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Gründungseifer neu entdeckt
Dem Gründungseifer der SPM auf der Spur
Samuel Truttmann
Autor:
Samuel Truttmann
Art:
Abschlussarbeit
Version:
-
Datum Erstellung:
10. August 2006
Seiten:
65 (inkl. Deckblatt)
Copyright:
IGW International
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Rechtliches
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Vorwort von IGW International
Theologische Arbeit ist Dienst an der Gemeinde, sie ist Hirtendienst. Die enge Verknüpfung von
theologischer Ausbildung und Gemeinde zeigt sich unter anderem in den Abschlussarbeiten der
IGW-Absolventen. Jedes Jahr werden rund 40 solche Arbeiten geschrieben. Die intensive
Beschäftigung mit einem Thema ist eine gewinnbringende Erfahrung, bei der die Studierenden
durch überraschende Entdeckungen und neue Erkenntnisse ihren Horizont erweitern.
Auch die Gemeinde soll und darf von diesem Ertrag profitieren. Die Schulleitung von IGW
begrüsst darum die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit.
IGW International ist mit weit über 300 Studierenden die grösste evangelikale
Ausbildungsinstitution im deutschsprachigen Raum. Sie bietet verschiedene Studiengänge für
ehrenamtlichen, teil- oder vollzeitlichen Dienst an. In der Schweiz und in Deutschland existieren
Studienzentren in Zürich, Bern, Olten, Essen, Karlsruhe, Chemnitz und seit Herbst 2008 auch in
Braunschweig. In Österreich unterstützt IGW den Aufbau der Akademie für Theologie und
Gemeindebau AThG. Das IGW-Angebot umfasst eine grosse Vielfalt an Ausbildungen und
Weiterbildungen: vom Fernstudium (für ehrenamtliche Mitarbeiter und zur Vertiefung einzelner
Themen) über das Bachelor-Programm (als Vorbereitung auf eine vollzeitliche Tätigkeit als
Pastor) bis zum Master als Weiterbildung und für Quereinsteiger mit akademischer Vorbildung.
IGW ist Teil des Netzwerkes GBFE/Unisa, über dieses Netzwerk wird ein Doktoralprogramm
angeboten. Weitere Informationen finden Sie auf www.igw.edu.
Seit Herbst 2008 macht IGW alle Abschlussarbeiten online zugänglich, welche die Beurteilung
„gut“ oder „sehr gut„ erhalten haben. Die Arbeiten stehen gratis auf der Homepage zur
Verfügung (www.igw.edu/downloads).
Für die Schulleitung
Dr. Fritz Peyer-Müller, Rektor IGW International
AF 2519
Samuel Truttmann
Diplomarbeit
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AF 2519
Diplomarbeit
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INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG ......................................................................................................................1
1.1 Was bewegt mich zu diesem Thema...............................................................................1
1.1.1 Mein evangelistisches Herz ................................................................................1
1.1.2 Persönlich in eine Gemeindegründung involviert ...............................................2
1.1.3 Bewegungen welche keine Gemeinden gründen drohen zu sterben ......................3
1.2 Absicht dieser Arbeit und Themeneingrenzung..............................................................4
1.2.1 Motivation zur Gemeindegründung als Gemeindebewegung ...............................4
1.2.2 Eingrenzung und Konzentration auf die SPM .....................................................5
1.2.3 Definition von Gemeinde ....................................................................................6
2 GEMEINDEN GRÜNDEN .................................................................................................7
2.1 Bedeutung der Gemeindegründung ................................................................................7
2.1.1 Begrifflichkeiten: Gemeindegründung und Gemeindepflanzung ..........................7
2.1.2 Biblische Fakten (missiologische und ekklesiologische Überlegungen)...............7
2.1.3 Überlegungen bezüglich dem Reich Gottes .......................................................10
2.1.4 Statistische Fakten ...........................................................................................12
2.1.5 Der biblische Auftrag für uns heute..................................................................13
2.2 Historische Fakten.........................................................................................................15
2.2.1 Von den Anfängen der Pfingstbewegung ...........................................................16
2.2.2 Aus der Geschichte der SPM ............................................................................18
2.2.3 Gemeindegründungen und Wachstum in der Geschichte der SPM .....................23
2.2.4 Gab es Geistesführungen, Strategien, Überlegungen ........................................27
2.2.5 Wo stehen wir heute .........................................................................................30
2.3 Analyse mit der heutigen Gründungsliteratur...............................................................34
2.3.1 Gründungsprinzipien im Vergleich ...................................................................35
2.3.2 Gemeindegründungsmodelle im Vergleich ........................................................40
2.3.3 Zusammenfassende Bemerkungen .....................................................................47
3 FAZIT .................................................................................................................................49
3.1 Lasst uns als Bewegung wieder Gemeinden gründen...................................................50
3.2 Mein persönlicher Vorschlag ........................................................................................51
3.2.1 Task-Force Gemeindegründung und Evangelisation .........................................51
3.2.2 Gezielte Förderung von Gemeindegründern und Evangelisten ..........................52
3.3 Mein Traum für die SPM in 10 Jahren .........................................................................52
BIBLIOGRAPHIE..................................................................................................................55
ANHANG.................................................................................................................................58
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1 EINLEITUNG
1.1 Was bewegt mich zu diesem Thema
1.1.1 Mein evangelistisches Herz
Ich hatte das Vorrecht in einer gläubigen Familie aufzuwachsen. Meine Eltern sind im vollzeitlichen
Dienst als Gemeindeleiter seit ich mich erinnern kann. Dieses Umfeld ging nicht spurlos an mir
vorüber. Schon als „Kindergärteler“ konnte ich „mithelfen“ (wenn man dem so sagen kann) bei einer
Gemeindegründung. Als drei Brüder machten wir in einer neu gestarteten Gemeinde in Sirnach schon
die halbe Sonntagsschulklasse aus und so erhielt die junge Gemeinde neben dem Gottesdienst auch ein
Kinderprogramm. Wir gaben uns alle Mühe und machten mit. Klar, es machte auch Spass und wenn
neue Kinder dazu stiessen, war es natürlich besonders toll. Doch schon Ende der ersten Klasse zogen
wir ins Berner Oberland um. Meine Eltern übernahmen die Leitung der Pfingstgemeinde Interlaken.
Ausser einer Familie mit zwei Kindern waren wir dort die einzigen Kids. Es hiess also neue dazu zu
gewinnen. Unser Vater startete mit uns eine Jungschar. Wir waren anfänglich nur zu viert und die
Möglichkeit, andere Kinder aus unserer Gemeinde für die Jungschar anzuwerben, gab es nicht. Es
waren ja keine anderen da. Also luden wir eifrig unsere Klassenkameraden ein. Im Zurückblicken
muss ich staunen, denn in etwa zwei Jahren war unsere Jungschar so gegen fünfzehn bis zwanzig
Kinder angewachsen. Unsere Schulkameraden liessen sich einladen und eine schöne Anzahl
entschieden sich für ein Leben mit Jesus. Nach fünf Jahren Interlaken zogen wir um ins Zürcher
Oberland und auch dort war die Gemeinde anfangs sehr klein. Wiederum durfte ich mithelfen eine
Jungschar und eine Teenagerarbeit aufzubauen. Immer war ich darauf aus, Kinder und Jugendliche
ausserhalb der Gemeinde zu erreichen und sie mit Jesus bekannt zu machen.
In meinen Teenagerjahren bekam ich durch zwei prophetisch begabte Gastredner unabhängig
voneinander die Bestätigung meiner evangelistischen Begabung und Berufung.
Heute bin ich in unserer Gemeinde in Burgdorf verantwortlich für Evangelisation und
Gemeindegründung. Ich liebe es darüber zu brüten, wie wir einerseits die Gläubigen ausrüsten können,
damit sie das Evangelium an den Mann und die Frau bringen können, und andererseits trete ich selber
gerne mit Nachbarn und Menschen auf der Strasse in Kontakt, um mit ihnen über die genialste
Angelegenheit des Universums zu sprechen. Durch die evangelistische Kinderarbeit Kinder-Club in
unserem Wohnquartier, welche ich zusammen mit meiner Frau leite, erlebe ich Woche für Woche, wie
etwas in meinem Herzen drängt, diesen Kindern und deren Familien die Liebe Jesu zu bringen.
Im Gespräch mit anderen Glaubensgeschwistern finde ich mich immer wieder bei der Thematik der
Evangelisation: Wie Menschen zum Glauben kommen; die Freude darüber, wenn wir diese taufen
dürfen und sie anschliessend anleiten können, ihren Dienst im Reich Gottes zu finden und ähnliches.
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Ich merke, dass da eine treibende Kraft in mir wohnt, welche mich immer wieder dazu bewegt, das
Evangelium weiter zu tragen. Darum lag es sehr nahe, mich der Thematik der Gemeindegründung zu
widmen. Vielleicht kommt die Frage auf, warum denn Gemeindegründung und nicht Evangelisation?
Nebenbei zeigt diese Arbeit auch auf, wie verwandt oder zusammenhängend Evangelisation und
Gemeindegründung sind. Denn nach biblischem Verständnis müssen Menschen, welche zum Glauben
an Christus kommen, unbedingt in eine Gemeinschaft von Gläubigen, sprich eine lokale Gemeinde,
integriert werden können (Mauerhofer 1998: 28). Frank Retief, Bischof der Church of England in
Südafrika, sagt es so (Timmis 2000: 1): “Church Planting must be the priority of all Christians: It is in
fact, just another word for evangelism and is the lifeblood of the church.”1
1.1.2 Persönlich in eine Gemeindegründung involviert
Anfangs 2002 hatte ich das Vorrecht, mit gläubigen Menschen aus Heimiswil (benachbarter Ort von
Burgdorf) in Kontakt zu kommen. Aus dem Kontakt, welcher dadurch entstand, dass ich einige Male
zum Predigen in den von ihnen organisierten Samstagstreffen eingeladen wurde, wuchs die Vision
einer eigenen Gemeinde. Die Christen wollten im Glauben wachsen und hatten das Anliegen, die
Menschen ihrer Politischen Gemeinde (Heimiswil) mit dem Evangelium zu erreichen. Bei der
reformierten Kirche, welcher die meisten angehören, fand man kein Gehör für ihr Anliegen. Die
Situation war nicht ganz einfach und ich sah die drohende Gefahr, dass letztendlich viele den Weg in
eine der umliegenden Freikirchen suchen würden, um ihre geistlichen Bedürfnisse abzudecken. Dies
hätte aber wohl oder übel bedeutet, dass die erfreulichen Früchte eines tiefgläubigen Pfarrers, welcher
vor zehn Jahren die Kirchgemeinde verlassen musste, im Sand verlaufen wären. Ich bekam eine innere
Schau, diese Gläubigen zu ermutigen doch zusammenzubleiben und eine selbständige Gemeinde zu
gründen, um den „Boden Heimiswil“ geistlich nicht zu verlieren. Daraus entstand eine MentoringBeziehung meinerseits und die Unterstützung meiner Gemeinde (Pfimi Burgdorf). In der ersten
Jahreshälfte 2005 kam es dann zur Gründung einer eigenen Gemeinde. In der Zeit der Vorbereitung
und des Ringens, wie dieser Weg einer Gemeindegründung gegangen werden soll, sind Menschen
zum Glauben gekommen, und sind zu dieser sich mehr und mehr formierenden Gruppe dazu
gestossen. Mittlerweile ist eine tolle Gemeinschaft von Jung und Alt beieinander, welche eine
Jungschar, eine Jugendgruppe, eine Sonntagschule, einen Männerstamm und weitere Dienste anbietet
und leitet. Einen eigenen Sonntags-Gottesdienst gibt es noch nicht, doch dieser ist nun in
Vorbereitung.
Für mich waren diese Jahre eine tolle Zeit, in welcher ich als „Greenhorn“ in Sachen
Gemeindegründung vieles lernen, entdecken und begleiten durfte. Diese Gründung ist noch im
Aufbau, und ich bin nach wie vor involviert und mit dabei, dieser Gemeinde eine gesunde Struktur
1
Gemeindegründung muss die Priorität aller Christen sein: Es ist im Grunde genommen nur ein anderes Wort für
Evangelisation und ist der Lebenssaft der Gemeinde.
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und Leiterschaft zu geben. Ich hoffe, dass sie eines Tages sich selber reproduziert und weitere
Gemeinden aus ihr hervorgehen werden.
Dies also ein weiterer Grund mich der Thematik der Gemeindegründung zu widmen und
herauszufinden wie Gemeinden, speziell in unserem schweizerischen Kontext, entstehen können.
1.1.3 Bewegungen welche keine Gemeinden gründen drohen zu sterben
Als Vollzeitlicher Mitarbeiter innerhalb einer Pfingstgemeinde, und somit eingebunden in die
Bewegung der schweizerischen Pfingstmission, interessiert mich natürlich auch die Komponente und
der mögliche Auftrag einer ganzen Bewegung in der Angelegenheit der Gemeindegründung.
Interessante Erkenntnisse aus weltweiten Untersuchungen, welche unter anderem von der DAWN2Bewegung immer wieder gemacht werden, sollten wir nicht ungehört lassen. Unter allen Methoden,
welche dazu führen, dass Menschen zum Glauben an Jesus kommen ist, die Gründung von neuen
Gemeinden mit Abstand die effektivste. Peter Wagner bezeichnet sie sogar als die „beste
evangelistische Methode unter dem Himmel“ (Montgomery 1990: 39). Die Untersuchungen zeigen
einen interessanten Zusammenhang zwischen Mitgliederwachstum der Denominationen und neu
gegründeten Gemeinden auf. „Je mehr Gemeinden neu gegründet wurden, desto stärker stieg auch die
Zahl der Mitglieder an. Wenn die Gründung von Gemeinden vernachlässigt wurde, verlangsamte sich
auch das Wachstum der Mitgliederzahlen“ (Montgomery 1990:40).
Nun möchte man natürlich wissen, wer herausgefunden hat, dass Gemeindebewegungen
(Denominationen), welche keine neuen Gemeinden gründen, aussterben. Dies ist eine Behauptung
oder Provokation, welche so nicht belegt werden kann. In einem konsultativen Gespräch mit Reinhold
Scharnowski, dem Leiter von DAWN Europa, meinte er zu meiner provokativen Aussage: „Man
weiss, dass viele Denominationen in diesem Jahrhundert sterben, wenn ihre Wachstumskurve nicht
nach oben gekehrt wird.“ Auf der anderen Seite weiss man, so Scharnowski, „dass jede Denomination,
welche Gemeinden gründet, wächst.“
Gerade Leiter von Bewegungen sind in diesen Fragen zentrale und wichtige Figuren. Bei einem
Besuch von Max Schläpfer, Vorsitzender der SPM, im Headquarter der Asseblies of God (AoG) in
den USA fragte er Dr. Thomas Trask, Leiter AoG, welches in seinen Augen die wichtigste Aufgabe
eines Bewegungsleiters sei. Er antwortete ohne zu zögern, die Gründung von neuen Gemeinden zu
fördern.3
Dies ist eine deutliche Aussage und unterstreicht die Priorität, dass sich Denominationen unbedingt in
Gemeindegründung engagieren müssen.
2
DAWN = Discipling a whole Nation, deutsch: Eine ganze Nation zu Jüngern machen.
3
Aus dem Reisebericht von Max Schläpfer anlässlich seines Besuches in den USA im Oktober 2004.
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1.2 Absicht dieser Arbeit und Themeneingrenzung
Ich möchte mit dieser Arbeit einerseits alle Denominationen und Gemeindebewegungen motivieren,
sich der Thematik der Gemeindegründung neu zu stellen. Andererseits sollte es mehr werden als nur
eine Motivation. Ich wünsche mir ein heiliges Feuer und Anliegen, welches unsere christliche
Leiterschaft erfasst, damit in unserem Land (Schweiz) wieder in viel grösserem Ausmass Gemeinden
gegründet werden.
In meinen Ausführungen werde ich zuerst die Bedeutung von Gemeindegründung aus theologischer
Sicht aufgreifen, die ekklesiologischen und missiologischen Grundlagen zusammentragen und
erläutern. In einem zweiten Schritt untersuche ich die Geschichte um Strategien,
Gründungsvoraussetzungen und Prinzipien herauszuschälen, welche unseren Vorvätern zur
Gemeindegründung dienten. Im dritten Teil vergleiche ich die Ergebnisse der historischen
Untersuchung mit den Aussagen der heutigen Gemeindegründungsliteratur. Daraus resultieren neue
Erkenntnisse, welche in einigen praktischen Vorschlägen für die Gründungspraxis in der Schweiz
münden.
1.2.1 Motivation zur Gemeindegründung als Gemeindebewegung
In unserem Land gibt es unzählige Dörfer und Gegenden, in denen noch keine einzige freikirchliche
Gemeinde existiert. Wenn also Menschen dort kontinuierlich und nachhaltig mit dem Evangelium
erreicht werden sollen, ist es unumgänglich, dort Gemeinden zu gründen. Diese dienen einerseits als
Gefässe, in welchen die Gläubigen als Gemeinschaft ihren Glauben leben. Andererseits dienen sie als
Basisstation von Evangelisation und Mission vor Ort.
Die 2. Schweizer Gebetskarte4 ist nach wie vor übersät mit roten Punkten. Die roten Punkte geben an,
dass jener Ort keine Freikirche hat, wobei festzuhalten ist, dass keine Ortschaften unter 1000
Einwohner aufgeführt sind. (Ich habe beim groben Punktezählen nach 400 aufgegeben.)
Im Januar 2006 veröffentlichte emRG5 erste Ergebnisse der Studie Die geistliche Meinung der
Europäer, welche sich der Frage „Wie christlich ist Europa?“ widmet. Die Joel News6 (05/06) fassten
die wichtigsten Ergebnisse zusammen welche ich hier auszugsweise zitieren möchte:
• Laut dieser Umfrage möchten 72,7% der Europäer auf kultureller Ebene mit
dem Christentum verbunden sein. Doch nur 4,12 % der Christen sind
wirklich besorgt um den geistlichen Zustand ihrer Freunde und Nachbarn.
• Es existiert nur eine Kirche auf 19920 Einwohner in Europa, und das
Verhältnis von bestehenden Gemeinden zu Neugründungen liegt lediglich
4
Herausgegeben von Focusuisse: Stand November 1999. Zu beziehen unter www.focusuisse.ch
5
emRG ist eine europaweite, strategische Forschungsgruppe, in welcher mehrere Missionsorganisationen
ihre Kräfte bündeln.
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Wöchentlich erscheinende Publikation mit ermutigenden Zeugnissen und Fakten, was im Reich Gottes weltweit passiert.
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bei 318:1 (das heisst es gibt auf 318 existierende Gemeinden eine
Neugründung).
Wenn man eine einfache Rechnung anstellt, dann müsste jede Gemeinde eine 2000er Gemeinde sein,
wenn 10% der Einwohner Europas regelmässig eine Gemeinde besuchen möchten. Dies ist nur grob
gerechnet ohne zu berücksichtigen, dass gewisse Gebiete mehr Gemeinden aufweisen als andere. Laut
Focusuisse gibt es in der Schweiz rund 1'500 klassische Freikirchen7. So käme also bei einer
Bevölkerungszahl von 7,5 Millionen Einwohnern in der Schweiz, eine klassische Freikirche auf 5'000
Menschen. Dies ergibt dann schon ein etwas anderes Bild.
Zum anderen kommt in der Untersuchung aber auch klar zum Ausdruck, dass die Bedeutung von
Gemeindegründung im Zusammenhang mit dem göttlichen Missionsauftrag noch extrem schwach ist
unter den Christen und deren Leiterschaft.
Jeff Fountain, der europäische Missionsdirektor von Jugend mit einer Mission, stellt bei seinen Reisen
durch Europa fest, dass die Lebensqualität und der Standard von Wirtschaft und Infrastruktur höher
wird, je näher er dem Zentrum der Reformation gelangt. Fountain verweist auch auf eine
internationale Liste8 der Korruption, die in absteigender Reihenfolge geordnet ist. Zu erkennen ist,
dass Länder, welche direkt oder indirekt von der Reformation geprägt worden sind, weniger unter
Korruption leiden. Deutschland nimmt Platz 16 und die Schweiz Platz 7 ein, während beispielsweise
Moldawien an 88. und Rumänien an 85. Stelle stehen (Joel News: 05/06). Die befreiende Botschaft
des Evangeliums trägt also noch heute Früchte. Doch wenn wir nicht wieder erneut dieses Evangelium
unters Volk bringen, wird der Wertezerfall auch in der Schweiz seine Früchte tragen und ich wage zu
behaupten, dass wir dann auf dieser Korruptionsliste massiv absteigen werden.
Hier können nun einzelne Gemeinden vom Gedanken und der Notwendigkeit von Gemeindegründung
motiviert und entzündet werden, doch gerade auch ganze Bewegungen sollten diese Dringlichkeit
bewegen. Wenn dies an Leiterkonferenzen und Pastorentreffen immer wieder ein Thema ist, glaube
ich, verstärkt sich der Wunsch und die Motivation erneut, bewusst Gemeinden zu gründen, damit sich
das Reich Gottes ausdehnt und noch mehr Menschen mit der freimachenden Botschaft des
Evangeliums in Berührung kommen.
1.2.2 Eingrenzung und Konzentration auf die SPM
Es würde den Umfang dieser Arbeit weit übersteigen, wenn ich die Geschichte und die Facetten jeder
Bewegung aufgreifen und einfliessen lassen wollte, darum beschränke ich mich auf die geschichtliche
Untersuchung der Schweizerischen Pfingstmission (SPM). Die weltweite Pfingstbewegung wird
gerade hundert jährig. Die Entwicklung, welche auch in Sachen Gemeindegründung um den ganzen
7
Gemäss telefonischer Anfrage am 15.2.2006 (ohne Hauskirchen, ref. und kath. Kirchen).
8
http://www.transparency.org/policy_and_research/surveys_indices/cpi/2005 (15.02.2006)
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Globus in nur hundert Jahren geschah, ist gewaltig. Die Pfingstbewegung ist alles andere als eine
unscheinbare Winkelangelegenheit.
„Sie ist nichts weniger als eine der dynamischsten christlichen Kräfte überhaupt. Vergleicht man sie
zahlenmässig mit protestantischen Kirchen und Freikirchen, ist sie weltweit die stärkste Gruppierung.
Sie ist dazu, wieder im Ganzen gesehen, die am schnellsten wachsende christliche Denomination.“
(Zopfi 1985: 9)
Leider konnte die SPM in den letzten dreissig Jahren nicht mit dieser weltweiten Entwicklung Schritt
halten, doch ich hoffe und bete, dass diese Arbeit dazu beitragen kann, wieder an dieser „dynamischen
Kraft“9 anzuknüpfen.
