Allzeit HSV - Hamburger Sport

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Allzeit HSV - Hamburger Sport
supporters news # 82 | 04.2016
Das Magazin des HSV Supporters Club
Mode von
der Insel
Kiebitze am
Volkspark
Heimat für
Flüchtlinge
Allzeit HSV
Der Fußballreisende Thomas von Heesen
Preis: 2,00 Euro
INTRO
Editorial
Moin!
Tim-Oliver Horn
Herzlich willkommen zur 82. Ausgabe der supporters news. Knapp vier Monate sind seit
der letzten Ausgabe vergangen. Genug Zeit, das neue Magazin mit viel Stoff zu füllen.
Sportlich stehen wir – endlich mal, möchte ich sagen – im Niemandsland. Die einen
sind unzufrieden (zu Recht), weil wir die gefühlt einfachen Spiele verlieren, die anderen
sind zufrieden (auch zu Recht) weil wir immer dann, wenn wir Gefahr laufen, in den
Abstiegsstrudel gerissen zu werden, die wichtigen Spiele gewinnen.
Eigentlich brauche ich in diesem Editorial aber gar nicht so viel zu schreiben, denn Axel
Formeseyn hat mit seinem Intro „Wie ich es sehe“ eine sehr schöne Einleitung für diese
Ausgabe gefunden. Hamburg ist das Tor zur Welt, und wie gut das funktionieren kann,
zeigt in diesem Magazin auch der Bericht über den FC Hamburger Berg.
Des Weiteren erwartet Euch in der sn – die Titelseite verrät es – ein großes Interview
mit Thomas von Heesen über seine Zeit im Aufsichtsrat und „Cross Scouting“ für den
HSV.
Mode und Fußball gehören immer mehr zusammen. Gehörte früher die Kutte zum
guten Ton in der Kurve, ist es heute teure Markenkleidung. Wir haben dazu mit Mirko
Beyer gesprochen, der die Fußballmode zu seinem Beruf gemacht hat. Nur einmal umblättern, und Ihr erfahrt zudem, wo Ihr die richtige HSV-Frisur bekommt.
„Freiheit für die Jungs“ war vor zehn Jahren ein großes Thema vor allem in der HSVFanszene. Untersuchungshaft für eine Schlägerei, die nie stattgefunden hat. Wie es den
Beteiligten heute geht, erfahrt ihr im Bericht von Nils Bethge. Gänsehaut ist garantiert.
Selbstverständlich thematisieren wir zudem die Korruption im Fußball, werfen einen
Blick auf die letzte Mitgliederversammlung und lesen gespannt, was Klößchen in mehr
als fünfzig HSV-Spielen (in verschiedenen Sportarten) in den letzten drei Monaten
erlebt hat.
Zu guter Letzt noch ein paar Worte in eigener Sache. Ich möchte mich auch an dieser
Stelle noch einmal für das Engagement von Thomas Kerfin bedanken, der im Januar
von seinem Amt als Mitglied der Abteilungsleitung zurückgetreten ist. Wir wünschen
Dir alles Gute für die Zukunft, Thomas. Wir sehen uns in der Kurve. Und wir freuen uns
über engagierte HSVer, die sich auf der Versammlung im Herbst zur Wahl stellen, um
den frei gewordenen Platz in der Abteilungsleitung einzunehmen.
Leider mussten wir uns im März auch von Simon verabschieden, der den Kampf gegen
den Krebs verloren hat. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seiner Freundin.
Ruhe in Frieden.
Wir wünschen Euch viel Spaß mit der neuen supporters news und würden uns freuen,
wenn Ihr uns unter www.hsv-sc.de/sn-umfrage Eure Meinung zur sn hinterlasst. Unter allen Teilnehmern verlosen wir einen schönen Preis, und vielleicht können wir auch
durch Deine Meinung die sn immer wieder ein Stück besser machen.
Alle Mann an Bord – für den HSV Supporters Club
Euer
Tim-Oliver Horn
Titelbild: Roman Pawlowski
3
INTRO
38
Inhalt
74
60
14
26
50
4
Inhalt
INTRO
Die dunkle Seite des Spiels
46
Editorial3
Sportjournalist Thomas Kistner
über Korruption im Profifußball.
Meinung6
Heimat für Flüchtlinge
50
In Gedenken: R. I. P., Simon8
Der FC Hamburger Berg startete 2014 als Hobbyteam.
Mittlerweile spielen dort mehr als 300 Flüchtlinge.
Kurzmeldungen10
Auf Achse
56
TRIBÜNE
Laufsteg Fankurve
Casuals haben die Mode im Fußball verändert –
auch abseits der Stadien.
Nur der Haar-SV!
Ernst Schmidt arbeitet mit neunzig Jahren noch
als Friseur. In seinem Salon geht’s nur um den HSV.
14
18
Mehr als fünfzig Spiele hat Andreas Kloß
in drei Monaten besucht.
VEREIN
Der Koch des HSV
60
90 Minuten live: Das Netradio 63
Seit einem Jahr steht Mario Mosa beim HSV an den
Töpfen. Beim Verein ist er aber schon viel länger.
Wer zahlt für Polizeipräsenz?
20
Versammlung mit Gänsehautmoment
64
Die Nummer eins im Norden
22
Mehr als 300 Jahre Mitglied
68
Fans kündigen Dialog mit dem DFB
25
HSV plus: Eine Bestandsaufnahme
70
Base, Base, wir brauchen Base!
74
Kurzes aus dem Verein
77
Verwandlung eines Teams
78
Die Stadt Bremen will Polizeikosten an die Deutsche
Fußball Liga abwälzen. Ein fragwürdiges Unikum.
In Schleswig-Holstein hat der HSV die meisten
Fanclubs. Woran liegt’s?
Trainingskiebitze26
Sie meckern, loben und sammeln Autogramme:
Besuch bei den Zaungästen auf dem Trainingsplatz.
„Freiheit für die Jungs“
Vor zehn Jahren kamen zwei HSVer unschuldig in
Untersuchungshaft. Was ist seitdem geschehen?
32
Fan-Mitsprache bei den Rangers
34
News aus den Fanclubs
36
Die Organisation Rangers First kauft Anteile der
Glasgow Rangers. Das Ziel: mehr Mitsprache.
Zu vier geehrten Jubilaren zählen auch
Uwe Seeler und Manfred Kaltz.
Weshalb sind Base- und Softball in den USA
so beliebt? Und wie sind überhaupt die Regeln?
Die HSV-Abteilung erklärt es.
Das Erfolgsgeheimnis vom HSV III.
SCHLUSSPHASE
Siebenmal deutscher Meister
80
HSV kompakt
83
Man wird ja wohl noch träumen dürfen …
SPIELFELD
Allzeit HSV
38
Der Volkspark in Zahlen
44
Thomas von Heesen über seine Zeit im
Aufsichtsrat und „Cross-Scouting“ für den HSV.
Die Fananleihe ist nicht in Gefahr, verspricht
Dietmar Beiersdorfer den HSV-Mitgliedern.
Impressum
Herausgeber: Hamburger Sport-Verein e. V., Supporters Club, Sylvesterallee 7 , 22525 Hamburg, Telefon: 040/41 55-15 00, Fax: -15 10
Verantwortlich für die Inhalte: Abteilungsleiter Tim-Oliver Horn (V. i. S. d. P.), Stellvertreter Martin Oetjens sowie der Beisitzer Mathias Helbing
Erscheinungsweise: vierteljährlich | Auflage: 56.000 Exemplare
Autoren: Klaus Baumann, Axel Formeseyn, Otto Gruhn, Andreas Kloß, Johannes Kühner, Tina Kuttig, Thorsten Langenbahn, Stephanie Lehnert, Jan-Walter Möller,
Jörg Niederoth, Alexander Nortrup, Mathis Paus, Lars Wegener
Fotografen: Andreas Kloß, Marco Kopp, Johannes Kühner, Roman Pawlowski, Lucas Wahl, Witters Sport-Presse und sonstige genannte Bildquellen | Illustrationen: Jenny Adam
Koordination und Realisierung: publish!, Hannover | Druck: Quensen Druck+Verlag, Hildesheim
Namentlich gekennzeichnete Artikel, Leserbriefe und Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Abteilungsleitung des Supporters Clubs als Herausgeber der supporters news wieder.
Wir bitten freundlichst um Beachtung der Anzeigen und danken allen Anzeigenkunden für ihre Treue.
5
INTRO
Foto: Witters
Wie ich es sehe: Axel Formeseyn (er nu’ wieder!)
Warum Nazis und
Rassisten
niemals echte HSVer
sein können!
und solche, die
sich so aufführen,
Eine kleine Nachhilfestunde in Sachen „HSV-Geschichte“
D
ie Geschichte ging nach dem 3:0-Auswärtssieg in
Hannover rum. Drei besoffene Volltrottel hatten
im Auswärtsblock stumpfeste Naziparolen gegrölt.
Die Mehrheit der anwesenden HSV-Fans nahm
dieses ungeheuerliche Verhalten offenbar gelassen bis ignorant, vielleicht ängstlich (oder gar zustimmend?) zur
Kenntnis und hielt es nicht für nötig, die Nazidödel hochkant aus
dem Gästeblock zu schmeißen.
Ich habe von alldem zwar unmittelbar nichts mitbekommen,
will und werde hier aber dennoch (m)eine ganz klare Meinung
dazu kundtun. Ich habe nämlich ab und zu das Gefühl, als wäre
manchen ‚Fans‘ vielleicht gar nicht so klar, welchen Lieblings­
verein sie sich da mit dem HSV überhaupt auserkoren haben …
Vorweg (und Achtung, jetzt kommt ein langer Satz, aber – sorry –
scheiß drauf, ich krieg das einfach nicht kürzer hin!):
Wer dumpfen, rassistischen Nazischrott in der Birne hat und/
oder öffentlich von sich gibt, egal ob nüchtern, besoffen, bekifft
oder in welchem Zustand auch immer,
wer Gut nicht von Böse unterscheiden kann,
wer für eigenes Versagen stets andere Sündenböcke braucht,
wer immer noch an Herrenrassen glaubt,
wer allem Fremden grundsätzlich ablehnend und hasserfüllt
gegenübersteht,
wem das positive Ansehen seines vermeintlichen Lieblings­
vereins nicht über alles geht,
der (oder die) mag vielleicht einen HSV-Schal, vielleicht auch
einen dusseligen blau-weiß-schwarzen Zylinder, Schalrock, eine
Basecap, einen Schlafanzug, was auch immer tragen,
der (oder die) mag meinetwegen sogar landauf, landab alle Spiele
der blau-weiß-schwarzen Gurk… äh … Götter gucken,
6
der (oder die) mag sich vielleicht sogar ‚stolzer HSV-Fan‘ nennen
und was von ‚Treue‘ und ‚Ehre‘ faseln, okay, okay!
Das lässt sich nicht ändern. Volkssport Fußball … Abbild der
Gesellschaft … seufz!
ABER, und genau DARUM geht es mir hier: Er (oder auch sie) wird
niemals (und wenn ich ‚niemals‘ schreibe, dann meine ich auch
NIEMALS!) ein ECHTER HSVer, ein ECHTER HANSEAT sein!
Verstanden? NIEMALS!!!
ECHTE HSVer bekennen sich nämlich nicht nur zu bedingungsloser
Hingabe, schier endloses, uninspiriertes Gebolze auf dem Rasen
und jahrelanges Herumdilettieren neben dem Platz hin oder her!
ECHTE HSVer bekennen sich zur RAUTE!
ZUM BLAUEN PETER!
(HALLO?!? ALLE Mann an Bord?!?)
DIE ELBE!
SCHIFFFAHRT!
DEN HAFEN!
HANSESTADT!
WELTSTADT!
MEIN HAMBURG LIEB ICH SEHR!
TOR ZUR WELT!
WELTOFFENHEIT!
DAFÜR STEHEN WIR HSVER!!!
ÜBRIGENS SCHON IMMER!!!
Die Seelers, die Dörfels, unsere Meistermannschaft von 1960!
­A lles fantastische Fußballer aus einfachsten Verhältnissen,
die bei Niederlagen keine Ausreden oder Sündenböcke gesucht,
sondern immer alles gegeben, ihr Schicksal in die eigenen Hände
Meinung
genommen und dabei niemals Menschlichkeit und Fremdenfreundlichkeit vergessen haben!
weiterhin zu uns einluden, soll an dieser Stelle nur der FC Santos
mit dem fabulösen Pelé genannt werden.
All die Trainer, all die Spieler aus nahezu aller Herren Länder,
die auf unserer Bank saßen, die unser weißes Trikot, unsere Rot­
hose, unsere blau-weiß-schwarzen Stutzen trugen und tragen!
­Gestern, heute, morgen!
Es wird an dieser Stelle nicht verwundern, dass wir auch der
erste Klub waren, der seine Nazivergangenheit im Rahmen einer
Ausstellung in unserem wunderbaren HSV-Museum aufarbeitete. Besonders die aufwühlende Geschichte des SS-Mannes Tull
Harder und des norwegischen Widerstandskämpfers Assi Halvorsen – beide zu aktiven, Vor-Nazi-HSV-Zeiten übrigens noch beste
Kumpel – gibt in diesem Zusammenhang zu denken.
Selbst in unruhigen politischen Zeiten, zwischen den Welt­
kriegen, luden wir stets internationale Gegner zu Freundschaftsspielen ein!
Wir hatten mit Emil Martens einen verdienstvollen, schwulen
Präsidenten, der von den Nazis weggesperrt wurde!
Unsere Heimat Hamburg-Rotherbaum war vielleicht DAS Zen­
trum jüdischen Lebens in Hamburg! Im Vergleich zum Bevölkerungsanteil von Juden in Hamburg hatte der HSV Anfang der
1930er-Jahre doppelt so viele jüdische Mitglieder!
Viele Jahre, bevor die Nazis dort einmarschierten, gastierten wir
in freundschaftlicher Mission – übrigens auf Einladung eines
jüdischen HSV-Gönners – in Frankreich, in Paris!
Wir waren der erste deutsche Klub überhaupt, der nach dem
Krieg im Ausland – in Portugal – spielen durfte! Auch in England
trat nach dem Krieg welcher deutsche Klub zuerst gegen eine
britische Profimannschaft an? Richtig, unser HSV!
Fast selbstredend waren wir auch der erste deutsche Klub, der
freundschaftsspielenderweise, allen Ressentiments den Deutschen gegenüber zum Trotz, durch Amerika tourte!
Von all den Teams, die wir in der schwierigen Nachkriegszeit
Lange Rede, kurzer Sinn: ECHTE HSVer sind sich der Geschichte
unseres Klubs bewusst! Und ich kann und will an dieser Stelle
nur an ebenjene ECHTEN HSVerinnen und HSVer appellieren,
unserer bewegten Geschichte Rechnung zu tragen und ­u nsere
hanseatischen, unsere HSV-Werte im Alltag, vorm und im
­Stadion vehement zu verteidigen und sich in aller Konsequenz
– auch heute, gerade heute – jeglichen rassistischen, stumpf
nationalistischen, menschenverachtenden Tendenzen mutig
entgegenzustellen!
‚Keep politics out of football‘? Meinetwegen! Dann aber auch
bitte konsequent: Nazis und solche, die sich so verhalten, haben
beim HSV rein GAR NICHTS verloren!
