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Dr. sc. nat. Mathias Procop Berlin - eine Einführung - Überarbeitet und aktualisiert, Berlin, Februar 2014 2 Vorwort Die Einführung „Röntgenmikrobereichsanalyse im Rasterelektronenmikroskop“ vermittelt die wichtigsten Kenntnisse, die für „EDX“ und „WDX“ am REM notwendig sind. Der Verfasser hat sich um eine möglichst einfache, komprimierte, leicht verständliche und dennoch möglichst physikalisch bzw. technisch korrekte Darlegung der röntgenphysikalischen Grundlagen, der Funktion der Geräte und der Auswertung der spektroskopischen Daten bemüht. Der Leitfaden wendet sich in erster Linie an technisches Personal, das am Rasterelektronenmikroskop tätig ist. Er sollte jedoch auch für Studenten und Doktoranden, die das REM mit einem Zusatz für die energiedispersive Röntgenspektroskopie im Rahmen ihrer Ausbildung verwenden, nützlich sein. Der Leitfaden ist als Script zum Vortrag entstanden, den der Verfasser von 1998 bis 2012 zum gleichen Thema im Rahmen eines jährlichen Lehrgangs an der Technischen Akademie Esslingen gehalten hat. Die meisten Beispiele im Text stammen aus seiner langjährigen Tätigkeit im Labor für Oberflächenanalyse an der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung in Berlin. 3 Inhaltsverzeichnis: 1 Einleitung ............................................................................................................................ 5 2 Entstehung von Röntgenstrahlung ..................................................................................... 6 3 2.1 Atomare Wechselwirkungsprozesse.......................................................................... 6 2.2 Röntgenspektren massiver Proben ......................................................................... 11 Röntgenspektrometer ....................................................................................................... 14 3.1 3.1.1 Detektor ................................................................................................................ 16 3.1.2 Impulsverarbeitung............................................................................................... 20 3.1.3 Spektrometerfunktion ........................................................................................... 23 3.1.4 Kenngrößen.......................................................................................................... 26 3.1.5 Kalibrierung und Funktionskontrolle energiedispersiver Röntgenspektrometer . 28 3.2 4 4.1 Definition................................................................................................................... 33 4.2 Punktanalyse............................................................................................................ 33 4.2.1 Wahl der optimalen Hochspannung am REM ..................................................... 33 4.2.2 Elementidentifizierung.......................................................................................... 34 Verteilungsanalysen................................................................................................. 36 4.3.1 Einstellungen am REM und am Spektrometer .................................................... 36 4.3.2 Elementverteilungen ............................................................................................ 37 4.4 Phasenanalysen....................................................................................................... 38 4.4.1 Mischfarbendarstellung ........................................................................................ 39 4.4.2 Binarisierung und logische Verknüpfung ............................................................. 39 4.4.3 Hauptkomponentenanalyse ................................................................................. 40 Quantitative Analyse ......................................................................................................... 41 5.1 6 Wellenlängendispersive Röntgenspektrometer....................................................... 30 Qualitative Analyse ........................................................................................................... 33 4.3 5 Energiedispersive Röntgenspektrometer ................................................................ 14 Bestimmung der Nettointensitäten........................................................................... 42 5.1.1 Untergrundkonstruktion........................................................................................ 42 5.1.2 Peakentfaltung ..................................................................................................... 43 5.2 Analyse mit Standards ............................................................................................. 44 5.3 Standardfreie Analyse.............................................................................................. 47 5.4 Genauigkeit von ESMA am REM............................................................................. 48 5.5 Nachweisgrenzen..................................................................................................... 51 Spezielle Probleme ........................................................................................................... 53 6.1 Analyse dünner Schichten ....................................................................................... 53 4 6.1.1 Schichtdicken > 1 µm........................................................................................... 53 6.1.2 Schichtdicken < 1 µm........................................................................................... 54 6.2 7 Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA).......................................................................... 56 Weiterführende Literatur ................................................................................................... 60 7.1 Deutschsprachige Bücher ........................................................................................ 60 7.2 Englischsprachige Bücher ....................................................................................... 60 5 1 Einleitung Im Jahre 1895 beobachtete Wilhelm Röntgen bei der Untersuchung von Gasentladungen Erscheinungen, die er nur durch das Vorhandensein einer bis dahin unbekannten energiereichen Strahlung erklären konnte. Er nannte diese Strahlung X-Strahlung. Weltweit wird sie auch heute noch so genannt, nur in Deutschland trägt sie zu Ehren ihres Entdeckers die Bezeichnung Röntgenstrahlung. Sehr schnell wurde erkannt, dass Röntgenstrahlung ebenso wie Licht, Wärmestrahlung oder der Träger von Funk und Fernsehen elektromagnetische Strahlung ist. Bedeutung erlangte Röntgens Entdeckung durch die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten: der „Durchleuchtung von Objekten“, die Abhängigkeit der Absorption von der Ordnungszahl eines chemischen Elementes ausnutzend, der Beugung von Röntgenstrahlen an den Netzebenen von Kristallgittern zur Bestimmung von deren Periodizität und Dimension sowie der Röntgenspektroskopie für die chemische Analyse. Im Rasterelektronenmikroskop (REM) trifft ein energiereicher Elektronenstrahl von einigen keV auf die Probe. Dabei entsteht Röntgenstrahlung, und es ist daher nahe liegend, ein REM um ein Röntgenspektrometer zu ergänzen. Die erste Publikation dazu erschien bereits 1969. Als Detektor wurde schon eine Lithium-gedriftete Diode aus Silizium (Si(Li)) verwendet. Spektrometer mit Si(Li)s wurden in den darauf folgenden Jahren immer wieder verbessert. Wichtige Neuerungen waren die Einführung der „Dünnfilmfenster“ und der digitalen Impulsverarbeitung (DPP) zu Beginn bzw. in der Mitte der neunziger Jahre. Etwa zur gleichen Zeit begann die Entwicklung eines anderen Typs einer Detektordiode aus Silizium, des Silizium-Drift-Detektors (SDD). Spektrometer mit SDDs können eine im Vergleich zum Si(Li) mehr als zehnmal so intensive Röntgenstrahlung verarbeiten, jedoch dauerte es auch mehr als zehn Jahre, bis die spektrale Auflösung von Spektrometern mit Si(Li)s erreicht wurde. 2007/8 stellten alle bedeutenden Hersteller ihre Spektrometer vom Si(Li) auf den SDD um. Da jedoch die Herstellung eines SDD viel aufwändiger als die eines Si(Li) ist, wurde die eigene Detektorfertigung eingestellt. SDDs werden gegenwärtig von drei Herstellerfirmen bezogen (die beiden führenden Hersteller sind deutsche Unternehmen). Das bedeutet eine nahezu technische Gleichwertigkeit der auf dem Markt angebotenen Spektrometer. Nutzerfreundliche Bedienung, Zuverlässigkeit, Service und Kundenbetreuung sind somit für die Auswahl eines Spektrometers ausschlaggebend. 6 2 Entstehung von Röntgenstrahlung 2.1 Atomare Wechselwirkungsprozesse Röntgenstrahlung entsteht als Folge der Wechselwirkung von energiereicher Strahlung, z.B. von Elektronen oder von energiereicher elektromagnetischer Strahlung mit der Elektronenhülle eines Atoms. Abb. 1 zeigt, dass die Entstehung von Röntgenstrahlung nur eines der möglichen Ergebnisse der auftretenden Wechselwirkungsprozesse ist. Es entsteht auch energiereiche Elektronenstrahlung. Die jeweilige sekundäre Strahlung ist charakteristisch für die entsprechende Atomart, d.h. das chemische Element. Im Falle der Röntgenstrahlung spricht man von charakteristischer Strahlung. Die sekundäre Strahlung wird für unterschiedliche Röntgen- und elektronenspektroskopischen Methoden ausgenutzt, wie in Abb. 1 angedeutet ist. Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung einer Probe durch Messung der charakteristischen Strahlung mittels eines Röntgenspektrometers am REM wird als Elektronenstrahl-Mikro(bereichs)analyse (ESMA) bezeichnet. Um abschätzen zu können, wie die vom Spektrometer registrierte Intensität der Röntgenstrahlung von Hochspannung und Strahlstrom am REM abhängt, muss man zuerst einmal fragen, wie wahrscheinlich denn die Entstehung von Röntgenstrahlung beim Auftreffen der Elektronen auf die Probe ist. gestreutes Elektron (EELS) Primärelektron charakteristische Röntgenstr. (ESMA) oder Auger-Elektron (AES) Photoelektron (XPS) Photon Abb. 1 charakteristische Röntgenstr. (RFA) oder Auger-Elektron (AES/XPS) Wechselwirkungsprozesse beim Auftreffen energiereicher Elektronen und von Röntgenstrahlung auf ein Atom. In Klammern stehen diejenigen Methoden, die diese Wechselwirkungsprozesse ausnutzen EELS Elektronenenergieverlustanalyse ESMA Elektronestrahlmikroberechsanalyse AES Augerelektronenspektroskopie XPS Photoelektronenspektroskopie RFA Röntgenfluoreszenzanalyse 7 Die Wahrscheinlichkeit, dass die einfallende Strahlung überhaupt mit dem Atom in Wechselwirkung tritt, wird durch den Streuquerschnitt angegeben. Dieser ist die Häufigkeit der Wechselwirkung, bezogen auf die einfallende Teilchenstromdichte, also Wechselwir kungen/s einfallende Teilchen/cm 2 s Die Streuquerschnitte sind unvorstellbar klein. Abb. 2 und Abb. 3 zeigen die Streuquerschnitte für Elektronen und Röntgenstrahlung am Beispiel des Siliziums. Zwei sehr wichtige Tatsachen lassen sich erkennen: Erstens: Für Elektronen bleibt der Streuquerschnitt nach dem Erreichen des Maximums mit weiter zunehmender Energie nahezu konstant, während er für Röntgenstrahlung exponentiell abfällt. Zweitens: Für Elektronen besteht die größte Wechselwirkungswahrscheinlichkeit mit den äußeren Elektronen, den Valenzelektronen, während für Röntgenstrahlung die Wechselwirkung mit den kernnahen Elektronen, in diesem Falle den K- Elektronen, am wahrscheinlichsten ist. Das Maximum für den Elektronenstreuquerschnitt (Abb. 2) liegt bei einer Energie, die etwa dem Dreifachen der entsprechenden Bindungsenergie (im Beispiel 1.84 keV) entspricht. Das Verhältnis Primärenergie zu Bindungsenergie wird als Überspannungsverhältnis bezeichnet. Man sollte am REM die Hochspannung also so einstellen, dass das Überspannungsverhältnis wenigstens größer als 2 ist, um eine ausreichende Ionisation zu erzielen. Elektronenstoßionisation von Si Photoionisation von Si 10 -16 Streuquerschnitt / cm² Streuquerschnitt /cm² L-Schale 10 -17 10 -18 10 -19 K-Schale 10 -20 10 -21 10 -22 2 Abb. 2 4 6 8 10 Energie / keV 12 14 16 10 -16 10 -17 10 -18 10 -19 10 -20 10 -21 10 -22 10 Streuquerschnitt für Elektronen in Si Abb. 3 -2 10 -1 10 0 Energie / keV 10 1 10 2 Streuquerschnitt für Röntgenstrahlung in Si Die Emission charakteristischer Röntgenstrahlung ist das Ergebnis einer Umordnung in der Elektronenhülle eines Atoms, wie Abb. 4 schematisch zeigt. Die energiereiche Strahlung (Elektronen oder Photonen) schlägt aus einer inneren Elektronenschale, z.B. der K-Schale, ein Elektron heraus und ionisiert damit das Atom (obere Teilbilder). Dieser Zustand ist energetisch instabil. Durch den Übergang eines Elektrons von einer äußeren Schale auf die innere Vakanz wird wieder ein stabiler Zustand hergestellt. Der Übergang ist für das Atom mit einem Energiegewinn verbunden. Die überschüssige Energie wird entweder als Röntgen- 8 strahlung emittiert oder an ein weiteres Elektron übertragen, das das Atom als AugerElektron (genannt nach dem Entdecker Pierre Auger) verlässt (untere Teilbilder). Der Energiebetrag, der im Falle der Emission von Röntgenstrahlung pro Übergang entsteht, ist über die Einsteinsche Relation mit der Frequenz ν bzw. der Wellenlänge λ der Röntgenstrahlung verknüpft: E = hν = hc λ oder E (keV ) = 1.24 λ (nm) (1) Hierin treten mit h und c zwei Naturkonstanten auf: das Plancksche Wirkungsquantum und die Lichtgeschwindigkeit. Gemäß der Einsteinschen Relation können wir uns nun Röntgenstrahlung einer bestimmten Wellenlänge λ auch als Strom von masselosen Teilchen mit der Energie E (Energiequanten) vorstellen. Sie werden als Photonen bezeichnet. Wir werden später das Photonenmodell benutzen, um die Vorgänge im Röntgendetektor leichter verstehen zu können. Anregung LIII LII LIII LII LI LI Primärelektron emittiertes K-Elektron K Photon emittiertes Photoelektron K rückgestreutes Primärelektron Relaxation AugerElektron LIII LII LIII LII LI LI K K Emission von Kα1-Strahlung Abb. 4 Emission eines KLL-Augerelektron Anregung eines Atoms durch Elektronen oder Röntgenstrahlung und Emission von Röntgenstrahlung oder Auger-Elektronen durch Umordnung der Elektronenhülle 9 Die Terminologie für die Bezeichnung der Röntgenlinien ist Abb. 5 zu entnehmen. Linien, die durch Auffüllen einer K-Schalen-Vakanz zustande kommen, werden als K-Linien bezeichnet, Linien, die durch Auffüllen einer L-Schalen-Vakanz entstehen, sind L-Linien, usw. Ein griechischer Buchstabe danach weist auf diejenige Schale hin, aus der das „auffüllende“ Elektron stammt. K-Serie K α2 β3 β2ΙΙ α1 β1 β2Ι L-Serie LI LII LIII β4 γ2 η γ5 ι α1 β15 β3 γ3 β1 γ1 α2 β6 β2 M-Serie MI MII MIII MIV MV γ2 ξ2 β α1 γ1 ξ1 α2 NI NII NIII NIV NV NVI NVII Abb. 5 Terminologie für Röntgenlinien (Grotrian Diagramm). Die Pfeilrichtung gibt die Veränderung der Vakanz an Die Energie (Frequenz) der emittierten Röntgenstrahlung ist eine Funktion der Kernladungszahl (Ordnungszahl) der Atome. Diesen Zusammenhang vermittelt das Moseley’sche Gesetz, das die Grundlage für die Elementidentifizierung bei der Röntgenspektroskopie ist: E = K1 ( Z − K 2 ) 2 (2) K1 und K2 sind Konstanten, die unterschiedliche Werte für die einzelnen Elektronenschalen annehmen. Wird die Energie mit Hilfe des Spektrometers gemessen, lässt sich die Ordnungszahl berechnen und damit das Element angeben, von dem die charakteristische Röntgenstrahlung ausgesendet wurde. Abb. 6 zeigt das Moseley’sche Gesetz für die K-, Lund M-Schalen. 