Es ist mir wichtig, dass die Untersuchung und die Ergebnisse im Kontext der Schweiz sind und
bleiben. Denn beispielsweise Osteuropa, Südamerika, USA oder Asien haben andere Variablen. Daher
werde ich nur die SPM beleuchten und die internationalen Komponenten nur wo nötig als Vergleich
oder zum Verständnis einfliessen lassen.
Ich denke, dass die SPM als Studienobjekt brauchbar ist, so dass auch andere traditionelle
Gemeindeverbände ihren Nutzen daraus ziehen können.
1.2.3 Definition von Gemeinde
Es gibt verschiedene Ansichten und Meinungen bezüglich des Gemeindeverständnisses. Dies will und
kann ich hier aber nicht diskutieren und ausführlicher behandeln. Ich gehe von einem
Gemeindeverständnis aus, welches sich mit den Gemeinden der traditionellen Gemeindebewegungen
deckt und sich vereinfacht mit der Definition aus der IGW Diplomarbeit Gemeindegründung im Focus
(Häni-Lung, Blaser, Risch, Bucher 2004: 11) zusammenfassen lässt:
Eine Gruppe von Menschen, die Jesus Christus verbindlich nachfolgt. Sie
trifft sich mehr oder weniger regelmässig immer am selben Ort,
beziehungsweise im selben Lokal. Weiter hat eine Gemeinde in der Regel
einen Prediger und oder einen Gemeindevorstand. Eventuell wird sie auch
von einem Team geleitet.
Von ihrem Auftrag her lebt eine Gemeinde Anbetung, Gemeinschaft, Jüngerschaft, Mitarbeit und
Mission (Kimball 2005: 7). Sie ist lokale Gemeinschaft von Gläubigen Nachfolgern Jesu.
9
Hier sei auf die Master Arbeit „Die Kraft in der Gemeinde“ meines Zwillingsbruders Matthias Truttmann hinzuweisen, welche
sich eingehend mit dieser Frage auseinandersetzt.
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2 GEMEINDEN GRÜNDEN
Immer wieder liest und hört man, dass Gemeindegründung die effektivste Methode ist, eine Region
mit dem Evangelium zu durchdringen. Diese Aussage soll hier etwas ausführlicher und durch
biblische und historische Fakten beleuchtet werden.
2.1 Bedeutung der Gemeindegründung
2.1.1 Begrifflichkeiten: Gemeindegründung und Gemeindepflanzung
Die zwei Begriffe Gemeindegründung und Gemeindepflanzung sprechen vom Gleichen. Sie sind
synonyme Begriffe. Jeder hat seine schwerpunktmässige Intension, welche in diesen Begriffen
transportiert wird. Doch ich möchte schon jetzt anmerken, dass es für mich keine Rolle spielt, welchen
der Begriffe man nun bevorzugt.
Worte sagen etwas aus und lassen darüber hinaus immer auch etwas vermuten und erahnen. Daher ist
es wichtig, seine Worte bewusst zu wählen, damit die Absicht dessen, was man vermitteln möchte,
durch die verwendeten Begriffe transportiert wird. Man kann es aber auch zu weit treiben.
Der Begriff Gemeindegründung impliziert mehr den Aspekt eines Hausbaus. Jesus ist hier das
Fundament (1 Kor 3,11), auf welches die Gemeinde Gottes gebaut ist, und jeder Gläubige ist als
lebendiger Baustein in dieses göttliche Bauwerk eingefügt. In diesem Sinne sollen also an vielen Orten
durch Legung eines Fundamentes (Jesus) neue Bauwerke entstehen. In diesem Sinne sprechen wir
auch von Gemeindebau und in unseren Leiterkreisen unterhalten wir uns darüber, wie wir das Reich
Gottes bauen können.
Der Begriff Gemeindepflanzung vermittelt mehr den Aspekt eines Organismus. Dabei werden Christen
wie ein Setzling in ein Gebiet verpflanzt, in dem die christliche Präsenz gering ist (Hopkins 1996: 7).
Wir erinnern uns dann mehr an das Gleichnis des Sämanns (Mt 13,3f) oder an die Worte des Paulus
wo er davon spricht, dass der eine pflanzt und der andere begiesst aber Gott selber für das Wachstum
verantwortlich ist (1 Kor 3,7).
Beide Begriffe haben ihre wichtige Aussagekraft und ich meine wir tun gut daran von gründen und
von pflanzen zu sprechen. Jedoch möchte ich mich dagegen wehren dem einen oder andern den
Vorrang zu geben oder gar zu behaupten es wäre biblischer.
2.1.2 Biblische Fakten (missiologische und ekklesiologische Überlegungen)
Die grosse Mission welche Jesus seinen Jüngern und somit auch uns gab, ist uns allen bekannt.
18 Da trat Jesus auf sie zu und sagte: "Mir ist alle Macht im Himmel und auf
der Erde gegeben. 19 Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen
zu meinen Jüngern. Dabei sollt ihr sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes
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und des Heiligen Geistes taufen 20 und sie belehren, alles zu befolgen, was
ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum
Ende der Zeit." Mt 28, 18-20
Nun ist die Frage, wie sich dieser Auftrag Jesu praktisch umsetzt. Wie machen wir Menschen zu
Jüngern? Gibt es da eine Art Werkstatt, in der Nachfolger Jesu herangebildet werden können? Haben
diejenigen, welche ausgehen, um das Evangelium zu verkünden, eine Basis, von der sie ausgesendet
werden und wieder zurückkommen? Was geschieht mit den Menschen, welche zum Glauben kommen
und getauft werden?
Die Fragen, die ich hier stelle, sind nicht neu, doch sie zwingen uns dazu, gründlich zu überlegen, wie
wir den Auftrag Jesu in der Praxis Wirklichkeit werden lassen können.
Das Wort Gottes endet glücklicherweise nicht nach dem Missionsbefehl. In der Apostelgeschichte und
in den Briefen finden wir Prinzipien und Anleitung, wie die ersten Jünger diesen Auftrag in die Tat
umsetzten.
Nachdem die erste Gemeinde in Jerusalem es anfänglich versäumt hatte, das Evangelium weiter zu
tragen, griff Gott in diese Situation ein, und liess eine Verfolgung der Gemeinde zu. Die
Apostelgeschichte schreibt: „Die über das Land zerstreuten Christen aber machten das Evangelium
bekannt. Philippus zum Beispiel ging in eine Stadt von Samarien und predigte, dass Jesus der Messias
ist“ (Apg 8,4.5). So bewirkte die Verfolgung, dass die Gemeinde ihrem Auftrag nachkam und es
entstanden neue Gemeinden (Mauerhofer 1998: 253).
Die Apostel und ersten Nachfolger Jesu verkündeten nun das Evangelium in Jerusalem, Samarien und
darüber hinaus in der „ganzen“ Welt. Ihre Evangelisation hatte zur Folge, dass Menschen zum
Glauben kamen. Diese wurden getauft und in neuen lokalen Gemeinden gesammelt. Nach dem
Beispiel der Jerusalemer Gemeinde (Apg 2, 42) pflegte man in diesen neuen Gemeinden Gemeinschaft
unter Gläubigen, man liess sich unterweisen in der Heiligen Schrift und in der Lehre der Apostel,
feierte das Mahl des Herrn und betete gemeinsam.
Die Menschen in diesen Gemeinden wiederum nahmen den missionarischen Auftrag auf und trugen
die Botschaft in die umliegenden Gegenden. So lobt Paulus beispielsweise die Thessalonicher dafür,
dass sie in ganz Mazedonien und Achaja bekannt sind für ihren Glauben (1 Thess 1,18). Sie haben
offensichtlich in fast jedem Ort, wie Paulus bemerkt, evangelisiert und sicherlich auch neue
Gemeinden gegründet. In diesen Gemeinden ging nicht alles nur perfekt und heilig zu und her. Der
Jüngerschaftsprozess war auch bei ihnen ein hartes Stück Arbeit. Es ging darum, zu einem heiligen
Lebenswandel zu gelangen und die Menschen sollten zugerüstet werden zum Dienst. Die Briefe
zeugen unübersehbar vom Eifer der Apostel, die Gläubigen und die Gemeinden darin zu unterweisen.
Doch warum haben die Apostel Gemeinden gebaut? Und warum tun wir dies heute?
Die Heilige Schrift gibt uns zu verstehen, dass die Sünde Adams nicht nur eine individuelle
Angelegenheit war zwischen Gott und Adam. In Adam haben alle Menschen gesündigt und sind
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getrennt von Gott. Die Menschheit steht im Kollektiv mit Gott in Feindschaft (Timmis 2000: 28).
Doch Gott in seiner Liebe zu den Menschen schuf einen neuen Weg. Tim Chester formuliert treffend:
„The promise to Abraham that determines the shape of redemptive history is the promise of a people
and a land. It is a promise that finds fulfilment in the new humanity in the new creation” (Timmis
2000: 28). Gottes Plan der Erlösung kommt also in Form einer Familie und einer Nation zum tragen.
Sein Herzensanliegen ist nicht in erster Linie auf viele einzelne Individuen fokussiert, sondern auf sein
Volk. Im Neuen Testament finden die Verheissungen an Abraham ihre Erfüllungen in denen, welche
„in Christus“ sind. Also in der Gemeinde. Die Gemeinde Jesu ist das neue Israel, diese heilige Nation,
welche Gott für sich haben will. Tim Chester gibt zu verstehen, dass Jesus für die Erwählten, seine
Braut, sprich die Gemeinde, gestorben ist.
Die Gemeinde ist also nicht einfach eine Ansammlung von geretteten Individuen und somit irgendwie
nützliches Nebenprodukt einzelner Errettungen. Gerade das umgekehrte ist der Fall, so Chester.
Individuen sind dadurch gerettet, dass sie Teil der Familie Gottes werden durch Gnade und durch
Glauben (:28). So ist die Gemeinde nicht einfach eine nützliche Form, um Jüngerschaft und Mission
zu betreiben, welche wir aus der Geschichte übernommen haben. Nein, sie ist Gottes Weg der
Errettung. Sie ist die Braut Christi. Der Auftrag des Heiligen Geistes ist es, die Braut Jesu zu suchen
und vorzubereiten. Somit ist der Heilige Geist die treibende Kraft jeglicher Evangelisation und
Mission, worin es um mehr geht als einzelne Individuen. Es geht um die Braut des Herrn, um die
Gemeinde. Gottes Heilsabsicht ist, dass die Menschen auch untereinander zur Versöhnung und zu
geheilten Beziehungen kommen, denn der Sündenfall zerstörte nicht nur die Gemeinschaft mit Gott,
sondern auch die Beziehungen der Menschen untereinander. Eine makellose und perfekte Braut, wie
sie Gott haben möchte, ist also auch versöhnte Gemeinschaft untereinander.
Ein Christ zu sein, heisst per Definition, Teil der Gemeinschaft von Christen zu sein. Mit Christus
vereint zu sein, heisst Teil seines Leibes zu sein. Gemäss dem Neuen Testament findet dies immer
seinen Ausdruck darin, dass jemand verbindlich zu einer lokalen Gemeinde gehört. Lokale Gemeinden
bieten den Kontext und den Rahmen, wo neutestamentliche Jüngerschaft geschehen kann (Timmis
2000: 30). Daher ist es nicht erstaunlich, dass Jesu Lehren bezüglich Jüngerschaft vor allem dann Sinn
machen, wenn sie im Kontext einer verbindlichen Gemeinschaft betrachtet und gelebt werden.
Mit dieser Perspektive bekommt das Mandat von Gemeindegründung eine ganz andere Bedeutung. Es
geht um mehr als errettete Einzelpersonen. Es geht darum, die durch Jesus Christus erlöste Gemeinde
immer wieder an neuen Orten zu pflanzen, zu begiessen und zu bauen.
Wir können unser Christsein nicht losgelöst und unabhängig von verbindlicher Gemeinschaft leben
und dabei meinen, wir gehören ja zum Leib Christi, zur universellen Gemeinde des Herrn. Denn Teil
des Leibes Christi zu sein, heisst Teil einer lokalen Gemeinde zu sein. Sich zur Gemeinde Jesu zu
zählen ist sehr einfach, solange dies eine abstrakte, universale Realität ist. Doch das NT knüpft diese
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Verbindlichkeit an Beziehungen mit realen Menschen in existierenden lokalen Gemeinden mit all
ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten.
Dazu eine kleine Geschichte, welche wirklich passierte. Ein Mann kam eines Abends in die Chorprobe
einer Gemeinde. Er sprach mit dem Chorleiter und sagte, dass er gerne im Chor mitsingen möchte.
Dieser fragte ihn, in welche Gemeinde er dann gehe. Der Mann sagte, dass er nicht verbindlich in eine
Gemeinde gehe. Daraufhin erklärte ihm der Chorleiter, dass er Mitglied dieser Gemeinde werden
sollte, um im Chor mitsingen zu können. Der Mann erwiderte, dass dies nicht nötig sein, weil er zur
universellen Gemeinde des Herrn gehöre. Der Chorleiter antwortete ihm darauf: „Ja dann singen sie
doch dort mit.“
Wenn diese Sichtweise geklärt ist, kommt dann die Umkehrung. Als Teil einer lokalen Gemeinde ist
ein Christ dann auch Teil der grossen weltumspannenden, universalen Gemeinde Gottes. Dieses
Bewusstsein ist für jeden Gläubigen sehr wichtig, denn das Reich Gottes ist grösser als sein eigenes
kleines Umfeld. Denn ohne den verbindlichen lokalen Bezug hat die weltweite Sicht keine klare
Grundlage.
2.1.3 Überlegungen bezüglich dem Reich Gottes
Jesus verkündigte, dass die Königsherrschaft Gottes seit seinem Kommen auf dieser Welt
angebrochen ist (Mt 12,28; Mk 1,15; Lk 17,21). Ich schliesse mich Mauerhofer an der sagt, dass das
Erlösungswerk Jesu die Grundlage zur Entfaltung der Basileia10 Gottes bildet (1998: 55). Die Frage ist
nun, wo und in welchem Ausmass ist das Reich Gottes auf dieser Erde? Wie lässt es sich definieren
oder wo geht die Grenze durch? Wer gehört dazu und wer nicht? Der Meinungen sind viele. Es ist hier
nicht der Platz, um eine grosse Diskussion zu führen, doch einige minimale Überlegungen sind
zwingend, da das Verständnis bezüglich Gemeindegründung klar dadurch beeinflusst ist.
Wie Mauerhofer, Chester und andere bin ich persönlich der Überzeugung, dass zum Reich Gottes alle
Menschen gehören, welche durch den Glauben an das Erlösungswerk Christi aus dem Machtbereich
Satans herausgerettet und in die Basileia Jesus Christi versetzt worden sind (Kol 1,13). „Die
Verwirklichung der Basileia Jesu Christi auf dieser Erde ist in dieser heilsgeschichtlichen Epoche
identisch mit der Gemeinde (Ekklesia)“ (Mauerhofer 1998: 56).
So ist das Königreich Gottes eine Herrschaft Gottes über den Bereich einer neuen Gesellschaft,
nämlich seinem Volk. In ihrer kompletten Erfüllung liegt das Ganze noch in der Zukunft. Doch das
Eintreten eines Menschen ins Reich Gottes im Hier und Jetzt bedeutet, dass er sich der Herrschaft
Gottes unterstellt und dabei durch den Heiligen Geist einen Vorgeschmack der zukünftigen Segnungen
Gottes erlebt (Timmis 2000: 32).
10
Als Reich Gottes, Königreich Gottes, auch als Königsherrschaft zu übersetzten.
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Natürlich hat Gemeindegründung einen viel weiteren Einfluss auf die Gesellschaft als nur die
evangelistisch- missionarische Komponente. Dem müssen wir unbedingt Beachtung schenken, wie
Murray betont. Es passiert schnell, dass man beim Gründen von neuen Gemeinden vor allem
Evangelisation und Gemeindewachstum im Fokus hat (Murray 2001: 40). Doch wo das Reich Gottes
ist, da muss sich nach biblischem Vorbild auch soziale Gerechtigkeit und Engagement für das Umfeld,
in welches die Gemeinde hineingestellt ist, einstellen.
Murray bringt einen modernen Denkansatz, welcher sich mit dem Begriff missio Dei (Die Mission
Gottes) präsentiert. „Missiologists have increasingly been drawn to this phrase to express the
conviction that mission is not the invention, responsibility, or program of human beings, but flows
from the character an purposes of God“ (Murray 2001: 39). Im Zentrum steht dabei die Aussage, dass
Mission in erster Linie von Gottes Charakter und Ziel ausgeht und nicht von menschlicher Erfindung
und dessen Programme. Dasselbe stimmt aber auch für die Gemeinde. Sie ist nicht menschliche
Erfindung oder Einrichtung (Institution), sondern das Ziel und die Absicht Gottes. Gott sandte seinen
Sohn, damit er die Erlösung schafft für seine Braut, die Gemeinde. Sie ist Ausdruck des dreieinigen
Charakters Gottes und seiner rettenden Absichten (Timmis 2000: 31).
Wenn nun gesagt werden will, dass es bei der Gemeindegründung mehr um Gott geht als um die
Gemeinde, dann, so denke ich, zielt dieser Ansatz in die falsche Richtung. Es scheint, als hätte man
Angst vor der Vernachlässigung von sozialer Gerechtigkeit und Engagement im kulturellen Umfeld,
was die Gemeinde in der Vergangenheit leider oft tat. Dies ist aber nicht zu umgehen, indem man den
Fokus von der Gemeinde weg nimmt und auf Gott richtet. Auf Gott ausgerichtet sein ist ja sowieso das
Höchste, dies kann nicht mehr überboten werden und ist daher sicher am richtigsten. Darin wendet
man sich paradoxerweise genau von dem ab, auf das Gott eben zielt.
Gemeindegründer brauchen eine grosse Liebe zur Gemeinde Jesu, so fehlbar und unvollkommen sie
eben ist. Wir müssen damit leben können, dass Gott und sein Reich sich auf dieser Welt durch dieses
menschliche Unvermögen einschränken lässt. Gott hat sich entschieden durch uns, die Gemeinde,
seine Liebe zu den Menschen zu bringen, auch wenn dies sehr lückenhaft und oft stümperhaft
geschieht. Dies tut Er, weil er seine Gemeinde liebt – dafür gab er sogar sein Leben. Dies ist die Logik
Gottes, welche unser menschlicher Verstand kaum verstehen und einordnen kann. Wer sich in
Gemeindegründung engagiert, weil er es der Kirche und den traditionellen Gemeinden zeigen will,
verfehlt die Absichten Gottes. Nicht das System muss geändert werden, um den Missionsauftrag
Gottes umzusetzen, sondern die Gemeinde muss neu vom Auftrag Gottes ergriffen werden. Dadurch
wird sie aufstehen und den Auftrag ausführen mit all den Elementen, welche sie in der Vergangenheit
vernachlässigt hat.
Während Gemeindegründung nicht der einzige Weg ist, um zu missionieren, kann Mission nicht
losgelöst von der Gemeinde geschehen. Die lokale Gemeinde ist Agent und Ziel der Mission. Dort wo
die Gemeinde ist, da ist das Reich Gottes. Wer zur Gemeinde gehört, bewegt sich im Reich Gottes.
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Wenn ein ungläubiger Mensch durch ein Gemeindeglied irgendeinen Dienst der Liebe Gottes erfährt,
kommt er dadurch mit dem Reich Gottes in Berührung und kostet vom Segen, der von diesem Reich
fliesst.
2.1.4 Statistische Fakten
Es ist sehr nützlich und durchaus sinnvoll, mit Zahlen zu operieren und Statistiken zu führen. Doch es
geht nicht in erster Linie um quantitative Ziele, sondern vor allem um qualitative Ergebnisse (Schwarz
1996: 45). Die Zahlen helfen aber die Qualität der Arbeit zu messen und Rückschlüsse zu ziehen,
welche Methoden und Strategien greifen und Frucht bringen. Wie schon erwähnt hört man in letzter
Zeit immer wieder, dass Gemeindegründung das beste und effektivste Werkzeug ist um die Welt mit
dem Evangelium zu erreichen. Chrisian A. Schwarz hat eine der umfassendsten Studien über die
Ursachen des Gemeindewachstums durchgeführt. In 32 Ländern über 5 Kontinente wurden 1000
Gemeinden untersucht und ausgewertet. Die Studie hat unter anderem ergeben, dass das
Wachstumspotenzial bei kleineren Gemeinden um ein Vielfaches grösser ist als bei sehr grossen
Gemeinden.
Mit zunehmender
Gemeindegrösse
nimmt das prozentuale
Wachstum rapide ab,
während die Zahl der
Menschen, die neu
gewonnen werden, bei
allen vier Kategorien
mit etwa 50 Personen
(in fünf Jahren) relativ
konstant bleibt.
(Schwarz 1996: 47)
Grosse bis sehr grosse Gemeinden haben unbestritten den Vorteil, dass sie ein sehr umfassendes
Spektrum an Angeboten und Diensten anbieten können. Auch der Auftritt nach aussen erscheint
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professioneller, da die Gaben und Ressourcen
dementsprechend breiter und vielfältiger sind.
Wenn man aber die Zahlen vergleicht, wie viele
Menschen dazu gewonnen werden, dann ergibt
sich erstaunlicherweise ein ganz anderes Bild.
Schwarz stellte in seiner Untersuchung zwei
Kategorien von Gemeinden einander gegenüber.
Zwerggemeinden mit unter 100 Besucher und
Megagemeinden mit über 1000 Besuchern. Das
Ergebnis ist folgendermassen: Während bei
Gemeinden der Kategorie unter 100
Gottesdienstbesucher (Durchschnitt: 51) in 5
Jahren durchschnittlich 32 Personen neu gewonnen wurden, ist der Zuwachs bei den Megagemeinden
(Durchschnitt: 2'856 Besucher) im gleichen Zeitraum bei 112 Menschen (Schwarz 1996: 47).
Zahlenmässig sind bei der Megagemeinde mehr Menschen gewonnen worden als bei der
Zwerggemeinde, doch Schwarz macht folgende Rechnung (1996:48):
Wenn wir uns […] vergegenwärtigen, dass wir es bei Megagemeinden
gegenüber den „Zwerggemeinden“ mit der 56fachen (!) Gemeindegrösse zu
tun haben, drückt die folgende Rechnung das Potential der beiden
Gemeindekategorien sehr viel realistischer aus: Hätten wir es statt einer
2’856-Besucher-Gemeinde mit 56 Gemeinden à 51 Personen zu tun, so
würden diese – im statistischen Schnitt – innerhalb fünf Jahren 1'792
Menschen neu gewinnen, also 16 mal so viele wie die Megagemeinde. Die
evangelistische Wirkung der Zwerggemeinden ist also erwiesenermassen
1'600 Prozent grösser als die der Megagemeinde!
