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Fickende Fische
BR Deutschland 2001
Regie/Drehbuch: Almut Getto
Kamera: Andreas Höfer
Schnitt: Ingo Ehrlich
Darsteller: Tino Mewes (Jan Borchert), Sophie Rogall (Nina), Ferdinand Dux (Jans Opa), Annette Uhlen
(Lena, Mutter von Jan), Hans-Martin Stier (Hanno, Vater von Jan), Jürgen Tonkel (Wolf, Vater von Nina),
Angelika Milster (Angel, Ninas Nachbarin)
Länge: 102 min
FSK: ab 12 Jahre, empfohlen ab 14 Jahre
FICKENDE FISCHE
Inhalt
Der 16jährige Jan liebt das Wasser und die
Fische. Diese Leidenschaft lässt ihn seine Ängste
vergessen, denn seit einer Bluttransfusion befinden sich HI-Viren in seinem Körper. Jans
Leben schwankt nun zwischen dem Wunsch
nach Leben und Todessehnsucht. Seine Eltern
finden keinen Weg zu ihm vorzudringen. Mutter
Lena nervt Jan mit Überfürsorge, Vater Hanno
flüchtet sich in Schweigen. Nur der cognacliebende Großvater ist in der Lage, Jan zu verstehen.
In diese melancholische Welt platzt Nina. Als Jan
wieder einmal dem Tode nahe sein will und mit
geschlossenen Augen eine vierspurige Straße
überquert, kollidiert das Mädchen auf InlineSkates mit ihm. Nachdem Sanitäter den am Kopf
verletzten Jan verarzten und ins Krankenhaus
einliefern, verschwindet Nina mit einer Wunde
am Knie ebenso schnell, wie sie in Jans Leben
trat.
Nina ist ein freches und spontanes Energiebündel. Ihre Familie, zu der ihr Vater Wolf, seine
junge Freundin Caro und ein Bruder, der sich
kaum für seine kleine Schwester interessiert,
gehören, lebt in WG-ähnlichen Verhältnissen.
Ninas richtige Mutter reist seit Jahren durch die
Welt, um sich selbst zu finden. Nur bunte
Postkarten sind Nina von ihr geblieben. Daher ist
die Nachbarin Angel, eine ungewöhnliche Verkäuferin, die einzige Vertrauensperson in Ninas
Leben.
Erst ein zweiter gescheiteter Bremsversuch bringt
die beiden Teenager näher zusammen. Diesmal
muss Jans neu gekaufter Fisch leiden, der den
Zusammenprall nicht überlebt. Auf dem Spielplatz entdecken sie ihre Zuneigung füreinander.
Am Abend überrascht Nina Jan zu Hause. Durch
ein Fenster steigt sie in sein Zimmer und entdeckt seine Welt aus Kindertapete, Spielsachen
und „Mäuselchen“- Rufen der Mutter. Sie lädt
Jan zu einer Überraschung ein: eine Nacht im
Delfinarium. Beide tauchen in die Unterwasserwelt und erliegen der blauen Faszination. Ein
Wärter bemerkt die Eindringlinge. Es kommt
zum Handgemenge. Jan wehrt sich durch die
Drohung, er habe Aids und würde sofort
zubeißen. Die beiden nutzen den Schreckmoment und entkommen. Nina ist von Jans
Schlagfertigkeit beeindruckt,
wahren Gründe dafür nicht.
ahnt
aber
die
Es beginnt eine wunderschöne Zeit voller Leichtigkeit. Sie tauchen in die Welt des geheimen
Baggersees, umkreisen sich im Wasser wie
Fische in einem Tanz. Das Vertrauen ineinander
wächst: Nina erzählt von ihrer Mutter in Kenia,
Jan stellt Nina seinem Opa vor.
Nach dem Besuch beim Großvater tanzen sie
eng umschlungen in Ninas Zimmer. Ihre Lippen
berühren sich fast. Just in diesem Moment
stürmt Caro herein. Beide werden zurück in die
Realität geholt. Jan fragt sich: „Kann ich mich
verlieben? Darf ich Sexualität erleben?“
Im Krankenhaus besucht Jan seinen Freund
Jonas, der ebenfalls HIV-positiv ist. Von ihm
erhofft er einen Ratschlag in punkto Ehrlichkeit
und Sexualität. Doch Jonas verschweigt seine
Krankheit gegenüber Frauen. Jans Verunsicherung wächst, als Jonas Sex völlig ablehnt: „Ich
brauch’ das nicht. Ich kann es mir sehr gut selber
machen!“.
Zu Hause eskaliert die Situation. Jans Mutter
kocht Gemüsebratlinge für seine „Körperpolizisten“, als Jan entnervt den Wunsch äußert,
einfach mal etwas Ungesundes zu essen. Er hat
es satt, ständig an die Krankheit erinnert zu
werden, die in ihm schlummert. Seit Tagen hat
er alle Medikamente in einem Gurkenglas deponiert, anstatt sie zu schlucken.
Jan sucht Veränderung. Die Kindersachen landen
auf dem Sperrmüll, die Tapete mit BärchenMotiv wird abgerissen und eine Unterwasserwelt
erschaffen. Blaue Wände mit großen Fischen
zieren nun sein Zimmer. Zusammen mit Nina
malt Jan sich blau an, um gemeinsam mit der
dunklen Tiefe zu verschmelzen.
Nach einer Wasserschlacht im Badezimmer
landen die beiden im Bett. Zärtlich kommen sie
sich näher, liegen kurz darauf nackt unter der
Bettdecke. Jan hat einen vorzeitigen Orgasmus
und reagiert panisch. Die Gefahr und Verantwortung für Nina überfordert ihn. Er versinkt in
tiefe Trauer, sitzt verstört vor seiner blauen
Wand. Kein Wort von Nina dringt durch seine
Apathie. Verwirrt und enttäuscht verlässt Nina
das Haus. Von nun an ist klar: Entweder muss
Jan die Wahrheit sagen oder sich von seiner
Freundin verabschieden. Er geht den Weg des
geringsten Widerstandes und stößt Nina von
sich.
Ninas Schock sitzt tief. Mit einer Flasche Alkohol
ertränkt sie die Unsicherheit. Auch ihre Familie
weiß nicht mehr als Nina im Krankenhaus auf
HIV untersuchen zu lassen. Alle Beteiligten sind
voller Angst.
Das Ergebnis ist negativ. Nina hat sich nicht bei
Jan angesteckt. An diesem Tag springt jedoch
Jan von einer hohen Brücke. Als Nina mit ihm
reden will, trifft sie niemanden bei den Borcherts
an. Selbst das Fenster zu Jans Zimmer ist verschlossen. Denn alle sind im Krematorium. Jan
scheint tot zu sein.