10 Abb. 6 45 Kβ 40 Kα 35 Energie / keV Moseley’sches Gesetz 30 25 20 Lβ 15 10 Lα 5 0 M 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Ordnungszahl Z Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das ionisierte Atom Röntgenstrahlung emittiert (und nicht Auger-Elektronen), ist die Fluoreszenzausbeute. Sie hängt stark von der Ordnungszahl und der Elektronenschale ab. Abb. 7 zeigt die Fluoreszenzausbeute für die K-, L- und M-Schalen. Man sieht, dass für leichte Elemente die Emission eines Auger-Elektrons viel wahrscheinlicher als die Emission eines Photons ist. Es ist also schwer, leichte Elemente bei der Röntgenspektroskopie am REM nachzuweisen. 1 Abb. 7 0.9 Fluoreszenzausbeute 0.8 Fluoreszenzausbeuten für die K- , L- und MSchale 0.7 ωK 0.6 0.5 0.4 ωL 0.3 0.2 ωM 0.1 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Ordnungszahl Die maximale Anodenspannung heutiger REMs beträgt 30 kV. Mit einem Überspannungsverhältnis von 2 lässt sich dann gerade noch die K-Schale von Rubidium (Z=37) ionisieren. Für schwerere Elemente können nur noch L- und M-Linien angeregt werden. Neben der charakteristischen Strahlung beobachtet man bei Beschuss von Atomen mit Elektronen noch ein breites kontinuierliches Untergrundspektrum. Es entsteht durch die Ablenkung der einfallenden Elektronen im elektrischen Feld des Atoms. Nach den Gesetzen der Elektrodynamik strahlt dabei das Elektron Energie ab und wird somit abgebremst. Man nennt diese Art Röntgenstrahlung Bremsstrahlung. Die Bremsstrahlung begrenzt die Nachweisempfindlichkeit der Elektronenstrahlmikroanalyse am REM, weil sehr schwache Linien über dem Bremsstrahlungsuntergrund nicht mehr detektiert werden können. 11 2.2 Röntgenspektren massiver Proben Beim Beschuss von Festkörpern mit Elektronen wird das Primärelektron mit vielen Atomen zusammenstoßen. Die Dichte der Atome in einem Festkörper liegt im Bereich von 1020 bis 1022 pro cm³. Die frei Weglänge der Elektronen zwischen den Stößen beträgt nur wenige Nanometer. Infolge der Stöße mit den Atomen verliert ein Elektron allmählich seine kinetische Energie. Diese Eigenschaft der Probe bezeichnet man als Bremsvermögen. Die Zufälligkeit dieses Prozesses lässt sich in einer „Monte Carlo“ Simulation des unter 2.1 beschriebenen Streuprozesses erfassen. Abb. 8 zeigt als Beispiel die Bahnen von 100 Elektronen, die mit 20 keV auf eine Si-Probe treffen. Ein Knick in einer Bahn entspricht einem Zusammenstoß von Elektron und Atom. Ein geringer Teil dieser Zusammenstöße führt zu den Ereignissen, die im oberen Teil von Abb. 1 skizziert sind. Folglich wird aus dem gesamten Wechselwirkungsvolumen Röntgenstrahlung emittiert. Das Ausmaß des Wechselwirkungsvolumens bestimmt somit das analysierte Probenvolumen. Die laterale Ausdehnung ist von der Größenordnung Mikrometer. Mit anderen Worten: Das Bremsvermögen ist diejenige Eigenschaft der Probe, die die Mikrobereichsanalyse ermöglicht. Abb. 8 Streuung von Elektronen in Silizium bei 20 keV Primärenergie 1 µm Die Sekundärelektronen (SE1) stammen hingegen aus einem wenige nm dicken Scheibchen am Auftreffort der Primärelektronen. Somit wird ein Röntgenspektrum, das bei fokussiertem Elektronenstrahl von einer Probe emittiert wird, zwangsläufig auch Komponenten der Umgebung des Auftreffortes der Elektronen mit enthalten, was für das Sekundärelektronenbild in dem Maße nicht zutrifft. Die laterale Auflösung eines Elementverteilungsbildes, das aus den Röntgenspektren bei rasterndem Elektronenstrahl gewonnen wird, wird also vom Durchmesser des Wechselwirkungsvolumens und nicht durch vom Durchmesser des Elektronenstrahls bestimmt. 12 Die Eindringtiefe der Elektronen hängt von der Energie E der Primärelektronen ab und lässt sich z. B. mit der Formel von Love u.a. abschätzen: r= A (7.73 × 10 − 6 J E 3 + 7.35 × 10 − 7 E 2 ) Z (3) Die Formel gibt r in g/cm² für E und J in keV an. J ist das sogenannte mittlere Ionisationspotential (ca. 0.012 keV), A das Atomgewicht und Z die Ordnungszahl. Ein Teil der auftreffenden Elektronen kann nach einigen Streuprozessen die Probe wieder verlassen, d.h. Elektronen werden zurückgestreut. Das Verhältnis von rückgestreuten zu einfallenden Elektronen ist der Rückstreukoeffizient. Auf dem Wege vom Entstehungsort bis zur Probenoberfläche wird ein Teil der Röntgenstrahlung wieder absorbiert, indem Atome der Probe ionisiert werden (unterer Teil von Abb. 1). Das Maß für die Absorption von Röntgenstrahlung in einer Probe ist der Schwächungskoeffizient µA. Er wird definiert über die Intensität vor und nach Durchdringen einer Schicht der Dicke d: I = e − µ A d = e − µρd Io (4) µA hat die Dimension cm-1. Mit Hilfe der Dichte ρ (g/cm³) des Probenmaterials lässt sich die Absorption der Röntgenstrahlung auch durch den Massenabsorptionskoeffizienten (MAK) oder Massenschwächungskoeffizienten µ beschreiben. µ hat die Dimension cm²/g und ist dem Streuquerschnitt für die Photoionisation σ (s. Abb. 3) proportional. µ= N σ A (5) N steht für die Avogadrosche Zahl (6,023x1023 Moleküle/Mol) und A für das Atomgewicht. µ nimmt wie σ mit zunehmender Photonenenergie ab. Wenn die Energie der Photonen jedoch ausreicht, Photoelektronen aus einer weiteren Elektronenschale zu emittieren, nimmt µ sprunghaft zu. Man spricht von Absorptionskanten. In Abb. 3 sind z.B. die L- und KAbsorptionskante von Si zu erkennen. Addiert man die in einer dünnen Schicht der Dicke d(ρz) in einer bestimmten Tiefe ρz durch Elektronenbeschuss stattfindenden Ionisationen und trägt das Ergebnis als Funktion der Tiefe auf, so erhält man eine Tiefenverteilung Φ(ρz) für die Entstehung der Röntgenstrahlung. Abb. 9 zeigt als Beispiel Φ(ρz) für die Al-K und N-K Strahlung in AlN. Der Zahlenwert von Φ(ρz) ist auf die Anregung in einer dünnen Schicht aus dem gleichen Material normiert. Nur dieser normierte Wert kann auch experimentell bestimmt werden. In massivem Material erfolgt die Ionisation in einer bestimmten Tiefe sowohl durch primäre als auch durch rückgestreute Elektronen, in einer dünnen Schicht natürlich nur durch primäre 13 Elektronen. Daher kann Φ(ρz)>1 werden (s. Abb. 9). Multipliziert man Φ(ρz) mit der Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Röntgenstrahlung auf dem Weg ρz/sin(TOA) vom Entstehungsort bis zur Probenoberfläche in Richtung Detektor absorbiert wird, d.h. mit exp(ρz/sin(TOA)), so bekommt man die Tiefenverteilung der am Detektor nachgewiesenen Röntgenstrahlung. TOA (take-off angle) bezeichnet den Winkel zwischen Detektor und Probenoberfläche. Die Verteilungen für die emittierte Al-K und N-K Strahlung sind ebenfalls in Abb. 9 dargestellt. Wie man sieht, ist die Eigenabsorption des AlN für die Al-und die N-K Strahlung sehr unterschiedlich. Die Φ(ρz)-Kurven sind für die Absorptionskorrektur bei der quantitative Analyse von großer Wichtigkeit. Abb. 9 Tiefenverteilung Φ(ρz) der Al und N K-Ionisation für AlN bei 10 keV Anregung und einem Abnahmewinkel TOA=35° (rot durchgezogen) und des Anteiles davon, der die Probe in Richtung Detektor verlässt (blau gestrichelt) Wir haben somit gelernt, dass die Intensität einer charakteristischen Röntgenlinie nicht nur durch die vorhandenen Mengen der entsprechenden Atome, sondern auch durch atomare Eigenschaften wie Streuquerschnitt und Fluoreszenzausbeute, sowie durch Festkörpereigenschaften wie Bremsvermögen und Röntgenabsorption bestimmt werden. Abb. 10 zeigt als Beispiel das für 10 kV Anregung berechnete Röntgenspektrum von CaCO3. Über einem kaum wahrnehmbaren Bremsstrahlungsuntergrund erheben sich die charakteristischen Linien, deren natürliche Breite bei 1 eV liegt. Die Bremsstrahlung erstreckt sich bis zur Energie der einfallenden Elektronen (Duane-Hunt-Regel). Mittels der Duane-Hunt-Regel lässt sich kontrollieren, ob sich eine nicht oder zu dünn mit einer leitfähigen Schicht (z.B. Graphit) bedeckte Probe aus isolierendem Material bei Elektronenbeschuss auflädt. Das ist der Fall, wenn sich der Bremsstrahlungsuntergrund nicht bis zu Energie der Primärelektronen erstreckt. Dann werden die Primärelektronen durch das elektrische Gegenfeld abgebremst. Bei einer quantitativen Analyse übernimmt der Rechner des Spektrometers den am Mikroskop eingestellten Wert der Anodenspannung. Da die Energie der auftreffenden Primärelektronen aber in Wirklichkeit geringer ist, wird das Analysenergebnis falsch. Photonen pro Elektron und Raumwinkel 14 3 x 10 CaCO 3 @ 10 kV -7 O-K 8 Abb. 10 Berechnetes 10 kV Röntgenspektrum von CaCO3 mit charakteristischen Linien und Bremsstrahlungsuntergrund Ω=11msr 7 6 5 C-K 4 Ca-Kα 3 2 1 0 Ca-Kβ 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 Energie / keV 3.5 4 4.5 5 Röntgenspektrometer Wir unterscheiden zwei Arten von Röntgenspektrometern: Geräte für wellenlängendispersive und energiedispersive Spektrometrie (WDS und EDS). Bis vor wenigen Jahren wurden ausschließlich EDS am REM eingesetzt, während WDS den Elektronenstrahl-Mikrosonden vorbehalten war. Da seit Mitte der 90er Jahre auch Zusätze für WDS zum REM erhältlich sind, werden nachfolgend beide Spektrometertypen erläutert, allerdings mit dem Schwerpunkt EDS. EDS ist schneller und als Zusatz zum REM kostengünstiger als WDS. Das Anwendungsgebiet von EDX ist also schnelle Elementanalyse in Verbindung mit dem REM. WDS am REM bleibt für spezielle Aufgaben, die mit EDS aufgrund der schlechteren spektralen Auflösung nicht gelöst werden können. 3.1 Energiedispersive Röntgenspektrometer Die Möglichkeit, mit einem relativ einfachen und preiswerten Zusatz auch noch eine Analyse der Probenzusammensetzung durchführen zu können, erweiterte die Einsatzmöglichkeiten des REM erheblich. Das erste kommerzielle EDS wurde 1972 von der Fa. EDAX angeboten. Die Entwicklung vereinte die Erkenntnisse, die bei der Mikrobereichsanalyse mittels WDS gewonnen worden waren, mit den Fortschritten der Halbleitertechnik für die Fertigung von Detektoren aus Silizium. Das Prinzip der EDS erläutert Abb. 11. Der Detektor ist an der Probenkammer des REM angeflanscht. Die beim Auftreffen des Strahlstromes von der Probe emittierte Röntgenstrahlung wird vom Detektor infolge photoelektrischer Absorption (rechte Teilbilder in Abb. 4) in eine elektrische Ladung Q umgewandelt. Die Anzahl der Elektronen in dieser Ladung ergibt sich einfach durch Division durch die Ladung eines einzelnen Elektrons e=1,6x10-19C: 15 n= Q e (6) Andererseits ist die Anzahl n von Elektronen, die bei der Absorption eines Photons mit der Energie E erzeugt werden, im statistischen Mittel proportional zur Energie: n= E ε . (7) ε bezeichnet die mittlere Energie, die für das Hinzufügen eines Elektrons zur Ladung Q auf- gewendet werden muss. Sie beträgt für Silizium 3,8 eV. Aus den Gleichungen (6) und (7) folgt die direkte Proportionalität von E und Q, Q= eE ε , (8) als wichtigste Eigenschaft der EDS. Die Ladung Q wird durch die nachgeschaltete Elektronik als Impuls registriert und entsprechend der Höhe des Impulses in die verschiedenen Kanäle eines Vielkanalanalysators eingeordnet. Die Anzahl der pro Kanal gezählten Impulse wird auf dem Monitor dargestellt, d.h. man sieht das Spektrum während der Akkumulation wachsen. Abb. 11 REM mit angeflanschtem EDS-Zusatz (Prinzip) X ED r kto e t e -D e- hν Abb. 12 zeigt als Beispiel das mit einem EDS aufgenommene Spektrum von CaCO3. Es unterscheidet sich gravierend vom Spektrum in Abb. 10. Die Linienbreiten betragen einige 10 eV, das Spektrum ist verrauscht und es hat bei näherer Betrachtung sogar Peaks, die vom Spektrometer selbst verursacht sind. Um vom gemessenen Spektrum auf das tatsächlich emittierte Spektrum schließen zu können (das ist für eine quantitative Analyse notwendig), muss man die Funktionsweise der einzelnen Baugruppen und ihren Einfluss auf das Spektrum verstehen. Deshalb werden nachfolgend die wichtigsten Komponenten des Spektrometers erläutert. 