Wenn wir diese Untersuchungsergebnisse ernst nehmen, dann müssen wir uns eindeutig neu der
Gemeindegründung widmen. Wir dürfen nicht nur die bestehenden Gemeinden grösser werden lassen,
sondern wir müssen uns mit grösstem Eifer darum bemühen, neue Gemeinde zu gründen! Die
evangelistische Wirkungskraft kleiner, meistens neuer Gemeinden, muss unbedingt zum Einsatz
kommen.
2.1.5 Der biblische Auftrag für uns heute
„Das Pflanzen von Gemeinden scheint im ersten Jahrhundert als missionarisches Konzept von ebenso
grundlegender Bedeutung gewesen zu sein, wie es das bis heute ‚auf dem Missionsfeld’ ist“ (Hopkins
1996: 9). Wie in den Anfangskapiteln der Apostelgeschichte beschrieben wird, wurden täglich neue
Menschen der Gemeinde hinzugetan. Die Gemeinde wuchs so stark, dass es notwendig war, neue
Untergruppen zu bilden. So lesen wir: „… in ihren Häusern brachen sie das Brot und trafen sich mit
jubelnder Freude und lauterem Herzen zu gemeinsamen Mahlzeiten“(2,46). Dies wiederum bewirkte
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eine schnellere Ausbreitung des Evangeliums und hatte grösseres Wachstum zur Folge: „Täglich fügte
der Herr solche, die gerettet werden sollten, ihrer Gemeinschaft hinzu“ (2,47). Das Evangelium geht
über in andere Orte, wo wieder neue Gemeinden gepflanzt wurden. Dies war die Dynamik und
Arbeitsweise der ersten Gemeinden.
Was für die Apostel damals galt, gilt für uns heute noch genau so. Das Evangelium muss zu allen
Menschen gelangen. Dies geschieht in dem durch die Verkündigung des Evangeliums Gemeinden
entstehen, welche wiederum Ausgangspunkt neuer Evangelisation werden. So ist die Gemeinde Ziel
und Ausgangspunkt von Evangelisation und Mission. Auf dem Missionsfeld in Übersee scheint uns
dies selbstverständlich und logisch, doch in unserem eigenen Umfeld/Missionsfeld (Land) fehlt diese
Sicht momentan weitgehend.
Jede Gemeinde wurde einmal durch Hilfe anderer ins Leben gerufen. Darum ist jede Gemeinde auch
wieder verpflichtet, sich an diesem Mandat zu beteiligen. Es gibt noch so viele unerreichte Orte in der
Schweiz. Nicht zu vergessen sind auch die verschiedensten unerreichten, ethnischen wie
gesellschaftlichen Gruppierungen und Schichten. Auch diese werden durch Gemeindegründungen am
effektivsten erreicht. Dies ist ein göttlicher Auftrag, welcher jede Gemeinde angeht (Mauerhofer
1998:253).
In der Verlängerung geht dieses Mandat somit auch an jede Gemeindebewegung. Sie ist beauftragt
dafür zu sorgen, dass ihre Gemeinden dies nicht aus den Augen verlieren. Jeder Gemeindeverband ist
gefordert, dieses Mandat voranzutreiben. Die Erkenntnis, dass Gemeindegründung ein Mandat Gottes
ist, muss auf allen Ebenen durchdringen. McGavran schreibt dazu in seinem Standardwerk
Gemeindewachstum verstehen (1990: 63): „Die vordringlichste Aufgabe, vor der wir heute stehen, ist
die Gründung neuer Gemeinden.“
Prof. Dr. Johannes Reimer gibt zu bedenken: „Menschen zu Jüngern zu machen, ohne immer wieder
neue Gemeinden zu gründen, geht einfach nicht.“11
Armin Mauerhofer (1998: 255) macht eine einfache Rechnung. Er sagt, dass bei 5% wiedergeborenen
Menschen, welche ihren Glauben ausleben, in einem Land die Möglichkeit besteht, dass jeder der
Bevölkerung die Möglichkeit hätte, mit einem Christen in Kontakt zu kommen. Wenn wir in der
Schweiz von 3% Wiedergeborenen ausgehen, müssten in nächster Zeit demzufolge etwas über
150'000 Menschen zu Jesus geführt werden. Wenn eine Gemeinde dann im Durchschnitt 150 Besucher
hätte, so müssten 1000 neue Gemeinden gegründet werden. Wollten wir dieses Ziel in den nächsten
zehn Jahren umsetzen, brauchte es jährlich 100 neue Gemeinden!
Es wartet viel Arbeit auf uns, doch wir müssen dies nicht aus eigener Kraft tun. Es ist der Heilige
Geist, welcher seine Diener vorantreibt und die Schleusen des Himmels öffnen wird. Wir dürfen nicht
11
Referat am Schweizerischen Kongress für Gemeindegründung, 18.-20. März 2004.
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den Fehler begehen, dass wir aus den mageren Ernteerträgen von gestern auf die Möglichkeiten von
morgen schliessen.
Tim Chester (Timmis 2000: 26) schreibt: „…church planting is a vital opportunity to re-focus the life
of the church on the gospel.” Genau das ist es. Wenn wir neu in das Pflanzen von Gemeinden
investieren, werden wir erleben, dass unsere Gemeinden vermehrt wieder erleben und ausleben, was
uns das Evangelium befiehlt und verheisst. Denn diese Gemeinden sind darauf aus, neue Leiter zu
entdecken und sie einzusetzen. Sie überlegen sich neu, wie sie ihre Nachbarschaft und die Menschen
in ihrem Ort mit dem Evangelium erreichen können. Wunder und Zeichen werden erneut einhergehen
mit den Aktivitäten solcher Gemeinden.
Wie Paulus müssen wir darauf achten, dass nicht überall Schema XY funktioniert. Das heisst, wir
können nicht einfach stur und in einer Art „copy paste“-Mentalität durchs Land ziehen und
Gemeinden gründen wollen. Die Kontextualisierung ist wichtig. Paulus knüpfte in Athen bei den
Opferstädten für einen unbekannten Gott an (Apg 17,23). Den Korinthern erklärt er, wie er den Juden
ein Jude geworden ist, und denen, welche ohne das Gesetz lebten, wie einer, der nicht an das jüdische
Gesetzt gebunden ist. „Ich bin allen alles geworden, um unter allen Umständen wenigstens einige zu
retten“ (1 Kor 9,20-23).
Warren sagt (Kimball 2005: 7): „Wir werden nur dann nicht an Relevanz verlieren, wenn wir die
eigene Arbeit an die unveränderlichen Wahrheiten Gottes binden und gleichzeitig bereit sind, die
Umsetzung dieser Wahrheit und Ziele immer wieder neu an die Gegenwart anzupassen.“
Gemeindegründung heute heisst, sich ständig umzusehen und darum zu ringen wie die Menschen,
welche heute in der Schweiz leben, mit dem Evangelium erreicht werden können. „Weil sich die
Suchenden ständig verändern, müssen wir auf sie eingehen, wie Jesus es getan hat; wir müssen bereit
sein, ihnen dort zu begegnen, wo sie sich befinden, und so mit ihnen reden, dass sie uns verstehen“
(:8). Es kann gut sein, dass eine bestehende Gemeinde eine gewisse Gesellschaftsschicht gerade
deshalb nicht erreichen kann, weil sie so ist wie sie eben ist. Diese Gemeinde erreicht aber Menschen
ihresgleichen. Um die Anderen zu Jesus zu führen, ist womöglich eine neue Gemeinde mit anderen
Ausprägungen und Elementen nötig. Diese zwei verschiedenen Gemeinden können trotzdem in
demselben Gemeindeverband sein. Denn nicht die Glaubensgrundsätze unterscheiden sich, sondern
die Art und Weise, wie diese ihren Ausdruck finden.
2.2 Historische Fakten
Die schweizerische Pfingstbewegung gehört mit zu den ersten nationalen Pfingstbewegungen im
globalen Kontext. Schon 1907 begannen die ersten Pfingstversammlungen in Zürich.
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2.2.1 Von den Anfängen der Pfingstbewegung 12
Die Geburtsstunde der Pfingstbewegung lässt sich wohl kaum mathematisch genau festlegen, wie
Jakob Zopfi, ehemaliger Vorsitzender der SPM und langjähriges Mitglied des Komitees der
Weltpfingstkonferenz, schreibt. „Schon ein halbes Jahrhundert vor ihrer Geburt bewegten sich
machtvolle erweckliche Ströme: Die Reformation, parallel zu ihr der Pietismus und die
Täuferbewegung. Es erhoben sich die Wogen des Methodismus, der Heilsarmee und der
Heiligungsbewegungen“ (Zopfi 2006) 13. 1904 elektrisierte die Erweckung in Wales die Welt der
Gläubigen und belebte die Erwartung auf ein neues Pfingsten, auf eine Heimsuchung des Heiligen
Geistes mit Gaben und Kräften.
Im April 1906 brach dann in der Assusastrasse in Los Angeles eine neue Bewegung auf. Sie erhielt
von der Presse nur vernichtende Kritik. Statt zu schaden lieferten aber diese Berichte dem
Pfingstaufbruch eine grossangelegte Gratiswerbekampagne. So kamen Leute aus der ganzen Welt, um
sich die Sache genauer anzusehen. Dies ist die wohl allgemein bekannte Geburtsstunde der
Pfingstbewegung.
Ein schwarzer Prediger namens W.J. Seymour kam im April 1906 in die Gebetsgruppe nach Los
Angeles, welche mit der Erweckung in Wales verbunden war. Er war ein einfacher Mann, auf einem
Auge blind. Als am 9. April, im Privathaus an der Bonnie Brae Street, das „Feuer“ zu fallen begann,
war bald zuwenig Platz vorhanden. Seymour mietete darauf hin einen Lagerraum an der
Assusastrasse, welcher knapp 30-40 Personen Platz bot. Die Bänke bestanden aus Brettern und die
Kanzel aus aufeinander geschichteten Kisten. In diesem Raum sassen schwarze und weisse
beisammen, was zu dieser Zeit als Skandal galt. Zopfi zitiert dazu Per Olov Enquists, einen
nichtpfingstlichen Beobachter: „ Der einäugige, leicht hinkende Neger Seymour hatte den Funken
entzündet mit Worten von solcher Macht, dass selbst der stärkste Gegner in die Sägespäne auf den
Boden sank und nach Gnade und Erlösung rief“ (Zopfi 2006).
Die Lehre Seymours war schon 1901 an der Bibelschule des Methodisten C.F. Parham in Topeka
(Kansas) aufgestellt worden. Sie ist in wenigen Worten folgendermassen zu beschreiben. Niemand
kann von sich behaupten, im Heiligen Geist getauft zu sein, ohne das Anfangszeichen des Redens in
neuen Zungen erlebt zu haben. Schliesslich war auch an Pfingsten und in der Folge in der
Apostelgeschichte das Reden in neuen Zungen das Zeichen bei den Geistgetauften der Urgemeinde.
Auch für fromme Kreise war diese Auffassung revolutionär, denn viele glaubten die Taufe im
Heiligen Geist zu haben, ohne dieses Zeichen zu besitzen.
12
Teilweise zusammengefasst aus Wuillemin 1985. 75 Jahre Pfingstgemeinde Burgdorf.
13
Aus der Artikelreihe Segel Biblisch Setzen (SBS), von Jakob Zopfi 2006. 1906 – 2006 – 100 Jahre Pfingstbewegung.
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„In der Gemeinde an der Assusastrasse begannen nun die Leute dieses Zeichen zu erleben und zu
praktizieren“ (Wuillemin 1985:15). In genau dieser Zeit weilte der Methodistenprediger T.B. Barratt
aus Oslo in Amerika. Als er von den Geschehnissen in Los Angeles hörte, machte er sich auf, um die
Sache selbst zu erleben. Er fand was er schon lange gesucht hatte und erlebte seine Geistestaufe mit
Zungenreden in New York. Erfüllt kehrte er Ende 1906 nach Norwegen zurück. Durch die Erweckung
in Wales war der Boden hier schon vorbereitet und es ging nicht lange, da sprachen viele seiner
Gemeindeglieder in neuen Zungen.
Im Juni 1907 reisten zwei norwegische Pfingstlerinnen, Agnese Telle und Dagmar Gregersen nach
Deutschland und hielten in Kassel mit dem Evangelisten H. Dallenmeyer eine geschichtsträchtige
Versammlung. Von dort reisten die zwei Frauen weiter nach Zürich und legten hier zusammen mit
Pastor Barratt den Grundstein für die erste Pfingstgemeinde auf Schweizer Boden.
Die ganze Geschichte der Pfingstbewegung hat vor allem in den Kapiteln ihrer Anfänge nicht nur
unproblematisch Töne. Der Eifer, welcher durch das Feuer des Geistes entfacht wird, wie es Reinhard
Bonnke zu sagen pflegt, brauchte auch eine gewisse theologische und lehrmässige Steuerung, ohne
aber die Pionierkraft dadurch einzuschränken oder gar abzuwürgen. Ein Mann, welcher an dieser
Stelle zu erwähnen ist, hatte die Gnade und Gunst des Herrn, diese feurige Bewegung in gute Bahnen
zu bringen. Es waren unbestritten noch eine Handvoll mehr solcher Diener Gottes. Doch der junge
Pfingstpastor Donald Gee hatte eine geniale Fähigkeit, auch schwierige Themen einfach und
verständlich darzustellen, sei es in Predigt, Belehrung oder Schrift. Vor seiner Abreise nach Australien
und Neuseeland, wo er einen Lehrdienst hatte, träumte er von einem Ozeanriesen. Er erschrak sehr
darüber als er sah, dass dieses grosse Schiff mit unbesetzter Kommandobrücke hin und her schlingerte.
Es war ihm ein Reden des Herrn mit tiefer Bedeutung. Die junge Pfingstbewegung war wie ein Schiff
unter Volldampf. „Ein Heer junger Evangelisten stürmte mit der Fackel des Evangeliums vorwärts.
Aber nun bedurfte es der Ausgewogenheit und Führung im unruhigen Gewässer des Spektakulären“
(Zopfi 2006). Als überragender Lehrer wurde Gee einer der ersten leitenden Männer der weltweiten
Pfingstbewegung. Auf der Kommandobrücke, wo er sich auch als Lehrer sah, war er nie abgehoben.
Denn er wusste sehr wohl um die Dienste an den Dampfkesseln: „Lehrer sind nicht gefragt, ohne dass
Evangelisten ihren Dienst ausführen und Propheten unsere Herzen mit feurigen Botschaften aus der
Höhe erwecken“ (Zopfi 2006).
Um den Bogen von den Anfängen zu heute zu schliessen, sei nochmals Jakob Zopfi zitiert: „Was die
Pfingstbewegung von gestern, heute und morgen auf ihrem Banner trägt, ist Jesus Christus. Wie die
Cherubime im ersten Kapitel Hesekiels hat sie vier Flügel: Jesus rettet, Jesus heilt, Jesus tauft mit
Heiligen Geist und Jesus kommt wieder“ (Zopfi 2006)!
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2.2.2 Aus der Geschichte der SPM
Durch die Heiligungsbewegung, welche in Europa, den USA und auch der Schweiz um die
Jahrhundertwende für viel Bewegung und Gesprächsstoff sorgte, wurde der Schweizer
Pfingstaufbruch schon an vielen Orten von der Ost- bis in die Westschweiz vorbereitet. In
verschiedenen kleineren und grösseren Hausversammlungen widmete man sich eifrig der
Wortverkündigung und dem Beten und Warten für die Ausgiessung des Heiligen Geistes.
Vom 23.- 30. September 1910 fand die erste Pfingstkonferenz der Schweiz in Zürich statt. Interessant
und aufschlussreich ist das Glaubensbekenntnis der jungen Bewegung, welche in der Verheissung des
Vaters14 im April 1910 abgedruckt wurde. Die Lehrgrundlagen und Überzeugungen der damaligen
Bewegung sind deutlich zu erkennen:
Die Wahrheit, für welche wir stehen:
1. Volle, freie und unmittelbare Vergebung, sowie Aufnahme der niedrigsten
und hervorragendsten Sünder in Gottes erlöste Familie, auf Grund von
(I) Busse,
(II) Glauben an das kostbare Blut und das vollbrachte Werk Jesu Christi,
des Ewigen Sohnes Gottes.
2. Taufe durch Untertauchen auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des
Heiligen Geistes für diejenigen, welche zum Glauben und zur „Busse zum
Leben“ durchgedrungen sind. Dies ist das von Gott angeordnete öffentliche
Bekenntnis, dass wir, durch Glauben, vereinigt sind mit Jesus in seinem
Tode und in seiner Auferstehung.
3. Vollständige Befreiung von Sünde, und Heiligung von Geist, Seele und
Leib, für alle Gläubigen, welche eins geworden sind mit dem Christus durch
den Heiligen Geist. Diese Erfahrung der Heiligung, die das absolut
wesentliche Hochzeitsgewand der Braut des Lammes ist, bleibt nur so
lange unser eigen, als wir verborgen bleiben in Christus, gekreuzigt und
auferstanden mit Ihm.
4. Die Taufe im Heiligen Geist und mit Feuer, ist das Vorrecht aller völlig
hingegebenen und gläubigen Herzen, welche, gereinigt im Blute Jesu, die
verheissene Ausrüstung zu Seinem Dienst von Gott erwarten.
Das allgemeine Siegel, das diese Taufe in der gegenwärtigen Ausgiessung
des Heiligen Geistes (oder dem „Spätregen“) begleitet, halten wir für
dasselbe, das im Obergemach zu Jerusalem empfangen wurde, sowie im
Hause des Cornelius, und in Ephesus. Dieses von Gott gewählte Siegel ist das
Sprechen „mit andern Zungen, nachdem der Geist ihnen gab auszusprechen“.
Aber die wesentliche Begleiterscheinung dieser Taufe, (ohne welche beides:
„Zungen“ und „Gaben“ „nichts nütze“ sind), ist das Feuer der göttlichen
Liebe, welches alles verzehrt, das nicht von ihr ist, und welches die Liebe
Gottes entzündet zu Gott selbst, zum „Leibe“ des Christus, und zu einer
verlorenen Welt.
14
Die Verheissung des Vaters ist eine Monatszeitschrift, welche von den leitenden Brüdern der Zürcher Gemeinde
herausgegeben wurde und dann ab 1921 zum Organ der SPM wurde. Die Zeitschrift wurde 1969 in Wort und Geist umbenannt
und ist heute Organ der Pfingstgemeinschaften von Deutschland, Österreich und der Schweiz.
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[sic] Die übernatürlichen Gaben des Heiligen Geistes wurden gegeben als das
bleibende Erbteil der Kirche, zum Zweck der wirksameren Verkündigung
sowie Göttlichen Bestätigung des Evangeliums unter den Menschen, bis
Jesus kommt. Diese Gaben, die der Kirche dank ihres Unglaubens und ihres
Bedürfnisses mit der Welt verloren gingen, stellt der Herr heute vollständig
wieder her, und sie sollten begehrt und im ernsten Gebet gesucht werden;
aber nur zur Ehre Gottes, zur Erbauung Seiner Kirche, zur Rettung der
Menschen, und angewandt zu allen Zeiten nur im Dienst und unter der
Kontrolle der Göttlichen Liebe.
6. Die Heilung der Kranken vom Auferstandenen und aufgefahrenen Herrn
selbst, durch den Heiligen Geist, als Antwort auf das Gebet des Glaubens und
die Ausübung des Salbens mit Öl oder wo diese besondere Gabe des Geistes
vorhanden ist) [sic], das Auflegen der Hände.15
Es war den Pfingstlern sehr wichtig, dass jeder Gläubige die Taufe im Heiligen Geist empfangen und
erleben durfte. Dazu wurden auch eigens dafür angelegte „Wartestunden“ anberaumt, wo die
Menschen angeleitet wurden, wie sie um die Taufe im Heiligen Geist ringen und warten dürfen. Durch
Anmeldeverfahren versuchte man zu verhindern, dass unehrliche Leute und Journalisten in diese
Versammlungen kamen. Doch es gelang immer wieder gewissen Reportern, sich in solche
Gottesdienste (in Zürich) einzuschleusen. Ihre Berichte danach waren übersät mit vernichtender
Kritik, doch waren sie auch immer Zeugnis von der Lebendigkeit dieser Gottesdienste. Das Gebet, der
Gebrauch von Geistesgaben sowie die Anbetung hatten zentrale Bedeutung. Die Menschen fielen
unter der Kraft des Heiligen Geistes zu Boden. Kranken wurden die Hände aufgelegt und man salbte
sie mit Öl. In Zürich wurde sogar ein Abend in der Woche für die Heilung und Befreiung der Kranken
und Gebundenen reserviert. (Wuillemin 1985: 41)
Diese pfingstlichen Gottesdienste waren also dynamische, von der Kraft Gottes geprägte
Versammlungen, welche keinen unberührt wieder nach Hause ziehen liessen.
Das Feuer der Pfingstbewegung breitete sich aus im ganzen Land und die Prediger dienten in den
verschiedensten neu gestarteten Versammlungen und Evangelisationen Land auf und Land ab. Der
Heilige Geist liess den Wusch nach aussenmissionarischer Arbeit in den Herzen der Leiter und
Gemeindeglieder wachsen und sie machten sich Gedanken, wie sie mit Missionaren doch auch im
Ausland und auf anderen Kontinenten das Evangelium zu den Menschen bringen könnten. Die
einzelnen Gemeinden wären schon rein finanziell dazu nicht im Stande gewesen, ganz alleine einen
Missionar auszusenden. Darum beschloss man unter Anregung von Smith Wigglesworth und Anton B.
Reuss, sich in diesem Anliegen zusammenzuschliessen. Die Pfingstkreise waren bis zu diesem
Zeitpunkt nur sehr lose organisiert.
15
Die vielen Bibelstellen im Text wurden der Einfachheit halber weggelassen.
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Am 12. März 1921 trafen sich die neun „leitenden Brüder“ der Schweizer Pfingstkreise in Bern, zur
Gründung der „Schweizerischen Pfingst-Missionsgesellschaft“ (Wuillemin 1985: 50).