Vor der Asche von Jans Großvater nähern sich
Jan und Nina im Krematorium wieder an. Sie
wollen ihm seinen letzten Wunsch erfüllen: Die
Asche ins Meer streuen. Mit dem Auto fahren
sie am folgenden Tag ihrem Paradies entgegen...
Für kurze Zeit gehen sie getrennte Wege. Jan
lernt ein anderes Mädchen kennen. Nina wird
vom Freund ihres Bruders umworben.
Doch dann begegnen sich die Protagonisten
zufällig bei einer Party wieder. Jan eröffnet Nina
hier die Wahrheit: „Ich bin nicht wie alle
anderen auch. Ich hab wirklich HIV.“ Die
Reaktion Ninas zeugt von Verzweiflung: „AIDS?
Du hast diese Schwulenkrankheit?“. Tief verletzt
rennt Jan durch nächtliche Straßen und reagiert
seine unbändige Wut an Mülltonnen ab.
FICKENDE FISCHE
Problemstellung
Familie
Die Familienstrukturen könnten unterschiedlicher nicht sein: Jan lebt in gehobenen Verhältnissen mit einer überfürsorglichen Mutter und
einem schweigsamen Vater. Nina hat sich mit
einer zerbrochenen Familie zu arrangieren: die
Mutter entdeckt sich selbst in Kenia, der Bruder
lebt in seiner eigenen Welt, der Vater ist nie zu
Hause und die Freundin des Vaters ist nur ein
paar Jahre älter als sie selbst. Da beide äußerst
schwierige Eltern haben, befinden sich die Personen, denen sie vertrauen und die ihnen
zuhören, außerhalb der Kernfamilie. Der lebenslustige Opa und die charmante Nachbarin sind
Anlaufstellen für Probleme bei Jan und Nina.
Thematisiert werden eine scheinbar intakte und
eine Patchwork-Familie. In Ninas Familie ist die
Harmonie durch Trennung und Scheidung
schwer geschädigt. Jans Familie hingegen ist vor
allem von typischer Rollenverteilung von Mann
und Frau geprägt: Der schweigsame Vater boxt
nach der Arbeit im Keller, die fürsorgliche Mutter kocht inzwischen das Essen (Sequenz 23). Bei
Nina ist die Mutter diesen Erwartungen an ihre
familiären Pflichten nicht nachgekommen. Sie
bricht aus und opfert die Verantwortung für ihre
Kinder, um sich selbst zu verwirklichen. Der Film
stellt zwei Formen des Zusammenlebens gegenüber, favorisiert aber keine von beiden. Die
Kinder flüchten am Ende des Films aus beiden
Familien.
Nina hingegen ist extrovertiert, frech und unbekümmert. Früh musste sie lernen auf die Mutter zu verzichten und allein mit harter Schale ihre
Pubertät zu meistern.
Trotz Außenseiterdasein sind beide liebenswert,
fröhlich und erleben gemeinsam wunderschöne
Momente. Den Zuschauern wird deutlich, dass
es nicht cooler Sprüche oder dem „hip-sein“ bedarf, um das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Individuelle Lebensansichten bedeuten einen
Gewinn für die Lebensqualität.
Liebe
Freundschaft, Lachen, Vertrauen lässt die anfängliche Sympathie in Liebe wachsen. Leider
kann Jan das Glück nicht unbeschwert genießen.
Je schöner die Tage mit Nina sind, umso größer
werden seine Zweifel wie er ihr die tödliche
Krankheit offenbaren soll. Für ihn ist die Liebe zu
Nina so wichtig, dass er die Wahrheit vermeidet,
um sie nicht zu verlieren. Hier spiegelt sich ein
Dilemma wider: Durch die innere Zerrissenheit
setzt er die Beziehung aufs Spiel, weil Nina ohne
Jans Ehrlichkeit dessen Situation nicht verstehen
kann.
Nach dem ersten sexuellen Kontakt eskaliert die
Situation. Jan findet keinen Weg, sich zu
verständigen. Erst nach Jans späterer Offenbarung, dass er HIV positiv ist, haben die beiden
eine Chance gegen die Selbstzweifel und Unsicherheiten in ihrer Beziehung zu kämpfen. Die
Gefühle reichen letztendlich so tief, dass sie
selbst den gemeinsamen Tod nicht fürchten.
Leben mit Aids
Aids ist ein Stigma. Trotz vielfältiger Aufklärung
sehen die meisten Menschen eine HIV-Infektion
als Resultat von Promiskuität oder Homosexualität.
Persönlichkeit
Die Regisseurin Almut Getto stellt nicht nur die
gegensätzlichen Familien gegenüber, sondern
auch die Persönlichkeiten der Protagonisten. Jan
ist ein introvertierter Mensch, der seine Traumwelt voller Fische und blauem Wasser aufsucht,
um vor der Welt abzutauchen.
Jan hat keine Möglichkeit, echte Freunde zu
finden. Entweder machen ihn die anderen zum
Außenseiter oder sie integrieren ihn aus Mitleid.
Keine der Alternativen vermag einen Menschen
wahrhaft glücklich zu machen. Daher widmet
Jan sich lieber seinen eleganten, ruhigen Fischen.
Verständlich ist auch, dass er Nina seine HIVInfektion lange verschweigt. Er möchte keine
Zurückweisung, kein Mitleid. Die Unbefangenheit hat er zu sehr genossen, als dass er diese
wieder aufgeben möchte. Nina reagiert in der
Tat höchst unsensibel auf Jans Eröffnung, indem
sie ihm entgegnet: „Du hast diese Schwulenkrankheit?“ (Sequenz 57). Diese Szene im Film
belegt die Problematik: der Wunsch nach Ehrlichkeit mündet in Enttäuschung, weil das Umfeld verletzend reagiert. Vorurteile verhindern
eine Integration des Infizierten.
selbst umbringen könnte. Diese übermäßige Präsenz des Todes ist der verborgene Wunsch einmal im Mittelpunkt zu stehen: „Und dann habe
ich mir vorgestellt wie es sein würde wenn die
mich finden – und wie traurig alle wären wenn
ich tot wäre und so.“ (Sequenz 25).
Nina verarbeitet den Schock durch eine Flasche
Alkohol. Auch ihre Familie ist mit der Situation
überfordert, dass sie einen Freund hat, der sie
mit dem HI-Virus anstecken könnte. Diese Angst
um das Leben der Tochter und Schwester
spiegelt sich in Fassungslosigkeit wider. Ihre
Mutter empfiehlt, diesen Jungen nicht mehr zu
treffen, der Vater schickt Nina sofort ins
Krankenhaus zur Blutuntersuchung. Da Aids
noch nicht vollständig erforscht und kein wirksames Gegenmittel gefunden ist, wird die
Krankheit dämonisiert. Aus dieser Ratlosigkeit
mündet die Gleichsetzung von Kontaktabbruch
als einzige Schutzmöglichkeit.
