wird zumeist von Schlüsselproblemen ausgegangen, da auf diese Weise die Komplexität global vernetzter Gesellschaften bearbeitet werden kann. Auf allen Bildungsebenen geht es um die Vermittlung bzw. die Bewusstmachung einer globalen Perspektive des Denkens, Urteilens, Fühlens und Handelns. Im Mittelpunkt steht handlungsorientiertes Lernen, das ganzheitlich und partizipativ angelegt sein soll. 15 16 Dossier Freiwilligendienste Wer einmal den Alltag in Afrika, Asien oder Lateinamerika kennen gelernt hat, wird mehr Verständnis für die Probleme der Menschen dort entwickeln. Foto: AKLHÜ Doch wie soll das Globale Lernen konkret vor sich gehen, wenn hier der Trott gleich bleibt, ich aber so voll geladen bin mit neuen Eindrücken, neuen Lebenskonzepten und Ideen? Erfahrene Reisende wissen, das es nach der anfänglichen Eigeneuphorie darauf ankommt, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen (Bushaltestelle-Prinzip), wie die Pädagogen sagen. Dies bedeutet, daran zu denken, dass jeder, dem ich etwas erzählen möchte, auch gewisse Vorkenntnisse mitbringt, die ich als „Aufhänger“ für meinen Einstieg nutzen sollte. Beispielhaft verhalten hat sich etwa Annette, die in Bolivien in einer Nichtregierungsorganisation (NRO), die sich um Straßenkinder kümmert, ein Jahr lang mitarbeitete. In dieser Zeit hat sie nicht nur ihre Spanischkenntnisse verbessert, sondern die tägliche Realität der Arbeit einer NRO kennen gelernt und die persönliche Schicksale vieler Straßenkinder. Sie hat nicht nur bei der täglichen Essenszubereitung und -ausgabe mitgeholfen, sondern sich auch mit den Ursachen der Armut in Bolivien beschäftigt und die großen Spannungen zwischen der Regierung von Präsident Morales und der „alten“ Machtelite des Landes tagtäglich miterlebt. Was es bedeutet, Machtstrukturen, die zum Teil noch in die Zeiten der spanischen Eroberer zurückreichen, zu überwinden und eine größere Partizipation der breiten Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, z. B. durch die Stärkung der Dezentralisierung und Stärkung lokaler Verwaltungsstrukturen, konnte Annette bei ihrer Arbeit in der NRO tagtäglich miterleben und hierzu die Sichtweise nicht nur der Straßenkinder, sondern auch die der Mitarbeiter und zahlreichen Ehrenamtlichen der NRO kennen und verstehen lernen. Dabei hat sie auch ihre eigene Sichtweisen, die sie aus Deutschland „mitgebracht“ hat, hinterfragt und verändert. | Zurück aus Bolivien Zurück im Hochschulalltag bietet sie dem Fachschaftsrat und dem InternationalismusReferat im ASTA an, einen Vortragsabend zu ihren Erlebnisse in Bolivien zu gestalten. Da sie einige bolivianische Studierende kennt, fragt Annette diese, ob sie Interesse hätten, den Vortragsabend gemeinsam zu gestalten. So gelingt es Annette, nicht nur ihre eigenen Erlebnisse und Sichtweisen von und mit den Menschen in Bolivien und ihre Tätigkeit in der NRO darzustellen, sondern bietet erstmalig auch bolivianischen Studierenden die Gelegenheit, ihre Sichtweise vorzustellen und sich selbst sichtbar zu machen. Die Mitarbeit der bolivianischen Studierenden ist von Annette auch so gedacht, dass nicht wie üblich über Bolivianer und Bolivien gesprochen wird, sondern mit Bolivianern, und sie nicht nur dann zur Mitarbeit eingeladen werden, wenn es gilt, Folklore darzubieten und zu kochen. | Merkposten 1. Veranstaltung nach der Rückkehr gemeinsam mit Studierenden aus dem jeweiligen Einsatzland vorbereiten und durchführen. 2. Ansprechpartner und Veranstalter können in der Hochschule sein: Fachschaftsrat, ASTA, Katholische- und/oder Evangelische Hochschulgemeinde, attac-Hochschulgruppe, aiHochschulgruppe. Ein anderes Beispiel für erfolgreiches Weitergeben der eigenen Erfahrungen liefert Peter, der seit vielen Jahren aktiv in der Jugendabteilung des Basketballvereins tätig ist. Er hat sich nach dem Abitur erfolgreich bei einer NRO in Uganda beworben, die sich insbesondere der Aidsbekämpfung angenommen hat. Ein Programm der ugandischen NRO ist es, durch Sportangebote Jugendliche über AIDS aufzuklären und für Safer Sex zu werben. Peter konnte dank seines Trainerscheins neben dem bisherigen Angebot an Fußball während seines zehnmonatigen Aufenthaltes bis zum Beginn seiner Berufsausbildung zum Sport- Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Sie erzählt von den Familienstrukturen, die intakt sind wie bei ihrer Familie, wo Großeltern, Eltern und Kinder zusammen wohnen. Vom ganz alltäglichen therapeut den Programmdass es neben Kaffee und Tee Alltag, der gar nicht so zweig „Basketball“ aufbauen. mittlerweile noch viele andeanders ist als im Allgäu. Angelehnt ans Grundkonre Produkte gibt, die