Andreas Baumann 2007

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Andreas Baumann 2007
Crazy Horse
Ride
04.06 - 08.06.2007
»We are
Lakota.
We are not Cowboys.
We are Horsemen!
Mel Lone Hill, ehemaliger Stammespräsident der Pine Ridge Indian Reservation und Mitglied der
Organisation Sunka Wakan Na Wakanyeja Awicaglipi Inc.
«
© Andreas Baumann 2007 - Feedback und Anregungen bitte an [email protected]
KURZ ZUM HINTERGRUND: Die Pine-Ridge-Reservation liegt im Südwesten des
US-Bundesstaat South Dakota an der Grenze zu Nebraska und umfasst
etwa 11.000 km² mit derzeit ca. 40.000 Einwohnern. (Zum Vergleich
Bundesland Schleswig Holstein: 15.731km²/2.829.000 Einwohner).
Verwaltungssitz und Hauptort ist Pine Ridge.
• Die Arbeitslosenquote in der Reservation liegt bei über 80%
• Der grösste Teil der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze
• Die Suizidrate ist etwa vier mal so hoch wie der Landesdurchschnitt
• Viele Familien haben weder Strom noch ein Telefon
• Lebenserwartung 47 Jahre bei Männern und etwa 50 Jahre bei
Frauen (Gesamt-Durchschnitt in USA 77,1 Jahre)
Geschichte
Die Pine-Ridge-Reservation war ursprünglich ein Teil der großen
Sioux-Reservation, welche durch den Vertrag von Fort Laramie 1868
eingerichtet worden war und ursprünglich 240.000 km² in South Dakota,
Nebraska und Wyoming umfasste. 1876 ignorierte die US-Regierung
diesen Vertrag und öffnete 31.000 km² der Fläche der Reservation in
den Black Hills für Spekulanten und Goldgräber. In der Folge kam es zu
blutigen Auseinandersetzungen mit der US Kavallerie, deren Höhepunkt
die Schlacht am Little Bighorn River (25.Juni 1876) darstellt.
1889 wurde die übrige Fläche der Sioux-Reservation in sieben separate
Reservationen aufgeteilt:
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Camp nahe Pine Ridge 1878
Cheyenne-River-Reservation
Crow-Creek-Reservation
Lower-Brule-Reservation
Rosebud-Reservation
Sisseton-Reservation
Yankton-Reservation
Pine-Ridge-Reservation.
Pine Ridge Juni 2007
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Sunka Wakan Na Wakanyeja
Awicaglipi Incorporation
Lakota Horsemanship Organisation
Die Organisatoren
“Shorty“ Brewer
Wendell Yellow Bull
Mel Lone Hill
Bam Brewer
In den 1970er Jahren herrschen in der Pine Ridge Reservation
bürgerkriegsähnliche Zustände. Am 27. Februar 1973 besetzen Unterstützer
des American Indian Movement (AIM) Teile der Ortschaft Wounded Knee.
Am 26. Juni 1975 eskalieren die Spannungen zwischen traditionellen
Indianern, die vom AIM unterstützt wurden, und den Weißen, unterstützt
durch das Bureau of Indian Affairs und dem FBI. Es kommt zu Toten auf
beiden Seiten und zu einer Vielzahl bis heute ungelöster Morde. Heute
gehört die Pine Ridge Reservation zu den ärmsten Gebieten der USA.
Viele Familien im Pine Ridge Reservat sind von Alkohol, Drogen und Gewalt geprägt. Für die indianischen Kinder und Jugendlichen ist es schwer
diesem Teufelskreis zu entfliehen und an eine hoffnungsvolle Zukunft zu
glauben. Schulerziehung und medizinische Versorgung sind lückenhaft.
Ziel der Lakota Horsemanship Organisation ist es daher, Kindern und
Jugendlichen durch verschiedene Programme die Rückführung zur eigenen Kultur zu ermöglichen und sie dadurch vor Alkohol- und Drogenmissbrauch zu bewahren. Die Arbeit und das Zusammenleben mit den
Pferden, sowie das Aufleben alter traditioneller Werte sollen den jungen
Indianern bei der Wiederfindung ihrer eigenen Identität helfen.