16 Abb. 12 Gemessenes 10 kV Röntgenspektrum von CaCO3 CACO3.EMS O 4500 4000 Intensität / Impulse pro Kanal Ca 3500 3000 2500 C 2000 1500 1000 0 Ca Mg 500 0 0.5 1 Si Ca-esc 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 Energie / keV 3.1.1 Detektor Die Abb. 13 zeigt den Detektor mit seinen wichtigsten Elementen, der Detektordiode, dem Transistor und dem Vorverstärker, als elektronisches Schaltbild. Für den Einsatz am REM werden Dioden aus einkristallinem Silizium verwendet. neg. HV Ausgangsspannung Zeit Abb. 13 Detektordiode, Transistor und Vorverstärker Abb. 14 Ausgangsspannung am Vorverstärker Die Detektordiode ist in Sperrrichtung gepolt. Solange keine Photonen auftreffen, fließt nur ein minimaler Leckstrom. Bei der Absorption eines Photons entsteht eine Elektronenwolke, die durch die angelegte Sperrspannung abgesaugt wird und die Steuerelektrode eines Feldeffekt-Transistors (FET) auflädt. Dadurch ändert sich der Stromfluss durch den Transistor. Jede weitere hinzukommende Ladung auf der Torelektrode reduziert den Strom durch den Transistor und erhöht die Spannung am Ausgang des Vorverstärkers. Das Ausgangssignal ist also eine Stufenfunktion (Abb. 14), wobei die Höhe der Stufen der Energie der einfallenden Röntgenstrahlung und der Abstand zwischen ihnen dem zeitlichen Abstand zwischen der Absorption zweier Photonen entsprechen. Die Zeitskala in Abb. 14 17 hängt vom Strahlstrom und der Erzeugungswahrscheinlichkeit für ein Photon pro Elektron ab. Sie liegt in der Größenordnung von Millisekunden. Wenn eine bestimmte Ladungsmenge auf der Torelektrode akkumuliert worden ist, fließt kein Strom mehr durch den Transistor, und weitere Ladungen würden das Signal am Verstärkerausgang nicht mehr verändern. Der Transistor muss also zurückgesetzt werden, d.h. die auf der Torelektrode akkumulierte Ladung muss entfernt werden. Dafür gibt es verschiedene Prinzipien, z.B. das in Abb. 14 dargestellte Zurücksetzen durch den Lichtblitz einer Lumineszenzdiode oder die Verwendung einer speziellen Transistorkonstruktion (Pentafet). Über viele Jahre hinweg wurden die Detektordioden als Lithium-gedriftete Siliziumdioden (Si(Li)) hergestellt. Seit Mitte der neunziger Jahre werden auch Silizium-Driftdetektoren angeboten (SDD). Sie sind inzwischen den Si(Li)-Detektoren überlegen, aber es wird noch einige Jahre dauern, bis die Anzahl der installierten SDDs die der Si(Li)s übertreffen wird. Betrachten wir also zunächst den Si(Li), dessen prinzipieller Aufbau in Abb. 15 skizziert ist. Die Detektordiode ist zylinderförmig. Stirnflächen und Dicke betragen üblicherweise 10 oder 30 mm² bzw. 3 bis 5 mm. Die Dioden bestehen aus hochohmigem, einkristallinem Silizium. Die elektrische Wirkung von noch existierenden Störstellen im Kristallgitter wird durch das eindiffundierte Lithium kompensiert. Die angelegte Sperrspannung beträgt einige 100 V. Vom rückseitigen Kontakt führt ein Draht zur Steuerelektrode des Transistors. Für ein möglichst geringes elektronisches Rauschen und minimale Leckströme arbeiten Diode und Transistor bei der Temperatur des flüssigen Stickstoff (77 K). Sie sind bei den meisten Ausführungen über einen Kupferstab mit einem Dewargefäß verbunden, das mit flüssigem Stickstoff gefüllt ist. Kollimator mit Elektronenfalle JFET Cu-Kühlstab Abb. 15 Prinzipieller Aufbau eines Si(Li) 77 K 10-2 Pa Fenster PTFE Detektorkristall Diode, Transistor und Kühlstab befinden sich in einem evakuierten Edelstahlrohr. Das Vakuum ist notwendig, um einen Wärmeverlust durch Konvektion und um die Kondensation von Gasen auf dem Detektorkristall zu vermeiden. Das Edelstahlrohr wird frontseitig vom Strahleneintrittsfenster, dessen Besonderheiten weiter unten erläutert werden, abgeschlos- 18 sen. Auf dem Detektorfinger sitzt noch eine Elektronenfalle. Sie enthält einen Permanentmagneten und hat die Aufgabe, die von der Probe rückgestreuten Elektronen in einem Magnetfeld so abzulenken, dass sie nicht bis zum Detektorkristall gelangen und dort Störsignale erzeugen können. Das stufenförmige Ausgangssignal am Vorverstärker (Abb. 14) ist von einem Rauschsignal überlagert, dessen Stärke nicht nur von der Temperatur der Detektordiode und des FET, sondern auch von der Kapazität, die Rückseitenkontakt der Detektordiode, die Torelektrode des FET und die Verbindungsleitungen bilden. Um höhere Impulsverarbeitungsgeschwindigkeiten für EDS zu erreichen, war es vor allem notwendig, den großflächigen Rückseitenkontakt (Anode) des Si(Li) zu reduzieren. Das führte zur Entwicklung des SDD mit seiner strukturierten Rückseite (Abb. 16). Konzentrische Kontakte aus p+-dotiertem Silizium, die die nur wenige µm² große Anode umgeben, erzeugen ein horizontales elektrisches Feld. In diesem Feld "driften" Elektronenwolken aus den Randbereichen des Detektors zur Anode. Dieser Effekt verleiht dem SDD seine Bezeichnung. Die Spannung zwischen Frontkontakt und Anode beträgt weniger als ein Zehntel des Wertes für einen Si(Li). Moderne mikroelektronische Technologien ermöglichen es sogar, Detektordiode und Transistor auf einem Chip zu integrieren. Abb. 16 Prinzipieller Aufbau eines SDD (Quelle: Oxford Instruments) Wegen des reduzierten Rauschpegels kann der SDD mit einer durch Peltier-Elemente realisierbare elektrische Kühlung auf –20°C auskommen. Die Dicke des SDD beträgt nur etwa 0,25 bis 0,45 mm. Bei einer Bauweise wie in Abb. 16 ist ein in der Mitte der Chipunterseite integrierter Transistor der einfallenden Röntgenstrahlung, die nicht im aktiven Volumen absorbiert wurde, ausgesetzt. Das führt zu nachteiligen Eigenschaften. Um diese zu vermeiden, gibt es zwei Alternativen: Der Transistor ist nicht zentral sondern seitlich angeordnet und wird durch eine Blende vor der einfallenden Röntgenstrahlung geschützt. 19 Der Detektor wird dann tropfenförmig (SD³ - SDD droplet). Die andere Alternative besteht in der Verwendung eines separaten Transistors wie beim Si(Li). Beide Alternativen werden in kommerziellen Produkten angewendet und haben ihre Vor- und Nachteile. Das Strahleneintrittsfenster ist ein sehr empfindliches Bauelement. Es soll einerseits sehr dünn sein, um wenig Röntgenstrahlung zu absorbieren, es muss andererseits stabil genug sein, um dem atmosphärischem Druck bei der Belüftung der Probenkammer widerstehen zu können. Die Diffusion von Gasen durch das Fenster muss vernachlässigbar klein sein. Antireflexionsschichten 2 x 2 nm Al Fenster AP1.3: 380µm Polyimid-Folie 2 x 150 nm 250µm Abb. 17 Schematischer Aufbau des Strahleneintrittsfenster AP1.3 der Fa. Moxtek Si Stützgitter (80% Transparenz) 50µm In den 70er und 80er Jahren bestanden die Fenster aus wenigen µm dicken Beryllium-Scheiben. Seit den 90er Jahren verwendet man Fenster aus Polyimidfolie, die zwecks mechanischer Stabilität auf einem Stützgitter aus Silizium liegen. Den schematischen Aufbau zeigt Abb. 17. Die Polyimidfolie ist mit Aluminium beschichtet, um den Detektor unempfindlich gegenüber sichtbarem Licht zu machen. Beim Fenster AP1.3 der Fa. Moxtek sind zwei Lagen der Folie übereinander gelegt, um die Wahrscheinlichkeit der Diffusion von Gasen durch winzige Löcher (pin holes) in der Folie zu reduzieren. Neuere Ausführungen haben nur eine Folie, dafür aber noch eine Boran-Schicht zwischen Polyimid und Aluminium (z.B. Moxtek AP3.3). Die Transparenz des Stützgitters beträgt ca. 80%. Die Entwicklung dieser Fenster bedeutete einen großen Fortschritt, da damit der Bereich weicher Röntgenstrahlung (unterhalb 1 keV) für die EDS zugänglich wurde, ohne die Probleme eines fensterlosen Detektors in Kauf nehmen zu müssen. Bei diesem wird nach Erreichen des Endvakuums in der Probenkammer eine Absperrung zurückgezogen. Abb. 18 vergleicht zur Illustration die Transmission eines 8 µm dicken Be-Fensters mit der der Fenster Moxtek AP1.3 und AP3.3 aus Polyimid, die inzwischen von fast allen Spektrometerherstellern verwendet werden. 20 Abb. 18 Transmission eines 8 µm dicken Be-Fensters und des Moxtek AP1.3 Fensters. In der Transmissionskurve des Moxtek-Fensters sind deutlich die durch C, N, O und Al hervorgerufenen Absorptionskanten zu erkennen. Seit Juli 2003 wird das Fenster AP3.3 eingesetzt. 1 8 µm Beryllium Moxtek AP1.3 Moxtek AP3.3 0.9 0.8 Transmission 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 Photonenenergie / keV 3.1.2 Impulsverarbeitung Die sich nach dem Vorverstärker befindende Impulsverarbeitung hat folgende Aufgaben: 1. in dem in Wirklichkeit verrauschten Ausgangssignal des Vorverstärkers die Stufen zu erkennen, 2. die Stufen in Impulse umzuwandeln, ihre Höhe zu ermitteln sowie der Höhe einen Wert zuzuordnen und 3. alle Impulse innerhalb eines bestimmten Wertebereiches in den entsprechenden Kanal eines Vielkanalanalysators einzuordnen. Das Prinzip dieser Signalkette zeigt die Abb. 19. Bei der heute üblichen digitalen Impulsverarbeitung (DPP) wird das stufenförmige Ausgangssignal des Vorverstärkers mittels eines Analog-Digital-Wandlers (ADC) digitalisiert, d.h. in eine zeitliche Folge von Zahlen umgewandelt. Alle weiteren Schritte erfolgen durch mathematische Bearbeitung dieser Zahlenfolge. Ältere Spektrometer haben eine analoge Impulsverarbeitung. Die Umwandlung des stufenförmigen Ausgangssignals des Vorverstärkers in eine Folge von Impulsen und die Glättung der Impulse geschieht mittels geeigneter elektronischer Schaltungen. Erst die Impulshöhen werden mittels eines Analog-Digital-Konverters (ADC) in Zahlenwerte umgewandelt und an den Vielkanalanalysator weitergegeben. ADC bei DPP Impulsformer und Verstärker ADC bei APP 20 voltage [arbitrary units] Vorverstärker 350 Vielkanalanalysator 15 10 5 0 preamplifier output [mV] 300 250 -5 0 200 50 100 150 200 250 time [ms] 300 350 400 150 100 50 0 0 50 100 150 200 250 300 time [ms] 350 400 450 500 Puls-Pile-upErkennung 450 Monitor Abb. 19 Impulsverarbeitung (schematisch) 21 Es kann vorkommen, dass zwei Photonen derart kurz nacheinander den Detektor treffen, dass im geglätteten Signalverlauf nach dem Impulsformer (s. Abb. 19) die beiden einzelnen Impulse als ein einziger großer „pile-up“ Impuls erscheinen. Dieser eine Impuls würde dann in einen Kanal eingeordnet, der nicht den Energien der eingefallenen Photonen entspräche. Um das zu vermeiden, existiert parallel zum Hauptverstärker noch eine zweite Signalkette. Ein sehr schneller Vorverstärker (bei analoger Signalverarbeitung) bzw. ein sehr schnelles Filter (bei digitaler Impulsverarbeitung) erfasst alle Impulse. Werden zwei dicht aufeinander folgende Impulse als solche erkannt und ist die Zeit zwischen ihnen kleiner als die Zeit für die Signalverarbeitung im Hauptverstärker, wird das Signal aus dem Hauptverstärker nicht in den Vielkanalanalysator eingelesen, da es sich dann ein pile-up Ereignis handelt. In der Zeit für die Aufnahme eines Spektrums ist also immer eine Totzeit (dead time) enthalten, in der eintreffende Photonen infolge des pile-up nicht als Impulse im Vielkanalanalysator gezählt werden. Die Spektrometer sind in der Regel Totzeit korrigiert, d.h. bei Vorgabe einer Messzeit wird nur die aktive Zeit bewertet (life time). Dicht aufeinander folgende Impulse, die auch die pile-up Erkennung nicht mehr als solche erfasst, erscheinen dann im Spektrum als Summenpeaks. Abb. 20 zeigt zur Veranschaulichung das mit einem Si(Li) gemessene Spektrum einer C-Al-Mn-Cu-Zr-Probe (BAM TM001) mit Escape- und Summenpeaks. Um den Summenpeak von Mn-Kα sichtbar zu machen, wurde eine sehr kurze Formungszeit gewählt. Bei der Eingangszählrate von 26 kcps betrug die Totzeit dennoch nur 12%. Bei 4 µs Formungszeit ist die Totzeit für das verwendete Spektrometer immer noch unter 30%. Der Summenpeak ist dann schon nicht mehr nachweisbar. Abb. 20 veranschaulicht auch, wie bei kürzeren Formungszeiten das elektronische Rauschen und damit die Peakbreite zunehmen. Niederenergetische Peaks können aus dem verrauschten Signal des Vorverstärkers nicht mehr herausgefiltert werden. Deshalb beginnt das Spektrum erst bei 1 keV. Mn Al Mn intensity [counts/channel] Input count rate 26 kcps, TC 1µs Input cout rate 2 kcps, TC 100 µs Zr 4 10 Abb. 20 20 keV-Spektrum einer C-Al-Mn-Cu-Zr-Probe (BAM TM001) mit Escape- und Summenpeaks Cu Ar Mn-esc 3 Mn-Kα pile-up Cu 10 Zr 2 10 1 10 0 10 0 2 4 6 8 10 12 energy [keV] 14 16 18 20 22 Pile-up und Summenpeaks waren zu Beginn der der EDS-Entwicklung ein großes Problem, weil die Impulspulsverarbeitung nicht schnell genug war. Mit fortschreitender Entwicklung der Elektronik rückte das Problem in den Hintergrund. Die jüngste Entwicklung von SDDs mit Flächen von 100 mm² und mehr macht die pile-up Erkennung und die Vermeidung von Summenpeaks wieder zu einem ganz aktuellen Problem. Die Eingangszählrate bei großflächigen SDDs kann so hoch sein, dass erst durch eine nachträgliche mathematische Behandlung der Spektren die Summenpeaks entfernt werden können. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 21. Abb. 21 Mit einem 80 mm² SDD bei 200 kcps Eingangszählrate gemessenes (grün) und nachbearbeitetes Spektrum (gelb) von einer Feldspat-Probe (Burgess u.a. (Oxford Instruments), M&M 2010) Je größer die Zeit für die Glättung der Impulse gesetzt wird, umso besser wird das elektronische Rauschen aus dem Signalverlauf herausgefiltert, und umso genauer erfolgt die Zuordnung der Impulshöhe in den korrekten Kanal des Vielkanalanalysators. Das bedeutet, dass die Peaks im Spektrum schärfer werden, sich also die Energieauflösung des Spektrometers verbessert. Um die Totzeit aber nicht über 30% anwachsen zu lassen, muss man die Messbedingung, insbesondere den Strahlstrom, so wählen, dass das Eingangssignal eine bestimmte Zählrate nicht überschreitet. Das sind für optimale Auflösung etwa 2000 kcps bei einem Spektrometer mit Si(Li) und 20000 kcps bei einem Spektrometer mit SDD. Für die Aufnahme von Elementverteilungen (s. Abschn. 