Disease Management Akute Lungenembolie
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Disease Management Akute Lungenembolie
???????????? Disease Management Akute Lungenembolie _____________________________________________ Leitfaden zur Diagnostik und Therapie der akuten Lungenembolie Ein gemeinsames Projekt von verschiedenen Kliniken des Inselspitals Bern unter Leitung von: Dr. N. Kucher, Kardiologie Prof. Dr. O.M. Hess, Kardiologie und der Mitarbeit von: Prof. Dr. B. Meier, Kardiologie Prof. Dr. F.R. Eberli, Kardiologie Prof. Dr. B. Meyer, Kardiologie Dr. S. Windecker, Kardiologie PD Dr. H. Zimmermann, Notfallzentrum Dr. H.P. Kohler, Notfallzentrum Prof. Dr. F. Mahler, Angiologie PD Dr. D.D. Do, Angiologie PD Dr. I. Baumgartner, Angiologie Dr. M. Birrer, Angiologie Prof. Dr. J. Takala, Intensivmedizin Dr. B. Regli, Intensivmedizin Prof. Dr. T. Carrel, Herz- und Gefässchirurgie Dr. B. Kipfer, Herz- und Gefässchirurgie Dr. J. Schmidli, Herz- und Gefässchirurgie Prof. Dr. B. Lämmle, Hämatologie Dr. F. Demarmels-Biasiutti, Hämatologie Dr. F. Alberio, Hämatologie Prof. Dr. H. Bachofen, Pneumologie Prof. Dr. J. Triller, Radiologie Dr. U. Ackermann, MEAS Prof. Dr. A. Häberli, DKF Inhaltsverzeichnis 1. Initiale Massnahmen bei Verdacht auf akute Lungenembolien 2. Risikostratifizierung 3. Erfassung der klinischen Wahrscheinlichkeit für akute Lungenembolien (Fluss-Schema 1) 4. Therapiemanagement der akuten Lungenembolie (Fluss-Schema 2) 5. Diagnostik der akuten Lungenembolie bei fehlender vitaler Gefährdung (Fluss-Schema 3) 6. Thrombolyseprotokoll 7. Kathetertherapie 8. Kontrolle des Therapieerfolges nach systemischer Lysetherapie und Katheterbehandlung 9. Literaturverzeichnis 1. Initiale Massnahmen bei Verdacht auf akute Lungenembolien A Was Wann Abschätzung der Gefährdung des Patienten: Messung von Blutdruck, Herzfrequenz, Pulsoxymetrie, Atemfrequenz, Beurteilung der Halsvenen Sofort (max 5min) Keine vitale Gefährdung: Schockindex (Quotient aus Herzfrequenz und systolischem Blutdruck) <1, Biox >90%, Atemfrequenz <20/min Vitale Gefährdung: Schockindex =1, Biox<90%, Atemfrequenz =20 (Ruhedyspnoe) B C D Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit (siehe Fluss-Schema: 1) EKG, venöser Zugang: CK, Troponin; Na, K, Kreat, CRP, Q, Hb, Lc, Tc, D-Dimere, Rö-Thorax (fak.), Blutgase (fak.) Heparin 5000 U Bolus i.v. Nasale Sauerstoffgabe nach Pulsoxymetrie /Blutgase Vitale Gefährdung: (siehe Fluss-Schema 2) Beginn der Intensivbehandlung durch Anästhesie bei Schockzustand, respiratorischer Erschöpfung bzw. Reanimation bei elektromechanischer Dissoziation Information Dientsarzt Kardiologie *181 6248 Notfallmässige transthorakale Echokardiographie - Keine Rechtsventrikuläre Dysfunktion: Ausschluss relevante LE - Rechtsventrikuläre Dysfunktion: Hochgradiger Verdacht auf LE Sofort (max 5 min) Sofort sofort Triage durch invasiven Kardiologie-Oberarzt: E Systemische Lyse vs. Kathetertherapie (Studienprotokoll) vs. Chirurgische Embolektomie Bis max. 30min Keine vitale Gefährdung: Diagnostik gemäss Fluss-Schema 3 1-2h Bei Diagnose einer parazentralen/zentralen Lungenembolie im SpiralCT: Information Dienstarzt-Kardiologie *181 6248 Transthorakale Echokardiographie: - Keine