Wie kommt ein Kind zu der Idee, Tod brächte
ihm Aufmerksamkeit? Es muss eine Welt erfahren haben, in der es keiner wirklich verstehen
will. Jans Mutter meint zu wissen, was gut für
ihren Sohn ist. Dass diese Fürsorge an dem
vorbeiläuft, was Jan eigentlich braucht, bemerkt
sie nicht.
Im Film werden vier Möglichkeiten für die Zukunft der beiden Liebenden in Aussicht gestellt.
Alle Varianten stehen unter dem Zeichen von
AIDS:
1) Jan verübt alleinigen Selbstmord. (Sprung
von Brücke endet tödlich)
2) Nina bricht Kontakt zu Jan ab (hört auf Rat
ihrer Mutter)
3) Jan lebt normal mit Nina weiter bis ein Mittel
gefunden wird (hört auf seinen Opa)
4) Flucht von Jan und Nina in ihr Paradies
Nina realisiert, dass ihre Liebe stark ist. Die
oberflächlichen Ratschläge ihrer Mutter lässt sie
nicht gelten. Sie ist bereit, ein Risiko einzugehen:
„Wir können ja aufpassen.“ und zeigt beeindruckende Reife in ihren Gefühlen. Überraschend ist, dass sie auf dem Spielplatz (Sequenz 68) auf eine gemeinsame Zukunft deutet,
in der alle Widrigkeiten durchlebt werden. Die
Regisseurin entscheidet sich jedoch für eine
andere Variante. Jan und Nina flüchten in ihre
Unterwasserwelt und entziehen sich dem Leben
auf der Erde durch vereinten Selbstmord.
Suizid Jugendlicher
Dieser Freitod hat symbolischen Charakter. Die
Ausweglosigkeit von zwei jungen Menschen
mündet in eine Flucht aus einer Gesellschaft, die
Verständnis sagt und Intoleranz meint.
Schon seit früher Kindheit träumt Jan vom
Sterben. Er malt sich Situationen aus wie er sich
Nina hingegen hat nie über Suizid nachgedacht.
Sie liebt das Leben, aber mehr noch Jan. Ohne
ihn will sie nicht weiter existieren: „Aufs Leben
warten [...][bringt mich um].“ (Sequenz 68).
Selbstmord steht als äußerstes Mittel jugendlichen Protests und Beweis von auswegloser
Liebe. – Wie im Fall von Romeo und Julia...
FICKENDE FISCHE
Filmisches Erzählen
Eine strahlend blaue Unterwasserwelt präsentiert
sich dem Zuschauer zu Beginn und zum Ende
des Films. Diese Sequenzen visualisieren die
Gefühlswelten von Jan, führen den Zuschauer in
seine Gedankenwelt ein und begleiten ihn durch
den Film. Wie ein Lichtstrahl durchdringen die
traumhaften Bilder von Fischen und Menschen
im Wasser den gesamten Film. Es zeigt die Sehnsucht nach dem Paradies, der Ruhe, nach Entfaltung in Schwerelosigkeit.
Die Farbe Blau durchzieht den gesamten Film.
Sie beschreibt die wunderbare (Traum)Welt
unter Wasser und den Gemütszustand von Jan
(engl.: to feel blue = melancholisch sein). Als die
beiden Teenager sich im Delfinarium befinden
(Sequenz 22), sind die Bilder auf der Leinwand
in ein mystisches Blau getaucht. In der Handlung
wird die Bedeutung der Farbe nach außen
sichtbar, z.B. als Jan seine Haare färbt oder sein
Zimmer in blauer Farbe einrichtet.
Die Kamera ist ein geduldiger Beobachter voller
Respekt. Weiche Bilder vom Baggersee, Hochhausdächern und Parks offenbaren dem Zuschauer die Schönheit der Liebe. Oft werden die
Gesichter von Jan und Nina in Nahaufnahme
(close up) gezeigt, damit die intensiven Gefühlsregungen für den Zuschauer erfahrbar werden.
Außerdem ermöglicht die Nähe Vertrautheit und
Identifikation mit der handelnden Person.
Die Dramaturgie hat die generelle Aufgabe,
einer Informations-Präsentation einen roten
Faden zu geben, sie mit Spannungsbögen oder
allgemeinen Gefühlsanregungen zu versehen
und sie somit interessant für den Zuschauer zu
gestalten. Der Spannungsbogen in „Fickende
Fische“ ist durch die HIV-Infektion gegeben.
Jans Problem erschließt sich dem Zuschauer
schnell. Die Frage wann wird Jan Nina von
seinem Virus berichten, erhält hingegen die
Spannung. Die Krankheit fungiert demnach als
dramaturgisches Mittel, das Konflikte und Gefühlsamplituden verstärkt.
Dortmund dient als Kulisse für die Geschichte nicht als Klischee, sondern als Ort, wo Menschen
leben. In einem Hallenbad der Stadt wurden die
Unterwasseraufnahmen während der Sommermonate mit großem Aufwand gedreht. Zwei
Tage lang probten professionelle Taucher mit
den Hauptdarstellern die anspruchsvollen Wasserszenen. Lebendige Fische wiesen hingegen
eine mangelhafte Choreografie auf, weshalb sie
durch computergenerierte Exemplare von einer
Animationsfirma in Bonn ersetzt wurden.
Die Problematik des Films wird rätselhaft aufgelöst. Jan und Nina fahren zum Meer, um Opas
Asche hineinzustreuen. Nina fragt: „Fließen
eigentlich alle Flüsse ins Meer?“ Jan meint:
„Also der bestimmt!“ In der nächsten Szene ist
das Auto zu sehen, das über das Brückengeländer stürzt. Es fällt in slow motion hinab und
löst sich in der Luft auf. Die Zeitlupentechnik
steigert die Spannung und lässt Raum für Gedanken während der Rezeption.
Der Film wirkt in sich sehr schlüssig und harmonisch. Er vollbringt das Kunststück, Leben in
seiner Tragik, als auch Komik zu zeigen und
dabei einen Ton zu treffen, der beweist: trotz
allem ist Leben einfach wunderschön!
