Heft 197 - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft
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Heft 197 - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft
angewandte Arbeitswissenschaft Zeitschrift für die Unternehmenspraxis Titel und Themen der letzten 12 Ausgaben Nr. 185 von 09/2005 > Betriebliche ERA-Einführung mit klarer Zielsetzung > Erhöhung der Maschinennutzungsgrade > Ganzheitliche Produktionssysteme für KMU > Unbürokratisches Ideenmanagement Nr. 191 von 03/2007 > Betriebszeiterweiterung und Schichtplanumstellung > Zielvereinbarungen als Bestandteil der Leistungsbeurteilung > Vorausschauende Personalplanung > Auf der Suche nach Spitzenleistungen Nr. 186 von 12/2005 > Flexible Arbeitszeiten > Präzise Simulationsplanung > Disziplinübergreifendes Projektmanagement > Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und ihre Anwendung Nr. 192 von 06/2007 > Arbeitsfähigkeit messen und fördern > Leistungsbeurteilungsverfahren gestalten > Teamarbeit passend organisieren > KVP kontinuierlich entwickeln Nr. 187 von 03/2006 > Das »Easy Knowledge«-Konzept > ERA und die Entgeltabrechnung > Arbeitsanalyse und Bewertung > Ein Stärken-Schwächen-Profil mit IfaA-Benchmarking Nr. 188 von 06/2006 > Systematische Umsetzung des ERA – Ein Betriebsbeispiel aus NRW > ERA-Einführung im Nordverbund > Kontinuierliche Personalentwicklung > Webbasiertes Maßnahmen-Management Nr. 189 von 09/2006 > Arbeitszeitgestaltung– neue Ansätze > ERA als kommunikatives Projekt > ERA-Mitarbeitergespräche > Das »Office Excellence«-Konzept Nr. 190 von 12/2006 > ERA – Wege zum Konsens > Leistungsbeurteilung – ein neuer Weg > Chancen durch betreute Ausbildung > Produktideenmanagement No 197 September 2008 Sicherung von Produktionsarbeit Produktivitätskennziffern im Leistungsentgelt Nr. 193 von 09/2007 > ERA-Halbzeitergebnisse in NRW > Weniger Lohnstückkosten – Mehr Prämie > Strategien betrieblicher Personalpolitik > Produktivitätsmanagement mit MTM Arbeitsschutz-Management-Systeme – normfreie Hilfen für die Unternehmen Nr. 194 von 12/2007 > ERA-Einführung in Bayern > Entgeltanreiz zum unternehmerischen Denken > Verbesserung von betrieblichen Prozessen > Anreize für High Potentials E-Business mit viel Potenzial für KMU Nr. 195 von 03/2008 > Abläufe verbessern – Betriebserfolge garantieren > Wissensmanagement mit Bordmitteln > Produktionsnahe Instandhaltungsorganisation > Implementierung einer Unternehmensstrategie Nr. 196 von 06/2008 > ERA – Entgeltlösungen > Ideenmanagement bei KMU > Arbeitszeitflexibilisierung – Bedarf und Realisierung > Wissensmanagement – Umsetzung Preis und Bezug: siehe Impressum auf Seite 62 G 25826 F Inhalt 2 Sicherung von Produktionsarbeit – Eine Initiative des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. – Ein Erfahrungsbericht aus Deutschland und Japan von J. Dörich und R. Neuhaus Im Fokus des Beitrages stehen die Restrukturierungsmaßnahmen zur Sicherung von Produktionsarbeit. Aus Firmenprojekten in Unternehmen der BadenWürttembergischen Metall- und Elektroindustrie und Studienreisen nach China und Japan werden Erfahrungen und Ergebnisse vorgestellt. 15 Innovative Entgeltgestaltung bei GKN Driveline Trier GmbH von H. Brüning, H. Dengler und J. Loquay Es wird die Einführung eines Leistungsentgelts beschrieben, welches die Produktivitätsentwicklung im Zusammenhang mit einer effektiven Anlagennutzung zum Leistungsmaßstab macht. Eine zeitnahe Ergebnisrückmeldung an die Beschäftigten macht die Lösungen transparent und fördert eine laufende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. 24 Arbeitsschutz-Management-Systeme (AMS) als Hilfen für eine sichere Organisation des Arbeits-und Gesundheitsschutzes von E. Metze Der Artikel zeigt die Anforderungen zur Organisation von Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen, ausgehend vom Leitfaden der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bis hin zu branchenbezogenen und betrieblichen Arbeitsschutz-Management-Systemen. Dabei wird das Ziel der Normfreiheit von AMS hervorgehoben. 43 Die Einflüsse von E-Business auf die arbeitswirtschaftlichen Abläufe und Prozesse kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) von R. Klein Viele Unternehmen suchen nach Wegen, die Auswirkungen des Fachkräfte mangels abzumildern. In diesem Beitrag wird beschrieben, wie durch den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Business) Ressourcen für den effizienten Einsatz von Fachkräften insbesondere durch die Automatisierung von redundanten Prozessen erschlossen werden. 62 Impressum angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Sicherung von Produktionsarbeit – Eine Initiative des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. – Ein Erfahrungsbericht aus Deutschland und Japan von J. Dörich und R. Neuhaus Gliederung 1 Einleitung 2 Der Einsatz von Methoden im Produktionssystem 3 Voraussetzung für Veränderungsprozesse 4 Reduzierung von Komplexität 5 Effektive und sinnvolle Standardisierung 6 Effizientes und innovatives Führungssystem 7 Nachhaltiges Verbesserungsmanagement in japanischen und deutschen Unternehmen 8 Harmonisierte und reibungsfreie Schnittstellen 9 Geführte Gruppenarbeit 10 Fazit 11 Literatur Zusammenfassung Die Initiative Sicherung von Produktionsarbeit hat das Ziel, in den Mitgliedsfirmen des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg Arbeitsplätze über produktionstechnische, organisatorische und arbeitspolitische Restrukturierungsmaßnahmen nachhaltig zu sichern. Aus 25 Firmenprojekten in Baden-Württemberg, die von den Verbandsingenieuren seit zwei Jahren begleitet werden, sowie aus Studienreisen nach China und Japan werden Erfahrungen und Erkenntnisse vorgestellt und erläutert. Schlüsselwörter Arbeitsplatz, Arbeitspolitik, Führungskraft, Führungssystem, geführte Gruppenarbeit, Lohnstückkosten, Methode, Produktionssystem, Standardisierung, Verbesserungsmanagement angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 1 Einleitung In den Neunzigern wurden auch aus der Baden-Württembergischen Metallund Elektroindustrie viele Tausende Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Davon betroffen waren im Wesentlichen sogenannte »einfache« Arbeitsplätze, die sich hinsichtlich der Anforderungen an die Arbeitsaufgaben durch eine geringere Komplexität auszeichneten. Der am häufigsten benannte Grund der Unternehmen für Arbeitsplatzverlagerungen waren die sehr hohen Lohnstückkosten. Obwohl es durch eine ausgewogene Tarifpolitik in den letzten Jahren gelungen ist, diesen Standortnachteil positiv zu beeinflussen, besteht trotzdem noch weiterer Handlungsbedarf, da sich Deutschland immer noch im oberen Drittel beim weltweiten Lohnstückkosten-Vergleich befindet. Der Trend von Arbeitsplatzverlagerungen hat sich in den letzten Monaten abgeschwächt, zum einen durch die positive Entwicklung der Lohnkostensituation, zum anderen aber auch durch die gute wirtschaftliche Lage der Baden-Württembergischen Metall- und Elektroindustrie, die inzwischen wieder Tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen hat. Dennoch sind nach wie vor Abwanderungsbestrebungen zu erkennen, die bei einem Abflachen der Konjunktur und ungünstigeren Lohnkostenentwicklungen wieder zunehmen können. Aus der Erkenntnis heraus, dass es in der Regel nicht nur bei der Verlagerung von »einfachen« Arbeitsplätzen bleibt, sondern bei der Einführung ganzheitlicher Produktionssysteme z. B. auch Entwicklungsabteilungen, Engineering- und Planungsbereiche folgen, initiierte der Geschäftsbereich Arbeitspolitik des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. im Jahr 2006 das Projekt »Sicherung von Produktionsarbeit«. Zielsetzung dieser Initiative ist es, die Arbeitsplätze in den Mitgliedsunternehmen der Metall- und Elektroindustrie über produktionstechnische, organisationsbezogene und arbeitspolitische Restrukturierungsmaßnahmen nachhaltig zu sichern. Hierzu bietet der Verband den Unternehmen eine Unterstützungsleistung durch die Verbandsingenieure an, um die vorhandenen Potenziale aufzuzeigen, einen nachhaltigen Veränderungsprozess anzustoßen und auch zu begleiten. Im Fokus dieser Aktivitäten stehen dabei nicht nur die Produktionsbereiche, sondern immer das gesamte Unternehmen, einschließlich der Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Es gilt hier ein Verständnis im Unternehmen zu erzeugen, das dazu führt, über motivierte und kompetente Mitarbeiter und Führungskräfte die Wertschöpfung in den Unternehmensprozessen zu maximieren und die Kunden- und Lieferantenbeziehungen reibungslos zu gestalten, um letztlich zufriedene Kunden nachhaltig an das jeweilige Produkt zu binden. Die Initiative »Sicherung von Produktionsarbeit« kann bereits nach fast zwei Jahren die ersten Erfolge aufzeigen. Insgesamt begleiten die Verbandsingenieure 25 Firmenprojekte in Baden-Württemberg, unterstützt durch das angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Lohnstückkosten: Schwere Bürde für den Standort D im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2006, Deutschland = 100 Produktivität Vereinigtes Königreich 100 100 98 Deutschland Italien 67 98 89 94 98 92 Frankreich Dänemark Norwegen 122 90 Belgien Spanien 60 88 87 87 Schweden Niederlande 86 USA 85 Südkorea 49 Kanada 25 Japan 113 89 Australien Taiwan 105 85 110 102 102 79 78 83 75 73 80 Lohnstückkosten: Verhältnis von Arbeitskosten je Beschäftigtenstunde in Preisen und Wechselkursen von 2006 zur Produktivität; Produktivität: Bruttowertschöpfung zu Herstellungskosten je Erwerbstätigenstunde in Preisen und Wechselkursen von 2006, in den USA, Japan, Südkorea und Taiwan Bruttowertschöpfung zu Marktpreisen; Ursprungsdaten: Deutsche Bundesbank, OECD, Statistisches Bundesamt, U.S. Department of Labor Abb. 1: Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe (Institut der deutschen Wirtschaft, 2006) angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 © 47/2007 Deutscher Instituts-Verlag Lohnstückkosten Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (IfaA) und die Europa Fachhochschule Fresenius in Köln. Angestoßen wurden die Firmenprojekte durch Potenzialanalysen der Verbandsingenieure in den Mitgliedsunternehmen oder durch von Südwestmetall organisierte Studienreisen in China und Japan. Die Erkenntnisse aus den Umsetzungsprozessen in den Firmenprojekten sind einerseits ernüchternd, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, aber andererseits auch ermutigend, da es immer mehr Führungskräfte gibt, die sich auf den langen »steinigen«, aber begleiteten Weg zur schlanken Fabrik machen. Der effiziente und nachhaltige Veränderungsprozess in Richtung schlanke Fabrik erfordert die Berücksichtigung einiger wesentlicher Aspekte, Kernelemente und Rahmenbedingungen. Nachfolgend werden einige gemachte Erfahrungen und gewonnene Erkenntnisse aus den Firmenprojekten erläutert. 2 Der Einsatz von Methoden im Produktionssystem »Das Toyota-Produktionssystem gilt bis heute weltweit als »Best Practice« und ist gern zitierter Standard für Produktionsoptimierung und Produktqualität. Die Erfolge von Toyota inspirieren immer noch viele Unternehmen, dieses Modell zu kopieren und Methoden aus diesem Produktionssystem anzuwenden. Auf diese Weise entwickelte sich auch in Deutschland eine Reihe von Produktionssystem-Derivaten, deren Elemente in der Mehrzahl auf das Toyota-Produktionssystem zurückzuführen sind« (Neuhaus (I) 2008, S. 10). In fast allen begleiteten Unternehmen ist in Bezug auf die Inhalte der dort eingesetzten Produktionssysteme eine mehr oder minder starke Ausrichtung an die Grundphilosophie des Toyota-Produktionssystems und seiner Methoden zu erkennen. Allerdings ist in den betrachteten Unternehmen zumeist eine ausgeprägte, vielfach personifizierte Methodenkompetenz vorzufinden. Das bedeutet, dass nur wenige Personen diesbezügliche Know-howTräger sind. Dieser Zustand in den Unternehmen lässt sich in der Regel damit begründen, dass die wesentlichen Methoden in den vergangenen Jahren durch externe Berater trainiert wurden und dies eigentlich nicht die besten Voraussetzungen sind, ein ganzheitliches Managementsystem zu betreiben. Leider ist zumeist festzustellen, dass diese Methoden zwar kompetent trainiert, jedoch die Voraussetzungen zum Einsatz dieser Methoden nicht geschaffen wurden. Dies ist in der Regel die Ursache dafür, dass nach wenigen Monaten die Methodeneuphorie im Unternehmen verpufft und man »gespannt« oder aber »entnervt« auf die nächste Methode wartet. Durch das Versäumnis, die Grundlagen für die konsequente Anwendung von Methoden gelegt zu haben, entsteht eine gewisse »Veränderungsresistenz«, die bei den meisten Mitarbeitern und Führungskräften zu Frust und Demotivation führt. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 3 Voraussetzung für Veränderungsprozesse Die wesentlichste Voraussetzung für einen erfolgreichen Veränderungsprozess sind das langfristige Commitment des gesamten oberen Managements und in der Folge das glaubhafte Vorleben der im Management erarbeiteten Führungsleitsätze. Es gilt, damit die Mitarbeiter und Führungskräfte nicht nur zu überzeugen und zu gewinnen, sondern auch für die gemeinsame Sache zu begeistern. Dafür ist es wichtig, den Mitarbeitern und Führungskräften eine Vision zu geben, um letztlich die daraus abgeleiteten Unternehmensziele erläutern zu können. Eine weitere Voraussetzung für einen nachhaltigen Veränderungsprozess ist die besondere Rolle der Führungskräfte und das daraus abgeleitete Führungsverhalten klar zu definieren. In den begleiteten Projekten stößt diese Vorgehensweise, unter Beachtung einiger weiterer Rahmenbedingungen, auf fruchtbaren Boden und muss/soll so in einen nachhaltigen Veränderungsprozess münden. Der Ansatz in den begleiteten Firmenprojekten ist es, zuerst den Boden für den Einsatz von Methoden zu bereiten, indem den Führungskräften und auch den Mitarbeitern z. B. der Blick für Verschwendung geöffnet wird. 4 Reduzierung von Komplexität Ein wesentlicher Erfolgsfaktor erfolgreicher Unternehmen ist es, Komplexität aus den Systemen herauszunehmen, um mit »normalem« Menschenverstand einfache und dadurch beherrschbare Prozesse zu gestalten. In manchen Unternehmen lässt sich beobachten, dass z. B. durch Automatisierung unbeherrschbare Prozesse geschaffen werden. Rückmeldungen von Produktions- und Werkleitern aus Baden-Württemberg machen immer wieder deutlich, dass z. B. Ingenieure heute oft nicht in der Lage sind, diese komplexen Situationen nachhaltig aufzulösen. Gerade hier besteht viel Potenzial, Komplexität zu reduzieren und damit die Chance Arbeitsplätze derart beherrschbar zu gestalten, um auch »einfache« Arbeitsplätze sichern zu können. Das Ziel besteht darin, durch störungsfreie robuste Arbeitsprozesse Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhalten. Bei vielen Unternehmensbesichtigungen in Japan und auch inzwischen in China ist auffällig, dass immer mehr Unternehmen auf Automatisierung verzichten. Ausnahmen sind hierbei Tätigkeiten, die schwere körperliche Belastungen abverlangen. Ehemals hoch komplexe Arbeitssysteme werden entzerrt und durch einfache und schnell veränderbare, sogenannte skalierbare Betriebsmittel ersetzt. Dies hat den Vorteil, auf Veränderungen am Produkt und in der Produktion relativ schnell reagieren zu können. Nahezu über Nacht können Produktionsstrukturen grundlegend den neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Ein interessanter Nebeneffekt ist hierbei, dass beherrschbare Arbeitsplätze geschaffen werden können. Eine Rücknahme von Komplexität aus den Arbeitsprozessen kann auch in Deutschland unzählige Arbeitsplätze absichern helfen, ohne auf Facharbeit verzichten zu müssen. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 5 Effektive und sinnvolle Standardisierung Standardisierung spielt als Kernelement eines Produktionssystems eine zentrale Rolle, um sowohl Methoden geordnet einführen zu können als auch gleichzeitig eine allgemeingültige Basis für die kontinuierliche Verbesserung und Ausführung von Prozessen zu schaffen. Bei der Ausgestaltung von Produktionssystemen steht eine systematische Definition, d. h. eine Standardisierung von Prozessen, Methoden und Konzepten, was als eine Festlegung von Standards als »Good Practice« zu verstehen ist, im Fokus. Standards sind notwendig, um kurze, mitarbeiterorientierte Regelkreise zu gestalten, die es ermöglichen, relevante Entscheidungen schnell treffen zu können, um damit auf entsprechende Entwicklungen im Umfeld zu reagieren (vgl. Neuhaus (II) 2008). Standardisierung ist an dieser Stelle insbesondere deshalb wichtig, da ein Standard als sogenannter augenblicklicher Best-Practice-Zustand zugängliches Prozesswissen darstellt. Die Abweichung von Standards, sei es hinsichtlich Arbeitsausführung, Flächennutzung und Beständen, muss aufgezeigt und hinterfragt werden. Letztendlich muss sie die Voraussetzung für Verbesserungen werden, getrieben durch Mitarbeiter und/oder Führungskräfte bzw. Fachexperten. Standardisierung ist die Vorraussetzung für einen effektiven kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Standardisierung im Rahmen von Produktionssystemen zielt nicht auf einen Zustand ab, der mittels Standard für die »Ewigkeit« geschaffen wurde, sondern vielmehr auf eine »flexible Standardisierung«. Grundlage des Prinzips der flexiblen Standardisierung ist der Gedanke, dass standardisierte Prozesse, organisatorische Konzepte und Methoden dabei helfen sollen, das Produktionssystem so stabil wie möglich zu gestalten, aber dennoch einer kontinuierlichen Verbesserung unterliegen. Das Standardisieren beispielsweise von Arbeitsabläufen, Kommunikationspfaden, Wertschöpfungsketten und Problemlösungstechniken und damit z. B. auch die Sicherung von Erfahrungswissen ist die Basis für einen von allen Mitarbeitern und Führungskräften aktiv unterstützten, nachhaltigen und erfolgreichen Verbesserungsprozess. Abweichungen vom Standard sind Hinweise auf Verbesserungspotenziale und ihnen kann sofort nachgegangen werden. Entscheidend ist das Aufzeigen von Abweichungen vom definierten Standard durch eine einfache und gut sichtbare Visualisierung oder die Einbindung der Mitarbeiter. Viele Hinweise der Mitarbeiter bzgl. kleinerer Verbesserungs- und Veränderungsmöglichkeiten werden nur dann angeregt, wenn die Führungskräfte die Mitarbeiter bei der Entwicklung von Verbesserungen unterstützen, einbeziehen und dafür sorgen, dass die so generierten Hinweise sofort in Maßnahmen umgesetzt werden. Hierbei ist in den meisten Fällen nicht die Höhe einer möglichen Prämie für den Vorschlag ausschlaggebend, sondern die Schnelligkeit der Umsetzung und die konsequente Einhaltung des neuen Standards. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Die Standardisierung führt dazu, organisatorische »Leitplanken« im Unternehmen zu schaffen und dadurch komplexe Unternehmensprozesse zu beherrschen, ohne die Mitarbeiter zu überlasten. Ein Blick in viele der begleiteten Unternehmen zeigt, dass für die Führungskräfte eine große Herausforderung darin besteht, die Nachhaltigkeit der gemeinsam erarbeiteten Standards abzusichern und in der Folge permanent zu verbessern, was eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg ist. In der betrieblichen Praxis wird aber deutlich, dass Führungskräfte diese ureigene Führungsaufgabe nicht leisten können, wenn sie das tägliche »Troubleshooting« oder »Feuerlöschen« nicht überwinden. 6 Effizientes und innovatives Führungssystem Der mit einer flexiblen Standardisierung gekoppelte kontinuierliche Verbesserungsprozess erfordert einen sehr hohen Anspruch an Konsequenz im täglichen Führungsalltag. Hier gilt es, dafür zu sorgen, »Führung« für die Mitarbeiter positiv erlebbar zu machen, indem z. B. das vom Mitarbeiter geforderte Verhalten auch in aller Konsequenz von den Führungskräften vorgelebt wird. Um den Mitarbeitern Sicherheit und Orientierung im Rahmen der eigenen Leistungserbringung zu geben, ist es wichtig, ihnen permanent einen Abgleich zwischen Leistungsverhalten und Leistungsanforderungen transparent zu machen. Es gilt weiter, dafür zu sorgen, dass die Führungskräfte auch die Zeit haben, ihren Führungsaufgaben nachzukommen. Eine noch unveröffentlichte Studie der Europa Fachhochschule Fresenius in Köln, in deren Rahmen höhere Führungskräfte befragt wurden, ergab, dass die wenigsten Führungskräfte in der Lage sind, ein aus einem ganzheitlichen Managementsystem sich ableitendes Führungsprofil und sich daraus ergebende Führungsaufgaben erfüllen zu können (vgl. Neuhaus (III) 2008). In der Studie kommt eindeutig zum Ausdruck, dass den einzelnen Führungskriterien mehrheitlich eine sehr hohe Bedeutung beigemessen wird, aber der Istzustand aufgrund des täglichen »Troubleshootings« eklatante Defizite aufweist. Diese Defizite in der Führung von Unternehmen werden, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt, in fast jedem analysierten Unternehmen deutlich. So beschäftigen sich z. B. viele Führungskräfte hauptsächlich mit der Beseitigung von Problemen, die oft andere Unternehmensbereiche verursacht haben oder sind beschäftigt mit dem Suchen von Teilen, Werkzeugen, Dateien, Informationen und/oder Zeichnungen. Hinzu kommen »Grabenkämpfe« und strategische »Spielchen« zwischen unterschiedlichen Bereichen und Abteilungen, die eigentlich ein internes Kunden-Lieferanten-Verhältnis pflegen sollten, sowie ein stark übertriebenes und z. T. überbewertetes Karrieredenken. Dies ist u. a. auch der Grund dafür, dass Führungskräfte selten am Ort der Wertschöpfung auszumachen sind, dadurch wenig Kenntnis über aktuelle Problemstellungen haben und ihre Kennzahlen und Steuerungsgrö angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 ßen oft nur noch aus dem PC entnehmen (Management by PC). Das eigentliche Kerngeschäft, die eigenen Arbeitsprozesse auf Basis der aktuellen Standards permanent zu verbessern, kommt dadurch häufig zu kurz. Dies bedeutet sowohl Stillstand, als auch permanentes »Feuerlöschen«. In der Folge kommt es durch Hektik oft zu Fehlentscheidungen oder Fehleinschätzungen. Wenn hierzu noch eine hohe Komplexität und z. B. große Führungsspannen in den Arbeitsprozessen und -systemen gegeben sind, können Prozesse nicht mehr zielführend gesteuert werden und die gewünschten Ergebnisse erreichen. Oftmals ist dieser Zustand für die meisten Führungskräfte, unabhängig von der Hierarchieebene, ein normaler Zustand, dessen man sich durchaus bewusst ist, aber der durch das tägliche »Troubleshooting« überdeckt und vor dem zumeist resigniert aufgeben wird. Sicherlich ist nicht jeder, der eine Führungsfunktion wahrnimmt, auch geeignet, in solchen ganzheitlichen Unternehmenssystemen erfolgreich zu sein. Taiichi Ohno, der »Vater« des Toyota-Produktionssystems (TPS), sah bereits die Problematik, dass der Übergang von einer klassischen Führung in die aus dem TPS abgeleitete hoch anspruchsvolle Funktion der Führung konsequent vollzogen werden muss, aber dies für die Verantwortlichen schmerzvoll sein wird (vgl. Ohno 1993). Es ist zu vermuten, dass sich dies, so zeigen die in den letzten Monaten gemachten Erfahrungen, nicht vermeiden lässt. Es muss gelingen, den Führungskräften wieder die Freiräume zum Führen ihrer Mitarbeiter zu geben, damit sie für ihre Mitarbeiter wieder ausreichend Zeit haben, um die Arbeitssysteme und -prozesse so zu gestalten, dass die Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit stetig verbessert werden kann. 7Nachhaltiges Verbesserungsmanagement in japanischen und deutschen Unternehmen Die im Rahmen der Initiative »Sicherung von Produktionsarbeit« besuchten japanischen Unternehmen zeichnen sich durch einige wesentliche Merkmale aus, die nachfolgend vorgestellt werden. Es sind in diesen Unternehmen nicht immer die »großen« Verbesserungen, die den Erfolg ausmachen, sondern eher die Vielzahl an kleinen Verbesserungen, welche die Mitarbeiter direkt vor Ort, sei es in der Produktion oder in administrative Bereichen, mit dem Blick für Verschwendung immer wieder aufzeigen. Dabei werden in der Regel keine ausgeklügelten Methoden eingesetzt, sondern es ist oft nur der gesunde Menschenverstand, der zur Anwendung kommt. Die permanente Arbeit an Verbesserungen gehört zum Kerngeschäft aller Mitarbeiter und Führungskräfte, deren Motivation dadurch entsteht, dass zum einen die belegbare Sicherung der Arbeitsplätze gewährleistet wird und zum anderen eine schnelle Realisierung der vorgetragenen Ideen erfolgt. Es ist dabei erstaunlich, mit welchen einfachen Mitteln und mit welchem Fleiß und welcher Akribie die Mitarbeiter, Führungskräfte und Fachexperten nach der Wurzel des Problems suchen angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 und das Problem nachhaltig abstellen. Dies führt sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Führungskräften dazu, dass alle an der Erreichung eines gemeinsamen Zieles arbeiten, indem Verschwendung in den Prozessen beseitigt und der Anteil der Wertschöpfung in den Prozessen ständig erhöht wird. Ein japanischer Werkleiter brachte die Vorgehensweise mit der Aussage »Produktivität, Qualität und absolute Termintreue kommen dann fast von alleine« auf den Punkt. Er ergänzte hierzu noch, dass diese vielen, fast täglichen Verbesserungen konsequent zu robusten und störungsfreien Prozessen sowohl in der Produktion als auch in der Administration führen und somit ein »harmonischer und ruhiger« Wertschöpfungsprozess entsteht. Auf diese Weise können sich die Mitarbeiter und Führungskräfte auf ihr eigentliches Kerngeschäft, die stetige kontinuierliche Verbesserung von Prozessen, voll und ganz konzentrieren. Im Gegensatz dazu, wird in den deutschen Unternehmen häufig ein Verbesserungsmanagement verfolgt, das sich insbesondere durch den Einsatz unzähliger Methoden als Grundlage für den Verbesserungsprozess auszeichnet. Dieser von externen Beratern getriebene Einsatz von Methoden wird zumeist teuer eingekauft und trainiert, ohne dass man die eigentlichen Probleme und Verschwendungsfelder im Unternehmen vorher analysiert hat und erkennt. Die in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen zeigen, dass dringender Handlungsbedarf dahingehend besteht, den Verantwortlichen in den Unternehmen klar zu machen, dass zunächst Schwachstellen zu analysieren sind und dann die festgestellten Probleme die Methoden »ziehen«, die zur Vermeidung von Verschwendung einzusetzen sind. Der umgekehrte Weg, d. h. Methoden unreflektiert ins Unternehmen zu »drücken« und erst dann nach Problemen zu suchen, kann nicht zielführend sein bzw. die vorgefundene Realität in den Unternehmen zeigt, dass dieser Weg auch nicht zielführend ist. Die Studie »Aufschwung jetzt« macht deutlich, wie wichtig der kontinuierliche Verbesserungsprozess in den Unternehmen ist (vgl. Diederich, Neuhaus 2008). Die Studie zeigt aber auch, dass die Personalplanung, in Sinne vorausschauender Personalentwicklung, innerhalb der Unternehmen schwach ausgeprägt ist. Dies lässt vermuten, dass die Personalverantwortlichen noch nicht ihre Rolle und ihren Platz in solchen Unternehmenssystemen gefunden haben. Der Einsatz von Methoden zur Unterstützung der Verbesserungsprozesse erfordert eine begleitende und gezielte Qualifizierung durch die Führungskräfte vor Ort. Hierzu ist es erforderlich, den Führungskräften die hierfür notwendigen Freiräume in ihrem Tagesgeschäft zu geben und es muss die notwendige Methodenkompetenz als Dienstleistung im Unternehmen vorhanden sein. Eine professionelle Unterstützung und Begleitung durch den Personalbereich ist hier unerlässlich. »Hier brauchen wir vermehrt den Change-Agent, den, der initiiert und antreibt; wenn das nicht der Unternehmenschef ist, brauchen wir dafür aktive Personaler« (Bullinger 2008). 10 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 8 Harmonisierte und reibungsfreie Schnittstellen Es ist erfreulich, wie sich viele deutsche Produktionsstandorte in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Man kann durchaus die Behauptung aufstellen, dass die deutschen Unternehmen in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt sind. Jedoch gibt es noch beachtliche Potenziale, die teilweise unbeachtet auf dem »Boden« liegen. Hier sei beispielhaft die Schnittstellenproblematik aufgeführt. Ein Beispiel aus Japan soll dies verdeutlichen. Im Abstand von wenigen Monaten konnten verschiedene Toyota-Werke in Japan besichtigt werden. Hierbei wurde festgestellt, dass über alle Unternehmensbereiche hinweg eine unheimliche Experimentierfreudigkeit vorhanden ist, auf aktuelle Herausforderungen schnell und effektiv zu reagieren. So werden z. B. Werksbereiche innerhalb weniger Monate komplett umgebaut, in der Regel nur ausgereifte und erprobte Produktionsprinzipien flächendeckend eingeführt oder unwirtschaftliche Prinzipien entfernt. Bei jedem Besuch lassen sich neue Veränderungen entdecken. Diese hohe, zielgerichtete Dynamik aller betroffenen Unternehmensbereiche, gemeinsam und schnell neue Standards zu schaffen, um neue Herausforderungen zu meistern, ist einzigartig. Ein Erfolgsfaktor für dieses effiziente Zusammenspiel der Unternehmensbereiche liegt u. a. in den standardisierten Kommunikationspfaden und Leistungsvereinbarungen zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen. Die internen und externen »Kunden-Lieferanten-Beziehungen« sind klar definiert und für jeden transparent. »Grafschaften« und »Fürstentümer«, wie sie häufig in deutschen Unternehmen anzutreffen sind und die möglicherweise auch noch in Konkurrenz zueinander stehen, sind undenkbar. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame (Unternehmens-) Ziel, das durch die gegenseitige zur Verfügungsstellung aller erforderlichen Fachkompetenz erreicht wird, um Probleme nachhaltig eliminieren zu können. Auf diese Weise ziehen alle Prozessbeteiligten am selben Strang und bringen ihr Know-how mit ein. Die Befriedigung der Kundenerwartung, intern ebenso wie extern, erfolgt durch die enge und reibungsfreie Vernetzung aller Unternehmensbereiche entlang der Wertschöpfungskette. Die Schnittstellen sind definiert und über Leistungsvereinbarungen abgesichert. Dies führt zu kürzeren Durchlaufzeiten und einer deutlichen Steigerung der Rendite innerhalb weniger Produktzyklen. Während der Betriebsbesichtigungen von japanischen Unternehmen stellen die deutschen Besuchergruppen oftmals die Frage, wie z. B. bei Toyota mit Schnittstellenproblemen umgegangen wird. Diese Frage stößt bei den japanischen Gesprächspartnern zumeist auf Unverständnis, da es z. B. für die Toyota-Manager unverständlich ist, dass es innerhalb eines Unternehmens Bereiche gibt, die sich nahezu unabhängig von den anderen Bereichen entwickeln, anderen Bereichen im Wege stehen und sich schlimmstenfalls teilweise auch noch gegenseitig »bekämpfen«. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 11 Die japanischen Manager haben unsere Situation in Bezug auf die Schnittstellenprobleme sehr genau analysiert und bekennen: »Wenn ihr beginnt, miteinander zu reden, haben wir ein Problem«. Trotz all dem sind wir in japanischen Unternehmen immer willkommene Gäste und man zeigt mit Stolz, was organisatorisch geschaffen wurde. Auch in den Diskussionen erleben wir immer wieder eine erstaunliche Offenheit, über alles wird geredet und auch – fast – alles wird gezeigt. Vermutlich ist man dort der festen Meinung, u. a. auch wegen der bekannten Schnittstellenproblematik, dass die Aufholjagd der ausländischen Mitwettbewerber derzeit keine große Gefahr darstellt. 