aus Faizept der ugandischen NRO rem Handel stammen und entwickelte Peter Ausbilwie sich in Zeiten einer glodungspläne für Basketballtrainer und traibalisierten Wirtschaft Waren- und Geldströnierte täglich Mannschaften aus unterschiedme darstellen und wer die Gewinner und Verlichen Altersstufen. Ein Problem, mit dem sich lierer sind. Peter konfrontiert sah, war, das es keine Bas| Merkposten: ketballplätze gab und sich alles auf Sandplät1. Veranstaltung nach der Rückkehr im „gezen bzw. auf der Straße abspielte. Auch gab es wohnten“ Umfeld (Grillabend) organisieren keine ausreichende Zahl von Bällen, geund anschaulich gestalten, z.B. Basketballspiel schweige denn Basketballschuhen und Trimit Straßenschuhen auf einem Sandplatz ohkots für die Spieler. Also lernte Peter, was es ne Körbe. bedeutet, tagtäglich zu improvisieren und mit den Ressourcen auszukommen, die vorhan2. Abstrakte Themen z.B. „Weltwirtschaft“, den sind. Globalisierung anschaulich an Produkte des täglichen Lebens darstellen (Basketballbälle, Peter konnte im Laufe der Zeit durch Spenden Schuhe etc.). von seiner Kirchengemeinde einige Bälle aus dem Fairen Handel und für eine komplette | Daheim am Kaffeetisch Mannschaft Trikots und Schuhe bekommen Doris war ganz begeistert von der asiatischen und kehrte zurück mit dem Vorsatz, sich inKultur, den Menschen und Landschaften, die tensiv mit Produkten des Fairen Handels zu sie in Indonesien vorgefunden hatte, als sie beschäftigen und anhand des Fairen Handels nach ihrer Ausbildung zur GroßhandelskaufZusammenhänge der Weltwirtschaft in seine frau und einjähriger Mitarbeit in einer indoVorträge über Uganda aufzuführen. nesischen Nichtregierungsorganisation wieder glücklich bei ihrer Familie im Allgäu beim Nachdem er in seinem Heimatverein bei eiSonntagskaffee und Kuchen saß und ihren Elnem Grillabend seine Bilder gezeigt und über tern, den Großeltern und ihren Geschwistern Land und Leute erzählt hatte, bot er an, die erzählte, wie es ihr so ergangen ist in IndoneTrainingsverhältnisse aus Uganda zu simuliesien. Sie hatte zwar regelmäßig immer wieren. Er war positiv erstaunt, wie viele Spieler der E-Mails geschickt und ab und zu sogar mit sich für das „ugandische Training“ interessierihren Eltern telefoniert, aber Erzählen ist doch ten und dabei lernten, dass Markennamen etwas anderes, insbesondere, wenn der jünund Überfluss nicht notwendig sind, um gut gere Bruder immer wieder versucht einen und erfolgreich trainieren zu können. Sie lern„Chinesen“ nachzumachen und nicht versteten auch, wo und unter welchen Bedingunhen will, dass China und Indonesien weit von gen Basketballbälle produziert werden und einander entfernte Länder sind und die Mendass hierzu immer noch Kinderarbeit genutzt schen sich auch stark unterscheiden. Auch der wird – aber auch, dass es Alternativen gibt aus Einwand der Großeltern, das DIE Asiaten doch dem Fairen Handel , die von sehr guter Qualialle gleich seien, ist nicht gerade hilfreich, tät sind. Dadurch haben sehr viele erfahren, wenn Doris versuchen will, Vorurteile abzubauen und die Kultur und die Geschichte Indonesiens darzustellen. „Diese Schlitzaugen“ und die „Gelbe Gefahr“ sind nur einige Stichworte aus der Kaffeerunde, mit denen sich Doris auseinander setzt und immer wieder | Dossier 0-2007 versucht, die Sichtweise aus Indonesien gegenüber DEN Deutschen darzulegen, die ja auch nicht mit dem Etikett „Biertrinker“ und „Sauerkrautesser“ betitelt werden möchten. Also erzählt sie von den vielen Indonesiern, die früher in Deutschland studiert haben und nun in Indonesien zur Elite des Landes zählen, nicht nur, weil einer von ihnen sogar Staatspräsident war, sondern weil in vielen deutschen Firmen in Indonesien diese Rückkehrer aus Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten und somit auch viele Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Sie erzählt von den vielen Touristen aus Deutschland, die auf Bali ihren Urlaub verbringen und sich mit der Kultur Balis beschäftigen, sie erzählt von der Herzlichkeit der Menschen und von ihrer Gastfreundschaft. Sie erzählt von den Familienstrukturen, die intakt sind wie bei ihrer Familie, wo Großeltern, Eltern und Kinder zusammen wohnen. Vom ganz alltäglichen Alltag, der gar nicht so anders ist als im Allgäu, als bei vielen Familien in Deutschland. Sie versucht so, die Vorurteile gegenüber DEM Fremden zu nehmen. | Merkposten: 1. Das Gespräch in der Familie, im Freundeskreis suchen und nicht ellenlange Vorträge (Monologe) halten. 