Vortrag Dr. Felix Hornfischer

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Vortrag Dr. Felix Hornfischer
„Land unter!“ –
Folgen der gesetzlichen Festsetzung von
Überschwemmungsgebieten
Forum Planen Bauen
Freiburg, den 01.04.2014
Rechtsanwalt Dr. Felix Hornfischer
Inhalt
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Rechtsgrundlagen
Überschwemmungsgebiete im Innenbereich
Hochwassergefahrenkarten
Folgen der gesetzlichen Festsetzung
4.1 Planungsverbot
4.2 Bauverbot
4.3 Folgen für Bauleitpläne
4.4 Folgen für Bauwerke
Umgang mit den Folgen
Fazit
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1.
Rechtsgrundlagen
Europarecht: Wasserrahmen-RL (2000/60/EG) und
Hochwasserrisiko-RL (2007/60/EG)
Bundesrecht: Wasserhaushaltsgesetz (WHG 2010)
Landesrecht: Wassergesetz n.F. (WG 22.12.2013/01.01.2014)
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2.
Überschwemmungsgebiete im Innenbereich
Bereits seit 2005: Strenge Schutzvorschriften für festgesetzte
Überschwemmungsgebiete (ÜG) nach § 31b Abs. 4 WHG a.F. bzw.
§ 78 Abs. 1 WHG 2010.
Bis 21.12.2013:
Außenbereich (§ 35 BauGB): ÜG wurden durch § 77 WG a.F. gesetzlich
festgesetzt – § 78 WHG anwendbar.
Innenbereich (§ 34 BauGB): „Hochwassergefährdete Gebiete“ (§ 80
Abs. 1 WG a.F.) – § 78 WHG nicht anwendbar; Schutzvorschriften im
Einzelfall durch RVO (§ 80 Abs. 2 WG a.F.).
Seit 22.12.2013:
§ 65 WG setzt gesetzlich ÜG im Innen- und Außenbereich fest.
§ 78 WHG gilt für ÜG im Innen- und Außenbereich, insbes.:
Planungsverbot
Bauverbot
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3.
Hochwassergefahrenkarten
Überflutungswahrscheinlichkeit
Überflutungstiefe
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„Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100
Jahren zu erwarten ist“ = HQ100-Gebiete.
Überschwemmungsgebiet ist unabhängig von Überflutungstiefe.
Keine Rechtsqualität („deklaratorische Bedeutung“).
Ausarbeitung ist in §§ 73, 74, 79 WHG geregelt (Umsetzung der RL
2007/60/EG):
Förmliche Beteiligungsrechte der Kommunen sind nicht vorgesehen
Keine gesetzlichen Beteiligungsfristen
Plausibilisierung der naturwissenschaftlichen/technischen Einschätzung
(RP und untere Verwaltungsbehörden)
Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung
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Ausreichende Beteiligung der Öffentlichkeit?
Alle Flächenländer – bis auf Baden-Württemberg – setzen ÜG durch
gebietsbezogene RVO fest (Offenlage, Beteiligung der Öffentlichkeit).
Baden-Württemberg beschreitet bundesweit einen Sonderweg.
Keine förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit.
„Plausibilisierung“ ist informelle Plausibilitätskontrolle.
Was ist mit § 76 Abs. 4 WHG?
„Die Öffentlichkeit ist über die vorgesehene Festsetzung von
Überschwemmungsgebieten zu informieren; ihr ist
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.“
§ 65 WG enthält die Festsetzung – eine Vorabinformation oder
Gelegenheit zur Stellungnahme gab es nicht.
Die Karten selbst enthalten im Rechtssinne keine Festsetzung.
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Rechtsschutz gegen die Karten?
Normenkontrolle
Karten sind keine Rechtsnorm
Widerspruch/Anfechtungsklage
Karten sind keine Verwaltungsakte
Leistungsklage auf Korrektur
Voraussichtlich kein Rechtsanspruch
Allg. Feststellungsklage
Feststellbares Rechtsverhältnis (+) / Feststellungsinteresse (+/-)
Inzidente Prüfung im Rechtsschutz gegen Verbotsvollzug
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4.
Folgen der gesetzlichen Festsetzung
Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG)
Bauverbot (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 WHG)
Weitere Verbote (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 – 9 WHG)
Erhaltung von Rückhalteflächen (§ 77 WHG)
Das bedeutet:
Ver- und Gebote gelten unmittelbar für Gebiete, in denen statistisch
einmal in 100 Jahren ein Hochwasser zu erwarten ist.
Karten geben hierfür „nur“ Anhaltspunkt – sie sind nicht konstitutiv.
„Innenentwicklungspotential zu Freifläche“ – erheblicher Eingriff in
kommunale Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG)
„Bauland zu Grünfläche“ – massive Beschränkung der Nutzung des
Privateigentums (Art. 14 Abs. 1 GG)
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4.1
Planungsverbot (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG)
„Untersagt ist die Ausweisung von neuen Baugebieten in
Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem BauGB“
Gesetzliches Verbot – Verstoß führt zur Nichtigkeit
Änderung bestehender Pläne bleibt möglich, soweit durch sie keine
relevante Flächenversiegelung / Mehrbebauung ermöglicht wird.
„Deklaratorische“ Überplanung tatsächlich bestehender Bebauung
bleibt möglich.
Andere Ausweisungen als Baugebiete bleiben grundsätzlich möglich.
Zulässige Bauleitplanung im Überschwemmungsgebiet muss:
§ 77 WHG (Rückhalteflächen) beachten.
§ 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB (Belange des Hochwasserschutzes) in der
Abwägung berücksichtigen.
