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Invocavit 22.Februar 2015
Themengottesdienst zum 600.Todesjahr des Reformators Jan Hus
Predigt Uwe Vetter
Text des Sonntags Reihe 1 : MatthEvg 4:1-11
>Von Teufeln und Engeln.<
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MatthäusEvangelium Kapitel 4
(1)Da ward Jesus vom Geist (Gottes) in die Wüste geführt,
auf dass er vom Diávolos/Teufel versucht würde. (2) Und da er 40 Tage und 40
Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. (3) Und der Peirázon/Versucher trat zu ihm.
und sprach : "Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden". (4) Und er antwortete und sprach : "Es steht geschrieben >Der Mensch lebt
nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund
Gottes geht< ".
(5) Da führte ihn der Diávolos mit sich in die heilige Stadt und stellte auf die Zinne
des Tempels (6) und sprach zu ihm: "Bist du Gottes Sohn, so wirf dich
hinab; denn es steht geschrieben >ER wird Seinen Engeln über dir Befehl tun,
und sie werden dich auf den Händen tragen, auf dass du deinen Fuß nicht an
einen Stein stoßest<". - (7) Da sprach Jesus zu ihm: "Wiederum steht auch
geschrieben >Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen<".
(8)Wiederum führte ihn der Diávolos mit sich auf einen sehr hohen Berg und
zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
(9) und sprach zu
ihm: "Das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest". (10) Da sprach Jesus zu ihm: "Hebe dich weg von mir, Satán! Denn es steht
geschrieben >Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und Ihm allein dienen<".
(11)Da verließ ihn der Diávolos. Und siehe,
da traten die Engel (Gottes) zu ihm und dienten ihm.
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Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf dass er vom Diávolos/Teufel
versucht würde. Und da er 40 Tage und 40 Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Und der Versucher trat zu ihm.
Woher, hab ich mich oft gefragt, woher wusste Jesus eigentlich, dass es der Teufel war,
der ihn in der Wüste belästigte? Hat der Deuwel sich vorgestellt? Wie sieht der
Diávolos/Devil eigentlich aus? – Zu Halloween und Karneval schminkt und kleidet man
sich gern wie „er“ in rot, Stummelhörner und Dreizack, Pferdefuß und grüne
Kontaktlinsen … - Aber in echt, wie sieht er aus ?
Die Abgeklärten sagen: Er sieht aus, wie du ihn dir vorstellst. Der Teufel, so sagen sie,
sei ein Ausbund der Phantasie, ein Produkt (Projektion) menschlicher Unsicherheit, ein
Spiel mit der Angst. Unsere Lust am Schaudern, das Unwohlsein im Dunkeln, und die
anerzogenen Skrupel, dass bösen Taten böse Folgen haben, hätten diesen
metaphysischen Unsympathen erschaffen. Der Teufel sieht aus wie das, wovor du Angst
hast. Ganz einfach.
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Seltsamerweise sind gerade in unseren Zeiten viele dem magischen Gedankengut des Aberglaubens innig zugetan.
Zumindest sagt den meisten unter ihnen der Ausspruch "Teu!Teu!Teu!" etwas. Begleitet werden diesen drei Silben vom
dreimaligen Klopfen auf Holz: Teu! Teu! Teu! Touch wood! Man erzählt etwa gerade, dass alles ganz gut laufe,
gesundheitlich habe man sich wieder berappelt, alles sei im Grunde optimal... - da befällt einen so ein flaues Gefühl von
Höhenangst: bloß mein Glück nicht beschreien! Hier schiebt man dann schnell ein Teu!Teu!Teu! ein. Touch wood. - Meine
Großmutter, die sich bestens auskannte mit magischen Sprüchen (alles belegte sie mit spukigen, grottenschaurigen
Kommentaren) pflegte zu sagen: Aberglaube ist besser als gar kein Glaube! Darüber kann man streiten, aber in unserem
Fall hatte sie Recht. Das Teu!Teu!Teu! ist nämlich ein Überbleibsel des Glaubens, genauer gesagt ein Rest unserer
Bibelgeschichte. Teu!Teu!Teu! - das ist dreimal "Teufel", eingedeutscht vom griechischen "Diávolos"
(="Devil"="Düwel"="Teufel"). Dreimal tritt der Teufel an Jesus heran, um ihn zu versuchen. Dreimal pocht Jesus auf die
Thora. Dreimal verweist er so den Teufel in die Schranken: Hebe dich hinweg von mir!
Andere mahnen zur Vorsicht: Das Böse, sagen sie, ist nicht nur Theater, wir haben es
nicht mit Gustav Gründgens als Mephisto zu tun. Es gibt Dinge, vor denen sollte man
sich in Acht nehmen. Es gibt Einflüsse, die machen Menschenseelen, die hell zur Welt
gekommen sind, irgendwie finster, herzlos, falsch, grausam, und zu Untaten fähig, die
ihnen selbst zuvor unvorstellbar waren. Es gibt böse Einflüsse, die infizieren,
verführerisch. - Was ist dem Christus bloß begegnet, als er … in die Wüste geführt
ward, auf dass er vom Diávolos versucht würde. Und da er 40 Tage und 40
Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm - ?