Rechtsventrikuläre Dysfunktion: Heparintherapie - Rechtsventrikuläre Dysfunktion: Triage durch Kardiologie-Oberarzt: (siehe Fluss-Schema 2): Heparintherapie vs. systemische Lyse vs. Kathetertherapie (Studienprotokoll) 2. Risikostratifizierung Gruppe I (low risk): Unkomplizierte Lungenembolie :Rezidivrate und Mortalität unter Heparin <8% (gemäss Task Force der ESC, 1) - Keine kardiale Vorerkrankung Keine pulmonale Vorerkrankung Normale Vitalparamenter (Blutdruck, Herzfrequenz, Pulsoxymetrie) Keine klinischen Zeichen der akuten Rechtsherzinsuffizienz Computertomographisch geringe Thrombusmenge (Befall von höchstens 3 Segmenten, pulmonale Verschlussrate <25%) IA: ambulante Therapie bei guter Compliance und Alter <70 Jahren möglich: fraktioniertes Heparin sc und überlappend Beginn der oralen Antikoagulation am Tag 1 IB: stationäre Behandlung (5-7 Tage) bei Malcompliance, Alter >70 Jahren oder Begleiterkrankungen, welche eine frühe Mobilisierung des Patienten einschränken Gruppe II (medium risk): Submassive Lungenembolie: Mortalität (30 Tage) unter Heparin 11% Mortalität (30 Tage) nach Lyse 5% (gemäss deutschem Lungenembolie-Register, 2) - Normaler systolischer Blutdruck Computertomographischer Nachweis einer grossen Thrombusmenge (pulmonale Verschlussrate 25-50%) echokardiographischer Nachweis einer RV- Dysfunktion Triage Heparintherapie vs. systemische Lyse vs. Kathetertherapie Hospitalisationdauer 5 -9 Tage Gruppe III (high risk): Massive Lungenembolie: Mortalität 50-80% (1) - Schockzustand (Schockindex =1) Computertomographischer Nachweis einer zentralen Embolisation (pulmonale Verschlussrate >50%) echokardiographischer Nachweis einer RV- Dysfunktion Triage systemische Lyse vs. Kathetertherapie vs. Chirurgische Embolektomie Hospitalisationsdauer >7 Tage Kommentar zum Fluss-Schema 1 Die Abschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit für Lungenembolien ist ein notwendiger Baustein in der Lungenemboliediagnostik, da die zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren nicht absolut zuverlässig sind, um die Diagnose auszuschliessen bzw. sichern zu können. Die klinische Wahrscheinlichkeit ist entsprechend in die diagnostische Strategie mit einzubeziehen (siehe Fluss-Schema 3). Wells et al. (4) konnten zeigen, dass bei Patienten mit einer geringen klinischen Wahrscheinlichkeit die Diagnose nur in 3.4%, bei Patienten mit einer mässigen klinischen Wahrscheinlichkeit in 27.8% und bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit in 78.4% bestätigt wurde. Zur Festlegung der klinischen Wahrscheinlichkeit für Lungenembolien (gering, mässig, hoch) wurden folgende Kriterien herangezogen: Symptomatik, Eigenanamnese, Familienanamnese, klinischer Status, Pulsoxymetrie, Befunde vom EKG und Röntgen-Thorax sowie die Entscheidung, ob eine Alternativdiagnose wahrscheinlicher ist als das Vorliegen von Lungenembolien. Das Fluss-Schema 1 (siehe Kapitel 3) ist ein modifiziertes und vereinfachtes Schema nach Wells zur Festlegung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie. Kommentar zum Fluss-Schema 2 Bei Verdacht auf akute Lungenembolien ist nach Anlage eines venösen Zuganges die unmittelbare Applikation eines Heparin-Bolus von 5000 E i.v. vorzunehmen. Für