Das Komitee, das sich bildete setzte sich wie folgt zusammen:
Vorsitzender: P.R. Ruff, Zollikon
Stellvertreter: Dr. E.. Lanz, Neuchatel
Zentralkassier: A.B. Reuss, Goldiwil
Kassier für die französische Schweiz: E. Bayer, Rennes-Village
Sekretär:
H. Steiner, St.Gallen, ab Mai Wädenswil
Beisitzer:
E. Schwarz, Lausanne
Chr. Siefer, Gland
J. Nievergelt, Schaffhausen
Zum Vorstand der Schweizerischen Pfingst-Missionsgesellschaft gehörten Ruff, Reuss und Steiner.
Während vielen Jahren leiteten diese drei Brüder das Missionswerk. „Der Zweck des Vereins wurde in
den Statuten mit ‚Ausbildung, Aussendung und Unterhalt von Missionaren beiderlei Geschlechts …’
umschrieben“ (: 50). Die Bewegung, welche in Zentralafrika daraus entstanden ist, zählt heute mehr
als 200 Gemeinden und hat über 50'000 Mitglieder.16
Leonhard Steiner, der Sohn des Sekretärs der Pfingst-Missionsgesellschaft, hatte die Gelegenheit im
Jahre 1931 in Basel vor Theologiestudenten einen Vortrag über die Pfingstbewegung zu halten. Dieser
Vortrag wurde im Kirchenblatt für die reformierte Schweiz veröffentlicht und auch in der Verheissung
des Vaters abgedruckt17. Daraus sind sehr interessante und lehrreiche Informationen über die
weltweite Pfingstbewegung, aber auch speziell zur schweizerischen Pfingstbewegung herauszulesen.
Steiner schildert die rasante Entwicklung der SPM. Die Turbulenzen um die Geistestaufe, welche sich
mit der Pfingstkonferenz 1910 in Zürich erhoben, führten dazu, dass sich ausserhalb der bestehenden
Kirchen und Gemeinden überall kleinere Gruppen zu neuen Gemeinden bildeten. Steiner beschreibt,
wie der Bewegung Leiter aus den eigenen Reihen erwuchsen, oft sogar Laien, welche früher anderen
Gemeinschaften angehörten. Anfänglich habe eine gewisse Verbindung zur deutschen
Pfingstbewegung bestanden, doch seit dem Krieg hatten sich die schweizerischen Pfingstgemeinden
selbständig organisiert, wie ich dies oben ausführlicher beschrieben habe. Steiner erzählt, dass die
Bewegung zu dieser Zeit schon über 50 Gemeinden zählte und innerhalb von zehn Jahren wurden 10
Missionare in die eigenen Missionsfelder in Süd- und Zentralafrika ausgesandt. An der Spitze, so
Steiner (1931: 12), „steht ein Ältestenrat mit vierteljährlichen Konferenzen, der in erster Linie Organ
der Heidenmission ist“.
16
http://www.pfingstmission.ch/sets/afrika.html (23.März 2006).
17
In der Ausgabe vom Mai 1931, S. 7-13.
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Anfangs der dreissiger Jahre begann man, die so genannten „Schweizerischen Brüdertage“
einzuberufen. Man diskutierte am ersten Treffen (9. Jan. 1932) über eine engere Zusammenarbeit
innerhalb der SPM, also innerhalb der Arbeit in der Schweiz (Wuillemin 1985: 68). In den weiteren
Jahren wurde diese Zusammenarbeit weiter ausgebaut, sodass am 12. Januar 1935 in der 1. Generalund konstituierenden Versammlung die Schweizerische Pfingstmission mit einer Innen- und einer
Aussenmission entstand. Der Zusammenschluss wurde mit folgenden Worten protokolliert:
Nachdem in den vergangenen Jahren der Ältestenrat der schweizerischen
Pfingstmissionsgesellschaft wiederholt in die Lage versetzt ward, sich auch
mit der Arbeit der an dieselbe angeschlossenen Gemeinden zu beschäftigen,
zeigte sich immer mehr die Nützlichkeit einer, wenn auch sehr losen
Zusammenfassung dieser Kreise. Dies geschah im Anschluss an die 3.
Generalversammlung der Schweiz.Pfingstmissionsgesellschaft in Zürich.
Man empfand also, dass man sich gegenseitig besser unterstützen kann und das Werk in der Schweiz
besser wachsen könnte, wenn die Gemeinden in einem Zusammenschluss und einer gemeinsamen
Vision und Arbeit für die Schweiz konstituiert sind.
Der 2. Weltkrieg ging nicht spurlos an der SPM vorbei. Die leitenden Brüder meldeten, dass infolge
Militärdienst viele Männer, darunter auch Pastoren, im Krieg statt in der Gemeindearbeit Dienst tun
mussten. Die Bewegung resignierte jedoch nicht und wollte auch nicht den äusseren Umständen die
Schuld für die Durststrecke zuschieben. Vielmehr wurde aufgerufen, sich in den Gemeinden neu nach
dem Herrn auszustrecken und für einen neuen Durchbruch des Heiligen Geistes zu bitten. Es soll für
Gaben und neue Vollmacht gebetet werden (Protokoll, GV 1945).
An der GV 1946 wird dann erwähnt, dass die Arbeit der SPM bedauerlicherweise nicht sehr
gewachsen ist, da es Mangel an „geistgesalbten“ Mitarbeitern gebe. Das Gebet muss also weiter
intensiviert werden. Trotzdem berichten die leitenden Brüder von kostbaren Erlebnissen und Segen im
Dienst des Herrn. Es gab beispielsweise einen erfreulichen Jugendtag mit über 200 Teilnehmern (bei
einer Bewegungsgrösse von schätzungsweise 1800 Mitgliedern)
Vom 6.-9. Mai 1947 fand in Zürich die Weltpfingstkonferenz statt. Es macht den Anschein, dass diese
Konferenz die Gemeindearbeit beflügelte und neuen Schwung in die Evangelisation und
Gemeindegründung brachte. Die Zahl der Delegierten an den Generalversammlungen stieg konstant
an und auch die Anzahl Täuflinge schnellte nach oben. Mitte der Fünfzigerjahre fand sie ihren
Höhepunkt mit 473 Getauften, was sicherlich ein Zeugnis von erfreulicher Evangelisationstätigkeit ist.
In den sechziger Jahren bewegte sich wieder einiges. Die Bewegung wollte mehr „Bewegung sein“,
das heisst durch das gnadenvolle Wirken des Heiligen Geistes bewegt und getrieben sein. So wurde
die Zentralstelle mit einem Vollamtlichen Zentralsekretär, Traugott Lüthi, geschaffen. Die Zeltarbeit
wurde ganz neu aufgezogen und eine schlagkräftige Strategie für Zelt-Pionier-Arbeit fing neu an zu
greifen. Durch diese Zeltarbeit fanden viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus und neue
Gemeinden sind dadurch entstanden.
Samuel Truttmann
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10.8.2006
AF 2519
Gründungseifer neu entdeckt
22
Kurzer Geschichtsüberblick
1907 – 1920
Pionierphase der Pfingstbewegung. Bekannt sind 21 Gemeindegründungen.
Der 1.Weltkrieg fällt in diese Periode.
1920 – 1930
Zusammenschluss zur Schweizerischen Pfingst-Missionsgesellschaft zur
Aussendung von Missionaren. Verstärkte Pionier- und Gründungsphase.
(Bewegung wuchs auf ca. 55 Gemeinden)
1930 – 1940
Konstituierungs- und Konsolidierungsphase. Gründung der SPM mit Innenmission
und Aussenmission.
1940 – 1950
Stagnation in den Jahren des 2. Weltkrieges. Daraus erwuchs neuer Aufschwung.
Weltpfingstkonferenz in Zürich.
1950 – 1960
Der Aufschwung verstärkt sich und neue Evangelisationsbemühungen werden
unternommen.
1960 – 1970
Erneute Konsolidierung und Schaffung einer Zentralstelle. Zeltarbeit mit Pionieren
wird als strategisches Evangelisationswerkzeug aufgebaut. Einführung der
Landeskonferenzen der SPM.
1970 – 1980
Glaubensprojekte wie die Heimstätte SPM in Emmetten und die
Radiomissionsarbeit werden angepackt.
1980 – 1990
Die Zeltarbeit ermüdet und hört praktisch auf. Neue Evangelisations-Strategien wie
„Eine Stadt für Gott“ und die christliche Fernseharbeit werden aufgegriffen.
1990 – 2000
Erneute Konsolidierungsphase. Zuwachs der Bewegung durch FCG Gemeinden.
Praktisch keine Grossevangelisationsprojekte mehr. Starke Fokussierung auf die
Struktur der Zellengemeinde.
2000 - …
Neubesinnung und Neuausrichtung der Bewegung. Schaffung eines
Generalsekretariates. Vorbereitung einer neuen Phase von Evangelisation und
Mission.
Samuel Truttmann
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AF 2519
Gründungseifer neu entdeckt
23
2.2.3 Gemeindegründungen und Wachstum in der Geschichte der SPM
Gemäss dem Versammlungsanzeiger, welcher in der Verheissung des Vaters (Januar 1920) jeweils
abgedruckt wurde, gründeten die Pfingstkreise in der Schweiz in den ersten zehn Jahren 18
Versammlungsplätze/Gemeinden. Die meisten Brüder, welche am Wort dienten, taten dies
nebenamtlich und waren für mehrere Orte zuständig. Es ist erstaunlich, welche Wege diese Pioniere
wöchentlich auf sich nahmen um die verschiedenen Gemeinden im ganzen Land zu bedienen.
Die Versammlungs-Anzeigen neun Jahre später in der Januar/Februar Ausgabe der Verheissung des
Vaters (1929) zeigt einen markanten Zuwachs. Neu sind die Gemeinden in 12 Arbeitsbezirke (Zürich,
Bern, Neuchatel, Lausanne, Genf, Biel, Burgdorf, Wädenswil, Kradolf, St.Gallen, Winterthur, Basel)
eingeteilt und an der Zahl auf 55 angewachsen.18
18
Kopie der Versammlungsanzeigen im Anhang.
Samuel Truttmann
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Gründungseifer neu entdeckt
24
Gemeindegründungen von 1906-1929
60
54 55
50
Gemeinden
40
38
32 33 32
30 31
30
21
20
18
10
29
28
19
27
19
25
26
19
19
24
19
22
23
19
19
20
21
19
19
19
19
17
18
19
19
16
19
19
15
14
19
12
13
19
19
11
19
09
10
19
19
19
06
07
19
19
19
08
1
0
Jahr
Die Zahl der Gesamtmitglieder der SPM ist bis dahin nicht bekannt. Eine ungefähre Schätzung konnte
ich für das Jahr 1934 machen. Anhand des Schlüssels, welcher definiert, wie viele Delegierte pro
Arbeitsbezirk an der Generalversammlung teilnehmen können, ist auf die Mitgliederzahlen der
Arbeitsbezirke zu schliessen. Meine Berechnung ergab eine ungefähre Bewegungsgrösse von 1'800
Mitgliedern.
Zwischen 1929 und 1965 finden wir keine Angaben über die Anzahl der Gemeinden. Doch es scheint,
als dass die SPM nach 1929 bei weitem nicht mehr so intensiv Gemeinden gründete wie in den ersten
20 Jahren. Die Anzahl Gemeinden von 55 im Jahre 1929 fällt fast gleich aus wie im Jahre 1965, wo
wir mit 53 Gemeinden erstmals wieder eine Zahl haben. In der Zwischenzeit sind laut den Berichten
immer wieder Gemeinden eingegangen, neue wurden eröffnet und es sind Gemeinden aus der
Bewegung ausgeschieden wie beispielsweise im Jahre 1960, als die drei Westschweizer Distrikte
(Genf, Neuchatel und Waadt) wegfielen.
Ab 1965 sind wieder mehr Zahlen vorhanden. Wie die unten stehende Grafik zeigt, ist in Sachen
Gemeindegründungen nur sehr wenig geschehen. Dies gilt vor allem für die letzten 30 Jahre.
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Gründungseifer neu entdeckt
25
Anzahl Gemeinden der SPM von 1965 - 2005
80
70
Gemeinden
60
50
40
30
20
10
20
05
20
03
20
01
19
99
19
97
19
95
19
93
19
91
19
89
19
87
19
85
19
83
19
81
19
79
19
77
19
75
19
73
19
71
19
69
19
67
19
65
0
Jahr
Die oben stehende Grafik zeigt, dass während den starken Jahren der Zeltarbeit (1965 – 1980) auch
neue Gemeinden gegründet wurden. Danach wurde, wie in den Protokollen zu lesen ist, eine gewisse
Zeltmüdigkeit festgestellt, was sich in den Gemeindegründungen widerspiegelt. Die evangelistischen
Bemühungen haben danach zwar nicht aufgehört, sondern neue Evangelisationsformen wie eine Stadt
für Gott, Andreas-Aktion oder die One-Way Keller und Teestuben, kamen auf. Diese hatten aber mehr
die Ausrichtung, neue Menschen für die bestehenden Gemeinden zu gewinnen.
Mitgliederwachstum
10000
9000
8000
Mitglieder
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Jahr
Samuel Truttmann
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Gründungseifer neu entdeckt
Die Grafik des Mitgliederwachstums bestätigt, dass die
Evangelisation nicht aufgehört hat. Zwar schwankte die
Anzahl Gemeinden nach 1980 immer zwischen 54 und
67. Einzelne kleinere Gemeinden mussten wieder
geschlossen werden und der Zuwachs in den
Neuzigerjahren ist vor allem wegen den Aufnahmen der
Jahr Mitglieder Wachstum in %
2675
1965
1966
1967
1968
1969
1970
Eine weitere interessante Beobachtung ist das prozentuale
1971
1972
1973
1974
Wachstum. Während die Bewegung in den stärkeren
1975
FCG-Gemeinden in die SPM.
Gemeindegründungsjahren von 1965 – 1980 im Schnitt
alle fünf Jahre um 14.1 Prozent wuchs, erhöhte sich die
1976
1977
1978
1979
Wachstumsrate in den nächsten 15 Jahren auf einen
1980
Fünfjahresschnitt von 24.2 Prozent, dies obwohl die
Warum dies? Ich vermute einen Zusammenhang mit der
1981
1982
1983
1984
starken Bautätigkeit der Gemeinden in diesen Jahren.
1985
Anzahl der Gemeinden mehrheitlich rückläufig war.
Vielerorts wurden grössere Säle und Häuser eingeweiht.
Es hatte also viel Platz für neue Menschen. Da waren
1986
1987
1988
1989
viele lehre Stühle vorhanden, welche gefüllt werden
1990
wollten.
1991
1992
1993
1994
Mit dem Jahre 1995 wurden die ersten FCG Gemeinden
aufgenommen, daher müssen wir, wie schon gesagt, die
Zahlen der Gemeinden und der Mitglieder etwas
1995
10 Jahren viel grösser als dies die Zahlen zeigen.
1996
1997
1998
1999
Beispielsweise wuchs die Bewegung im Jahre 1995 um
2000
relativieren. Der Rücklauf-Trend ist daher in den letzten
4.4%. Ohne die FCG Gemeinden wären es jedoch nur
1.4% gewesen. Die SPM wuchs trotzdem gegenüber den
anderen traditionellen Gemeindebewegungen am
26
2001
2002
2003
2004
2005
2658
2703
2715
2897
2954
3041
3091
3172
3230
3456
3529
3784
3827
3885
3974
4063
4228
4521
4768
4981
5143
5364
5632
5934
6269
6582
6893
7007
7282
7605
7779
8103
8429
8626
8914
8861
8869
8908
9188
9278
-0.6
1.7
0.4
6.7
2.0
2.9
1.6
2.6
1.8
7.0
2.1
7.2
1.1
1.5
2.3
2.2
4.1
6.9
5.5
4.5
3.3
4.3
5.0
5.4
5.6
5.0
4.7
1.7
3.9
4.4
2.3
4.2
4.0
2.3
3.3
-0.6
0.1
0.4
3.1
1.0
10.4
17.0
15.0
25.3
25.9
21.3
17.2
4.1
stärksten, was aber angesichts dieser Zahlen ein
schwacher Trost ist.
Klar ist, und da sind sich alle einig, dass wieder etwas geschehen muss. Wenn nicht ein neuer Schub
von Evangelisation und Gemeindegründung kommt, werden die Zahlen bald in den negativen Bereich
wechseln und die Bewegung würde abnehmen statt wachsen.
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2.2.4 Gab es Geistesführungen, Strategien, Überlegungen
Zeltarbeit
Die Zeltarbeit war ein sehr gesegnetes Werkzeug, um das Evangelium an den verschiedensten Orten
zu verkündigen. Nicht selten entstanden aus diesen Zeltarbeiten neue Gemeinden.
In der VdV (Februar 1927: 16) gibt Prediger P. R. Ruff voller Freude ein Zeugnis, wie der Herr die
Zeltarbeit leitet.
Lasst uns beten dafür, dass der Herr offene Türen gibt für die schöne
Zeltarbeit. Einen Ort hat Er uns schon gezeigt. Ich besuchte eine Familie in
B. Dabei hatte ich den Eindruck, da sollte das Zelt hin. Ich fragte die
Hausmutter, ob sie nicht einen Platz wüsste. Sie ging darauf zu einer ihrer
Bekannten und fragte, ob man nicht ihre Wiese haben könnte, worauf sie
vernahm, dass diese liebe Bekannte gerade in der Nacht geträumt und auf
ihrer Wiese ein Zelt hätte stehen sehen. Sie willigte daher sofort in die Bitte
[ein]. Gelobt sei der Herr. Er wird leiten. Man schreibe uns bitte, wenn man
Wünsche hat, das Zelt betreffend.
So war diese Pionierarbeit massgeblich von der offensichtlichen Leitung des Geistes geprägt. Es ist
nirgends genau zu lesen, dass die Zeltarbeit als Strategie für Gemeindegründung galt. Doch es ist
offensichtlich, dass wo immer das Zelt mit den Evangelisten hinkam, die Bestrebungen waren
anschliessend einen Versammlungsplatz an jenem Ort zu eröffnen. Dieser wurde nach gewisser Zeit
von Wachstum durch Bekehrungen und Taufen zu einer selbständigen Gemeinde.
In einem konsultativen Gespräch erklärte mir Herrmann Müller, ehemaliger Pastor und
Vorstandsmitglied der SPM, dass man früher nicht direkt von Gemeindegründung sprach. Dieser
Begriff war noch nicht so gängig und populär zur damaligen Zeit. Vielmehr sprach man von
Evangelisation. Jede Gemeinde war sehr bemüht und rang auch immer wieder im Gebet, wo sie die
nächste Evangelisation durchführen sollte. Mit „wo“ ist der Ort gemeint. Es war selbstverständlich,
dass eine Gemeinde in ihrer näheren und weiteren Umgebung Evangelisationen durchführte. Die
Menschen wurden dabei nicht unbedingt an den Ort eingeladen, an dem die Gemeinde ihre
Versammlungslokalität hatte, sondern man ging vielmehr in verschiedene Orte und mietete dort einen
Saal in einem Restaurant. Alternativ stellte man „das Zelt“ auf einem zentralen Platz auf und lud die
Leute ein, an die Veranstaltungen zu kommen. Dies war jeweils ein Projekt, welches einen Grossteil
einer Gemeinde brauchte. Helfer, Chor, Gebetsdienst und mehr wurde von verschiedenen
ehrenamtlichen Gläubigen bewerkstelligt. „Wenn es der Herr schenkte“ so Pastor Müller, „konnten
wir anschliessend einen Versammlungsplatz an jenem Ort eröffnen“.
Es ist sehr interessant zu sehen, wie diese Zeltarbeit ab 1964 wieder neu belebt wurde.
Der damalige Vorsitzende der SPM, Karl Schneider, ruft auf: „Unsere Bewegung sollte mehr
"Bewegung" sein, d. h. durch das gnadenvolle Wirken des Heiligen Geistes bewegt und getrieben
sein“ (GV 18.1. 1964).
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Die besonderen Merkmale für das Bewegungsjahr 1964 waren dann die beiden Bibelwochen, die neu
intensivierte Tätigkeit im Pionierzelt, die Anschaffung eines zweiten Zeltes, der Pionierkurs, welcher
als Rüstkurs für den Dienst am Wort durchgeführt wurde und ein spezieller Kurs für Jugendleiter. (GV
16.1. 1965)
Als schriftliches Medium wurde unter anderem das Werbeblatt Der Ruf, welches gemeinsam von
SPM, GfU und FChG herausgegeben wurde, in der Zeltarbeit gebraucht. Es wuchs zu einer Auflage
von 80'000 Exemplaren. Schneider meinte dazu: „Dies ist ein erfreuliches Zeichen des Eifers zur
Seelengewinnung, der in unseren Kreisen aufgebrochen ist“ (VdV Mai 1966. Aus dem Jahresbericht
des Vorsitzenden der SPM).
In den Jahresberichten der der SPM ab 1970 ist jeweils eine Rubrik Zeltarbeit aufgeführt. Dort ist zu
lesen, an welchen Standorten ein Zelt mit Pionieren stand. Mit einem Kreuz sind „Neuvorstösse“
explizit markiert. Es wurde also eine klare Strategie mit den Zeltarbeiten verfolgt. Neue Orte sollten
mit dem Evangelium durchdrungen werden und daraus neue Gemeinden entstehen.
Einheit und Zusammenhalt als Bewegung, Zurüstung und Ausbildung
Die leitenden Brüder führten nach der Konstituierung der SPM 1935 bald einmal regelmässige
Bibelwochen ein. Die ersten SPM-Bibelwochen fanden im Hotel „Des Alpes“ auf dem Rigi statt.
Diese Wochen der Gemeinschaft, des Gebetes und des Hörens auf Gottes Wort, einten die
Geschwister der SPM sehr stark. Es wuchs auch eine gemeinsame Sicht und Vision für die Schweiz
und deren mit dem Evangelium unerreichten Bevölkerung.
Die Landeskonferenzen19 der SPM wurden 1968 ins Leben gerufen. Der neue Vorsitzende Emil
Hartmann sagte zu den Teilnehmenden der GV 1970, dass die SPM als Familie mehr
zusammenwachsen müsse. Darin liegt der Segen der Einheit und der Auftrag das Evangelium zu den
Menschen zu bringen wird dadurch verstärkt.