Dieser Text sollte dafür Beweis genug und gleichzeitig Ansporn
sein, den Mund aufzumachen, wenn die Werte, die unser Klub
seit jeher verkörpert, von (bislang hoffentlich nur) einigen
­Wenigen mit Füßen getreten werden!
Für immer erste Liga!
Für immer weltoffen!
Für immer HSV!
7
INTRO
Die Welt
steht still …
8
In Gedenken
… und uns fehlen die Worte. Seit über einem
Jahr hat Simon gegen den Krebs gekämpft.
Er hat nicht nur für sein eigenes Schicksal,
sondern für alle Krebspatienten den Kampf
aufgenommen. Seine lebensfrohe und
humor­volle Art hat vielen Betroffenen
Mut gemacht, hat wachgerüttelt und die
Menschen verbunden.
Von Simons Schicksal berührt, haben wir
vor knapp einem Jahr eine der größten Typi­
sierungsaktionen der Bundesliga­geschichte
durchgeführt. Der Zusammenhalt der HSVFamilie war einzigartig. S
­ imon wird immer
ein Teil dieser Familie sein.
Foto: Matthias Scharf
Tief betroffen müssen wir jetzt Abschied
nehmen. Unser Mitgefühl gilt seiner
­Familie, seinen Freunden und allen, die
in den letzten Monaten mit ihm gehofft,
gebangt und gebetet haben.
Ruhe in Frieden, Simon. |
9
INTRO
Foto: Miroslav Menschenkind
Schweren Herzens zurückgetreten: Thomas Kerfin vom Supporters Club.
Danke, Thomas!
Ob Regionalbetreuer, Fanclub-Vorsitzender oder die Abteilungsleitung des Supporters Clubs: Tag für Tag, Woche für Woche,
Saison für Saison betreiben die Ehrenamtlichen einen riesigen zeitlichen Aufwand
für den HSV, trotz aller anderen Verpflichtungen im Privat- wie Berufsleben.
Auch Thomas Kerfin gehörte zu diesem
Kern der Freiwilligen und hatte in den vergangenen Monaten im Supporters Club
Hit für Hit nur der HSV
„… Vol. 2 lässt Platz für Vol. 3 …“, hieß es im
Vorwort des zweiten „Supporters Underground Samplers“. Und siehe da: Fünf Jahre später ist die Nachfolge-CD auf dem
Markt. Dieses neue musikalische Werk
ist ein tolles Zeichen dafür, dass Fan- und
Subkultur beim HSV noch lange nicht tot
sind – trotz allem, was in den vergangenen Jahren passiert ist und den Verein verändert hat.
Es gibt sie immer noch, die alten Haudegen der Szene wie Abschlach!, die Hamburger Jungz, selbstverständlich Elvis und
auch die Maggers United. All diese Bands
sind mit neuen Songs auf dieser CD, aber
natürlich gibt es auch haufenweise Material von neuen HSV-Musikern. Angefangen
bei Standardsituation und Billy King über
Paul Strumpf, Hummels & Mors und Nothahn bis hin zu Acts wie Front Orchester,
Daweed, Fresh L., Lukas Vinzens und Rio
& Die Schnarchlappen (mit einem Song zu
Ehren der verstorbenen Fanlegende Rainer Becker Barmbek) und allen voran Herbie Kopp. Sie alle vereint die Liebe und die
Leidenschaft zum HSV, welche sie in ihren
musikalischen Werken präsentieren.
Ganz besonders erfreulich ist die Tatsache,
dass mit dem alten Hit „Trotzdem HSV“
von Norbert & Die Feiglinge ein ganz besonderer Klassiker auf der Platte ist! Der
10
unter anderem federführend die Neuaufstellung und Ausrichtung der regionalen
Ansprechpartner vorangetrieben.
Nun ist er schweren Herzens von seinem Amt als Mitglied der Abteilungsleitung zurückgetreten. „Meine familiären
Verpflichtungen lassen es nicht mehr zu,
meinem Ehrenamt vollumfänglich nachgehen zu können“, begründete er seine
Entscheidung.
Text ist in diesen Zeiten ja sogar aktueller
denn je …
Erfreulich: Der HSV hat seit geraumer Zeit
ein offenes Ohr für Musikkultur – mehr,
als es in früheren Jahren der Fall war. Zu
jedem Heimspiel wird der Fansong des Tages gewählt, Abschlach!s Hymne „Mein
Hamburg lieb ich sehr“ läuft regelmäßig
durch die Boxen im Stadion, und Videoclips unter anderem von Elvis & Pape sind
auf der Leinwand zu sehen.
In diesem Sinne: weiter so! Und sicher
gibt’s irgendwann auch die Vol. 4 des „Underground Samplers“. |
Abteilungsleiter Timo Horn hat vollstes
Verständnis für seinen bisherigen Mitstreiter: „Es ist sehr schade, dass wir Thomas in unserer Abteilungsleitung verlieren. Aber wenn der Spagat zwischen
Familie, Beruf und Ehrenamt zu groß wird,
ist dies ein verständlicher Schritt.“
Auch auf diesem Wege noch einmal ein
großes Dankeschön für die geleistete
­A rbeit! |
Heimspiel im Ausland
Zu beneiden sind sie ja nicht gerade, die
Fans der französischen Supercup-Finalisten.
Denn wenn der Meister der Ligue 1 auf den
Pokalsieger trifft, geht die Reise seit 2009
in ausländische Stadien. Kanada, T
­ unesien,
Marokko, USA, Gabun, China und zuletzt
wieder Kanada – das waren die Stationen
der vergangenen sieben Jahre. Welcher Fan
kann sich das denn leisten?! Immerhin: In
dieser Saison hat der französische Verband
ein Einsehen und bleibt zumindest in Europa – das Finale findet am 6. August im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt (Österreich)
statt.
Ideen wie die französischen Funktionäre
hat auch HSV-Marketing-Vorstand ­Joachim
Hilke. In ausländischen Märkten sieht er
das größte Wachstumspotenzial für die
Bundesliga. „Darmstadt gegen HSV in
Shanghai klingt erst einmal verrückt und
wirkt treulos den heimischen Fans gegenüber“, sagte er in einem Interview mit
HSV.de. „Diese Überlegungen sind jedoch
alles andere als neu und nur Ausdruck einer konsequenten Entwicklung. Die englische Premier League diskutiert diese seit
Längerem.“
Dann mal schön weiterdiskutieren – und
immer im Hinterkopf behalten: Die Stimmung im Stadion von Shanghai wird sicher
bombe sein … |
Kurzes
Die Raute: Gefällt mir!
Ein bisschen überraschend ist es ja schon: Außerhalb Deutschlands hat der HSV die meisten Facebook-Fans in Brasilien. Liegt’s an Zé Roberto und Cléber Reis, die ihre Landsleute anlockten?
Wir können nur mutmaßen; ebenso wie über die 10.000 Follower aus der Türkei: Vielleicht erfüllt das Winter-Trainingslager ja seinen Zweck; oder Hakan Çalhanogu hat noch seine Finger
im Spiel. Weshalb die Niederlande mit knapp über 2831 Followern jedoch nur auf Platz 34 von 45
Ländern liegen – trotz Ruud van Nistelrooy
und Rafael van der Vaart: Wir schieben es
mal darauf, dass das Land so klein ist.
Nachfolgend die Top Ten. |
Deutsch
Stadionrenovierung auf Crowdfunding: Fans können zwischen 5 und 2000 Pfund spenden. Wird das Ziel – 250.000
nach Höhe ihres Einsatzes ein
Ticket, ein signiertes Trikot –
In
15
ten
13.91
Bradford City AFC setzt bei der
reicht, bekommen Spender je
17.692
Ägy p
+++ Der englische Dritt­l igist
Pfund (rund 320.000 Euro) – er-
land
467.270
Brasilien
Ticker
8
oder Spielerbesuch beim nächsdo
n
.07 e s ie
n
1
ten Kindergeburtstag. +++ Beim
150. Belgrader Stadtderby zwischen Roter Stern und Partizan flog ein eher ungewöhnliches Wurfgeschoss in Richtung
des vom Feld gestellten Heim-
Thailand
Algerien
11 .496
USA
10.703
kapitäns Aleksandar Lukovic: Gästefans bewarfen ihn
10.525
mit Feuerzeugen, Münzen –
und mindestens einem Smart-
Tü
Ma
rk
9.9 ei
58
ro
9.4 kko
31
Polen
9.702
phone. Den Täter aufzuspüren
dürfte keine Schwierigkeit gewesen sein. +++ Weil sie ein
„außergewöhnlich hohes Aggressionspotenzial“ haben sollen, bittet die Stadt Oberhausen
15 Mitglieder der Rot-Weiß-Ult-
FACEBOOK-FANS SIND KEINE VERBRECHER!
ras „Semper Fidelis“ zur medizinisch-psychologischen Untersuchung, bekannt als Idiotentest.
Die Anschuldigungen stützen sich jedoch überwiegend
auf „Erkenntnisse“, nicht aber
auf Verurteilungen. 13 Mitglieder haben lupenreine polizei-
Umfrage zur supporters news
Im Dezember 2014 hat die sn einen Relaunch erhalten – mit neuem Layout und neuen Inhalten. Jetzt
wollen wir wissen: Wie gefällt euch die neue sn? Welche Anmerkungen und Vorschläge möchtet
ihr machen? Die Teilnahme an unserer Onlineumfrage dauert nur drei Minuten. Wer uns zusätzlich
noch seine E-Mail-Adresse verrät, hat die Chance auf ein Trikot mit allen Unterschriften der aktuellen
Profi­f uß­ball­mann­schaft. Alle Angaben bleiben auch bei Nennung der E-Mail-Adresse anonym.
Teilnahme über unten stehenden QR-Code beziehungsweise den nachfolgenden Link:
www.hsv-ev.de/sn-umfrage |
supporters news # 80 | 10.2015
Preis: 2,00 Euro
supporters news # 81 | 12.2015
Preis: 2,00 Euro
liche Führungszeugnisse. +++
„Wir werden auf ewig hinter
uns bleiben“ prangte jüngst riesengroß auf einem Spruchband
im Fanblock des VfL Wolfsburg. Zu dem Banner bekannte sich die „Kleinstadtgang Ultras 2015“, die sich aufrichtig
entschuldigte und direkt auflöste. +++ Vier Gäste kommen
zum nächsten Tankstellentalk
am 3. Mai im Sportpub Tank-
Das Magazin des HSV Supporters Club
Das Magazin des HSV Supporters Club
Eintrittspreise:
Ist Fußball noch
bezahlbar?
Abgetaucht:
Der tiefe Fall von
Nottingham Forest
Interview mit
Geschäftsführer
Jörn Spuida
Seitenlinie:
Jeder kann
Trainer werden
Foto-Reportage:
„Am Stellinger“
Tradition:
Eishockey
im HSV
stelle (Gerhardstraße/Nähe
Hans-Albers-Platz): Team-Manager Bernd Wehmeyer, Nordtribüne-Vorsänger Patrick Schiller, Mediendirektor Jörn Wolff
Grantler
mit Herz
Bernd Wehmeyer spricht über Ernst Happel
Tatort
Stadion
Bjarne Mädel über seinen HSV
und Nils Kuhlwein, Inhaber von
1887-Street-Wear. Start ist – wie
immer – um 18.87 Uhr. +++
11
INTRO
Andreas Schier:
„Horst ­Hrubesch.
Die ­Biografie“,
304 Seiten,
Güters­loher Verlagshaus, ISBN
978-3-57-907059-9
Der Mensch
dahinter
Eine Biografie? Bloß nicht! So dachte Horst Hrubesch lange Zeit. Nun ist
es aber doch passiert – auch wenn das
Kopfball-Ungeheuer, so schreibt Autor
Andreas Schier in seinem Nachwort,
erst überzeugt werden musste. Und
Hrubesch machte Vorgaben: Er vermittelte 200 Kontakte zu sportlichen Weggefährten, zu seiner Familie, zu Freunden – und Autor Andreas Schier sollte
sie alle besuchen.
Herausgekommen ist ein Werk, das
authentisch und tief eintaucht in das
(Seelen-)Leben des Familien­menschen
Horst Hrubesch. Da erzählt seine
Mutter von ihrem lausbubenhaften
Sohn, der einmal die Badewanne mit
Kaulquappen füllte (weil der Nachbar versprochen hatte, für jedes Tier
fünf Pfennig zu zahlen). Oder es erzählt Hrubesch, wie sein Nachbar ausschlaggebend dafür war, „dass ich den
Weg zum Fußballprofi gegangen bin“.
Franz Beckenbauer berichtet, wie er
zu HSV-Zeiten wegen eines Zusammenpralls mit Hrubesch zehn Tage ins
Krankenhaus musste (Hrubesch damals: „Was hätte ich denn machen sollen? Ich musste dich doch aus dem
Weg räumen!“), und Günter Netzer beschreibt in einem anderen Kapitel,
welche Vorwürfe Hrubesch sich deswegen machte.
Aber auch wenn es um Spiel­berichte
geht: In ihrem Mittelpunkt stehen
stets Anekdoten um Horst Hrubesch
– und wie zur EM 1980 in Italien auch
Nebenschauplätze wie ein zufälliges
Treffen mit dem Papst im Petersdom.
Insgesamt zeichnet Andreas Schier auf
304 Seiten ein sehr umfassendes Bild
eines „Geistes der Mannschaft“, eines
Familienmenschen, eines Mannes mit
teils ungewöhnlichen Hobbys (Angeln,
Reiten). Zum Glück ließ sich Hrubesch
von dieser Biografie überzeugen. |
12
Neu aufgelegt
Das aktuelle Album „Meist kommt’s anders“ von Abschlach! ist noch kein halbes Jahr alt, hat den Sprung in die Top 100
der deutschen Albumcharts geschafft
und auch die aktuelle Live-DVD „10 Jahre
­Abschlach! – Live in Hamburg“ ist noch in
aller Munde, da kommt direkt der nächste Silberling auf den Markt: die Neuauflage des alten Klassikers und Dauerhits
„Mein Hamburg lieb ich sehr“. Neu aufgenommen und produziert in den Mono­
chrom-Studios Hamburg, läuft diese Stadion­version inzwischen bei jedem
HSV-Heimspiel durch die Boxen im weiten
Rund, kurz bevor Barde Lotto King Karl auf
seinem Kran vor der Fankurve aufsteigt.
Die sechs Punkrocker haben den Song inzwischen sogar live im Innenraum des Stadions performt, zudem ein Video dieses
Auftritts im Internet veröffentlicht. Als
Bonussong ist die zweite Single-Auskopplung des aktuellen Albums enthalten. Mit
„Samstagnacht“ steht eine weitere, neue
Ballade über Hamburg, den Hafen und das
Meer in den Startlöchern. |
Gäste zahlen weniger
Premier-League-Klubs schwimmen dank
hoher Summen aus TV-Einnahmen ja nur so
im Geld – und verlangten bislang trotzdem
teils horrende Summen für Eintrittskarten.