4.3) ist das zu langsam. Hier möchte man etwa die hundertfache Impulsverarbeitungsgeschwindigkeit. Deshalb kann man die Formungszeiten zwischen 0,1 und 100 µs am Spektrometer einstellen. Bei kurzen Formungszeiten wird natürlich das elektronische Rauschen nicht mehr so gut herausgefiltert und die Peaks werden breiter. Auch das Erkennen von sich überlagernden Impulsen geschieht nicht mehr perfekt, und im Spektrum erscheinen die Summenpeaks. Üblich ist eine automatische Einstellung der Formungszeit auf Basis der aktuellen Zählrate. Das ist bequem 23 für den Operator, kann aber zu einem falschen Ergebnis bei Verteilungsanalysen führen, wenn sich kleine Objekte mit eine hohen Röntgenintensität in eine Matrix mit niedriger Intensität befinden. Ist die Zeit, die der Elektronenstrahl über diese Objekte streicht, kürzer als die Zeit, die zum automatischen Umschalten der Formungszeit benötigt wird, werden die Objekte mit erhöhter Totzeit gemessen. Eine quantitative Auswertung der Verteilungsanalyse, die diese Änderung der Totzeit nicht mit berücksichtigt (Regelfall) wird deshalb falsch. Das kann vermieden werden, wenn manuell eine entsprechend kurze Formungszeit eingestellt wird. So bleibt es trotz weitgehender Automatisierung der Spektrenaufnahme immer noch der Erfahrung des Operators überlassen, die für eine bestimmte Analysenaufgabe optimalen Einstellungen festzulegen. Eine Orientierungshilfe bietet Abb. 22. Energieauflösung OCR (kcps) τ1 τ2 τ3 τ1 < τ2 < τ3 < τ4 τ4 Summenpeaks ICR (kcps) Abb. 22 Zusammenhang zwischen Eingangszählrate (ICR), Ausgangszählrate (OCR) und Formungszeit (τ) 3.1.3 Spektrometerfunktion Die scharfen Linien der charakteristischen Röntgenstrahlung erscheinen auf dem Bildschirm des Spektrometers als breite gaussförmige Peaks (vergl. Abb. 12 mit Abb. 10). Zudem erzeugt das Spektrometer selbst weitere Peaks und einen spektralen Untergrund. Die „Antwort“ des Spektrometers auf eine einfallende monoenergetische Strahlung nennt man Spektrometer(antwort)funktion (engl: response function). Die Spektrometerfunktion lässt sich veranschaulichen, wenn man eine Fe55 Quelle vor dem Detektor platziert. Diese Quelle emittiert nur Mn-Kα und Mn-Kβ Strahlung. Das gemessene Spektrum ist also eine Überlagerung der Spektrometerfunktionen für 5,894 und 6,489 keV (Abb. 23). 24 Intensität / Impulse pro Kanal Mn Kβ Nullpeak 10 4 10 S/B=3178:1 Escape Peaks 3 Si-fl. Al-fl. 10 2 10 1 10 0 Abb. 23 Spektrum einer Fe55 Quelle mit Mn Kα und Kβ Linie sowie den dazugehörigen Escape Linien und dem Schelf Mn-Kα 10 5 Untergrundsignal B 0 1 2 3 4 Energie / keV 5 6 7 Die Breite der Linien im gemessenen Spektrum ist die Folge davon, dass die Umwandlung eines Photons in eine Elektronenwolke ein statistischer Prozess ist. Bei der Absorption eines Photons im Detektorkristall entstehen zuerst ein Photoelektron und mit der Wahrscheinlichkeit (1-ω) ein Augerelektron. Beide erzeugen durch Stöße mit benachbarten Atomen weitere freie Elektronen, bis sie ihre überschüssige Energie verloren haben. Die Gesamtzahl der erzeugten Elektronen (n in Gl. (6)) schwankt um einen Mittelwert, da auf unterschiedliche Weise auch Energie in Form von Wärme an den Detektorkristall abgegeben wird. Ein Maß dafür ist der Fano-Faktor, der für einen perfekten Siliziumkristall 0,114 beträgt. Die Fluktuation in n bezeichnet man als Detektorrauschen. Wenn ein Photon mit einer Energie größer als 1,84 keV dicht unterhalb des Frontkontaktes absorbiert wird, und die K-Schalen-Vakanz nicht durch einen Auger-Prozess, sondern durch die Emission von Si-Kα aufgefüllt wird (s. Abb. 4), so besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Si-Kα Photon, dessen Energie 1,74 keV beträgt, nicht innerhalb des Detektorkristalls absorbiert wird, sondern diesen in Richtung des Frontkontaktes verlässt. Somit fehlen im Mittel an der Elektronenwolke 1740/3,8 Elektronen, d.h. die Stufe am Ausgang des Vorverstärkers wird niedriger und der entsprechende Impuls wird in einen Kanal eingeordnet, der um 1,74 keV unterhalb desjenigen für die einfallende Strahlung liegt. Auf diese Weise entstehen die Escape-Peaks im Spektrum. In Abb. 23 sind deutlich die Escape-Peaks der Mn-Kα und Mn-Kβ Linie zu erkennen. Wenn Photo- und Augerelektronen den Detektorkristall über den Frontkontakt verlassen, ehe sie ihre Energie vollständig abgegeben haben, so führt das ebenfalls zu Impulsen reduzierter Höhe. Andererseits können auch Photo- und Augerelektronen, die im Frontkontakt entstehen und in Richtung des Detektorkristalls emittiert werden, dort Impulse auslösen. Diese Impulse verursachen das Schelf der Spektrometerfunktion, das als breiter Untergrund in Abb. 23 erscheint. Bei der Mikrobereichsanalyse am REM stört das Schelf kaum, da es vom viel grö- 25 ßeren Bremsstrahlungsuntergrund überlagert wird. Anders ist die Situation bei der energiedispersiven Röntgenfluoreszenzanalyse (s. Abschn. 6.2). Beim SDD kommen aufgrund der geringeren Dicke des Detektors noch Schelfbeiträge von der Rückseite. Vor allem das Schelf niederenergetischer Peaks war bei den ersten SDDs relativ groß und führte zu Schwierigkeiten bei der für die quantitative Analyse notwendige Bestimmung der Peakfläche. Bei der Absorption eines Photons dicht unter dem Frontkontakt kann ein gewisser Anteil der Elektronenwolke infolge Rekombination an der Phasengrenze zum Metall und an Kristalldefekten, die bei der Aufbringung des Frontkontaktes entstanden sind, durch unvollständige Ladungssammlung (engl.: incomplete charge collection - ICC) verloren gehen. Auch dieses führt zu Impulsen reduzierter Höhe, die zu den niederenergetischen Ausläufern der Peaks (tailing) führen. In Abb. 23 ist ein schwacher Ausläufer für die Mn-Kα Linie erkennbar. ICC wird dominierend, wenn sehr weiche Röntgenstrahlung nachzuweisen ist. Hier erfolgt die Absorption grundsätzlich dicht unterhalb des Frontkontaktes, so dass die überwiegende Anzahl der Impulse in ihrer Höhe reduziert ist und die Peaks somit zu niederen Energien hin verschoben werden. Somit ist ICC ein Maß für die Qualität eines Detektors. Abb. 24 zeigt als Beispiel die mit qualitativ unterschiedlichen Si(Li) Detektoren registrierte C-K Linie von Graphit. Die für Mn-Kα spezifizierten Peakbreiten unterscheiden sich dagegen nur unwesentlich voneinander. Abb. 24 C-K Linie, aufgenommen mit einem Detektor geringer und mit einem Detektor starker ICC Auch die Impulsverarbeitung beeinflusst die Spektrometerfunktion. Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt wurde, trägt das elektronische Rauschen im Transistor und Vorverstärker zur Breite der Peaks bei. Leckströme liefern ebenfalls einen Beitrag. Würde man das Spektrum in Abb. 23 bis 15 keV darstellen, wären auch die Summenpeaks der Mn-K Linien zu sehen. Weiterhin treten im Spektrum Peaks auf, die durch sekundäre Fluoreszenz an den Bauteilen des Detektors hervorgerufen werden. Ein Beispiel dafür sind 26 die bei einigen Detektortypen zu beobachtenden Zr-K Linien infolge sekundärer Fluoreszenz an der Aperturblende. Die Intensität derartiger Peaks ist allerdings gering und nur bei sehr hohen Signal/Rausch-Verhältnissen wahrnehmbar. 3.1.4 Kenngrößen Die Spezifizierung von energiedispersiven Röntgenspektrometern ist in einem internationalen Standard festgelegt (ISO 15632), der Angaben zur Bauart (z.B. Detektor, Kühlung), zur Energieauflösung, zur Effizienz und zum Peak/Untergrund-Verhältnis fordert. Die Energieauflösung ∆Ε wird als Halbwertsbreite (FWHM) einer einzelnen Linie angegeben. Zwei Prozesse tragen zur Linienverbreiterung bei: das Detektorrauschen ∆Edet und das elektronische Rauschen ∆Eel. (zur Erläuterung dieser beiden Rauschanteile s. Abschnitt 3.1.3) 2 ∆E = ∆E el2 + ∆E det = ∆E el2 + 8(ln 2)εFE (9) Danach hängt ∆E parabolisch von E ab. Gl. (9) ist in Abb. 25 graphisch dargestellt. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass für Energien unterhalb 1 keV das elektronische Rauschen dominierend wird. Abb. 25 Energieauflösung ∆E eines Si-Detektors (blau) und Anteil des Detektorrauschens (rot) 140 Auflösung / eV 120 ∆E 100 80 ∆ E det 60 40 20 0 0 1 2 3 4 5 6 Energie / keV Häufig wird ∆E nur für die Mn-Kα Linie angegeben, weil ∆E mit Hilfe einer Fe55-Quelle auch außerhalb des REM gemessen werden kann. Für neue Detektoren liegt ∆E je nach Qualität des Detektorkristalls zwischen 123 und 135. Diese Art der Spezifikation reichte aus, solange die Detektoren Be-Fenster hatten und Spektroskopie im Bereich unterhalb 1 keV nicht möglich war. Detektoren mit einem Polyimidfensters sollten auch im Bereich unterhalb 1 keV eine Energieauflösung zeigen, die durch Gl. (6) beschrieben wird. Deshalb werden inzwischen gemäß Standard ISO 15632 auch die Halbwertsbreiten der C-K und F-K Linie spezifiziert. 27 Die Effizienz eines Spektrometers gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass ein einfallendes Photon zu einem registrierten Impuls innerhalb des entsprechenden Peaks führt. Abb. 26 zeigt die Effizienz für Si(Li)- und SDD-Spektrometer mit Polyimidfenster. Im Bereich niedriger Energien wird die Effizienz durch Absorption der Röntgenstrahlung im Fenster und im Frontkontakt abgesenkt. Sie erreicht bei etwa 4 keV denjenigen Wert, der der Öffnung des Stützgitters entspricht. Oberhalb 8 keV werden auch die Balken des SiStützgitters transparent. Deshalb steigt die Effizienz für den Si(Li) nochmals geringfügig an. Bei hohen Energien fällt die Effizienz ab, weil Photonen den Detektor durchdringen können, ohne absorbiert zu werden. Für einen Si(Li) Dicke beginnt der Abfall bei etwa 20 keV, für den dünneren SDD bei ca. 10 keV. Abb. 26 Effizienzen von Spektrometern mit AP3.3 Fenster, aber unterschiedlichen Kristalldicken (3 mm für Si(Li), 0.45 mm für SDD) und Frontkontakten. Dargestellt ist die Peak-Effizienz, d.h. Impulse im Schelf und im Escape-Peak sind nicht mit berücksichtigt. 1 Peakeffizienz [Impulse/Photon] 0.9 Si(Li) mit 20 nm Au-Kontakt Si(Li) mit 10 nm Ni-Kontakt SDD min "pn-window" 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 -1 10 0 10 1 10 Photonen Energie [keV] Die Kα-Linien der Elemente Mn, Fe, Co, Ni und Cu liegen im Bereich maximaler Effizienz, während für die zugehörigen L-Linien die Effizienz infolge der Absorption von Fenster und Frontkontakt reduziert ist. Deshalb wird mitunter als Maß für die Effizienz das L/KIntensitätsverhältnis für die genannten Elemente bei 20 keV Anregung angegeben. Dieses Verhältnis sollte auf Veränderungen hin periodisch überprüft werden. Ein geringfügiges Leck im Strahleneintrittsfenster führt zu einer allmählichen Vereisung des Detektors, die sich in einer Abnahme des L/K-Verhältnisses zeigt. Das Peak/Untergrund-Verhältnis bezieht sich auf das Spektrum einer Fe55-Quelle (s. Abb. 23). Als Peak wird die Höhe des Mn-Kα Peaks genommen, der Untergrund ist das Mittel des Schelfs zwischen 0,9 und 1,1 keV. Für Si(Li)s liegen die P/B-Werte zwischen 3000 und 20000, für SDDs zwischen 10000 und 20000. 28 3.1.5 Kalibrierung und Funktionskontrolle energiedispersiver Röntgen- spektrometer Mit einem energiedispersiven Röntgenspektrometer werden die pro Kanal des Vielkanalanalysators eingelesenen Impulse gemessen. Die Abszisse der Spektrendarstellung gibt deshalb die Kanalzahl und nicht die Energie der Röntgenstrahlung an. Deshalb ist es notwendig, über eine Kalibrierung dem Impulshöhenintervall eines Kanals des Vielkanalanalysators einen Energiebereich zuzuordnen. Üblicherweise wird dazu von einer Kupferprobe ein Spektrum bei 20 keV Anregung aufgezeichnet und der Cu-Kα Peak auf 8,04 keV gesetzt. Je nach Einstellung der Kanalzahl (meist 2048 oder 4096) entspricht dann einem Kanal eine Energieintervall um 5, 10 oder 20 eV. Moderne Spektrometer besitzen für die Kalibrierung ein Kalibrierungsprogramm. Diese Kalibrierung der Energieskala sollte in regelmäßigen Zeitabständen wiederholt werden. Bei einer quantitativen Analyse werden die Peakflächen ausgewertet. Das ist unproblematisch, solange sich die Peaks nicht überlagern. Bei Peaküberlagerungen müssen die einzelnen Komponenten durch eine Entfaltungsrechnung bestimmt werden. Dabei sollte die von der Software des Spektrometers angenommene Energieauflösung (d.h. die Peakbreite) nicht zu stark von der tatsächlichen abweichen. Es ist daher zu empfehlen, in regelmäßigen Abständen auch die Energieauflösung des Spektrometers zu kontrollieren, indem die FWHM für die Mn-Kα Linie und die C-K Linie bestimmt werden. Insbesondere die Breite der C-K Linie gibt Aufschluss darüber, ob der Frontkontakt des Detektors degradiert (vergl. Abschn. 