Ein Jahr später gab er klar zu bedenken, dass die Besonderheit der Bewegung nicht in Programmen
und Organisation bestehe, sondern im weiten Raum für das Wirken des Heiligen Geistes. „Die
Gegenwart Gottes in unseren Versammlungen ist das Besondere; die Offenbarwerdung der Kraft des
Heiligen Geistes“ (Protokoll, GV 1971). Weiter machte Emil Hartmann darauf aufmerksam, dass sich
aus der Kirchengeschichte zeige, dass manche Denominationen nach ihrem 50-jährigen Bestehen nicht
mehr als Erweckungsbewegung erkennbar waren. Die SPM-Bewegung stand dazumal gerade in
diesem „kritischen“ Alter. Hartmann brannte es im Herzen und er rief die Bewegung auf:
„Wenn wir etwas vom Segen der Demut, der Selbstverleugnung, der Hingabe
und des Wirkens des heiligen Geistes verloren haben, so ist das ein
Gefahrensignal. Lasst uns mehr Mut haben für übernatürliche Offenbarungen
in unseren Versammlungen. Lasst uns Gott mehr zutrauen, dass er mehr
19
Die Erste Landeskonferenz der SPM fand in einer gemieteten Zelthalle in Frutigen statt.
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Gründungseifer neu entdeckt
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Gaben gibt und vorhandene Gaben reinigt. Brüder lasst uns offen sein, dass
Gott uns neu ausrüsten kann. Es muss ein Warnsignal sein, wenn wir mit
einer Versammlung pro Woche zufrieden sind. Es ist ein Gefahrensignal,
wenn uns ein militantes, aggressives Zeugnis abhanden gekommen ist.
Unsere Gefahr heute ist bestimmt nicht Fanatismus, sondern Formalismus.
Unsere Gefahr heute besteht darin, dass wir aus einer Bewegung zu einer
Institution werden. […] Angesichts unserer grossen Aufgaben bleibt uns nur
eines, Reinigung unserer Herzen und Leben und das Flehen um neues Feuer
von oben.“
Eine konkrete Umsetzung als Bewegung war, dass der Pionierkurs erweitert und ausgebaut wurde.
Dieser Kurs war als „Mini-Bibelschule“ konzipiert und diente zur Ausbildung von Mitarbeitern,
welche mit dem Evangelisations-Zelt durch die Schweiz zogen und evangelisierten. Es sollten dadurch
mehr Menschen zum Zeugendienst ausgebildet werden und ihre Hemmung abbauen können, auch
wenn sie nicht als Pioniere mit dem Zelt auf Tournee gehen würden. Sie sollen in ihrem Wohnort und
Umfeld das Evangelium kraftvoll an den Mann und die Frau bringen. So wurde der Kurs ab 1972 in
Zeugenkurs umbenannt.
Die Bibelschule Gunten/Emmetten, welche durch die Beziehungen der Pfingstlichen Freikirchen BPF
gestartet wurde, diente in den 60er bis 80er Jahren klar der Zurüstung von Reichgottes-Mitarbeitern in
den Gemeinden. Die Menschen, welche zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, sollen in der
Jüngerschaft zu reifen Christen heranwachsen. Dazu braucht es ein Heer von geistlichen Leitern,
welche diese Aufgabe wahrnehmen.
Das Evangelium in jeden Haushalt
1973 wurde die Radiomission SPM ins Leben gerufen und über Radio Luxemburg ausgestrahlt. Die
Bewegung war bestrebt, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln das Evangelium zu verkünden.
Jeder Haushalt musste irgendwie erreicht werden, sei es durch Freundschaftsevangelisation, die
Gemeinde vor Ort, eine Zeltarbeit oder über Radiosendungen. Zudem wurden verschiedene
evangelistische Zeitschriften zum Verteilen produziert, beispielsweise die Zeltpresse oder Der Ruf,
welcher vierteljährlich in Form einer Tageszeitung gedruckt wurde und 1975 eine Auflage von
300'000 Exemplaren hatte. Ein eigener Verlag mit Buchhandlung (Dynamis Verlag) sollte die
Verbreitung des Evangeliums und die Festigung der Gläubigen unterstützen. Das Sortiment bestand
aus Traktaten, Büchern bis hin zu Musikproduktionen. Viele Jahre lang war eine mobile
Buchhandlung in der ganzen Schweiz unterwegs, um auch auf diese Weise Menschen mit Jesus
bekannt zu machen.
Am 1. Dezember 1983 wurde der Verein Christliche Medienproduktion (CMP) gegründet. Unter
Mithilfe von christlichen Medienschaffenden aus Kanada wurden in Emmetten erste Mustersendungen
produziert, um damit bei verschiedenen TV-Anstalten vorstellig zu werden. Es sollten
vorevangelistische und evangelistische Programme ausgestrahlt werden, dann aber auch Programme
zur Weiterführung der Menschen und Übertragungen von Gottesdiensten, Konferenzen und
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Bibelstudien. 1987 kam die ganze Medienarbeit aus finanziellen Schwierigkeiten ins Stocken. Heute
ist dank privater Sponsoren aber eine stabile und zukunftsträchtige Medienarbeit Fenster zum Sonntag
aus der ganzen Angelegenheit erwachsen, so dass man sagen kann, die Schmerzen und
Herausforderungen der Pioniere haben sich gelohnt.
Das souveräne Wirken des Heiligen Geistes
Durch alle Jahre hindurch ist ein ständiger Ruf zu hören: „Ohne Ihn können wir nichts tun!“ Es ist
unüberhörbar die wichtigste und stärkste Komponente in der Geschichte der SPM. Ohne Gottes
Führung und Kraft geht wenig bis nichts. Die Pastoren und Leiter machten sich diese Tatsache immer
wieder bewusst und es wurde viel getan, um das Wirken des Heiligen Geistes und die Freisetzung
seiner Gaben immer wieder neu in den Vordergrund zu stellen. Jede Strategie und jede Bemühung ist
umsonst, wenn nicht das Reden und Wirken des Geistes dahinter steckt. Dies geschieht aber nicht
einfach automatisch, wie dies mancher Vorsitzender sagte, es ist vielmehr ein bewusstes sich
Ausstrecken und Suchen. Es ist eine offene Erwartungshaltung dem Geiste Gottes gegenüber und auch
das Zurückstellen der eigenen Vorstellungen und Programme, damit das souveräne Wirken des
Geistes Raum bekommt.
2.2.5 Wo stehen wir heute
Meiner Meinung nach steht die SPM an einer der entscheidensten Kreuzungen ihrer Geschichte. Die
Weichenstellungen in diesen und den nächsten Jahren werden sehr ausschlaggebend sein, ob die
Bewegung wieder neuen Schub bekommt. Die Zeichen dafür stehen momentan gut und erfreulich.
Mit einer fast hundertjährigen Geschichte ist man keine Pionierbewegung mehr. Im Rückblick wurde
vieles ins Leben gerufen, Projekte durchgezogen und wieder beendet. Es wurde gerungen und
gekämpft an den Fronten der Welt und auch in den eigenen christlichen Reihen. Doch wo steht die
SPM heute?
Die Zeltarbeit gibt es nicht mehr und die evangelistischen Bemühungen in den Gemeinden sind in den
90er Jahren stark zurückgegangen. Nicht zuletzt schlich sich auch der allgemeine Tenor unter der
Christenheit in der Schweiz in die Reihen der SPM ein: „Die Zeit der Grossevangelisation ist vorbei,
heute geht es um Freundschafts-Evangelisation und Vorleben“. Doch wer nicht im Stande war, seinem
Nachbarn das Evangelium in einer guten Art zu erklären, war wohl oder übel disqualifiziert. Diesen
Mangel haben heute die meisten erkannt und viele haben begonnen ihre Leute für persönliche
Evangelisation zu schulen. Was früher die Pionierkurse und die Zeugenkurse zum Ziel hatten, sind
heute EE-Kurse, Workshop Evangelisation und Mitarbeiterschulungen für Alphalive Kurse und LiFeSeminare, welche heute aber in den Gemeinden intern und nicht auf Bewegungsebene durchgeführt
werden.
Gemeindegründungen gab es in den letzten 15 Jahren fast keine. Der Grund könnte darin liegen, dass
man sich in den 90er-Jahren sehr stark mit dem Modell der Zellengemeinde beschäftigte. Dies hatte
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Gründungseifer neu entdeckt
31
die Auswirkung, dass man mehr auf Megagemeinde hin arbeitete, indem man neue Zellen bildet und
diese in die Gemeinde oder einen internen Distrikt eingliedert. Für den Sonntagsgottesdienst fahren
dann alle an den zentralen Versammlungsort, auch wenn dies bei nicht wenigen sehr weite Strecken
sind.
Die Bibelschule Gunten/Emmetten gibt es nicht mehr. Diese Schule wirkte viel Segen für die
Bewegung, doch schien ihre Zeit abgelaufen zu sein. Nach einer Zeit, wo man nichts Eigenes hatte
und man erkannte, dass dies negative Auswirkungen haben würde, schenkte Gott Leiter, welche die
Begabung und das Anliegen hatten, wieder eine eigene Ausbildung anzubieten. Die SPM arbeitet
heute mit einem eigenen, neu entwickelten Ausbildungskonzept. Klar definierte Kooperationen mit
theologischen Ausbildungsstätten werden mit einer internen Pastoralen Ausbildung und einem
Selbststudienplan ergänzt und bieten so eine breite Palette der Ausbildung. Seit 2004 wurde eine
Kurzbibelschule mit einem A-Kurs und einem B-Kurs ins Leben gerufen. Sie bietet eine qualitativ
hoch stehende theologische Grundausbildung, welche vor allem die ehrenamtlichen Mitarbeiter in den
Gemeinden ausrüstet und ihren Dienst auf eine breite theologische Grundlage stellt.
Die Bibelwochen, welche heute in Emmetten durchgeführt werden, haben wegen der
Bewegungsgrösse kaum mehr verbindenden Charakter. Zudem muss gesagt werden, dass die jüngere
Generation nur sehr schlecht an diesen Angeboten teilnimmt.
Die Landeskonferenzen finden nach längerer Pause heute alle drei Jahre statt. Sie haben noch nicht
wieder diesen bewegungseinenden Charakter erlangt, wie dies früher der Fall war, doch die
Bestrebungen in diese Richtung sind da.
Was die Evangelisationsbestrebungen auf Bewegungsebene anbelangen, muss man leider sagen, dass
es hier nichts mehr gibt. Keine Traktate, kein evangelistisches Blättchen, keine
Evangelistenausbildung, die Radio- und Fernseharbeit sind eigenständige Werke, und die gesalbten
„Vollblut Evangelisten“ der Bewegung sind mittlerweile im aktiven Ruhestand. Hier ist ganz sicher
Handlungsbedarf, respektive der Geist Gottes muss neue Ideen schenken und wieder Evangelisten
berufen, welche diesen wichtigen Dienst neu erwecken und vorantreiben.
Die Frage nach Stagnation und Rückschritt drängt sich auf. Ich möchte an dieser Stelle einen
Vergleich mit der internationalen Pfingstbewegung machen.
Pfingstler und Charismatiker weltweit20
Im Ausland, insbesondere in Südamerika, Afrika und Asien ist die Pfingstbewegung eine stark
wachsende, dynamische Gruppe innerhalb der gesamten Christenheit. Im Jahre 2000 waren die Zahlen
etwa wie folgt:
20
Quelle: http://www.bfp.de/index.php?id=104 (3.April 2006)
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Pfingstler 250 Mio.
Katholische Charismatiker 90 Mio.
Protestantische Charismatiker 50 Mio.
Unabhängige Charismatiker 80 Mio.
Gesamt ca. 470 Mio.
► Dies sind ca. 26% der Christenheit weltweit.
In Nordamerika:
In den USA und Kanada ist bereits jeder achte Bürger von der Bewegung erfasst, die 1906 in der
Azusa-Street in Los Angeles begann.
In Südamerika:
Jährlich wächst die evangelikale Bewegung in Lateinamerika um 4.5 Millionen Mitglieder, während
die katholische Kirche ca. 3.7 Millionen Mitglieder jährlich verliert. 80-85% der fast 60 Millionen
Evangelikalen sind Pfingstler.
In West-Europa:
Hier herrscht vergleichsweise das geringstes Wachstum (Nur 1% der Bevölkerung gehören zur
pfingstlich-charismatischen Bewegung). Das grösste Wachstum ist in England, Skandinavien und
Italien (Die Pfingstgemeinden sind mit über 600.000 Mitgliedern u. Anhängern die grösste
protestantische Kirche in Italien.)
In Ost-Europa:
Es gibt weit über 6 Millionen Pfingstler in der ehemaligen UdSSR, starkes Wachstum in Ungarn,
Bulgarien und Rumänien (Die Pfingstgemeinden sind mit 500.000 Mitgliedern die grösste
protestantische Freikirche Rumäniens)
In Asien:
In Süd-Korea befindet sich die größte Gemeinde der Welt mit über 700.000 Mitgliedern. Es gibt ca. 70
Millionen Christen in China mit pfingstlicher Frömmigkeit. Ein starkes Wachstum gibt es in
Indonesien, auf den Philippinen, in Singapur, in Indien etc.
In Afrika:
Es gibt bereits 30-40 Millionen Pfingstler in Afrika. Es herrscht ein starkes Wachstum der
einheimischen Pfingstkirchen.
Andere Kirchen im Vergleich
Baptistischer Weltbund 43 Mio.
Lutherischer Weltbund 60 Mio.
Weltrat der methodistischen Kirchen 70 Mio.
Anglikanische Kirche 75 Mio.
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Reformierter Weltbund 75 Mio.
Weltpfingstkonferenz 250 Mio.
Laut dem Statusbericht21 2005 von Prof. David Barrett und Todd Johnson zählten die Pfingstler und
Charismatiker zusammen etwa 588 Mio. Im Jahre 1970 waren es laut Bericht erst 72 Mio.
(Freitagsfax, 11. März 2005). Dies ergibt in 35 Jahren ein Wachstum von 716%. Die SPM wuchs in
derselben Zeit um 214%. Die Wachstumsrate in den letzten 5 Jahren war global gesehen 11%, die
SPM wuchs in derselben Zeit um 4%. Dies aber vor allem wegen Neuaufnahmen von bestehenden
Gemeinden und nicht direkt durch Neubekehrte.
Dies mag recht erdrückend erscheinen, doch ein positiver Trend ist auch in der SPM wieder
festzustellen!
Die Bewegungsleitung ist sich dieser Situation bewusst und hat bereits verschiedene Weichen gestellt,
um als Bewegung wieder einen kraftvolleren Beitrag an der Missionierung unseres Landes
beizusteuern. Im neuen Leitbild22 der Bewegung steht an erster Stelle, dass sich die SPM und deren
Gemeinden einsetzen wollen, um wieder neue lokale Gemeinden aufzubauen. Dafür wurde eine
Pionierkasse geschaffen, welche die finanziellen Mittel bereitstellen soll, die nötig sind, wenn
Pionierprojekte gestartet werden. Vereinzelt sind Gespräche und Vorstösse im Gange, wo man in neue
Gebiete vorstossen möchte und neue Gemeinden an jene Orte gepflanzt werden sollen.
Die neue Ausbildung der Jung-Pastoren und Laien-Mitarbeiter zeigt einen positiven Trend und bewegt
sich in eine viel versprechende Richtung. Es mangelt zwar immer noch an Nachwuchs von Pastoren
und Gemeindemitarbeitern, doch die Gefässe sind soweit bereit, um neue Leiter auszubilden und in die
Erntearbeit auszusenden.
Im Jahre 2004 konnte auch die gesamte Kinder- und Jugendarbeit der Bewegung in einem eigenen
Verband (youthnet spm) gebündelt werden. Ziel und Auftrag von youthnet sind, eine durchgehende
Ausbildung für junge Menschen anzubieten, welche sie trainiert und zurüstet, um als Berufene einen
fruchtbringenden Dienst in den lokalen Gemeinden und deren Umgebung zu tun. Eine solche
umfassende Ausbildung kann unmöglich die einzelne Gemeinde anbieten. Da braucht es ein grösseres
Netzwerk, welches ihre Ressourcen zusammenlegt. Dies entspricht übrigens auch dem
Grundgedanken zur Gründung der SPM. Alle diese Ausbildungsmodule beinhalten die Komponente
der Evangelisation, etwa wie erreichen wir ein bestimmtes Alters- oder Bevölkerungssegment u.a..
21
Durch Berücksichtigung sowohl säkularer als auch kirchlicher Informationsquellen die vielleicht umfangreichste und
einschlägigste Datensammlung der Welt. Sie wird jeweils im Januar eines Jahres herausgegeben von Prof. David B. Barrett
(Professor für Missiometrics, World Evangelicalisation Research Center in Richmond, USA) und Todd M. Johnson (GordonConwell Theological Seminary in South Hamilton, USA).
22
Leitbild zu finden auf: http://www.pfingstmission.ch/sets/leitbi.html
Samuel Truttmann
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Wie schon erwähnt ist die Bewegungsleitung sehr bemüht, konkrete Schritte zu unternehmen, um die
Visionen und Träume in die Tat umzusetzen. Die G3-Vision des Vorstandes SPM gibt die Richtung
der Zukunft klar an: Wir wollen
1. Geisterfüllte Pastoren
2. Geistgeleitete Gemeinden
3. Geistgewirkte Evangelisation und Mission
Ein offen kommunizierter Traum und ein klares Ziel formulierte der heutige Bewegungsleiter Max
Schläpfer am Young Pastors Seminar im März 2006 in Emmetten: „Ich träume davon, dass sich die
Bewegung in den nächsten zehn Jahren verdoppelt.“ Er gab klar zu verstehen, dass dies nur durch
verstärkte evangelistische Bemühungen, gekoppelt mit Gemeindegründungen umgesetzt werden
könne. „Wir wollen Gemeinden gründen, jedoch nicht um des reinen „Gemeinde-Gründens“ Willen.
Wir wollen nicht einfach einem Boom folgen, sondern wir wollen qualitative und überlebensfähige
Gemeinden gründen!“
Dies sind doch sehr ermutigende Worte, welche einen hoffungsvollen Blick in die Zukunft werfen
lassen. Die momentane Stagnation treibt also an und fordert heraus, sich neu unter die Salbung des
Geistes zu stellen und Schritte zu wagen.
2.3 Analyse mit der heutigen Gründungsliteratur
In diesem Kapitel will ich meine Nachforschungen aus der Geschichte der SPM mit der heutigen
Gründungsliteratur vergleichen. Deckt sich das, was die heutige Literatur als Prinzipien und als
wichtig darlegt, mit der realen Vergangenheit der SPM? Gibt es grosse Unterschiede, oder sind die
Prinzipien in der Literatur die Ausformulierung dessen, was unsere Väter praktizierten?
Ein weiterer Punkt sind die Modelle zur Gemeindegründung. Es gibt verschiedene Ansätze und
Möglichkeiten, wie Gemeinden gegründet werden können. Auch die Kategorisierung ist vielfältig und
unterschiedlich. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle Modelle und Strategien umfassend
zu erläutern. Ich fasse diese hier nur grob zusammen und vergleiche sie anhand der Geschichte und
der Grundzüge der SPM.
Die herangezogenen Literaturaussagen stammen von bekannten Gemeindegründern und
Gemeindegründungsforschern wie Logan, Shenk, Warren, McGavran, Mauerhofer und Co.
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2.3.1 Gründungsprinzipien im Vergleich
Gebet
Das Wichtigste, da sind sich alle einig, ist das Gebet. Es ist die erste Säule im Gesamtplan einer
Gemeindegründung oder gar einer Gründungsbewegung (Garrison 2002: 37) Das Pflegen einer
intensiven Gebetsbeziehung ist die Grundlage überhaupt. Aus dem Gebet werden neue Visionen und
Aufträge geboren. Jesus hat nur getan, was er als den Willen des Vaters aus dem Gebet heraus sah.
Im Gebet bekommen Menschen, Gruppen und ganze Gemeinden eine Sicht für Evangelisation und
Gemeindegründung. „Alle Bewegungen im Namen Gottes fangen immer damit an, dass Gott einzelne
Personen oder kleine Gruppen mit seiner Gnade berührt“ (Shenk, Stutzman 1992: 28). Schliesslich ist
und muss der Heilige Geist die treibende Kraft in all unseren missionarischen Bemühungen sein.
Die Urgemeinde lebte dies vorbildlich vor. So ist in Apg 13 zu lesen: „Als die Gemeinde fastete und
betete, da sprach der Heilige Geist …“. Im Gebet kann der Heilige Geist der Gemeinde seine
Absichten und seine Berufung offenbaren (Shenk, Stutzman 1992: 30). Durch das Gebet wird der
Auftrag klar, die nötigen Arbeiter sind gefunden, die Gläubigen bekommen Mut und der Glaube in die
Möglichkeiten Gottes wächst.
Das Gebet soll aber mit dem Beginn der Aktion nicht aufhören, sondern intensiviert und
dementsprechend konkretisiert werden. Durch die Macht des Gebetes werden finstere Mächte
entmachtet und die Kraft Gottes manifestiert sich in Wunder und Zeichen.
Die Geschichte der SPM bestätigt dieses Prinzip eindeutig. Wann immer sich neuer Aufbruch und
Aufschwung anbahnte, ging ein Aufruf zum Gebet und zum Hören auf die Stimme des Herrn voraus.
Die Gemeinden und die Pastoren und Leiter in der Bewegung widmeten sich dem Gebet und suchten
die Führung des Heiligen Geistes. Nicht selten geschah es, dass in Gebetszeiten die prophetischen
Gaben zum Zuge kamen und so neue Impulse des Geistes offenbar wurden.
Vision
Gemeindegründung ist laut Literatur nur dann erfolgreich, wenn eine klare Vision der Liebe Gottes für
die verlorenen Menschen vorhanden ist. Diese Vision eröffnet neue Horizonte des Dienstes und der
Evangelisation. Verschiedene Untersuchungen bestätigen die These und belegen, dass eine klare
Vision grundlegend für eine Gemeindegründung ist (Bucher, Risch, Blaser, Hänni-Lung 2004: 62).
Die Vision Gottes umreisst im weiteren ein konkretes Bild dessen, was Gott tun möchte. Die erste
Gemeinde auf europäischem Boden wurde ins Leben gerufen aufgrund einer konkreten Vision, in
welcher der Apostel Paulus einen Mann sah, der ihm zurief: „Komm herüber nach Mazedonien und
hilf uns“ (Shenk, Stutzman 1992: 55). Es geht also bei der Vision um das klare Hören und Sehen der
Führung Gottes. Anschliessend kommt der Schritt des Gehorsams, wo die Dinge in die Wege geleitet
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werden. Dieser Schritt ist immer mit Glauben verbunden. Diese Glaubensschritte sind aber sehr
zentral, denn ohne sie bleibt es bei den Träumen und Visionen.