2. Vorurteile und Steorotypen durch Gegenbeispiele entkräften und die Alltäglichkeiten aufzeigen, keine Einseitigkeiten (weder übertrieben positiv noch negativ, sondern die Rea| | litäten) aufzeigen. Dr. Kambiz Ghawami ist Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Sektion des „World University Service“ WUS. 17 18 Dossier Freiwilligendienste Erfahrungen aus Lateinamerika Erwartungen der Partner als Grundlage für einen gelungenen Freiwilligendienst | Peter Nilles Um künftig den mit einer deutlichen Steigerung der Freiwilligenzahlen verbundenen Herausforderungen gewachsen zu sein, ist eine bessere Unterstützung der Partner unabdingbar. Neben der finanziellen Unterstützung zur notwendigen Begleitung sind Austausch und fachliche Schulung der Begleiter erforderlich. Anfang September 2007 hat sich die Partnerschaftskommission der Bolivianischen Bischofskonferenz dafür ausgesprochen, dem Anliegen ihrer deutschen Partner im Bistum Trier zu entsprechen und die Zahl der deutschen Freiwilligen im Zuge des neuen entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes „weltwärts“ um 15 auf 30 zu erhöhen, was einer Verdopplung der bisherigen Freiwilligenzahlen entspricht. Damit ist ein Punkt erreicht, an dem sich die Partner im Ausland – nicht nur die Bolivianische Bischofskonferenz – mit ihrer bisherigen Erfahrung in der Durchführung internationaler Freiwilligendienste zu Wort melden und ihren Bedarf nach Unterstützung deutlich benennen. Bereits jetzt ist die Begleitung der Freiwilligen mit einem hohen personellen Aufwand verbunden, den die Partner auf Grund ihrer generell hohen Arbeitsbelastung nur bedingt erfüllen können. Die Verschärfung der Sicherheitslage in vielen Ländern einerseits und zunehmende psychische Instabilitäten und Eigensinnigkeiten bei den deutschen Freiwilligen andererseits erhöhen den Druck auf die mit hohem Verantwortungsbewusstsein agierenden Begleiter in den Einsatzstellen. Der Aufbau der internationalen Freiwilligendienste in den letzten 20 Jahren war ein langwieriger Prozess, der von manchen schmerzhaften Lernprozessen gekennzeichnet war. Es hat viel Zeit gebraucht, mit den Partnern ein gemeinsames Grundverständnis von dem zu entwickeln, was internationale Freiwilligendienste ausmacht. Auch wenn auf dem Erreichten aufgebaut werden kann, so sind doch verstärkt Maßnahmen notwendig, um Sinn und Zweck, Konzept und Arbeitsweise internationaler Freiwilligendienste zwischen Entsendeund Aufnahmeorganisationen zu kommunizieren. Dabei gilt es, die bisherige Einbahnstraße in Richtung ausländischer Einsatzstellen aufzubrechen und die ausländischen Partner mit ihrer Sicht der Dinge verstärkt ernst und wahr zu nehmen. | Rückgriff auf kompetente Kräfte Ein wichtiger Schritt ist in diesem Zusammenhang die Integration einheimischer Kräfte in die Begleitung der Freiwilligen und Einsatzstellen. Dabei kann auf kompetente Kräfte zurückgegriffen werden, die die Arbeit mit deutschen Freiwilligen bereits kennen oder selbst als Reverse-Freiwillige in Deutschland waren. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Anerkennung der Partnerorganisationen, wenn nicht deutsche Fachkräfte, sondern die Kompetenz der Partner in der Begleitarbeit zum Zuge kommt. In ihrer Stellungnahme vom September fordern die bolivianischen Bischöfe, einhergehend mit der Steigerung der deutschen Freiwilligenzahlen auch mehr bolivianische Freiwillige nach Deutschland zu entsenden. Bisher ist das nur sehr punktuell der Fall. Auch wenn die Motivation von Freiwilligen aus den Ländern des Südens manchem zweifelhaft erscheint (Gelingt der „brain-train“? Kehren sie überhaupt zurück?), kann nur durch den wechselseitigen Einsatz von Freiwilligen eine Idee von dem wachsen, wie das Zusammenleben in der Einen Welt aussehen kann. Jedenfalls zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass die Antworten auf die Fragen nach der Rückkehr und dem Brain-train sich bei deutschen und ausländischen Reverse-Freiwilligen nicht grundsätzlich, allenfalls graduell unterscheiden. Das neue „weltwärts“-Programm setzt auf Qualität. Das ist gut so. Im fid-Trägerkreis bei der „Arbeitsgemeinschaft Entwicklungshilfe“ (AGEH) wird seit drei Jahren ein Prozess durchgeführt, bei dem wir auf die Ergebnisse des Partnerstrukturprojektes zurückgreifen können, das die AGEH im Rahmen des „Modellprojektes generationsübergreifender Freiwilligendienst“ in Lateinamerika durchführt. Insbesondere die Erwartungen und Ziele der Partner bildeten von Anfang an die Grundlage für die Entwicklung von Kriterien und Standards. Dabei wurde vorrangig eines klar: Bei allen Unterschieden im Detail sind die Erwartungen an internationale Freiwilligendienste so nah beieinander, dass wir die ursprünglich getrennten Ziele-Kanons von deutschen Entsende- und ausländischen Aufnahmeorganisationen zusammenführen konnten. Das macht Mut und sollte die Scheu überwinden, sich auf die ausländischen Part| | ner stärker einzulassen als bisher. Peter Nilles ist Diplomtheologe und Foto: AKLHÜ An einer bolivianisch-deutschen Schule in Bolivien werden Techniker ausgebildet. als Geschäftsführer von „Soziale Friedensdienste im Ausland“ (SoFiA e.V.) in Trier tätig. Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Kooperation ist gefragt Das Programm „weltwärts“ aus der Sicht kirchlicher Verbünde | Jürgen Deile Das Förderprogramm „weltwärts“ des BMZ stellt die kirchlichen Entwicklungswerke, Freiwilligendienste und die entwicklungspolitische Inlandsarbeit der Kirchen vor neue Herausforderungen. Das Förderprogramm bietet eine große Chance, junge Menschen für die kirchliche Entwicklungsarbeit und weltweite Ökumene zu gewinnen. Kirchen bieten besonders gute Voraussetzungen für die Integration des Programms in entwicklungspolitische Strukturen im In- und Ausland und können mit ihren Verbünden einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Erfolg des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes leisten. Dazu müssen die Leistungen der Verbünde aber auch vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) honoriert werden. Mit dem Programm „weltwärts“ läutet das BMZ eine neue Ära der entwicklungspolitischen Freiwilligenarbeit ein. Vor der Tradition der Verbindung von „Lernen und Helfen in Übersee“ setzt „weltwärts“ den Akzent auf das „Lernen durch tatkräftiges Helfen“. Das ist auch gut so. Das Programm qualifiziert und erweitert das Angebot an junge Erwachsene, einen Freiwilligendienst in Entwicklungsländern1 zu leisten. Neu am Programm ist nicht nur die Form der staatlichen Bezuschussung und die neue Dimension der Anzahl vermittelter Freiwilliger – insbesondere wird bei der der pädagogischen Begleitung und der sozialen Absicherung ein neuer Rahmen geschaffen. Aus Sicht des Ministeriums hat „weltwärts“ das Ziel,„einen entwicklungspolitischen Mehrwert für die Partnerprojekte im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe zu erzielen als auch einen deutlichen Impuls für die entwicklungspolitische Inlandsarbeit zu setzen.“2 | Dossier 0-2007 Die Beziehungen zwischen Menschen sind für die Kirchen der entscheidende Faktor bei der Ausgestaltung weltweiter ökumenischer Beziehungen. Mit dem Programm „weltwärts“ erleichtert das BMZ den Kirchen, junge Erwachsene an die Themen der kirchlichen Entwicklungsarbeit heranzuführen und ihnen eine Möglichkeit der konkreten ökumenischen Erfahrung zu bieten. Sowohl die kirchlichen Partner in Übersee wie auch die deutschen Kirchen verbinden mit dem Programm die Hoffnung, dass die Freiwilligen auch nach ihrem Dienst dem Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung verbunden bleiben und Kirche und Gesellschaft mit ihrem ökumenischen Blick befruchten. Dies ist für die am Programm beteiligten kirchlichen Akteure – ob als Entsende- oder Aufnahmeorganisation – das wesentliche, entwicklungspolitische Ziel des Programms. Es setzt aber voraus, dass „weltwärts“ als Teil des entwicklungspolitischen Mandats verstanden und daher auch in das entwicklungspolitische Handlungsfeld der Kirchen integriert wird. | Staatliche Zuschüsse sind nicht alles Staatliche Zuschüsse erleichtern die Zielerreichung eines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes, sind aber keinesfalls die einzigen Voraussetzungen für den Erfolg von „weltwärts“. Neben den über die finanziellen Zuschüsse hinausgehenden Ressourcen der Entsendeorganisationen sind dies interessierte und engagierte Partnerorganisationen in Übersee, passgenaue Einsatzstellen für Freiwillige, ein geeignetes Auswahlverfahren, eine qualitativ gute Vor- und Nachbereitung sowie eine gute Begleitung im Gastland bzw. durch die Entsendeorganisation in Deutschland. Ebenso setzt eine Zielerreichung auch gute Strukturen der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit voraus, an die Freiwillige nach ihrer Rückkehr anknüpfen können. Mit ihren Personal- und Freiwilligendiensten, den Entwicklungswerken mit internationalen Partnerstrukturen, den weltweiten Gemeindepartnerschaften sowie den Strukturen und Initiativen der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit bringen Kirchen beste Voraussetzungen für die Integration des Programms „weltwärts“ in das entwicklungspolitische Handlungsfeld mit. Es wird deutlich, dass der staatliche Zuschuss hier eher einen Anreiz gibt und die Richtlinie „weltwärts“ einen Rahmen setzt. Der Erfolg des Programms wird von der Ausgestaltung durch die zivilgesellschaftlichen