FICKENDE FISCHE will auf keinen Fall ein HIV„Problemfilm" sein, sondern eine Komödie über
die erste Liebe. [...] [I]n den fortgesetzten
Sequenzen unter Wasser und der verlangsamten
Begegnung von farbigen Wesen darin findet der
Film zu einer visuellen Verdichtung, in der sich
alles entdecken lässt, was den komischen
Gefühlsknäuel der ersten nachhaltigen Verstörung im Leben so ausmacht: Angst und Hingabe, Schwerelosigkeit und Bedrängnis, Freiheit
und Gebundensein. (die tageszeitung, http://
www.taz.de/pt/2002/08/15/a0152.nf/text)
FICKENDE FISCHE
Fragen
Zum Filmgeschehen und den Filmfiguren
Wie begegnen sich die Protagonisten?
Warum mag Jan die Farbe Blau? Was bedeutet sie? Was strahlt sie aus?
Wie wird Nina charakterisiert? Wie Jan?
Haben die Protagonisten viele Freunde? Warum?
Wie „ficken“ Fische? Warum wollen das Jan und Nina wissen?
Was hindert Jan daran, Nina von seiner Krankheit zu erzählen?
Warum sehnt Jan sich nach Fast-Food und einer Zigarette?
Welche Gründe könnte Jan gehabt haben, seine Medikamente nicht mehr zu nehmen?
Hätten die Erwachsenen den Selbstmord verhindern können?
Zur Liebe
Beschreibe die Stationen der Liebe von Jan und Nina!
Wie geht Nina mit Sexualität um? Wie Jan?
Woran erkennen Jan und Nina ihre Liebe?
In welcher Weise beeinflusst Nina die Lebenseinstellung von Jan?
Wodurch wird ihre Beziehung gefährdet?
Wieso wird Jan von seinem Freund Jonas geraten, nicht von seiner HIV-Infektion zu
erzählen?
Warum beendet Jan die Freundschaft zu Nina nach dem ersten sexuellen Kontakt?
Warum geht Nina mit in den Tod?
Zur Dramaturgie und Ästhetik des Films
Welche Bedeutung haben die Unterwasser-Szenen? Was bedeutet Wasser für Jan?
Wie beginnt und endet der Film? Warum?
Analysiere die Verwechslung bei der Beerdigung. Wie wurde Spannung erzeugt?
Warum wurde der Aufprall des Autos am Ende nicht gezeigt? Ist das Ende offen?
Weshalb?
Warum heißt der Film „Fickende Fische“? Welche Erwartungen hat der Titel bei Euch
geweckt? Wurden diese erfüllt?
Spielen Sophie Ragoll und Tino Mewes ihre Rollen glaubhaft? Warum (nicht)?
Zur Familie
Welche Rolle nimmt Jan, welche Nina in ihrer Familie ein?
Wie lässt sich ihr Verhältnis zu den Eltern beschreiben? Was könnten Gründe dafür sein?
Warum finden Jan und Nina bei den Eltern keinen wirklichen Rückhalt und Unterstütz ung?
Was können Vertrauenspersonen bieten? (Jans Opa, Nachbarin Angel)
Wo gibt es stereotype Verhaltensweisen bei den Eltern? Wie ist die Rollenverteilung bei Jans
Eltern?
Warum ist Ninas Mutter in Kenia? Aus welchem Grund kommt sie zum Besuch nach
Deutschland?
Welche Verantwortung hat eine Mutter? Darf sie auf eine lange Selbstfindungs-Reise gehen
und Kinder zurücklassen?
Warum kann Nina Caro nicht leiden? Sind die Gründe nachvollziehbar?
Wie wird der Großvater von Jans Eltern behandelt? Warum wollen die Eltern ihm keinen
Cognac geben?
Zu Aids
Was bedeutet HIV positiv bzw. negativ?
Woran merkt/sieht man, dass jemand HIV infiziert ist?
Wie kann man sich vor HI-Viren schützen?
Was ist der Unterschied zwischen HIV-Infektion und Aids-Erkrankung?
Wie hat Jan sich mit dem HIV-Virus infiziert? Wer ist daran schuld? Kann jemand
verantwortlich gemacht werden?
Welches Übertragungsrisiko besteht bei einer Bluttransfusion in Deutschland heute?
Wie gehen Jans Eltern mit der Krankheit um?
Gibt es für Jans Eltern
existieren in der Familie?
die
Gefahr
einer
Ansteckung?
Welche
Übertragungswege
Mit welchem Klischee über Aids wird Jan in der Aids-Beratungsstelle konfrontiert?
Wie reagiert Nina, als sie erfährt, dass er HIV positiv ist?
Warum hat Jan Ängste gegenüber der Sexualität? Welche Gefahr sieht er?
Was wäre Eure Reaktion wenn ein HIV-Infizierter in Eure Klasse kommt?
FICKENDE FISCHE
Materialien
Sequenzfolge
Sequenz 1:
Jan in der Badewanne, Kopf unter Wasser, Mutter holt ihn erschrocken hoch
Sequenz 2:
Pillen werden zum Fisch formiert, Jan schluckt die Medikamente
Sequenz 3:
Nina auf Inline-Skates, wird angemacht
Sequenz 4:
Jan läuft über Straße mit geschlossenen Augen
~Wasser mit zwei Fischen~
Zusammenstoß mit Nina, Jan ist ohnmächtig, Nina fasst auf Jans Wunde am Kopf,
Sanitäter verarzten beide
Sequenz 5:
Nina trifft ihren Schwarm Ben, der sie nur nach Claudia fragt
Sequenz 6:
Jans Aquarium, Mutter verbindet seinen Kopf
~Wasser mit Fischen und Jan~
Sequenz 7:
Jan am See
Sequenz 8:
Jan bei Opa, erzählt von Zusammenprall
Sequenz 9:
Nina bei Angel, erzählt von Ben, Sternzeichen-Vibratoren
Sequenz 10:
Krankenhaus, Gespräch mit Arzt, Jan geht zu Jonas ans Krankenbett
Sequenz 11:
Nina in Werkstatt von Onkel Dieter, soll Auto rausfahren
Sequenz 12:
zweiter Zusammenstoß mit Nina auf Brücke, Fisch in Plastikbeutel tot
Sequenz 13:
Spielplatz, die beiden reden über Delfine, „Ficken deine Fische eigentlich?“
Sequenz 14:
Nina läuft mit Jan nach Hause
Sequenz 15:
Freund des Bruders findet BH von Caro, macht Nina im Hausflur an
Sequenz 16:
Nina am Kühlschrank, Streit mit Caro in der Küche „Kannst ja wieder ausziehen!“
Sequenz 17:
Jan in Badewanne mit Stoppuhr