Auch dieses Prinzip finden wir eindeutig in der Geschichte der SPM. Es waren klare Visionen geteilt
und bestätigt von einer Gruppe von Menschen. Diesen Visionen folgten konkrete Glaubenschritte und
so wurden Zelte angeschafft, Pioniere ausgebildet, Radiosendungen und Fernsehsendungen produziert
und, was für meine Arbeit von grösstem Interesse ist, Gemeinden gepflanzt.
Strategie
Unumgänglich für die Gemeindegründung ist eine klar definierte Strategie. Schon der Vorsatz zur
Gemeindegründung ist ein nicht unwichtiger Teil der Strategie (Garrison 2002: 38). Diese muss nicht
zwingend schriftlich dargelegt sein, doch ist es ratsam, einzelne Komponenten der Strategie in
schriftlicher Form zu erarbeiten. Zu diesen Komponenten gehören demografische und geografische
Studien, ein möglicher Zeitplan, die Methode, die Art der Gemeinde, Zielgruppenausrichtung und
mehr.
Die Bestimmung der Kategorie und der Methode der Gemeindegründung gibt in gewisser Weise
schon eine Strategie vor. Beispielsweise kann man mit dem Mutter-Tochtergemeinde-Modell arbeiten
oder man sendet ein Gründungsteam in eine weit entfernte noch unerreichte Gegend. Die Strategie
muss in beiden Fällen sorgfältig durchdacht werden, um ein möglichst fruchtbringendes Ergebnis zu
erzielen.
In den Dokumenten im Archiv des Generalsekretariates der SPM fand ich keine klar formulierten
Strategien, um Gemeinden zu gründen. Dies bestätigte auch das Gespräch mit Pastor Herrmann
Müller. Doch wenn man das grosse Bild betrachtet, war sehr wohl eine Strategie vorhanden. Die
starken Bemühungen in der Evangelisation führten zu strategischen Weichenstellungen. Die Zeltarbeit
hatte ein klares Konzept. Daraus ergaben sich Schulungen für Laienmitarbeiter, Produktion von
Traktaten und Zeitschriften, Suche nach neuen Standorten und nicht zuletzt die Etablierung einer
Gemeinde am Standort des Evangelisationszeltes oder der Evangelisationsveranstaltung23.
Gründer und Team
Eine wichtige und zentrale Figur in jeder Gemeindegründung ist der „leitende Gemeindegründer“.
Diese Person sollte ein reifer Christ sein. Die Untersuchung Gemeindegründung im Focus (2004: 141)
hat ergeben, „dass die meisten Gemeindegründer in der Regel reife Christen sind, die in ihrer
Persönlichkeitsstruktur eine initiative Ausprägung aufweisen“. Auch einem Gründer, welcher noch
jung im Glauben ist, kann ein durchaus guter Start gelingen, doch eine Gemeindegründung sollte über
23
Beispielsweise in einem Saal eines Restaurants.
Samuel Truttmann
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Jahre hinweg gesund und ausgewogen geprägt werden können. Dazu ist jemand nötig, der reif ist im
Glauben und von einem erfahrenen geistlichen Mentor („Gründervater“) angeleitet und begleitet wird.
Ein Gründer sollte nicht alleine ans Werk gehen. In der Regel sind Gemeindegründungen dann
erfolgreich, wenn sie durch Teamarbeit geschehen. Im NT ist deutlich zu sehen, dass Mission und
Gemeindegründungsarbeit nicht Einzelkämpfertum war, sondern Teamwork. Die Teams erlebten
zeitweise einen fliegenden Wechsel und auch temporäre Unterstützung durch Begabte
Glaubensgeschwister, welche für eine bestimmte Zeit an jenem Ort mithalfen und dann wieder weiter
zogen.
Das Team hat bestechende Vorzüge. Es ist in gewisser Weise schon eine kleine Gemeinde für sich
selber und kann das christliche Leben und den Umgang untereinander vorleben. Die Verantwortungen
können verteilt werden und die Begabungen sind in einem vielfältigen Masse vorhanden. Ein Team
kann beispielsweise um die Geistesgaben herum aufgebaut werden (Shenk/Stutzman: 40-50). Zudem
ist die gegenseitige Unterstützung gerade auch im geistlichen Kampf sehr wertvoll und die Spannkraft
für Herausforderungen ist stabiler und stärker.
Die Geschichte der SPM zeigt auch hier keine klaren und eindeutigen Strukturen, doch das Prinzip des
Gründers und des Teams ist zu erkennen. Einerseits sind es Gemeindeleiter, welche Tochtergemeinden
gründeten und zwar mit der Unterstützung aus ihren eigenen Gemeinden heraus und andererseits
Evangelisten und Pioniere, welche durch die Zeltarbeit neue Gemeinden pflanzten. Die
verantwortlichen Leiter der Zeltarbeit waren eine Art die Gemeindegründer, während die Zeltpioniere
die Teamarbeiter waren und halfen, die Neubekehrten in neuen Gemeinden zu sammeln und zu
Nachfolgern Jesu zu machen.
Evangelisation und Jüngerschaft
Es scheint fast überflüssig, das Prinzip der Evangelisation zu erwähnen, da es eigentlich logisch ist.
Doch leider setzen wir nicht alles, was wir wissen, in die Tat um. Eine erfolgreiche und nachhaltige
Gemeindegründung basiert auf der Verkündigung des Evangeliums mit der Folge, dass Menschen neu
zum Glauben an Jesus Christus kommen. Diese Menschen sind nun nicht einfach Christen. Vielmehr
gehört zur Evangelisation, dass diese Menschen Nachfolger (Jünger) Jesu werden. Diesen
Jüngerschaftsprozess erleben sie in der Gemeinde, in welche sie geistlich hineingeboren werden.
Daraus soll ein Kreislauf entstehen. Die Jünger Jesu machen wiederum andere Menschen zu Jüngern,
die ihrerseits dasselbe wieder tun. Wenn dieser Kreislauf Fuss fasst, erlebt eine Gemeinde ein
erstaunliches Wachstum (Shenk/Stutzman 1992: 156).
Ziel der Gemeindegründung ist nicht das Sammeln von heimatlosen Christen und solchen, welche
lieber eine andere Gemeinde besuchen wollen. Neue Gemeinden entwickeln sich dann gesund und
über Jahre, wenn sie sich dem Auftrag der Evangelisation verpflichtet wissen.
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Wenn Gemeinde-Bewegungen das Evangelium reichlich säen, werden sie auch reichlich ernten. Das
umgekehrte ist ebenso der Fall, so Garrison (2002: 37). Wenn aus welchen Gründen auch immer die
Verkündigung des Evangeliums schwach wird oder ist, dann endet die Gründungsbewegung.
Die Anfänge der SPM waren gezeichnet von Evangelisation und der gelebten Absicht, Menschen zu
Jüngern zu machen. Die logische Folge war, dass neue Gemeinden benötigt wurden und dadurch auch
entstanden sind. Die Art der Evangelisation hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob Gemeinden
gegründet werden oder nicht. In den starken Jahren der Zeltevangelisationen entstanden neue
Gemeinden. Die Zeltarbeit war eine Art Inlandmission. Man ging an Orte, wo noch keine Gemeinde
war, zumindest keine Pfingstgemeinde. Als die Evangelisations-Methoden mehr zu Freundschaftsund Stadtevangelisationen wechselten, kamen immer noch viele Menschen zum Glauben, diese aber
wurden in die bestehenden ansässigen Gemeinden integriert.
In den späten 90-er Jahren bis heute verlor die Evangelisation in den SPM-Gemeinden an konstanter
Umsetzung und meiner Meinung nach auch an Priorität. Man war und ist vielerorts stark mit der
Konzeption der Gemeindestrukturen beschäftigt und investiert(e) viel Kraft und Energie in diese
Prozesse. Die Zahlen zeigen einen deutlichen Einbruch (siehe Pt. 2.2.3).
Zeichen und Wunder
Speziell Wimber und Wagner sprechen von der unübersehbaren Wirkung von Zeichen und Wunder im
Zusammenhang mit Gemeindewachstum. Wenn Kranke geheilt werden und Gebundene auf einen
Schlag frei werden, dann geschieht, was uns die Bibel verheisst. Die frohe Botschaft wird durch
nachfolgende Zeichen und Wunder bestätigt und unterstützt.
Der Dienst von Jesus und derjenige der Apostel wurde begleitet von Zeichen und Wundern. Es war
sozusagen die Normalität. Wagner bezeichnet dies als: „übernatürlich beglaubigte Evangelisation“
(1989: 59). Der Mensch kommt oft zum Glauben, weil er nicht nur hört, sondern weil er auch erlebt
und sieht, was das Evangelium bewirkt.
Die ersten 30 Jahre der SPM waren stark begleitet von Zeichen und Wunder – nicht zuletzt auch durch
den Dienst von bevollmächtigten Frauen und Männern wie die norwegischen Glaubensschwestern
Telle und Gregersen, Wigglesworth und anderen. Gespräche mit älteren Geschwistern bestätigen, dass
auch in den fünfziger bis siebziger Jahren Krankenheilungen und andere Wunder keine Seltenheit
waren. Heute ist die Komponente der Wunder und Zeichen in der SPM leider sehr verkümmert und
bedarf einer Neubelebung.
Komponente Heiliger Geist/Geistestaufe
McGavran (1990: 177) schreibt: „Die Rolle des Heiligen Geistes ist im Gemeindeaufbau von höchster
Bedeutung. Gott baut Gemeinde, nicht Menschen. Jesus sagte, „ich will meine Gemeinde bauen“
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(siehe Mt 16,18). Paulus pflanzte, Apollos bewässerte, aber Gott schenkte das Gedeihen (1. Kor
3,16).“ Immer wieder werden wir von der souveränen Kraft des Heiligen Geistes überrascht, wenn
wir bereit sind, ihm Raum zu geben. Gemeindegründungsbewegungen wie auch Mega- und MetaGemeinden24, die ein rasantes Wachstum verzeichnen, sind fast ausschliesslich Pfingst- oder
charismatische Bewegungen und Gemeinden. Das heisst, der Heilige Geist hat in der Lehre und dem
Wirken einen wichtigen Stellenwert. Es gehen zwar nicht alle Autoren im besonderen auf die Person
und das Wirken des Heiligen Geistes ein, alle aber betonen in irgendeiner Form dessen Wichtigkeit.
Die Erfüllung des einzelnen Christen mit dem Heiligen Geist hatte in der Geschichte der SPM immer
wieder einen besonderen Stellenwert eingenommen. Dies ist nicht sehr erstaunlich, denn die gesamte
Pfingstbewegung ist letztlich durch ihre markante Lehre von der Geistestaufe charakterisiert. Es ist ein
klarer Zusammenhang zwischen den starken Wachstumsjahren der SPM und der Betonung der Taufe
im Heiligen Geist zu sehen. Aus meinen Untersuchungen heraus wage ich zu behaupten, dass der
Rückwärtstrend der Gründungen und des Wachstums stark damit zusammenhängt, dass die Betonung
und die Praxis der Taufe im Heiligen Geist im selben Mass abnahm. Wie unter Punkt 2.2.5 erwähnt,
hat die Bewegungsleitung in dieser Richtung jedoch wieder klare Absichten bekundet.
Ressourcen
Unter diesen Punkt gehören Gebäude, Einrichtungen und Finanzen. In der Literatur sind sich die
Autoren einig, dass die Ressourcen bloss unterstützenden Charakter haben und keineswegs
massgebende Voraussetzungen sind, um Gemeinden gründen zu können.
Ein Gebäude ist nie die Gemeinde. Es sind die Menschen, welche sich im Namen Jesu Christi
versammeln, die die Gemeinde bilden. Im Neuen Testament wählten die Christen viele verschiedene
Orte aus, an denen sie sich versammelten. Dies geschah im Tempel, in den Häusern in den Synagogen
oder auch im Freien (Shenk/Stutzmann 1992: 186). Der Kauf eines Gebäudes darf beispielsweise nicht
die Aufmerksamkeit und die Finanzen der Gläubigen so fest einnehmen, dass es zum Hauptthema der
Gemeinde wird.
Die Finanzen sind so einzusetzen, dass sie dem Auftrag Gottes am besten dienen. Paulus kannte
zweierlei: Von der Gemeinde bezahlt (versorgt) zu werden und selber für seinen Lebensunterhalt zu
sorgen. Ob Mitarbeiter angestellt werden, Gebäude gekauft oder gemietet werden, farbige Handzettel
gedruckt und in den Medien geworben wird etc.: Es geht stets darum, die zur Verfügung stehenden
Mittel so einzusetzen, dass sie den Auftrag unterstützen. Wenig Mittel heisst nicht zwangsläufig
weniger Ernte!
24
Mega-Gemeinden sind Gemeinden mit mehreren Tausend Mitgliedern und Meta-Gemeinden sind Gemeinden mit mehreren
Zehntausend Mitgliedern. (siehe Wagner 1989: 63)
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Wie es scheint, hat die SPM diesen Punkt gut verstanden und unter der Führung des Geistes immer
wieder Glaubensprojekte angepackt, welche zum Segen wurden, sei es die Anschaffung von Zelten
oder technischen Einrichtungen, die Produktion von Massenmedien, die Schaffung der Zentralstelle
oder der Bau der Heimstätte SPM (heute Hotel Seeblick). Es gab trotzdem auch schmerzliche
Erfahrungen wie beispielsweise die Angelegenheit der CMP25. Der Umgang mit den Ressourcen war
aber grundsätzlich zum Segen und zur Multiplikation der Bewegung und somit auch Vergrösserung
des Reiches Gottes.
2.3.2 Gemeindegründungsmodelle im Vergleich
Die Gemeindegründungsliteratur unterscheidet zwei Kategorien von Gemeindegründungen. Einerseits
existiert die Variante, dass eine lokale Gemeinde eine neue Gemeinde ins Leben ruft, andererseits gibt
es die Variante einer Neugründung unabhängig von einer lokalen Gemeinde. Diese Kategorisierung
deckt sich mit den zwei Modellen, welche im Neuen Testament zu finden sind (Timmis 2000: 38).
Peter Wagner (1990) bringt in seinem Buch Gemeindegründung die Zukunft der Kirche zwölf
verschiedene Varianten26 von Gemeindegründungen in den oben erwähnten zwei Kategorien. Ich will
diese hier kurz zusammenfassen und erläutern.
Die ersten vier Möglichkeiten gehen davon aus, dass eine Muttergemeinde neue Tochtergemeinden
hervorbringt, welche schlussendlich unabhängige und selbständige Gemeinden sind (: 71).
1. Aussendung
Es werden ganz einfach Mitglieder der Gemeinde aufgefordert, zusammen einen Gründungskreis zu
bilden und unter der Leitung eines Gemeindegründers hinauszugehen, um eine neue Gemeinde zu
pflanzen. Diese Gemeinde befindet sich normalerweise im gleichen Gebiet wie die Muttergemeinde.
Die Gründungsmitglieder müssen also nicht unbedingt ihren Wohnort wechseln. (:71)
Diese Variante der Gemeindegründung ist ganz sicher eine geeignete Möglichkeit, wie SPMGemeinden neue Gemeinden gründen können. Gerade der Umstand, dass die meisten Gemeinden mit
Hauszellen und Kleingruppen arbeiten, ist eine gute Voraussetzung, um beispielsweise am Wohnort
einer oder mehreren Hauszellen eine Gemeindepflanzung zu starten. Dies ist in der Vergangenheit
auch einige Male so geschehen.
25
CMP= Christliche Medienproduktion. Wegen dem starken anstieg des Dollars schnellten die Kosten der TV Ausrüstung in
die Höhe. Die Fernseharbeit gestartet durch die SPM, mündete später in das heutige Fenster zum Sonntag (Alphavision).
26
Wagner bemerkt, dass es weit mehr als diese 12 Varianten gibt, diese habe er so zusammengestellt weil sie erprobt sind und
sich soweit als erfolgreich herausgestellt haben. Er bezeichnet diese Möglichkeiten als „zwölf gute Wege“ neue Gemeinden zu
gründen.
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2. Koloniebildung
Dies ist eine radikalere Variante der Aussendung. Die Mitglieder des Gründungskerns erbringen das
Opfer eines Wechsels von Wohnort, Arbeitsstellen und Schulen. Die neue Gemeinde liegt also in einer
anderen Gegend als die Muttergemeinde. (: 73)
Auch diese Variante ist durchwegs praktikabel für Gemeinden in der SPM. Sie erfordert mehr Opfer
und braucht meines Erachtens intensivere Planung und Betreuung seitens eines Gründungspastors.
Doch grosse Gemeinden wie Zürich oder Bern haben auch einzelne Hauszellen, die sich sehr weit weg
vom Standort ihrer Gemeinde befinden. Hier wäre es wiederum mit weniger Aufwand verbunden
(Umzug, neue Arbeitsstellen, etc.), um an jenem Ort eine neue Gemeinde ins Leben zu rufen.
3. Adoption
Eine Gruppe von Christen gründet völlig unabhängig an einem Ort eine neue Gemeinde. Diese
kommen in Kontakt mit einer bereits bestehenden etablierten Gemeinde und bekommen von dieser
wie von einer Muttergemeinde volle Unterstützung. (: 74)
Dies ist eine Variante, welche nicht geplant werden kann, es geschieht einfach. Die
Gemeindegründung, welche ich persönlich betreue, würde ich am ehesten dieser Variante zuordnen.
Es kann sein, dass sich diese Gemeinden früher oder später der SPM anschliessen, was sicher schön
und wünschenswert wäre, doch es darf nicht das Hauptziel sein. Es geht nicht darum, bloss eine
Gemeinde mehr in der Bewegung zu haben. In erster Linie zählt der Auftrag, gesunde lokale
Gemeinden zu gründen, welche die Menschen nach biblischem Vorbild zu Nachfolgern Jesu machen,
mit allem was dazugehört.
4. Ungeplante Elternschaft
Im gemeindlichen Leben kann es passieren, dass sich aus diversen Gründen wie theologische
Streitigkeiten, persönliche Konflikte, Unstimmigkeiten unter der Leiterschaft oder Uneinigkeit über
die Prioritäten, eine Gruppe abspaltet und eine neue Gemeinde startet. „Was soll man dazu sagen?“ so
Wagner (: 76) und gibt zu bedenken, dass sich Gott Gemeindegründung sicher nicht so gedacht hatte.
Wagner meint aber, dass Gott, nachdem sich der aufgewirbelte Staub etwas gelegt hat, beide aus
dieser Spaltung hervorgegangenen Gemeinden segnen und sie als Teil des Leibes Christi akzeptieren
kann.
Dies ist wie Wagner sagt sicher nicht eine Gemeindegründungs-Variante, die man aktiv unterstützen
will – ganz im Gegenteil. Leider geschieht diese schmerzliche „ungeplante Elternschaft“, wie Wagner
es nennt, immer wieder und auch die SPM kennt solche Beispiele. Die Praxis zeigt, dass aus diversen
Gründen jeweils nur eine Seite der Spaltung in der Bewegung bleibt oder bleiben kann. Im
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Dienstversprechen der SPM verspricht jeder, dass er/sie keine spalterischen Machenschaften
unterstützt und fördert. Dies ist ein klares Statement dazu, dass die SPM Gemeindespaltungen
verhindern möchte und im Falle von Uneinigkeiten rechtzeitig andere Lösungswege unternehmen will.
5. Satelliten-Modell
Während die ersten vier Varianten darin münden, dass selbständige unabhängige Gemeinden
entstehen, ist das Satelliten-Modell vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die neuen Gemeinden, die
sogenannten Satelliten oder auch Ableger, nur in eingeschränktem Masse autonom sind. Sie haben
weiterhin eine organisatorische Beziehung zu ihrer Muttergemeinde (: 77). Dieses Modell wird vor
allem in Grossstädten angewandt. Die Muttergemeinde möchte möglichst die ganze Stadt mit dem
Evangelium erreichen und gründet daher in den verschiedenen Stadtteilen Satelliten-Gemeinden. So
kann eine Mutter-Gemeinde über mehrere tausend Mitglieder anwachsen, welche in mehreren
Gottesdiensten und Lokalen über die Stadt verteilt zusammenkommen und Gemeinde leben.
Diese Variante ist wiederum eine sehr gute Möglichkeit gerade für grosse SPM-Gemeinden, welche in
den Grossstädten der Schweiz angesiedelt sind. Zum jetzigen Zeitpunkt arbeitet keine SPM-Gemeinde
mit Satelliten, doch es wäre aus meiner Sicht eine sehr effiziente Möglichkeit, gerade auch dann, wenn
sich eine Gemeinde raummässig nicht weiter vergrössern kann. In den ersten fünfzig Jahren der
Bewegung war das Satelliten-Modell in einem gewissen Sinn die Haupt-Methode, um neue
Gemeinden zu gründen. Die verschiedenen Versammlungsplätze, welche von einer Gemeinde aus
betrieben wurden, sollten aber nach Möglichkeit später zu selbständigen Gemeinden werden. Die
Satelliten waren zudem oft weit über die Stadt und Ortsgrenzen hinaus stationiert.
6. Multi-Gemeinden
Diese Variante ist ein Gemeindetyp, welcher mehrere unterschiedliche ethnische Gruppen beherbergt.
In einer Stadt, in der mehrere Minderheiten nebeneinander leben, können solche Gemeinden bei guter
Organisation sehr effektiv arbeiten. Diese Gemeinden stellen einfach ihre Räumlichkeiten bestimmten
Volksgruppen zur Verfügung, wobei diese innerhalb dieses Rahmens ihre Unabhängigkeit behalten.
Es kann sogar soweit gehen, dass bis in den Bereich der Verwaltung zusammengearbeitet wird (: 79).
Das Christliche Zentrum Buchegg in Zürich ist eine der SPM-Gemeinden, welche mehrere ethnische
Gruppen unter einem Dach beherbergt. Diese verschiedenen Gruppen sind aber nur in beschränktem
Mass eigene Gemeinden. Sie sind mehr eigene Abteilungen27 mit eigenen Veranstaltungen und
Schulungen, doch nach dem gleichen Konzept wie die Hauptgemeinde. Innerhalb der Bewegung
verstehen sie sich als eine Gesamtgemeinde. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass die SPM in
27
Beispielesweise hat das Christliche Zentrum Buchegg (CZB) in Zürich eine sehr grosse Latino-Abteilung.
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Zukunft nach dem Multi-Gemeinde-Modell neue fremdsprachige Gemeinden gründet, welche
eigenständig sind, jedoch die gleiche Infrastruktur benützen wie beispielsweise die deutschsprachige
Gemeinde. Dies hätte nebenbei auch positive Aspekte punkto Ausländerintegration.