Akteure in Deutschland und den Gastländern sowie der Freiwilligen geprägt. Hier sehen die kirchlichen Akteure auch ihre Kompetenz und Verantwortung. | Hohes Interesse der Träger Allerdings kann diese Verantwortung nicht von einzelnen Organisationen allein getragen werden. Ein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst, wie er mit „weltwärts“ angestrebt wird, setzt um erfolgreich zu sein, Kooperation auf vielen unterschiedlichen Ebenen voraus. Daher haben kirchliche Werke und Verbände sowohl auf katholischer wie auch auf evangelischer Seite Verbünde gebildet, die im Hinblick auf das Programm „weltwärts“ zusammenarbeiten. Im Bereich der katholischen Kirche vereinbarten die „Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe“, die katholische „Bundesarbeitsgemeinschaft Freiwilligendienste“ sowie das bischöfliche Hilfswerk Misereor mit der „Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe“ eine Zusammenarbeit zur Durchführung des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes. Die Akteure im „Katholischen Verbund entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“ haben eine Arbeitsteilung vereinbart, welche den Verbund in die Lage versetzt, dem BMZ als zentraler Kooperationspartner zur Verfügung zu stehen. Anfang September 2007 lagen dem katholischen Verbund Interessensbekundungen von über 40 angeschlossenen Trägerorganisa- 19 20 Dossier Freiwilligendienste Ein Freiwilligeneinsatz wie hier im Niger stärkt die interkulturelle Kompetenz. Doch der Zuwachs an eigenen Erfahrungen sollte nicht der einzige Beweggrund sein, am „weltwärts“-Programm teilzunehmen. Foto: AKLHÜ tionen vor, die ihren politischen Willen bekundeten, an einem einheitlichen Antrags- und Abrechnungsverfahren des Verbundes teilzunehmen. Im Raum der evangelischen Kirchen hat sich das „evangelische Forum entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“ konstituiert. Das „evangelische Forum entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“ (eFeF) bündelt Erfahrungen und Kompetenzen im evangelischen Bereich aus Entwicklungsarbeit, entwicklungsbezogener Bildungsarbeit und Freiwilligendiensten. Am „evangelischen Forum entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“ beteiligen sich bisher folgende Werke, Verbände und Organisationen: Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe e.V., Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend, Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen, Brot für die Welt, Christliche Fachkräfte International, CVJM – Gesamtverband in Deutschland, Christoffel Blindenmission, EIRENE International, Evangelischer Arbeitskreis für Kriegsdienstverweigerung, Evangelischer Entwicklungsdienst, Evangelische Freiwilligendienste/Diakonisches Jahr im Ausland, Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Freiwilliger Ökumenischer Friedensdienst – Ev. Landeskirche Baden, German YWCA, Gustav-Adolf Werk Württemberg, Kindernothilfe, das Referat Afrika und Studienfragen der Entwicklungspolitik des Kirchenamtes der EKD. Sowohl im evangelischen, wie auch im katholischen Verbund arbeiten die beteiligten Entsendeorganisationen derzeit an Konzepten zur Umsetzung des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes im Rahmen des Programms „weltwärts“. Vermittlungen von Freiwilligen sind ab Sommer 2008 geplant. | Keine Zuschüsse für Clearingfunktionen Einige Faktoren der staatlichen Programmrichtlinie wirken sich jedoch noch hemmend auf eine rasche und erfolgreiche Umsetzung von „weltwärts“ aus: Die Leistungen der Verbünde werden in der BMZ Richtlinie zu „weltwärts“ zwar begrüßt, eine Förderung dieser Leistungen jedoch nicht in Aussicht gestellt.3 In den beiden Verbünden sind die kirchlichen Zentralstellen KZE und EZE bereit, eine für die ihnen angeschlossenen Entsendeorganisationen in der Antragstellung und Finanzabwicklung wichtige, entlastende Unterstützungs- und Clearingfunktionen wahrzunehmen. Dies qualifiziert das Programm und entlastet die staatliche Administration. Hier wird das in der Zusammenarbeit von Staat und Kirche praktizierte Prinzip der Subsidiarität sinnfällig. Kirchen sind bereit, erhebliche Mittel in die Integration des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes in ihr entwicklungspolitisches Handlungsfeld zu investieren. Dieses Handlungsfeld ist effektiv und gut strukturiert gestaltet, Kirchen sind gesellschaftlich in den Gastländern und in Deutschland breit verankert und können in ihren Strukturen ent- wicklungspolitische Ziele angemessen, unabhängig und effizient umsetzen. Es muss möglich sein, über einen Verbund ohne Mehraufwand im Vergleich