~Wasser mit Fischen und Jan~
Sequenz 18:
Mutter am Tisch, „Es hatte sich jemand verwählt.“
Sequenz 19:
Nina steigt durch Fenster in Jans Zimmer, hat Überraschung, Mutter ruft
„Mäuselchen“
Sequenz 20:
Riesentabletten, Jan steckt sie in Bademantel
Sequenz 21:
Ankleiden, beide steigen aus Fenster
Sequenz 22:
Delfinarium, Sicherheitsbeamter findet sie, Jan droht mit Aids, beide entkommen
Sequenz 23:
Vater boxt, Jan will über Liebe zu Nina reden, Mutter holt Jan zum Tischdecken
Sequenz 24:
Jan mit Nina am See schwimmen
~Wasser mit Jan und Nina~
Sequenz 25:
Messen wie lange sie Luft anhalten können auf Spielplatz
Sequenz 26:
Jan und Nina auf Dach von Hochhaus „Wo liegt Kenia?“
Sequenz 27:
Besuch bei Opa, Jan stellt Nina vor
Sequenz 28:
Nina mit Jan im Auto, Zigarette „Danke, Schatz“, Nina erklärt Jan Autofahren
Sequenz 29:
Ninas Zimmer, tanzen zusammen, fast Kuss, Caro platzt rein, Jan geht
Sequenz 30:
Jan im Park mit Opa, arbeiten an Betonung für „Beichte“
Sequenz 31:
Jan bei Jonas im Krankenhaus, Gespräch über Sexualität
Sequenz 32:
Jan in der Aids-Hilfe, im Hintergrund Mitarbeiter, nimmt sich Kondom
Sequenz 33:
Zieht Kondom über Poller am Straßenrand
Sequenz 34:
Eisessen im Park
Sequenz 35:
Jan und Nina in Zoohandlung, fragen Verkäufer nach lebendgebärenden
Fischen
Sequenz 36:
Nina zu Hause, Mutter ruft an, wird sie besuchen kommen
Sequenz 37:
Nina bei Angel, Nachbarin unglücklich
Sequenz 38:
Küche, Jans Mutter kocht, Diskussion über Gemüsebratlinge
Sequenz 39:
Jan füttert Fische im Zimmer
~Wasser mit Nina und Jan~
Sequenz 40:
Jan mit blauen Haaren, Mutter kommt nach Hause
Sequenz 41:
Tapetenwechsel bei Jan, spritzen mit Wasserpistole
Sequenz 42:
Vater auf Straße bei Jans Spielsachen, Boxhandschuhe
Sequenz 43:
Jan im Fast-Food, Mädchen geben ihm Konzertkarte
Sequenz 44:
Opa bei Jans Familie, Diskussion um Cognac
Sequenz 45:
Ninas 16. Geburtstag, Caro offenbart ihre Schwangerschaft, Nina geht
Sequenz 46:
Jans neues Zimmer, er fotografiert, Nina steigt durchs Fenster ein, Jan holt Schmuck
aus Tresor, Nina wird blau geschminkt, Fotosequenz
Sequenz 47:
im Bad, beide duschen
Sequenz 48:
legen sich ins Bett, Jan hat Orgasmus, holt ein T-Shirt, verstört, redet nicht, Nina geht
Sequenz 49:
Jan im Boxraum, fragt Eltern nach Strafe für Arzt
Sequenz 50:
Mutter entfärbt Jans Haare
Sequenz 51:
Nina ritzt mit Zirkel in Haut
Sequenz 52:
Jan bei Opa, will wissen wie Unfall passiert ist, Opa hat Asthma Anfall
Sequenz 53:
Nina besucht Jan im Zimmer, er meint sie passen nicht zusammen
~Wasser mit Jan und Nina~
Sequenz 54:
Nina im Zimmer, spielt E-Gitarre
Sequenz 55:
Jan beim Arzt, erfährt von Jonas Tod
Sequenz 56:
Ninas Vater im Flur, findet Foto von Eva, Nina fragt nach Trennung
Sequenz 57:
Jan bei Party, trifft Mädchen aus Fast-Food, Nina mit Freund ihres Bruders vor
Partyraum, Jan schlägt ihn, sagt Nina, dass er HIV positiv ist, rennt weg
Sequenz 58:
Jan im Regen, stößt Mülltonnen um
Sequenz 59:
Nina rennt nach Hause
Sequenz 60:
Jan kommt nach Hause, Ohrfeige von Mutter, sie hat Tabletten im Glas gefunden
Sequenz 61:
Nina betrinkt sich, Caro duscht sie, Nina sagt, dass Jan AIDS hat
Sequenz 63:
Familientreff im Flur, Mutter kommt zurück
Sequenz 63:
Jan balanciert auf Brückengeländer, springt ins Wasser
~Wasser mit Jan und Fischen~
Sequenz 64:
Angel hat neue Bewohnerin
Sequenz 65:
Nina klopft an Jans Fenster, Nachbarin weist auf Krematorium hin
Sequenz 66:
Krematorium, alle kommen raus, Jan noch drin, kippen Asche von Opa in Tüte
Sequenz 67:
Nina zu Hause, Gespräch mit Mutter „besser, wenn du diesen Jan nicht mehr siehst“,
Bruder zieht aus
Sequenz 68:
Jan und Nina auf Spielplatz, aus Schwanzflosse Begattungsorgan
Sequenz 69:
Autofahrt, Asche auf Rücksitz, Auto stürzt von der Brücke
~Wasser mit Jan und Nina~
FICKENDE FISCHE
Notizen zum Film
Der Filmtitel
„Ficken deine Fische eigentlich?“ heißt es in
Sequenz 13. Die Regisseurin nennt ihren Film
provozierend nach dieser Frage von Nina. „Denn
in diesem Bild [...] ist alles enthalten, worum es
in diesem Film geht – die erste Liebe, die Ungewissheit vorm ersten Sex, das Nebeneinander
von sensiblen Gefühlen und hartem Schicksal.“
(http://www.cyberkino.de/entertainment/
kino/1110/111328pr.html)
Die Regisseurin
Almut Getto wurde in Kandel in der Pfalz
geboren. An der Ludwig-Maximilian-Universität
München studierte sie im Magisterstudiengang
Politik-, Kommunikationswissenschaften und Soziologie. Als TV-Autorin war sie danach bei RTL,
SAT1, ORB, Deutsche Welle und Arena Aktuell
tätig.
Herbst 1995 begann Almut Getto ein Studium
an der Kunsthochschule für Medien in Köln im
Fachbereich Film/Fernsehen.
In Großbritannien drehte sie 1998/1999 ihren
Abschlussfilm „Spots & Stripes“ über ein 13jähriges rothaariges Mädchen. Dieser Film über
eine Außenseiterin wurde mehrfach ausgezeichnet. 2001 erhielt Almut Getto den NRW-Nachwuchspreis für Regie in ihrem ersten Langspielfilm „Fickende Fische“. Auf dem Max
Ophüls-Filmfestival erhielt dieser Film den Preis
des Saarländischen Ministerpräsidenten.