9 Geführte Gruppenarbeit Eine weitere wesentliche Erkenntnis aus unserer Begleitung der deutschen Unternehmen im Rahmen der firmenspezifischen Veränderungsprozesse ist, dass in fast allen Unternehmen, die in den 90er Jahren Gruppenarbeit eingeführt haben, diese Gruppenarbeit weiterentwickelt wird. Die damals zumeist favorisierte teilautonome Variante der Gruppenarbeit, geprägt durch die Wahl der untersten »Führungsebene« in Form eines Gruppensprechers und der Anreicherung von Tätigkeitsinhalten mit nichtwertschöpfendem Charakter, wurde in den Unternehmen für die Werker oft als schwer beherrschbar eingestuft. Unabhängig davon, dass auf diese Weise für die Mitarbeiter scheinbar ein zu komplexes Arbeitsumfeld geschaffen wurde, konnten zudem in den betrachteten Unternehmen die Unternehmenskennzahlen durch diese Art der Gruppenarbeit nicht positiv beeinflusst werden. Die Gründe liegen anscheinend, so die Aussagen der Unternehmen, auf der Hand. Die Integration einer Vielzahl an unterschiedlichsten zusätzlichen Tätigkeiten in die Gruppenarbeit führte oftmals zu Frustration und Resignation der Mitarbeiter, die mit diesen Aufgaben überfordert waren oder aber nicht die notwendige Unterstützung aus den Prozessen und Abteilungen heraus erhielten. Viele Unternehmen in Deutschland haben inzwischen für sich erkannt, dass die oftmals verfolgte teilautonome Gruppenarbeit der 90er Jahre, die in verschiedenen Unternehmen durchaus auch positive Aspekte hatte bzw. in manchen Unternehmen noch hat, die erwarteten nachhaltigen Effekte in Produktivität, Qualität und Arbeitssicherheit nicht erbracht hat. Entscheidend für die Akzeptanz und für den Erfolg (auch im wirtschaftlichen Sinne) der »geführten« Gruppenarbeit sind nach Aussagen der begleiteten Unternehmen u.a. folgende Aspekte: a Klare, personifizierte Verantwortlichkeit auf jeder Führungs- und Fachebene a Direkte Mitarbeiterführung vor Ort und Steuerung der Gruppen über Kennzahlen 12 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 a Gruppengröße ca. 6-8 Mitarbeiter, in Abhängigkeit von z. B. Arbeitsumfang und Technologie a Vermeidung von Komplexität in den Arbeitsprozessen a Einfachste, schnell veränderbare und flexible Betriebsmittel a Permanente Eliminierung von Verschwendung durch die betroffenen Mitarbeiter zur Steigerung der Wertschöpfung a Entpersonifizierte Problemlösung mit ausgeprägter Experimentier freudigkeit a Konsequentes Kunden-Lieferanten-Verständnis 10 Fazit Wenn es gelingt, von erfolgreichen Beispielen zu lernen und diese Erkenntnisse in die eigene Firmensprache und -strukturen umzusetzen, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu beachten und zu schaffen, das ständige Streben nach Perfektion im Wertschöpfungsprozess zur Zufriedenheit der Kunden als Mission zu begreifen und zu betreiben, können große Schritte nach vorn gemacht werden, die in der Folge nicht nur Arbeitsplätze sichern. Dazu muss aber auch die Bereitschaft vorhanden sein, alte Zöpfe abzuschneiden, Gräben und Mauern in den Prozessen einzureißen und sich auf andere, auf den ersten Blick vielleicht außergewöhnliche, Vorgehensweisen und Prozesse einzulassen. Es muss gelingen, mit einem starken und glaubwürdigen Management die Mitarbeiter und Kunden für die hier in Deutschland produzierten Produkte und Dienstleistungen zu begeistern. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 13 11 Literatur Bullinger, H.-J.: Statement. In: Diederich, P., Neuhaus, R.: »Change Agents« gesucht. In: Personal magazin (2008), Nr. 6, S. 50. Diederich, P., Neuhaus, R.: »Change Agents« gesucht. In: Personalmagazin (2008), Nr. 6, S. 48-50. Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg): Lohnstückkosten: Schwere Bürde für den Standort D. In: Informationsdienst des IW Köln (2007), Nr. 47, S. 3 Neuhaus, R. (I): Vorwort. In: Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (Hrsg.): Produktionssysteme – Aufbau – Umsetzung – betriebliche Lösungen. Köln: Wirtschaftsverlag Bachem, 2008 Neuhaus, R. (II): Produktionssysteme: Aufbau – Umsetzung – Missverständnisse. In: Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (Hrsg.): Produktionssysteme – Aufbau – Umsetzung – betriebliche Lösungen. Köln: Wirtschaftsverlag Bachem, 2008 Neuhaus, R. (III): Anforderungen an das Führungsprofil und dessen Umsetzung im Rahmen ganzheitlicher Managementsysteme. Unveröffentlichte Studie. Europa Fachhochschule Fresenius. Köln: 2008 Ohno, T.: Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt, New York: Campus Verlag, 1993 Anschriften der Verfasser Jürgen Dörich Südwestmetall Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. Löffelstr. 22-24 70597 Stuttgart Telefon 0 711 / 76 82 -213 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Ralf Neuhaus Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Uerdinger Str. 56 40474 Düsseldorf Telefon 0 211 /54 22 63 -18 E-Mail: [email protected] 14 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Innovative Entgeltgestaltung bei GKN Driveline Trier GmbH von H. Brüning, H. Dengler und J. Loquay Gliederung 1 Einleitung 2 Ausgangssituation für ein neues Leistungsentgelt 3 Entwicklung und Einführung des neuen Systems 4 Ergebnisse Zusammenfassung Das Unternehmen hat nach der Einführung des einheitlichen Entgelt-Rahmens ein Leistungsentgeltsystem auf der Grundlage von Kennzahlen eingeführt, welches ohne aufwändige Datenermittlung auskommt. Es werden betriebliche Kennzahlen mit dem Schwerpunkt der Produktivitätsentwicklung auf der Basis einer effektiven Anlagennutzung zum Leistungsmaßstab gemacht und für die Ermittlung der Leistungsentgelte vorgegeben. Durch eine zeitnahe Ergebnisrückmeldung an die Beschäftigten ist das Modell transparent und verständlich. Schlüsselwörter: Arbeit, Beschäftigter, Bonus, Datenermittlung, Einsparung, Ergebnis, Kennzahlenvergleich, Kosten, Leistungskennzahl, Lohnstückkosten, Produktivität angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 15 1 Einleitung Die GKN Driveline Trier GmbH ist ein Automobilzulieferer und Hersteller von Präzisionsumformteilen für Gleichlaufgelenkwellen und Achswellen für leichte Nutzfahrzeuge. Das Unternehmen ist mit ca. 480 Mitarbeitern in die Präzisionsumformaktivitäten der GKN Driveline mit Standorten in zehn Ländern weltweit integriert und steht damit im ständigen Ergebnisvergleich mit Standorten im eigenen Konzern, aber auch mit Konkurrenzfirmen. Primärziel ist ständiger Erhalt und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung der Produktivität, Kapitalrentabilität, Flexibilität und natürlich ganz entscheidend durch Senkung der Lohnstückkosten. Die Optimierung und Gestaltung der vorhandenen Prozesse nach wirtschaftlichen Zielen macht die Nutzung von Daten und Zeiten unverzichtbar, sie werden für alle sichtbar und zur Chefsache. Der internationale Vergleich basiert auf Benchmarking-Kennzahlen, die auf klaren Fakten und Wirtschaftlichkeitsanalysen aufbauen und insbesondere die Wirtschaftlichkeitsentwicklung in Verbindung mit der Nutzung der Produktionsanlagen im Fokus haben. Für GKN spielten die Lohnstückkosten eine entscheidende Rolle. So wurden Überlegungen angestellt, die Beschäftigten durch ein verändertes Leistungsentgeltsystem zur Senkung der Lohnstückkosten zu motivieren. In diese Überlegungen wurde der Betriebsrat und die Personalabteilung einbezogen. Alle Maßnahmen zur Aktivierung eines umfassenden Daten- und Zeitmanagements sind deshalb prinzipiell unter Beteiligung der Mitarbeiter anzuwenden. Ergebnis war ein System, das unter Vereinbarung des Entgeltgrundsatzes »Kennzahlenvergleich« des ERA-TV, zu erheblichen Kostenvorteilen im Unternehmen führte (Abb. 1). Modernisierung des Prämienlohnsystems Ziel: Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch ■ Verringerung der Verlustzeiten (Stör-, Warte-, Instandsetzungs- und Rüstzeiten) ■ Aufnahme der »indirekten« Mitarbeiter in die Prämie ■ Verbesserung der Stückausbringung ■ Verringerung der Lohnstückkosten ■ Direkte Ergebnisrückmeldung an die Mitarbeiter ■ Transparentes Prämiensystem Abb. 1: Modernisierung des Prämienlohns 16 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 2 Ausgangssituation für ein neues Leistungsentgelt Es bestand seit über 20 Jahren ein Prämiensystem auf der Basis einer Mengenleistung. Das Prämiensystem galt nur für die Produktionsarbeiter und hatte die Fixierung ausschließlich auf die Stückzahlausbringung während der Produktionszeit. Vom Leistungsergebnis und der Prämie waren die sogenannten »indirekten« Mitarbeiter ausgeschlossen. Die Vorgabezeiten für alle Artikel und Arbeitsfolgen wurden durch herkömmliche Arbeitsstudien ermittelt. Die Vorgaben für diese Prämien waren Stück je Stunde; die Leistungsabrechnung und Entgeltfestlegung erfolgte jeweils zum Monatsende. Mit dieser Lohnform war ein nicht unbeträchtlicher Betreuungsaufwand verbunden. Hinzu kam, dass in diesem Zeitraum die Anzahl der Mitarbeiter in der Zeitwirtschaft reduziert wurde. Die Prämienleistung war auf 130 % begrenzt. Diese Begrenzung auf 130 % wirkte als Leistungsbremse. Die im Laufe der Jahre entstandenen Ausbuchungsgründe aus dem Prämiensystem boten zudem Möglichkeiten der nicht sachgerechten Beeinflussung, so dass am Ende der maximale Zeitgrad von 130 % ohne erkennbare Leistungsdifferenzierungen erreicht wurde (Abb. 2). Zusammenhang zwischen Produktionsleistung und Prämienzahlung De z No v kt O p Se Au g li Ju ni Ju ai M ril Ap M är z Fe b Ja n 130 % 120 % 110 % 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% Beispiel: Hatebur AMP 70 (altes Prämiensystem) Zeitgrad Produktivitätskennzahl Abb. 2: Zusammenhang zwischen Produktionsleistung und Prämienzahlung angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 17 3 Entwicklung und Einführung des neuen Systems Die Umstellung auf das ERA-Entgelt Anfang 2006 führte dazu, dass die Betriebsparteien eine Überarbeitung des Leistungsentgelts beschlossen. Ziel war die wesentliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zunächst in einem Schlüsselbereich der Schmiedeproduktion, der Schmiedeanlage Hatebur AMP 70, durch ein Leistungsentgelt, das von Nutzung der Anlage und der Mengenleistung abhängig ist (Abb. 3). Nutzungs- und Mengenleistungsprämie als Kombination »Nutzungsprämie« Beispiel: Hatebur AMP 70 ■ ■ Anlagengewicht Schmiedeteile 172 t 0,4-5,0 kg ■ ■ Presskraft Hubzahl 15.000 KN 50-80 Stück/min Abb. 3: Nutzungs- und Mengenleistungsprämie als Kombination »Nutzungsprämie« Es handelt sich um eine vollautomatische Anlage. Die Produktionsleistung lag in der Vergangenheit bei ca. 50 % bei einer Prämienzahlung von 130 %. Dieser Umstand sollte verändert werden. Nunmehr sollte die Nutzung der Anlage als Kombination mit der Hubzahl die Kennzahl für das Leistungsentgelt werden. Eine Datenermittlung durch Arbeitsstudien schien nicht sinnvoll, da alle Kennzahlen für die Nutzungsprämie automatisch über BDE und MDE gemeldet werden. Ausfallgründe werden nach den neuen Regelungen nicht mehr ausgebucht. Die Kombination von Nutzung und Mengenleistung wird im Verhältnis von 80:20 gewichtet. Im Mengenteil wird sichergestellt, dass die optimale Hubzahl erreicht wird. Die optimale Hubzahl entspricht nicht der vom Anlagenhersteller genannten maximalen Hubzahl, sondern ist diejenige, welche die Produktion einer großen Variantenvielzahl ohne qualitative und mengenmäßige Einbrüche erlaubt. Auf der Basis einer Istanalyse und einer fundierten Schattenrechnung werden die Größen für das Leistungsentgelt in der Startsituation ermittelt (Abb. 4 und Abb. 5). 18 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Prämienermittlung (Beispiel) 3 wichtige Größen: Prämienausgangsleistung (PAL) Prämienkennzahl (PK) Prämienendleistung (PEL) Prämienausgangsleistung PAL Prämienendleistung PEL Istleistung = Prämienkennzahl PK Punkte = Geldbetrag Ausgangsvorgabe Anlagennutzung 47 % Maximalnutzung 57 % Istnutzung 52 % = 40 Punkte (von max. 80) =4€ Mindestvorgabe Hübe 66 optimale Hubzahl 72 erreichte Hubzahl 69 = 10 Punkte (von max. 20) =1€ = 50 Punkte (von max. 100) =5€ (bei max. 100 P.) Prämienlohn Abb. 4: Beispiel Leistungsentgelt mit Nutzungs- und Mengenleistungsprämie Beispiel zur grafischen Prämienermittlung Punkte Nutzungsteil 80 Mengenteil 20 13,3 64 0 47 % PAL Punkte 0 55 % PK 57 % PEL Spanne 10 somit 8 Punkte pro % (55 % -47%) x 8 P/% = 64 Punkte 66 Hübe 70 72 Spanne 6 Punkte pro Hub 3,33 (70-66) x 3,33 = 13,33 Punkte Prämie = 77,33 Punkte x 0,05€/Punkt = 3,87€ Abb. 5: Grafische Aufbereitung einer Prämienermittlung angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 19 Eine Obergrenze für das Leistungsentgelt ist in der Monatsbetrachtung nicht festgelegt. Die Begrenzung erfolgt in der Dreimonatsübersicht. Um große Schwankungen zu vermeiden, erfolgt eine Kumulierung von drei Monaten, wobei jeweils der älteste Monat entfällt und der aktuelle Monat hinzukommt. Einmal im Jahr findet eine Überprüfung des Leistungsentgelts statt. Liegt die Gesamtpunktzahl über 100, erfolgt eine Bonuszahlung auf die erzielte Überschreitung an die Beschäftigten. Ausgangsleistung und Endleistung werden danach neu berechnet und festgelegt. Die tägliche Ermittlung der erreichten Leistung erfolgt im Nutzungsteil auf der Grundlage der geleisteten Produktionsstunden (Prod/h) der Anlage dividiert durch die verbrauchten Betriebsmittelstunden (BM/h) der Anlage. Die am Monatsende erreichte Produktivitätskennziffer ausgedrückt in Prozent führt über die Punktzuordnung zum Betrag in €. Im Mengenteil ist die Steigerung der Höhe bei einer Bewertung von 3,33 Punkte je Hub (Gewichtungsteil 20 Punkte dividiert durch die Prämienspanne von 6) die Berechnungsgrundlage für den €-Betrag (Abb. 6 und Abb. 7). Tägliche Prämienermittlung Datum BM/h Prod/h PK Punkte Prämie 2.1. 24,0 18,0 75 % 224 11,20 € 3.1. 24,0 12,0 50 % 24 1,20 € n Tage ------ ------ ------ ------ ------ 31.1. 24,0 10,1 42 % 0 0€ 600,00 360,00 60 % 104 5,20 € Datum Stück Hub Punkte Prämie Punkte Prämie 2.1. 73.440 68 6,7 0,33 € 230,7 11,53 € 3.1. 50.400 70 13,3 0,67 € 37,3 1,87 € n Tage ------ ------ ------ ------ ------ ------ 31.1. 45.450 75 30,0 1,50 € 30,0 1,50 € 1.576.800 73 23,3 1,17 € 127,3 6,37 € Abb. 6: Beispiel tagesbezogene Prämienermittlung 20 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Monatliche Prämienermittlung (für Entgeltzahlung) Datum BM/h Prod/h PK Punkte Prämie Jan 600 360 60 % 104 5,20 € Feb 480 240 50 % 24 1,20 € März 528 222 42 % 0 0€ 1.608 820 51 % 32 1,60 € Datum Stück Hub Punkte Prämie Punkte Prämie Jan 1.576.800 73 23,3 1,17 € 127,3 6,37 € Feb 1.008.000 70 13,3 0,67 € 37,3 1,87 € März 999.000 75 30,0 1,50 € 30,0 1,50 € 3.583.800 75 20,0 1,00 € 52,0 2,60 € Abb. 7: Beispiel monatliche Prämienermittlung 4 Ergebnisse Durch das neue Leistungsentgeltsystem konnten im Pilotbereich erhebliche Einsparungen einerseits und eine hohe Leistungsmotivation der Mitarbeiter durch erhöhte Prämien andererseits erzielt werden. Die möglichen Risiken, die im Abrechnungszeitraum auch mehrfach spürbar waren, werden durch den 3-Monatsdurchschnitt minimiert und durch die Mitarbeiter wird alles dafür getan, einen optimalen und wirtschaftlichen Fertigungsprozess sicherzustellen. Eine aktive Beteiligung der Mitarbeiter an dem im Unternehmen eingesetzten Methodenmanagement – Lean Enterprise (KVP, Kaizen) – führte dazu, die Verlustzeiten zu reduzieren. Geringere Verlustzeiten bedeuten eine höhere Produktivität. Die richtigen Dinge zu tun (Effektivität) und dies dann wirtschaftlich zu tun (Effizienz) wurde zur Arbeitsaufgabe der Mitarbeiter und wird permanent mit einer höheren Prämie belohnt. Nach Einführung des neuen Leistungsentgelts konnte damit insgesamt eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. Die produktiven Zeiten konnten im Vergleich zur Startphase um 480 Stunden erhöht werden, was einer Steigerung der produzierten Stückzahl pro Betriebsmittelstunde um 17 % entspricht. Die Erhöhung der Anzahl der produzierten Teile pro Mitarbeiterstunde um 29 % konnte gegenüber den Ausgangswerten nachgewiesen werden. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 21 Das Unternehmen hat für den Pilotbereich – im Zeitraum von 01.02.2006 bis 31.12.2007 – 25.600 € (+ 48 %) mehr an zusätzlicher Prämie ausgegeben, wobei insgesamt dafür eine Reduzierung der Lohnstückkosten in Höhe von 1.490.000 € (Einsparung von 25 %) erreicht wurde. Dieses Ergebnis führte dazu, im Bereich der Zerspanung ebenfalls eine »Kombiprämie« einzuführen, die Mitarbeiterproduktivität und Betriebsmittelnutzung als Kennzahlen beinhaltet. Auch in diesem Bereich wurden die Lohnstückkosten um 25 % gesenkt, d. h. eine Einsparung von 431.000 Euro erzielt bei einer Prämienausschüttung von 30.000 Euro für alle Mitarbeiter. Inzwischen findet ein reger Erfahrungsaustausch statt, bei dem sich Nutzer gleicher Technik für das Erfolgsmodell interessieren. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen führten auch dazu, dass der Konzern kräftig in den Standort investiert, neue Anlagen und Maschinen gekauft wurden und damit die Arbeitsplätze am Standort Trier nachhaltig gesichert werden konnten. Ein wirksames Daten- und Zeitmanagement ist unverzichtbar zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, zeitwirtschaftliches Handeln schafft den Rahmen und liefert die Grundlagen für optimale Prozessgestaltung, Kennzahlen bilden die Ergebnisse der Gestaltung dynamisch ab und geben Impulse für permanente Veränderung. Sie müssen für das vorhandene Umfeld maßgeschneidert werden und sind dann Garant für Erfolg, in Kombination mit leistungsgerechter Entgeltfindung. Daten für die Prämienermittlung Vorgabezeit pro Betriebsmittelstunde 1. Ermittlung der A-Teile auf den einzelnen Zerspanungsmaschinen 2. Errechnung der sec/Stück für die einzelnen Maschinen ➜ Eine durchschnittliche Vorgabezeit pro Maschine für die Entlohnung Drehoperationen und Stückzahl ➤ Drehoperationen werden pro Maschine ermittelt ➤ Stückzahlermittlung ist die Folge von mehreren Drehoperationen Anwesenheitszeit ➤ Ermittlung der tatsächlichen Anwesenheitszeit im Team durch Personalzeitsysteme Genutzte Betriebsmittelzeit ➤ Ist die Produktionszeit plus alle Verlustzeiten und wird über das BDE bzw. MDE ermittelt Abb. 8: Daten für Gestaltung einer Prämienermittlung 22 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Aufbau der »Kombiprämie« Teil 1: Mitarbeiterproduktivität (Wertschöpfung) Produktivitätskennzahl = (PK) Wirkung: Ausführungszeit = Drehop. x teB Anwesenheitszeit Gewichtung 60 % ■ Erhöhung der Drehoperationen pro Mitarbeiterstunde ■ Bereitschaft zur Mehrmaschinenbedienung wird gefordert Teil 2: Betriebsmittelnutzung Nutzungsgrad (NG) Wirkung: = Stückzahl genutzte Betriebsmittelzeit Gewichtung 40 % ■ Kontinuierliche Betrachtung der Verlustzeiten ➜ Verbesserung der Maschinenverfügbarkeit ■ »Entfesselung« Mensch – Maschine ➜ Verbesserung der Teamarbeit Abb. 9: Aufbau einer »Kombiprämie« Anschrift der Verfasser Harald Brüning Diplom-Ingenieur Verband der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen e. V. Ferdinand-Sauerbruch-Str. 9 56073 Koblenz Telefon: 0 261 / 40 40 6-46 Telefax: 0 261 / 40 40 6-26 E-Mail: [email protected] Harald Dengler Josef Loquay REFA-Techniker, staatlich geprüfter Maschinenbau Techniker Abt. Human Resources -Entgelt/Ideenmanagement GKN Driveline Trier GmbH Hafenstraße 41 54293 Trier Telefon: 0 651 / 96 61-346 Telefax: 0 651 / 96 61-301 E-Mail: [email protected] Fertigungsingenieur, Betriebsrat GKN Driveline Trier GmbH Hafenstraße 41 54293 Trier Telefon: 0 651 / 96 61-365 Telefax: 0 651 / 96 61-301 E-Mail: [email protected] angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 23 Arbeitsschutz-Management-Systeme (AMS) als Hilfen für eine sichere Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes von E. Metze Gliederung 1 Einführung 2 Keine Normung von Arbeitsschutz-Management-Systemen 3 Der ILO-Leitfaden zu AMS (ILO-OSH 2001) 4 Der »Nationale Leitfaden« zu AMS 5 AMS-Aktivitäten der gesetzlichen Unfallversicherung 6 Schlussbemerkungen 7 Anhänge/Checklisten Zusammenfassung Die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben Ende 2007 erstmals nationale Arbeitsschutzziele für den Zeitraum 2008-2012 beschlossen. Im Rahmen dieser »Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie« (GDA) wollen Bund, Länder und Unfallversicherungsträger verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die Schwere und Anzahl der Arbeitsunfälle noch stärker zu reduzieren. Ein Fokus wird im Rahmen der GDA auf eine systematische Wahrnehmung des Arbeitsschutzes besonders in kleinen und mittleren Betrieben gelegt. Damit gewinnt die Debatte um die Einführung und mögliche Normung von Arbeitsschutz-Management-Systemen erneut an Aktualität und Bedeutung. Der Beitrag gibt einen Überblick über die gegenwärtige Diskussion, über die Bedeutung und den Umgang mit AMS, wobei die Beibehaltung der Normfreiheit von AMS besonders hervorgehoben wird. Schlüsselworte Arbeitsschutz, Arbeitsunfall, Leitfaden, Managementsysteme, Normung, Prävention 24 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 1 Einführung In der betrieblichen Praxis größerer Unternehmen und Organisationseinheiten, aber auch in KMU, stellt sich die Frage, wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in die Führung und Organisation des Unternehmens eingebunden werden kann. Arbeitsunfälle sollen vermieden, die Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit nicht gefährdet werden und die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen gewahrt bleiben. Dazu gehört selbstverständlich auch eine sinnvolle Arbeitsorganisation und ein störungsfreier Ablauf der Produktionsprozesse. Arbeitsschutz-Management-Systeme (AMS) sind hierfür sinnvolle Hilfen und bieten für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter zahlreiche Vorteile. Das AMS sollte die in Abb. 1 dargelegten Hauptelemente enthalten. Politik Organisation it Aud Planung und Umsetzung ru ng Verbesserungsmaßnahmen se Bewertung e dig stän s be r Ve Abb. 1: Hauptelemente von AMS angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 25 Die hohe Qualität und die erreichten Standards des Arbeitsschutzes in Deutschland lassen eine weitere nachhaltige Senkung der Unfallzahlen und arbeitsbedingten Erkrankungen allein mit technischen Maßnahmen kaum noch erwarten. Hier setzen die Instrumentarien des Arbeitsschutzes an, die Organisationsund Verhaltensdefizite einbeziehen und als systematisch entwickelte und bewertbare Managementsysteme den Arbeitsschutz weiter fördern sollen. Der Arbeitsschutz, insbesondere die Erfüllung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die in Rechtsvorschriften enthalten sind, liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber sollte in Bezug auf die Arbeitsschutzaktivitäten innerhalb der Organisation die Führungsrolle übernehmen und alle Beschäftigten auf die damit verbundenen Festlegungen verpflichten. Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden oder so weit wie möglich zu minimieren, liegt im gemeinsamen Interesse von Beschäftigten und Unternehmen. Die Präventionsarbeit der Unternehmen auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes sowie weiterer staatlicher und berufsgenossenschaftlicher Vorschriften verfolgt diese Intention (vgl. Metze in der »Sicherheitsingenieur« 08/2007). Ebenfalls kann ein AMS dazu beitragen, strafrechtliche Haftungsrisiken im Arbeitsschutz soweit wie möglich zu minimieren (siehe nachfolgende Übersicht). Beispielhafte Haftungsrisiken im Arbeitsschutz Die wichtigsten Rechtsquellen für mögliche strafrechtlich relevante Verstöße im Arbeits- und Gesundheitsschutz sind: a § 145 StGB Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemittel a § 223 StGB Körperverletzung a § 226 StGB Schwere Körperverletzung a § 230 StGB Strafantrag a § 306f StGB Herbeiführung einer Brandgefahr a § 319 StGB Baugefährdung a § 823 BGB Schadensersatzpflicht a § 104 SGB VII Beschränkung der Haftung der Unternehmer a § 105 SGB VII Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen a § 106 SGB VII Beschränkung der Haftung anderer Personen a § 108 SGB VII Bindung der Gerichte a § 110 SGB VII Haftung gegenüber den Sozialversicherungsträgern 26 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Der Arbeitgeber hat nach § 3 Arbeitsschutzgesetz unter anderem »für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen«. Verletzt er seine Pflichten vorsätzlich, so entfallen die im Sozialgesetzbuch VII genannten und oben aufgeführten Haftungsbeschränkungen. Bei grob fahrlässigem Handeln haftet der Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsträgern für die entstandenen Aufwendungen. Näheres regelt § 110 SGB VII. 2 Keine Normung von Arbeitsschutz-Management-Systemen Auf nationaler wie internationaler Ebene werden Arbeitsschutz-ManagementSysteme entwickelt und diskutiert. Teilweise wird gefordert, diese in Normen zu standardisieren, nach denen sich die Unternehmen zertifizieren lassen könnten, wie z. B. nach der OHSAS 18001. Dieses Dokument, das nach Überarbeitung 2007 zu einer britischen Norm erhoben wurde, wurde durch ein Konsortium einiger nationaler Normungsinstitute – z. B. British Standard (BSI) – und Zertifizierungsgesellschaften entwickelt und wird auch in Deutschland zur Zertifizierung genutzt. Auf nationaler wie EU-Ebene (BUSINESS EUROPE – der europäische Industrie- und Arbeitgeberverband), aber auch international (Internationale Arbeitsorganisation – ILO) besteht jedoch weitgehend Einigkeit, dass der betriebliche Arbeitsschutz kein geeigneter Gegenstand für die Normung ist. So haben zwischen der ILO und der ISO (Internationale Normungsorganisation) in jüngster Zeit Gespräche stattgefunden, in denen die ILO nachdrücklich die ISO gebeten hat, von einem Normungsvorhaben in Bezug auf Arbeitsschutz-Management-Systeme Abstand zu nehmen, da es ureigenste Aufgabe der ILO ist, im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz tätig zu werden. Inwieweit jedoch ISO dem Druck nationaler Normungsinstitute, die eine AMS-Norm mit Entschiedenheit fordern, auf Dauer standhalten kann, bleibt abzuwarten. ISO hat jedenfalls für den Augenblick beschlossen, von einem Normungsvorhaben abzusehen und die weitere Entwicklung auf internationaler Ebene abzuwarten. Viele Unternehmen haben bereits an die Erfordernisse vor Ort angepasste Managementsysteme für den Arbeitsschutz eingerichtet. Auf Grund der unterschiedlichen betrieblichen Gegebenheiten sind gesetzliche oder normative Vorgaben für die innerbetriebliche Organisation des Arbeitsschutzes jedoch weder sinnvoll noch möglich. Der Grundsatz »One Size fits All« gilt hier gerade nicht. Aus Sicht der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Betriebe, steht jedenfalls fest, dass es auf diesem Gebiet keiner zusätzlichen Normung bedarf, die dann geradezu zwangsläufig Audits und Zertifizierungen nach sich zieht. Eine Norm im Bereich der Arbeitsschutz-Management-Systeme würde den betrieblichen Arbeitsschutz nicht verbessern, aber erhebliche Kosten für die Betriebe nach sich ziehen. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 27 Die Unternehmen sollten sich daher nach Auffassung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auch nicht mit gegenseitigen Forderungen nach Zertifikaten belasten. Die weitreichende Ernüchterung in Bezug auf die Qualitätsmanagementsystem-Norm ISO 9000 sollte für die Unternehmen Anlass sein, über Sinn und Zweck einer Fortsetzung der Auditund Zertifizierungsmaschinerie nachzudenken. Hier spielen ökonomische Interessen Dritter offensichtlich eine wesentliche Rolle. Aber es gibt darüber hinaus weitere Gründe, eine Normung auf diesem Gebiet abzulehnen. Alle weiteren, über das jetzige umfassende Regulierungsniveau hinausgehenden Regelungen würden nach Auffassung der Arbeitgeber die unternehmerischen Freiheiten weit über das erträgliche Maß hinaus beschneiden und einschränken. Außerdem würden sie über die de facto nicht mehr freiwillige Anwendung der Norm (Zertifizierungsdruck) in die einzelstaatliche Regelungsbefugnis der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft eingreifen. Zudem könnten europäische Normen auf diesem Feld in Widerspruch zu nationalen Regelungen stehen. Vor diesem Hintergrund haben auch die Kommission Arbeitsschutz und Normung – KAN – und die in ihr vertretenen Kreise (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Staat, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, heute: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV – und das Deutsche Institut für Normung – DIN), wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen, mit dafür gesorgt, dass eine Normung von AMS bisher verhindert wurde. Auch das Deutsche Institut für Normung – DIN lehnt solche Normungsbestrebungen weiterhin ab. Arbeitsschutz-Management-Systeme betreffen den Arbeitsschutz für die Beschäftigten, und ihre Einführung fällt in die Organisationsfreiheit des Unternehmers. Somit fällt ein AMS allein in den Geltungsbereich des Art. 137 des EG-Vertrages und in die nationale Regelungsbefugnis. Für Deutschland sind alle in der KAN vertretenen Kreise der Auffassung, dass die Einführung eines AMS ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. 3 Der ILO-Leitfaden zu AMS (ILO-OSH 2001) Im Mai 2001 hat die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO) einen Leitfaden für Arbeitsschutz-Management-Systeme herausgegeben. Dieser Leitfaden dient der freiwilligen Einführung von Arbeitsschutz-Management-Systemen. Er basiert auf den international vereinbarten Grundsätzen der dreigliedrig (Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Regierungen) organisierten Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Der Leitfaden wurde aus deutscher Sicht unter Beteiligung und Mitwirkung von Mitgliedern der Kommission Arbeitsschutz und Normung und im Konsens aller beteiligten Kreise maßgeblich mitgestaltet. 28 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Die praktischen Empfehlungen dieses Leitfadens richten sich an alle, die für das Arbeitsschutzmanagement zuständig sind. Die Empfehlungen sind nicht rechtsverbindlich und nicht dazu bestimmt, nationale Gesetze, Vorschriften und anerkannte Standards zu ersetzen oder zu erläutern. Für ihre Anwendung ist keine Zertifizierung erforderlich. Die Organisation des Arbeitsschutzes ist die Verantwortung und die Pflicht des Arbeitgebers. Eine nützliche Vorgehensweise zur Erfüllung dieser Pflicht ist die Umsetzung eines Arbeitsschutz-Management-Systems. Die ILO hat mit diesem Leitfaden ein praxisorientiertes Instrument geschaffen, das Organisationen und zuständige Stellen bei der ständigen Verbesserung der Arbeitsschutzleistungen unterstützen soll. Auf nationaler Ebene soll der Leitfaden als Rahmen für ArbeitsschutzManagement-Systeme der Mitgliedsstaaten verwendet werden. Wie der ILO-Leitfaden auf deutscher Ebene umgesetzt wurde, beschreibt das nachfolgende Kapitel. 