Zur kommenden Saison haben alle Vereine
zumindest eine Preis­ober­grenze für Gäste­
fans beschlossen. Diese seien für die Atmo­
sphäre im Stadion besonders wichtig
und durch Anfahrt sowie Verpflegung
sowieso schon genug belastet. Wer seine
Mannschaft also auswärts begleitet, muss
in den nächsten drei Jahren – so lange gilt
die Vereinbarung vorerst – nie mehr als
30 Pfund (rund 38 Euro) bezahlen. Das ist
zwar nicht ganz der Betrag, den die Football
Teamgeist läuft mit
Die jungen Spieler des FC Kopenhagen
wirkten irgendwie, als sei es ihnen zu
laut zwischen all den Fans um sie herum.
Beim Auswärtsspiel beim Aarhus GF hatte sich das Team kollektiv bereiterklärt,
bei einem Fußmarsch zum Stadion mitzulaufen, den die Fans des FCK organisiert
hatten. Also stiegen die Jungs um den ehemaligen Kölner Trainer Ståle Solbakken
aus dem Mannschaftsbus, versammelten
sich hinter e
­ inem breiten Banner in den
Vereins­farben und schlichen los – wirkten dabei aber wie eingeschüchterte Rehe,
die von laut donnernden Jagdgewehren
vor sich her­getrieben werden. Teamgeister, könnte man sagen. Sei’s drum: Für die
Fans war die A
­ ktion ein voller Erfolg. Über
Social-­Media-Kanäle verbreitete sich ein
Video ­i hrer Aktion tausendfach. Aufs Spielfeld hat sich die Euphorie der Fans hingegen nicht übertragen: Der Tabellen­f ührer
schaffte gegen Aarhus GF nur ein mageres 0:0. |
Supporters’ Federation erreichen wollte –
das Ziel dieser Initiative waren 20 Pfund.
Dennoch ist das Entgegenkommen ein
Erfolg. Für Heimmannschaften gilt die
Vereinbarung der Premier-League-Klubs
jedoch nicht. Proteste wie in Liverpool
dürfte es also wohl weiterhin geben: Dort
hatten 10.000 Fans gegen eine geplante
Preiserhöhung von 59 auf 77 Pfund protes­
tiert und im Spiel gegen Sunderland in
der 77. Minute das Stadion verlassen (aus
einem 2:0-Vorsprung wurde noch ein 2:2).
Liverpool verstand das Signal und zog seine
­Pläne zurück. Fanprotest kann halt doch
einiges bewirken … |
Kurzes
Foto: Witters
Foto: Witters
Text: Mathis Paus · Fotos: Lucas Wahl
„Wenn du so gern
Fähnchen schwenkst,
such dir doch ’nen Job
beim Flughafen.“
(Erik Meijer über einen Linienrichter)
Lautstärkepegel
Was wäre ein Stadion nur ohne seine Vor­
sänger! Sie heizen die Stimmung einer
ganzen Arena an – so wie Poptown im
Block 25A des Volksparkstadions. Bis vor
einem Jahr lief das alles über Megafon,
seitdem gibt es eine fest installierte
Anlage. Ob deren Lautstärke ausreicht?
Das wollte die Fanbetreuung von den
Dauerkarteninhabern des A-Rangs und
in den Blöcken 24 bis 26 jetzt wissen. Das
Ergebnis: Ein Viertel der 1600 Befragten
findet die Anlage zu laut, ein Viertel hält
sie für genau richtig, und etwas mehr als
ein Viertel (35 Prozent) empfindet sie als zu
leise. Die restlichen 15 Prozent hatten keine
Meinung. Weil es keine klare Tendenz gibt,
wird der HSV an der aktuellen Lautstärke
nichts ändern. Auf dass der Support nie
verklingt! |
13
TRIBÜNE
14
Casual Look
Text: Mathis Paus · Illustrationen: Jenny Adam
Laufsteg
Fankurve
Casuals haben die Mode in den Fußball transferiert
und ganz nebenbei einen Look kreiert, der auch
abseits der Stadien salonfähig ist. Auch beim HSV
ist der modebewusste Fußballfan anzutreffen.
K
napp 1000 Euro kostet der s­ andfarbene
Stoff aus einem speziellen Polyester­
gemisch. Einfache Form, schlichter Schnitt,
nur die integrierte Rennfahrerbrille in der
Kapuze sorgt für Aufsehen. Die Jacke der
italienischen Traditionsmarke C. P. Company ist keine
Kleidung von der Stange. Auf einem Holzbügel scheint
sie mehr erhaben zu thronen, als dass sie einfach nur
­darüber hängt. So zumindest sieht es eine besondere Anhängerschaft von Fußballfans: die Casuals.
In der Hamburger Neustadt gibt es die Jacken der italienischen Nobelmarke gleich im Dutzend. Mirko Beyer
steht hinter seinem Tresen. Mit rotem Samt bezogene
Barhocker, ein Snookertisch und vier Zapfhähne sorgen für britische Pub-Atmosphäre. Statt Pints verkauft
Beyer gemeinsam mit seinem aus Großbritannien
stammenden Partner Robert aber Kleidung, Kleidung
für den modebewussten Fußballfan. Das gesamte
Sortiment ist auf den Football-Casual-Lifestyle abgestimmt und bedient damit ein wachsendes Verlangen nach seltener, qualitativ hochwertiger und meist
hochpreisiger Markenkleidung. Beyer, Typ Schwiegersohn, akkurater Haarschnitt, Baumwollpullover, darunter kariertes Hemd, ist HSV-Fan und noch mehr ein
Casual.
Der Begriff bedeutet so viel wie lässig, locker oder
­leger. Er stammt aus England und ist in den späten
Siebzigerjahren auf den Tribünen der Anfield Road in
Liverpool geboren worden. Casual beschreibt die Kunst
des zwanglosen und doch sehr smarten optischen Auftretens. Britische Jugendliche mit einem gepflegten
Äußeren sowie kostspieliger Kleidung bevölkerten auf
einmal die Stadien. Trikots und Schals, die Devo­tio­
nalien der Arbeiterklasse, galt es hinter sich zu lassen.
15
TRIBÜNE
Das neue Motto: auffallen durch Nichtauffallen. Die
Subkultur verbreitete sich rasant und e
­ rgriff schon
bald die gesamte Insel. Das Bild der Zuschauerränge
änderte sich grundlegend. Fußballfans sahen aus, als
ob sie gerade auf den Weg in den Tennis- oder Golfklub
wären, statt im Stadion ihre Mannschaft nach vorn
zu schreien. Bis heute hat sich das Tragen bestimmter Modemarken in der Szene etabliert. C. P. Company,
Stone Island, Penfield, Lyle & Scott, Fila, ­Ellesse, Fred
Perry, Adidas Originals, um nur einige zu nennen, gehören zu den beliebtesten Labels, die Prestige­objekt
und Erkennungszeichen zugleich sind.
Der Casual Look beeinflusste
Autoren wie Hornby und Welsh
Beyer ist seit Mitte der Neunzigerjahre dem britisch
geprägten Modestil verfallen. Seine Liebe zur FußballFashion gipfelte darin, dass er im vergangenen Jahr
seinen eigenen Laden namens „Casual Couture Hamburg“ eröffnete. „Wir haben schon immer diese Marken getragen, aber an die Labels kam man nur schwer
heran. Da hab ich es einfach selbst in die Hand genommen“, erzählt Beyer. Casual, das sei für ihn ein Gesamt­
konzept, bei dem neben Mode und Fußball auch andere Themen wie Literatur und Musik dazugehören. So
verwundert es nicht, dass die Literatur von Bestsellerautoren wie Nick Hornby und Irvine Welsh von den
modebewussten Fußballfans beeinflusst wurde oder
sie gar selbst Teil dieser Subkultur waren. Mit der Zeit
16
erlangte der Stil ungeahnte Attraktivität unter den
britischen Jugendlichen und schwappte von den Tribünen in das gesellschaftliche Leben.
Während in England Fußballbegeisterte im edelsten Zwirn das Stadionerlebnis wie eine Matinee zelebrierten, entwickelte sich der deutsche Zuschauer in
den Siebzigerjahren erst zum Fan. Waren Gesänge und
Fanartikel nur sporadisch zu hören und zu sehen, etablierten sich nach und nach die Kutten auf den Rängen. Die Jeansweste sorgte erstmals auch optisch für
Identifikation mit den Farben und Symbolen des Heimatvereins. Auch beim HSV sollten die Westen, die der
Rockerszene entlehnt sind, auf Jahre das Stadionbild
prägen. Erst später taten es deutsche Fans den englischen Casuals gleich. Durch Fanfreundschaften mit
den Glasgow Rangers oder dem FC Millwall gelangte die britische Fußballkultur immer stärker in die
Hansestadt.
Statt mit Vereinsschal sind die Leute in Zivil ins Stadion gegangen, sodass keiner wusste, welcher Mannschaft man die Daumen drückt. Weniger amüsiert
darüber war die Polizei. Denn schon wie zuvor in England, entdeckten auch Krawallmacher für sich den
speziellen Look und gelangten so unerkannt auf die
Tribünen. In einigen Pubs in London waren Marken
wie Stone Island nicht mehr gern gesehen und der
Träger, ob zu Recht oder Unrecht, erhielt Hausverbot.
Längst ist die modische Maskerade den Ordnungshütern bekannt und bestimmte Labels stehen bei
Casual Look
Fußballspielen auf roten Listen. Zum Leidwesen der
anderen Casuals, die einfach nur ihre sorgfältig ausgewählten Outfits im Block präsentieren wollen.
Der Nachwuchs-Casual
kommt mit Mama und Papa
Passt die rote Trainingsjacke zu den blauen Turn­
schuhen? Sollte das Hemd lieber mit einem ­P ullover
mit Rundhalskragen oder V-Ausschnitt kombiniert
werden? Ein Casual überlässt nichts dem Zufall, die
Gesamtoptik muss stimmen, dafür verwendet er viel
Zeit und Geld. Heute versuchen sie den Retrolook aus
den Achtzigerjahren wieder aufleben zu lassen, weiß
Beyer: „Auf Originalstücke wird viel Wert gelegt.“ Je
seltener, desto besser – und bestenfalls einzigartig –,
so lautet die Formel. Trotz einer gewissen Uniformität
in der Gruppe sei Individualität sehr wichtig. ­„Casuals
suchen Einzelstücke von Marken, die andere nicht
haben.“ Das soll beeindrucken und das eigene Stil­
bewusstsein untermauern. Der Modefetisch geht so
weit, dass Kenner nicht nur die Gründer und ­Designer
ihrer Lieblingslabels aufzählen können, sondern auch,
wann, wo und in welcher Stückzahl eine s­ pezielle
Schuhkollektion erstmals erschienen ist. Dass d
­ arum
eine regelrechte Industrie entstand, ist in der Logik
von Unternehmen nur folgerichtig. Neben speziellen
Modemagazinen setzen Bekleidungsfirmen wie Fred
Perry in ihren Werbekampagnen nicht selten auf ein
Fußballumfeld.
Für Mirko Beyer ist die voranschreitende Kommerzialisierung der Casuals ein zweischneidiges Schwert. Einerseits verdient er mit den markenbewussten Fans
sein Einkommen, andererseits soll die Exklusivität gewahrt bleiben. „Die Nachfrage ist hoch. Die Leute kommen mittlerweile aus ganz Deutschland zu uns. Auch
der Nachwuchs-Casual: Der kommt mit Mama und
Papa und erhält seine Geburtstagsgeschenke bei uns.“
Angst vorm Ausverkauf hat Beyer daher nicht, denn in
der Regel regulieren die hohen Preise den Zulauf von
ganz allein und die Vielzahl der Marken bewahrt die
Einzigartigkeit.
Und so halten die Auswirkungen der modischen
­Revolution auf den Fußballtribünen bis heute an.
Mehr noch: Sie sind auch abseits der Spielstätten
­präsent und verbreiteter denn je. Der ewige CasualKreislauf aus anprobieren und verwerfen wird sich
­weiterdrehen. |
17
TRIBÜNE
Friseur
Text & Foto: Johannes Kühner
Nur der
Haar-SV!
Text: Frank Willig
Er ist der wohl älteste Friseur Hamburgs: Mit
neunzig Jahren steht Ernst Schmidt nach wie
vor fast täglich in seinem Salon. Und beim
Frisieren gibt’s fast nur ein Thema: den HSV.
Guten Tag – ich denke mal, hier bin ich
richtig beim HSV-Friseur?
Schmidt: Ja. Obwohl: Es kommen immer
wieder Menschen rein, die denken, hier sei
eine Vorverkaufsstelle des HSV.
Woran das liegt, wird schnell klar, wenn
der Blick durch den Salon schweift: Im
Schaufenster klebt mehrfach die Raute, in
einem Modell des Volksparkstadions brennt
blaues Licht, über den Spiegeln hängen HSVFahnen, Ernst Schmidt trägt ein Hemd mit
Raute auf der Brusttasche und einen Ring
mit Raute am Finger, sogar das SchaumaShampoo ist zufällig blau-weiß-schwarz.
Rechts der Spiegel zeigt ein Bilderrahmen
die Feier zu seinem achtzigsten Geburtstag
im Volksparkstadion, zwischen den Spiegeln
hängt ein Plakat von seinem neunzigsten
Geburtstag im Februar mit Gratulant Dietmar
Beiersdorfer, links sind Fotos von Schmidt mit
Uwe Seeler und Hermann Rieger aufgehängt.
Haben Sie denen die Haare geschnitten?
Schmidt: Nur dem Hermann Rieger. Früher
kam regelmäßig Torwart Horst Schnoor.
Uwe Seeler habe ich nur mal zufällig im
Stadion getroffen. Die heutigen Spieler
haben ja alle ihre eigenen Friseure.
Was sagen Sie denn zu deren Frisuren?
Schmidt (macht eine wegwerfende
Handbewegung): Furchtbar, manchmal. Aber
das hat die Zeit halt so mit sich gebracht.
18
Weshalb nennt man Sie dann den
HSV-Friseur?
Schmidt: 1948 bin ich aus Freiburg an der
Elbe nach Hamburg gezogen. Anfangs
arbeitete ich in einem Salon am Rathaus
und habe auch Bürgermeister Paul Never­
mann die Haare geschnitten; dann habe ich
mich selbstständig gemacht. Irgendwann
habe ich begonnen, meinen Salon zu
schmücken.
Warum? Seit ich hier wohne, gehe
ich zu jedem HSV-Heimspiel, bin bei
allen Versammlungen dabei, mein
Autokennzeichen beginnt mit HH-SV …
Stammkunde Klaus Petermann, der gerade
im Salon sitzt, mischt sich ein.
Petermann: … und als er wegen seines Knies
im Krankenhaus war, hat er selbst dort
seinen HSV-Trainingsanzug getragen.
Schmidt: Später kam mein Arzt im Salon
vorbei. Der ist jetzt auch Kunde bei mir.
Petermann: Und wenn der HSV spielt, dann
muss schon was Besonderes sein, dass Ernst
sich das nicht anschaut.
Es ist offensichtlich: Da sitzen zwei, die den
HSV mögen. Petermann und Schmidt spielen
sich die Bälle zu; kein Wunder, seit 35 Jahren
sind sie befreundet.