Der viertägige Ritt wird seit inzwischen 10 Jahren jeweils Anfang Juni
unter der Leitung spiritueller Führer von Fort Robinson (dort wurde 1877
der legendäre Lakota Häuptling Crazy Horse ermordet) bis Pine Ridge mit
inzwischen fast 200 Jugendlichen und Erwachsenen durchgeführt.
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D
CRAZY HORSE RIDE 2007
er Hauptgrund für meinen Besuch in South Dakota ist die Teilnahme
am diesjährigen »CRAZY HORSE RIDE«. Bereits zum 10ten Mal reiten
Kinder und Jugendliche der Oglala Lakota aus Pine Ridge unter
Führung von Bam Brewer von Fort Robinson in Nebraska nach Pine Ridge
South Dakota. Sie folgen dabei den Spuren des legendären Lakota Führers
Tasunka Witko (Crazy Horse), der hier am 05.Sept 1877 von US Soldaten
hinterrücks erstochen wurde, obwohl er sich unter weißer Flagge zu
Verhandlungen eingefunden hatte.
Ich bin seit 3 Tagen in Roswitha Freiers Singing Horse Trading Post
nördlich von Manderson zu Gast. Die letzten Tage haben wir mit
Vorbereitungen verbracht. Letzte Einkäufe in
Rapid City, Sättel und Zaumzeuge in Schuss
gebracht und Hufe getrimmt. Der Wallach den
ich eigentlich reiten soll geht nicht sauber und
bleibt daher zu Hause. Dafür muss die alte Diva
Chrystal mit
ihren 18 Jahren noch einmal mit auf den
Ritt. Ebenso dabei ihre Töchter Sunrise
und Pretty Girl, wie Mama sorelfarbene
Quarter Horses. »Rosies Kickin Club« geht
auf Tour.
Wir folgen dem Trailer mit ca. 1½ Std.
Abstand – erst nach Pine Ridge und dann
die Dirt Road nach Chadron, danach noch
ca. 30 Minuten bis Fort Robinson. Wir sind mit die ersten Teilnehmer
vor Ort – im Laufe des Nachmittags und frühen Abends trudelt der
Rest ein. Die Pferde kommen
alle auf eine große Koppel – zu
meinem Erstaunen gibt es kaum
ernsthafte Raufereien.
Am Abend findet in der nahen
Arena ein Rodeo statt. Die
Akteure sind echte Country Boys
aus dem Umland und es ist eher so eine Art öffentliches Training. Auch
einige der Lakota nehmen am Team Roping und Bronc Horse Riding teil. Die
Verantwortlichen sind recht kooperativ und freundlich - von Rassismus und
Antipathie auf beiden Seiten keine
Spur. Am Abend dann Abendessen
und eine Begrüßungszeremonie
mit Trommeln und Gesängen.
Am nächsten Morgen wollen
wir zeitig aufbrechen - also Zelte
abbauen, Pferde einfangen und
ein sehr deftiges amerikanisches
Frühstück. Mir dauert das
eigentlich viel zu lange, aber ich
muss mich daran gewöhnen,
dass sich die Uhren hier ein wenig
langsamer drehen und so packe ich
halt da und dort mit an. Dann geht
es los – gemeinsam brechen wir zum
eigentlichen Fort auf, das etwa eine
halbe Meile entfernt liegt. Bam Brewer
hält eine Ansprache, erklärt nach
einmal allen Anwesenden den Sinn und
Zweck der Unternehmung, erläutert
kurz die »DOs and DON`Ts« und ehrt einen
alten, schwerkranken Kriegsveteranen. Der Ritt
geht heute ca. 35 Meilen in den Straßengräben
entlang der Bundesstrasse nach Chadron. Die
Reiterei ist zunächst recht wild, einige haben
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sogenannte »Green Brokes« dabei,
Pferde die erst in den letzten Tagen
und bzw. Stunden angeritten oder
besser
eingebrochen
wurden,
teilweise gibt´s rodeotaugliche
Showeinlagen. Der ein oder andere
fliegt auch vom Pferd, wir haben am
Ende dieses ersten Tags bereits 3
Verletzte mit Knochenbrüchen und
bösen Prellungen. Insgesamt sitzen wir an diesem Tag über 9 Stunden im
Sattel und sind froh als wir gegen 19:30 endlich im Rodeo Ground von
Chadron einreiten. Die Pferde werden dort einfach laufen gelassen und
bewegen sich die Nacht frei zwischen Zelten und Fahrzeugen. Der örtliche
Lions Club und Walmart sorgen für unser
Abendessen, das zwar zu wünschen
übrig lässt, aber immerhin umsonst und
in bester Absicht zubereitet wird.