4 Der »Nationale Leitfaden« zu AMS Der in Deutschland unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der obersten Arbeitsschutzbehörden der Länder, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und der Sozialpartner sowie auch unter Teilnahme der KAN erarbeitete Nationale Leitfaden (NLF) folgt der Struktur des ILO Leitfadens. ILO-Leitfäden für AMS AMS in Organisationen Nationaler Leitfaden für AMS Spezifische Leitfäden für AMS Abb. 2: Leitfäden für AMS in Organisationen angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 29 Abbildung 2 zeigt, dass der Leitfaden auf drei Ebenen angewendet werden kann: a Auf der internationalen Ebene, d. h. ein Unternehmen kann den ILO- Leitfaden direkt anwenden (Voraussetzung hierfür ist der Konsens mit den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden). a Auf nationaler Ebene durch die Anwendung des nationalen Leitfadens (NLF). a Auf Unternehmens- oder Branchenebene durch die Entwicklung von branchenspezifischen AMS-Konzepten oder von Konzepten, die individuell auf die Bedürfnisse einzelner Unternehmen oder Unternehmensgruppen zugeschnitten sind. Der ILO-Leitfaden als international anerkanntes Grundlagendokument bildet somit den auf der Basis der Freiwilligkeit anzuwendenden Regelungsrahmen mit Spielräumen für die Organisationen und stellt ein Gegengewicht zu den Normungsbestrebungen im Hinblick auf AMS dar. Wichtige Grundlagen für die inhaltliche Ausgestaltung werden durch die nationalen Arbeiten, AMS-Konzepte und Leitfäden der Bundesländer, wie z. B. dem LASI-Leitfaden »Spezifikation zur freiwilligen Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von Arbeitsschutz-Management-Systemen (AMS)« und dem LASI-Leitfaden »Handlungsanleitung zur freiwilligen Einführung und Anwendung von Arbeitsschutz-Management-Systemen (AMS) für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)« oder der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung mit den »5 Bausteinen für einen gut organisierten Betrieb – auch in Sachen Arbeitsschutz« von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) beschrieben. Der ILO-Leitfaden ermöglicht es den einzelnen Staaten auf seiner Grundlage, spezifisch angepasste nationale Leitfäden zu veröffentlichen. Damit wird die Möglichkeit zur Angleichung an die nationale Rechts- und Vorschriftenlage eröffnet. Darüber hinaus können in den nationalen Leitfäden spezifische Belange je nach Branchen oder Unternehmensgröße, z. B. KMU, berücksichtigt werden. Der ILO-Leitfaden bildet hierfür das Gerüst. Ein solcher nationaler Leitfaden ist in Deutschland unter Mitwirkung aller betroffenen Kreise (also auch der KAN), entwickelt worden und ermöglicht es den Unternehmen, auf dieser Grundlage ein AMS einzuführen (Anlage 3). Die nachfolgende Gliederung des »Nationalen Leitfadens« zeigt die behandelten Inhalte und Schwerpunkte. 30 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Einleitung 1 Ziele 3 Das Arbeitsschutzmanagementsystem auf der Ebene der Organisation 4 Politik 5 Organisation 6 Planung und Umsetzung 9 Gefährdung 12 Messung und Bewertung 14 Verbesserungsmaßnahmen 15 Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft in Düsseldorf z. B. stellt der Metall- und Elektroindustrie mit dem 2007 in 3., überarbeiteter und erweiterter Auflage veröffentlichten Ordner »Arbeits- und Gesundheitsschutz in Klein- und Mittelunternehmen« ein Instrument zur Verfügung, um den betrieblichen Arbeitsschutz systematisch auf der Grundlage der im Nationalen Leitfaden fixierten Anforderungen, differenziert auf die Unternehmensbedürfnisse zugeschnitten, umzusetzen. Die Anwendung des nationalen Leitfadens ist freiwillig. Durch den Leitfaden werden bestehende Rechtsvorschriften oder anerkannte Standards weder ersetzt noch erläutert. Die Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Der Leitfaden sieht keine Zertifizierung durch Dritte vor. Er ermöglicht es den staatlichen Arbeitsschutzbehörden oder den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, im Rahmen einer Systemkontrolle, den Organisationen eine freiwillige Überprüfung der Wirksamkeit ihres AMS anzubieten. Das Ergebnis der Überprüfung wird schriftlich bestätigt. Hierdurch kann eine – auch indirekte – Verpflichtung zur Zertifizierung durch Dritte oder die Vorlage anderer Bescheinigungen bei der Erteilung von Aufträgen entfallen. Wird eine schriftliche Bestätigung der Überprüfung gewünscht, müssen die Anforderungen des Leitfadens oder einer entsprechenden organisationsspezifischen Handlungshilfe von der Organisation umgesetzt werden. Strebt eine Organisation im Rahmen einer solchen freiwilligen Überprüfung eine Bestätigung der Wirksamkeit ihres betrieblichen AMS an, sind bilaterale Regelungen auf Basis des Leitfadens zu vereinbaren. Die Verknüpfungen des Leitfadens für AMS mit den Gliederungspunkten der DIN EN ISO 9001:2000 zum Qualitätsmanagement sowie mit Forderungen der DIN EN ISO 14001:1996 zum Umweltmanagement zeigen die Anlagen 1 und 2. Die deutsche Regelung berücksichtigt den internationalen Leitfaden der ILO sowie die nationalen Konsenspapiere und Konzepte. Daher brauchen Anwender in der Bundesrepublik Deutschland zum Aufbau ihres AMS nur den angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 31 nationalen Leitfaden zu verwenden, um den Grundanforderungen eines wirksamen Arbeits-und Gesundheitsschutzes zu entsprechen. Zum Konzept des Leitfadens der ILO gehört die Option, organisationsoder branchenspezifische Handlungshilfen zu entwickeln. Sie sollen die Elemente des nationalen Leitfadens an die spezifischen Bedingungen und Bedürfnisse einer Organisation oder einer Gruppe von Organisationen anpassen. Dabei sind insbesondere die Größe einer Organisation und ihre Infrastruktur sowie Gefährdungen und die damit verbundenen Risiken zu berücksichtigen. Seine Vorteile sind die hohe Flexibilität durch die Anpassung an spezifische Erfordernisse und die Legitimation durch eine breite Basis als wertvolle einheitliche Rahmenempfehlung. Der Leitfaden der ILO ist ein wichtiges In‑ strument für die Harmonisierung bestehender AMS-Konzepte. Anlage 5 zeigt eine Übersicht von Modellen, Konzepten und Leitfäden. 5 AMS-Aktivitäten der gesetzlichen Unfallversicherung Bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat der dafür eingerichtete Fachausschuss »Organisation des Arbeitsschutzes« (FAOrg) die Aufgabe übernommen, für die gesetzliche Unfallversicherung eine abgestimmte Vorgehensweise zur Umsetzung auszuarbeiten. Dies betrifft insbesondere die Wirksamkeitsüberprüfung und die Bescheinigung des AMS. Der Fachausschuss hat einen die Unfallversicherungsträger übergreifenden Verfahrensgrundsatz erarbeitet, der in prozessorientierter Form den Ablauf bei der Beurteilung und Bescheinigung von AMS in den Unternehmen beschreibt. Dadurch ist die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und die Qualitätssicherung der Vorgehensweisen bei allen Berufsgenossenschaften gewährleistet. Im Grundsatz werden folgende Verfahren geregelt: Vertragsgestaltung, Bestandsaufnahme im Unternehmen (Selbstcheck), Auswahl des Begutachtungsteams, Begutachtung der AMS-Dokumentation, Begutachtung des AMS vor Ort, Mindestinhalte des AMS, Bescheinigung über eingeführtes AMS sowie ein einheitliches Logo auf der Bescheinigung. Ebenfalls sind dort die Anforderungen an die Begutachtungsstelle, wie z. B. die Vertraulichkeit, und an die Schiedsstelle sowie die Qualifikation der Begutachter festgeschrieben. Darüber hinaus erarbeitet eine Projektgruppe des FAOrg zurzeit eine Liste mit Indikatoren, Beurteilungskriterien sowie Kennzahlen, die helfen soll, eine Bewertung der Qualität des Arbeitsschutzes im Hinblick auf ArbeitsschutzManagement-Systeme in der betrieblichen Praxis vorzunehmen. Darüber hinaus bieten die Berufsgenossenschaften auch Hilfestellungen bei der Einführung von Arbeitsschutz-Management-Systemen an. Dies gehört nach ihrem Verständnis mit zu ihrem erweiterten Präventionsauftrag. Durch die Branchenbezogenheit der Unfallversicherer besteht für das interessierte Unternehmen der Vorteil, dass von einer hohen Sachkenntnis der jeweiligen branchenspezifischen Probleme und Eigenheiten ausgegangen werden kann. 32 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Abb. 3: Gütesiegel zur branchenspezifischen Umsetzung des NLF angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 33 Zwischenzeitlich haben die Unfallversicherungsträger schon eine Vielzahl von Bescheinigungen (Abb. 3) ausgestellt. Je nach Berufsgenossenschaft bestätigt die Bescheinigung nicht nur die Übereinstimmung mit dem nationalen Leitfaden/ILO-OSH 2001, sondern auch, dass die Anforderungen nach SCC/ OHSAS 18001/OHRIS erfüllt sind. Erste Hilfe zur Beurteilung, ob die Einführung eines AMS sinnvoll und überhaupt möglich ist, bietet ein von den Unfallversicherungsträgern entwickelter Unternehmensselbstcheck (Anlage 4). Für den Fall, dass Unternehmen für die Erfassung der eigenen Arbeitsschutzleistung externe Hilfe benötigen, sollten sie sich an die für sie zuständige Berufsgenossenschaft wenden. Darüber hinaus finden sich Hinweise zur Implementierung des Arbeitsschutzes in die Unternehmen in den von der DGUV herausgegebenen »5 Bausteinen für einen gut organisierten Betrieb«. Ebenfalls hilft der oben genannte »Arbeitsschutzordner« des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft. 6 Schlussbemerkungen Wie aufgezeigt, gibt es mit den beschriebenen Instrumenten wirkungsvolle Möglichkeiten, den Arbeitsschutz systematisch und sinnvoll in die Unternehmensorganisation einzubinden. Vielfältige, auf die Bedürfnisse der Unternehmen und Branchen zugeschnittene Arbeitsschutzmanagement-Lösungen stehen hierfür zur Verfügung und sind größtenteils in bestehende Managementsysteme (Qualität/Umwelt) integrierbar. Insoweit werden neue Normungsbestrebungen, wie sie sich derzeit international abzeichnen, von den deutschen Arbeitsschutzkreisen nachdrücklich abgelehnt. Dabei wird mitbetrachtet, dass die Normen auch in Konkurrenz zum ILO-Leitfaden und dessen nationale Umsetzungen stehen würden. Der ILO-Leitfaden zu Arbeitsschutz-Management-Systemen und dessen nationale Umsetzung (NLF) müssen weiterhin die Maßstäbe sein, an denen alle weiteren Aktivitäten zu messen sind. Dieser Standpunkt wird auch von der internationalen Arbeitgeberorganisation (IOE) und der ILO selber ausdrücklich unterstützt und befördert. Anschrift des Verfassers Dipl.-Soz.Wiss. Eckhard Metze Leiter des Arbeitgeberbüro; Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) Alte Heerstr. 111 53757 Sankt Augustin Telefon: 0 22 41 / 231-34 52 Telefax: 0 22 41 / 231-34 64 [email protected] www.kan.de 34 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 7 Anhänge/Checklisten Anlage 1 Leitfaden für AMS – DIN EN ISO 14001:1996 (Umwelt) Anlage 2 Leitfaden für AMS – DIN EN ISO 9001:2000 (Qualität) Anlage 3 Beispiel für ein AMS Anlage 4 Unternehmensselbstcheck Anlage 5 Übersicht der Modelle, Konzepte und Leitfäden zum AMS Anlage 1 Verknüpfbarkeit der Elemente des Leitfadens für AMS mit Forderungen der DIN EN ISO 14001:1996 (Umwelt) Leitfaden für AMS Hauptelement/Teilelement DIN EN ISO 14001:1996 Abschn. Abschn. Forderung Arbeitsschutzpolitik 2.1 4.2 Umweltpolitik Arbeitsschutzziele 2.2 4.3.3 Zielsetzungen und Einzelziele Bereitstellung von Ressourcen 2.3 4.4.1, 2. Abs. Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit Zuständigkeit und Verantwortung 2.4 4.4.1, 1.u.3. Abs. Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit Mitwirkung, Rechte und Pflichten der Beschäftigten 2.5 4.4.1, 1. Abs. Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit Qualifikation und Schulung 2.6 4.4.2 Schulung, Bewusstsein und Kompetenz Politik Organisation 4.4.5 4.5.3 Dokumentation des Umwelt managementsystems Lenkung der Dokumente Aufzeichnungen 2.8 4.4.3 Kommunikation Erstmalige Prüfung 2.9 - - Ermittlung von Verpflichtungen 2.10 4.3.2 Gesetzliche und andere Forderungen Ermittlung von Arbeiten, Abläufen 2.11 und Prozessen (Planung) 4.4.6 Ablauflenkung Beurteilung von Gefährdungen 2.12 4.3.1 Umweltaspekte Vorbeugung gegen Gefährdungen 2.13 4.3.1 Umweltaspekte 4.4.4 Dokumentation 2.7 Kommunikation und Zusammenarbeit Planung und Umsetzung angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 35 Maßnahmen zur Vermeidung oder 2.13.1 Minimierung von Gefährdungen 4.3.1 Umweltaspekte Regelungen für Betriebsstörungen 2.13.2 und Notfälle 4.4.7 4.5.2 Notfallvorsorge und -maßnahmen Abweichungen, Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen Beschaffungswesen 4.4.6 c) Ablauflenkung Zusammenarbeit mit Kontraktoren 2.13.4 - - Arbeitsmedizinische Vorsorge, Gesundheitsförderung 2.13.5 4.5.2 Abweichungen, Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen Änderungsmanagement 2.14 - - Leistungsüberwachung und Messung 2.15 4.5.1 Überwachung und Messung Untersuchungen 2.16 4.5.2 Abweichungen, Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen Interne Audits 2.17 4.5.4 UmweltmanagementsystemAudit Bewertung durch die oberste Leitung 2.18 4.6 Bewertung durch die oberste Leitung Vorbeugungs- und Korrektur maßnahmen 2.19 4.5.2 Abweichungen, Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen Kontinuierliche Verbesserung 2.20 4.5.2 Abweichungen, Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen 2.13.3 Messung und Bewertung Verbesserungsmaßnahmen Anlage 2 Verknüpfbarkeit der Elemente des Leitfadens für AMS mit Gliederungspunkten der DIN EN ISO 9001:2000 (Qualität) Leitfaden für AMS DIN EN ISO 9001:2000 Abschn. Abschn. Gliederungspunkt Arbeitsschutzpolitik 2.1 5.3 Qualitätspolitik Arbeitsschutzziele 2.2 5.4.1 Qualitätsziele Bereitstellung von Ressourcen 2.3 6.1 6.3 6.4 Bereitstellung von Ressourcen Infrastruktur Arbeitsumgebung Zuständigkeit und Verantwortung 2.4 5.5.1 5.5.2 Verantwortung und Befugnis Beauftragter der obersten Leitung Hauptelement/Teilelement Politik Organisation 36 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Mitwirkung, Rechte und Pflichten der Beschäftigten 2.5 5.5.1 6.2.2 Verantwortung und Befugnis Fähigkeit, Bewusstsein und Schulung Qualifikation und Schulung 2.6 6.2.1 6.2.2 Personelle Ressourcen: Allgemeines Fähigkeit, Bewusstsein und Schulung Dokumentation 2.7 4.2 Dokumentationsanforderungen 2.8 5.5.3 7.2.3 Interne Kommunikation Kommunikation mit den Kunden Erstmalige Prüfung 2.9 - - Ermittlung von Verpflichtungen 2.10 7.2.1 Ermittlung der Anforderungen in Bezug auf das Produkt Ermittlung von Arbeiten, Abläufen 2.11 und Prozessen (Planung) 7.1-7.5 Produktrealisierung Beurteilung von Gefährdungen 7.1-7.5 8.5.3 Produktrealisierung Vorbeugungsmaßnahmen Vorbeugung gegen Gefährdungen 2.13 - - Maßnahmen zur Vermeidung oder 2.13.1 Minimierung von Gefährdungen 7.1-7.5 8.5.3 Produktrealisierung Vorbeugungsmaßnahmen Regelungen für Betriebsstörungen 2.13.2 und Notfälle 8.3 Lenkung fehlerhafter Produkte Beschaffungswesen Kommunikation und Zusammen arbeit Planung und Umsetzung 2.12 7.4 Beschaffung Zusammenarbeit mit Kontraktoren 2.13.4 2.13.3 - - Arbeitsmedizinische Vorsorge, Gesundheitsförderung 2.13.5 8.5.3 Vorbeugungsmaßnahmen Änderungsmanagement 2.14 - - 2.15 7.6 Lenkung von Überwachungsund Messmitteln Überwachung und Messung von Prozessen Überwachung und Messung des Produkts Messung und Bewertung Leistungsüberwachung und Messung 8.2.3 8.2.4 Untersuchungen 2.16 8.5.2 Korrekturmaßnahmen Interne Audits 2.17 8.2.2 Internes Audit Bewertung durch die oberste Leitung 2.18 5.6 Managementbewertung Vorbeugungs- und Korrektur maßnahmen 2.19 8.5.2 8.5.3 Korrekturmaßnahmen Vorbeugungsmaßnahmen Kontinuierliche Verbesserung 2.20 8.5.1 Ständige Verbesserung Verbesserungsmaßnahmen angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 37 Anlage 3 Beispiel für ein AMS Als Hilfestellung für die Umsetzung des Nationalen Leitfadens könnte ein AMS die folgenden Punkte umfassen. Der Bezug zu den Elementen des NLF ist in Klammern angegeben. 38 1. Arbeitsschutzpolitik (2.1) und deren Kommunikation im Unternehmen 2. Arbeitsschutzziele (2.2) 3. Organisation der Zuständigkeiten und Verantwortungen sowie Bereitstellung ausreichender finanzieller, personeller, sachlicher und zeitlicher Ressourcen (2.3, 2.4) 4. Bestellung der Beauftragten und Einbindung in die Organisation (2.4) 5. Mitarbeiterbeteiligung an der Verbesserung des Arbeitsschutzes (2.5) 6. Einstellung, Umsetzung und Eignung von Mitarbeitern (2.6) 7. Qualifikation und Schulung der Führungskräfte (2.6) 8. Qualifikation, Unterweisung und Schulung der Mitarbeiter (2.6) 9. Dokumentation und Lenkung der AS-Dokumente und Aufzeichnungen (2.7) 10. Interne und externe Information/Kommunikation und Zusammenarbeit (2.8) 11. Regelung zur Anpassung des AMS bei Umorganisations-/Umstrukturierungs maßnahmen (2.9) 12. Prüfung prüfpflichtiger Anlagen, Arbeitsmittel und Einrichtungen, Wartungspläne (2.10) 13. Beschreibung sicherheitsrelevanter Arbeitsabläufe/Prozesse (2.11) 14. Gefährdungsbeurteilung (2.12, 2.13.1) 15. Arbeitsschutzrelevante Freigabeverfahren bei der Projekt- und Auftrags abwicklung; Arbeitserlaubnisse/Erlaubnisscheinverfahren (2.13.1) 16. Betriebsstörungen, Notfälle, Brandschutz (2. 