Abwägung kann auch Vorrang des Hochwasserschutzes ergeben.
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4.2
Bauverbot (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 WHG)
„Untersagt ist die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen
nach den §§ 30, 33, 34 und 35 BauGB“
Umfassendes Bauverbot
Bestehende Bauten bleiben davon unberührt
Gilt in BW für ÜG im Innenbereich erst seit 22.12.2013
Frage: Baugenehmigung / Bauvorbescheid im Innenbereich vor dem
22.12.2013 – ist für die Errichtung nach dem 22.12.2013 eine
wasserrechtliche Befreiung nach § 78 Abs. 3 WHG erforderlich?
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Maßgeblich ist, über was entschieden wurde:
Zuständigkeitskonzentration bei der Baurechtsbehörde (§ 98 WG a.F.):
Baurechtsbehörde prüft und entscheidet auch über wasserrechtliches
Bauverbot / Befreiung
Einheitliches Vorhaben soll nicht von verschiedenen Behörden in
getrennten Verfahren beurteilt werden.
„Hochwassergefährdetes Gebiet“ im Innenbereich, § 80 WG a.F.
Kein Bauverbot nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 WHG.
Ergebnis: Vorhaben war damals materiell wasserrechtlich zulässig,
worüber die Baurechtsbehörde formell auch entschieden hat. Eine
wasserrechtliche Befreiung nach § 78 Abs. 3 WHG ist nicht erforderlich.
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4.3
Folgen für Bauleitpläne
Bestehende Bauleitpläne
Darstellung / Festsetzung von Bauflächen / Baugebieten im ÜG kann
unvollziehbar werden, wenn Verwirklichung wg. des Planungs- und
Bauverbots auf unabsehbare Zeit rechtlich ausgeschlossen ist.
Änderung von Bebauungsplänen
Anpassung von BPlänen an HWGK durch Übernahme der ÜG in BPlan?
Achtung: Planungsschadensrecht, insbes. § 42 BauGB
Nachrichtliche Übernahme der ÜG nach § 9 Abs. 6a BauGB
Wertverlust / Vermögensnachteil wird unmittelbar durch
wasserrechtliches Bauverbot verursacht (Kausalität fehlt)
dahingehend: OLG Naumburg, Urt. v. 20.06.2013 – 2 U 14/13 (Baul)
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4.4
Folgen für Bauwerke
Bestehende Bauwerke bleiben unberührt (Bestandsschutz).
Erweiterungen sind jedoch grds. untersagt.
Ersatzbau nach Abriss oder Zerstörung?
Kein Bestandsschutz wg. fehlender Bausubstanz.
WHG kennt keine Privilegierung (vgl. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3 BauGB)
Art. 14 Abs. 1 GG nicht unmittelbar anwendbar.
§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3 BauGB analog?
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Erleichterte Erteilung der Befreiung vom Bauverbot durch
verfassungskonforme Auslegung des § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG:
„Die zuständige Behörde kann abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die
Errichtung oder Erweiterung einer baulichen Anlage genehmigen, wenn im
Einzelfall das Vorhaben
1.die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und
der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum zeitgleich ausgeglichen wird,
2.den Wasserstand und den Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert,
3.den bestehenden Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt und
4.hochwasserangepasst ausgeführt wird
oder wenn die nachteiligen Auswirkungen durch Nebenbestimmungen
ausgeglichen werden können.“
Lösungsvorschlag: Für Beurteilung der Beeinträchtigung der
Belange des Hochwasserschutzes ist der Zustand vor Abriss /
Zerstörung maßgeblich.
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5.
Umgang mit den Folgen
Verringerung der Hochwasserwahrscheinlichkeit durch
Hochwasserschutzmaßnahmen
Findet ein Hochwasserereignis seltener als einmal in 100 Jahren statt,
ist das betroffene Gebiet von Gesetzes wegen kein ÜG mehr.
Die Darstellung in den deklaratorischen Karten ist dann unerheblich.
Weder Planungs- noch Bauverbot.
Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen im Einzelfall
Befreiung vom Planungsverbot, § 78 Abs. 2 WHG (LRA als untere
Wasserbehörde)
Befreiung vom Bauverbot § 78 Abs. 3 WHG (Gemeinde /
Baurechtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde, 84 Abs. 2 WG)
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Einrichtung eines Hochwasserschutzregisters, § 65 Abs. 3 S. 2 WG
Der Ausgleich verloren gehenden Rückhalteraumes bei der Befreiung
vom Bauverbot (§ 78 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WHG) kann über ein
kommunales Hochwasserschutzregister erfolgen.
Grundlage sind kommunale Maßnahmen zur Schaffung von
Rückhalteraum.
Das Hochwasserschutzregister wird durch Satzung angelegt und
ausgestaltet.
Die Satzung regelt die Durchführung des Ausgleichs im Einzelfall.
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6.
Fazit
Hochwasserschutz ist gesetzlich geboten…
… und dringend notwendig.
Festsetzung von ÜG durch § 65 WG ist problematisch:
Angesichts der massiven Folgen (Planungs- und Bauverbot) besteht
eine erhebliche Rechtsunsicherheit.
Ungenügende Beteiligung der Öffentlichkeit.
Insbesondere Private können in wirtschaftlicher Existenz bedroht sein.
Neuer Konflikt zwischen Innenentwicklung, Flächensparsamkeit und
Hochwasserschutz.
Der Hochwasserschutz wird in den nächsten Jahren ein zentrales
Thema der kommunalen Bauleitplanung und der Zulassung von
Bauvorhaben bleiben.
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Fragen und Diskussion
RA Dr. Felix Hornfischer
Wurster Wirsing Kupfer • Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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