zum Einzelverfahren einen gemeinsamen Antrag einzureichen, Finanzfragen abzuwickeln und das erforderliche Berichtswesen einheitlich zu gestalten. Durch Gesamtanträge erhalten die beteiligten Entsendeorganisationen die Möglichkeit, flexibel auf eine schwankende Nachfrage auf Seiten der Partnerorganisationen und der am Freiwilligendienst Interessierten zu reagieren. | Vernetzung durch die Kirchen Die beiden Verbünde können und wollen zudem weitere, für das Programm „weltwärts“ wichtige Aufgaben übernehmen: Kontakte, Vernetzung und Dialog mit Partnerorganisationen, Qualitätssicherung und -entwicklung, Beratung und Anerkennung von Entsendeorganisationen, Vorprüfung von Anträgen, gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit. Verbünde qualifizieren die ihnen angeschlossenen Träger in ihrer Arbeit und tragen somit zu einer erheblichen Qualitätssteigerung. Auch Entsender von wenigen Freiwilligen, z.B. einzelne Kirchengemeinden, können über das Verbundnetzwerk die Qualitätsstandards von „weltwärts“ erfüllen und am Förderprogramm teilnehmen. Der staatliche Zuschuss im Rahmen des Programms „weltwärts“ deckt nur einen Teil der Programmkosten eines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes. Einen großen Teil der Programmkosten und die Verwaltungsund Infrastrukturkosten müssen die Entsendeorganisationen selbst finanzieren. Bei dem vom Förderprogramm gewünschten Qualitätsstandard und den angestrebten Freiwilligenzahlen kommt auf die Entsendeorganisationen ein bisher ungekannter Mittelbedarf zu. Besonders problematisch dabei ist, dass die über die Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Kommentar Nachhilfeschüler Freiwilligendienste sind nur so gut wie ihre Vorbereitung BMZ-Pauschale hinausgehenden Refinanzierungsmöglichkeiten durch die Programmrichtlinie stark eingeschränkt sind. Hier muss sich erst noch zeigen, ob in diesem Rahmen der vom BMZ gewünschte Programmumfang von „weltwärts“ erreicht werden kann. | Cornelia Füllkrug-Weitzel Auf Grund der schwierigen Refinanzierung sowie der durch Qualitätsvorgaben verursachten erheblichen finanziellen Aufwendungen wird eine Finanzierung der Leistungen der Verbünde über die Entsendeorganisationen allein nicht möglich sein. Die Leistungen der Verbünde sollten insofern nicht nur vom BMZ begrüßt, sondern auch unterstützt werden. Es hat inzwischen ‚Marktwert’, ein Leben auf Zeit in armen Kommunen im Süden zu anzubieten. Reiseveranstalter haben dies erkannt und bieten Slumtourismus an: Elend zum selbst Anpacken, do-it-yourself-Entwicklungshilfe, ein paar Abenteuer und Grusel der Armut. Durch Billigflüge und Internet ist der arme Teil der Welt so nahe gerückt wie der Zoo am anderen Ende der Stadt. Wer möchte da noch nur mit Geld helfen, wenn man sich auch persönlich nützlich machen und als Helfer in der Not das Gefühl bekommen kann, wichtig zu sein und etwas Sinn-haftes zu tun? Beide kirchlichen Verbünde sind offen für eine Kooperation bei „weltwärts“. Das Förderprogramm „weltwärts“ wird seitens der Kirchen als eine wichtige Ergänzung entwicklungspolitischen Handelns begrüßt. Gerne beteiligen sich die kirchlichen Verbünde auch an der weiteren Programmgestaltung von „weltwärts“ und der vom BMZ angekündigten Evaluierung des Programms. Die Verbünde setzen sich dafür ein, dass die Stolpersteine für eine effiziente, qualitativ hochwertige und entwicklungspolitisch wirksame Programmentwicklung aus dem Weg geräumt werden und die BMZ-Initiative zum entwicklungspolitischen Freiwilligendienst erfolgreich wird. Entwicklungen in unserer Arbeitswelt, Konsum- und Spaßgesellschaft wecken offensichtlich Sehnsucht nach solchen Erfahrungen. Hilfsorganisationen werden eigens dafür ins Leben gerufen, diesen Impuls zu bedienen. Dass Hilfe auch eigene Befindlichkeiten und Bedürfnisse bedient, ist nicht neu. In den Fünfzigern hat die Dankbarkeit für selbst empfangene Hilfe beim Wiederaufbau die Menschen zum Spenden motiviert. Heute sind die Motive sinn- und erlebnisorientiert. Daran ist nichts Verwerfliches, solange darauf geachtet wird, dass der Eigennutz nicht den propagierten Fremdnutzen konterkariert. Die kirchlichen Verbünde finden sich im Internet unter: www.eFeF-weltwärts.de und www.welt-frei| | willigendienst.de Jürgen Deile ist Sprecher des eFeF und leitet das Referat „Fachkräfte“ im Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Anmerkungen 1) Gemäß der OECD-Länderliste 2) BMZ Richtlinie zu „weltwärts“: S. 3 3) Seite 15 | Dossier 0-2007 | Erfreuliches bürgerschaftliches Engagement Dass bürgerschaftliche Engagement insgesamt und darum auch im Ausland ‚im Kommen’ ist, ist ebenfalls durchaus