13.2) 17. Beschaffung von Stoffen, Arbeitsmitteln, PSA (2.13.3) angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 18. Beschaffung von Fremdfirmen (Dienstleister, Kontraktoren) und Zusammenarbeit (2.13.4) 19. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Gesundheitsförderung (2.13.5) 20. Änderungsmanagement/Änderungsschein (2.14) 21. Begehungskonzept (Betriebsbegehungen) (2.15) 22. Interne AMS-Audits (2.17) 23. Erfassung, Meldung und Auswertung von Unfällen und Berufskrankheiten sowie ggf. von Beinaheunfällen und kritischen Situationen (2.16) 24. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 25. Leistungserfassung des AMS, Bewertung des AMS durch die oberste Leitung, Ermittlung von Vorbeuge- und Korrekturmaßnahmen, Verfolgung der Umsetzung dieser Maßnahmen, Prüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen (2.15, 2.18, 2.19, 2.20) Quelle: DGUV angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 39 Anlage 4 Unternehmensselbstcheck Selbstcheck Mit nachfolgenden Fragestellungen kann das Unternehmen in erster Näherung feststellen, inwieweit Optimierungsbedarf beim systematischen Arbeitsschutz besteht. Politik Gibt es klare Aussagen, an denen sich das Unternehmen orientiert (Arbeitsschutzpolitik)? Sind konkrete Ziele im AS gesetzt? Organisation Sind die Verantwortlichkeiten und Aufgaben der betrieblichen Funktionsträger klar beschrieben? Tagt mindestens vierteljährlich ein Arbeitsschutzausschuss ? Sind die Mitarbeiter über ihre Rechte und Pflichten informiert? Werden Mitarbeiter bzw. ihre Vertreter in den AS eingebunden? Erfolgt eine regelmäßige Schulung bzw. Unterweisung der Mitarbeiter und Führungskräfte? Wurde festgelegt, welche betrieblichen Dokumente und Aufzeichnungen geführt werden? Wie werden sie gelenkt? Planung und Umsetzung Gibt es einen Prozess zur Umsetzung neuer gesetzlicher Vorschriften? Ist geregelt, wann und wie Gefährdungen im Betrieb beurteilt werden? Ist der Arbeitsschutz in alle betrieblichen Abläufe und Prozesse eingebunden (z. B. Planung, Einkauf, Schulung, Lager, Personal)? Sind Regelungen für Betriebsstörungen und Notfälle getroffen? Messung und Bewertung Finden regelmäßige Sicherheitskontrollen, Begehungen und Prüfungen statt? 40 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Werden systematische Unfalluntersuchungen durchgeführt? Wird systematisch überprüft, ob der Arbeitsschutz ausreichend organisiert ist (z. B. durch Audits)? Werden regelmäßig durch den Unternehmer die Ergebnisse des Unternehmens im Arbeitsschutz bewertet und werden Verbesserungen angestoßen? Verbesserungsmaßnahmen Ist geregelt, wie Erkenntnisse aus dem Betrieb zur Verbesserung genutzt werden (KVP)? Sind die Ergebnisse der Messung und Bewertung Anlass zu kontinuierlicher Verbesserung? Wenn Unsicherheiten bei der Beantwortung dieser Fragen auftreten, besteht Optimierungsbedarf. Quelle: DGUV angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 41 Anlage 5 Übersicht der Modelle, Konzepte und Leitfäden zum AMS In Deutschland sind derzeit von Bedeutung: »Nationaler Leitfaden für Arbeitsschutz-Management-Systeme« (nationale Umsetzung des ILO-Leitfadens für AMS, 2001) Bei dem Nationalen Leitfaden handelt es sich um ein zwischen dem Bundesarbeits ministerium, den obersten Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer, den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung und den Sozialpartnern abgestimmtes Dokument. Darüber hinaus gibt es weitere Konzepte wie: »Occupational Health- and Risk-Managementsystem (OHRIS)« des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Arbeitsschutz-Management-Systeme »Spezifikation zur freiwilligen Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von Arbeitsschutz-Management-Systemen« LV 21 des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) Arbeitsschutz-Management-Systeme »Handlungsanleitung zur freiwilligen Einführung und Anwendung von ArbeitsschutzManagement-Systemen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)« LV 22 des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) »Sicherheits-Certifikat-Contraktoren (SCC)« Ein in den Niederlanden überwiegend für die Petrochemie entwickeltes, branchen spezifisches ASM-Konzept mit Anwendungsschwerpunkten auf Kontraktoren. »Occupational Health and Safety Assessment Series (OHSAS)« OHSAS 18001: Occupational Health and Safety Management System – Specification (Dieses Dokument – britische Norm seit 2007 – wurde durch ein Konsortium einiger nationaler Normungsinstitute -z. B. BSI- und Zertifizierungsgesellschaften entwickelt.) »5 Bausteine für einen gut organisierten Betrieb – auch in Sachen Arbeitsschutz« Leitfaden zur Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Anwendungsbereich überwiegend Klein- und Mittelbetriebe. »Arbeits- und Gesundheitsschutz in Klein- und Mittelunternehmen« 3., überarbeitete und erweiterte Auflage + CD-ROM des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft Quelle: DGUV (2008) 42 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Die Einflüsse von E-Business auf die arbeitswirtschaftlichen Abläufe und Prozesse kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) von R. Klein Gliederung 1 Einleitung 2 Potenziale des E-Business im Zeichen des Fachkräftemangels 3 Einsatzmöglichkeiten des E-Business in KMU 4 E-Business Standards als Grundlage des E-Business 5 E-Business-Praxis bei der service-system GmbH 6 E-Business-Kompetenz der IW Consult GmbH 7 Zusammenfassung und Ausblick 8 Literatur Zusammenfassung Das Thema Fachkräftemangel wird nach wie vor in ganz Deutschland intensiv diskutiert. Unternehmen, Verbände und Politik suchen nach Wegen, die Auswirkungen dieses Problems abzumildern. Um dem zu begegnen, ist der produktivere Einsatz von Personal in der gesamten Geschäftsprozesskette erforderlich. Gerade diese Maßnahme ist interessant für Unternehmen mit geringen personellen Ressourcen, da sie besonders auf den effizienten Einsatz ihrer Fachkräfte angewiesen sind. Der elektronische Geschäftsverkehr (E-Business) bietet hierbei auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Lösungsansätze. Schlüsselwörter E-Business, Fachkräftemangel, Prozessoptimierung, arbeitswirtschaftliche Abläufe, elektronischer Vertrieb, elektronische Beschaffung, E-Business-Standards, Praxisberichte, eCl@ss für den Mittelstand, PROZEUS angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 43 1 Einleitung Immer mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nehmen sich des Themas E-Business an. So belegt die Studie »IT und E-Business im Mittelstand 2008« von IBM/Impulse, dass 93 Prozent der befragten Unternehmen eine eigene Website nutzen, um zumindest das eigene Unternehmen und seine Produkte zu präsentieren. Zudem legen Unternehmen vermehrt Wert auf den Einsatz höherwertiger E-Business-Lösungen. Die Entwicklung ist hier zweigeteilt: Unternehmen bis 100 Mitarbeiter setzen verstärkt auf den elektronischen Vertrieb (z. B. Online-Shops) und die digitale Vernetzung, während besonders Unternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeiter zunehmend ihre Lieferanten in die elektronische Lieferkette integrieren. Warum haben Sie sich entschieden, E-Business in Ihrem Unternehmen einzuführen? Neue Wettbewerbschancen nutzen 86 % 77 % Prozesse optimieren Kundenanforderungen 69 % 58 % Kostenreduzierung 57 % Wettbewerbsdruck Lieferantenanforderungen 38 % Mitarbeiteranforderung Sonstiges 35 % 2% 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Abb. 1: Hauptnutzen des Einsatzes von E-Business. Quelle: Eigene Darstellung nach: IBM/Impulse, »IT und E-Business im Mittelstand 2008«, Basis 456 Unternehmen Hauptnutzen für die befragten Unternehmen ist neben der Wahrnehmung von neuen Wettbewerbschancen auch die Optimierung von Prozessen. Dies geschieht zunehmend vor dem Hintergrund steigenden Wettbewerbsdrucks und dem daraus resultierenden stetigen Zwang zur Kostenoptimierung. Die Optimierung von Prozessen und arbeitswirtschaftlichen Abläufen durch den Einsatz von E-Business bietet jedoch auch die Chance, Personal effizienter einzusetzen, um die Arbeitsleistung von Fachkräften produktiver für das jeweilige Unternehmen zu nutzen. Dieser Beitrag soll Anregungen geben, den Einsatz von E-Business im eigenen Unternehmen auch aus diesem Blickwinkel zu betrachten. 44 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Definition E-Business: Unter E-Business wird im Folgenden die elektronische Abwicklung jeglicher Geschäftsprozesse verstanden, die über den reinen Kauf oder Verkauf von Gütern via Internet (E-Commerce) hinausgehen. Dies umfasst sämtliche Informationsflüsse bei der Abwicklung der gesamten Beschaffungs-, Vertriebs- und Logistikprozesse. Mit E-Business ist also die Ausführung sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens gemeint, die mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie automatisiert werden können. 2 Potenziale des E-Business im Zeichen des Fachkräftemangels Bereits 1998 wies das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel im Bereich des Ingenieurswesens hin (Informationsdienst des IW Köln, 1998, Nr. 22): Weniger als ein Drittel aller Erstsemester an deutschen Hochschulen entschied sich im Wintersemester 1997/98 für Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zehn Jahre zuvor waren es noch über 40 Prozent. In der Novemberausgabe 2007 der Zeitschrift Leistung und Lohn der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (»Prozessoptimierung und veränderte Arbeitsorganisation«) wurde die entstehende Fachkräftelücke stellvertretend für den Ingenieurbereich thematisiert. Seitdem ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht besser geworden. Laut der aktuellen Studie des IW Köln in Kooperation mit VDI »Ingenieurlücke in Deutschland – Ausmaß, Wertschöpfungsverluste und Strategien« vom April 2008 weisen zahlreiche Ingenieurunternehmen unbesetzte Stellen für Ingenieure aus. Das betrifft schwerpunktmäßig die Branchen der Elektroindustrie, Fahrzeugbau, unternehmensnahe Dienstleistungen, Chemie/Gummi- und Kunststoffherstellung. Mittlerweile sind insgesamt 94.400 Ingenieurstellen bundesweit unbesetzt. Diese Entwicklung wird im Wesentlichen durch die anhaltend hohe Nachfrage nach Ingenieuren und durch die immer noch zu geringe Absolventenzahl ingenieurtechnischer Studiengänge beeinflusst und verstärkt. Unternehmen sind daher gezwungen, ihre Ingenieure und anderen Fachkräfte möglichst effizient einzusetzen. Welche arbeitsorganisatorischen Abläufe und Prozesse können durch den Einsatz von E-Business verbessert bzw. automatisiert werden, um wertvolle Arbeitszeit einzusparen? E-Business bietet insbesondere durch den Einsatz von Standards (siehe Kapitel 4) die Möglichkeit, manuelle, sich wiederholende und damit fehleranfällige Arbeitsabläufe zu automatisieren oder ganz zu eliminieren. Ein entscheidender Faktor ist hierbei die Schaffung eines zentralen und einheitlichen Stammdatenmanagements. Aufwändiges Suchen nach und Zusammenfassen von verteilten Datenbeständen (Listen, Pläne, Zeichnungen etc.) entfällt, wenn allen Beteiligten eine einheitliche Datenquelle zur Verfügung steht. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 45 Elektronisch aufbereitete Produktdaten können außerdem in einem elektronischen Katalog eingesetzt werden. Ein elektronischer Katalog ist eine Datenbank, in der Informationen gespeichert werden, die Produkte und Dienstleistungen beschreiben. Darunter sind Preise, Mengen oder die Beschaffenheit eines Produkts zu verstehen. Elektronische Kataloge werden durch SoftwareTools erzeugt und in vielen E-Business-Anwendungen im eigenen Unternehmen oder bei Kunden eingesetzt. Praxisbericht: Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderte Projekt PROZEUS hat mehrere Unternehmen bei dem Aufbau eines einheitlichen Stammdatenmanagements und elektronischer Kataloge begleitet. Ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen Stauf Klebstoffwerk GmbH: Das Unternehmen aus Wilnsdorf, Nordrhein-Westfalen, (33 Mitarbeiter) hat eine einheitliche Medienplattform geschaffen, aus deren Inhalten sich der dynamische Teil des Internetauftritts automatisch bedient. Aus dieser Datenquelle können auch für Kunden und Zwischenhändler Inhalte auf Knopfdruck zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren lassen sich durch den Einsatz von Internettechnologien Insellösungen in Form von nicht vernetzten Systemen, beispielsweise Warenwirtschaft, Auftragserfassung, Kundenbetreuung etc. zusammenführen. Sind die einzelnen Systeme nicht miteinander vernetzt, müssen Daten von einem System zum anderen per Datenimport und -export oder durch manuelle Eingabe übertragen werden. Dabei entstehen unnötiger Arbeitsaufwand durch Doppel erfassungen und häufig vermeidbare Fehler – gerade bei manueller Erfassung. Die so genannten Medienbrüche zwischen den einzelnen Systemen bergen besonders hohes Fehlerpotenzial: Ein Medienbruch entsteht dann, wenn Daten von einem Medienformat in ein anderes übertragen werden. Typische Beispiele sind eine schlecht lesbare handschriftliche Aufzeichnung oder ein unleserliches Fax, die von einem Mitarbeiter händisch im System erfasst werden müssen. Die Vernetzung unterschiedlicher Systeme verringert den Anteil an Medienbrüchen und reduziert somit sowohl Arbeitsaufwand als auch Fehlerquellen. 3 Einsatzmöglichkeiten des E-Business in KMU Im Folgenden werden E-Business-Anwendungen für ausgewählte Unternehmensbereiche vorgestellt und ihr Einfluss auf arbeitswirtschaftliche Prozesse herausgearbeitet. 