Die Darsteller
Mit besonderer Sorgfalt wurden die Darsteller
ausgewählt. Für die Rollen von Jan und Nina
wurden mehr als 800 Bewerber aus Agenturen,
Jugendtheatergruppen und Schulen bundesweit
gecastet. Almut Gettos Begründung lautete: „Es
ging mir nicht nur darum, die besten Darsteller
zu finden, sondern auch das beste Paar.“
(http://www.cyberkino.de/entertainment/
kino/1110/111328pr.html)
Filmkritiken
film-dienst 2002-17: „In die Einsamkeit eines 16Jährigen, der in seiner Kindheit durch eine Bluttransfusion mit AIDS infiziert wurde, dringt ein
etwa gleichaltriges Mädchen. Die erste große Liebe
ist ebenso von der verspielten Entdeckung aufkeimender Sexualität bestimmt wie von seiner tief
sitzenden Angst, dass seine Krankheit diese Liebe
bedroht. Ein ebenso berührendes wie unterhaltsames Jugenddrama, das flott und unverkrampft,
aber nie oberflächlich die Suche zweier Jugendlicher nach Identität und Lebenssinn beschreibt.
Subtil und voller Poesie verbinden sich Traum und
Wirklichkeit zu einer glaubwürdigen Utopie, die
von überzeugenden Hauptdarstellern getragen
wird.“
Cinema 2002-08: „In ihrem gefühlvollen, aber nie
sentimentalen Spielfilmdebüt "Fickende Fische" ge lingt Regisseurin und Autorin Almut Getto das
Kunststück, einerseits das ganz normale Gefühlschaos eines pubertierenden Jungen zu zeigen, andererseits mit schonungsloser Genauigkeit den Alltag eines Aids-Kranken zu beobachten: mit Eltern,
deren Hilflosigkeit sich in Überfürsorglichkeit
widerspiegelt, mit Ärzten, für die das Elend ihrer
Patienten Routine ist, mit Leidensgenossen, die ihre
Todesangst mit Galgenhumor überspielen.“
Oliver Kaever (TV-Movie) 2002-17: „Hier stimmt
einfach alles: Regiedebütantin Almut Getto gelang
mit "Fickende Fische" ein bezaubernder Teen-Film
voll Poesie und Humor - und zugleich völlig frei
von den üblichen Klischees. Einfühlsam setzt sie die
unsentimentale Love Story in Szene, finde t dabei
immer den richtigen Ton. Hut ab auch vor den
jungen Darstellern: Deren intensives Spiel bewegt
zutiefst.“
Der Spiegel 2002-32: „Almut Gettos Kinodebüt
ist ein eindringlicher, trauriger und doch auch hoffnungsvoller Film über eine junge Liebe, die sich
früh mit dem Tod messen muss. Die Regisseurin
führt ihre Darsteller erstaunlich sicher durch die
schwierigen emotionalen Verwirrungen und erzählt
ihre Geschichte mit bewundernswert leichtem Tonfall.“
FICKENDE FISCHE
AIDS
Allgemeines
Deutschland
Die AIDS-Epidemie gilt durch die rasante weltweite Ausbreitung und den tödlichen Krankheitsverlauf als eine der größten medizinischen
Herausforderungen in der heutigen Zeit. Jede
Minute stecken sich weltweit zehn Menschen
mit dem HI-Virus an. Weltweit gibt es nach
Schätzungen der UN-Organisation UNAIDS
etwa 40 Millionen HIV-Infizierte, 70 Prozent davon in Afrika. Andere Quellen gehen sogar von
mehr als 60 Millionen Menschen aus. 20 Millionen Menschen sind bereits an AIDS gestorben.
In Deutschland liegen genaue Zahlen zur AIDS
Epidemie vor, da HIV-Infizierungen beim
Robert-Koch-Institut meldepflichtig sind. Insgesamt lebten Ende 2002 etwa 39.000 mit HIV
infizierte Menschen in Deutschland, darunter
sind etwa 30.000 Männer und 9.000 Frauen.
Die Zahl der HIV-infizierten Kinder liegt unter
400. Bei etwa 5.000 der 39.000 HIV-Infizierten
ist die Erkrankung bereits zum Vollbild AIDS
fortgeschritten. Seit Beginn der Epidemie Anfang
der 80er Jahre haben sich in Deutschland etwa
60.000 Menschen mit HIV infiziert, etwa 25.500
Menschen sind an AIDS erkrankt und etwa
20.500 an den Folgen der HIV-Infektion
verstorben. Die Arten der Übertragung werden
durch das Robert Koch Institut wie folgt
geschätzt:
Die Abkürzung AIDS steht für Acquired Immune
Deficiency Syndrome (erworbenes Immunschwächesyndrom). Durch das Erregervirus HIV
(Human Immunodeficiency Virus) kommt es im
Laufe der Zeit zur Zerstörung des körpereigenen
Immunsystems, wodurch Krankheiten und Infektionen nur noch schlecht abgewehrt werden.
Wird dieser Virus übertragen, kann es in der
Regel bis zu 10 bis 12 Jahre dauern, bis HIVinfizierte Menschen die Krankheit AIDS entwickeln. HIV-infizierte Menschen (HIV-positive)
Menschen bemerken die Infektion nicht sofort,
aber sie können das Virus unbemerkt an andere
Personen weitergeben, auch wenn die Krankheit
noch nicht ausgebrochen ist. AIDS wird durch
eine Vielzahl medizinischer Parameter bzw.
Kennzeichen definiert, u.a. durch bestimmte
Blutwerte, wie durch die Anzahl der sog. Helferzellen (T4-Zellen). Das Krankheitsbild umfasst
vor allem verschiedene Infektionskrankheiten
und Tumore. Unbehandelt versterben innerhalb
von 15 Jahren etwa zwei Drittel der Infizierten
an den Folgen ihrer HIV-Infektion. Durch medizinische Behandlung und Medikamente kann der
Krankheitsverlauf stabilisiert bzw. verlangsamt
werden.
Homosexuelle Kontakte:
50 %
Herkunft aus Hochprävalenzgebiet:23 %
Heterosexuelle Kontakte:18 %
Intravenöser Drogengebrauch:9 %
Mutter-Kind-Transmission:<1 %
Der in Deutschland – wie auch in den meisten
Industrieländern – nach 1995 zu beobachtende
Rückgang der AIDS-Neuerkrankungen, der in
erster Linie auf die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten sowie deren verbreiteten und
frühen Einsatz zurückzuführen ist, hat sich in den
letzten Jahren nur noch verlangsamt fortgesetzt.