3.1.3, ICC) und ob das elektronische Rauschen zugenommen hat (s. Abb. 20). Jedes Programm für eine standardlose Analyse muss auf die Effizienz des Spektrometers zurückgreifen. Das Ergebnis wird fehlerhaft, wenn die vom Quantifizierungsprogramm angenommene Effizienz von der tatsächlichen abweicht. Die Effizienz eines Spektrometers wird vor allem im niederenergetischen Bereich durch die Ausbildung von Kontaminationen auf dem Detektorfenster oder direkt auf dem Detektorkristall reduziert. Das wirkt sich besonders im Ergebnis der Analyse von Verbindungen, die leichte Elemente enthalten, aus. Eine regelmäßige Bestimmung des Intensitätsverhältnisses von L-Serie und Kα Linie in einem 20 keV Nickel-, Kobalt- oder Kupferspektrum kann zumindest Veränderungen anzeigen und sollte unbedingt für Spektrometer mit Dünnfilmfenstern regelmäßig durchgeführt werden. Bei Spektrometern mit sehr guter Auflösung kann anhand der Form der Cr-L Serie auf das etwaige Vorhandensein einer Eisschicht auf dem Detektor geschlossen werden. Im Bremsstrahlungsspektrum einer Siliziumprobe sind die vom Dünnfilmfenster und einer etwaigen Vereisung herrührenden Absorptionskanten zu erkennen. Am praktischsten hat sich die Aufnahme eines Spektrums einer speziellen Multielementprobe erwiesen, die von der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung 29 seit 2008 als Testmaterial TM001 (Abb. 27) und seit 2013 als TM002 zusammen mit einer einfachen Software für die Auswertung und Protokollierung der Ergebnisse angeboten wird. Die Software berechnet die Energieauflösung für C-K und Mn-Ka, das Intensitätsverhältnis Mn-Lα/Mn-Kα als Kontaminationskontrolle und überprüft unvollständige Ladungssammlung sowie die Kalibrierung des Spektrometers (Abb. 28). Abb. 27 Testmaterial der BAM-TM001: 10 µm dicke Schicht mit den Elementen C, Al, Mn, Cu, Zr auf Stahlsubstrat (seit 2013 BAM-TM002 mit 5 µm Schicht auf Si-Substrat) Abb. 28 Layout der Software für BAM TM001 Wird das Spektrometer zur quantitativen Analyse mittels eigener Standards eingesetzt, sollte die Totzeitkorrektur ebenfalls überprüft werden. Dazu ist das gleiche Spektrum mit unterschiedlichen Probenströmen aufzunehmen, und zwar so, dass sich dabei die Totzeiten deut- 30 lich unterscheiden. Peakflächen, dividiert durch Probenstrom und korrigierte Messzeit (life time) müssen identisch bleiben. Die Norm ISO17025 sieht vor, dass für ein Prüfmittel bei Inbetriebnahme eine Funktionskontrolle oder Kalibrierung zu erfolgen hat (s. Abschnitte 5.5 und 5.6 der Norm). Im Falle eines EDS wäre es zu aufwändig, alle die oben beschriebenen Messungen, die Gegenstand einer Kalibrieranweisung sein könnten, bei der täglichen Inbetriebnahme durchzuführen. Als ein empfindlicher Indikator für eine fehlerfreie Funktion des Spektrometers hat sich die Bestimmung der Halbwertsbreite des Nullpeaks erwiesen. Der Nullpeak ist noch vor dem Einschalten der Hochspannung am REM aufzunehmen. Er wird bei Spektrometern der Firmen Oxford, Kevex, Röntec/Bruker und Noran/Thermo ständig mit registriert. Noran/Thermo Spektrometer messen sogar permanent die Halbwertsbreite und zeigen sie auf dem Display an. Bei den hier beschriebenen Messungen handelt es sich um Empfehlungen. Sie sind in ähnlicher Form als Funktionsprüfungsanweisungen, Bereich metallografische Prüfungen M-FPA090 und M-FPA-010 vom 29.03.01 des Werkstoffausschusses im Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh), Düsseldorf angegeben. Dem Nutzer eines Spektrometers für EDS steht es frei, eigene Wege zu Kalibrierung und Funktionskontrolle zu gehen. Auf keinen Fall sollte jedoch der hohe Bedienkomfort moderner Spektrometer darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein kompliziertes Gerät handelt, dessen einwandfreie Funktion durch mannigfaltige Faktoren beeinflusst werden kann. 3.2 Wellenlängendispersive Röntgenspektrometer Wellenlängendispersive Spektrometer (WDS) nutzen die Reflexion von Röntgenstrahlung an den Netzebenen von Kristallgittern. Reflexion (und Beugung) finden nur dann statt, wenn für den Einfallswinkel Θ, die Wellenlänge λ und den Netzebenenabstand d im Kristallgitter die Braggsche Gleichung nλ = 2d sin Θ (10) erfüllt ist (s. Abb. 29). n ist eine ganze Zahl, die die Beugungsordnung angibt. Durch Drehen des Kristalls und einer Mitführung des Detektors derart, dass immer die Braggsche Gleichung erfüllt ist, lässt sich am Detektor die Intensität in Abhängigkeit von Θ, d.h. sequentiell, ein Spektrum messen. 31 Abb. 29 Braggsche Reflexion von Röntgenstrahlung an den Netzebenen eines Kristallgitters. λ Θ d In Abb. 29 ist die auf den Kristall treffende Strahlung als paralleles Bündel gezeichnet. Die von der Probe, d.h. vom Auftreffpunkt des Elektronenstrahls emittierte Röntgenstrahlung ist jedoch divergent. Die Braggsche Gleichung ist daher nur für einen kleinen Bereich des Kristalls erfüllt, und die Intensität der reflektierten Strahlung ist gering. Daher werden die Kristalle gekrümmt (Johann Anordnung) und bei besonders guten Spektrometern noch derart konkav geschliffen (Johanson Anordnung), dass sich Probe, Kristalloberfläche und Detektor auf dem Rowland-Kreis befinden. Unter dieser Bedingung wird die von der Probe emittierte divergente Strahlung wieder am Detektor fokussiert. Bei der Registrierung eines Spektrums müssen Kristall und Detektor stets so geführt werden, dass sie zusammen mit der Probe immer auf dem Rowland-Kreis liegen. Dies veranschaulicht Abb. 30. e-Strahl Kristall Abb. 30 Anordnung von Probe, Kristall und Detektor auf dem Rowland-Kreis Probe Detektor Aus Abb. 30 folgt, dass die Distanz L zwischen Detektor und Kristall mit dem Einfallswinkel Θ und dem Radius R des Rowland-Kreises über die Beziehung 32 L = 2R sin Θ zusammenhängt. Unter Verwendung der Braggschen Gleichung (Gl.(10)) ergibt sich L= R nλ d . (11) Somit kann durch Messung des Abstandes L die Wellenlänge λ bestimmt und die Röntgenlinie identifiziert werden. Gl.(11) ist das Analogon der WDS zu Gl.(8) für die EDS. Eine Alternative zum doppelt fokussierenden Spektrometer (Abb. 30), die speziell für den Einsatz am REM entwickelt worden ist, ist das Parallelstrahlspektrometer. Die von der Probe divergent emittierte Strahlung wird durch eine Röntgenoptik in ein Bündel paralleler Strahlung umgeformt. Somit können ebene Beugungskristalle verwendet werden, d.h. das Spektrometer entspricht der Skizze in Abb. 29. Der erfassbare Spektralbereich hängt nach Gl.(10) vom Netzebenenabstand d ab. Um mit einem Spektrometer den weiten Bereich von 0,1 bis über 10 keV erfassen zu können, muss man Kristalle mit verschiedenen Netzebenenabständen verwenden. Kristallspektrometer für das REM besitzen einen Revolver, auf dem mehrere Kristalle montiert sind. Automatisch wird derjenige Kristall in Position gebracht, der für den gewählten Spektralbereich optimal ist. Tabelle 1 informiert über die üblicherweise verwendeten Beugungskristalle. Tabelle 1 : Beugungskristalle für WDS Name Abk. Chem. Formel Reflektierende 2 d Ebene Energiebereich (keV) Lithiumfluorid LIF LiF 200 0,4027 3,5 - 12 Penataerythritol PET C5H12O4 002 0,8742 1,6 – 5,6 Thalliumphthalat TAP C8H5O4Tl 1010 2,59 0,5 – 1,8 synthetische Vielfachschichten SML Wi-Si, Ni-C, alternierend meist 0,1 – 0,6 Mo-B4C, u.a. niedriges und 40, 60 hohes Z und 80 Die Energie- (bzw. Wellenlängen-) –auflösung bei WDS wird durch die Qualität der Kristalle bestimmt. Die Energieauflösung des üblicherweise als Detektor verwendeten Proportionalzählers spielt keine Rolle. ∆E ist um ein bis zwei Größenordnungen besser als bei EDS. So können z.B. die S-Kα Linie und die Mo-Lα Linie sowie die Si-Kα und Kβ Linien voneinander getrennt werden, was bei EDS unmöglich ist (Abb. 31). Die viel schmaleren Peaks heben sich auch deutlicher aus dem Bremsstrahlungsuntergrund heraus, so dass die Nachweis- 33 empfindlichkeit bei WDS um mindestens eine Größenordnung besser als bei EDS ist. Dennoch beträgt ∆E ca. das Zehnfache der natürlichen Linienbreite. Abb. 31 Si-K Linie, aufgenommen mit einem energie- und einem wellenlängendispersiven Spektrometer. Kα- und Kβ-Linie sind bei WDS deutlich getrennt. Intensität / Impulse pro Kanal 1500 EDS 1000 WDS 500 0 1.6 1.65 1.7 1.75 1.8 1.85 1.9 1.95 2 Energie / keV 4 Qualitative Analyse 4.1 Definition Unter qualitativer Analyse seien im Folgenden die Identifizierung der in einer Probe unbekannter Zusammensetzung enthaltenen chemischen Elemente sowie die Bestimmung ihrer räumlichen Verteilung in der Probe verstanden. Für die qualitative Analyse wird überwiegend die energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX oder EDS) und weniger die wellenlängendispersive Röntgenspektroskopie (WDX oder WDS) eingesetzt. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich daher hauptsächlich auf EDX. 4.2 Punktanalyse 4.2.1 Wahl der optimalen Hochspannung am REM Die Aufnahme eines Röntgenspektrums zwecks Elementidentifizierung bei fester Position des Elektronenstrahls auf der Probe oder auch bei rasterndem Elektronenstrahl über einen mikroskopischen Bereich auf der Probe wird als Punktanalyse verstanden. Wichtig für ein richtiges Analysenergebnis ist die Einstellung der Hochspannung V am REM. Sie muss so groß sein, dass für alle in der Probe enthaltenen Elemente wenigstens für eine intensive Linie gilt, dass das Überspannungsverhältnis größer als 2 ist (vergl. Abschn. 2.1 und Gl.(3)). Für die maximal am Gerät einstellbare Hochspannung, z.B. 30 keV, ist diese Bedingung leicht zu erfüllen. Allerdings vergrößert sich mit V das zur Röntgenemission angeregte Probenvolumen. Die Punktanalyse von einem mikroskopischen Partikel sollte daher bei mög- 34 lichst geringer Hochspannung durchgeführt werden. Der optimale Wert von V hängt also von der Probe und der Analysenaufgabe ab. Er kann mitunter nur durch Probieren auf iterativem Wege gefunden werden. Der Einfluss der gewählten Hochspannung auf das Analysenergebnis wird durch das Beispiel in Abb. 32 deutlich. Zu untersuchen war eine Glaskeramik, bestehend aus geschmolzenem Glas sowie ungeschmolzenen Glas- und Aluminiumnitrid-Körnern. In den REM-Aufnahmen sind die unterschiedlichen Körner schwer zu unterscheiden. Das bei 10 kV von einem ca. 1 µm großen Korn aufgenommene Spektrum lässt auf ein Glaskorn schließen, da im Spektrum Mg, Al, Si und O identifiziert werden können. Das Spektrum bei 5 kV zeigt dagegen deutlich, dass es sich um ein Aluminiumnitrid-Korn handelt. 2500 Al 200 intensity / counts / channel intensity / counts / channel 250 5 keV 150 100 50 0 0 N Ni C 2000 10 keV 1500 1000 O 500 O 0.5 Al C 1 1.5 energy / keV 2 2.5 0 0 N 0.5 Mg Si Ni 1 1.5 energy / keV 2 2.5 Abb. 32 REM-Aufnahmen und EDX-Spektren von einem AlN-Korn in einer Glaskeramik. Die Probe wurde für die Analyse mit ca. 2 nm Ni beschichtet, um Aufladung zu vermeiden 4.2.2 Elementidentifizierung Die Elementidentifizierung wird in der Regel vom Rechner des Spektrometers zufriedenstellend gelöst. Mitunter ist jedoch das Eingreifen des Operators erforderlich. Das trifft besonders für Spektrometer mit großflächigen SDDs und einer noch nicht ausgereiften oder 35 gar fehlenden mathematischen Routine zur nachträglichen Entfernung von Summenpeaks zu. Die mathematische Routine zur Peakerkennung in einem Spektrum besteht im Prinzip aus einer zweifachen Differentiation oder Top-Hat Filterung des Spektrums. Damit wird der Bremsstrahlungsuntergrund eliminiert. Die positiven Maxima im differenzierten bzw. gefilterten Spektrum entsprechen den Energien der Linien im charakteristischen Röntgenspektrum. Durch Vergleich mit tabellierten Linienenergien erfolgt die Elementidentifizierung. Durch das Differenzieren bzw. Filtern wird außerdem die Breite der Peaks reduziert und das Rauschen im Spektrum geglättet. Beides verbessert die Zuordnung der Peaks zu den Linienenergien der Elemente. Abb. 33 zeigt ein Spektrum vor und nach der Top-Hat Filterung. S teel.em s 10000 12 Fe, Mn 9000 x 10 4 S teel.em s Fe, Mn 10 8000 8 arbitrary units X-Ray Intensity 7000 6000 5000 Cr 4000 3000 Cr,Fe,Ni 2000 Cr, Mn 1000 0 Fe 1 2 4 5 6 7 4 Cr,Fe,Ni 2 Al Si Cr, Mn Fe 6 7 Ni Ni 0 -2 -4 Ni 3 Cr Ni Al Si 0 6 8 9 10 X-Ray Energy 0 1 2 3 4 5 8 9 10 energy / keV Abb. 33 Spektrum einer Stahl-Probe (NIST Standard 1172) vor und nach Filterung zur Peakerkennung Die Zuordnung von Elementen zu Peaks im Spektrum wird bei sich überlagernden Peaks kompliziert. Wegen der einige 10 eV betragenden Breite der Peaks im mit einem energiedispersiven Spektrometer aufgenommenen Spektrum sind Peaküberlagerungen vor allem im niederenergetischen Bereich des Spektrums nicht selten. Die problematischsten Peaküberlagerungen, d.h. diejenigen, die meistens eine Unterstützung der Identifizierung durch den Operator erfordern, sind in Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. aufgeführt. Sie betreffen die Überlagerung von K-Linien leichter Elemente mit den L- und M-Serien schwererer Elemente. Daher sind die Spektren von Titannitrid, Chromoxiden, Tantal- und Wolframsiliziden sowie Molybdän- und Bleisulfid schwer von den Spektren der reinen Metalle zu unterscheiden. 36 Tabelle 2 :kritische Linienüberlagerungen bei EDX N-K Ti-Lι,η, Sn-Mζ O-K V-Lα,β, Cr-Lι,η Na-K Zn-Lα1,β1 Si-K Ta-Lα1,β1, W-M5-O3 S-K Mo-Lα1,β1, Pb-Mα1,2 Die Erkennbarkeit eines Peaks im Röntgenspektrum hängt davon ab, wie stark er sich aus dem Bremsstrahlungsuntergrund hervorhebt. Auf die bei EDX und WDS erreichbaren Nachweisgrenzen wird später in Abschn. 5.5 eingegangen. 4.3 Verteilungsanalysen 4.3.1 Einstellungen am REM und am Spektrometer Wenn der Elektronenstrahl längs einer Linie über die Probe geführt wird und von einer vorher festgelegten Anzahl von Punkten auf dieser Linie Spektren aufgenommen werden, bezeichnet man das als Line-Scan. Das zweidimensionale Analogon, d.h. die Aufnahme eines Spektrums in jedem Punkt eines Rasterfeldes, wird als Map bezeichnet. Häufig reicht das weniger zeitaufwändige Line-Scan aus, um die gewünschte Information, z.B. die Veränderung der Probenzusammensetzung senkrecht zu einer Grenzfläche, zu gewinnen. Ein Map ist informativer, allerdings um den Preis erhöhter Messzeit. Ist die Zählrate hoch, kann eventuell die Verweilzeit reduziert werden. Die Zählrate lässt sich über den Strahlstrom erhöhen. Bei einem Spektrometer mit Si(Li) erhöht sich allerdings damit auch die Totzeit des Impulsverarbeitungssystems, so dass der Zeitgewinn mitunter gering ausfällt. Spektrometer mit SDDs sind besonders für Verteilungsanalysen vorteilhaft, weil sie hohe Zählraten (bis 1.000.000 Impulse/s) bei Totzeiten um 10% ermöglichen. Mit zunehmendem Strahlstrom erhöht sich die Strahlenbelastung der Probe. Nicht jedes Material verträgt eine hohe Elektronendosis pro Zeiteinheit ohne Veränderungen. Optimale Einstellungen sind von Aufgabe zu Aufgabe verschieden und erfordern das Geschick des Operators. 