Zirkel, Winkel und das Allsehende Auge
Transcrição
Zirkel, Winkel und das Allsehende Auge
Zirkel, Winkel und das Allsehende Auge Freimaurer Symbole und Traditionen prägen die Zusammenkünfte der einzigen Allgäuer Loge VON DIRK AMBROSCH Kempten Das Allsehende Auge im Strahlenkranz, das gelb von der Stirnseite der Wand strahlt, Zirkel und Winkel auf dem Tisch, Dreiecksformationen hier und da. Betritt der Besucher den Tempel- oder Ritualraum in der Kemptener Altbauwohnung, taucht er gleichsam ein in eine Welt, die geprägt ist von Symbolik, von Traditionen. Hier treffen sich zweimal im Monat die Mitglieder der einzigen Allgäuer Freimaurer-Loge „Zum Hohen Licht“. Den 45 Allgäuer Freimaurern sitzt im wahrsten Sinne des Wortes Wolfgang Böhm vor. Als Meister vom Stuhl („Chairman“) leitet der 60-jährige Managementtrainer und Fachautor von seinem erhöhten Ausstellung in Kempten ● Die Freimaurerlogen entstanden aus den mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften, deren Symbole und Werte sie teils übernahmen. ● Die Ausstellung „Im Geist der Aufklärung – 225 Jahre Freimaurer im Allgäu“ erzählt von der Gründerzeit der Allgäuer Logen im 18. Jahrhundert. Zu sehen sind historische Dokumente, Ritualgegenstände, Symbole und ein installierter Freimaurertempel. Zu sehen ist die Ausstellung im Zumsteinhaus Kempten von Samstag, 14. April, bis zum 31. Oktober (donnerstags und sonntags von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr). (az) Sitzplatz die Rituale im Tempelraum. Obgleich man den Begriff „Tempel“ doch bitte nicht missverstehen solle, sagt Böhm. Er meint in der Freimaurersprache eben den Raum im Logenhaus, in dem die rituelle Versammlung der Freimaurer abgehalten wird. In einem festgelegten Ablauf werden freimaurerische Werte, deren Weisheitslehre und bestimmte philosophische Inhalte weitergegeben. Durch die Symbole sollen Verstand und Gefühl gleichermaßen angesprochen werden. Musik und Kerzenlicht tun ihr Übriges dazu, dass die Teilnehmer der Versammlung zur inneren Ruhe finden können und zum Nachdenken angeregt werden. „Das hat schon etwas Meditatives“, sagt Böhm. „Ein gelungenes Leben“ Freimaurer zu sein, welche Bedeutung hat das heute? „Wir sind ein philosophisch-ethischer Bund, dessen Ziel es ist, ein gelungenes Leben zu führen“, erklärt Böhm. Im Mittelpunkt stehe die Selbstentfaltung, die Vervollkommnung des Einzelnen. Symbole verweisen auf grundlegende Werte und setzen Impulse für Diskussionen, etwa über philosophische Fragen: Was bedeutet Bewusstsein? Wie frei ist der Mensch in seinen Entscheidungen? Gesprächspartner findet der Einzelne in der Gemeinschaft. „Es geht immer um Persönlichkeitsentwicklung. Darum, das Potenzial auszuloten, das in einem steckt.“ Diesen Weg gehe jeder auf seine Weise. Doch immer in der Verpflichtung zu den Grundwerten: Freiheit im Den- Der Kemptener Wolfgang Böhm ist Meister vom Stuhl der Loge „Zum Hohen Licht“. Vor ihm liegen die für Freimaurer bedeutenden symbolischen Gegenstände Zirkel und Winkel, Darüber erstrahlt das „Allsehende Auge“. Foto: Jörg Schollenbruch ken, Toleranz und Mitmenschlichkeit. Die Entscheidung für die Freimaurerei ist eine „Lebensentscheidung“, sagt Wolfgang Böhm. Die reine Männerloge wirbt nicht um neue Mitglieder. Im Gegensatz zu früher, als man Mitglied nur durch Empfehlung werden konnte, dürfen heute Interessenten jederzeit als Gäste einen Besuch abstatten. Nach einem Aufnahmegespräch entscheidet dann die Versammlung ganz demokratisch über den Beitritt des Bewerbers. Der Weg, den der Frei- maurer dann geht, beschreiben die symbolischen Grade: vom immer suchenden Lehrling, über den Gesellen, hin zum Meister, „dessen Streben gezügelt ist“. Doch zeigen die Grade weder eine Hierarchie, noch einen sozialen Status an, betont Böhm. „Wir sind überhaupt kein elitärer Club. Unsere Mitglieder kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Vom Arbeiter bis zum Akademiker.“ Das gegenseitige Versprechen zur Verschwiegenheit, soll die Privatsphäre der Logenmitglieder schüt- zen. Die lang gepflegte Zurückhaltung nach außen hat jedoch auch dafür gesorgt, dass den Freimaurern immer noch etwas Geheimnisvolles anhaftet. Wolfgang Böhm, seit rund 30 Jahren Freimaurer, bezeichnet sich als „modernen Meister“. Er will die Loge aus dem Schatten stärker in das Licht der Öffentlichkeit rücken. Etwa mit einem Benefizkonzert, einem Symposium oder einer Ausstellung (siehe Infokasten). „Es sollte als normal angesehen werden, dass wir einen Beitrag zum kulturellen Leben leisten.“