Die Zahl der mit dem Vollbild AIDS neu erkrankten Personen ist im Jahre 2002 mit etwa 700
Fällen auf dem Niveau des Vorjahres geblieben.
(Quelle: Robert Koch Institut, 2002)
(http://www.rki.de/INFEKT/AIDS_STD/ECKDATE
N2002.PDF)
(http://www.rki.de/INFEKT/AIDS_STD/AZ.HTM)
Übertragungsmöglichkeiten
Obwohl AIDS eine Infektionskrankheit ist, überträgt es sich nicht wie eine Grippe. Das HI-Virus
kann durch Sperma, Scheidensekret, Muttermilch und Blut übertragen werden. Bei HIV-infizierten Menschen ist das Virus zwar in allen
Körperflüssigkeiten (Speichel, Tränen, Urin) vorhanden, jedoch nur in Blut, Muttermilch, Sperma
und Scheidenflüssigkeit in genügend großer
Menge, um eine andere Person anstecken zu
können. Andere Übertragungen wie etwa durch
Insekten, Essgeschirr, Toiletten, Schwimmbad,
Sauna usw. sind nicht möglich, da das Virus
außerhalb des menschlichen Körpers nicht
überlebensfähig ist. Somit sind alltägliche soziale
Kontakte (Händeschütteln, Umarmen, Streicheln, Küsse) unbedenklich.
Nur wenn das Virus in den Blutkreislauf eines
Nicht-Infizierten gelangt, kann es zur Übertragung und Infektion kommen.
Einen Schutz vor einer HIV-Infektion beim
Geschlechtsverkehr bietet bei richtiger Anwendung nur das Kondom. Deshalb sollte man
bei sexuellen Kontakten mit neuen Partnern
generell ein Kondom benutzen.
Es ist sicherlich nicht einfach mit einen
Menschen, den man zwar sehr mag und vielleicht gerade erst kennengelernt hat, ein ernstes
Gespräch über Schutz, eventuelle Risiken der
Vergangenheit, über Treue und Untreue zu führen. Leider nehmen nicht alle die Ansteckungsgefahr ernst. Falls man sich nicht sicher ist, dass
man selbst oder der Partner nicht infiziert ist,
sollte man zum Kondom greifen.
Die Verantwortung für die eigene Gesundheit
trägt jeder selbst! Aufgrund dieser individuellen
Verantwortung kann jeder auf die Benutzung
eines Kondoms bestehen.
AIDS durch Bluttransfusion
Übersicht Risikoverhalten
Folgende Verhaltensweisen werden als riskant
eingeschätzt.
•
Ungeschützter vaginaler, oraler und
analer Geschlechtsverkehr
•
Infektionsrisiko erhöht sich mit häufig
wechselnden Sexualpartnern
•
Direkter Kontakt mit Wunden und
Verletzungen
•
Stillen
•
gemeinsamer Spritzen- und Nadelgebrauch (z.B. intra-venöser Drogenkonsum)
Alle Blutkonserven werden seit Mai 1985 einem
Antikörpertest unterzogen, so dass sie in
Deutschland und mittlerweile nahezu in allen
europäischen Ländern ein Infektionsrisiko unter
1:1.000.000 in sich bergen. Eine absolute
Sicherheit gibt es leider nicht, denn wie bei jeder
Krankheit gibt es eine sogenannte „diagnostische Lücke“. Diese Lücke erstreckt sich zwischen
der tatsächlichen Ansteckung und der Nachweisbarkeit von Erregern oder Antikörpern im Labor.
Bei HIV-Infektionen liegt diese Lücke bei durchschnittlich 65 Tagen. Durch moderne Testverfahren konnte dieser Zeitraum und somit das
Übertragungsrisiko weiter minimiert werden. Je
nach Viruskonzentration beträgt das Risiko einer
Infektion nunmehr 1:5.000.000. Zusätzlich werden bei der Blutspende potenzielle Risikogruppen durch gesetzlich vorgeschriebene Fragen ausgeschlossen.
Für Deutschland bedeutet dies, dass bei Anwendung von 4 bis 5 Millionen Blutpräparaten
pro Jahr mit einer unvermeidbaren Infektionen
zu rechnen ist. Im Verhältnis zu vielen anderen
Risiken im täglichen Leben ist dieses Restrisiko
sehr klein, zudem werden Blutpräparate meist
nur bei lebensbedrohlichen Zuständen angewendet.
Für den Spender besteht bei der Blutspende
keine Ansteckungsgefahr. Denn alle genutzten
Geräte sind steril und werden nur einmal
genutzt. Das gilt selbstverständlich auch für die
Blutplasma-Spende.
(Quelle: DRK Sachsen/ DRK Baden-Württemberg,
www.blutspende.de, 2003)
Forschung/ Behandlung
sexuelle Menschen besteht. Die Furcht vor Ausgrenzung kann Menschen bei der Suche nach
einer AIDS-Behandlung oder bei der Inanspruchnahme des HIV-Testes hindern. Nur wenn Vorurteile und Diskriminierung bekämpft werden,
kann auch der Kampf gegen HIV/AIDS gewonnen werden.
Die AIDS-Forschung ist sehr aufwendig und
teuer, denn das HI-Virus verändert ständig seine
Oberflächenstruktur, außerdem gibt es verschiedene Virusstämme. In Europa und in Amerika ist
fast nur der Typ HIV1 verbreitet. HIV2, das sich
in der Erbsubstanz jedoch stark unterscheidet,
findet sich hauptsächlich in Afrika, aber auch
andere Virustypen kommen vor. Bislang wurden
10 HIV-Typen identifiziert. Ein verlässliches
Medikament gegen AIDS oder einen prophylaktischen (vorbeugenden) Impfstoff gibt es noch
nicht. Die Entwicklung eines wirkungsvollen
Impfstoffes wird noch Jahre dauern, allerdings
gibt es schon jetzt erfolgversprechende Versuche.
Es sollte heutzutage selbstverständlich sein, dass
HIV-Infizierte genauso wie andere Menschen
behandelt werden. Durch eine übertriebene Vorsicht und Kontaktscheu werden die Betroffenen
ausgegrenzt.
Heute werden Infizierte in Deutschland mit
Medikamenten behandelt, die den Krankheitsverlauf z.T. hinauszögern. Diese Medikamente
(z.B. AZT/ Retrovir, DDC) werden als Kombinationen verabreicht und haben zum Teil starke
Nebenwirkungen.
http://www.sexundso.de
E-Mail-Beratung der ProFamilia
Selbst wenn in nächster Zeit ein wirksames Medikament entwickelt wird, ist damit noch nicht
das Problem AIDS gelöst. Denn der globale
Kampf gegen AIDS muss natürlich auch finanziert werden. 95 Prozent aller HIV-infizierten
Personen leben in Entwicklungsländern. Aufgrund des Geldmangels werden sich die Interessen von Pharmaindustrie, Forschung und Betroffen nur schwer vereinbaren lassen. Neben
der Armut sind auch Religion, Aberglaube und
eine fehlende oder mangelhafte Aufklärung entscheidende Hindernisgründe für eine effektive
AIDS-Prävention bzw. AIDS-Bekämpfung.