37 4.3.2 Elementverteilungen Die bisherige, konventionelle Vorgehensweise bei der Aufnahme ein- oder zweidimensionaler Elementverteilungsbilder besteht in folgenden Schritten: • Aufnahme eines Spektrums vom interessierenden Probenbereich bei rasterndem Elektronenstrahl • Identifizierung der im Probenbereich enthaltenen Elemente anhand der Linien im Spektrum • Festlegung der Regionen von Interesse (ROI), d.h. derjenigen Energiefenster im Spektrum, für die die registrierten Impulse einem Element zugeordnet werden. Abb. 34 zeigt ein Spektrum von einer Hartstoff-Keramik mit den Fenstern für Ti, Si, C und B. Si C Abb. 34 ROI’s (grün) im Spektrum einer TiB2/TiC/SiC-Hartstoff-Keramik • Festlegung der Pixelzahl für das Line-Scan oder Map und der Verweilzeit pro Pixel • Aufnahme der Element-Verteilungsbilder (Abb. 35), wobei die Intensität pro Pixel nur in etwa der Häufigkeit des Elementes an diesem Ort entspricht. Topographie der Probenoberfläche und die in den Abschnitten 2.1 und 2.2 erläuterten physikalischen Größen beeinflussen solche Intensitätsverteilungsbilder. Die Anzahl der ROI’s hat bei einem EDS keinen Einfluss auf die für die Aufnahme der Elementverteilung notwendige Messzeit. • Eine eventuelle Nachbearbeitung der Verteilungsbilder durch Glätten, Kantenschärfen, Falschfarbendarstellung u.a. Die eben beschrieben Vorgehensweise für die Aufzeichnung von Maps, bei der zuerst die ROI definiert werden, birgt die Gefahr in sich, dass nach der Messung, d.h. zu einem späte- 38 ren Zeitpunkt festgestellt wird, dass nicht für alle interessierenden Elemente Verteilungsbilder aufgenommen wurden. Deshalb sind inzwischen fast alle Spektrometerhersteller dazu übergegangen, nicht nur die Impulse in den ROI' s, sondern das komplette Spektrums pro Pixel abzuspeichern. Diese, an einen schnellen Rechner mit hoher Speicherkapazität gebundene Variante wird meistens spectral imaging genannt und verändert die oben angegebene Reihenfolge der Schritte: Zuerst werden Pixelzahl und Verweilzeit festgelegt. Die Wahl der ROI und die Erzeugung der Elementverteilungsbilder erfolgt nach der Messung. B C Si Ti Abb. 35 Elementverteilungsbilder für B, C, Si und Ti einer TiB2/TiC/SiC-Hartstoff-Keramik 4.4 Phasenanalysen Häufig interessiert primär nicht die Verteilung der einzelnen Elemente, sondern die Verteilung von Kombinationen der Elemente, d.h. von Verbindungen oder Legierungen, in einer Probe. Für das Auffinden von unterschiedlichen Kombinationen und die Darstellung von deren Verteilung gibt es verschiedene Möglichkeiten. 39 4.4.1 Mischfarbendarstellung Abb. 36 Mischfarben-Verteilungsbild für die Elemente Mg, Al, Si, K, Ca, Ti und Fe für ein Mineral (Quelle: Röntec GmbH) Wenn den einzelnen Elementen in einem Verteilungsbild wie in Abb. 35 Farben zugeordnet werden, so lassen sich bei gleichzeitigem Auftreten von mehreren Elementen in einem Pixel Mischfarben bilden, wobei die im Pixel gemessenen Intensitäten der Elemente als Wichtung für die Mischfarbenberechnung genutzt wird. Auf diese Weise lässt sich die Elementverteilung in einem einzigen Bild darstellen. Abb. 36 zeigt eine solche Darstellung für ein Mineral. Reines Grün entspricht in diesem Falle dem Siliziumoxid, Grün enthaltende Mischfarben weisen auf die Beimengung anderer Elemente hin. Außerdem ist noch das SE-Bild hinterlegt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dem Röntgenspektrum kanalweise ein Farbspektrum zuzuordnen. Man erhält dann sofort ein Mischfarben-Verteilungsbild, ohne jedoch zu wissen, welche Farbe welcher Verbindung oder welcher Phase entspricht. Auf diese Weise lassen sich jedoch Probeninhomogenitäten, die nachfolgend einer Punktanalyse unterworfen werden können, schnell sichtbar machen. Diese Art der Mischfarbendarstellung wird von der Fa. Oxford Instruments „Cameo“ genannt. 4.4.2 Binarisierung und logische Verknüpfung Die Verteilungsbilder in Abb. 35 können binarisiert werden. Das bedeutet, dass ein Intensitätsschwellwert Is derart gesetzt wird, dass nur für Pixel mit I>Is das betreffende Element als vorhanden gewertet wird. Abb. 37 zeigt als Beispiel das Intensitätshistogramm für die Ti-Verteilung in Abb. 35. Is wurde auf ca. 10 Impulse pro Pixel festgelegt. Eine geringere Impulszahl wird als Rauschen interpretiert, eine größere Anzahl Impulse bedeutet, dass Ti vorhanden ist. Das „Ja/Nein“ Binärverteilungsbild zeigt Abb. 37 rechts. Die binären Verteilungsbilder der einzelnen Elemente können nun logisch verknüpft werden. Im gegebenen Beispiel ist das für die binären Verteilungen von Ti, B und C sowie von Si und C sinnvoll, weil entspre- 40 chende chemische Verbindungen dieser Elemente existieren. Immer dann, wenn in beiden Verteilungen eine logische 1 (d.h. ein „Ja“) steht, ist die entsprechende Verbindung der beiden Elemente existent. Auf diese Weise erhält man aus den Elementverteilungsbildern in Abb. 35 die in Abb. 38 dargestellte Verteilung der Verbindungen TiB2, TiC und SiC. Moderne Spektrometer führen auf Befehl die Phasenanalyse automatisch durch. In der Regel werden dabei aber zu viele Phasen gebildet, die dann manuell wider zusammengefasst werden müssen. Abb. 37 Intensitätshistogramm (oben) und Binärverteilung (rechts) für die TiVerteilung in Abb. 34 TiB2 2 µm SiC TiC 2 µm Abb. 38 SE-Bild und Phasenverteilung für die TiB2/TiC/SiC-Hartstoff-Keramik 4.4.3 Hauptkomponentenanalyse Für den Fall, dass die zur Probe vorliegenden Informationen nicht ausreichend sind, um binäre Verteilungen sinnvoll zu verknüpfen, kann man auch versuchen, die Anzahl der Ver- 41 bindungen und Phasen auf mathematischem Wege zu finden. Wenn pro Pixel das gesamte Spektrum aufgenommen wurde, kann man mittels der Hauptkomponentenanalyse bestimmen, wie viele Basisspektren erforderlich sind, um sämtliche Spektren durch Linearkombination aus diesen Basisspektren darstellen zu können. Auf diesem Konzept basiert z.B. das Programm Compass von Thermo-Scientific. Abb. 39 Analyse der Probe wie in Abb. 35 und Abb. 38 unter Verwendung von Spectral Imaging und Phasenbestimmung mittels Hauptkomponentenanalyse. Dabei wird noch eine weitere Phase sichtbar (gelb). Aus den dazugehörigen Spektren folgt, dass es sich um Al2O3 und Y2O3 handelt. Es sollte jedoch bei der Anwendung derartiger Verfahren bedacht werden, dass je komplizierter das Verfahren ist, das Ergebnis zwar umso eindrucksvoller wird, aber auch die Gefahr einer fehlerhaften Interpretation der Daten wächst. 5 Quantitative Analyse Das Ziel einer quantitativen Analyse ist die Bestimmung von Elementkonzentrationen anhand der Linienintensitäten im Spektrum. Die Schwierigkeiten beginnen oftmals schon bei der Bestimmung der Linienintensitäten: Der Bremsstrahlungsuntergrund muss abgezogen werden, um die Nettointensitäten zu bekommen, und sich überlagernde Linien müssen entfaltet werde. Sodann muss eine mathematische Beziehung zwischen der Linienintensität und der Elementkonzentration gefunden werden. Aus Abschnitt 2 wissen wir, dass die Intensität einer Linie neben der Elementkonzentration noch von einer Vielzahl physikalischer Parameter abhängt. Folglich vollzieht sich eine quantitative Analyse immer in zwei Schritten: 1. Bestimmung von Nettointensitäten und 2. Konzentrationsberechnung. In beiden Fällen sind aufwändige numerische Operationen durchzuführen. Moderne Rechner erledigen diese zwar 42 in Bruchteilen von Sekunden, aber gerade dieses birgt die Gefahr in sich, dass Fehlermöglichkeiten übersehen werden. 5.1 Bestimmung der Nettointensitäten 5.1.1 Untergrundkonstruktion Bei der WDS, wo in der Regel die Peakbreiten nur wenige eV betragen, ist ein lineares Untergrundspektrum, d.h. eine Annäherung des Untergrundes im Bereich des Peaks durch eine Gerade, hinlänglich genau und deshalb üblich. Bei EDS kann man versuchen, unter den breiten, mehrere 10 eV betragenden Peaks, die teilweise zu nicht auflösbaren Linienserien gehören, einen Untergrund zu konstruieren, der in seiner Form dem Bremsstrahlungsuntergrund möglichst nahe kommt. Eine direkte Berechnung ist ja nicht möglich, weil das die Kenntnis der Zusammensetzung der noch zu analysierenden Probe voraussetzen würde. Außerdem ist in der Regel die Energieabhängigkeit der Spektrometereffizienz nicht hinlänglich bekannt, was zu großen Fehlern besonders für den niederenergetischen Bereich des Untergrundes führen würde (vergl. Abb. 26). Man behilft sich daher mit einer abschnittsweisen Konstruktion des Untergrundes zwischen Stützstellen, d.h. zwischen Stellen im Spektrum, an denen sich mit Sicherheit kein Peak befindet. Die Verfahren dazu sind ist weitgehend empirisch. Moderne Programme erlauben dem Operator eine nachträgliche Korrektur mit der Maus am Bildschirm, bis seiner Meinung nach eine optimale Untergrundanpassung vorliegt. Abb. 40 zeigt als Beispiel eine Untergrundkonstruktion zu einem Spektrum des legierten Stahles in Abb. 33. Durch Subtraktion des konstruierten Untergrundspektrums vom gemessen Spektrum ergeben sich die Nettointensitäten der Peaks. Sie entsprechen den Intensitäten der emittierten charakteristischen Strahlung, aus denen die Konzentrationen berechnet werden sollen, multipliziert mit der Spektrometereffizienz. Abb. 40 Spektrum eines CrNi-Stahles (SRM NIST 1172) mit abgepasstem Bremsstrahlungsuntergrund NIST 1172 10000 Fe Intensität / Impulse pro Kanal 9000 8000 7000 6000 5000 Cr 4000 3000 Fe 2000 Cr Mn Cr 1000 0 Ni 0 1 Fe Ni Si Nb 2 Ni 3 4 5 6 Energie / keV 7 8 9 10 43 Der subjektive Faktor, der einer eben beschriebenen Untergrundkonstruktion innewohnt, lässt sich durch eine rein mathematische Behandlung des Problems ausschließen. Von vielen möglichen Methoden wird am häufigsten die schon bei der Linienidentifizierung (Abschn. 4.2.2, Abb. 33 rechts) erwähnte Top-Hat Filterung verwendet. Im gefilterten Spektrum wird der Untergrund zu Null. Es lässt sich beweisen, dass zwischen Peakflächen im ursprünglichen und im gefilterten Spektrum Proportionalität besteht. Somit kann die quantitative Analyse auch auf der Basis der gefilterten Spektren durchgeführt werden. 5.1.2 Peakentfaltung Häufig überlagern sich die Peaks verschiedener Elemente. Das gilt vor allem für EDS Spektren wegen der schlechteren Energieauflösung. Die kritischsten Überlappungen sind in in Abschn. 4.2.2, Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. angegeben. Außerdem überlagert sich bei einem EDX-Spektrum die C-K Linie mit der Absorptionskante des Kohlenstoffs in der Transmission des Detektorfensters (s. Abb. 18). Kohlenstoffkonzentration unter ca. 10 Masse-% sind deshalb mit EDX prinzipiell nicht nachweisbar. Zur Bestimmung der Nettointensitäten muss das Spektrum noch in seine einzelnen Komponenten zerlegt, d.h. "entfaltet" werden. Dafür gibt es zwei prinzipiell verschienen Methoden. Bei der ersten wird angenommen, dass jeder Peak gaussförmig ist. Demzufolge wird ein Modellspektrum, das aus lauter Gauss-Peaks besteht, berechnet, und freie Parameter im Modellspektrum (z.B. die Peakhöhe) werden solange variiert, bis sich eine optimale Übereinstimmung mit dem gemessenen Spektrum ergibt. Abb. 41 zeigt das Modellspektrum für die Entfaltung des Spektrums in Abb. 40. Üblicherweise werden die freien Parameter "beschränkt": Die Linienpositionen werden entsprechend der tabellierten Werte festgehalten oder nur geringfügig entsprechend der Genauigkeit der Spektrometerkalibrierung (vergl. Abschn. 3.1.5) variiert, die Breite der Linien wird nach Gl. (9) berechnet und die Intensitätsverhältnisse der Linien innerhalb der L- und M-Serien werden aus Datenbibliotheken genommen. Gerade Letzteres ist eine Quelle von Ungenauigkeiten. Hinzu kommt, dass bei schlechten Spektrometern die Linien auf der niederenergetischen Seite nicht exakt gaussförmig sind (vergl. Abschn.3.1.3). In der Regel wird das Modellspektrum zusammen mit dem gemessenen Spektrum dargestellt, und es liegt in der Verantwortung des Operators zu entscheiden, ob eine Peakentfaltung akzeptabel ist oder nicht. Diese Art der Entfaltung findet man z.B. bei den Spektrometern von EDAX und Bruker/Röntec. 44 total counts Fe Mn Si Ni Cr Nb 160 Zählrate / Impulse pro s und Kanal Abb. 41 Modellspektrum für das StahlReferenzmaterial NIST 1172. Wegen der Überlagerung von Cr-Kβ und Mn-Kα kann die Intensität der Mn-Kα Linie kann nur durch Entfaltung erhalten werden. NIST 1172 180 140 120 100 80 60 40 20 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Energie / keV Bei der zweiten Methode werden an die Peaks des gefilterten Spektrum (Abb. 33 rechts) die gefilterten Peaks von gemessenen Referenzspektren angepasst. Die Referenzspektren sind als Datei auf dem Rechner des Spektrometers abgelegt. Zuvor müssen natürlich alle Linien aller Elemente gemessen werden. Die Methode hat neben dem schon erwähnten Vorteil der Umgehung der Untergrundsubtraktion noch zwei weitere: Die Spektrometereigenschaften sind in den Referenzspektren mit enthalten und die relativen Intensitäten in Linienserien entsprechen den jeweiligen experimentellen Bedingungen. Kevex, Oxford Instruments und Thermo-Noran wenden Filter-Fit zur Untergrundunterdrückung und Peakentfaltung an. Tabelle 3 zeigt, dass leider die erreichbare Genauigkeit in der Bestimmung der Nettointensität bei EDS-Spektren begrenzt ist, insbesondere, wenn wie beim gewählten Beispiel Peakentfaltungen für die Mn-K Linie vorzunehmen sind. Ein erheblicher Anteil der Ungenauigkeit von quantitativen Analysen mittels EDS ist bereits durch Fehler in der Nettointensität bedingt. Tabelle 3 Nettointensitäten für die Kα+β Linien im Spektrum Abb. 40 Methode Cr-K Mn-K Fe-K Ni-K Filter Fit Hersteller 1 Physik. UG. Hersteller 1 Phys. UG. Entfaltung A, Hersteller 2 Phys. UG. Entfaltung B, Hersteller 2 65508 ± 485 3906 ± 408 163644 ± 748 18804 ± 385 63657 ± 322 4106 ± 137 160620 ± 569 17560 ± 156 66263 ± 398 4952 ± 322 165288 ± 496 18778 ± 282 65743 ± 394 5243 ± 299 164173 ± 493 18433 ± 295 5.2 Analyse mit Standards Die mit dem Spektrometer einschließlich Software bestimmte Intensität der charakteristischen Röntgenstrahlung, die eine mehrkomponentige Probe bei Elektronenbeschuss emittiert, wird durch folgende Gleichung beschrieben: 45 i I char =ε τ j Ω N inl ,kj e nl ,kj (13) Hierin bedeuten ε die Spektrometereffizienz (Impulse pro Photon, s. Abb. 26), τ die Messzeit (life time), j der Strahlstrom (A), e die Ladung eines Elektrons (1,62 10-19 C) und Ω der nl , kj Raumwinkel, in dem die emittierte Strahlung vom Detektor erfasst wird. N i ist die Wahr- scheinlichkeit für die Emission eines Photons pro Steradian, wenn ein einfallendes Elektron in der Schale n,l der Komponente i eine Vakanz erzeugt und diese durch ein Elektron von der Schale k,j aufgefüllt wird (s. Grotrian-Diagramm Abb. 5). Die Summation ist über alle Linien auszuführen, die vom Spektrometer nicht mehr aufgelöst werden und als ein nl , kj gemeinsamer Peak für die Quantifizierung betrachtet werden müssen. N i hängt natürlich von der Konzentration ci (Atom- oder Gew.