Petermann: Es gab damals eine Behelfs­
geschäftsstelle. Die Warteschlange für
Dauerkarten war ewig lang, Ernst stand in
der Reihe direkt hinter mir. Wir kamen ins
Gespräch, seitdem sind wir gute Freunde.
Schmidt: Er kennt sogar meine Familie.
Petermann: Ernst hat Sky, da schauen wir
manchmal alle zusammen.
Schmidt: Da benehmen wir uns aber normal.
Petermann: Wenn ich ein Spiel nicht sehen
kann, gibt er mir immer einen Spielbericht
am Telefon durch.
Schmidt: Und im Stadion sitzen wir auf der
Südtribüne, ein paar Reihen auseinander.
Petermann: Ernst mit seinem Sohn und
seinem Enkel …
Da schnacken sie wieder; über Fußball im
Allgemeinen, über den HSV im Speziellen,
über die Atmosphäre im Stadion.
Petermann: Die Sprechchöre sind weniger
geworden.
Schmidt (nachdenklich): Ja, das ist mir auch
aufgefallen.
Petermann: Aber „Hamburg, meine Perle“ …
Schmidt: … da kommen mir immer fast die
Tränen.
Petermann: Ja, das ist immer ganz toll,
wenn das kommt.
In diesem Moment geht kurz die Tür auf.
Ein Kunde: Alles Gute!
Schmidt: Ebenso – erfolgreiches
Wochenende!
Der Kunde: Man darf die Hoffnung nie
aufgeben.
Mit diesen Worten schließt er wieder die Tür,
und mit der Hoffnung meint er den HSV vor
seinem nächsten Heimspiel gegen Ingolstadt
(es wird 1:1 ausgehen).
Kommen hier denn auch Leute rein, die
nichts mit dem HSV zu tun haben?
Schmidt: Ja, auch. Wenn einer reinkommt,
dann frage ich erst: Wie heißt du? Und
dann: Bist du HSVer? Wenn nicht, dann
finden wir andere Gesprächsthemen. Die
meisten sind ohnehin Stammkunden.
Leider werden es immer weniger; im Laufe
der Jahre sind viele gestorben.
Denken Sie nie ans Aufhören?
Schmidt: Nein, der Salon ist wie mein
zweites Wohnzimmer. Ich bin gern in
meinem Beruf und würde ihn jederzeit
wieder wählen. |
19
TRIBÜNE
Bremer
Sackgasse
Das Derby zwischen Werder und dem HSV vom 19. April 2015 in
Bremen sorgt noch immer für Spannung. Grund: Die Stadt Bremen hat
beschlossen, die Polizeikosten der Deutschen Fußball Liga in Rechnung
zu stellen. Ein rechtlich fragwürdiges Unikum in der Bundesligageschichte.
Kosten für Polizeieinsatz
Text: Jörg Niederoth · Foto: Witters
B
remen hat Anfang November 2014 die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, kommerzielle Großveranstalter an Kosten für Polizeieinsätze beteiligen zu können.
Grund für diesen kontrovers diskutierten
Gesetzesvorstoß war das Anliegen des Bremer Senats,
zukünftig nicht mehr allein auf den rund 300.000 Euro
Mehrkosten sitzen zu bleiben, die bei Risikospielen des SV
Werder Bremens durch erhöhte Polizeipräsens rund um
das Weserstadion entstehen.
Zwar ist der Gesetzeswortlaut allgemein formuliert
und wendet sich an alle „Veranstalter von gewinn­
orientierten Veranstaltungen, bei denen es erfahrungsgemäß zu Gewalthandlungen kommt“. Dass die
Gesetzesschreiber dabei aber vor allem den Fußball
im Sinn hatten, zeigte die Anhörung im Haushaltsund Finanzausschuss am 17. Oktober 2014. Vertreter
von DFB, DFL und des SV Werder Bremen waren geladen und durften ihre Stellungnahmen abgeben. Dabei
kündigte die DFL bereits im Gesetzgebungsverfahren
an, dass sie Kostenbescheide im Innenverhältnis an
die Grün-Weißen weiterleiten werde – also ein Bremer
Bumerang. Auch verbandspolitisch hatte der Senatsvorstoß schnell weitreichende Folgen: So entzog der
DFB der Hansestadt das für November 2014 angesetzte
EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar.
Staatsaufgabe Sicherheit
In der öffentlichen Diskussion scheint weitgehende Einigkeit zu bestehen, dass bei Fußballspielen die Kosten
auch für Polizeieinsätze außerhalb der Stadien von den
Veranstaltern getragen werden müssen. Schließlich
wird im Fußballbusiness viel Geld verdient, wohin­
gegen die öffentlichen Kassen leer sind.
Im ersten Moment ist dieser Gedankengang sogar nachvollziehbar, juristisch ist er jedoch irrelevant, denn mit
polizeirechtlichen Grundsätzen ist diese Argumentation nicht vereinbar. Grundsätzlich richten sich nach
den Polizeigesetzen von Bund und Ländern polizeiliche
Maßnahmen an diejenigen, die mit ihren Handlungen
Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
verursachen oder für den polizeiwidrigen Zustand einer
Sache verantwortlich sind. Nur wenn diese Handlungsoder Zustandsstörer nicht greifbar sind, kann die Polizei
unter engen Voraussetzungen auch sogenannte Nichtstörer belangen.
Die Fußballvereine und -verbände verursachen die
von vermeintlichen Fußballfans ausgeübte Randale
und Gewalt im öffentlichen Raum im räumlichen und
zeitlichen Umfeld von Fußballspielen jedoch nicht.
Auch die Rechtsfigur des sogenannten Zweckveranlassers kann zur Verantwortlichkeit der Vereine für Remmidemmi vor den Stadiontoren nicht herangezogen
werden. Mit Fußballspielen wird weder subjektiv noch
objektiv eine Lage geschaffen, die Dritte zu Gewalthandlungen herausfordert. Im Gegenteil – die ­Vereine
haben ein fundamentales Interesse daran, dass es
nicht nur im Stadion, sondern auch auf dem Hin- und
Rückweg für die Fans beider Mannschaften friedlich
bleibt. Aktiv wird mit Fanprojektförderungen, Reduzierungen des Gästeticketkontingentes, Stadionverboten sowie verstärkten Einsätzen von Ordnerdiensten
versucht, die Gefahr von Gewaltausschreitungen zu
minimieren. Wenn sich daraus jedoch ergibt, dass eine
rechtliche Verantwortlichkeit der Fußballvereine und
-verbände für verstärkte Polizeieinsätze vor dem Stadion nicht besteht, können ihnen auch die Kosten dafür
nicht in Rechnung gestellt werden.
Rechtliche Bedenken
bei Bremer Gebührenvorschrift
Auch an weiteren Stellen hinterlässt die Bremer Gebührenvorschrift einen bitteren rechtlichen Beigeschmack.
So muss der Wortlaut eines Gesetzes hinreichend bestimmt und klar formuliert sein – eine Folge des Rechtsstaatsgebotes. Der vorgestellte Gesetzestext verwendet allerdings den konturenlosen und weit gefassten
Begriff „Gewalthandlungen“. Was ist darunter zu verstehen? Fallen darunter bereits Bagatellstraftaten oder
müssen schwerwiegende Gewalthandlungen befürchtet werden, um vom Veranstalter Gebühren erheben zu
können? Wessen Perspektive ist eigentlich für die Gefahrenprognose maßgeblich und warum fallen allein
Veranstaltungen mit den gesetzlich willkürlich festgelegten mehr als 5000 Besuchern unter eine mögliche Zahlungsverpflichtung? Auch, wer Veranstalter ist,
wird in der Vorschrift nicht näher bestimmt. Als Spielveranstalter des letztjährigen Nordderbys wird man die
DFL kaum ansehen können, und dass die Bremer Verwaltung ihren heimischen Verein finanziell belasten
will, dürfte zu bezweifeln sein.
Die Bremer Kostenvorschrift stößt somit auf eine Reihe gewichtiger rechtlicher Bedenken. Deshalb sollte
auch in Bremen der Grundsatz weiterhin Geltung behalten, dass die Gewährleistung von Sicherheit und
Ordnung im öffentlichen Raum allein Staatsangelegenheit und damit allein aus dem Steueraufkommen
zu finanzieren ist. |
21
TRIBÜNE
Niebüll
Flensburg
Text: Jan Walter Möller
Die
Nummer
eins im
Norden
Schleswig
Husum
Friedrichstadt
Heide
In keinem anderen Bundesland hat der HSV
so viele Fanclubs wie in Schleswig-Holstein.
Die Gründe dafür liegen in der geografischen Lage, dem Mangel an Alternativen –
und dem Bekenntnis zu Traditionen.
„S
eht Ihr die Fans dort in der Kurve, das sind
die Fans vom HSV. Das sind die Fans aus
Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein
und der HSV!“ Diese Textzeile eines bekannten Fanliedes über den HSV stammt von
ideenreichen Fans aus Schleswig-Holstein, die das Original mit dem Titel „La ballade des gens heureux“ des
französischen Schlagersängers Gérard Lenorman vor
mehr als vierzig Jahren umgedichtet haben – in mehrere Varianten. Es findet seine bekannteste Version darin, dass alle Spieler der Europapokalmannschaft von
1983 besungen werden – und zum Abschluss die Fans
aus dem nördlichsten Bundesland. Das Lied ist bei
manchen Fans in Vergessenheit geraten, wird aber regelmäßig bei Auswärtsfahrten von Schlachtenbummlern aus Heide, Kiel, Friedrichstadt und Flensburg
aus der geistigen Jukebox geholt und voller Inbrunst
gesungen.
22
Um die Beziehung der Fans zwischen Westerland und
Timmendorfer Strand sowie Brunsbüttel und Glücksburg zum HSV zu beschreiben, ist ein Blick auf die
Geografie und die übrigen Sportvereine notwendig.
So sind die fußballinteressierten Fans im Westen und
Osten durch die Nord- und Ostsee begrenzt. Im Norden begrüßen einen die dänischen Nachbarn. So bleibt
durch diesen natürlichen „Trichter“ nur die Hansestadt
Hamburg mit unserem Hamburger Sport-Verein, dem
sich sehr viele Anhänger verschrieben haben. Natürlich findet man auch Fans anderer Vereine, insbesondere von den erfolgreichen wie FC Bayern und Borussia
Dortmund sowie vom Stadtrivalen FC St. Pauli. Übrige Vereine sind nur in sehr geringen Zahlen vertreten, sodass die Zahl achtzig Prozent, die dem HSV die
Daumen drücken, realistisch ist; in einigen Gegenden
dürfte sie sogar noch höher liegen. Die beiden großen
benachbarten Fußballvereine in Schleswig-Holstein,
Itzehoe
Schleswig-Holstein
Rendsburg
VfB Lübeck (Regionalliga Nord) und Holstein Kiel (dritte Liga), stehen sportlich, fantechnisch und wirtschaftlich, obwohl geringe freundschaftliche Schnittmengen vorhanden sind, in nicht nennenswerter
Beziehung und Konkurrenz zum HSV und rekrutieren ihre Anhänger in ihrer jeweiligen Stadt und innerhalb eines überschaubaren Umkreises darüber
hinaus. Ähnlich verhält es sich mit den beiden sehr erfolgreichen Handballvereinen, SG Flensburg-Handewitt und THW Kiel, die in der Handballbundesliga und
auch in den europäischen Wettbewerben regelmäßig
ganz oben zu finden sind. Aber, um nur noch einmal
die Maßstäbe zu verdeutlichen und ohne die beachtlichen Leistungen der Nachbarvereine zu diskreditieren: der HSV hat mehr als 800 Fanclubs, die dem Verein in der Saison 2014/2015 zu einem Zuschauerschnitt
von 53.000 verhalfen. Die vier oben genannten Fußund Handballvereine weisen in Summe in der Statistik vierzig Fanclubs mit einem Zuschauerschnitt von
22.000 Anhängern aus.
Schaut man in die übrigen und benachbarten Bundesländer, so findet man 180 Kilometer Richtung Osten
den letzten DDR-Meister und Pokalsieger von 1991, den
Kiel
Neustadt/Holstein
Neumünster
Lübeck
Elmshorn
Pinneberg
Ahrensburg
Wedel
Reinbek
Geestacht
Keinerlei
Schnittmenge
mit Wolfsburg
F. C. Hansa Rostock. Natürlich gibt es auch hier Schnittmengen, die aber recht überschaubar sind. Wenn überhaupt, dann „wildert“ der HSV um Fans in Mecklenburg. In Hamburg und im Umkreis lebende Hansafans
rekrutieren sich größtenteils aus Anhängern, die der
Arbeit wegen in die „große“ Hansestadt gezogen sind.
Unter der älteren Generation ist das Verhältnis neu­
tral bis freundschaftlich, zum Teil noch begründet aus
der Zeit einer, ehrlicherweise sehr kurzen, Fanfreundschaft Anfang der Neunzigerjahre. Die jüngere, insbesondere die Ultrageneration, sieht es hier etwas sportlicher. Grundsätzlich ist aber gegenseitiger Respekt
vorhanden.
Das Verhältnis zu den drei niedersächsischen Erstligisten könnte unterschiedlicher nicht sein. Zum VfL
Wolfsburg besteht keines, die Anhänger aus Schleswig-Holstein nehmen die Werkself kaum wahr und
noch weniger ernst. Zu offensichtlich ist der Versuch,
eine Fußballmannschaft mit Unsummen an ­Ablösen
und Gehältern zu etablieren, wodurch es auch logisch
erscheinen muss, dass die Fanszene nicht mitwachsen konnte und sich regional eher wie der THW Kiel
23
TRIBÜNE
Schleswig-Holstein
versteht. Achtzig Kilometer weiter westlich ist die Heimat von Hannover 96, zu deren Anhängern auf verschiedenen Ebenen ein freundschaftliches Verhältnis besteht. Fans der „Roten“ wird man im nördlichsten
Bundesland eher weniger finden. Und zum Verein an
der Weser ist alles bekannt und gesagt: Eine gegenseitige und gesunde Abneigung prägt das Bild auf beiden
Seiten. Jeweils auf halber Strecke beginnen die Schnittmengen zu Hannover und Bremen fanseitig. Beim VfL
Wolfsburg handelt es sich eher um ein lokales Phänomen mit eigenem Betriebsfanclub. Wie schon beim
Beispiel Rostock beschrieben, sind die niedersächsischen Vereine kilometermäßig und emotional zu weit
weg, als das hier personell eine Beziehung in nennenswerter Zahl aufgebaut werden konnte.
Nach diesem Umriss der sportlichen und geografischen Lage scheint es klar zu sein, dass für die überwiegende Mehrheit der Fußballfans aus SchleswigHolstein nur der Hamburger SV infrage kommt – und
weshalb mehr als 200 Fanclubs mit Tausenden Mitgliedern unserem Verein dort seit Jahrzehnten die
Treue halten. |
„Der HSV-Virus wird vererbt“
Im nordfriesländischen Friedrichstadt
drückt Heinz Claussen dem HSV seit vielen
Jahren die Daumen. Im sn-Interview erzählt
er, warum.
Schleswig-Holstein gilt bekanntermaßen
als das Bundesland mit dem größten
Zuspruch an HSV-Fans. Wenn man über
die Dörfer fährt, sieht man sehr viele
HSV-Fahnen an den Häusern wehen.