das weitere Management der Patienten ist die Abschätzung der vitalen Gefährdung von essentieller Bedeutung. Patienten ohne vitale Gefährdung durchlaufen einen diagnostischen Abklärungsgang in der Regel mit Spiral-CT (Fluss-Schema 3). Bei Patienten mit vitaler Gefährdung darf keine Zeit mit Zusatzuntersuchungen wie Spiral-CT oder Szintigraphie vertan werden, da sich der klinische Zustand der Patienten infolge progredientem Rechtsherzversagen rasch verschlechtern kann. Die wichtigste Untersuchung bei diesen Patienten stellt die transthorakale Echokardiographie dar, welche durch den Dienstarzt -Kardiologie auf der Notfall- bzw. Intensivstation durchgeführt wird. Die Echokardiographie ist eine zuverlässige Untersuchung bei hämodynamisch kompromittierten Patienten, d.h. Sensitivität und Spezifität hinsichtlich Lungenemboliediagnostik liegen bei Nachweis einer akuten Druckbelastung des rechten Ventrikels über 90%. Aus diesem Grund kann bei einem hämodynamisch instabilen Patienten und einer normalen rechtsventrikulären (RV) Funktion und RV-Dimension die Diagnose einer hämodynamisch relevanten Lungenembolie sicher ausgeschlossen werden. Bei Nachweis einer akuten Druckbelastung des RV (Dilatation, Dysfunktion, hoher systolischer Pulmonalarteriendruck, regionale Wandmotilitätsstörungen des rechten Ventrikels nach McConnell, Septumabflachung) (5-8) kann die Diagnose spezifisch gestellt werden, so dass bei vitaler Gefährdung zu diesem Zeitpunkt die Triage Lyse vs. Kathetertherapie vs. chirurgische Embolektomie durch den Oberarzt Kardiologie durchgeführt wird. Bei Patienten ohne vitale Gefährdung und Nachweis einer geringen pulmonalen Verschlussrate (in der Regel segmentale und subsegmentale Thromben) ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer RV-Dysfunktion gering, so dass bei diesen Patienten eine Heparintherapie eingeleitet wird. Bei Nachweis einer hohen pulmonalen Verschlussrate im Spiral-CT (in der Regel parazentrale Lungenembolien) wird der Dienstarzt Kardiologie involviert, um echokardiographisch die RV-Funktion zu beurteilen. Bei normaler RV-Funktion wird mit der Heparintherapie begonnen. Bei Nachweis einer RV-Dysfunktion erfolgt die Triage systemische Lysetherapie vs. Kathetertherapie. Kommentar zum Fluss-Schema 3 D-Dimer. Aufgrund der hohen Sensitivität der D-Dimere von 98% (ELISA, VIDAS) (2) kann bei ca. 30% aller Notfallpatienten mit Verdacht auf Lungenembolien die Diagnose bei normalem D-Dimer ohne weitere Abklärung sicher ausgeschlossen werden (9,10). Gemäss unserem Fluss-Schema ist weitere Abklärung nur bei Vorliegen von hoher klinischer Wahrscheinlichkeit indiziert. Bei Verdacht auf Lungenembolien und einem D-Dimer >500 µg/l sind aufgrund der geringen Spezifität der D-Dimere weitere Abklärungen bei allen Patienten durchzuführen. Spiral-Computertomographie (CT). Trotz widersprüchlicher Daten hinsichtlich der Sensitivität des Spiral-CT hat sich dieses Verfahren als klinischer Standard in der Lungenemboliediagnostik durchgesetzt (11-14). Das Spiral-CT weist eine sehr hohe Spezifität auf, ausserdem ist es in der Differentialdiagnose von Thoraxpathologien von grosser Bedeutung (Aortendissektion, Pneumonie, intrathorakalerTumor, Pericard- und