-%) der Komponente i ab, aber auch gemäß Abschnitt 2 von eine Reihe physikalischer Parameter: N nl , kj i (E ) 0 1 nl nl ,kj ω eff P ci = 4π E0 Eic , nl σ inl S dE × R × A × F (14) ω steht für die Fluoreszenzausbeute (s. Abschn. 2.1, Abb. 7) und P für die partiellen Ausbeuten, d.h. für die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vakanz in einer inneren Schale durch ein Elektron aus einer gemäß dem Grotrian-Diagramm (Abb. 5) möglichen äußeren Schale aufgefüllt wird. Das Integral beschreibt die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer inneren Vakanz durch den Elektronenbeschuss. Zwei Größen bestimmen diese Wahrscheinlichkeit, nämlich der Ionisationsquerschnitt σ(E) (s. Abschn. 2.1) und das Bremsvermögen S(E) (s. Abschn. 2.2). R, A und F sind Korrekturfaktoren. R berücksichtigt, dass rückgestreute Elektronen mit Energien, die noch oberhalb der kritischen Energie für die Ionisation liegen, die Probe wieder verlassen können. Die tatsächliche Anzahl der Ionisation ist also geringer, als der Wert des Integrals. A gibt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein generiertes Photon auch tatsächlich die Probe in Richtung Detektor verlässt und nicht durch Eigenabsorption der Probe verloren geht. F berücksichtigt, dass charakteristische Strahlung und auch Bremsstrahlung ausreichender Energie eine Photoionisation der gleichen Vakanz n,l bewirken können, was dann ebenfalls zur Entstehung von Röntgenstrahlung führt, die von der durch Elektronenbeschuss erzeugten natürlich nicht zu unterscheiden ist. Das Problem bei der Quantifizierung besteht darin, dass das Bremsvermögen S sowie die 3 Korrekturfaktoren R, A und F von der Zusammensetzung der Probe abhängen, die es zu bestimmen gilt. Es ist also nicht möglich, die Linienintensitäten zu messen und daraus auf direktem Wege mittels der Gleichungen (13) und (14) die Konzentration eines Elementes zu berechnen. Stattdessen muss die Konzentrationsbestimmung iterativ erfolgen. Durch wie- 46 derholtes Rechnen unter immer besseren Voraussetzungen nähert man sich dem tatsächlichen Wert an, wie nachfolgend beschrieben wird. Bei der Analyse mit Standards werden zu analysierende Probe und Referenzproben, die die in der unbekannten Probe enthaltenen Elemente ebenfalls enthalten, deren Konzentrationen aber bekannt sind (im einfachsten Fall Reinelement-Standards), unter exakt gleichen Bedingungen spektroskopiert. Man bildet dann für alle nachgewiesenen Elemente i die k-Werte, d.h. die Verhältnisse der Nettointensitäten für die zu analysierende Probe und für die Referenzprobe: k = i I Probe i I i Standard = c0i (15) i Diese k-Werte betrachtet man als "nullte" Näherung für die Konzentrationen. Mittels c 0 be- rechnet man das Bremsvermögen sowie die 3 Korrekturfaktoren R, A und F, die zusammen i zu einem Satz von Korrekturfaktoren K 0 führen. Die k-Werte werden mit den Korrekturfaki toren multipliziert, woraus ein neuer Satz von Konzentrationen c1 folgt. Diese werden wie- derum zur Berechnung verbesserter Korrekturfaktoren benutzt, um damit die k-Werte zu i multiplizieren und Konzentrationen c 2 zu erhalten. Man berechnet so lange ( c ij = k i K i c1j −1...c nj−1 ) , (16) bis sich die Konzentrationen von zwei aufeinander folgenden Iterationsschritten j-1 und j nur um einen minimalen Betrag, der innerhalb des statistischen Fehlers bei der Nettopeakflächenbestimmung liegt, unterscheiden. Analyse mit Standards erfordert eine sehr exakte Messung der Linienintensitäten von Probe Referenzmaterialien und setzt das Vorhandensein geeigneter Standards (Referenzproben) voraus. Das ist zeitaufwändig und kann auch teuer sein. Der Vorteil des Verfahrens gegenüber der nachfolgend beschriebenen standardfreien Analyse besteht darin, dass in den kWerten (Gl. (15)) Spektrometereffizienz, Fluoreszenzausbeute und partielle Ausbeuten herausfallen. Vom Ionisationsquerschnitt braucht man nur die Energieabhängigkeit, nicht aber den Absolutwert, da sich jeder Skalierungsfaktor herauskürzt. Das alles wirkt sich positiv auf die Genauigkeit der Analyse aus. Ein weiterer wichtiger Umstand ist, dass in Gl. (16) die Konzentrationen nicht a-priori auf 100% normiert sind. Somit ist die Abweichung der Summe der Konzentrationen von 100 ein Maß für die Richtigkeit einer Analyse. Abweichungen > 1% bei WDS und > 3% bei EDS weisen auf Fehler, z.B. nicht richtig identifizierte Elemente, hin. 47 5.3 Standardfreie Analyse Bei der standardfreien (auch standardlosen oder Fundamentalparameter-) Analyse versucht man, ohne das aufwändige Spektroskopieren von Referenzproben auszukommen und stattdessen die Referenzspektren mit Hilfe der in Abschn. 2 erläuterten „fundamentalen“ physikalischen Größen zu berechnen. Prinzipiell könnte man das im Falle von EDS auf der Basis der Gleichungen (13) und (14) tun. Die Ungenauigkeit, die in vielen der physikalischen Parameter steckt, würde dann aber automatisch auf das Analysenergebnis übertragen. Deshalb ist das Vorgehen empirischer. Die bei einer gewählten Bedingung (z.B. 20 kV, 1 nA, TOA=35°) gemessenen Intensitäten aller Linien der Elemente des Periodensystems sind in einer Bibliothek auf dem Rechner abgelegt und werden mit Hilfe der Gl. (14) auf die aktuelle Messbedingung umgerechnet. Sodann bildet man die relativen k-Werte k i rel = I Pri obe I i S tan dard I Prj obe j I j S tan dard = c0i , (16) die, wie man sieht, auf 100% normiert sind. Ein falsch oder gar nicht identifiziertes Element kann man nicht mehr feststellen. Die Berechnung der Konzentrationen erfolgt wie bei der Analyse mit Standards auf iterativem Wege durch Bildung von ( ) i c ij = k rel K i c1j −1 ...c nj−1 , (17) bis sich die in aufeinander folgenden Schritten erhaltenen Werte um weniger um als einen vorgegebene Wert unterscheiden. Es gibt Möglichkeiten, die Normierung auf 100% auch beider standardfreien Analyse zu vermeiden. So kann man statt der Nettointensitäten das Verhältnis aus Nettointensität zu entsprechendem Bremsstrahlungsuntergrund (Peak-zu-Untergrund Verhältnis) nehmen, um die k-Werte zu berechnen (angewendet in Spektrometern der Fa. Bruker/Röntec). Der Untergrund enthält aber vergleichsweise wenig Impulse, so dass der statistische Fehler groß wird. Zudem spielt die die Konstruktion des Untergrundes eine noch größere Rolle. Über Vor- und Nachteile des Verfahrens sind die Meinungen geteilt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, zunächst unter den gewählten Einstellungen für Hochspannung und Strahlstrom die Zählrate für die Co-Kα-Linie von einer Kobalt-Referenzprobe zu bestimmen. Das Quantifizierungsprogramm rechnet dann die in einer Datei abgelegten Nettointensitäten auf diese Zählrate um. Man sollte dann die gleichen Nettointensitäten für die Linien in den Referenzproben erhalten, als wenn man sie wie bei einer Analyse mit Standards direkt gemessen hätte. Unterschiede in der Effizienz zwischen dem eigenen Spektrometer und demjenigen, mit dem die Spektren in der Datei aufgezeichnet wurden, sind natürlich nicht 48 berücksichtigt. Diese Methode findet in den Spektrometern von Oxford Instruments Anwendung. 5.4 Genauigkeit von ESMA am REM Die Genauigkeit einer ESMA am REM hängt in starkem Maße von den experimentellen Gegebenheiten (REM, Spektrometer und Probe) ab. Der Fehler muss im speziellen Fall abgeschätzt werden. Mit zunehmender Anzahl von Impulsen pro Kanal verbessert sich die Präzision, da der durch die Zählstatistik bedingte Fehler abnimmt. Die Richtigkeit der Analyse wird durch mehrere Faktoren beeinflusst, auf die teilweise seitens des Operators kein Zugriff besteht. Das sind • Fehler in den berechneten Nettopeakflächen infolge zu starker Vereinfachungen bei der Untergrundmodellierung und Peakentfaltung (bei EDS), • Unzulänglichkeiten des physikalischen Modells, das für die Quantifizierung verwendet wird, • Ungenauigkeiten der verwendeten physikalischen Parameter (Fluoreszenzausbeute, Massenschwächungskoeffizient u.a.), • Differenz zwischen tatsächlicher und angezeigter Hochspannung am REM (zu überprüfen mit der Duane-Hunt-Regel, s. Abschn.2.2) • Falscher Abnahmewinkel (TOA) durch inkorrekte Einstellung von Arbeitsabstand und Kippwinkel, • Unterschiede zwischen tatsächlicher und vom Quantifizierungsprogramm angenommener Spektrometereffizienz, z.B. infolge Kontamination des Detektors (nur für standardfreie Analyse). Über die Genauigkeit von ESMA mit WDS gibt es umfangreiche Literatur. Fehler liegen deutlich unter 1 Gew.-% für die Hauptkomponenten. Stoff für Diskussion bietet immer wieder die Analyse mittels EDS am REM, besonders, wenn sie standardfrei durchgeführt wird. Solange die Analyse nur mittels K-Linien, deren physikalische Beschreibung mittels "fundamentaler Parameter", d.h. der physikalischen Größen in Gl. (14), am besten gelingt, und die leichten Elemente (Z<11) nicht mit im Spiel sind, wird der Analysenfehler gering sein. Tabelle 3 zeigt das Ergebnis der standardfreien Analyse eines legierten Stahls (Spektrum in Abb. 40) im eigenen Labor. Die Angaben in der letzten Spalte sind zum Vergleich ebenfalls auf 100% normiert. Vor der Normierung ist die Summe der Konzentrationen 98.4% 49 Tabelle 4 Standardfreie Analyse für NIST 1172 SRM (Konzentrationen in Gew.-%) Element Fe Cr Ni Mn Si Nb Mo Co Cu Spezifizierte Kon- Quantifizierung mit Quantifizierung mit zentration Filter-Fit P/U 67.9 67.1 17.40 17.2 16.2 11.35 12.1 11.9 1.76 1.4 2.1 0.59 0.5 0.5 0.65 0.4 0.8 0.22 0.12 0.4 1.4 0.11 - Die Analyse einer TiAlC-Hartstoffschicht wurde 1996/97 im Rahmen eines von VDEh, DPG und BAM organisierten Ringversuches vorgenommen1. Abb. 42 zeigt die Ergebnisse der 38 Teilnehmer für die Analyse bei 15 kV in einem ternären Diagramm. Die meisten Teilnehmer fanden zwar das richtige Ti/Al-Verhältnis, aber die C-K Intensität wurde ganz unterschiedlich bewertet. Deshalb liegen die Ergebnisse überwiegend auf oder um die Vertikale, die gleichem Ti/Al-Verhältnis entspricht. Durch die Normierung der Summe aller Konzentrationen auf 100 % ergeben sich dann natürlich unterschiedliche Konzentrationen für Ti und Al. Die Ergebnisse wurden nach der vektoriellen Abweichung vom Sollwert in Klassen eingeteilt (Abb. 43). Nur 11 Teilnehmer erzielten ein für die standardlose Analyse akzeptables Ergebnis. Genauso viele lagen völlig daneben. Einige Laboratorien hatten auch eine Analyse mit Standards durchgeführt. Die Ergebnisse sind wesentlich besser (Abb. 44) und fast mit denen von WDS vergleichbar. Ein zusätzlicher Test für die Richtigkeit einer standardlosen Analyse wurde kürzlich von Oxford Instruments vorgeschlagen: Man simuliert ein Röntgenspektrum mit den Konzentrationen aus der standardlosen Analyse und berechnet sowohl für das gemessene als auch für das simulierte Spektrum den Quotienten aus der Summe aller Nettointensitäten (= Peakflächen) und dem gesamten Bremsstrahlungsuntergrund Pi Btotal . Beide Werte müssen bei einer richtigen Analyse übereinstimmen ("Check Total"). 1 Verein Deutscher Eisenhüttenleute, Fachausschussbericht 6.021, "Ringversuch Energiedispersive Röntgenmikroanalyse (EDX) von TiAlC und TiCN", Düsseldorf 1998 002, 50 TiAlC 15keV 90 85 80 75 70 65 60 55 50 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Abb. 42 Ergebnisse mit System 1 (o), System 2 ( ), System 3 ( ), System 4 (x), System 5 ( ), System 6 (+) und den Mikrosonden ( ) (3 Ergebnisse mit System 1, 2 Ergebnisse mit System 3 und 2 Ergebnisse mit System 5 liegen außerhalb des Diagramms) TIALC15 14 14 12 12 10 8 6 10 8 6 4 4 2 2 0 <=5% <=10% <=15% Fehlerklassen TIALCST 16 Anzahl der Ergebnisse Anzahl der Ergebnisse 16 >15% Abb. 43 TiAlC bei 15 keV, standardfrei 0 <=5% <=10% <=15% Fehlerklassen >15% Abb. 44 TiAlC, Analyse mit Standards Es empfiehlt sich stets, die standardfreie Analyse auf ihre Vertrauenswürdigkeit zu überprüfen, indem vorher eine Probe ähnlicher, aber bekannter Zusammensetzung analysiert wird. Ist das Ergebnis unbefriedigend, sollte die Analyse unbedingt mit Standards durchgeführt werden. 51 5.5 Nachweisgrenzen Ein chemisches Element lässt sich im Röntgenspektrum nachweisen, wenn die entsprechende charakteristische Röntgenlinie über dem Spektrenuntergrund deutlich erkennbar ist. Den Spektrenuntergrund bildet die Bremsstrahlung. Da das Spektrum verrauscht ist, bedeutet die Erkennbarkeit, dass die Nettopeakhöhe größer als das Rauschen sein muss. Aufgrund der Funktionsweise der Detektoren für EDX und WDX folgt, dass das Rauschen gleich der Wurzel aus der Anzahl der Impulse pro Kanal bzw. pro Energieintervall ist. „Deutlich erkennbar“ bedeutet, dass der Quotient aus Nettopeakhöhe P und Untergrundrauschen U gleich oder größer als ein Vertrauensfaktor ist. Üblicherweise wird dieser gleich Drei gesetzt. Somit ergibt sich als Nachweisgrenze (MDL- minimum detection limit) ( MDL ≅ 3 P / U ). Welcher Stoffmenge das MDL entspricht, hängt von denjenigen Größen ab, die die Intensität der Röntgenlinie bestimmen (s. Abschnitt 2). Als Richtwert gilt für EDX als Nachweisgrenze der Bereich von 0,1 bis 1 Masse-%. Das bei WDX die Peaks schmaler sind und sich daher besser aus dem Untergrund herausheben, ist die Nachweisgrenze etwa um eine Größenordnung niedriger. Das Signal/Rausch-Verhältnis, d. h. die Präzision der Impulse N pro Kanal bzw. Energieintervall verbessert sich bei gleich bleibender Zählrate wegen S N = = N = ( Zählrate) t R N Mit einem geeigneten Spektrensimulationsprogramm, z. B. den Desktop Spectrum Analyzer DTSA II (http://www.cstl.nist.gov/div837/837.02/epq/dtsa2/ )lässt sich die Messzeit abschätzen, die für den Nachweis einer bestimmten Stoffmenge benötigt wird. Abb. 45 zeigt als Beispiel den Nachweis von 0,1 Masse-% Vanadium und Kupfer sowie 0,8 Masse-% Mangan in einem CrNi-Stahl. Bei 10 s Messzeit gehen V-K und Cu-K Peak noch im Rauschen unter. Bei 100 s beträgt P / U für V-K 2,5. Für MDL=3 sind also ca. 200 s Messzeit notwendig. Eine längere Messzeit ist auch für eine korrekte Entfaltung von Mn-Kα und Cr-Kβ erforderlich. 