Der Aufbruch am nächsten Morgen
gestaltet sich noch zeitraubender als
Tags zuvor, da alle Pferde erst in Hängern
etwa 9 Meilen die Hauptstrasse
Richtung Nordosten transportiert werden. Das dauert bis Mittag und wir
lichte Schwarzkiefernwälder. Es gibt wieder 2 verletzte Reiter und dadurch
ziemlichen Zeitverlust.
Am Abend reiten wir endlich im Beaver Wall Camp ein wo wir schon
erwartet werden. Vor über 130 Jahren war hier einer der Lieblingslagerplätze
von Crazy Horse und seiner Sippe. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand,
der Lagerplatz liegt idyllisch und geschützt an einem kleinen See und das
komplette Terrain ist von den umliegenden Felsen aus gut einsehbar. Die
Teepes und Zelte stehen bereits, unsere erschöpften Pferde rennen - kaum
abgesattelt - sofort in Richtung Wasser. Gegen
Mitternacht ereignet sich ein weiterer Unfall.
Einer der angebundenen Hengste hat sich
losgerissen und treibt die Stuten durch´s Lager.
Beim Versuch ihn einzufangen wird jemand von
dem Pferd überrannt und muss ins Krankenhaus
gefahren werden.
Der nächste Tag ist »Day Off« d.h. alle erholen
sich – fast alle, denn viele der Kinder können
das Reiten einfach nicht lassen und liefern sich
Wettrennen quer durch das Camp.
hätten die Strecke in dieser Zeit 2x reiten können aber anscheinend will
man den Kindern heute keine so lange Etappe zumuten wie am Vortag.
Von nun an geht es »cross country«, überwiegend auf Höhenrücken durch
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Am frühen Nachmittag machen wir mit dem
Rancher und Landbesitzer David Kadlecek
einen Ausflug in die nahe Umgebung. Er ist ein
ausgezeichneter Kenner der indianischen
Vergangenheit »seines« Landes, sein
Vater ist Autor des Buchs »To Kill an
eagle: Indian Views on the Last Days
of Crazy Horse«. Wir sehen einige Kultund Opferstätten der Lakota und die
mutmaßliche Begräbnisstätte von Crazy Horse. Dann müssen
wir wegen heftigem Regen leider abbrechen – für die Region
wurde Tornadowarnung ausgegeben.
Im Camp wird eine Schwitzhütten-Zeremonie für die Nacht
vorbereitet. Nach dem Abendessen wird eine Ehrenzeremonie
abgehalten und einem Stammesältesten eine Warbonnet
(Haube aus Adlerfedern) verliehen. Die Anwesenden bedanken
sich bei Bam Brewer für sein Engagement mit einer von allen
Teilnehmern unterschriebenen Patchworkdecke. Ich versuche
zunächst ganz stilecht in einem der Teepees zu schlafen, ist
aber wegen des nassen Holzes, welches darin verfeuert wird
eher eine Art Räucherkammer und so ziehe ich um.