Wie sieht es bei Euch in Friedrichstadt
(südliches Nordfriesland an Eider und
Treene gelegen, Anm. d. Red.) genau aus?
Auch in Friedrichstadt ist der HSV sehr
gut vertreten und ich denke, auch klar
24
Trotz aller Rückschläge in den letzten
Jahren und dem letzten Titel, welcher
knapp dreißig Jahre her ist und den
viele jüngere Fans nicht aktiv mehr
erlebt haben: Unser Verein besitzt immer
noch eine immense Strahlkraft. Warum
scheint dies gerade in Schleswig-Holstein
so aufzufallen?
Ich glaube, dass der „HSV-Virus“, auch ohne
sportlichen Erfolg, wie ebenfalls in meiner
Familie, vererbt wird. Ich lebe es vor, wie
geil es ist, zur HSV-Familie dazuzugehören,
da spielt der sportliche Erfolg eine
untergeordnete Rolle. Dazu kommt, dass
wir Schleswig-Holsteiner besonders
heimatverbunden, treu, geradlinig sind
und Tradition lieben. Da kommt man am
HSV einfach nicht vorbei.
Was sind Deine Wünsche für die Zukunft
unseres Vereins? Wenn ich mich in
Deinem Wohnzimmer umsehe, kommt
man in schöne Träume an längst
vergangene Zeiten …
Du sprichst sicherlich die große Foto­lein­
wand von unseren 83er-Landes­pokal­
siegern in meinem Wohnzimmer an.
Sicher wünscht man sich Erfolg, träumt
von Pokalen und Meisterschaften. Ich
freue mich schon mal darüber, dass
Ruhe im Verein herrscht, dass die Zeiten
vorbei sind, als in der Zeitung mehr
über den Aufsichtsrat stand als über die
Mannschaft. Und sportlich ist die Talsohle
mit zwei Relegationen in Folge denke ich
durchschritten, und so freue ich mich
einfach über jedes Tor und über jeden Sieg,
den ich im Volkspark bejubeln darf. Und
grundsätzlich mal ganz ehrlich: Ich glaube
nicht, dass es emotionaler geht als die
letzten Wochen der letzten Spielzeit mit
dem absoluten Höhepunkt in Karlsruhe.
Diese Emotion und diese Freude können
bei dem Gewinn der Meisterschaft oder
Ähnlichem gar nicht größer sein. |
Der Friedrich­städter Heinz Claussen
mit seiner Tochter Anna
Foto: privat
Heinz, kannst Du Dich und Deine HSVHistorie kurz vorstellen?
Ich komme aus Friedrichstadt, einigen
vermutlich als Holländerstädtchen in
Nordfriesland bekannt, bin 45 Jahre,
verheiratet und habe zwei Töchter im
Alter von 12 und 17 Jahren. Beruflich bin
ich selbstständiger Kaufmann mit einem
Großhandel für Haustechnik und Stahl an
den Standorten Friedrichstadt und Heide.
Von klein auf bin ich Fußballer, sowohl
aktiv als auch passiv als Fan. Anfangs
fand ich noch den VfB Stuttgart ganz gut,
wurde dann durch meinen Vater und den
sportlichen Erfolg unter Klein, Netzer und
Zebec/Happel zügig auf die richtige Bahn
gebracht. Spiele wie zum Beispiel die Partie
gegen Madrid 1980 im Halbfinale des
Landesmeisterpokals sind es, die dich zum
Fan werden lassen. Seit vielen Jahren bin
ich HSV-Mitglied, Dauerkartenbesitzer und
habe die „Raute im Herzen“.
an Nummer eins positioniert. Trotzdem
ist auch hier die Rivalität mit den
anderen Nordklubs, besonders mit dem
Stadtteilklub aus Hamburg und dem
Verein aus der verbotenen Stadt, sehr
ausgeprägt.
Fandialog
Text: Tina Kuttig
Im Oktober haben Pro Fans, Unsere Kurve, Queer Football Fanclubs
und F_in Netzwerk Frauen im Fußball dem DFB den Dialog in der
AG Fanbelange aufgekündigt. Sie fordern eine Reform des Miteinanders.
B
egonnen hat alles mit einem
bundesweiten Fankongress
im Juni 2007: Gemeinsam
von Deutschem Fußball-Bund
(DFB), Deutscher Fußball Liga
(DFL), Koordinationsstelle Fanprojekte
(KOS) sowie Fanbeauftragten, Fanprojekten
und Fanvertretern wurde beschlossen, eine
Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die einen
Dialog zwischen Fanorganisationen und
dem DFB über Fanbelange und rele­vante
Fragestellungen ermöglicht. Ein engagiertes Ziel, das sogleich in Angriff ­genommen
wurde. Im September 2007 wurde die
AG Fandialog gegründet.
Aus der AG Fandialog ist dann die AG Fanbelange hervorgegangen, und der DFB beschloss im Dezember 2011, diese als offi­
ziellen Teil der Kommission Prävention
und Sicherheit zu etablieren. So wurde
nach Meinung des DFB „eine verbindliche
Plattform für einen direkten Fan­d ialog geschaffen“. Gut möglich, dass dies ernst gemeint war, ja sogar mit sehr guten Absichten so geschehen ist. Leider mussten
die ehrenamtlichen Fanvertreter dann
eine etwas andere Erfahrung machen.
Die Hauptkritikpunkte waren fehlende
Wertschätzung und die als eingeschränkt
wahrgenommene ergebnisorientierte Gesprächsbereitschaft seitens des DFB. Als eines der eindrucksvollsten Beispiele kann
hier das Gespräch über Fanutensilien genannt werden. Empfohlen wurde hier von
den involvierten Fans eine Freigabe von
Schwenkfahnen, Choreomaterialien und
Trommeln. Ein Arbeitspapier wurde erstellt, auf Wunsch des DFB sogar noch ein
Glossar angehängt.
Unzufriedenheit über den DFB
Das Papier tauchte allerdings erst einmal
ein ganzes Jahr lang in den bürokratischen
Strukturen des DFB unter. Ebenso vermied
es der Verband, Ergebnisse der Zusammenarbeit in der Öffentlichkeit bekannt zu geben oder auch nur zu erwähnen. Für die
Fanvertreter, die an einigen Fronten ohnehin schon große Schwierigkeiten hatten,
anderen Fans den Sinn des Dialogs zu vermitteln, ein unnötiges und zusätzliches
Hindernis. Die Außenwirkung war verheerend. Aus Unzufriedenheit über dieses Verhalten übten die Fanprojekte Druck
auf den DFB aus, doch wenigstens die gemeinsame Arbeit an dem Papier publik
zu machen. Was daraufhin auch geschah,
aller­d ings nur, um umgehend wieder
kleingeredet zu werden vom DFB-Sicherheitsbeauftragten Hendrik Große Lefert.
Große Lefert nahm zwar an Sitzungen der
AG Fanbelange, die drei- bis viermal im
Jahr in Frankfurt stattfanden, teil, aber
häufig ohne ausreichend informiert zu
sein. Ob das Versäumnis hier bei ihm zu
suchen war oder in der Informations­kette
des DFB, ließ sich für die Beteiligten nur
schwer feststellen.
Darüber hinaus kämpften die Fanvertreter beim DFB auch für ein Gespräch über
Kombitickets, Sicherheitsfragen und die
Praktiken des DFB Strafgerichts. Um dem
entgegenzuwirken, veranstaltete der DFB
Anfang 2015 eine Informationsveranstaltung zu seinem Strafensystem an der Universität Köln. Für mehr Klarheit sorgte
dieser Abend aber nicht. Ungeachtet des
Verhaltens der Verantwortlichen beim
DFB gegenüber der AG Fanbelange, wurde unter anderem der damalige Präsident
Wolfgang Niersbach nicht müde, die Wichtigkeit des Fandialogs zu betonen. Dass er
selbst, trotz Bitten, nie an einem Treffen
teilgenommen hat, verschwieg er dabei
lieber. Nicht zuletzt sein Fernbleiben führte zum Abbruch der Gespräche.
Trotz des Bruchs bleiben die Fanorganisationen offen für eine Fortsetzung des
Dia­logs, jedoch unter deutlich veränderten Bedingungen. Der DFB scheint die
Lage noch nicht verstanden zu haben und
sieht auf Anfrage lediglich „ein kleines
­P roblem in der Kommunikation“. Schade,
dass der Verband nicht erkennt, dass diese Einstellung weit weg von seiner selbst
ausgegebenen Idee ist, nämlich „Konflikte zu entschärfen und verfestigte Feindbilder abzubauen. Im Wissen um die unterschiedlichen Perspektiven und die
potenziell auch konträr bleibenden Standpunkte … dauerhaft einen belastbaren Dialog zu etablieren.“ |
25
TRIBÜNE
Text: Mathis Paus · Fotos: Lucas Wahl
Zaungäste
26
Trainingskiebitze
27
TRIBÜNE
Beobachter am Spielfeldrand: Uwe Dieckmann (rechts) gefällt die Einstellung der Spieler.
Ein Kiebitz kann das Meckern nicht
lassen, weil er im Grunde immer das
Beste für seinen Verein will. Im Volkspark
ist diese Art der ruppigen Zuneigung
besonders schön zu beobachten: bei
einem Besuch auf dem Trainingsplatz.
G
ut, dass es Bruno Labbadia gibt, sagt
Uwe Dieckmann. Der 78-jährige Rentner trägt einen schwarzen Mantel,
den Kragen aufgestellt bis zu den Ohren, Rauschebart, Brille und Seemannsmütze. Von der Max-Schmeling-Straße aus hat er trotz
des Zauns gute Sicht auf das Trainingsgelände, ­einer
Anhöhe und dem tiefer gelegenen Fußballplatz sei
Dank. Gegenüber thront das Volksparkstadion. Dieckmann pafft genüsslich seine Pfeife und beobachtet
die Spieler, die sich in grellen Leibchen auf dem Rasen
28
tummeln. Die Jungs seien gut in Form, sagt er. „Wenn
ich hier so stehe, dann weiß ich gar nicht, wen ich im
nächsten Spiel aufstellen sollte. Aber unser Trainer
wird es schon richtig machen.“
Für die Kiebitze gibt es in diesen Tagen nicht viel zu
meckern. Der HSV spielt solide und verliert ­weniger
Spiele als in der letzten Saison. Nach zwei Fast-­
Abstiegen ist man an der Elbe bescheiden geworden.
Die Ruhe nach Jahren des Sturms hat die Fans zahm
und müde gemacht. An diesem Dienstagabend im
­Februar tummeln sich nur 19 Zaungäste auf dem Trainingsareal. Vielleicht ist aber auch einfach nur das
Wetter schuld, denn die Temperatur ist nahe dem Gefrierpunkt. Als Dieckmann Lewis Holtby mit kurzer Hose auf dem Spielfeld entdeckt, nickt er anerkennend. Die Einstellung gefällt ihm.
Während Kotrainer Bernhard Trares die Mannschaft
zum Aufwärmen über kleine Hütchen und Stangen
springen lässt, jongliert Chefcoach Labbadia mit dem
Ball. Der ehemalige Stürmer hat es geschafft, aus einem losen Haufen von Individualisten eine Einheit zu
formen, so die einhellige Meinung rund um den Platz.
Auf den Trainer lässt auch Erbse nichts kommen. Das
Schwergewicht lehnt an einem Metallgeländer, immer
die Bundesligatabelle im Kopf – und vor allem die Vergangenheit. Die letzten Jahre haben Risse im HSV-Herz
Trainingskiebitze
An kalten Tagen kommen nur wenige Zuschauer zum Training. Aber Kommentare vom Spielfeldrand gibt’s zu jeder Jahreszeit.
hinterlassen, aber mit Labbadia sei alles besser geworden, erklärt Erbse im Hamburger Schnack. „Unter den
anderen Trainern, besonders unter Veh, war die Kameradschaft nicht gut. Da fehlte was.“ Er muss es wissen, schließlich beobachtet er drei-, viermal im Monat das Training – und das seit Jahr und Tag. Auch die
ehemaligen Sorgenkinder Ilicevic und Rudnevs hat der
Trainer wieder in die Spur gebracht, gibt Erbse zu bedenken. „Der Rudnevs hat sich nie hängen lassen, ein
guter Typ“, findet er.
Es gibt immer was zu meckern
Weniger gute Typen, findet Erbse, sind die beiden RTLReporter, die um die Zaungäste herumschwirren. Die
stellen doofe Fragen über das Rekordminus von fast
17 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr und
ob die Spieler zu viel Geld verdienen würden. Erbse
hat dazu seine ganz eigene Meinung: „Angebot und
Nachfrage, sag ich. Wenn ich die Kohle hätte, würde
ich auch ein dickes Auto fahren.“ Basta! Kiebitze bleiben unter ihresgleichen am Spielfeldrand. Sie sprechen
nicht über Zahlen, sie machen sich ein Bild vom aktuellen Leistungsstand der Mannschaft. Und der ist derzeit ganz zufriedenstellend.
Aber Kiebitze wären nicht Kiebitze, wenn sie überhaupt nichts mehr auszusetzen hätten. Schließlich
sind sie es, die jeden Tag am Trainingsplatz ausharren,
beobachten und wissen, wo es hakt. Lukas, ein Jungkiebitz von gerade einmal neun Jahren, schaut konzentriert. Durch seine Brille hat er alles ganz genau im
Blick. Die Spieler, die Trainer, manchmal sogar die Ordner. Am meisten interessiert er sich aber für die Torhüter, denn die sind im Fußball von entscheidender Bedeutung, sagt Lukas fachkundig. Mit René Adler und
Jaroslav Drobný habe der HSV ein gutes Gespann, aber
da gibt es eine Sache, die Lukas sehr stört und die in
seinen Augen eine große Ungerechtigkeit darstellt.
„Der René ist unsere Nummer eins, warum hat ­Drobný
die dann auf seinem Trikot?“ Die Frage beschäftigte
ihn so lange, bis er eines Tages den Trainer damit konfrontierte. „Bruno hat gesagt, dass Drobný älter ist und
schon länger beim HSV spielt. Darum darf er die Nummer eins auch behalten“, berichtet Lukas. Die Antwort hat der Junge verstanden, akzeptiert hat er sie
nicht – es geht schließlich um seinen Lieblings­spieler
René Adler.
Auf dem Rasen freuen sich die Kollegen mit Nicolai Müller, der gerade Abwehrspieler Cléber mit dem
Ball getunnelt hat. Nur Sturmtank Lasogga ist nicht
nach Jubeln zumute. Mit hängenden Schultern trottet er über das Spielfeld. Vor ein paar Wochen musste
er seinen angestammten Lebensraum, den Strafraum,
29
TRIBÜNE
Weshalb hat René Adler nicht die Nummer eins auf dem Trikot? Fragen wie diese stellt Lukas den Spielern und dem Trainer einfach persönlich.
30
Trainingskiebitze
Kiebitze wie Erbse interessiert vor allem die Leistung der Spieler.
Zufrieden mit Bruno Labbadia: „Unser Trainer wird es schon richtig machen.“
räumen. Die Zwangsumsiedlung auf die Ersatzbank
macht ihm seitdem zu schaffen. Und dann auch noch
dieser in seinen Augen besonders lästige Kiebitz, der
zwar nur das Beste für seinen Verein will, dessen Kommentare aber ein unangenehmes Grundrauschen
verursachen.
