Der DRM-Einsatzwagen BMW 320 Gruppe 5 von 1977

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Der DRM-Einsatzwagen BMW 320 Gruppe 5 von 1977
(Von www.Zwischengas.com)
Der DRM-Einsatzwagen BMW 320 Gruppe 5 von 1977 aus der Sicht
des Piloten
Wir drei frischgebackenen Junioren, der deutsche Joachim Winkelhock, der USAmerikaner Eddie Cheever und ich, fuhren aus München mit unseren 320i nach Le
Castellet zum ersten Test des neuen 320 Gruppe 5. Trotz heftigem Schneefall in
Deutschland, waren wir ohne Winterreifen unterwegs. Auf der etwas höher gelegenen
Schwäbischen Alp lag dann auch auf der Autobahn richtig viel Schnee. Um nicht
stecken zu bleiben sind wir im Formationsflug mit viel Schwung über die Standspur an
den schockierten Alltagsfahrern vorbei geflogen.
Der erste Test
In Südfrankreich angekommen, durfte Eddie Cheever als erster in den BMW 320
Rennwagen steigen, was Manfred und mich natürlich ärgerte, aber er war als F2 Fahrer
auch schon ein Stück weiter als wir. Dann endlich kam ich an die Reihe. Was für ein
Schock für einen Formel 3 Fahrer, der ein feinfühliges Fahrzeug gewohnt war. So ein
Tourenwagen, obwohl für diese Kategorie mit 960 kg relativ leicht, verhielt sich wie ein
störrischer Esel, erst wollte er nicht in die Kurve rein und wenn er dann doch endlich
drin war, wollte das Heck als erstes auch schon wieder raus. Man wurde gezwungen,
das Fahrzeug so richtig um den Kurs zu prügeln!
Das erste Rennen
Bei den Tests zeigte sich, dass sich die Bestzeiten zwischen Eddie und mir hin und her
bewegten. Manfred, der vorher nur Scirocco Cup gefahren war, wurde aber auch von
Runde zu Runde immer schneller. Die Wahrheit sollte beim ersten Rennen ans Licht
kommen. Nicht nur, wer von uns dreien der Schnellste sein sollte, sondern auch wie wir
gegen die Ford Konkurrenz abschneiden würden.
Im belgischen Zolder fand der erste Lauf statt, eine Strecke, die ich bestens aus
alten Formel-V-Zeiten kannte. Bereits im ersten freien Training hatte Cheever einen
fürchterlichen Abflug. Er blieb mit dem Fuss zwischen Gas- und Bremspedal hängen
und schoss Ende der Start-Ziel Geraden ungebremst durch die Leitplanken und blieb
hinter einem Hügel im Gebüsch stecken. Als ich sein leichenblasses Gesicht sah,
dachte ich: „Gut, den bist du los“.
So war es dann auch im Qualifying, aber im Rennen wurde er doch noch fünfter. Ich
stellte den BMW, zur Überraschung aller auf die Pole-Position, welche ich aber am Start
nicht nutzen konnte, da Hans Heyer mit dem Ford-Escort den besseren Start erwischte.
Ich folgte ihm die ersten Runden, dann bremste ich ihn aus. Er verhielt sich bei diesem
Manöver fair, etwas was sich im Verlaufe des Jahres aber drastisch ändern sollte ...
Ich gewann das Rennen vor Heyer und Winkelhock, welcher die beiden Routiniers
Harald Grohs und Toine Hezemann niedermachte, wie er es immer so schön zu sagen
pflegte. Gleich zwei Junioren beim ersten Auftritt auf dem Podest, das war natürlich
ein Riesenschock für die etablierte Konkurrenz. Für uns jedoch ein Grund zum Feiern,
obwohl wir natürlich insgeheim so ein Resultat erhofft haben. Dieses erste Rennen
brachte einen unglaublichen Medienrummel mit sich. Die „Bunte“, der „Spiegel“, sie alle
brachten mehrseitige Storys über uns, die wilden Jungs!