Manche sagen: „das Böse“ ist „der Böse“. Ein anderer. Nicht ich. Der Teufel ist ein
Verführer, ein Umgarner, auf der Jagd nach beeinflussbaren Menschen, und die zieht er
in den Bann und in seinen Sog und runter wie ein untergehendes Schiff. Das Böse, das
ist der andere, die äußeren Umstände, die korrumpierende Lage, der Druck und Zwang
und der Trend, das, was alle machen, weil es jeder macht … >Erlöse uns von dem
Bösen< lehrte Jesus zu beten, und wir lesen das wie : erlöse uns von dem Bösen da
draußen. Der Teufel, glauben viele, das ist jemand anders. Und da Jesus 40 Tage und
40 Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm. - Wem ist
der Christus Jesus da bloß in der Wüste begegnet?
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Der biblische Glaube wagt es, noch einen Schritt näher heranzugehen. Vielleicht, sagt
der biblische Glaube, ist der Deuwel dir vertrauter als dir lieb ist. – Kennen Sie die Urgeschichte aller Versuchungen? Eva hat sie im Paradies erlebt. Eva ist ein intelligentes
Mädchen, genau meine Kragenweite/die passt in mein Beuteschema! sagt die Schlange,
und schlängelt sich elegant und blitzgescheit an Eva heran. Und dann spielt sie mit Eva
Gedanken durch: Soll ich von der Frucht des Baumes essen, soll ich nicht? Was wäre
wenn? Und was so schlimm, wenn nicht? Die Bibel ist eine famose Erzählerin. Was
Menschen durch den Kopf geht, macht sie als Unterhaltung mit-hörbar. Was Eva durch
den Kopf geht, spielt sie mit der Schlange, ihrer listigen Freundin, durch.
Die ersten Geschichten der Bibel sind bekanntlich all-menschliche Prozesse, die jede/r irgendwann im Leben
durchläuft. Eva erlebt die Versuchung im eigenen Kopf: sie sieht den verbotenen Baum, die Frucht, reizvoll zu
essen; dann folgt das innere Streitgespräch, das sich in Stufen entwickelt : Soll ich, soll ich nicht, soll ich jetzt,
oder später wenn ich groß bin? - Dieses innere Gespräch wird sichtbar und hörbar nach außen verlegt in die
Zwiesprache zwischen Eva und Schlange. Später wurde die mythischen Codesprache unentschlüsselt verwendet.
Dann hieß es, Schlangen sind böse, hinterhältig, teuflische Wesen, von Gott bestraft, auf dem Bauche zu kriechen.
Sogar Eva wurde zur sexuellen Verführerin des (unschuldigen) Mannes. Die Frau wurde (die Genesis 3
Geschichte auf den Kopf stellend) zum geistig zweitrangigen Wesen, das später aus Mangel an Weisheit in der
Gemeinde zu schweigen hatte und daheim den Mann fragen sollte, wenn es um Gott ging. Jesus, auf seinem Weg
zu realisieren, wer er ist, und was seine Aufgabe sein wird, Jesus, auf dem Weg, seine Bestimmung zu entdecken
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und seine Kräfte zu spüren, dieser Jesus wird so vorgestellt, dass sein inneres Gespräch nach außen verlagert wird,
sichtbar und hörbar gemacht in Form von Verhandlungen mit dem Diávolos.
Der verführerische Gedanke schläft in dir selbst! sagt der biblische Glaube. Wenn der
böse Trieb in uns die Übermacht erlangt und den guten Trieb austrickst, dann machst du
die verrücktesten Sachen. Der Teufel ist (so deuten es manche Geschichten der Bibel
an) deine dunkle Seite; dein heimlicher Neid, dein aufbrausender Jähzorn, dein
unstillbarer Hunger nach Anerkennung, deine Allmachtphantasien, deine heimlichen
Mordgelüste nach Niederlagen, deine Schadenfreude. Der Wortwechsel mit dem Teufel
ist manchmal das innere Ringen mit sich selbst. Es redet nicht auf uns ein, es spricht in
uns und aus uns heraus.
Auch so ließe sich die Versuchung Jesu lesen: Nach vierzig Tagen in der Wüste fragte
sich Jesus: Was hungere ich hier? Bin ich nicht der Sohn Gottes? Und genau diese
Frage nutzt der Versucher zu einem Bestechungsversuch: "Bist du Gottes Sohn, so
sprich, dass diese Steine Brot werden". Aber Jesus pariert das und sprach : "Es
steht geschrieben >Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem
jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht< ". - Da führte ihn der Diávolos …
auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Komm, zwing den Himmel mal, sich
zu beweisen. "Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben
>ER wird Seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf den Händen
tragen, auf dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest<". Da sprach Jesus zu
ihm: "… >Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen<". - Wiederum führte ihn
der Diávolos mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der
Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: "Das alles will ich dir geben, so du
niederfällst und mich anbetest". Da sprach Jesus zu ihm: "… >Du sollst anbeten
Gott, deinen Herrn, und Ihm allein dienen<".