Pleuraerkrankungen). Zudem ist diese Untersuchung praktisch jederzeit verfügbar (24-Stunden-Service durch die Radiologie). Bei Patienten mit erhöhter klinischer Wahrscheinlichkeit für Lungenembolien und einem negativen Spiral-CT sind jedoch weitere Abklärungen indiziert. Hingegen ist die die Diagnose Lungenembolie bei negativem Spiral-CT und geringer klinischer Wahrscheinlichkeit für Lungenembolien relativ sicher auszuschliessen. Ventilations- und Perfusionsszintigraphie. Diese Untersuchungstechnik ist ein gut dokumentiertes Verfahren in der Lungenemboliediagnostik und ist entsprechend in das Fluss-Schema 3 eingebettet. Da bis zu 70% der Patienten mit Verdacht auf Lungenembolien eine nichtkonklusive Szintigraphie aufweisen (1,12,15,16), ist es als klinisches Standardverfahren an unserem Spital nicht mehr etabliert. Ausserdem bietet die Nuklearmedizin keinen 24-Stunden-Service. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion und Unverträglichkeit auf Röntgenkontrastmittel bleibt es jedoch die Alternativmethode zum Spiral-CT. Die Szintigraphie sollte auch bei Patienten mit erhöhter klinischer Wahrscheinlichkeit und negativem Spiral-CT als Zusatzdiagnostik in Erwägung gezogen werden (siehe Fluss-Schema 3). Kompressionssonographie / Duplexsonographie der Beinvenen (17). Diese Methode erlaubt den direkten Nachweis von tiefen Beinvenenthrombosen, ist aber letztlich nicht beweisend für eine Lungenembolie. Bei klinischem Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose, erhöhter Wahrscheinlichkeit für Lungenembolien sowie negativem Spiral-CT stellt die Duplexsonographie jedoch ein wichtiges Zusatzverfahren in der Lungenemboliediagnostik dar. Pulmonalisangiographie. Prinzipiell ist diese Technik der „gold standard“ in der Lungenemboliediagnostik mit der höchsten Sensitivität, da Rezidive bei negativem Resultat in weniger als 2% der Fälle registriert wurden. Die mit dieser Technik verbundene Mortalität ist gering (0.5%), aber nicht zu vernachlässigen (18). Ausserdem hängt die Qualität der Untersuchung von der Erfahrung des Untersuchers ab. Insgesamt wird die diagnostische Pulmonalisangiographie in der Routine nur noch bei wenigen Patienten mit Verdacht auf Lungenembolien durchgeführt. Aus diesem Grund ist diese Untersuchung das letzte Glied in unserem Fluss-Schema und bleibt den Patienten mit hoher klinischer Wahrscheinlichkeit (ohne Alternativdiagnose) sowie vorhergehend negativen oder inkonklusiven Untersuchungsresultaten vorbehalten. 6. Thrombolyseprotokoll 1. Indikationen: - Submassive und massive Lungenembolie 2. Kontraindikationen (gemäss der Task Force der ESC, 1): Absolut - Aktive Blutung - Anamnese einer intrazerebralen Blutung Relativ - Grösserer chirurgischer Eingriff, Entbindung oder Organbiopsie bzw. Punktion eines nicht komprimierbaren Gefässes in den letzten 10 Tagen - Ischämischer zerebrovaskulärer Insult in den letzten 2 Monaten - Gastrointestinale Blutung in den letzten 10 Tagen - Schweres Trauma in den letzten 15 Tagen - Schädelhirntrauma mit Hospitalisation in den letzten 3 Monaten - Intrakranieller Tumor - Aktives Malignom mit hämorrhagischem Risiko - Neurochirurgie oder ophthalmologischer Eingriff im letzten Monat - Unkontrollierbare arterielle