46 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 3.1 Formen des E-Business Die hier vorgestellten E-Business-Anwendungen werden bereits in vielen Unternehmen eingesetzt. Auch kleinere Unternehmen sollten prüfen, ob der Einsatz sich für sie lohnen würde. Der elektronische Vertrieb Mit Hilfe des Internets Produkte und Dienstleistungen zu vertreiben, ist nicht nur für das Privatkundengeschäft interessant. Auch im Bereich der Firmenkunden kann E-Business im Vertrieb gewinnbringend eingesetzt werden. Die Vorteile des elektronischen Vertriebs liegen unter anderem in der multimedialen Darstellung von Produkten (Grafiken, Filme etc.), der verbesserten Auswertung von Kundendaten und Kaufgewohnheiten sowie in der Automatisierung von Bestellvorgängen. Zudem bietet das Internet neben der weltweiten Präsenz auch uneingeschränkte »Öffnungszeiten«, was zu signifikanten Umsatzsteigerungen führen kann. Es gibt unterschiedliche Vertriebsarten: Neben der reinen Präsentation des Unternehmens auf der eigenen Website können (vorzugsweise Produkte) in einem eigenen Online-Shop verkauft werden. Wer keinen eigenen Shop aufbauen möchte, kann seine Produkte und Dienstleistungen auf elektronischen Marktplätzen, Auktions- oder Ausschreibungsplattformen anbieten. Bevor Unternehmen sich für eine elektronische Vertriebslösung entscheiden, sollten sie folgende Aspekte berücksichtigen: a Produkte: Sind die Produkte für den elektronischen Vertrieb geeignet? a Kunden: Wie sieht die Kundenstruktur des Unternehmens aus? Kaufen die Kunden online ein? a Konkurrenten: Was macht der Wettbewerb? Kann das Unternehmen sich durch das Einrichten eines elektronischen Vertriebs gegenüber den Konkurrenten absetzen? a Markt: Welche Märkte sollen erreicht werden? Können weltweit Märkte bedient werden? a Vertrieb: Ist die Vertriebsstruktur des Unternehmens für eine elektro- nische Absatzlösung geeignet? a Bestehende Systeme: Kann der elektronische Vertrieb in die bestehende Systemlandschaft integriert werden? angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 47 Das Kundenbeziehungsmanagement Auch das Management und die Pflege von Kundenbeziehungen kann durch den Einsatz von E-Business (CRM, engl.: Customer Relationship Management) unterstützt werden. Um dem Kunden einen verbesserten Service (zum Beispiel beim Kauf oder bei einer Reklamation) zu ermöglichen, müssen alle Kundendaten zu jedem Zeitpunkt verfügbar sein. Solche Daten sind unter anderem: a Informationen über Kaufgewohnheiten a Kundenstammdaten a Bestellhistorie a Marketinghistorie In einem CRM-System werden sämtliche Kundendaten zentral verwaltet, so dass alle Mitarbeiter mit Kundenkontakten jederzeit darauf zugreifen können. Kundenwünsche können dadurch zielgerichteter bearbeitet werden und Marketingaktivitäten zielgenauer erfolgen. Der Auftritt gegenüber dem Kunden wirkt professioneller und kann die langfristige Kundenbindung unterstützen. Dies kann Umsatzsteigerungen durch zufriedene Kunden bewirken. Vor Einführung von CRM sollten Unternehmen folgende Punkte beachten: a Kunden: Benutzen die Kunden des Unternehmens das Internet? a Unternehmen: Welche Prozesse werden durch ein CRM-System beein- flusst? a Systeme: Kann das CRM-System in die bestehende Systemlandschaft integriert werden? a Mitarbeiter: Welche Mitarbeiter haben Kundenkontakt? (Innen- und Außendienst) a Mobile Systeme: Verfügen diese Mitarbeiter über mobile Systeme (Endgeräte, bspw. Handy, PDA und Notebook). Ein externer Zugriff auf das CRM ist von hoher Bedeutung und steigert den Nutzen eines CRMSystems erheblich. Die elektronische Beschaffung (E-Procurement) Neben dem elektronischen Vertrieb kann auch die Beschaffung auf elektronischem Weg erfolgen zum Beispiel im Online-Shop eines Lieferanten oder auf elektronischen Marktplätzen. Großunternehmen kaufen in der Regel über eigene Beschaffungsportale ein, in die ihre Lieferanten integriert werden. 48 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Die elektronische Beschaffung bietet einige Vorteile. So können neben den bestehenden Lieferanten neue Beschaffungsquellen erschlossen werden. Dies kann sowohl zur Qualitätssteigerung als auch zur Kostensenkung führen, wenn günstigere Lieferanten gefunden werden. Unternehmen sollten folgende Aspekte in Betracht ziehen, bevor sie sich für eine E-Procurement-Lösung entscheiden: a Strategie: Sollen Prozesskosten gespart und/oder günstigere Preise erzielt werden? a Prozesse: Wie häufig werden Waren bestellt, die nun online beschafft werden sollen? a Volumen: Wie hoch ist der Anteil dieser Waren am gesamten Einkaufsvolumen? a Produkte: Sind die zu beschaffenden Waren für den Einkauf über das Internet geeignet? a Risiko: Wie hoch ist das Beschaffungsrisiko der benötigten Waren? a Lieferanten: Finden sich geeignete Lieferanten im Internet? 3.2 Veränderung der arbeitsorganisatorischen Abläufe und Prozesse durch E-Business Beim elektronischen Vertrieb stehen insbesondere die Prozesse der manuellen Angebotserstellung, Auftragserfassung und -bearbeitung sowie der Fakturierung im Mittelpunkt. Bestellt beispielsweise ein Kunde im Online-Shop, sind seine Kundendaten dort bereits hinterlegt. Die Bestellung des Kunden wird erfasst und an das Unternehmen elektronisch übermittelt. Durch die Anbindung an das ERP-System ist die Bestellung damit automatisch als Auftragseingang erfasst. Im Idealfall kann sogar eine Bestellbestätigung und eine Weiterleitung an die Produktion oder das Lager automatisch ausgelöst werden. Alle Daten der Bestellung können sofort den nachgelagerten Abteilungen zur Verfügung gestellt werden. Auch im Einkauf bieten sich ähnliche Möglichkeiten der Prozessverschlankung: Hat ein Lieferant seine Lagerbestandsdaten mit seinem OnlineShop verknüpft, kann der Einkauf sofort überprüfen, ob die benötigten Materialien vorhanden sind. Zeitraubende telefonische Nachfragen entfallen. Diesen Lösungsansatz hat das Unternehmen Karl Hermann GmbH aus Leonberg (Baden-Württemberg, 18 Mitarbeiter) im Rahmen seines E-Business-Projekts gewählt: Das Unternehmen entwickelte eine Online-Verfügbarkeitsprüfung seiner Produkte im eigenen Online-Shop. Kunden können tages aktuelle Lagerbestände einsehen und Lieferauskünfte einholen. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 49 Außerdem können Vertriebsdaten wie in Kapitel 3.1 bereits erwähnt durch ein CRM-System genutzt werden, da automatische Einspielungen auch hier manuelle und fehleranfällige Dateneingaben vermeiden. Die Datenpflege wird zum Teil auf den Kunden übertragen: Wenn er Bestellungen auslösen möchte, prüft und korrigiert er selbst seine Adressdaten, so dass Kundendienstmitarbeiter entlastet werden. Besonders wichtig für Außendienstmitarbeiter ist die mobile Datenübertragung auf einen Laptop oder ein PDA. Vor Kundenbesuchen können die aktuellen Verkaufszahlen, Reklamationen, Marketingaktionen etc. eingesehen werden, was für Verkaufsverhandlungen immens wichtig ist. Damit arbeitsorganisatorische Prozesse automatisiert und miteinander vernetzt werden können, müssen Systeme in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren. Diese Kommunikation kann nur dann erfolgen, wenn es hierfür feste Regeln gibt. Diese Regeln liefern im Falle von E-Business die E-Business-Standards. Kapitel 4 stellt die wichtigsten Standards im E-Business vor. 4 E-Business-Standards als Grundlage des E-Business E-Business-Standards liefern das Regelwerk für die medienbruchfreie, elektronische (und automatisierte) Kommunikation zwischen Unternehmen. Dieses Regelwerk ist umso notwendiger, je mehr Teilnehmer (IT-Systeme) sich an einer Kommunikation beteiligen. Es muss also »die gleiche Sprache« gesprochen werden. Während fachliche Standards für die geschäftliche Kompo- Identifikationsstandards Firmen und Produkte eindeutig kennzeichnen Duns®, EAN/GTIN, EPC, GRAI/GIAI, ILN/GLN, NVE/SSCC, PZN, UPIK Klassifikationsstandards Produkte einheitlich beschreiben eCl�ss, ETIM, GPC, proficl�ss, UNSPSC Katalogaustauschformate Produktdaten elektronisch bereitstellen BMEcat, cXML, Datanorm, Eldanorm, PRICAT, RosettaNet, xCBL Transaktionsstandards Geschäftsdokumente automatisiert austauschen EANCOM®, EDIFICE, GS1XML, OAGIS, ODETTE, openTRANS, RosettaNet, UBL Prozessstandards Komplexe Geschäftsabläufe automatisieren ECR, ebXML, RosettaNet, SCOR Abb. 2: Fachliche Standards im E-Business. Quelle: PROZEUS-Broschüre »Identifikations standards auswählen und einsetzen« 50 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Prozessstandards Identifikationsstandards Kunden/Lieferant Unternehmen ERP-System Katalogaustauschformate für eKataloge eProcurement eMarktplatz eKatalog Transaktionsstandards für Geschäftsdokumente Online-Shop Klassifikationsstandards Abb. 3: Einsatz E-Business-Standards im Unternehmen. Quelle: PROZEUS-Broschüre »Identifikationsstandards auswählen und einsetzen« nente der Datenübertragung verantwortlich sind, legen technische Standards die Spezifikation fest (Abb. 2 und Abb. 3). Darunter sind Datenbasisformate, Transportprotokolle aber auch Sicherheitsstandards zu verstehen. In diesem Zusammenhang werden ausschließlich fachliche Standards betrachtet. Identifikationsstandards Identifikationsstandards dienen der eindeutigen Identifikation von Objekten jedweder Art, z. B. von Unternehmen, Artikeln und Packstücken. Hauptziel hierbei ist die eindeutige und automatisierte Erkennung von Objekten in logistischen Ketten. Exemplarisch soll hierbei der Standard EAN/GTIN (Global Trade Item Number) der GS1 (Global Standard One) zur Produkt- und Warenidentifikation genannt werden. Die in der Regel 13-stellige EAN-Nummer ist rein numerisch und beinhaltet eine sieben, acht- oder neunstellige Basisnummer, eine entsprechend fünf-, vier- oder dreistellige Nummernkapazität für die Artikelnummer sowie eine Prüfziffer. Die Basisnummer wird weltweit von den GS1 Länderorganisationen (z. B. GS1 Germany) vergeben. Weitere Informationen zu diesem Identifikationsstandard erhalten Sie unter www.gs1-germany.de oder in der PROZEUS-Broschüre »Identifikationsstandards auswählen und einsetzen«. Da Identifikatiangewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 51 onsstandards ausschließlich identifizieren und keine klassifizierenden und beschreibenden Eigenschaften oder Merkmale besitzen, bedarf es einer zusätzlichen Standardkategorie um Produkte zu klassifizieren. Klassifikationsstandards Klassifikationsstandards ermöglichen es, Produkte und Dienstleistungen in eine hierarchische Struktur einzuordnen. So baut sich z. B. der Klassifikationsstandard eCl@ss aus Sachgebieten, Hauptgruppen, Gruppen- und Untergruppen auf. Des Weiteren dienen Schlagworte und Synonyme zum schnellen, zielgerichteten Auffinden von Produktklassen und ihren Merkmalleisten. Zurzeit stehen im aktuellen Release 6.0 des branchenübergreifenden Standards 32.590 Klassen, 10.930 Merkmale und 51.200 Schlagworte zur Verfügung. 23 Maschinenelement, Befestigungsmittel, Beschlag ... Sachgebiet Hauptgruppe ... 23-11 Schraube, Mutter 23-11-01 Schraube (mit Kopf) 23-11-01-01 Schraube, flach aufliegend, Außenantrieb 23-11-01-02 Schraube, flach aufliegend, Innenantrieb ... ... 23-11-07 Mutter (rund n-Kant) ... ... 23-12 Stift, Haken, Niet Gruppe Untergruppe Standard-Merkmal-Leiste ... Gewindegröße Gewindelänge Höhe des Kopfes Kopfdurchmesser der Schraube Schraubenlänge ... LAN-Code Herstellername ... [s] Schlagworte Imbusschraube Innenkantschraube Kreuzschlitzschraube Linsenschraube Schlitzschraube Abb. 4: Aufbau des Klassifikationsstandards eCl@ss. Quelle: www.eclass.de Die Weiterentwicklung von eCl@ss wird durch den eCl@ss e. V. gesteuert und durch die Fachgruppen einzelner Branchen umgesetzt. Kleine und mittlere Unternehmen sind ebenfalls aufgerufen, ihre Änderungswünsche über das eCl@ssServicePortal mitzuteilen . Die Änderungswünsche können hier online eingegeben werden und werden direkt an die Fachgruppen weitergeleitet. eCl@ss kann im eCl@ss-DownloadPortal gegen eine geringe Gebühr heruntergeladen werden. Mit dieser Gebühr wird die Weiterentwicklung des Klassifikationsstandards unterstützt. Für Unternehmen bis 50 Mitarbeitern ist der Download im Rahmen des vom BMWi geförderten Projekts »eCl@ss für den Mittelstand« 52 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 kostenfrei, Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern zahlen den halben Beitrag. Alle genannten Informationen sind unter www.eclass.de zu finden. Mehr Informationen zu den Klassifikationsstandards finden sich in der PROZEUS-Broschüre »Klassifikationsstandards auswählen und einsetzen«. Katalogaustauschformate Sollen klassifizierte Produktdaten in Katalogform Dritten zur Verfügung gestellt werden, muss gewährleistet sein, dass die Übertragung standardisiert und fehlerfrei erfolgt. Diese Aufgabe übernehmen Katalogaustauschformate. Sie ermöglichen zudem durch vorgegebene Strukturen die inhaltliche Vergleichbarkeit zahlreicher Kataloge (z. B. auf Marktplätzen). Ein Beispiel für ein Katalogaustauschformat ist BMEcat, welches auf Initiative des Bundesverbandes für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Wissenschaftlern und Standardisierungsorganisationen entwickelt wurde. Die aktuelle Version BMEcat 2005 und weitere Informationen können auf www.bmecat.org heruntergeladen und lizenzfrei genutzt werden. Das Thema Katalogaustauschformate wird in der PROZEUS-Broschüre »Katalogaustauschformate auswählen und einsetzen« detailliert behandelt. Praxisbericht: Das Metallbauunternehmen Güde GmbH mit 50 Mitarbeitern aus Plettenberg, Nordrhein-Westfalen, hat im Rahmen des Projekts PROZEUS einen elektroni schen Katalog erstellt, in dem seine Produkte nach dem Klassifikationsstandard eCl@ss klassifiziert sind. Durch den Einsatz des Katalogaustauschformates BMEcat kann (siehe Kapitel 4) der elektronische Katalog problemlos den Großkunden zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser E-Business-Anwendung konnten deutliche Prozessoptimierungen erreicht werden. So wurden durch die Automatisierung des Bestellablaufs (Angebots- und Auftragsbearbeitung, Warenausgang, Rechnungsausgang) Erfassungsfehler vermieden und die Sicherheit bei der Ermittlung von Preisen und Konditionen erhöht. Diese Prozessverbesserungen führten auch zu einer Senkung der Fehlerquote und somit zu einer Verbesserung der Servicequalität und einer Steigerung der Kundenzufriedenheit. Auch die unternehmensinterne Zusammenarbeit wurde deutlich transparenter, der Daten- und Informationsaustausch verbessert und so ein effektiveres Controlling ermöglicht. Transaktions- und Prozessstandards Transaktionsstandards ermöglichen den elektronischen Austausch von Geschäftsdokumenten wie zum Beispiel Bestellungen, Lieferscheinen und Rechnungen. Hierbei werden die Bestandteile dieser Geschäftsdokumente festgeangewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 53 legt und ermöglichen so die automatisierte Kommunikation zwischen Geschäftspartnern. Ein Überblick über die derzeit am deutschen Markt im Einsatz befindlichen Transaktionsstandards bietet die PROZEUS-Broschüre »Transaktionsstandards auswählen und einsetzen«. Prozessstandards helfen komplexe Wertschöpfungsprozesse zu automatisieren und damit zu optimieren. Während im Handel zum Beispiel durch Joint Forecasting (gemeinsame Prognose von Abverkäufen) oder durch das Vendor Managed Inventory (Bestandskontrolle durch den Hersteller) Prozessstandards nicht mehr wegzudenken sind, spielt ihre Anwendung in Industrieunternehmen momentan noch keine bedeutende Rolle. Zusammenfassend lohnt sich der Einsatz von E-Business insbesondere dann, wenn eine möglichst umfassende Vernetzung mit den bereits vorhandenen IT-Systemen im Unternehmen stattfindet und Standards die Basis sämtlicher E-Business-Aktivitäten sind. KMU sollten jedoch, bevor sie sich für den Einsatz einer bestimmten oder mehrerer E-Business-Anwendungen entscheiden, die Kosten einer E-Business-Einführung betrachten: a Investitionskosten je nach Kauf oder Miete von Anwendungen a Beratungskosten des IT-Dienstleisters a Programmierkosten und Kosten für Anpassungen a Projektkosten der Mitarbeiter a Folgekosten (Wartung, Lizenzgebühren, Updates etc.) Auch die Komplexität eines E-Business-Projekts ist nicht zu unterschätzen. Gerade in Bezug auf die Integration verschiedener Systeme ist erhebliches IT-Know-how und hoher Personalaufwand vonnöten. KMU sollten daher auf geeignete IT-Dienstleister zurückgreifen, die professionelle Unterstützung bieten. Ein erfolgreiches Beispiel aus der Praxis ist im folgenden Kapitel 5 aufgeführt. 