7. Gemeinde mit mehreren Versammlungsorten
Diese Gemeinde hat mehrere Versammlungsstandorte, welche sie gleichzeitig betreibt. Diese
Versammlungsorte befinden sich innerhalb eines Ortes oder eines grösseren Stadtteils. In gewissen
Situationen kommt es dazu, dass einer dieser Standorte selbständig wird (: 80). Das heisst, dieser
Standort setzt seine Arbeit mit einem eigenen Pastor und Leitungsteam unabhängig weiter und
entwickelt sich gemäss seiner eigenen Gemeinde-Vision und Philosophie.
DieseVariante kann erfolgreich sein, sollte aber aus meiner Sicht nicht als gängige Strategie etabliert
werden. Die Gefahr, vordergründig als selbständige Gemeinde dazustehen, scheint mir sehr hoch.
Neue Gemeinden müssen aber vor allem vom evangelistisch-missionarischen Drive her geprägt sein.
Dann wachsen sie und kommen selber wieder zum Punkt, von dem aus sie wiederum neue Gemeinden
pflanzen.
Diese bereits erwähnten Gemeindegründungsvarianten zählt Wagner zu denjenigen, welche durch eine
Ortsgemeinde ins Leben gerufen werden. Er nennt diese Kategorie die Modalitätsmodelle. Die
nachfolgenden fünf Varianten zählt Wagner zur Kategorie der Neugründungen unabhängig einer
Ortsgemeinde. Er nennt diese Kategorie Solidaritätsmodelle. (: 81)
8. Das Missionsteam
Ein Gemeindeverband oder eine Missionsgesellschaft stellt ein Team zusammen und sendet sie in ein
Gebiet aus, um dort eine neue Gemeinde zu gründen. Dieses Team wird so zusammengestellt, dass
eine möglichst grosse Gabenvielfalt vorhanden ist (: 81). David Shenk und Ervin Stutzman sprechen
davon, dass ein solches Team in gewisser Weise in sich selbst schon eine kleine Gemeinde bildet
(1992: 40).
Hier kommen wir zu dem Punkt, an dem die Strategie und die Umsetzung nicht mehr auf Gemeindesondern auf Bewegungsebene ablaufen28. Diese Methode ist durchaus eine gute Variante, welche auch
die SPM etablieren und praktizieren könnte. Ich sehe jedoch zwei herausfordernde und nicht
unwesentliche Punkte. Zum einen ist es nicht so einfach, auf Bewegungsebene ein Team von etwa 4-8
Leuten im vornherein zusammenzustellen, um diese dann mit dem Auftrag eine Gemeinde zu gründen,
an einen bestimmten Ort auszusenden. Zum anderen wird die Finanzierung oder das Finden von
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Arbeitsstellen für das Team eine sehr grosse Hürde darstellen. Ich denke dieser Variante sind andere
vorzuziehen.
9. Der katalytische Gemeindegründer
Darunter ist ein von Gott begabter Mensch zu verstehen, welcher als Katalysator für die
Gemeindegründung wirkt. Die Aufgabe des katalytischen Gemeindegründers besteht darin, in neue
Gebiete zu gehen, um dort eine Kerngruppe einer neuen Gemeinde aufzubauen. Nach diesem Start
zieht der Gründer weiter und überträgt die weitere Gemeindeaufbauarbeit den Menschen vor Ort. Er
zieht weiter, um an einem anderen Ort nach demselben Muster eine weitere Gemeinde ins Leben zu
rufen. Für Peter Wagner ist der Apostel Paulus das biblische Beispiel eines katalytischen
Gemeindegründers. Weiter fügt Wagner an, dass diese Gemeindegründer vor allem dann sehr wertvoll
sind, wenn sie mit einer denominationellen Gemeindegründungsorganisation zusammenarbeiten
(1990: 82).
Diese Variante finden wir ansatzweise in der Geschichte der SPM. In den Jahren vor 1960 hatte die
SPM einige solcher katalytischen Gemeindegründer, welche mehrere Gemeinden ins Leben gerufen
haben, die auch heute noch existieren. Der Zeitrahmen war meist nicht so kurz, wie dies der Apostel
Paulus erlebte. Während Paulus vielerorts nach einigen Wochen oder Monaten schon wieder
weiterzog, dauerte die Gründungsphase bei den SPM-Gründern mehrere Jahre. Auch nach 1960 hatte
die SPM ein bis zwei solcher Pioniere. Sie arbeiteten vor allem mit dem Werkzeug Zeltarbeit. Ich
glaube fest, dass Gott neu wieder solche Gründer beruft und in den Dienst der SPM stellen wird. Dazu
sind aber auf Bewegungsebene erneut Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese
Pioniere ihren Dienst tun können.
10. Der Gründungs-Pastor
Der Gründungs-Pastor wird von einer Denomination oder einem Werk nicht nur ausgesandt, um eine
Kerngruppe zu bilden, sondern leitet und baut diese neu gegründete Gemeinde als Pastor für eine
unbestimmte Zeit auf (: 83). Der Gründungs-Pastor kann dabei vollzeitlich von der Organisation
bezahlt und ausgesendet sein. In den meisten Fällen ist er aber als sogenannter „Zeltmacher“
unterwegs und arbeitet teilzeitlich in der Wirtschaft und zum anderen Teil in der
Gemeindegründungsarbeit (: 84).
Dieses Model ist wahrscheinlich die am häufigsten praktizierte Methode unter den
Solidaritätsmodellen. Meiner Meinung nach wäre sie für die SPM eine sehr passende Variante. Wie
schon oben erwähnt bräuchte es dazu einfach noch einige Strukturen, welche auf Bewegungsebene
28
Nur ganz wenige Gemeinden in der Schweiz wären im Stande aus eigener Kraft solche Missionsteams auszusenden.
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geschaffen werden müssten. Armin Mauerhofer hat dazu ein geniales Konzept innerhalb des Bundes
FEG aufgebaut – dazu aber weiter unten mehr.
11. Der unabhängige Gemeindegründer
Diese Gemeindegründer ziehen unabhängig einer Denomination oder eines Werkes los, um eine
Gemeinde zu gründen. „Im strengen Sinne dieses Begriffs ist dies kein Solidaritätsmodell, abgesehen
davon, dass diese Gemeindegründer selbst eine Art von Solidarität darstellen“ (: 85). Diese
Gemeindegründer unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise ansonsten aber nur unwesentlich von
den anderen elf Modellen, so dass sich ein weiterer Kommentar erübrigt.
12. Der apostolische Gemeindegründer
Vor allem innerhalb der charismatischen Bewegung hat sich diese neuere Methode der
Gemeindegründung etabliert. Im Glauben, dass alle neutestamentlichen Gaben, einschliesslich der
Gabe des Apostels, noch heute vorhanden sind, verrichten die als Apostel anerkannten Leiter ihren
Dienst in derselben Autorität wie dies damals der Apostel Paulus tat. Die Gemeindegründer stammen
aus der Gemeindebasis und werden in ihrer Berufung zum vollzeitlichen Dienst durch den Apostel
bestätigt und dann auch von ihm ausgebildet, ordiniert und ausgesendet, um neue Gemeinden zu
gründen. Es handelt sich dabei nicht um Satelliten-Gemeinden, sondern um unabhängige, selbständige
Gemeinden. Die Gemeinden sind nicht in einer rechtlichen Organisation zusammengeschlossen, wie
beispielsweise eine Denomination, doch der Pastor und die neue Gemeinde bleiben unter der Autorität
des Apostels. Wagner (: 86) schreibt: „Diese Gruppierungen lehnen das Konzept von Denominationen
ab, weil sie diese als bürokratisch und rechtlich (nicht geistlich) bindende Organisationen ansehen.“
Darum werden Begriffe wie „apostolisches Netzwerk“ oder „Bewegung“ dem der „Denomination“
vorgezogen. Die soziologische Funktion eines solchen Netzwerkes ist aber jener aus dem
Denominationsmodell ähnlich (:86).
Eine Bewegung wie die SPM wird anstelle dieses Modells die Varianten 9 und 10 umsetzen. Diese
sind eigentlich diesem apostolischen Gemeindegründer-Modell sehr ähnlich. Lediglich die Ausbildung
und Integration der neuen Gemeinden wird Sache der Bewegung/Denomination sein. Diese wird den
apostolischen Gründer mit grosser Wahrscheinlichkeit überleben und die fruchtbare Arbeit wird
unabhängig der Gründerpersönlichkeit weitergehen.
Das Hausgemeinde-Modell
Nicht zu vergessen ist das Hausgemeinde-Modell. In jüngerer Zeit wurde rund um den Globus viel
über die Methode von Hausgemeinden und dem Gründen von Hausgemeinden geschrieben, diskutiert
und praktiziert. Innerhalb des Hausgemeinde-Modells gibt es wieder verschiedenste Varianten und
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Formen. Bei uns in der Schweiz stellt man sich darunter vor allem Hausgemeinden in der Grösse von
8-25 Personen vor, welche sich in den Häusern treffen. Vorteilhaft ist, wenn sie nicht alleine, sondern
mit anderen Hausgemeinden in einem so genannten Hausgemeinde-Netzwerk vernetzt sind.
In dieser Arbeit kann ich aber nicht vertiefter auf das Hausgemeinde-Modell eingehen, weil diesem
ein anderes Gemeindeverständnis zu Grunde liegt, als dies die SPM und andere traditionelle
Gemeindeverbände vertreten. Die Diskussionen und die theologischen Argumentationen dazu sind
breit und umfangreich. Diese Arbeit zielt jedoch auf eine praktische Umsetzung, welche vor allem mit
und für die SPM kompatibel ist. Daher bleibt es hier bei dieser kurzen Erwähnung des HausgemeindeModells.
Die Kommentare zu den einzelnen Varianten von Gemeindegründung habe ich der Einfachheit halber
bewusst unmittelbar nach deren Erläuterung gemacht. Abschliessend möchte ich dazu noch einige
Bemerkungen machen.
Wie zu Beginn des Punktes 2.3.2 eingeführt kann man alle diese Gründungs-Möglichkeiten in zwei
Kategorien einteilen. In den jeweiligen Kategorien sind verschiedene Varianten, von welchen eine
gute Anzahl für die SPM kompatibel und umsetzbar sind. Als Endergebnis stellen sich für mich
prinzipiell zwei Aufträge, welche auch biblisch begründet sind:
1. Gemeinden haben den Auftrag Gemeinden zu gründen.
2. Bewegungen haben den Auftrag Gemeinden zu gründen.
Das heisst ganz konkret, dass die Bewegung der SPM ihre Verantwortung für Gemeindegründung in
zweifacher Weise wahrnehmen muss. Zum einen sind die Pastoren und Gemeinden so zu lehren und
zu motivieren, dass sie selber das Mandat der Evangelisation mit Gemeindegründung erkennen und
umsetzen. Zum anderen hat die Bewegung ein Mandat inlandmissionarisch in Gebiete vorzudringen,
um dort das Evangelium zu verkünden und neue Gemeinden zu pflanzen, wo dies für einzelne
Gemeinden nicht möglich ist. Hierzu sei kurz die Gemeindegründungsstrategie der FEG von Dr.
Armin Mauerhofer als erfolgreiches Konzept erläutert.
Mauerhofer geht davon aus, dass jede gesunde Gemeinde nach neutestamentlichem Vorbild selber
wieder Gemeinden gründet.29 Dies ist für ihn einer der biblischen Basisaufträge jeder Gemeinde. Als
Bund FEG sollten aber auch Gemeinden in unerreichten Gebieten der Schweiz gepflanzt werden.
Daher wurde 1977 die FEG Inlandmission gegründet mit der Strategie, Gemeindegründer auszubilden
und auszusenden. Innerhalb von zehn Jahren soll jedes Jahr eine neue Gemeinde gegründet werden,
29
Die Ausführungen sind aus dem Gespräch vom 5. Dez. 2005 mit Dr. Armin Mauerhofer zusammengefasst.
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welche komplett eigenständig und selbstfinanzierend läuft. Zu Beginn ist der Gründer zu 100% zu
finanzieren, wobei diese Finanzierung mit den Jahren abnimmt.
Die FEG Inlandmission hat hierzu Richtlinien und ein klar umrissenes Konzept ausgearbeitet. Sehr
interessant sind die Kriterien, nach welchen diese Gründungspioniere ausgesucht werden:
1. Nach abgeschlossener Bibelschule sollen die Leute ein Brennen und ein Anliegen für diese Aufgabe
mitbringen.
2. Es müssen optimistische Leute sein.
3. Eine Begabung, um Menschen zu Jesus zu führen, muss vorhanden sein.
4. Es werden nur verheiratete Paare genommen (Die Erfahrung zeigte, dass Ledige die Strapazen eines
solchen Dienstes schlecht verkrafteten).
5. Die Auserwählten absolvieren zuerst ein Kandidatenjahr an der Seite eines erfahrenen Gründers,
bevor sie definitiv für eine Neugründung ausgesandt werden.
Im Gespräch sagte Armin Mauerhofer: „Es schmerzt mich, dass die Pfimi, welche mir die zündende
Idee für meine Gemeindegründungspraxis brachte, es heute selber nicht mehr macht“.
2.3.3 Zusammenfassende Bemerkungen
Im ganzen Zusammenhang gesehen ergeben sich schlussendlich noch einige sehr wichtige Fragen,
welche unbedingt behandelt werden müssen. Wir müssen uns Fragen stellen, etwa über die Art von
Gemeinden, die gegründet werden sollen, wie sie Mission in unserer heutigen post-christlichen
Gesellschaft verstehen und wie sie diesen Auftrag effektiv umsetzen wollen. Es geht letztlich nicht
darum, einfach Gemeinden zu gründen, damit es neue Gemeinden gibt. Es braucht neue Gemeinden,
welche die Menschen in ihrem Umfeld wirklich erreichen. Einfach mehr Gemeinden von der Art zu
gründen, welche keinen grossen „Impact“ auf ihr Umfeld haben, macht wenig Sinn. Es braucht vor
allem Gemeinden, welche so ausgelegt sind, dass sie die Menschen in ihren Orten und Quartieren
erreichen. Es mag sein, dass in einigen Situationen eine neue Gemeinde von der gleichen Art wie die
gründende Gemeinde gebraucht wird, doch in anderen Situationen wäre dies weniger ideal oder gar
kontraproduktiv (Murray 2001: 129). Das heisst, es geht nicht bloss um eine reine Reproduktion einer
Gemeinde oder eines Modells. Es geht darum, gemäss grundlegenden Prinzipien und in Anlehnung an
eine Strategie oder ein Modell neue Gemeinden zu pflanzen, welche die Menschen in ihrem Umfeld
erreichen und diese einbinden können. Es nützt wenig, wenn es neue Gemeinden gibt, aber die
Menschen vor Ort lieber nicht zu ihnen gehören möchten (Murray 2001: 128). Die Konkretisierung
dieser Fragen muss unbedingt gemacht werden, ist aber nicht Ziel dieser Arbeit.
Weiter sollen die neuen Gemeinden in erster Linie durch Neubekehrte wachsen. Der Focus liegt auf
Evangelisation. „Es gibt biblisch gesehen nur eine Berechtigung für eine Gemeindegründung, und
zwar die missionarische. Es geht darum, dass Menschen neu zum Glauben finden.
Gemeindegründungen, die sich zum Ziel setzen, Menschen zu erreichen, die bereits mit Jesus
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unterwegs sind, haben kein biblisches Mandat“ (Bühlmann in Focusuisse Gebetskarte 1999). Es geht
nicht um eine Umverteilung, sondern um Neubekehrungen. Beim Transferwachstum wachsen
Gemeinden auf Kosten anderer, doch die Zahl der Erretteten nimmt dadurch nicht zu (McGavran
1990: 97). Die Ausrichtung ist also klar, doch man muss sich diese Tatsache immer wieder neu
bewusst machen und darauf achten, auch im gewöhnlichen Gemeindebau.
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3 FAZIT
Gemeindegründung der dringende Auftrag
Gemeindegründung ist nicht deshalb eine der dringendsten und wichtigsten Aufgaben heute, weil in
der Landeskirche so wenig missioniert wird und weil in den meisten Freikirchen die Wachstumsrate
fast zum Erliegen gekommen ist. Nein, Gemeindegründung wäre auch das Gebot der Stunde, wenn
alle - Freikirchen wie Landeskirchen - auf Hochtouren missionarisch arbeiten würden. Denn die
Vervielfältigung von Gemeinden gehört zu den normalen, biblischen Wachstumsprinzipien des
Reiches Gottes – der Gemeinde Jesu Christi. So wie die wahre Frucht eines Apfelbaumes nicht ein
Apfel, sondern ein weiterer Apfelbaum ist, so ist auch die wahre Frucht einer Gemeinde nicht ein neu
gewonnener Christ, sondern eine neue Gemeinde (Logan, Rast 1990: Vorwort).
Die bestehenden wie auch die neuen Gemeinden haben ihre eigene Ausrichtung und ihren
Schwerpunkt. Sie haben besondere Stärken und auch Bereiche, welche ihnen fehlen. Selbst in einem
Gemeindeverband wie der SPM ist die Verschiedenartigkeit gross. Dieser Bewegung anzugehören
heisst nicht eine Gemeinde zu sein oder zu werden, die nach Schema F läuft. Dies soll auch in Zukunft
so sein und ich hoffe, dass die Vielfalt noch zunehmen wird. Denn Gemeinde lässt sich nicht auf eine
einzige Formel reduzieren. Daher wird es grosse und kleine Gemeinden geben, solche die sich in
Restaurants, Kinos oder Wohnhäusern versammeln. Es wird Gemeinden geben, in denen verschiedene
Kulturen zusammentreffen und solche die einen besonderen Auftrag mit Randständigen haben,
Gemeinden in Innenstädten und Gemeinden auf dem Lande (Kimball 2005: 14). Sie alle haben ein und
denselben Auftrag: Das Evangelium zu den Mensch zu bringen und sie zu Nachfolgern Jesu zu
machen.
Der zweifache Ausfluss von Evangelisation und Mission
Bei meinen Nachforschungen ist mir besonders aufgefallen, dass die Form und Ausrichtung der
Evangelisation massgeblichen Einfluss darauf hat, ob neue Gemeinden gegründet werden können oder
ob die Neubekehrten einfach in bestehende Gemeinden integriert werden. Der Auftrag der Gemeinde
für Evangelisation und Mission mündet biblisch gesehen in zwei Schwerpunkte:
1. Mit neu gewonnenen Menschen sollen die bestehenden Gemeinden wachsen.
2. Mit neu gewonnenen Menschen sollen neue Gemeinden gegründet werden.
Die Entscheidung darf nun nicht auf die eine oder andere Art von Evangelisation fallen. Sondern die
Entscheidung muss sein, als Gemeinden und Bewegung Evangelisation und Mission so zu betreiben,
dass beides geschieht. Parallel zu einander sollen zum einen Gemeinden wachsen und zum anderen
neue Gemeinden gegründet werden.
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Der Heilige Geist die treibende Kraft
Als oberstes Prinzip, in den ganzen Bemühungen und Bestrebungen, muss eines unbedingt beachtet
werden: Der Heilige Geist ist die treibende Kraft jeglicher echten und fruchtbringenden
Evangelisation, Mission, Gemeindegründung und Gemeindewachstums!
Die Geschichte der SPM wie auch die Geschichte der weltweiten Pfingstbewegung machen deutlich,
dass die konkrete Führung und das Wirken des Geistes Ausgang wie auch Herzstück in der Arbeit im
und am Reich Gottes sind.
Gerade Leistung und Arbeit sind prägende Elemente im Gemeindebau der Schweiz. Man ist ständig
auf der „Suche nach effektiven, funktionierenden und ‚resultat-sichernden’ Methoden und Prinzipien.“
(Russenberger 2005: 124) Doch es darf nie vergessen werden, dass die Führung und das Wirken des
heiligen Geistes vorausgehen muss. Nur dann sind die Methoden und Prinzipien effektiv und bringen
die gewünschte Frucht. Das pfingstliche Erbe verweist an dieser Stelle an die Worte Jesu, als er seine
Jünger angewiesen hatte, auf die „Kraft aus der Höhe“ zu warten. Diese Erfüllung mit dem Heiligen
Geist befähigte sie als kraftvolle Zeugen des Evangeliums in die Welt auszuschwärmen. Heute ist es
nicht anders. Die Erfüllung mit dem Heiligen Geist ist nicht eine Privaterfahrung, um noch eine
weitere persönliche Segnung sein Eigen nennen zu können. Reinhold Ulonska spricht von einer
Diensterfahrung. Der Geist macht die Nachfolger Jesu zu fähigen Zeugen und zwar immer wieder neu.
Die Geschichte zeigt, dass wo immer der Zusammenhang mit der Konzentration auf den Heiligen
Geist und seine Kraft erneut erkannt und beachtet wurde, wieder neues aufbrach.30 Das Prinzip ist
einfach: Zuerst der Geist, dann die Methode. Der Heilige Geist bringt neue Erkenntnisse zu Tage und
drängt die Christen, in eine bestimmte Richtung voranzugehen. Darin führt der Geist in die Methode
hinein oder bringt eine neue hervor.
3.1 Lasst uns als Bewegung wieder Gemeinden gründen
Als schweizerische Pfingstmission müssen wir unbedingt wieder in die Gründung von neuen
Gemeinden investieren. Es ist das biblische Mandat Gottes an seine Gemeinde und somit an die
Bewegung.
In seinem Plädoyer für Gemeindegründung führt Peter Wagner (1990: 21-23) fünf stichhaltige Gründe
auf:
1. Gemeindegründung ist ein biblisches Prinzip
30
Interessant ist, dass auch die deutsche Pfingstbewegung BFP an ihrer letzten Bundesratstagung die Thematik des
Heiligen Geistes und seiner Kraft neu thematisierten und zusammen ihre Geschichte beleuchteten. Präses Ingolf
Ellssel schloss mit dem Aufruf, vermehrt wieder die Taufe im Heiligen Geist zum Predigtthema zu machen. (Wort
und Geist, Nr. 2 Februar 2006, S. 14)
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2. Ohne Gemeindegründung wird keine Denomination überleben
3. Gemeindegründung bringt eine neue Leiterschaft hervor
4. Gemeindegründung spornt bestehende Gemeinden an
5. Gemeindegründung ist am effektivsten
Der Zusammenschluss der Pfingstgemeinden in der Schweiz hatte diesen Auftrag als Grundlage ihrer
Gründung. Mission und Evangelisation im In- und Ausland zu betreiben, konnte am Anfang
logischerweise nur durch Gemeindegründung geschehen. Die Schweiz hat auch heute noch viel zu
wenige Gemeinden. Wie unter Punkt 1.2.1 erläutert, gibt es noch viele Ortschaften und ganze Gebiete,
in welchen keine lebendigen, freikirchlichen Gemeinden existieren. Gerade auch dort müssen
Gemeindegründer hin. Um dies Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es die Möglichkeiten einer
Bewegung.