Hypertonie (>180/110 mmHg) - Zustand nach kardiopulmonaler Reanimation - Thrombozyten< 100`000/mm3, PTT< 50% - Schwangerschaft - Bakterielle Endokarditis - Diabetische hämorhagische Retinopathie 3. Thrombolyseschema Die Lysetherapie wird bei vitaler Gefährdung bereits auf der Notfallstation eingeleitet. Die Patienten mit vitaler Gefährdung werden prinzipiell auf die Intensivstation verlegt. Bei Patienten mit submassiven Lungenembolien ist eine Verlegung auf eine Ueberwachungsstation möglich. Alteplase (Actilyse®) 15 mg Bolus i.v., gefolgt von 85mg während 2 Stunden kontinuirlich i.v. („front loaded“-Schema*) * Gewicht >65kg: Gewicht <65kg: 85mg während 2 Stunden kontinuirlich i.v. 1,25mg/kg während 2 Stunden kontinuirlich i.v. Heparin (Liquemin®) Beginn mit 1000 E/h, Anpassung nach Thrombinzeiten (TZ I ungerinnbar, TZ II zwischen 10 und 20 Sekunden) 4. Laborkontrollen - Gerinnungsstatus vor Beginn der Lyse und nach 24-36h Hb 6-stündlich während der ersten 24 h, Blutgruppe und Testblut vor Lysebeginn Monitoring der Heparintherapie nach Thrombinzeit I und II 6-stündlich(siehe oben) Kontrolle der Blutgase 5. Erfolgskriterien innerhalb 1-2 Stunden: - Abnahme der Herzfrequenz bzw. Abnahme des Schockindex - Anstieg des pO2 und der Sauerstoffsättigung innerhalb 24-48 Stunden: - Abnahme der klinischen Zeichen der akuten Rechtsherzinsuffizienz - Rückbildung der echokardiographischen Zeichen der akuten Druckbelastung des rechten Ventrikels - Abnahme der Thrombusmenge im Spiral-CT 6. Massnahmen bei schweren Blutungskomplikationen - Stop Lyse und Heparin Gerinnungsstatus Volumensubstitution (NaCl 0,9%, Physiogel, EC-Konzentrate) Blutungsquelle suchen (Punktionstellen, GI-Trakt, Urin, Abdomensonographie, ev. CT Abdomen/Becken/Schädel) Bei lebensbedrohlichen Blutungen: - - - Protamin 1000® 1-2ml langsam i.v., wenn innerhalb der letzten 4h Heparin verabreicht wurde Cyklokapron® (Tranexamsäure) 10mg/kg i.v., nach 6-8h wiederholen, Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz. Kontraindikation bei Makrohämaturie wegen der Gefahr des postrenalen Nierenversagens durch Gerinselbildung in den ableitenden Harnwegen 2 FFP i.v., bei persistierender Blutung wiederholen. Bei Volumenüberlastung Kryo SRK® (Kryopräzipitat) erwägen (enthält ca. 200-250mg Fibrinogen, zudem Faktor VIII) chirurgische Revision der Blutungsquelle falls angezeigt Kommentar zur systemischen Lysetherapie Die systemische Lysetherapie bei Patienten mit massiver Lungenembolie und Schockzustand ist weitgehend etabliert (1, 19-24)). Bei Patienten mit schwerer Lungenembolie und normalem Blutdruck, bei denen echokardiographische Hinweise für eine rechtsventrikuläre Druckbelastung und/oder pulmonale Hypertonie (d.h. submassive Lungenembolien) nachgewiesen wurden, bewirkt die systemische Lysetherapie eine Reduktion der 30-Tagesmortalität (4.7% vs. 11.1%) sowie eine signifikante Reduktion der Rezidivrate (7.7% vs. 18.7%) im Vergleich zu den konventionell behandelten Patienten mit Heparin (2). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um randomisierte Daten, weshalb in vielen Zentren noch Zurückhaltung mit der Lysetherapie bei Patienten mit schweren Lungenembolien besteht. Im deutschen Lungenembolie-Register (3) war die Fibrinolyse aber der einzige unabhängige Prädiktor für eine niedrigere Spitalmortalität. Der Mortalitätsbenefit wird durch die rasche Senkung des Pulmonalartereindruckes (30% in 1 Stunde, 40% nach 72 Stunden) sowie durch die echokardiographisch nachweisbare Verbesserung der rechtsventrikulären Funktion erklärt. Ausserdem wird durch die Lysetherapie eine rasch eintretende Erhöhung des Cardiac index (15% nach 1 Stunde, 80% nach 72 Stunden) erzielt. Heparin hatte in diesen Studien während 72 Stunden keinen Effekt auf den Pulmonalarteriendruck, den Cardiac index und auf die rechtsventrikuläre Funktion (1). Gemäss den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (1) sind Patienten mit nachgewiesener rechtsventrikulärer Dysfunktion und stabilem Kreislauf Kandidaten für eine systemische Lysetherapie unter der Voraussetzung eines nicht erhöhten Blutungsrisikos. Die Echokardiographie ist durch den Nachweis einer rechtsventrikulären Dysfunktion und/oder eines erhöhten Pulmonalarteriendruckes ein wichtiger Prädiktor für den klinischen Outcome dieser Patienten (25). Kürzlich konnte gezeigt werden, dass 30% aller normotensiven Patienten mit Lungenembolien echokardiographisch eine eingeschränkte rechtsventrikuläre Funktion aufwiesen und dass 10% dieser Patienten im Verlauf einen Schockzustand entwickeln. Die Hälfte der Patienten, welche im Verlauf einen Schockzustand erlitten, verstarben in dieser Studie (26). Die einzigst zugelassene Substanz zur systemischen Lysetherapie von akuten Lungenembolien ist Alteplase (Dosierung siehe Thrombolyseprotokoll). Kürzlich konnte gezeigt werden, dass die Bolusapplikation von 10 E Reteplase (Wiederholung nach 30 Minuten) bei vergleichbaren Blutungskomplikationen eine raschere Senkung des mittleren Pulmonalarteriendruckes sowie einen rascheren Anstieg des Cardiac index aufweist als Alteplase (27). 7. Kathetertherapie (Fragmentation) Die Kathetertherapie erfolgt vorläufig im Rahmen eines „compassionate use“ Protokolls. Die Indikationsstellung erfolgt durch den invasiven Kardiologie-Oberarzt. 1. Indikationen: - - Patienten mit submassiven und massiven Lungenembolien mit erhöhtem Blutungsrisiko (Kontraindikation für die systemische Lysetherapie in Normaldosierung) Lysetherapieversager, bei denen die Erfolgskriterien (Kapitel Thrombolyseprotokoll) nicht nachweisbar sind bzw. eine weitere klinische Verschlechterung eingetreten ist 2. Kontraindikationen: Prinzipiell gelten die gleichen absoluten und relativen Kontraindikationen wie bei systemischer Lysetherapie (siehe Kapitel Thrombolyseprotokoll), da bei der Kathetertherapie in der Regel eine lokale Gabe von 15 bzw. 30mg Actilyse® erforderlich ist. Da jedoch unter reduzierter Lyse-Dosis mit geringeren Blutungskomplikationen zu rechnen ist, wird man sich bei Vorliegen von relativen Kontraindikationen für die Kathetertherapie mit reduzierter Lyse-Dosis entscheiden. 