Am nächsten Morgen ist alles recht klamm und wir
brechen trotz Tornadowarnung auf. In der Führungsgruppe
wird ein ungesatteltes Painthorse zu
Ehren von Crazy Horse mitgeführt. Laut
Bam hatte am Vorabend ein Teilnehmer
der Schwitzhüttenzeremonie eine Vision,
in der ihm Crazy Horse erschien und
mitteilte, dass er an dem kommenden Ritt
teilnehmen würde. Es fängt auch gleich
an zu regnen, bei Temperaturen um die
10°C und Orkanböhen kein sonderlicher
Spass. Dabei bin ich noch entsprechend
ausgerüstet, einige der Kinder dagegen reiten im T-Shirt und
sind nach einer Weile völlig durchnässt und frieren erbärmlich. Dennoch
hört man von deren Seite keinerlei Beschwerden. Das würde eh nicht
weiterhelfen, da es auf der heutigen Etappe keinerlei Möglichkeit mehr gibt,
Pferde zu verladen und im Auto zu fahren. Überhaupt sind diese
Kinder sehr hart im nehmen. Auch unsere zwei Profihorsemen
aus Ohio, die erst gestern Abend zu uns gestoßen sind und mir
noch ein halbes Ohr abgekaut haben, müssen da durch, obwohl
sie sich bereits nach 2 Stunden nach einer Mitfahrgelegenheit
umhören.
Gegen Mittag erreichen
wir die Strasse zwischen
Pine Ridge und Chadron und
Bilder: Cheyenne Thunder Hawk - aufgenomhaben die Möglichkeit etwas men am 06. 06.07 um 15:10 südlich von Kyle
zu essen und unsere nassen Klamotten ein wenig zu trockenen.
Der weitere Ritt in Richtung Pine Ridge entschädigt uns für alle
Strapazen, der Regen hört auf und wir haben wundervolles Licht
durch die klare Luft und eine tiefstehende Sonne im Westen.
Wir sammeln uns südlich der Stadt, die Pferde werden z.T. bemalt
und einige Reiter legen traditionelle Kleidung und Adlerfedern
an. Die Strassen sind gesäumt von den Einwohnern und vielen
stolzen Eltern und Verwandten und wir reiten gemeinsam in
das Powwow Gelände im Stadtzentrum ein. Es folgen rituelle
Danksagungen und Gebete. Das anschließende Verladen
unsere Pferde klappt wieder Erwarten ohne nennenswerte
Probleme und ich freue mich auf eine warme Dusche und eine
Nacht im Bett.
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Vielen Dank an Bam und »Shorty« Brewer, Wendell Yellow Bull und vor allem
Rosie Freier, die mir diese herausragenden Erfahrungen und Einblicke in
eine vielfach totgesagte und dennoch erstaunlich lebendige (Reiter)Kultur
ermöglicht haben. Meine Hochachtung vor ihrem Engagement und
Enthusiasmus, mit dem sie den Kindern und Jugendlichen ihres Volkes
Selbstbewusstsein schenken und neue Perspektiven aufzeigen - jenseits
von Reservatstristesse und US amerikanischen Scheinwelten.
Wer möchte kann die Lakota Horsemanship finanziell unterstützen:
Ansprechpartnerin in USA:
Roswitha Freier -Singing Horse Trading Post
HC 49, Box 285
Porcupine, South Dakota, 57772
Tel:
(001) 605 455 21 43
Fax:
(001) 605 455 1418
E-Mail:
[email protected]
Konto in USA:
Sunka Wakan Na Wakanyeja Awicaglipi
Incorporation
First National Bank Gordon Nebraska,
BLZ: 104102 781, Kto: 566144
In Deutschland:
Gesellschaft für bedrohte Völker
WICHTIG:
Bei Überweisung bitte als Betreff angeben:
„Pferde Projekt“
Postbank Hamburg,
BLZ: 200 100 20, Kto: 7400201
LILA PILAMAYA - VIELEN DANK.
Ansprechpartnerin in Deutschland:
Andrea Cox Durlacherstr. 93/95
D-68219 Mannheim
Tel:
0621/ 801116
E-Mail:
[email protected]
Weitere Informationen bzgl. der Lakota
Nation (Sioux), sowie Hilfsmöglichkeiten Links uvm.
unter: www.andreac.de
und www.horse-and-children.org
www.horse-and-children.org
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