Auf zum Nürburgring
In der grünen Hölle würden uns die Gegner dann schon zeigen wo's lang geht, wurde
überall gesagt! Doch gute Vorbereitung ist alles. Unser Boss Jochen Neerpasch, selbst
als Rennfahrer nicht unbekannt, trainierte mit uns im Vorfeld zum Rennwochenende
auf der Nordschleife mit identischen Strassen 320i. Erst fuhr Neerpasch vorne weg,
dann durfte einer von uns das Kommando übernehmen. Als Eddie an der Reihe war,
versuchte er sofort Neerpasch abzuhängen. Als 19-jähriger vertrat er die Theorie,
dass man pro Jahr um eine Zehntels-Sekunde langsamer wird, also konnte der mehr
als doppelt so alte Boss der Motorsport GmbH niemals so schnell fahren wie er. Der
Versuch endete bereits Ausgangs Hatzenbach an der Leitplanke ...
Zur Strafe musste er eine ganze Woche am Ring bleiben und mit den BMWVersuchsfahrern weiter üben.
Das Rennwochenende zeigte schnell, dass wir auch hier mit vorne dabei waren.
Mit meiner schnellsten Runde von 8,03 Min für die damaligen 22.8 km, inklusive
der Südschleife, waren wir voll konkurrenzfähig. Um einen Vergleich mit heutigen
Rundenzeiten auf der reinen Nordschleife 20,8 km (ohne Grand Prix Kurs) zu haben,
können wir einfach rund 10% der damaligen Rundenzeit abziehen, das ergäabe also
7.14 Min. Kommt noch dazu, dass man inzwischen kleinere Retouchen an der Strecke
vorgenommen hat, wie das Abflachen der Curbs (Randsteine), was einen weiteren
grossen Zeitgewinn mit sich bringen würde.
Im Rennen zeigte sich, dass unser 320er, gegen den Escort, auf der Geraden viel
zu langsam war. Klar, „nur“ 300 PS auf so ein breites Auto, das konnte man schon
optisch sehen. So kam es zu einer wilden Situation auf der Döttinger Höhe. Bei
Windschattenspielen mit Teamkollege Winkelhock, drückte dieser mich plötzlich an den
Rand der Strecke. „Spinnt er jetzt“, dachte ich, doch dann schoss auf dem Grünstreifen
Hans Heyer vorbei, Manfred hatte den Escort im Rückspiegel gesehen und wollte ihn
mit mir blockieren. Mit diesem Manöver war der Krieg mit Ford eröffnet.
Tatort Norisring
Das Ganze eskalierte am Norisring. Eddie Cheever hatte einen guten Start und
übernahm sofort das Kommando, dahinter Heyer, der Winkelhock mit allen Mitteln im
Schach hielt. Immer wieder versuchte es Manfred, doch Hans drängte ihn ein paar Mal
ganz gemein ab. Winkelhock, der inzwischen zu einem sehr guten Freund wurde, gab
mir entnervt das Zeichen, dass ich es doch mal versuchen sollte. Mit mir machst du das
nicht, dachte ich. Als Heyer aber auch mich abdrängen wollte, drehte ich ihn einfach
um. Inzwischen war der zweite Ford mit Armin Hahne an der Box gewesen und kam welch ein Zufall - direkt vor der Spitze wieder auf die Strecke. Cheever wurde dadurch
aufgehalten und ich konnte aufschliessen. Gut dachte ich, Hahne hilft mir das Rennen
zu gewinnen. Doch Eddie boxte sich mit Gewalt an dem Ford vorbei. Nun lag Armin mit
einer Runde Rückstand vor mir, was jedoch die Rennleitung nicht interessierte. Als mir
seine Zickzack-Fahrweise zuviel wurde, rammte ich ihn.
Leider schlitzte ich mir dabei meinen Vorderreifen auf und musste die Box aufsuchen.
Was der Hahne kann, kann ich schon lange, dachte ich, als ich wieder auf der Strecke
war und wartete auf das Duo Heyer-Winkelhock. Als der schwarze Escort neben mir
auftauchte, zog ich rüber und wir kollidierten auf der Geraden.
Was dann geschah ist Geschichte: Heyer fuhr das Rennen mit einer Hand die Tür
haltend, in seinem Schrotthaufen zu Ende und wurde zum Held. Ich als Bösewicht
verlor die Lizenz, dabei hatte ich mich doch nur für die Hahne Nummer revanchiert,
oder?
Marc Surer 30.4.12
www.MarcSurer.com