erfreulich (da Ausdruck von Mündigkeit und Engagement), solange es nicht das bürgerschaftliche Engagement der Menschen in anderen Ländern entmutigt oder erdrückt, sondern zur Netzwerkbildung engagierter Bürger, die gemeinsam auf eine Weltsozialpolitik, eine globale Umweltpolitik und die globale Umsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte hinarbeiten. Und genau daran ist zu arbeiten, damit in der Gesellschaft und bei den Freiwilligen hinterher mehr aus dem Einsatz im Ausland rauskommt als das Urteil: Wenn wir nur bei den Armen im Süden anpacken, können wir es richten! Der Einsatz muss die Mündigkeit aller Beteiligten stärken im Interesse einer aktiven globalen Zivilgesellschaft. Nach sechs Jahrzehnten Entwicklungshilfe wissen wir, dass ein auf begrenzte Zeit hereinschneiender Europäer in einer armen Community gar nichts ausrichten kann, was nur annähernd den Namen „Hilfe“ verdient. Wir wissen, dass arme Länder und Menschen nicht kurzfristige Hilfsmaßnahmen brauchen, sondern nachhaltige strukturelle Veränderungen in ihren Gesellschaften zu Gunsten der Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und politischer Menschenrechte und größerer Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit von Ressourcen, Gütern etc. | Starke Partner Wir wissen, dass es bei dem, was wir skurrilerweise immer noch ‚Entwicklung’ nennen, nicht um kurzfristige Hungerstillung etc. geht, sondern um Transformation der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse national wie weltweit. Wir wissen, dass angemessene Lösungen zur Armutsbekämpfung weniger unser Mitanpacken vor Ort, den Import unserer Fachexpertise und unserer technischen Lösungen brauchen, als vielmehr eine starke Zivilgesellschaft: Menschen im Süden, die das Selbstbewusstsein und die Mittel haben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und für ihre Rechte zu kämpfen, ihre Gesellschaft und Politik nach ihrem Willen zu gestalten, ihre Regierungen wirksam zu kontrollieren. Und Menschen im Norden, die die Muster eigenen Wirtschaftens und Konsumierens, die Armut weltweit begünstigen, infrage stellen. Und all das kann man in der Tat gut lernen, wenn man eine Weile bei starken und selbstbewussten Partnerorganisationen mitgelaufen ist: Dort kann man beobachten, 21 22 Dossier Freiwilligendienste Prasanna Kurapati aus Indien leistet einen Freiwilligendienst in einem Altenpflegeheim in Süddeutschland ab – im weltwärts-Programm sind jedoch bisher Einsätze von Ausländern in Deutschland nicht vorgesehen. Foto: ICJA was gut und was schlecht ist für die Würde, das Selbstbewusstsein, die Eigenverantwortung der Menschen – alles Voraussetzungen für Entwicklung, Demokratieentwicklung, politische und gesellschaftliche Partizipation, nachhaltige Veränderungen etc.. Man kann es lernen, wenn man das Glück hat, bei Partnern eingesetzt zu sein, die einem deutlich machen, wer man eigentlich ist: kein Entwicklungshelfer, sondern ein Analphabet in Sachen Kenntnis der Lebensumstände der Gastgeber und in Sachen weltweiter Gerechtigkeit. Dass die jungen Leute keine heldenhaften Dienstleister a la Albert Schweitzer sind, sondern Nachhilfeschüler, deren Lernfortschritt die Gastgeber freiwillig dienen – Freiwilligendienstempfänger also – das widerspricht allerdings noch der derzeitigen öffentlichen Auffassung, könnte ihn aber natürlich gerade auch deshalb notwendig und sinnvoll machen! | Wird der „weiße Mann“ gebraucht? Was macht es mit den Partnerorganisationen, bzw. der betroffenen Bevölkerung, wenn – wie ‚früher’ – wieder größere Mengen europäischer Menschen in ihr Land strömen mit dem Habitus, ihnen helfen zu können und wollen? Und wenn sie auf Posten gesetzt, in Rollen gedrängt werden (z.B. als Lehrer), weil sie eine kostenlose Arbeitskraft sind, wo man sich einheimische aus dem knappen eigenen Budget nicht leisten kann? Oder weil man glaubt, der entsendenden Organisation eine Hochschätzung (die leicht eine Überschätzung sein kann) des Leistungsvermögens der Freiwilligen schuldig zu sein? Die Erfahrung lehrt, dass gerade da, wo es der Bevölkerung auf Grund historischer Entwicklungen und aktueller politischer und gesellschaftlicher Strukturen noch am meisten selbst an diesem Selbstbewusstsein mangelt (z.B. in vielen Gegenden Westafrikas, oder auch in einigen Kirchen, die aus der Mission hervorgegangen sind etc.), der Einsatz ‚Weißer’ das ganze Gegenteil bewirken kann. Jugendliche wie auch die betroffene Bevölkerung, wenn sie noch ein schwaches Selbstbewusstsein hat, können leicht aus dieser Erfahrung mit der Erkenntnis hervorgehen, dass es eben doch des ‚weißen Mannes’ bedarf. Das gilt es nicht