52 3 x 10 4 10 s 100 s 1000 s BG intensity / counts per channel 2.5 2 1.5 1 0.5 0 4.5 V Cr 5 Fe Mn 5.5 6 Cu Ni 6.5 7 energy / keV 7.5 8 8.5 9 Abb. 45 Nachweis von Vanadium, Mangan und Kupfer in einem CrNi Stahl – MDL in Abhängigkeit von der Messzeit. Peaküberlappungen. (s. Abschn. 5.1.2) verschlechtern natürlich die Nachweisgrenzen, wobei damit nicht nur Überlagerungen mit Linien anderer, in der Probe vorhandener Elemente gemeint sind, sondern Überlagerungen mit Peaks, die vom Spektrometer selbst erzeugt werden (Escape-Peaks, Summen-Peaks, Si-Peak, als C-Peak interpretierte C-K Kante der Fenstertransmission (s. Abb. 18), mit eingeschlossen sind. 53 6 Spezielle Probleme 6.1 Analyse dünner Schichten 6.1.1 Schichtdicken > 1 µm Das bei der Elektronenstrahlmikroanalyse (ESMA) angeregte Probenvolumen reicht etwa 1 µm in die Probe hinein. Somit ist die erste Frage bei der Analyse einer dünnen Schicht diejenige nach ihrer vermutlichen Dicke. Ist die Schicht dicker als 1 µm, kann sie hinsichtlich der Analyse als Volumenmaterial behandelt werden. Die Analyse einer Einzelschicht auf einem Substrat bereitet dann keinerlei Schwierigkeiten. Im Falle einer Mehrschichtstruktur muss die Analyse jeder Einzelschicht an einem Querschliff erfolgen. Die Abb. 46 zeigt den Querschliff einer Cr/VCx-Doppelschicht auf einem Stahlsubstrat. Die Dicke der VCx-Schicht beträgt 1,9 µm. Das Spektrum in Abb. 46 rechts kann ohne Bedenken zur Bestimmung des C- und Ar-Gehaltes der durch Zerstäuben im Ar-Plasma hergestellten Schicht verwendet werden. VC_10_011127.emsa V 4000 X-Ray Intensity / Intensity 3500 3000 2500 V 2000 C 1500 1000 V Ar 500 0 0 1 2 Ar 3 4 5 6 X-Ray Energy / keV Abb. 46 REM-Aufnahme eine Querschliffes von einer Cr/VCx-Doppelschicht auf Stahl und Röntgenspektrum der VCx-Schicht Wenn die Schichtdicke bei ~1 µm liegt, ist sorgfältig zu prüfen, ob sie noch als Volumenmaterial betrachtet werden kann. Dazu gibt es mehrere Methoden: Wenn absolut sicher ist, dass die Elemente, aus denen die angrenzenden Schichten oder das Substrat bestehen, nicht auch in der zu analysierenden Schicht enthalten sind, so dürfen die Linien dieser Elemente nicht im Spektrum auftreten. Ist das doch der Fall, ist das angeregte Volumen zu groß. Es kann durch Herabsetzen der Primärelektronenenergie verkleinert werden. Dabei ist jedoch auf das Überspannungsverhältnis (s. Abschnitt 2.1)Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. zu achten. 54 Die Größe des angeregten Volumens lässt sich mit Hilfe der Eindringtiefe der Primärelektronen (Gl. (3)) abschätzen. Dazu muss man aber mittleres Atomgewicht A und mittlere Ordnungszahl Z der Schicht kennen. Die hängt wiederum von der gesuchten Zusammensetzung ab. Man ist also auf grobe Annahmen für die Schichtzusammensetzung angewiesen. Sofern die verfügbare Software diese Option bietet, kann man die Tiefenverteilungen Φ(ρz) (s. Abb. 9) für die interessierenden Linien berechnen. Auch hier ist man auf Annahmen über die ungefähre Probenzusammensetzung angewiesen. Über das Internet sind verschiedene Programme zur Monte Carlo Simulation des Eindringens der Primärelektronen in ein Schicht/Substrat-System verfügbar2. Auch damit lässt sich die Größe des angeregten Probenvolumens abschätzen, wie das Beispiel in Abb. 47 zeigt. Abb. 47 Elektronenbahnen für 15 und 30 keV Startenergie in einer 500 nm NiPd10-Schicht auf Al2O3. Mit 15 keV lässt sich die Schicht noch als Volumenmaterial analysieren, bei 30 keV dringen die Primärelektronen tief in das Substrat ein, und das Spektrum enthält Linien von Schicht und Substrat. 6.1.2 Schichtdicken < 1 µm Die Analyse von Schichten mit einer Dicke < 1 µm, ja sogar von Vielfachschichten mit einer Gesamtdicke < 1 µm ist mit ESMA möglich. Allerdings ist der Messaufwand im Allgemeinen 2 Programme von Prof. D. Joy, Universität Tennessee : http://web.utk.edu/~srcutk/ Programm CASINO der Universität Sherbrooke http://www.gel.usherb.ca/casino/ (frei) und Programm ELECTRON FLIGHT SIMULATOR http://www.small-world.net/efs.htm (kostenpflichtig!) 55 nicht unerheblich. Deshalb sollte die Analyse auf diese Weise nur dann durchgeführt werden, wenn die lateralen Abmessungen der Schicht so klein sind, dass die Untersuchung mit anderen Methoden, z. B. Röntgenfluoreszenz, nicht möglich ist. Die Analyse dünner Schichten mittels ESMA beruht auf der Idee, dass sich mit zunehmender Primärelektronenenergie das Anregungsvolumen vergrößert (Abb. 48) und somit tiefer liegende Schichten und das Substrat im Spektrum einen zunehmenden Anteil haben (Abb. 49 am Beispiel Pt auf Quartzglas). Für die Bestimmung von Zusammensetzung und Dicke (als Massenbelegung in g/cm²) ist die Intensität jeder Linie bei verschiedenen Primärenergien zu messen und auf die Intensität der gleichen Linie von einem Standard zu beziehen. Somit erhält man für jede Linie einen Satz von K-Werten gemäß I probe ( E ) I referenz ( E ) = K (E) , und mittels einer recht aufwändigen Optimierungsrechnung wird versucht, daraus die Dicke und Zusammensetzung der Schichten zu berechnen. Die Abb. 50 zeigt das Ergebnis einer solchen Rechnung mit dem kommerziell erhältlichen Programm STRATAGEM. hν E2 E3 5 keV 7.5 keV 10 keV 15 keV Si-K E1<E2<E3 E1 5keV_010321.emsa 300 Intensität / Impulse pro s und nC e- 250 200 150 Pt-M 100 50 O-K 0 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 Energie / keV Abb. 48 Veränderung des Anregungs- Abb. 49 Variationen der Si-K und Pt-L Linie mit volumens mit wachsender zunehmender Primärelektronenenergie Primärelektronenenergie für nominell 30 nm Pt auf Quartzglas 56 1.00 Si Ka O Ka Pt La Pt Ma 0.80 K 0.60 0.40 0.20 0 0 5.0 10.0 15.0 20.0 25.0 HV (kV) Abb. 50 Gemessene (Symbole) und durch Optimierung angepasste (ausgezogene Linien) K-Werte für die Probe in Abb. 49. Die Optimierung ergibt 25 nm Pt. Oxford Instruments entwickelte auf der Basis von STRATAGEM die Software „ThinFilmID“, die das Messen von Referenzspektren vermeidet. Dieses wird durch eine aufwändige und anspruchsvolle Berechnung der Referenzspektren in Abhängigkeit von der Primärelektronenenergie ersetzt. Für das Beispiel der Pt-Schicht auf SiO2 würde die Software dem Operator mitteilen, ein Spektrum bei 10 kV zu messen. Daraus kann dann die Schichtdicke berechnet werden. Es liegt auf der Hand, dass STRATAGEM schnell an seine Grenzen stößt. Das ist der Fall, wenn die Anzahl der Schichten zu groß ist und/oder wenn das gleiche Element in mehreren Schichten und im Substrat vorkommt. Dann kann es notwendig werden, einen Querschliff für das TEM zu präparieren und dort die Röntgenmikroanalyse vorzunehmen, oder Analysenmethoden spektroskopie wie (AES) Glimmentladungsspektroskopie oder (GDOES), Sekundärionenmassenspektroskopie Augerelektronen- (SIMS), mit denen Tiefenprofile vom Schichtsystem erhalten werden, einzusetzen. 6.2 Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) Wird ein Atom zur Emission von Röntgenstrahlung durch den Beschuss mit Photonen statt mit Elektronen (s. Abb. 4) angeregt, so misst man ein Röntgenfluoreszenzspektrum. Dieses besteht ebenfalls aus dem charakteristischen Linienspektrum und einem Untergrund. Das Untergrundspektrum, hervorgerufen durch gestreute Photonen und durch das Schelf in der Spektrometerfunktion (s. Abb. 23) ist viel geringer als bei einem durch Elektronen angeregten Bremsstrahlungsspektrum. Deshalb ist die Röntgenfluoreszenzanalyse, 57 abgesehen von leichten Elementen, eine wesentlich empfindlichere Methode zum Nachweis geringer Stoffmengen. Der Unterschied in der Nachweisempfindlichkeit wird durch den Vergleich von durch Elektronen und durch Photonen angeregtem Spektrum des üblicherweise im REM verwendeten Aluminium-Probenträgers Agar G301 deutlich (s. Abb. 51). Im elektronenangeregten Spektrum sind als Legierungsbestandteile Eisen und Kupfer zu erkennen. Aber selbst bei 30 kV sind im Spektrum die Linien von Blei und Wismut im Gegensatz zum Röntgenfluoreszenzspektrum nicht nachweisbar. G301 40kV 400uA R60.msa 5 10 Al 40 kV Rh-tube XRF 30 kV EPMA Cu 4 intensity [counts/channel] 10 Cu 3 Cu Fe 10 Pb Bi Fe Pb Bi Pb Bi Mn 2 10 1 10 0 10 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 energy [keV] Abb. 51 Elektronen angeregtes Röntgenspektrum (blau) und Röntgenfluoreszenzspektrum (rot) eines REM-Probenträgers Sobald die ersten EDX-Spektrometer für den Anbau an das REM kommerziell verfügbar waren, hat man versucht, ESMA mit der guten lateralen Auflösung und RFA mit der hohen Nachweisempfindlichkeit am REM zu kombinieren. Dabei wurde das REM selbst als Röntgenröhre benutzt, indem die auf der Rückseite einer dünnen Metallfolie austretenden Röntgenstrahlung für die Anregung der Fluoreszenzstrahlung genutzt wurde. Für die in Abb. 52 gezeigt Anordnung gab es sogar kommerzielle Ausführung. (z.B. SEMray von emsystems). Bei einer maximalen Hochspannung am REM von 30 kV und einem Strahlstrom von 10 nA hat eine solche „Röntgenröhre“ allerdings nur eine Leistung von 0.3 W. Die Messzeiten zum Nachweis von Spurenelementen waren entsprechend lang. 58 Metallfolie (Mo, W, Rh) e- hν Abb. 52 Einfache Anordnung für die RFA am REM Mit der Verfügbarkeit von Kleinleistungs-Mikrofokus-Röntgenröhren (30 bis 50 W) und von Kapillaroptiken wurde RFA am REM wesentlich attraktiver. Seit etwa 2005 sind MikrofokusRöntgenquellen zum Anbau an das REM kommerziell erhältlich. Die prinzipielle Anordnung zeigt Abb. 53. Abb. 53 Prinzipielle Anordnung für die RFA am REM mit Mikrofokus-Röntgenquelle Der Fokus des Elektronenstrahls auf dem Target der Röntgenröhre beträgt ca. 50 µm. Die von diesem „Mikrofokus“ emittierte Röntgenstrahlung wird mit Hilfe einer Polykapillaroptik auf die Probe abgebildet. Die erreichbare laterale Auflösung für die µ-RFA am REM beträgt einige 10 µm. Die die Energie der Röntgenlinien bei Elektronen- und Röntgenanregung identisch ist, kann für die Identifizierung der Linien im Fluoreszenzspektrum die EDX-Software verwendet werden. Sofern diese Software mathematische Methoden zur Untergrundsubtraktion enthält (s. Abschn. 5.1.1), können diese auch zur Berechnung der Nettopeakintensitäten verwendet werden. Die Prinzipien für die quantitative Analyse mit und ohne Standards gilt prinzipiell das 59 Gleiche wie in der ESMA, nur dass Gl. (14) durch einen entsprechenden Ausdruck für die Intensität der Fluoreszenzstrahlung zu ersetzen ist. Die Nachweisempfindlichkeit bei RFA hängt von der Ordnungszahl des nachzuweisenden Elementes und der Zusammensetzung seiner Umgebung (Matrix) ab. Sie ist für Z > 20 um ein bis zwei Größenordnungen besser als bei Elektronenstrahlanregung. Besonders gut lassen sich schwere Elemente in einer leichten Matrix nachweisen, wie z. B. in obigem Beispiel Blei und Wismut in einer Aluminiumlegierung oder auch Schwermetalle in Polymeren oder Glas. Hier liegt die Nachweisgrenze bei 100 ppm. Bei der Röntgenanregung mit Photonen gibt es kein Überspannungsverhältnis. Die Anregungswahrscheinlichkeit ist am größten, wenn die Photonenenergie dicht über der Bindungsenergie für das entsprechende Elektronenniveau ist (vergl. Abb. 2 und Abb. 3). Das hat für die RFA Vor- und Nachteil: Weiche Röntgenstrahlung (wenige 100 eV), die für eine effektive Anregung der K-Linien leichter Elemente erforderlich wäre, wird bereits im BeFenster der Röntgenröhre und in der Röntgenoptik absorbiert. Mit der harten Bremsstrahlung bis 50 keV kann man andererseits noch die K-Linien der Elemente mit Z > 40, die ab Z=45 oberhalb 20 keV liegen, anregen. Alle modernen EDX-Spektrometer ermöglichen die Messung von Spektren in einem erweiterten Energiebereich von 0 bis 40 keV. Oft lassen sich damit Peaküberlappungsprobleme lösen, z. B. für Schwefel und Molybdän. Im RFA Spektrum lassen sich geringe Mo-Mengen über das K-Spektrum nachweisen. Bei Elektronenanregung überlagern sich hingegen Mo-L und S-K Linien. Das analysierte Probenvolumen, das wesentlich größer als bei ESMA ist, kann man sich wegen der geringen Streuung der primären Photonen als einen Zylinder vorstellen. Sein Durchmesser entspricht demjenigen des Anregungsfleckes auf der Probenoperfläche, seine Länge ist etwa das Dreifache der Dämpfungslänge der emittierten Photonen, die stark von der Eigenabsorption in der Probe abhängt. Sie kann weniger als 1 µm für niederenergetische Röntgenlinien in einer schweren Matrix, aber auch einige 100 µm für hochenergetische Linien in einer leichten Matrix betragen. Auf der Internetseite http://henke.lbl.gov/optical_constants/atten2.html des Center for X-ray Optics (CXRO) kann man eine Matrix eingeben und für die Energie der Linie von Interesse die Dämpfungslänge in µm aus einer Grafik ablesen. Als Tiefe des analysierten Volumens sollte das Dreifache der Dämpfungslänge angenommen werden. Für das Beispiel in Abb. 54 käme die Pb-M Linie aus einem Zylinder mit der Länge von ca. 2 µm, für die Pb-Lα Linie wären es etwas mehr als 20 µm. 60 Abb. 54 Dämpfungslänge für Photonen in einer Pb-haltigen Messinglegierung. 7 Weiterführende Literatur 7.1 Deutschsprachige Bücher [1] Peter-Fritz Schmidt und 13 Mitautoren, Praxis der Rasterelektronenmikroskopie und Mikrobereichsanalyse, Expert Verlag, Renningen-Malmsheim 1994 (2. Aufl. 2005) [2] Frank Eggert, Standardfreie Elektronenstrahl-Mikroanalyse, Books on Demand, Norderstedt 2005 [3] G. Zschornak, Atomdaten für die Röntgenspektroskope, Springer Verlag, Berlin 1989 7.2 Englischsprachige Bücher [4] V. D. Scott, G. Love, S. J. B. Reed, Quantitative Electron-Probe Microanalysis, 2nd ed., Ellis Horwood, New York 1995 [5] S.J. B. Reed, Electron Probe Microanalysis, 2nd ed., Cambridge University Press, Cambridge 1993