5 E-Business-Praxis bei der service-system GmbH Im Rahmen von PROZEUS wurde in dem folgenden Praxisbeispiel ein elektronisches Kunden- und Auftragsmanagement im Servicebereich eingeführt. Unternehmen und Ausgangssituation Das Unternehmen service-system GmbH ist ein Meisterbetrieb für professionelle Serviceleistungen im Bereich Reinigung und Instandhaltung für Firmenkunden. Das Unternehmen mit Sitz in Freiburg beschäftigt aktuell 100 Mitarbeiter und setzt pro Jahr etwa 1,5 Mio. Euro um. Zu den Serviceleistungen des Unternehmens zählen unter anderem Unterhaltsreinigung, Teppich54 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 und Polsterreinigung, Glasreinigung, Baureinigung, Hygieneservice, Hausmeisterdienst, Pflege von Außenanlagen, Reinigung und Pflege von Industriemaschinen sowie Sonderdienstleistungen. In dieser Branche ist die Kundenorientierung ein strategischer Faktor für den geschäftlichen Erfolg. Wichtig für einen guten Kundenservice sind effiziente Prozesse sowie ein klar strukturiertes und soweit möglich standardisiertes Dienstleistungsportfolio. Durch das Unternehmenswachstum stießen die bisherigen IT-Systeme schnell an ihre Grenzen. Angebotsanfragen und Leistungsverzeichnisse mussten von Kundenberatern in unterschiedlicher Form manuell erstellt werden. Kunden- und Auftragsdaten wurden in vier bis fünf verschiedenen Datenpools gespeichert und verhinderten eine einheitliche Datenpflege. Neben dem manuellen Aufwand erschwerte dies eine Standardisierung der Leistungserbringung und bildete den Ausgangspunkt für Missverständnisse gegenüber dem Kunden. Eine standardisierte Bearbeitung von Kundenreklamationen und transparente Qualitätssicherung wurde dadurch ebenfalls erschwert. Damit Kundenanfragen zukünftig qualifizierter und effizienter bearbeitet werden konnten, sollten neue IT-Systeme die Prozesse der Auftragsbearbeitung optimieren (siehe Abb. 5). Ein integriertes Kunden- und Auftragsmanagement (CRM-System) mit elektronischen Diensten wie Online-Terminplaner, elektronische Auftragsannahme und -bestätigung sowie Online-Kundenanfragen sollte für eine zusätzliche Entlastung des Innendienstes sorgen. Großkunden sollten zudem die angebotenen Dienstleistungen nach geeigneten Standards klassifiziert elektronisch abrufen können. Internet Auftragsbearbeitung Reklamationen Kundenanfragen CRM-System mit standardisierten Leistungsbeschreibungen nach eCl�ss Kundenanfragen OnlinePortal SelfserviceAuskünfte Kostenauswertung Abb. 5: Projektdarstellung service-system angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 55 Projektaufbau und eingesetzter Standard: eCl@ss Zu Beginn wurde die benötigte Branchensoftware ausgewählt, womit so viele Prozesse wie möglich abgewickelt werden sollten. Die Faktoren Leistungsfähigkeit, Schulungsmöglichkeiten, Referenzen und Preis wurden gewichtet berücksichtigt. Im nächsten Schritt wurden die bisher erstellten Leistungsbeschreibungen hinsichtlich Struktur, Beschreibung und Verfügbarkeit bei eCl@ss geprüft. Für Leistungen, die nicht zugeordnet werden konnten, wurden gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO Vorschläge zur Ergänzung von eCl@ss erarbeitet. Da die Struktur in eCl@ss zur Klassifizierung von Dienstleistungen noch am Anfang stand, wurde service-system von der eCl@ss-Geschäftsstelle zu einer neu gegründeten Arbeitsgruppe eingeladen. In diese Arbeitsgruppe konnte das Unternehmen seine Erfahrungen einbringen. Der aufwändigste Schritt war die Auswahl der geeigneten Software und die Abbildung von eCl@ss darin. Trotz zeitlicher Verzögerungen lagen die eingesetzten Personentage nur leicht über dem geplanten Umfang von rund 115 Personentagen (siehe Abb. 6). Auch wenn das Projekt erfolgreich umgesetzt wurde, hat das Unternehmen erkannt, dass die grundlegende Neuorganisation und Verbesserung der IT2,0 9,0 125 2,0 5,0 100 7,0 6,0 7,0 6,0 19,0 Schulungen 17,0 75 22,0 22,0 17,0 10,0 25 Tests und Nachbesserungen Prozessanpassung 22,0 50 Erstellung und Einsatz der Dienstleistungs-Kataloge 14,0 17,0 18,0 12,0 12,0 115 Plan 131 Ist Anpassungsprogrammierung Softwareauswahl und -installation Datenaufbereitung und -erfassung Klassifizierung Pflichtenheft Istanalyse Abb. 6: Eingesetzte Personentage des E-Business-Projekts der service-system GmbH 56 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Landschaft keinesfalls abgeschlossen ist. Der Umfang des Projekts wurde vom Unternehmen erheblich unterschätzt. Teilweise war die Belastung der Projektmitarbeiter durch die zusätzliche Projektarbeit zum Tagesgeschäft sehr hoch. Nutzen Bereits kurz nach Projektabschluss zeigten sich erste Erfolge durch die eingeführten Systeme: interne Arbeitsprozesse liefen wesentlich schlanker, übersichtlicher und effizienter ab, wodurch der Kundenservice maßgeblich verbessert wurde. Durch die Neuorganisation wurde zudem in der Auftragsabwicklung eine halbe Stelle weniger eingesetzt. Die neue Prozessorganisation ermöglichte dem Unternehmen ein verbessertes Controlling. Für die Zukunft erhofft sich das Unternehmen eine weitere Automatisierung der Arbeitsabläufe (z. B. Qualitätsmanagement, Dokumentendownload, elektronische Zeiterfassung der Mitarbeiter etc.). Dadurch soll die Transparenz und Effizienz in der Prozessabwicklung (z. B. Möglichkeit zur OnlineEinsicht des Prozessverlaufs) erheblich gesteigert werden. Gerade das neue IT-System bietet hier neue Möglichkeiten hinsichtlich einer vollständigen Abwicklung aller Prozesse. Durch den Einsatz von eCl@ss forciert das Unternehmen den Ausbau und die Verbesserung der Standardisierung der Dienstleistungen. Dadurch erhofft sich service-system zusätzliche Anfragen von Großunternehmen. Fazit der Geschäftsführung »Entscheidender Wettbewerbsfaktor ist die Kundenorientierung. Bei Kundenanfragen müssen wir Flexibilität sowie permanente Auskunfts- und Entscheidungsfähigkeit besitzen. Durch unsere neue Prozessorganisation und unser standardisiertes Dienstleistungsportfolio wird dies zukünftig gewährleistet.« Achim Wiehle, vormals Geschäftsführung bei service-system GmbH (jetzt Geschäftsführung hyfagro Hygienefachgroßhandel GmbH) 6 E-Business-Kompetenz der IW Consult GmbH Für Unternehmen, die sich rund um das Thema E-Business/E-Business-Standards umfassend informieren wollen, sind die bereits erwähnten Projekte eCl@ss für den Mittelstand und PROZEUS interessant. Beide Projekte werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert und sind bei der IW Consult GmbH (einer 100 % igen Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln) angesiedelt. eCl@ss für den Mittelstand Im Rahmen des Aktionsprogramms der Bundesregierung »Informationsgesellschaft Deutschland 2010« trägt das Projekt »eCl@ss für den Mittelstand Phase 2« dazu bei, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen die Chancen und Herausforderungen von E-Business erkennen und lösen können. angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 57 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstützt mit dem Projekt das Ziel, die betriebliche Anwendung von eCl@ss zu forcieren und noch stärkere Anreize für KMU zur Beteiligung an der Erweiterung des eCl@ssStandards zu setzen. Mit der Bereitstellung von eCl@ss als Grundlage für den globalen, elektronischen Waren- und Dienstleistungsaustausch und der damit einhergehenden Verbesserung der Ausgangsbedingungen für die Anwendungen des E-Business soll erreicht werden, dass insbesondere KMU ihre Entwicklungs- und Innovationspotenziale voll entfalten können. Darüber hinaus wird durch die Verstärkung der Harmonisierung von Branchenstandards wie ETIM und profiCl@ss mit eCl@ss erreicht, dass KMU Kosteneinsparungen durch die Vermeidung von Doppelarbeit und die Beschleunigung der Geschäftsprozesse erzielen können. Angebot der KMU-Einstiegsberatung Im Rahmen des Projekts »eCl@ss für den Mittelstand Phase 2« wird eine Einstiegsberatung für kleine und mittlere Unternehmen angeboten, die sich für den Einsatz und die Einführung von eCl@ss in ihrem Unternehmen interessieren. Die ganztägige Vor-Ort-Beratung bietet u. a. folgende Inhalte: a Aktueller Stand und Grundlagen des eCl@ss-Standards a Darstellung der eCl@ss-Nutzung in der jeweiligen Branche a Einsatzmöglichkeiten in KMU (Praxisbeispiele und Erfahrungen anderer Unternehmen) a Beispielhafte Klassifizierung von Produkten a Aufzeigen von Lösungsansätzen zur Anwendung von eCl@ss unter Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen a Erstellung einer individuellen Vorgehensweise (Checkliste) für das jeweilige Unternehmen Durch die Förderung des BMWi müssen KMU mit maximal 250 Mitarbeitern lediglich eine Schutzgebühr von 250 Euro für eine Einstiegsberatung leisten. Des Weiteren sind u. a. eCl@ss-Anwender-Workshops geplant, in denen Unternehmen zu speziellen Themen rund um eCl@ss Fragen stellen können und direkte Hilfe erhalten. Ansprechpartner Dipl.-Ing. Thomas Einsporn Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 50968 Köln Telefon: 0 221 / 49 81-811, Fax: 0 221 / 49 81-856 E-Mail: [email protected]; Internet: www.eclass.de 58 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Das Projekt PROZEUS Das Projekt PROZEUS wendet sich an Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, die Informationen zum Thema E-Business/E-Business-Standards suchen. Im Kern bietet PROZEUS Erfahrungsberichte von mehr als 70 E-Business-Projekten in kleinen und mittleren Unternehmen, die bei der Einführung ihrer EBusiness-Lösung von PROZEUS begleitet wurden und ihre Erfahrungen an PROZEUS berichtet haben (siehe Abb. 7). Diese Berichte werden zielgruppengerecht auf der Transferplattform www.prozeus.de veröffentlicht. Weitere PROZEUS-Angebote PROZEUS bietet eine Vielzahl von Broschüren, Handlungsempfehlungen und Checklisten zum Thema E-Business/E-Business-Standards an. Diese Materialien decken die ganze Bandbreite des Themas E-Business ab – von der Einführung bis hin zu spezifischen Auswahlhilfen der unterschiedlichen Standardkategorien. Alle Informationsmaterialien können kostenfrei auf www.prozeus.de bestellt oder heruntergeladen werden. Best Practice in Deutschland Standards. Praxis. Mittelstand. • Geschäftsprozesse optimieren • E-Business lässt Arbeitsabläufe elektronisch und ohne Medienbrüche funktionieren • PROZEUS empfiehlt E-BusinessLösungen, die zukunftsfähig und investitionssicher sind. Sie basieren auf kostengünstigen, neutralen und international akzeptierten Standards. Abb. 7: Grafische Übersicht PROZEUS-Praxisberichte; Quelle: PROZEUS Zugeschnitten auf Unternehmensgröße, Branche und interessierende E-Business-Anwendungen können mit einem Online-Check Broschüren, Praxisberichte, Basisinformationen und Angebote bequem aus dem Gesamtangebot von PROZEUS auf das eigene Unternehmen zugeschnitten gefiltert werden. Des Weiteren können KMU im IT-Dienstleister-Pool nach geeigneten Dienstangewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 59 leistern zur Umsetzung ihres E-Business-Projekts suchen. Darüber hinaus beraten Experten bei der Umsetzung von EAN-Standards und ECR-Prozessen. PROZEUS-Netzwerke Im Expertennetzwerk »Standardisierung im E-Business« bündeln Fachleuten aus Unternehmen und Institutionen ihr Wissen zum Thema Standards im EBusiness. Dieses Wissen wird in Form der oben genannten Broschüren und Handlungsempfehlungen an KMU weitergegeben. Des Weiteren werden Multiplikatorennetzwerke mit Vertretern aus Wirtschafts-, Fach- und Arbeitgeberverbänden bzw. IT-Dienstleistern ausgebaut. Ziel dieser Netzwerke ist die Information ihrer Teilnehmer rund um die Themen E-Business und E-Business-Standards So bietet beispielsweise das PROZEUS-Verbandsnetzwerk: a Informationsveranstaltungen für Verbandsmitarbeiter und Mitglieds unternehmen rund um das Thema E-Business/E-Business-Standards a Einen monatlichen InfoBrief zu den genannten Themenbereichen a Die Erstellung von verbandsindividuellen Materalien a Eine Online-Kommunikationsplattform auf www.prozeus.de a Ein InfoHandbuch Abschließend bietet PROZEUS mit der neuen Initiative »PROZEUS-UnternehmerKreis« interessierten Entscheidern aus kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zu den Themen E-Business/EBusiness-Standards untereinander auszutauschen. Durch eine internetbasierte Kommunikationsplattform schafft PROZEUS für KMU Know-how-Transfer im besagten Bereich und erleichtert den Einstieg ins E-Business. PROZEUS wird gemeinsam von IW Consult GmbH und GS1 Germany GmbH durchgeführt. Ansprechpartner bei IW Consult Projektleiter PROZEUS Dipl.-Geogr. Ralf Wiegand Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Telefon: 0 221 / 49 81-849 Fax: 0 221 / 49 81-99 849 E-Mail: [email protected] 60 angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 7 Zusammenfassung und Ausblick Ziel dieses Beitrages war es, Chancen und Potenziale aufzuweisen, die aus dem Einsatz von E-Business und E-Business-Standards gerade auch für KMU resultieren. Im Vergleich zu Großunternehmen verfügt diese Unternehmensgruppe über geringe Personalressourcen und muss hochqualifiziertes Personal umso produktiver einsetzen – gerade vor dem Hintergrund zunehmenden Mangels in bestimmten Berufsgruppen. Die Optimierung von Geschäftsprozessen bietet zusätzlich die Chance, die Motivation von Mitarbeitern zu steigern, denn die Reduktion immer wiederkehrender Tätigkeiten bietet Platz für neue (interessantere) Tätigkeiten. Auch dieser positive Einfluss des E-Business sollte neben anderen nicht unterschätzt werden. 8 Literatur Einsporn, Thomas; Klein, Romano; Wiegand, Ralf: Prozessoptimierung und veränderte Arbeitsorganisation, der Einfluss von E-Business auf Unternehmen. In: Leistung und Lohn (2007), Nr. 441/442/ 443/444) IBM/Impulse/Techconsult (Hrsg): IT und E-Business im Mittelstand 2008. Studie 2008. Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg): Weniger Ingenieure. In: Informationsdienst des IW Köln (1998), Nr. 22. IW Köln, VDI e. V. (Hrsg): Ingenieurlücke in Deutschland – Ausmaß, Wertschöpfungsverluste und Strategien, Studie 2008. eCl@ss: Informationen zu eCl@ss auf www.eclass.de. PROZEUS: Broschüren, Handlungsempfehlungen, Checklisten und Praxisberichte auf www.prozeus.de. Anschrift des Verfassers Dipl.-Kfm. Romano Klein Projekt PROZEUS Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Telefon: 0 221 / 49 81-862 Fax: 0 221 / 49 81-856 E-Mail: [email protected] angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 61 Impressum Herausgeber Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (IfaA) Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf Telefon: 0 211 /54 22 63-0, Fax: 0 211 /54 22 63-37 www.arbeitswissenschaft.net Redakteur Joachim Schauer Telefon: 0 211 /54 22 63-34, E-Mail: [email protected] Satz und Layout Claudia Faber E-Mail: [email protected] Druck Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG Gewerbering West 27, 39240 Calbe www.vielfalt-durch-ideen.de Verlag Wirtschaftsverlag Bachem GmbH, Ursulaplatz 1, 50668 Köln Postfach 100352, 50443 Köln ISSN 0341-0900 Bezugsbedingungen Abonnement für 4 Hefte jährlich 18,10 € Einzelpreis 8,00 €, jeweils zuzüglich Versandkosten Abbestellungen mit einer Frist von 2 Monaten zum 1. Januar jeden Jahres Bestellannahme 62 für Abonnements und Einzelhefte: Wirtschaftsverlag Bachem GmbH – Abt. IfaA – Ursulaplatz 1, 50668 Köln Telefon: 0 221/16 19-155, Fax: 0 221/16 19-231 E-Mail: [email protected] angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008 Methodensammlung zur Unternehmensprozessoptimierung 3., überarbeitete und erweiterte Auflage Herausgegeben vom IfaA Taschenbuchreihe Wirtschaftsverlag Bachem 2008, Köln 40 Seiten, 23,50 € ISBN 978-3-89172-463-7 Aufgrund der weiterhin hohen Nachfrage gibt das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft die »Methodensammlung zur Unternehmensprozessoptimierung« in 3. Auflage in überarbeiteter und er- weiterter Form heraus. Damit stehen in der Metho densammlung jetzt ca. 100 Methoden zur Unternehmensprozessoptimierung zur Verfügung. Zu den neu aufgenommenen und nach dem bisherigen Standard beschrie benen Methoden gehören z. B. die Methoden Quality Function Deployment (QFD), RADAR oder die Prozessfähigkeitsanalyse. Als neue Gruppen werden auch Methoden aus den Bereichen Wirtschaftlichkeitsberechnung, z. B. Amortisationsrechnung, Break-Even-Analyse, Arbeitsschutz, z. B. Lärm- oder Leuchtenrechner und den Kreativitätstechniken, z. B. die Methode 6-3-5 oder die Morphologie beschrieben. Das Taschenbuch beinhaltet eine CD-ROM mit allen Methodenbeschreibungen im PDF-Format. Bestellannahme: Wirtschaftsverlag Bachem GmbH Abteilung IfaA Ursulaplatz 1, 50668 Köln Telefon: 0221/16 19 -0 Telefax: 0221/16 19 231 E-Mail: [email protected] Internet: www.arbeitswissenschaft.net Wirtschaftsverlag Bachem