Der biblische Glaube nimmt den Versucher ernst, aber er unterwirft sich ihm nicht. Das
Evangelium sagt: Widerstehe. Es geht. Reinige dich. Es geht. Mit Gottes Hilfe. Es lohnt
sich.
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An dieser Stelle müssen wir von Jan Hus sprechen. Vor 600 Jahren, im Juli, ist er auf
dem Konzil in Konstanz am Bodensee hingerichtet worden. Die Verantwortlichen
sagten: Jan Hus ist ein Teufel, ein Diavolos, was wörtlich übersetzt bedeutet: ein
Durcheinanderwerfer. Der Hus bringt uns das ganze Konzil durcheinander ! sagten sie.
Den Deuwel schicken wir zur Hölle! Und das machten sie, am 6.Juli. – Für viele andere
war Jan Hus ein Engel, ein Bote des Himmels. Einer, der Gott ernst nahm und die
ganzen Teufeleien, die sich im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation eingenistet
hatten, nicht hinnehmen wollte. Die Kirche muss widerstehen ! predigte Hus, in Prag,
auf Tschechisch, damit die Leute es auch verstanden. °Die weltlichen Fürsten, die sich
Bistümer kaufen, als zusätzliche Einnahmequelle, weil sie den Hals nicht vollkriegten,
denen predigte er die Jesusantwort: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! °Und den
leitenden Geistlichen, die sich auf Händen tragen ließen und meinten: was Gott denkt,
bestimmen wir! den predigte er den Jesusspruch: Du sollst Gott nicht versuchen. °Und
denen einfachen Leuten, die meinten, es käme nicht drauf an, was sie glauben und tun
und lassen, Hauptsache, man schwimmt mit dem Strom, denen sagte Hus: Jeder
einzelne steht gerade vor Gott. Keiner ist unfehlbar, und jeder ist mit seinem Gewissen
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dem Himmel verantwortlich. Du, jeder einzelne, sollst anbeten Gott, deinen Herrn,
und Ihm allein dienen<". – Es gibt Toleranzen, die niemandem dienen außer dem
Bösen. Und es gibt Wahrheiten, die sind nicht einfach Rechthaberei. Suche die
Wahrheit, höre die Wahrheit, lerne die Wahrheit, rede die Wahrheit, halte die Wahrheit,
verteidige die Wahrheit bis in den Tod, denn sie befreit dich vom Teufel! wird Jan Hus
bis heute zitiert. Keine Ahnung, mit was für einem Feuerzauber der Deuwel abgetreten
ist, als Jesus ihm sagte: Hebe dich weg von mir, Satán! Der Sohn Gottes hat es
überlebt. Jan Hus hat es versenkt. Aber seine Predigt hat es nicht einäschern können.
Luther kannte sie, und hat mit dem Tintenfass nach dem Teufel geworfen. Hat gegen
das Übel in Kirche und Staat und in der Mentalitätseiner Zeitgenossen angeschrieben.
Es gibt eine Toleranz, dem Übel gegenüber, die ist nicht zu tolerieren. Und es gibt ein
Abwälzen der persönlichen Verantwortung auf andre („die da oben“, „die Kirche“, „der
Staat“, „die Solidargemeinschaft“, „das-machen-doch-alle“), an der eine ganze
Gesellschaft zu Grunde gehen kann.
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Nun könnte jemand sagen: Also bevor ich mir den Mund verbrenne und einiges mehr
(siehe Jan Hus) und am Ende allein dastehe, halt ich mich lieber raus! Wer das denkt,
dem rate ich: Lesen Sie die Bibelgeschichte noch eben zu Ende. Sobald Jesus sprach:
"Hebe dich weg von mir, Satán! … verließ ihn der Diávolos. Und siehe, da traten
die Engel (Gottes) zu ihm und dienten ihm.
Das Gute ist nicht allein. Das Anständige ist nicht allein. Das Riskieren des offenen
Wortes, das Fragen/Suchen nach Wahrheit ist nicht allein. Sobald man seine Angst
überwindet und Flagge zeigt, trauen sich andere hervor. Und schweigende Mehrheiten
spüren ihr Rückrat und richten sich auf. Auf Hus folgten Hussiten und Brüdergemeine.
Martin Luther weckte unzählige schlafende Geister. Auf Zusammenbrüche folgten
Aufbrüche. Und heute, in einer Kirche, in der es schick ist, seine Kirche zu verleugnen,
gibt es Menschen, die sagen: Etsi omnes, ego non (Auch wenn alle, ich nicht!). Ich lass
mich nicht zur Billigversion von Christentum verführen. Sobald man dies sagt, verlässt
uns der Diavolos und die Engel Gottes haben freie Bahn. Sie warten nur drauf, zu helfen
und zu dienen. Probieren Sie es, Sie werden es erleben.
Amén
Gesang: „Willkommen, ihr Engel des Dienstes“
Schalom Alechem, Malachej haScharit.