Volldampf im Treppenviertel

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Volldampf im Treppenviertel
Sanierung
Grabenloses Bauen
Volldampf im Treppenviertel
Abwasserkanäle in Hamburg-Blankenese saniert
1 100 Jahre alte Rohre, extreme Topografie, beengte Verhältnisse und aufwändige Überbauung: Die Sielsanierung im Treppenviertel von HamburgBlankenese ist in jeder Hinsicht ein schwieriger Fall
2 Der Insituform-Liner wurde im aktuellen Bauabschnitt des Treppenviertel-Projektes in Nennweiten von DN 150 bis DN 400 installiert
Überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammt das Kanalnetz im historischen
Treppenviertel von Hamburg-Blankenese.
In diesem topografisch extremen Abwassersystem saniert die Insituform Rohrsanierungstechniken GmbH (IRT) seit Ende
Oktober 2007 rund 1143 m Kanäle in Nenn-
weiten bis DN 450 durch Schlauchlining mit
dem Insituform-Liner: eine Baumaßnahme,
die es in jeder Hinsicht in sich hat.
Für Hamburg -Touristen ist das historische Treppenviertel ein Muss. Hier in
Blankenese, wo die von Altona kommende Elbchaussee endet, residierten schon im 3 Interessiert verfolgen Abwasserfachleute aus Norddeutschland das Einziehen des Liners über die höhenverfahrbare Walze der Insituform-Chip-Unit bei einem Präsentations-Termin am 11.12.2007
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19. Jahrhundert die Hamburger Kapitäne
und andere wohlhabende Hanseaten
in Villen, die sie an die steilen Hänge des
nördlichen Elbufers bauten. Aufgrund der
Extrem-Topografie ließen sich die noblen
Wohnlagen nur über Treppen erschließen,
die dem Viertel seinen Namen gaben. Befahrbare Wege gibt es bis heute kaum. Doch
das Treppenviertel hat nicht nur architektonische Schmuckstücke und traumhafte
Fernsichten zu bieten, sondern auch ein
weit über 100 Jahre altes Steinzeug-Sielnetz aus der Frühphase der Kanalisierung
der Hansestadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Rohre und Formstücke, die
hier im Boden liegen und zum Teil noch
in alten englischen Zollmaßen (DN 225)
bemessen sind, haben vielfach bereits
musealen Wert. Alter und Bewegungen
im Hang haben auch an ihnen Spuren
hinterlassen. Die Blankeneser Kanäle sind
deshalb ebenso sanierungsbedürftig wie
andere Teile des historischen Hamburger
Siel-Bestandes. Während jedoch die Hamburger Stadtentwässerung (HSE) im Zuge
des Sielsanierungprogrammes in der Innenstadt seit 1982 bereits rund 150 km
Kanäle grabenlos saniert oder erneuert
hat, „schob“ man die vergleichsweise kleinen Kanäle des Treppenviertels lange Zeit:
die Randbedingungen für eine Sanierung
sind hier weit schwieriger als überall anders in der Elbmetropole. Leitungsgefälle
bis 35 Prozent verbinden sich hier mit gewundenen und engen Trassenführungen,
die nicht mit größerem Gerät oder LKW
anfahrbar sind und fast durchgängig mit
Treppen, massiven Stützmauern oder gar
mit Häusern überbaut sind. In einzelnen
Fällen fehlen zuverlässige Angaben über
den Leitungsverlauf. Auch die potentielle
Belastung der Anwohner durch Baumaßnahmen ist dementsprechend groß. Aufgrund dieser Randbedingungen und bei
den exorbitanten Kosten verbieten sich
offene Erneuerungsmaßnahmen im Treppenviertel fast von selbst.
Nachdem die Schlauchlining-Tech- nologie in den vergangenen Jahren entscheidende Fortschritte machte, entschloss
man sich bei der HSE, nun auch das Treppenviertel systematisch durch graben- lose Sanierungstechniken anzugehen,
und teilte es in sieben Gebiete auf. Seit 4 Die Chip-Unit beim pneumatischen Reversieren des Insituform-Liners: Eine ideale Technik
für die beengte Örtlichkeit. Die Installation per
Wassersäule kam bei Leitungsgefällen bis 35%
nicht in Frage
Fotos: Insituform Rohrsanierungstechniken GmbH
schen Bauherr und den Fachfirmen. Wenn
die Schlauchliner-Sanierung des Sielnetzes
im Treppenviertel 2009 planmäßig abgeschlossen ist, wird die HSE bis dahin rund 6 Millionen Euro in die 6 Kilometer Rohre im Blankeneser Untergrund investiert haben. ■
Kontakt
Insituform Rohrsanierungstechniken
GmbH, Niederlassung Hamburg
Herr Jens Roslawski
Tel: 0 40/73 60 53 0
Hamburger Stadtentwässerung
Frau Dipl. Ing. Delia Ewert
Tel: 0 40/34 98-5 73 10
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Grabenloses Bauen
Nennweiten DN 150 bis DN 450 setzte sich
die Insituform Rohrsanierungstechniken
GmbH, Niederlassung Hamburg, gegen
den Wettbewerb durch.