Soziale Auswirkungen
Für betroffene Menschen ist die Krankheit oft
mit Diskriminierung und Ausgrenzung verbunden. Das Vorurteil, nachdem AIDS als
Schwulenkrankheit bezeichnet wird, hält sich bis
heute, auch wenn das Risiko ebenso für hetero-
Informationen
Weiter Informationen und Beratungen gibt es
bei den regionalen Aids-Hilfen (Beratung und
Selbsthilfegruppen) und den Gesundheitsämtern
(Beratung und Test), sowie im Internet unter:
http://www.gib-aids-keine-chance.de
umfassende Seite der BzgA mit Broschüren,
Comics über Kondomgebrauch
www.bgza.de
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung,
bietet Mo-Do 10-22 Uhr und Fr-So 10-18 Uhr
eine persönliche, anonyme Telefonberatung
zu Aids und sexuell übertragbaren Krankheiten
unter Tel: 0221-892031
http://www.rki.de/infekt/AIDS_std/az.htm
Das Robert Koch Institut hat Statistiken über
Aids in Deutschland und Informationen über
Infektionskrankheiten
FICKENDE FISCHE
Do Fish Do it?
Die Fortpflanzung ist ein wesentliches Kennzeichen aller Lebewesen. Das Erzeugen von
Nachkommen ist neben eigenem Überleben
wichtigster Lebensvorgang.
Haie
Einige Haiarten besitzen paarige penisartige
Organe, die Klasper, welche von außen gut
sichtbar sind. Sie sind ein Stück umgewandelte
Bauchflosse. Wenn man keine Hände, sondern
nur Flossen hat, ist eine Begattung im dreidimensionalen Raum nicht einfach. Bei der
Paarung beißt daher der männliche Hai deshalb
in die Brustflossen des weiblichen Hais, um sich
festzuhalten. Somit findet eine innere Befruchtung im Eileiter der Weibchen statt. Jeder Embryo entwickelt sich meist in einer separaten
mütterlichen Kammer, die durch eine Plazenta
oder einem drüsenartigen Gewebe versorgt
wird. Das Weiße Hai - Weibchen bringt zum Beispiel nach 12monatiger Tragzeit lebendige Junge
zur Welt, die 1,2-1,5m lang und 32kg schwer
sind.
Tintenfische
Forscher (M. Norman, J. Finn) haben bei südaustralischen Tintenfischen ein interessantes
Paarungsverhalten beobachtet. Ein Männchen
imitiert das Aussehen und Verhalten des
Weibchens. Die längeren Fangarme eingezogen,
schwimmt der Tintenfisch scheinbar desinteressiert neben einem schon gebildeten Paar.
Kommt ein weiteres „richtiges“ Männchen hinzu, um das echte Weibchen streitig zu machen,
bekommt der verkleidete Tintenfisch eine
Chance. Denn während die beiden Männchen
kämpfen, zeigt der Tarnkünstler seine Absichten
und nähert sich dem unbewachten Weibchen,
um sich mit ihr fortzupflanzen. Oftmals wurde
diese erfolgreiche Paarungstaktik beobachtet.
Putzerlippfische
Im Riff gibt es ganz bestimmte Stellen, wo der
Putzerlippenfisch sogenannte Putzerstationen
unterhält. Andere Fische suchen diesen Ort auf,
um sich von Schmarotzern befreien zu lassen.
Ein dominantes Männchen kontrolliert jeweils
eine Station. Es vertreibt andere Männchen und
paart sich einmal pro Tag mit jedem seiner sechs
Weibchen. Wird das Männchen in einem Experiment entfernt, ersetzt nicht ein außerhalb
wartendes Männchen das verlorene Führungstier. Statt dessen vollzieht das größte der circa
sechs Weibchen einen Geschlechtswandel und
wird innerhalb von Stunden zu einem Männchen. Binnen weniger Tage ist dieses neue
Männchen in der Lage, sich mit den übrigen
Weibchen zu paaren.
FICKENDE FISCHE
Literaturhinweise
Zum Film:
Faulstich, Werner: Grundkurs
München: Wilhelm Fink, 2002.
Zur Fortpflanzung von Fischen
Filmanalyse.
Hildebrand, Jens: Film: Ratgeber für Lehrer.
Köln: Aulis Verlag Deubner, 2001.
http://www.fickende-fische.de – Offizielle Seite
zum Film vom X-Verleih
Kamp, Werner; Rüsel, Manfred: Vom Umgang
mit Film. 1. Auflage. Berlin: Volk und Wissen,
1998.
http://www.hai.ch - Hai Stiftung, Steckbrief zu
250 Haiarten, Verbreitung, Forschungsprojekte,
Unterrichtsmaterialien
http://www.starfish.ch/Korallenriff/Fortpflanzun
g.html - Kurioses Paarungsverhalten von bestimmten Meerestier-Arten
http://www.tierenzyklopaedie.de - Lexikon zu
Tieren
Zum Selbstmord
Monaco, James: Film verstehen: Kunst, Technik,
Sprache, Geschichte und Theorie des Films und
der neuen Medien. 3. Auflage. Reinbek:
Rowohlt, 2001.
http://www.neuhland.de - ein Verbund von
psychotherapeutisch orientierten Beratungsstellen, Krisenunterkunft für Kinder und Jugendliche
bis 25 Jahre
Zur Liebe
http://www.suizidprophylaxe.de
Gesellschaft für Suizidprävention
http://www.loveline.de – Seite der BzgA für
Jugendliche mit Chat, Spielen, persönlichen
Geschichten
http://www.lovespace.de – Forum für Fragen,
die Jugendliche schon immer vom anderen
Geschlecht wissen wollten, Beratung durch
Pädagogen per E-mail
http://www.sexundso.de – Infos zur Homo- und
Hetero-Sexualität, erste Liebe, E-mail Beratung
der Pro Familia
Zu Aids
http://www.bzga.de - Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung, stellt kostenlos
Medien und Materialien zum Thema Aids
http://www.gib-aids-keine-chance.de
–
umfassend, Comic zum Kondomgebrauch,
Werbespots, Kontaktadressen für fremdsprachige Beratung
http://www.rki.de/infekt/aids_std/az.htm
Robert Koch Institut, Statistiken über Aids und
Infektionskrankheiten
–
Deutsche