3. Verwendete Fragmentationskatheter Pigtail-Rotationskatheter (Cook) Clot buster (Impellerkatheter, Microvena Corp.) 4. Lokale und/oder systemische Lysetherapie Die Katheterfragmenation wird in der Regel mit der Lysetherapie (Acilyse®) kombiniert, um die Auflösung der peripheren Embolien zu optimieren. Die verwendete Lysedosis hängt vom Blutungsrisiko des Patienten ab. Die lokal applizierte Dosis beträgt in der Regel 15mg in die rechte bzw. 15mg in die linke Pulmonalarterie. Falls sich eine weitere Lysetherapie erforderlich macht, erfolgt die weitere Applikation i.v. über zwei Stunden bis zu einer Gesamtdosis von 100mg. 5. Laborkontrollen, Erfolgskriterien, Blutungskomplikationen Siehe Kapitel Thrombolyseprotokoll Massnahmen bei schweren Kommentar zur Kathetertherapie (Fragmentation) Die Kathetertherapie bei Patienten mit massiver Lungenembolie stellt eine Alternative zur systemischen Lysetherapie (insbesondere bei erhöhtem Blutungsrisiko) und zur chirurgischen Embolektomie dar (1,28-32). Einerseits haben bis zu 50% der Patienten mit massiver Lungenembolie ein erhöhtes Blutungsrisiko (postoperativ, posttraumatisch, nach zerebrovaskulärem Insult, Malignom, etc.) (2), deshalb ist eine systemische Lysetherapie in vielen Fällen kontraindiziert. Andererseits existieren Hinweise, dass die systemische Lysetherapie grössere zentrale Thromben in etwa nur der Hälfte der Fälle vollständig aufzulösen vermag (3). Zur Zeit sind verschiedene Kathetersysteme zur Behandlung von Patienten mit massiver Lungenembolie im Einsatz, z.B. der Pigtail-Rotationskatheter zur manuellen Fragmentation, der Impeller Katheter (Fragmentation mittels Propeller = clot buster ®), Thrombusfragmentation mittels Wasserstrahlprinzip (Angiojet ®, Hydrolyser ®), Aspirationstechniken (Meyerovitz-Technik)(30). In einer kürzlich publizierten, multizentrischen Studie konnte bei 20 Patienten mit massiver Lungenembolie gezeigt werden, dass durch die Katheterfragmentation mit dem Pigtail-Rotationskatheter (mittlere Fragmentationszeit 17 Minuten, Rekanalisationsrate 33%) noch vor Applikation eines Fibrinolytikums eine rasche hämodynamische Verbesserung erreicht werden konnte (28,29). Ein synergistischer Effekt von Fragmentation und Lysetherapie wurde diskutiert, da eine weitere signifikante Abnahme des Pulmonalarteriendruckes verbunden mit Abnahme des Schockindex nach 24 bzw. 48 Stunden beobachtet werden konnte. Die Mortalität betrug in dieser Studie 20%. Der positive Effekt der Katheterfragmentation auf die Hämodynamik durch wurde zwei Mechanismen erklärt: Initial bewirkt die Fragmentation eine Verschiebung der Embolusfragmente in das periphere Gefässbett. Durch die Zunahme der Querschnittsfläche des peripheren Gefässbettes resultiert eine Abnahme der rechtsventrikulären Druckbelastung mit Abnahme des Pulmonalarteriendruckes. Die Zunahme der Thrombusoberfläche bei Vorliegen multipler Fragmente führt ausserdem zu einer effektiveren Thrombolyse nach Applikation eines Fibrinolytikums oder zu einer verbesserten, intrinsischen fibrinolytischen Aktivität der Lunge. Die Katheterbehandlung mit dem Pigtail-Rotationskatheter kann aufgrund der vorliegenden Daten als sichere Methode betrachtet werden, da durch die einfache Handhabung des Pigtail-Katheters weder Perforationen noch Dissektionen der pulmonalen Gefässe aufgetreten sind. Bei einem von 20 Patienten musste eine passagere Verlegung einer zuvor nicht komplett obstruierten Lappenarterie nach Fragmentation eines zentralen Embolus festgestellt werden. Durch nachfolgende Fragmentation der Lappenarterie konnte jedoch eine partielle Rekanalisation derselben erzielt werden (28,29). Da keine randomisierten Daten für den Einsatz der Kathetertherapie bei Patienten mit massiven und submassiven Lungenembolien vorliegen, erfolgt die Kathetertherapie im Inselspital vorläufig im Rahmen eines „compassionate use“ Protokolls. 