Nach dem Vorbild der Assemblies of God, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, Pastoren und
Glieder der Bewegung für Gemeindegründung zu motivieren und auszurüsten, sollte auch die SPM
dieses Mandat Gottes erneut anpacken und zur Umsetzung bringen.
3.2 Mein persönlicher Vorschlag
3.2.1 Task-Force Gemeindegründung und Evangelisation
Für manche Aufgabe und Herausforderung werden heute Kommissionen ins Leben gerufen, welche
dann im Auftrag der Anderen arbeiten. Das Mandat der Gemeindegründung kann aber nicht einfach an
eine Kommission abdelegiert werden. Ich denke viel mehr an eine „Task-Force“, welche mit
Evangelisten und Pionieren bestückt ist, die nicht in erster Linie als Dienst der Bewegung dienen,
sondern umgekehrt. Sie sollen die Bewegung in den Dienst der Evangelisation und
Gemeindegründung hineinführen.
Diese Task-Force hat den Auftrag, ein vom Geist Gottes gewirktes Konzept in der SPM aufzubauen.
Sie motiviert, unterstützt und befähiget die Pastoren und Gemeinden sich in wirksamer
Gemeindegründung zu engagieren.
Wie die Sache im Detail angepackt werden muss, ist strategische Grundlagenarbeit dieser Truppe.
Viele Details müssen geklärt und durchdacht werden, z.B. welche Gründungsmodelle passen würden,
wie die Sache finanziert wird, wie die Gemeinden und deren Glieder motiviert werden können, an
welchen Orten sollen neue Gemeinden entstehen, wie es mit dem Führungsverständnis der Schweizer
Bevölkerung aussieht, welche Gemeinde-Typen sich wo eignen und vieles mehr.
Ich mache an dieser Stelle bewusst keine konkreteren Ausführungen, da dies nicht dem primären Ziel
meiner Arbeit entspricht. Zudem wird dies die Aufgabe eben dieser vorgeschlagenen Task-Force sein.
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3.2.2 Gezielte Förderung von Gemeindegründern und Evangelisten
Was sicher schon jetzt beginnen kann und muss, ist die gezielte Förderung und Ausbildung von
Gemeindegründern und Evangelisten. Sicher wird die Task-Force zu diesem Punkt wichtige Impulse
geben oder sogar mit ihren Leuten in die Ausbildung hineinwirken. Doch die Nachwuchsförderung der
SPM, sprich die Ausbildungskommission, ist sicher heute schon in der Lage, unabhängig des obigen
Vorschlages konkrete Schritte in die richtige Richtung einzufädeln. In Anbetracht der nachfolgend
aufgeführten Zahlen ist sie sogar dringend angehalten, weitere Massnahmen einzuleiten.
Eine meiner Recherchen (April 2006) hat ergeben, dass bei 67 SPM Gemeinden 5 ohne
Pastor/Gemeindeleiter sind und bei 17 weiteren der Gemeindeleiter im Laufe der nächsten 10 Jahre
das Alter des Ruhestandes erreicht. Ein Drittel der SPM-Gemeinden braucht also in den nächsten 10
Jahren einen neuen Gemeindeleiter! Total erreichen in den nächsten 10 Jahren 29
Pastoralassistenten/innen und Pastoren das Ruhestandsalter. Demgegenüber befinden sich 29
Mitarbeiter auf dem Ausbildungsweg als Praktikant/in oder Kandidat, welche noch keine
Gemeindeleiterfunktion innehaben. Rein theoretisch kann die SPM die kommenden Abgänge durch
den Nachwuchs gerade so auffüllen. Unter dieser Annahme darf es in nächster Zeit aber keine anderen
Ausstiege oder Abgänge geben, weder bei den Pastoren und schon gar nicht beim Nachwuchs.
Wenn wir als SPM also neue Gemeinden pflanzen wollen, müssen wir dringend mehr Nachwuchs
heranbilden. Diese neuen Leiter müssen mit dem Gen von Multiplikation und Reproduktion
ausgerüstet werden, damit in Zukunft Gemeinden entstehen, welche sich und ihre Leiterschaft
reproduzieren. Wagner plädiert dafür, viele junge Leute auszubilden und herauszufordern als
Gemeindegründer zu starten. Er meint, dass diese das Potential dazu haben und sich oft besser dafür
eignen als erfahrene Pastoren, weil sie noch flexibler und formbarer sind (Wagner 1990: 18). Ich
denke es ist gut, wenn junge Leute ausgebildet und in den Dienst der Gemeindegründung gesandt
werden. Eine ganz konkrete Begleitung eines erfahrenen Leiters darf dabei aber keinesfalls fehlen. So
unterstützen und fördern die Flexibilität und die Formbarkeit der Jungen, kombiniert mit der
Erfahrung der Älteren, ein erfolgreiches Resultat. Auch Fehler aus der Vergangenheit können dabei
vermieden werden.
3.3 Mein Traum für die SPM in 10 Jahren
Ich träume davon, dass sich die SPM in den nächsten 10 Jahren verdoppelt bis verdreifacht und 30 –
50 neue Gemeinden gegründet werden. Doch wie soll das geschehen? Damit dies nicht bloss ein
Traum bleibt, sind konkrete Teilschritte hilfreich. Sie sollen zeigen wie jeder Einzelne seinen Teil im
grossen Ganzen einbringen kann.
Der Plan sieht folgendermassen aus:
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1. Jedes Gemeindeglied führt innerhalb von 3 Jahren einen anderen Menschen zum Glauben an Jesus
Christus.
2. Jede SPM-Region gründet mit ihren Gemeinden in den nächsten 10 Jahren 2-5 Gemeinden.
3. Die Bewegung stösst gezielt in 3 Gebiete vor, wo noch keine oder nur wenige Gemeinden
vorhanden sind und gründet dort eine Gemeinde.
Jeder der 3 Punkte etwas genauer ausgeführt könnte wie folgt aussehen:
Punkt 1
Die Gemeindeglieder werden für persönliche Evangelisation motiviert, befähigt und geschult, so dass
sie beginnen für eine Person zu beten, welche sie zum Glauben führen können. Das heisst vielleicht,
ein Jahr beten und offen sein, im zweiten Jahr die Beziehung knüpfen und vertiefen und im dritten
Jahr kommt es zur Bekehrung und zur Begleitung dieser neu gewonnenen Person. Danach geht es
wieder von vorne los.
Punkt 2
Da die Regionen unterschiedlich viele Gemeinden zählen, ist auch die Anzahl Gründungen variabel.
Es geht darum, dass innerhalb der gleichen Region Gemeinden zusammenzuspannen, um zusammen
eine Neugründung zu ermöglichen. Ein aktuelles Beispiel ist die Gemeindegründung in Lyss BE. Die
Pfimi Bern und die EMB Biel sind gemeinsam in diese Gründung involviert. Dies wirkt belebend und
verstärkt die Zusammenarbeit. Zudem erweitert es den Horizont der involvierten Gemeinden.
Punkt 3
Die Bewegung beruft und sendet Gemeindegründer aus, welche im Status eines Missionars innerhalb
der Schweiz an unerreichten Orten neue Gemeinden ins Leben rufen. Dazu muss ein klares Konzept
erarbeitet werden, welches die Grundlagen für diese Gemeindegründungen auf Bewegungsebene
schafft.
Ich träume davon, dass die Bewegung ganz gezielt Menschen in den Dienst der Gemeindegründung
einsetzt und darin unterstützt. Gott wird der Bewegung erneut Evangelisten und Pioniere schenken,
welche diesen „Dienst an den Dampfkesseln“ wieder übernehmen werden. Das Dienstprofil des
Pastors/Vollzeiters in der SPM wird dadurch sicher um ein weiteres, sehr wichtiges und interessantes
Profil bereichert. Dies ist innerhalb der SPM eigentlich nichts Neues, doch in den letzten Jahren sind
diese Diener Gottes verloren gegangen.
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Mit einem Gedanken von Matthias Theis31 möchte ich schliessen. Er zitierte, anlässlich des Young
Pastors Seminars im März 2006, in seinem Referat den Adidas-Chef: „Unmöglich ist keine Tatsache,
sondern eine Meinung oder eine Gesinnung“. Dazu sagte er, dass der Dienst im Reich Gottes nicht mit
Leitern gebaut werden kann, welche mit ihrer Gesinnung die Möglichkeiten Gottes limitieren. Er
ermutigte die jungen Leiter in aller Demut an die grossen Möglichkeiten Gottes zu glauben und aus
dieser Gesinnung zu leben und den eigenen Dienst zu gestalten.
31
Matthias Theis ist Gemeindeleiter der Pfingstgemeinde Zürich (CZB), grösste SPM Gemeinde mit über 1'600 Mitgliedern
und Mitglied des Vorstandes SPM.
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Freitags-Fax No 10/05, 11.03.05. Thayngen: Focusuisse
Joel News 05/06, 03.02.06. Thayngen: Focusuisse
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Kreuzlingen: www.jakob-zopfi.ch
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Verheissung des Vaters, Ausgaben Januar 1920 - Dezember 1968, Zürich. (Ab 1921 Organ der SPM).
Generalsekretariat SPM in Aarau.
Einsicht in die Protokolle des Aeltestenrates/LK und der Generalversammlung der SPM ab 1935.
Archiv Generalsekretariat SPM in Aarau.
Einsicht in die Einladungen und Jahresberichte der GV SPM von 1970 – 2005. Archiv
Generalsekretariat SPM in Aarau.
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www.gemeindegruendungswerk.de (GemeindeGründungsWerk GGW, des BFP)
www.dawneurope.net (Europäischer Zweig der weltweiten DAWN-Bewegung, welche sich zum Ziel
gesetzt hat, den Auftrag von Jesus durch Gründung neuer Gemeinden in allen Gesellschaftsschichten zu erfüllen.)
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ANHANG
Versammlungs-Anzeigen in der Verheissung des Vaters Januar/Februar Ausgabe 1929.
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PUBLIREPORTAGE
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ideaSchweiz l 09/2008
Umsetzung der grossen Studienreform
Neue Lernfelder bei IGW
Mit grundlegenden Neuerungen richtet IGW sich noch
stärker auf sein Hauptziel
aus, Menschen umfassend
für ihren Dienst auszubilden.
IGW hat die grosse europäische Bildungsreform zum
Anlass genommen, sein Ausbildungskonzept grundsätzlich zu überarbeiten und sich,
so Co-Rektor Michael Girgis,
«noch einmal neu zu erfinden.»
Zum Start des Studienjahres
im September 07 wurden daher
teilweise tiefgreifende Neuerungen lanciert. So orientiert
sich das Bachelor-Programm
(BA), das Männer und Frauen
in 4 Jahren für ihren Dienst in
Gemeinden oder christlichen
Werken ausbildet, neu an drei
«Lernfeldern»: Theorie, Praxis
und Praxisbegleitung.
Theorie deckt ab, was man gemeinhin unter schulischer Aus-
bildung versteht:
Hier wird auf allen Gebieten der
Theologie das für
den Dienst notwendige Fachwissen vermittelt. Die
Michael
Praxis, bei IGW
Girgis
immer schon ein
wichtiges Ausbildungselement,
wird noch stärker in den Studiengang eingebunden, so dass
im praktischen Dienst erworbene Kompetenzen dem Studium nun angerechnet werden
können. Im Bereich Praxisbegleitung schliesslich werden in
neu entwickelten Kursmodulen
die grossen Ausbildungsthemen
Persönlichkeitsentwicklung und
Jüngerschaft über die gesamten
4 Jahre des Studiums vertieft.
Ausführliche Informationen zur
grossen Studienreform finden
Sie auf www.igw.edu ➝ Ausbildung ➝ Studienreform 2010.
Cla Gleiser, Studienleiter IGW
Neue Fachrichtung bei IGW
Studiengang Missionale Theologie
Der Ruf nach qualifizierten
und missionarischen Fachkräften in Werken, Gemeindeverbänden und Missionsgesellschaften wird immer
lauter. Spürbar ist vor allem
der Mangel an klassischen
Evangelisten. Für den Dienst
an Bevölkerungsgruppen aus
orientalischen bzw. überseeischen Ländern werden auch
Inlandmissionare
gesucht.
Gerade die Ausbildung zum
Missionsdienst unter Moslems wird zunehmend an
Wichtigkeit gewinnen.
IGW stellt sich diesen neuen
Herausforderungen und rüstet
Menschen zum Dienst aus –
nicht nur für die bisherigen
klassischen Missionsländern,
sondern gerade auch für das
europäische Umfeld. Aus diesem Grund erweitert IGW sein
Angebot an Fachrichtungen auf
BA-Niveau: Neben Theologie
(Schwerpunkt
systematische
Illustration: www.gleiser.ch
und biblische Fächer), praktischer Theologie, Missiologie
und Sozialdiakonie steht IGWStudenten ab September 2008
ein Studiengang in missionaler
Theologie offen. Die neue Fachrichtung hat folgende Schwerpunkte:
1. Evangelisation im
nachchristlichen Europa
Seit einigen Jahren fehlen zunehmend Evangelisten für Gemeinden und spezielle übergemeindliche Anlässe. Wir sind
überzeugt, dass dieser Dienst
für die Zukunft wieder verstärkt
gefragt sein wird. IGW wird sich
vermehrt für die Gewinnung
und Ausbildung von Menschen
einsetzen, die in diesem Dienst
ihre Zukunft sehen.
2. Gemeindegründung und
Gemeindebau
Europa ist zum klassischen Missionskontinent geworden. Damit
gewinnt die Thematik «Mission»
Relevanz für Gemeindebau und
Evangelisation in
unserer
Gesellschaft. Die Ausbildung bei IGW
vermittelt
zuHelmut
künftigen PionieKuhn
ren und Gemeindegründern in diesen Bereichen
Fachkompetenz und Perspektive.
3. Transkulturelle Mission
Mission findet vor unserer eigenen Haustüre statt. Religionen
und Weltanschauungen aus
verschiedenen Kulturen prägen
unsere Gesellschaft. Gerade der
Dienst unter Moslems wird an
Wichtigkeit zunehmen. IGW
wird Studierende befähigen, das
Evangelium in einer multikulturellen Gesellschaft weiterzugeben. Dabei sucht das Institut
bewusst die Zusammenarbeit
mit evangelistisch und missionarisch tätigen Partnern.
Helmut Kuhn, Direktor EE
Studiengang
Bachelor of Arts (BA)
Ziel: vollzeitlicher Dienst in
Gemeinde oder Mission
Voraussetzung: abgeschlossene
Berufslehre
Dauer: 4 Jahre (180 Credits)
Studiengang Master
of Theology (BTh-MTh)
Ziel: vollzeitlicher Dienst in
Gemeinde oder Mission
Voraussetzung: Matura/Abitur
Dauer: 5 Jahre (300 Credits)
Studiengang igw.network
Ziel: ehrenamtliche Mitarbeit in
der Gemeinde
Voraussetzung: abgeschlossene
Berufslehre
Dauer: 1 Jahr (30 Credits) mit
Anschlussmöglichkeit an BA
oder BTh-MTh
www.igw.edu
PUBLIREPORTAGE
10
ideaSchweiz l 14/2008
Kirche und Sozialarbeit
Virtuelle Sozialdiakonie?
«Wenn die Kirchen mehr
leben würden, was sie predigen, dann würden Leute
wie ich auch wieder hinkommen.» In den Kirchen wird
zwar viel unternommen, um
dieser Kritik zu begegnen.
Aber für den grossen Teil der
Gesellschaft ist die gute Nachricht von Jesus Christus, wie
sie von der Kirche verkündet
wird, zu wenig greifbar.
Gleichzeitig gibt es immer mehr
Menschen, die am Rande stehen
und durch die Maschen des Sozialstaates fallen. Die verschiedenen Sozialwerke sind angesichts zunehmender Not und
abnehmender Mittel nicht mehr
in der Lage, genügend Hilfe zu
leisten. Menschen in unserem
Land erhalten zwar finanzielle
Unterstützung, sind aber trotzdem einsam, überfordert, haben
keine
sinnvolle
Beschäftigung
und können auch
grundlegende Herausforderungen
des Lebens nicht
mehr alleine beOlivier
wältigen.
Enderli
Die Erkenntnis
wächst, dass die Kirchen ihre
gesellschaftliche Verantwortung neu wahrnehmen müssen. Hans-Peter Lang, Gründer
und Leiter der Aargauer Stiftung Wendepunkt, moniert,
dass wir «die christlichen
Werte Wahrheit und Fürsorge
– Grundlage des christlichen
Abendlandes – verlassen haben. Die Kirche verkündet zwar
gesellschaftlich relevante Sozialdiakonie, aber diese bleibt
ein rein virtuelles Angebot. Wir
Christen haben unsere Glaubwürdigkeit verloren und zer-
stören so das uns anvertraute
Evangelium, weil wir die Botschaft der Liebe und Gnade
nicht leben.»
Die drei Ur-Aufträge, die den
Zweck der Kirche ausmachen, wollen wieder gemeinsam wahrgenommen werden:
Bezeugung des Evangeliums
(Martyria), die Anbetung Gottes
(Liturgia) und schliesslich der
praktische Dienst am Menschen
(Diakonia). Daraus wächst eine
ganzheitlich aktive, lebendige
Gemeinde, wo der Dienst am
Menschen durch die Menschen
in den Kirchen geschieht und
nicht nur an kirchliche Sozialwerke delegiert wird. Mit diesem Bild vor Augen brechen
Gemeinden auf zu einem neuen Abenteuer von Kirche, die
lebt, was sie predigt.
olivier Enderli, Projektleiter FSSM
IGW und FSSM: eine «sehr wichtige» Partnerschaft
Die Herausforderung packen
Eine Kirche, die ihr sozialdiakonisches Engagement
aufbauen will, sieht sich mit
Herausforderungen konfrontiert, denen vor dem Hintergrund einer rein theologischen Ausbildung schwer
zu begegnen ist. Häufig fehlen Wissen und Erfahrung
für den Aufbau von Behördenkontakten und die Erarbeitung von Betreuungskonzepten. Projekte müssen
geplant, Märkte analysiert,
Businesspläne
entwickelt
und Finanzen beschafft werden. Die Ausbildungspartner
Fachschule für Sozialmanagement (FSSM) und IGW
haben sich das Ziel gesetzt,
Menschen für diesen Dienst
grundlegend und praxistauglich auszubilden.
«Für mich ist die Zusammenarbeit von IGW und FSSM sehr
wichtig. In meiner Ausbildung
am IGW bekam ich die Grundlage, welche Sicht Gott von den
Menschen hat, wie Gemeinde
sein soll und wie wichtig Ge-
meindearbeit ist.
Durch die Kurse
an der Fachschule für Sozialmanagement erkannte ich, wie
die
praktische
Ruedi
Eggenberger Umsetzung der
Theologie
bei
Menschen ausserhalb der Gemeinden aussehen kann. In
dieser Kombination kommen
Worte und Taten in ein Gleichgewicht, das mein Denken und
Handeln befruchtet. Ich will
für mich als Jugendarbeiter
verstehen, wie ich meine Arbeit
effizienter und gesellschaftsrelevanter gestalten kann. Denn
ich bin überzeugt: Mit Worten
allein verändert man keine
Gesellschaft – aber mit aufopfernder Liebe und Hingabe,
wie das Beispiel von William
Booth, Gründer der Heilsarmee zeigt. Oder auf mich als
Vater bezogen: Was bedeutet
meinem Kind mehr? Wenn ich
ihm sage, dass ich es liebe oder
wenn ich es einfach in den Arm
nehme?» Ruedi Eggenberger, Jugendarbeiter der Evangelischen Kirchgemeinde Niederuzwil, ist Absolvent des BA-Studienganges
in der Fachrichtung Sozialdiakonie, die IGW im Jahr 2006 in
Zusammenarbeit mit der Fachschule für Sozialmanagement
lanciert hat.
Cla Gleiser, Studienleiter IGW
Beispiele aus der Praxis
• Chrischona Frauenfeld,
Stiftung Wetterbaum,
www.wetterbaum.ch
• Heilsarmee Huttwil, Beschäftigungsprogramm Leuchtturm,
www.projekt-leuchtturm.ch
• GvC Winterthur, Stiftung
Quellenhof, www.qhs.ch
• Vineyard Bern, DaN,
www.vineyard-dan.ch
• ICF Zürich, Stiftung ACTS,
www.icf.ch/acts.html
• EMK Zürich 4, NetZ4,
www.netz4.ch
IGW bietet mit seinem gemeindeintegrierten und praxisorientierten Modell seit über
15 Jahren neue Ansätze in der
theologischen Ausbildung. Der
Schwerpunkt der neuen Fachrichtung Sozialdiakonie besteht
im Verständnis des Zusammenspiels von Sozialarbeit, Management und Theologie. Studierende im Bachelor-Programm
absolvieren das Grundstudium
(2 Jahre) komplett bei IGW, bevor
sie im Aufbaustudium (3. und 4.
Jahr) Kurse im Bereich Sozialdiakonie bei der Fachschule für Sozialmanagement besuchen und
ein dreimonatiges Praktikum in
einem christlichen Sozialwerk
absolvieren.
Alternativ besteht die Möglichkeit, die zweijährige, berufsbegleitende Weiterbildung zum
„Sozialmanager“ an der Fachschule für Sozialmanagement
zu besuchen. Auch auf diesem
Weg ist es möglich, nachträglich
über IGW einen Abschluss auf
Bachelor-Stufe nachzuholen.
Die Fachschule für Sozialmanagement bietet eine Weiterbildung für Menschen an, die sich
im diakonischen und sozialen
Bereich engagieren, Projekte realisieren oder Führungsverantwortung übernehmen wollen.
Das modular aufgebaute Kursangebot umfasst die Fachbereiche Management, Sozialarbeit und Theologie. Es wird mit
einem Praxiseinsatz abgerundet.
Auch der Besuch einzelner Kurse
als Gasthörer ist möglich.
Gegründet wurde die Schule im
Jahr 2004 von der Stiftung Wendepunkt.
www.igw.edu
www.sozialmanager.ch

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