nur durch gute Vorbereitung und Begleitung der Jugendlichen zu verhindern. Viel hängt auch an der sorgfältigen Auswahl der gastgebenden – oder sollte man besser sagen: der ausbildenden – Partnerorganisation und an sorgfältigen Absprachen mit ihr! Vor allem selbstbewusste und politisch bewusste Partnerorganisationen können diese Probleme vermeiden helfen und den Jugendlichen bei ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement in Übersee zu den Lernerfahrungen verhelfen, die sie brauchen, um in der hiesigen Gesellschaft notwendige Veränderungen mit anzustoßen und Netzwerke zwischen den Zivilgesellschaften in Nord, Süd und Ost knüpfen zu helfen für eine menschen- und umweltgerechte Globalisierung. | | Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel ist Direktorin von „Brot für die Welt“. Dossier 0-2007 | Freiwilligendienste Dossier Materialien Ausgewählte Organisationen, die Einsatzmöglichkeiten im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes „weltwärts“ anbieten. AFS Interkulturelle Begegnungen e.V. Friedensallee 48 22765 Hamburg Tel.: 040/399 222-0, Fax: 040/399 222-99 E-Mail: [email protected], Internet: www.afs.de Deutscher Entwicklungsdienst (DED)* Tulpenfeld 7 53113 Bonn Tel.: 0228/24340, Fax: 0228/2434-111 E-Mail: [email protected], Internet: www.ded.de EIRENE – Internationaler Christlicher Friedensdienst e.V. Engerser Straße 81 56 503 Neuwied Tel.: 02631/83790, Fax: 02631/837990 E-Mail: [email protected], Internet: www.eirene.org Experiment e.V.* Gluckstraße 1 53115 Bonn Tel.: 0228/957220, Fax: 0228/358282 E-Mail: [email protected], Internet: www.experiment-ev.de Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.* Neisser Str. 10 76139 Karlsruhe Tel.: 0721/3548 06-0, Fax: 0721/3548 06-16 E-Mail: [email protected], Internet: www.freundewaldorf.de ICJA Freiwilligenaustausch weltweit e.V. Stralauer Allee 20E 10245 Berlin Tel.: 030/2123-8252, Fax: 030/2123-8253 E-Mail: [email protected], Internet: www.icja.de | Dossier 0-2007 Internationale Jugendgemeinschafts dienste e.V. (IJGD) Glogauer Str. 21 10999 Berlin Tel.: 030/6120313-0, Fax: 030/6120313-38 E-Mail: [email protected], Internet: www.ijgd.de SoFiA e.V.* Dietrichstr. 30 a 54290 Trier Tel.: 0651/993796301 E-Mail: [email protected], Internet: www.bistum-trier.de/zivi/sofiatrier Weltweite Initiative für Soziales Engagement e.V. (WISE) Odenwaldschule Ober-Hambach 64646 Heppenheim (Hessen) Fax: 0721/151-490912 E-Mail: [email protected], Internet: www.wise-ev.de * vom BMZ bereits als Träger anerkannt Weiterführende Links: Weltwärts: www.weltwärts.de – Informationsseiten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zum entwicklungspolitischen Freiwilligendienst. E-Mail: [email protected] eFeF: www.efef-weltwaerts.de – „Evangelisches Forum entwicklungspolitischer Freiwilligendienst“, ein Zusammenschluss von Werken, Verbänden und Organisationen aus dem Umfeld der evangelischen Kirchen. E-Mail: [email protected] f i d: www.ageh.de/fid/fid_freiwilligendienste_M.htm – Service- und Beratung für internationale Freiwilligendienste. fid unterstützt durch Seminarangebote Freiwillige bei der Vorbereitung auf ihren Freiwilligendienst im Ausland. fid arbeitet im Auftrag der „Deutschen Kommission Justitia et Pax“. E-Mail: [email protected] Welt-Freiwilligendienst: www.welt-freiwilligendienst.de – Zusammenschluss von Werken, Verbänden und Organisationen aus dem Umfeld der katholischen Kirchen. E-Mail: [email protected] AKLHÜ: www.entwicklungsdienst.de – Arbeitskreis „Lernen und Helfen in Übersee“, Beratungs- und Informationsstelle für Interessierte, die sich in Entwicklungsländern sozial engagieren wollen. Die Website bietet eine umfassende OnlineDatenbank mit aktuellen Stellenangeboten in Projekten und Programmen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa. E-Mail: [email protected] Dossier 0-2007 | 23 24 Dossier Impressum Dieses Dossier ist eine Beilage zur Ausgabe 0-2007 von „welt-sichten“. Informationen zu den Abokonditionen über die Redaktionsanschrift. Herausgeber: Verein zur Förderung der entwicklungspolitischen Publizistik e.V. Redaktion: Dr. Konrad Melchers (Chefredakteur), Dr. Charlotte Schmitz. Anschrift: Postfach 50 05 50, D-60394 Frankfurt/Main, Tel. 069/58098-138 www.entwicklungspolitik.org. Redaktionelle Bearbeitung: Dr. Charlotte Schmitz in Zusammenarbeit mit Hartwig Euler (ALKHÜ) und Angela König (EIRENE) Gestaltung: Silke Jarick, Angelika Fritsch. ! " # $ $ %& ' (&!&&& )# * + ! " , + ! ' - . / - '+ 0 # 0 . " 0 1 - 0 " " " $ #! 2 - 3 ) (4 &5 (6 78&9: !3 &44: 4 98 99 99 ;!3 &44: 4 98 99 98 '3 < ! 0 3 - - (: 4: * 0 5 49 ' ) # = 0 - ! > 1 - - +!