Peter ist der ewige Zaungast. Mütze, kräftiger Oberlippenbart Marke Heiner Brand, redselig. Als Rentner hat
er Zeit, viel Zeit für seinen HSV. Aufmerksam verfolgt
er das Trainingsspiel, mit dem Smartphone filmt er
fleißig. „Videoanalyse“, sagt er und lacht diebisch. Der
Kiebitz von heute geht mit der Zeit und setzt auf moderne Technik. „Na wunderbar! Schön weit vorbei, wie
immer“, platzt es unvermittelt aus Peter heraus. Lasogga hat eine gute Torchance ausgelassen und den Ball
mit Wucht weit über das Tor befördert. Die Schultern
des Stürmers hängen noch tiefer als sonst in diesen Tagen. Peter legt die Latte schon hoch, jetzt tut ihm der
Stürmer ein wenig leid. „Hau rein, Kapelle“, sagt er und
meint es aufmunternd. Still flüstert er noch in sich hinein: „Wir wollen ja nicht lästern.“
Plötzlich macht sich am Spielfeldrand Unruhe breit,
die Kiebitze versuchen, den Überblick zu behalten. Was
ist passiert, wer liegt da hinten auf dem Boden? Trainingsdauergast Miguel hat eine Idee und funktioniert
seine Digitalkamera kurzerhand zum Fernglas um.
Der Zoom sorgt für Durchblick. „Entwarnung“, sagt er
in den Abendhimmel. „Den Ivica hat es nicht erwischt,
ich glaube, das muss einer von den Amateuren sein.“
Der 28-Jährige wohnt unweit des Stadions und schaut,
wann immer er Zeit hat, beim Training vorbei. Bei
Heimspielen sitzt er in der ersten Reihe auf der Süd­
tribüne. Ahnung vom Fußball an sich hat er viel, ist
nämlich selbst aktiver Kicker, aber über den HSV weiß
er noch mehr. Derzeit treibt ihn die Frage um, warum
der Labbadia den Sakai nicht auch mal auf der linken
Seite bringt. „Der ist so kampfstark und läuferisch immer einer der besten Spieler.“ Wenn er Trainer wäre,
würde er das mal ausprobieren.
Das Training neigt sich dem Ende zu. Die Spieler
­bewegen sich Richtung Stadionkabine. Zuvor müssen sie
aber noch an dem unruhigen Menschenschwarm vorbei,
der nach Autogrammen und Fotos verlangt. Jungkiebitz
Lukas lässt sich von seiner Mutter mit Lieblingsspieler
René Adler knipsen. Zuvor hat er sogar die Handschuhe
von Jaroslav Drobný geschenkt bekommen. Ist doch ein
Guter. Erbse sammelt fleißig Unterschriften auf seinem
Trikot. Jeder, der ihm entgegenkommt, muss unterschreiben. Nur Peter und Uwe halten sich aus dem Trubel heraus. Die beiden müssen fit bleiben und sich auf den morgigen Tag vorbereiten.
Um zehn Uhr vormittags ist Training. |
Info:
Die Trainingszeiten
der ersten und zweiten Mannschaft stehen auf www.hsv.de/
news/trainingsplan
31
TRIBÜNE
Text:
Text:
Nils
Nils
Bethge
Bethge
10 Jahre: „Freiheit
für die Jungs“
Drei Monate Untersuchungshaft für eine Schlägerei, die nie stattgefunden
hat: Dieser Fall um zwei HSV-Fans machte im WM-Jahr 2006 bundesweit
Schlagzeilen. Einer von ihnen erzählt, wie es ihm heute geht.
Zum Jahreswechsel 2005/2006, im Vorfeld
der Weltmeisterschaft in Deutschland, sorgte der Fall zweier HSV-Fans für deutschlandweites Aufsehen. Eine tagelange Odyssee per
Gefangenentransport quer durch die Republik und mehrere Monate zermürbende Untersuchungshaft in der JVA München (Stadelheim) endeten mit Strafbefehlen. Ohne
gerichtliche Hauptverhandlung.
Medien wie „Spiegel Online“ und das „Hamburger Abendblatt“ berichteten umfangreich und hinterfragten die Praxis der bayerischen Justiz kritisch. Selbst verfeindete
Fanszenen wie die des SV Werder Bremen
und des FC St. Pauli solidarisierten sich mit
den Inhaftierten und forderten „Freiheit für
die Jungs“.
Zehn Jahre danach erzählt Nils Bethge – einer der damals Inhaftierten –, wie es ihm
heute geht. Man merkt, dass diese Zeit Spuren hinterlassen hat. Bis heute.
„D
a ist es, dieses Zittern, wenn
die Wut wieder in ihm aufwallt.“ Mit diesem Satz leitete das „Hamburger Abendblatt“ im Juni 2006 den
Artikel zu meinem „Fall“ ein. Jahrelang
war dieses Zittern verschwunden. Verarbeitet, vergessen, verdrängt. Doch im Oktober 2015 durchzog es mich wieder. Plötzlich
und absolut unerwartet stockte mir der
Atem, und ich fühlte mich in den Dezember 2005 zurückversetzt. Was war geschehen? Ich arbeitete als Ordner beim Spiel
der Eishockeymannschaft des HSV und
32
bewachte den Spielereingang. Da stand
er auf einmal wieder vor mir: Herr Zobel
(Name geändert). Beamter der Hamburger Kriminalpolizei. Der Mann, der mit der
Verlesung und Vollstreckung des Haftbefehls am 21. Dezember 2005 meinem Leben
eine wohl für immer prägende Wendung
gegeben hat.
Lange hatte ich ihn nicht gesehen. 2010 im
Gedränge des Stellinger Bahnhofs müsste
es gewesen sein. Flüchtig. Im Vorbeigehen.
Auf jeden Fall belanglos.
Doch diesmal war es anders. Wir waren allein und blickten einander schweigend an.
Nur wenige Sekunden, die mir allerdings
wie eine Ewigkeit vorkamen.
„Guten Abend, ich will nur eben meinen
Sohn vom Training abholen“, waren die
Worte seiner Begrüßung. Ich hatte das Gefühl, auch ihm schien dieses unerwartete Aufeinandertreffen irgendwie unangenehm zu sein. In diesem Moment war
der Kleine auch schon bei uns. „Tschüss
und ruhigen Dienst“, wünschte mir Zobel
noch, und dann stiegen sein Sohn und er
in ihren direkt vor dem Eingang geparkten Wagen. Der restliche Dienst war dann
für mich nebensächlich. Meine Gedanken
schweiften ab. Begriffe wie „Holstenglacis“, „Gefangenentransport“ und „Stadelheim“ schossen in der Folgezeit durch
meinen Kopf.
Und dann folgte das unvermeidliche und
quälende „Warum?“. Im Gegensatz zu früher drehte sich die Frage allerdings nicht
darum, warum das Ganze mir widerfährt,
warum man gerade an mir ein Exempel
statuieren will.
Sondern darum, warum mich solch eine
simple Begegnung nach so langer Zeit weiterhin emotional dermaßen aufwühlt, warum ich dieses Kapitel anscheinend immer
noch nicht abschließen kann.
Verdammt viel hatte ich in den vergangenen Jahren erlebt. Beruflich, privat und natürlich auch mit meinem HSV. Manchester, Glasgow, Bremen, Fulham, Fürth und
Karlsruhe waren nur einige der (wenn
auch nicht immer positiven) Livegeschehnisse, die ich nach dem Jahr 2006 mit meinem Verein erleben durfte und erleiden
musste.
Auch beruflich alles im Reinen. So es denn
die Weltwirtschaft will, werde ich 2017
mein zehnjähriges Jubiläum als Angestellter einer großen Hamburger Reederei feiern. Sogar die Bundeswehr hat mir „verziehen“ und mich nach langem Prüfen und
Zögern letztlich doch zum Feldwebel der
Reserve befördert.
Und mein kleines Häuschen wächst und
erfüllt mich jeden Tag aufs Neue mit ein
klein wenig Stolz.
Letztlich sollte ich eigentlich mit mir selbst
im Reinen sein. Ich habe mich die letzten
Jahre tadellos verhalten, viel erlebt und
eine ganze Menge erreicht. Jahrelang habe
ich dies geglaubt. Oder mir doch nur selbst
vorgemacht?
Es ist dieses Zittern, auch heute beim
­Schreiben, welches mich zweifeln lässt … |
Freiheit für die Jungs
Foto: privat
Die Vorgeschichte:
Am 21. Januar 2005 organisiert Nils Bethge eine
Busreise zum Bundesligaspiel des HSV beim FC Bayern München. Einer seiner
Fanclubkumpel wird dort
von Bayern-Fans verprügelt. 25 HSVer wollen sich
revanchieren und verabreden sich mit M
­ ünchener
Schlägern an einem
Schnellimbiss. Bethge
macht den Fehler, sich der
Gruppe anzuschließen.
Am vereinbarten Treffpunkt stoßen die 25 HSVFans auf eine überraschend
große Zahl von BayernSchlägern. Sie ziehen sich
in den Imbiss zurück, der
Wirt macht die Tür dicht,
die Schlägerei verläuft im
Sande.
Zehn Monate später
schreibt ihm die Staatsanwaltschaft München:
Aussagen eines Gastes des
Schnellimbisses führen zu
Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs, Organisation einer Schlägerei und
Rädelsführerschaft. Am
21. Dezember wird Bethge
verhaftet.
33
TRIBÜNE
Text: Nader Rafraf · Foto: Imago
Fan-Mitsprache
bei den Rangers
Die Glasgow Rangers sind in der Vergangenheit weniger mit sportlichen
Schlagzeilen aufgefallen als mit finanziellen Schwierigkeiten. 2012 folgte
die Insolvenz. Die Fanorganisation Rangers First will den Verein wieder
auf den rechten Weg führen – und kauft sich in den Klub ein.
34
Glasgow Rangers
A
nlässlich der jahrzehntelangen Fanfreundschaft zwischen dem HSV und den
Glasgow Rangers haben wir
uns 2015 mit unserem OFC
Hamburger Botschaft Hannover auf den
Weg nach Schottland gemacht. Dabei lernten wir Ricki Neill kennen, einen der Vorsitzenden des Glasgow-Rangers-Fanfonds
Rangers First. Rangers First ist eine NonProfit-Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, möglichst viele Anteile an
den Glasgow Rangers zu erwerben. Nachdem es in der Vergangenheit viele Unregelmäßigkeiten im Verein gab, die unter
anderem 2012 zur Insolvenz führten, und
auch danach noch große Geldsummen veruntreut wurden, haben sich viele Anhänger vom Verein zurückgezogen. Rangers
First versucht nun durch Einflussnahme
am Vereinsgeschäft für größere Transparenz und Kontrolle zu sorgen.
Der Fanfonds wurde im März 2014 gegründet und hat aktuell etwa 14.000 Mitglieder, denen 3,5 Prozent der Anteile des Klubs
gehören. Entstanden ist das Ganze mit Unterstützung des Dachverbandes Supporters
Direct, einer britischen Regierungsorganisation, die unter anderem auch so bekannte Fanprojekte wie den AFC Wimbledon
und den FC United of Manchester betreut.
Inzwischen unterstützen wir als OFC das
Projekt, wie übrigens auch Jörg „Ali“ Albertz. Wir haben ein Gespräch mit Ricki zu
diesem interessanten Thema geführt:
Ricki, in Deutschland sind wir froh über
die 50+1-Regel, in Großbritannien ist die
Situation komplett anders. Kannst Du
uns einen kleinen Überblick über Eure
Ziele und die momentane Situation bei
den Rangers geben?
Fan-Eigentümergruppen sind ziemlich neu
in Großbritannien und leider haben noch
nicht viele Fans diese Idee aufgegriffen.
Die Fans suchen meist erst nach Wegen, ihrem Verein zu helfen, wenn dieser in Probleme gerät. Mein persönliches Ziel für Rangers First wäre es, 25,1 Prozent der Anteile
an den Glasgow Rangers zu erzielen. Das
ist die Grenze, ab der wir über große finanzielle Transaktionen informiert werden
müssten und, wenn nötig, unser Veto einlegen könnten. Zur sportlichen Situa­tion:
Trainer Mark Warburton ist eine großartige Verpflichtung für die Rangers. Er hat
damit begonnen, viele Dinge in Ibrox zu
ändern, angefangen bei der Jugendarbeit
bis hoch zu den Profis. Sein Angriffsfußball kommt bei den Fans gut an und wir
freuen uns darauf, nächstes Jahr endlich
wieder gegen Celtic anzutreten.
Die Glasgow Rangers wurden in den letzten Jahren von einigen finanziellen Katastrophen heimgesucht. War das Eure
Motivation eine fanbasierte Eigentümergruppe zu bilden?
Nachdem die Rangers das Insolvenzverfahren angemeldet hatten, hat sich eine
Gruppe von Rangers-Fans zusammengetan, um Ideen zu sammeln, wie man den
Verein wieder dahin zurückführt, wo er
hingehört, an die Spitze der Liga und in die
Qualifikation um die Champions-LeagueTeilnahme. Diese Gruppe hat sich eine Präsentation von Supporters Direct angehört
und sich für diesen Weg entschieden. Die
Firma Reflexblue, für die ich arbeite, hat
bei der Vermarktung der Idee geholfen. Die
Mitgliederentwicklung verlief anfangs etwas schleppend. Wir sind mit 400 Mitgliedern gestartet, aber mit jeder neuen
schlechten Nachricht über die Rangers bekamen wir einen neuen Mitgliederschub.
Ich habe dann für einen Vorstandsposten bei Rangers First kandidiert und wurde von den Mitgliedern gewählt. Mir persönlich war von Anfang an klar, wie groß
Rangers First durch unseren tollen weltweiten Support werden könnte. In einem
Jahr haben wir über 1,2 Millionen Pfund
(circa 1,5 Millionen Euro; Anm. d. Red.) aufgebracht und 3,52 Prozent der Vereinsanteile
gekauft. Das war ein wahnsinniger Erfolg
für die Rangers-First-Mitglieder.
Wie kommt Ihr an Eure Anteile? Kauft
Ihr einfach Aktien an der Börse, oder seid
Ihr darauf angewiesen, dass andere Anteilseigner verkaufen?
Da die Rangers-Aktie momentan nicht an
der Börse gelistet ist, wäre es ein wenig
schwierig, Anteile zu erwerben, aber wir
haben Vorstandsmitglieder, die ständig im
Kontakt mit Börsenhändlern stehen und
versuchen, neue Anteile zu kaufen.
Wie stellt Ihr sicher, dass das gesammelte
Geld im Sinne der Fans ausgegeben wird?
Unser hauptsächliches Ziel ist es zunächst,
Anteile zu kaufen. Wenn wir fünf Prozent erreicht haben, wird es Zeit, unsere Mitglieder über das weitere Vorgehen
Nader Rafraf mit Ricki Neill (links) vom Fanfonds.
zu befragen. Wir sind nicht darauf beschränkt, Anteile zu erwerben, wir könnten beispielsweise auch in Trainingsplätze
oder Ähnliches investieren.