Basis der Sanierung in diesem Abschnitt
ist der Polyesternadelfilz-Liner des Insituform-Systems, der mit einem ungesättigten
Polyesterharz getränkt ist und hier mit einer mobilen„Chip Unit“ pneumatisch in die
Kanäle eversiert wird. Diese mobile, im Einsatz extrem bewegliche Installationseinheit
war im Treppenviertel ein maßgeblicher
Garant des Sanierungserfolges, da mit ihr
auch schwierigste räumliche Situationen
bewältigt wurden.
Die Aushärtung der formschlüssig
an die Rohrwand gepressten und je nach
Nennweite zwischen 4,5 und 12 mm starken Schläuche erfolgt durch mehrstündige
Heißdampf-Beaufschlagung. Dabei härten
sie zu muffenlosen Rohren aus, die die Vorgaben des HSE-Anforderungsprofils in Sachen
Dichtheit und Standsicherheit voll erfüllen.
Zentrales Element des Qualitätsmanagements und integrierter Bestandteil
des Hamburger Anforderungsprofils für
die Schlauchliner-Installation ist die labortechnische Fremdüberwachung (durch das
Ingenieurbüro Siebert + Knipschild) von
Probestücken eines jeden in Blankenese
installierten Schlauchliners. Auch in dieser
Hinsicht hat man mit dem Insituform-System und der Dampfhärtung in Blankenese
bereits zuvor beste Erfahrungen gemacht.
In den vorangegangenen Bauabschnitten konnten die vorgegebenen Sollwerte
– ebenfalls unter denkbar schwierigsten
Randbedingungen – bereits souverän eingehalten werden.
Von besonderer Bedeutung für die erfolgreiche Abwicklung war die kompetente
Planung und Überwachung dieses komplexen Vorhabens durch die Ingenieure
der Hamburger Stadtentwässerung sowie
die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwi-
Sanierung
Ende 2005 wurden bereits vier Bauabschnitte abgearbeitet.
Bei der Vergabe der Sanierungsaufträge ging die HSE den Weg einer funktionalen Ausschreibung auf der Basis eines
Leistungsprogramms, das die Randbedingungen extrem präzise definierte. Tatsächlich konnte für jede beschriebene Problemstellung eine technische Lösung gefunden
werden. Dass das Treppenviertel wirklich
ein Netz der „besonderen Art“ ist, zeigte
sich bereits bei der vorausgehenden TVInspektion durch die Canal Control + Clean
Umweltservice GmbH. Wegen der schwierigen Zugänglichkeit und des extremen Leitungsgefälles mussten vielfach Schächte
gesetzt werden, um den Kanalfernaugen
überhaupt vollständigen Zugang zu allen
Rohren zu verschaffen und die Untersuchungslängen auf ein auch bei diesem
Gefälle machbares Maß zu begrenzen. Die
damit verbundenen Bauarbeiten mussten
quasi „per Teelöffel“ durchgeführt werden
und waren ständig mit neuen, meist unangenehmen Überraschungen gewürzt.
Das führte letztlich so weit, dass der planende Ingenieur der HSE ab dem dritten
Bauabschnitt gänzlich darauf verzichtete,
überhaupt noch ein detailliertes Leistungsverzeichnis für Tiefbauarbeiten zu erstellen.
Aus diesem Grunde wurden die sanierungsbegleitenden Tiefbauarbeiten durch
die Hamburger Tiefbaufirma Theo Urbach
GmbH über den Hamburger Kleinvertrag
für Sielbauarbeiten abgewickelt.
Bei den Ausschreibungen für die
Schlauchlining-Sanierungen ergab sich aus
der außergewöhnlichen Topografie, dass
Systeme, die per Wassersäule installieren
und im Heißwasserverfahren aushärten,
ausgeschlossen waren , weil die Belastung
durch den Wasserdruck (Wassersäule) für
den Inliner zu hoch gewesen wäre.
Im Wettbewerb um den fünften Bauabschnitt mit 1143 m Schlauchliner der