8. Kontrolle des Therapieerfolges nach systemischer Lysetherapie und Kathetertherapie Da noch keine hinreichenden Daten über den Therapieerfolg der systemischen Lyse und der Katheterbehandlung vorliegen, werden entsprechende Follow-up Untersuc hungen empfohlen: 1. Echokardiographie 24-48h nach abgeschlossener Therapie Messparameter: - Trikuspidalklappengradient (normal <30mmHg) RV-Dimension (<40mm) Systolische RV-Funktion 2. Spiral-CT nach 24-48h nach abgeschlossener Therapie, Messparameter: - Durchgängigkeit der Lungenarterien (pulmonale Rekanalisation) bzw. pulmonale Verschlussrate nach Miller (3) Pulmonalarteriendurchmesser 9. Literatur 1. Task force report. guidelines on diagnosis and management of acute pulmonary embolism. Eur Heart J 2000;21:1301-1336. Konstantinidis S, Geibel A, Olschewski M, et al. Association between thrombolytic treatment and the prognosis of hemodynamically stable patients with major pulmonary embolism. Circulation 1997; 96:882-8. Curtin JJ, Mewissen MW, Crain MR, Lipchik RJ. Postcontrast CT in the diagnosis and assessment of response to thrombolysis in massive pulmonary embolism. J Comput Assist Tomogr 1994;18:133-5. Wells PS, Ginsberg JS, Anderson DR, et al. Use of a cli nical model for safe management of patients with suspected pulmonary embolism. Ann Intern Med 1998; 129:997-1005. Wolfe W, Lee RT, Feldstein ML, et. al. 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CH - Multizenter Lungenemboliestudie (25 Zentren) Akute Lungenembolie (Spiral-CT positiv) Hämodynamisch stabil (Schockindex <1) * Hämodynamisch instabil (Schockindex = 1) * Echo † Randomisierung Randomisierung Heparin (n = 150) Lyse + Heparin (n = 150) * Quotient aus Herzfrequenz und systolischem Blutdruck † RV - Dysfunktion u./o. pulmonale Hypertonie ** Zentren mit invasiver Diagnostik (Pulmonalisangiographie) Fragmentation + Lyse + Heparin ** (n = 50) Diagnose der akuten Lungenembolie Patient mit Verdacht auf akute LE D-Dimer ? 500 ng/l < 500 ng/l Klinische Wahrscheinlichkeit gering hoch Spiral-CT * negativ positiv Klinische Wahrscheinlichkeit gering hoch Pulmonalisangiographie negativ Ausschluss LE positiv Diagnose LE * bei chronisch - rez. LE Ventilations- und Perfusionsszintigraphie Therapie der akuten Lungenembolie Patient mit Verdacht auf akute LE Keine vitale Gefährdung * vitale Gefährdung Spiral-CT segmentale u./o. subsegmentale LE Echokardiographie parazentrale u./o. zentrale LE negativ positiv Echokardiographie Spiral-CT Pulmonalisangio Keine RV-Dysfunktion Keine pulmonale HT RV-Dysfunktion u./o. pulmonale HT Blutungsrisiko nicht erhöht Heparin * Systemische Lysetherapie * Tachycardie, Hypotonie, Dyspnoe, Hypoxie erhöht Kathetertherapie + lokale Lyse negativ positiv weitere Abklärung (sept. Schock, Dissektion, etc. Kathetertherapie + lokale bzw. systemische Lyse † † als Alternative bei massiver zentraler LE chirurgische Embolektomie