Du bist einer der Vorstände von Rangers
First. Bekommst Du diese Position noch
mit Deiner hauptberuflichen Tätigkeit
unter einen Hut?
Ich bin in der glücklichen Lage, dass mich
meine Familie sehr unterstützt, außerdem sind meine Freunde und mein Arbeitgeber großartig. Im Vorstand von Rangers
First zu sein ist wie ein Ganztagsjob, aber
es ist etwas, woran ich wirklich glaube. Ich
hoffe, dass ich erneut gewählt werde und
weiter dazu beitragen kann, die Rangers
wieder nach oben zu bringen (Ricki wurde
inzwischen wiedergewählt; Anm. d. Red.).
Momentan haltet Ihr 3,5 Prozent der Rangers-Anteile und seid damit der achtgrößte Anteilseigner. Wie groß ist Euer
Einfluss auf die Vereinsführung? Werdet Ihr als ernsthafte Mitwirkende
wahrgenommen?
Inzwischen haben wir regelmäßige Treffen mit dem Verein und ich hoffe, dass wir
in Zukunft ein bedeutender Teil des Rangers FC werden, wenn wir mehr und mehr
Anteile erwerben.
Und bevor ich es vergesse: Ich möchte mich
für die Unterstützung bedanken, die wir
von Euch und generell aus Hamburg erhalten. Ich glaube, dass wir noch viel von den
Hamburger Fangruppen lernen können.
Es gab immer eine starke Verbindung zwischen den Rangers und dem HSV, und ich
hoffe, dass wir auch in der Zukunft darauf
bauen können. |
35
TRIBÜNE
OFCNews
Von Fans für Fans
Ihr tragt die Raute nicht nur allein im Herzen, sondern teilt die Leidenschaft für den
HSV mit vielen Mitstreitern in Eurem Fanclub. Auf diesen Seiten kommen die OFCs
des HSV zu Wort. Ihr seid herzlich eingeladen, uns mit interessanten Geschichten, lustigen Anekdoten und schönen
­Erlebnissen aus eurem Fancluballtag zu
versorgen. Mailt uns Eure (bitte nicht allzu langen) Texte sowie Fotos an die Adresse s­ [email protected]. Wir freuen uns auf
Eure hoffentlich zahlreichen Rückmeldungen und Euer Mitwirken. |
Der OFC Baccum blickt hinter die Kulissen des HSV.
OFC Baccum zu Gast bei Dietmar Beiersdorfer
Vor dem Bundesligaspiel Hamburger SV
gegen Hertha BSC war der HSV-Fanclub
„Dünn vorher“ ’99 Baccum zu Besuch bei
der Geschäftsstelle des Hamburger SV. Der
Vorstandsvorsitzende der HSV Fußball AG,
Dietmar Beiersdorfer, löste sein Versprechen ein und Empfing die Baccumer Jungs
in seinem Büro. An dem Schreibtisch, an
dem sonst Verträge verhandelt und unterschrieben werden, stellte sich „Didi“ den
Fragen der Fanclubmitglieder und antwortete sehr offen. Als kleine Überraschung
schloss sich spontan Horst Hrubesch der
Gesprächsrunde an. Für den Fanclub ein
unvergessliches Erlebnis und ein einmaliger Blick „hinter die Kulissen“ des Hamburger Sport-Vereins. |
Auf dem Foto: Burkhard Zwake (Fanclub),
Stefan Hense (Kassenwart Fanclub), Dietmar Beiersdorfer (Vorstandsvorsitzender
HSV Fußball AG), Christian Großepieper
(Erster Vorsitzender Fanclub), Marco Mengering (Zweiter Vorsitzender Fanclub), Jürgen Seroka (Fahnenwart Fanclub). |
Text: OFC Baccum
Besonderer Fanclub
Tipps für die Freundschaft
Fotos: privat
Dass der HSV ein Spiel verliert – das ist für
Mirko Waraszik und seine Kumpel ausgeschlossen. Schlechter als ein Unentschieden schneiden die Rothosen bei ihnen
niemals ab. Darauf haben sich die zehn
Gründungsmitglieder des OFC Old Sailors
geeinigt: eines Fanclubs, der vor genau
zehn Jahren aus ihrer HSV-Tippgemeinschaft hervorgegangen ist.
Die Gründung lag in einer Zeit – im Herbst
2006 –, als der HSV in der Tabelle ganz unten
stand, gegen Energie Cottbus nur ein mageres 0:0 ablieferte und Trainer Thomas Doll
entließ. Vorsitzender ­Waraszik: „Da haben
wir uns gesagt: Jetzt erst recht!“ Die Jungs
kennen sich vom SV Ahlerstedt/Ottendorf
(siebzig Kilometer südwestlich von Hamburg), wo sie gemeinsam Fußball spielten,
ihre Leidenschaft für den HSV teilten – und
zwei Jahre zuvor eine Tippgemeinschaft gegründet hatten. Mit dem Ziel, auch nach ihrer aktiven Fußballzeit und Umzügen quer
durch die Republik noch über den HSV in
Kontakt zu bleiben.
36
Das ist bis heute gelungen – auch dank ihrer Tipprunde. „Wir machen das noch sehr
traditionell, nicht online: Daniel Schmetgens, der Zweite Vorsitzende unseres OFC,
trägt alle Tipps von Hand zusammen. Das
hat noch etwas sehr Ursprüngliches.“ Bei
Gleichstand am Saisonende gewinnt, wer
die meisten HSV-Ergebnisse richtig getippt
hat. „Es ist schon vorgekommen, dass am
letzten Spieltag noch drei Leute die Chance
auf den Gesamtsieg hatten.“ Wer gewinnt,
bekommt einen Wanderpokal; wer verliert,
muss die Saison-Abschlussparty des nächsten Jahres organisieren.
Neben den zehn Gründungsmitgliedern,
die als einzige tippen dürfen, hat der Fanclub 16 weitere passive Mitglieder. Und
zwei Ehrenmitglieder: Marcell Jansen und
Paul Scharner, die 2008 beziehungsweise
2012 zu Spielerbesuchen nach Ahlerstedt
gekommen sind. Auch in diesem Jahr bewerben sich die Old Sailors wieder. Unser
Tipp: Zum zehnjährigen Jubiläum könnte
was draus werden. |
Text: J. Kühner
OFC-News
René Adler beim OFC Nordkurve Volkspark.
Der Fanclub 2010 Ried/Hessen hat 200 Euro an die Krebsinitiative „Du musst kämpfen“ gespendet.
René Adler zu Gast
2010 Ried/Hessen spendet und trauert
Wir sind ein kleiner, familiärer OFC mit gerade einmal dreizehn Mitgliedern – darunter drei Kinder –, der im Mai 2007
gegründet wurde. Wir treffen uns regelmäßig in unserem Stammlokal Il Cono
in Hamburg-Langenfelde, unweit des
Volksparkstadions.
Als wir erfahren haben, dass wir einen
HSV-Spieler empfangen dürfen, haben wir
uns sehr gefreut. Als René Adler am 21. November zu uns kam, konnten wir unser
Glück kaum fassen. Wir luden noch ein
paar Familienmitglieder und Freunde ein,
um den Nachmittag in gemütlicher Runde
zu genießen.
Nach kurzer Wartezeit ging es um kurz
nach 13 Uhr los. Wir alle waren aufgeregt.
Schließlich bekommt man nicht oft die Gelegenheit, einen HSV-Profi so nah zu erleben. Und dann auch noch in exklusiver,
kleiner Runde.
Es folgte die obligatorische Fragerunde:
Egal ob Privates, Fragen zur Mannschaft,
der Gesundheit oder allgemeinen Dingen,
zum Fußball oder dem HSV – René hat alle
geduldig beantwortet. So konnten wir einen guten Eindruck vom Tagesablauf eines
Profifußballers gewinnen.
Es wurde viel gelacht. René musste so viel
erzählen, dass er nicht mal Gelegenheit
hatte, den selbst gebackenen Kuchen zu
probieren – für eine Saftschorle war aber
Zeit. Apropos Zeit: Die verging wie im Flug
und ruck, zuck waren zwei Stunden um.
Am Ende gab René noch Autogramme und
stand bereit für Erinnerungsfotos, bis jeder sein Wunschbild auf dem Smart­phone
oder der Kamera hatte. Für unseren Fanclub überreichte René uns noch ein Bild
mit Widmung, das wir im Il Cono an die
Wand hängen, um uns an den Nachmittag
zu erinnern. |
Text: OFC Nordkurve Volkspark
„Johnny“ kennt man im Allgemeinen als
Fan des SV Darmstadt 98, aber in seinem
Herzen findet sich auch Platz für unsere
Raute. Neben den „Lilien“ ist es der Hamburger SV, dem er die Daumen drückt. Als
der HSV-Fanclub 2010 Ried/Hessen von Jonathan „Johnny“ Heimes Krebserkrankung erfuhr, entschloss man sich spontan,
ihn und seine gemeinnützige GmbH „Du
musst kämpfen“ zu unterstützen. Im Alter
von gerade einmal 26 Jahren hat „Johnny“
nun seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Der Darmstädter ist am 9. März „friedlich zu Hause eingeschlafen“, wie es auf
seiner Facebook-Seite heißt. Wir trauern
um Jonathan und sind in Gedanken bei
seiner Familie.
Seine legendären Armbänder „Du musst
kämpfen! Es ist noch nichts verloren“ wurden in unserem Fanclub angeboten und
in großer Zahl verkauft. Außerdem wurde beschlossen, einen Betrag in Höhe von
200 Euro zu spenden. Leider konnte „Johnny“ schon damals bei der Spendenübergabe aus gesundheitlichen Gründen nicht
anwesend sein. Geschäftsführer M
­ ichael
Franken nahm unter Anwesenheit von
vier Vertretern unseres Fanclubs, des HSVAnsprechpartners Rhein-Main Sven Ehrich
sowie eines Darmstadt-Fans den Scheck
entgegen. Spenden unter:
www.dumusstkaempfen.de |
Text: HSV-Fanclub 2010 Ried/Hessen
Fantreffen in Darmstadt
Im Vorfeld des HSV-Auswärtsspiels im November vergangenen Jahres bei den Darmstädter „Lilien“ organisierten die beiden
Fanclubs Rhein-Main-Löwen und die Hamburg 87ers ein Treffen für interessierte
Fans und OFCs aus der Region. Begrüßen
durften wir Joachim Ranau von der Fanbetreuung und Thomas Kerfin sowie Martin Oetjens von der Supporters-Club-Abteilungsleitung. Unserer Einladung folgten
rund sechzig Fans aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und
Hamburg. Ein großes Dankeschön für die
zahlreiche Teilnahme! Wenn wir gerade beim Dankesagen sind, dürfen wir den
1. FCA Darmstadt nicht vergessen, dessen
Vereinsheim wir nutzen durften und dessen Vorsitzender Andreas Bergmann, natürlich HSV-Fan und Mitglied der RheinMain-Löwen, die angereisten Fans sehr
herzlich begrüßte.
Nach einem gemeinsamen Essen konnten die anwesenden Fans den Vorträgen
unserer Gäste zuhören. So konnten einige
Zuständigkeitsfragen geklärt werden, da
nach der Ausgliederung doch manche Fragen offen waren. Die noch recht neue SCAbteilungsleitung gab sehr interessante
Einblicke in ihre Arbeit, und auch die Fanbetreuung konnte einige Dinge (Ticketproblematik, Fanclubbesuche und anderes) direkt mit den Fans klären.
Wir sind immer noch völlig begeistert von
dem großartigen Tag und hätten nie mit so
vielen Teilnehmern gerechnet! Auch wenn
das Spiel danach leider nur 1:1-Unentschieden endete, war es für die Rhein-Main-­
Löwen und die Hamburg 87ers ein mehr
als gelungener Tag. Wir sehen Euch alle
hoffentlich bei uns in der Region wieder,
wenn wir in Frankfurt oder Mainz spielen. Eine Veranstaltung würden wir vorher
ankündigen.
Am Ende möchte ich, Sven Ehrich, AP
Rhein-Main, noch einmal Thomas Höhne
danken. Ohne Dch wäre die Veranstaltung
nicht zu dem geworden, was sie war. Danke für Deinen großen Einsatz! |
37
SPIELFELD
Interview: Thorsten Langenbahn · Fotos: Roman Pawlowski
Allzeit HSV
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Thomas von Heesen
Spricht Thomas von Heesen über
den HSV, redet er von „unserem
HSV“. Der gebürtige O
­ stwest­fale
fühlt sich als h
­ undertprozentiger
Hamburger und HSVer. Im
­sn-Interview spricht der frühere
Mittelfeldregisseur über seine Zeit
im Aufsichtsrat, flache Hierarchien
und „Cross-Scouting“ zum Wohle
des HSV.
Als Ikone aus der goldenen HSV-Ära:
Wie oft werden Sie auf der Straße noch
­angesprochen, wenn Sie in der Hansestadt sind?
Des Öfteren. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, werde ich im Café auch mal von
zehn-, elfjährigen Jungs angesprochen,
die wahrscheinlich von ihren Väter instruiert wurden: „Guck mal, da vorn ist ein
ehemaliger Spieler. Frag doch mal, ob Du
ein Foto machen kannst.“ Aber es kommen
auch häufig ältere Menschen, die uns noch
aus der damaligen Zeit kennen. Die fragen
dann auch schon mal: „He, Thommy. Sag
mal, was ist denn los beim HSV?“
Worauf sprechen die Fans Sie am
­häufigsten an?
Es geht natürlich um den Gewinn des Europapokals und um den DFB-Pokal, die beiden letzten Titel, auch um das damalige
Duell Bayern München – HSV, nach dem
Motto: „Das war ja super damals!“ Die Älteren wünschen sich, dass der HSV irgendwann wieder dahin kommt. Und zuletzt
hieß es auch öfter: „Mensch, hoffentlich
kriegen die das hin.“ Dann sind wir die Ansprechpartner, die auch Korrektiv sein können und sagen: „Ja klar, die Jungs geben alles und versuchen, alles rauszuholen.“ Ich
diskutiere immer gern mit diesen Menschen, denn man merkt, dass sie einfach
Sorgen um unseren HSV haben.
Und wie oft werden Sie noch als van
­anstatt von Heesen angesprochen?
Ganz selten. Die Älteren sagen auch einfach Thommy und nicht Herr von Heesen.
Und ob van oder von, das nehme ich nicht
so wichtig.
Sie kommen gerade aus Irland, in Kürze
geht’s nach Marokko. Wo treiben Sie sich
so herum in der (Fußball-)Welt?
Überall. (lacht) Ich bin immer super up to
date, was in Europa gerade interessant
ist, auch was an Talenten unterwegs ist.
Das interessiert mich einfach. Ich gucke
mir gern auch Spiele an, wenn ich die Zeit
habe. Ich bin da ambivalent: Auf der einen
Seite gibt es Geschäftsmodelle wie Startups, die ich begleite, unterstütze und an
denen ich mich beteilige. Da geht es auch
um andere Sachen als Fußball, deswegen
war ich auch gerade in Irland. Auf der anderen Seite ist mein Interesse am Markt
von Toptalenten supergroß. Es rufen mich
39
SPIELFELD
so viele Leute an, die sagen: Da ist wieder
ein super Spieler. Den schaue ich mir dann
gern auch mal persönlich an. Das macht
mir Spaß. Für den HSV ist es wichtig, dass
er auch externe Informationen bekommt,
also außerhalb des eigenen Scoutings, um
nicht eventuell eine große Chance zu verpassen. Das war zum Beispiel bei ­Bakery
Jatta der Fall, der ja bei keinem eigenen
Scout auf der Liste stand. Dabei will ich
gern behilflich sein und Informationen
weitergeben.
ansehen, den Markt des Fußballs analysieren, gemeinsame strategische Projekte planen und mit Partnern weltweit entwickeln – also Networking betreiben. Das
ist genau meine Welt. Wenn ich mal die
Zeit habe, schaue ich gern mal ein Spiel des
HSV, nicht nur gegen Topgegner, sondern
vor allem gegen Mannschaften, die schwer
zu knacken sind. Da entscheidet sich, welche taktische und Spielintelligenz eine
Mannschaft entwickeln kann, wenn sie
eine Aufgabe zu lösen hat.
Sie sehen sich aber nicht als
­Spielerberater oder -vermittler?
Nein, gar nicht. Davon bin ich weit, weit
entfernt. Ich habe nichts gegen Berater
grundsätzlich. Spieler in der heutigen Zeit
tun gut daran, seriöse Berater zu haben,
gerade auch bei den medialen und wirtschaftlichen Interessen. Aber damit habe
ich schon als Manager zu meiner Bielefelder Zeit meine Erfahrungen gemacht.
Als Weltreisender in Sachen Fußball
­waren Sie bis Anfang Dezember Trainer
beim polnischen Erstligisten Lechia Danzig. Warum haben Sie das Engagement
nach nur drei Monaten beendet?
Das war eine Geschichte, bei der ich gemerkt habe: Wir kommen nicht richtig
weiter. Mein Anspruch war und ist immer
sehr hoch an die Spieler, egal wo man arbeitet und egal in welcher Liga. Da erwarte ich schon, dass Spieler nicht nur den Ball
hochgeworfen bekommen wollen, sondern
auch taktisch-strategische Dinge im Training aufnehmen, die am Wochenende gefragt sind, um Spiele zu gewinnen. Danzig ist auch eine besondere Konstellation:
Der Klub gehört mehrheitlich einem Unternehmen. Damals war die Situation für
Danzig relativ kritisch, da habe ich gesagt,
Was geben Sie denn als
­Berufsbezeichnung an?
Lizenzierter Fußballtrainer.
Und wo ist Ihr Lebensmittelpunkt?
Der ist Hamburg – schon immer gewesen. Es sei denn, ich arbeite im Ausland. So
wie auf Zypern, als ich dort Trainer war.
„Mein Interesse am
Markt von Toptalenten
ist supergroß.“
Dann lebe ich da, wo ich arbeite. Das habe
ich immer so gemacht. Aber im Prinzip
lebe ich immer in Hamburg, fühle mich als
hundertprozentiger Hamburger und liebe es, hier zu sein – wenn ich nicht gerade weg bin.
Wie oft kommen Sie noch ins
Volksparkstadion, um die Spiele des HSV
live zu verfolgen?
Wenn ich kann, bin ich gern da, aber momentan bin ich einfach zu viel unterwegs.
Ich mache beides gern: Durch die Weltgeschichte reisen, viele Projekte prüfen,
40
ich schaue mal alles an und nach einem
halben Jahr gibt es einen Überblick über
den Status quo. Wenn dann die Ergebnisse nicht stimmen, ist es auch völlig egal,
ob du in den Statistiken in der Liga bei allen Parametern auf Platz vier stehen müsstest. Und dann hatten wir das Gefühl, die
Mannschaft braucht einen anderen Input.
Das ist alles völlig harmonisch abgelaufen,
im Sinne des Erfolges des Klubs, aber auch
schon wieder Schnee von gestern.
Im Gegensatz zum HSV. Dort waren
Sie von Juli 2014 bis Ende Februar 2015
stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG. Warum sind
Sie nach knapp acht Monaten von Ihrem
Amt zurückgetreten?
Das war absolut planmäßig. Als die Geschichte damals entstand, waren wir vier
Leute, die die Ausgliederung unterstützt
haben: Ditmar Jakobs, Holger Hieronymus,
Horst Hrubesch und ich. Beim Aufsichtsrat wussten wir alle nicht so genau, wie
dieser in letzter Konsequenz besetzt wird.
Und als man mich fragte, habe ich spontan zugesagt, allerdings vor dem Hintergrund, wieder auszutreten, wenn der Präsident des e. V. dort einen Sitz übernehmen
wird. Es hat trotz der angespannten Situation Spaß gemacht, weil die Mitglieder des
Aufsichtsrats einfach tolle und geradlinige
Typen und Menschen sind. Und es spricht
für die Klasse des Aufsichtsrates, dass ganz
wenige Infos aus dem Aufsichtsrat an die
Öffentlichkeit gelangen.
Aber?
Kein Aber. Wir wollten abseits des Tages­
geschäfts einfach ein Vehikel schaffen, das
dem HSV ermöglicht, Finanzierungen nur
für junge Talente zu bieten. Also eigentlich zukunftsbezogen Optionen zu schaffen, die bei hoher Qualität des Scoutings
ein Preis-Wertentwicklungs-Potenzial
von jungen Talenten bringen. Dann muss
man nicht immer wieder viel Geld ausgeben, wenn man zeitlich zu spät dran ist
wie in den letzten Jahren aufgrund der Relegationen, sondern greift auf im eigenen
Klub ausgebildete Talente zurück, erwirbt
Glaubwürdigkeit und bekommt immer
wieder eine gewisse Frische in die Mannschaft. Ich nenne das Cross-Scouting, also
Spieler oder Talente zu verpflichten, die
niemand wirklich auf dem Zettel hat. Wir
müssen mal versuchen, ein Modell zu finden, mit dem man auch junge Spieler, Toptalente bekommen kann, die nicht aus
dem normalen Etat finanziert werden. Es
wäre für mich aber nicht möglich gewesen, gleichzeitig im Aufsichtsrat zu sein
und eine solche Geschichte zu installieren.
Das ist die einfache Erklärung.
Welche andere Funktion könnten Sie sich
beim HSV vorstellen?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
Ich setze mich grundsätzlich immer mit
dem Thema HSV auseinander. Auch weil
Didi (HSV-Vorstandsvorsitzender Dietmar
Thomas von Heesen
Beiersdorfer; Anm. d. Red.) mir am Herzen
liegt und ich ihm total wünsche, dass er
erreicht, was er für sich als Ziel definiert
hat. Er kniet sich hundertprozentig rein
und dreht an allen Schrauben, um den Verein wieder dorthin zu bringen, wo die Supporters und alle Fans des HSV unseren
Klub sehen wollen.
Was ist aus der Idee mit den Toptalenten
geworden?
Wir hatten angefangen, an dieser Idee zu
arbeiten, dann ist sie aber auf Eis gelegt
worden, weil ich erst einmal nach Polen
gegangen bin. Gerade hakt es ein bisschen,
weil die zeitlichen Umstände zuletzt nicht
passten. Der HSV hat im Tagesgeschäft
zurzeit tausend andere Themen zu bearbeiten, auf der anderen Seite bin ich viel
unterwegs und habe wenig Zeit, mich da
richtig reinzuknien und zu sagen: So, jetzt
habe ich mal drei, vier Wochen Zeit, dieses
Thema mit den verantwortlichen Personen beim HSV anzugehen. Wobei ich dieses Thema als hoch spannend und wichtig ansehe.
Welche konkreten Berührungspunkte
zum HSV haben Sie noch?
Ich tausche mich mit Didi partiell aus.
Wenn wir Zeit haben, versuchen wir auch
mal, einen Kaffee trinken zu gehen, um
einfach über tausend Dinge zu sprechen.
Wir sind super befreundet, haben lange zusammen gespielt, wir schätzen einander sehr. Wenn man so ewig in diesem
­Konstrukt HSV arbeitet, braucht man vielleicht auch mal eine unabhängige und objektive Sichtweise von außen. Die kann
auch mal völlig der internen Sichtweise und Wahrnehmung widersprechen. Ich
glaube, dass Didi eine wahnsinnig große Aufgabe vor sich hat, um diesen Verein
wieder aufzustellen, und auch schon einiges bearbeitet hat. Das kostet ihn wahrscheinlich eine Menge Power. Ich kann das
auch nachempfinden: Er trägt zusammen
mit den anderen Vorstandsmitgliedern
eine immense Verantwortung.
Was raten Sie ihm für diese
Mammutaufgabe?
Ich kann ihm nur raten: Sei immer ­Jäger
und gehe nie in die Opferrolle, oder komm
jetzt spätestens wieder aus dieser raus. So
wie damals, als er Rafael van der Vaart
und die anderen Jungs geholt hat. Da war
er Jäger! Dazu braucht man natürlich
Ressourcen und finanzielle Möglichkeiten. Wenn die es nicht erlauben, reduzierst
du dich selbst auf ein gewisses Niveau
und musst mit der Normalität leben, das
heißt, Spieler verpflichten, die vielleicht
nicht den Unterschied machen, sondern als
Komplementärspieler zu sehen sind. Dann
gehst du Kompromisse ein, doch ein Kompromiss ist niemals zu einhundert Prozent die eigene Überzeugung, geschweige
denn Entscheidung. Ich glaube, das widerspricht seiner Zielsetzung und auch grundsätzlich seiner inneren Haltung: Er will an
die Spitze.
Die Zielsetzung lautet, den Klub zurück
in den europäischen Wettbewerb zu führen. So wie schon 2014 mit der Initiative
HSV Plus, zu der auch Sie zählten. Inwiefern haben sich die Erwartungen durch
die Ausgliederung der Profi-Fußball­
abteilung aus dem Gesamtverein erfüllt?
Das ist ein langer, schwieriger Weg, der
immer mit dem sportlichen Erfolg einhergeht. Und sportlicher Erfolg will ja immer
kurzfristig erreicht werden. Das heißt: Je
kurzfristiger du sportlichen Erfolg hast,
desto leichter lassen sich Situationen wie
finanzielle Engpässe lösen. Dann bist du
41
SPIELFELD
auch viel handlungsfähiger, als wenn du –
wie in den letzten zwei Jahren – in der Relegation antrittst. Das ist ja Wahnsinn. Jeder wünscht sich, dass man möglichst weit
weg von den Abstiegsrängen ist, um einfach mal in Ruhe die Saison zu Ende spielen und auch mal rechtzeitig für die nächste Saison planen zu können. Das war in
den letzten zwei Jahren nicht gegeben, was
wiederum dazu führt, dass unsere Zielsetzung nach der Ausgliederung, nämlich relativ schnell in die stabile Phase zu
kommen, nicht erreicht worden ist. Aber
jetzt scheint der erste wichtige, stabile Abschnitt erreicht zu sein.
irgendwann mal den nächsten Schritt machen, in der Entwicklung der Mannschaft
und auch, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Ich bringe es mal auf den
Punkt: Wenn du Spieler zwischen einer
und zweieinhalb Millionen Euro holst, ist
das ein Komplementärspieler; holst du einen zwischen drei und fünf Millionen, sollte es ein guter Spieler sein, der das Niveau
des Teams durch individuelle Stärken hebt;
Spieler ab sechs Millionen Euro aufwärts
müssen schon den Unterschied machen.
Das ist die Range, die du nach deinen finanziellen Möglichkeiten aufmachen kannst.
Das ist eine Frage des Risikomanagements.
Wo liegt das Problem bei der Gewinnung
von Spielern?
Wenn ein Spieler nicht weiß, ob er erste
oder zweite Liga spielt, ist es natürlich unheimlich schwierig, diese Topqualität zu
bekommen, die man braucht, um den Unterschied zu machen zwischen Platz 14 oder
15 und Platz acht. Normalerweise kannst
du bei einer stabilen Ligaposition im Dezember schon drei bis vier wichtige Transfers für die nächste Saison anpacken, damit
man im Sommer eventuelle Entwicklungen wie Verletzungen oder Abgänge noch
korrigieren kann. Und dass man nicht in
die Situation kommt, am Ende der Transferperiode noch vier oder fünf Spieler verpflichten zu müssen, denn das wird in der
Regel sehr und überzogen teuer.
Was spricht für ein junges Talent zurzeit
dafür, zum HSV zu gehen?
Alles. Vor allem die Möglichkeit, relativ
schnell zu spielen, weil der Klub in der Zukunft auf junge Spieler setzen muss. Die
Mannschaft ist nicht so besetzt, dass jeder
Spieler Champions-League-Ansprüche an-
Wie schwer wiegt dabei der Ballast von
neunzig Millionen Euro Schulden?
Ich weiß nicht, ob das Schulden sind. Da
muss man differenzieren zwischen kurz‑,
lang- und mittelfristigen Verbindlichkeiten, siehe zum Beispiel beim Stadion. Ich
glaube, mit Frank Wettstein hat man einen
CFO, der in der Sache absolut top ist und genau weiß, wie sich der Verein in Zukunft
finanziell aufstellen muss und was man
darf oder lieber nicht machen sollte. Das
führt dazu, dass der Handlungsspielraum
für Transfers nicht groß ist. Es sei denn du
hast Möglichkeiten, Spieler teuer zu verkaufen, um zu reinvestieren wie im Fall Jonathan Tah, wobei ich heute immer noch
der Meinung bin, dass man ihn hätte halten müssen.
Was spielt noch eine Rolle?
Die Frage ist auch, was der Trainer für Vorstellungen hat. Ich denke, Bruno will auch
42
Sie selbst kamen 1980 mit 18 Jahren zum
HSV. Was hat Sie damals nach Hamburg
gelockt?
Das war eher zufällig. Bei mir war es so,
dass Branko Zebec in Paderborn einen anderen Spieler scouten wollte, dann aber gesagt hat: Ich will den nicht, ich will den
Kleinen. (lacht)
Wer war der andere?
Der hieß Wolfgang Pache und war ein großer Mittelstürmer. Ich war gerade 17, habe
in der ersten Mannschaft von Paderborn
gespielt. Manchmal habe ich morgens
A‑Jugend gespielt, nachmittags saß ich bei
der ersten Mannschaft auf der Bank. Als
Zebec da war, habe ich aber gespielt und
auch ein Tor gemacht, dann kam der Anruf
von Günter Netzer: „Der Trainer möchte
den Thomas verpflichten.“ „Aber der wollte doch …“ „Nee, nee, der will den Kleinen!“
So ging das.
„Die Mannschaft hat
sich entwickelt und
ist stabil geworden.“
melden könnte. Jeder Spieler hat die Chance, wenn er jung und dynamisch ist und
sich nicht verrückt machen lässt. So wie
jetzt Bakery Jatta, der mittrainiert hat, der
losgelöst von allem einfach Fußball mit
Freude und Willen spielt. Nach dem Motto: Ob ich jetzt bei Barcelona oder beim HSV
bin, ich gebe hier Vollgas. Wenn man solche Spielertypen kriegt, die nicht kopfgesteuert sind, sondern einfach nur Spaß am
Fußballspielen haben, die auch unterstützt
und vom Trainer gepusht werden, dann
kann man auch die Fans begeistern. Nur:
Diese Jungs müssen die Chance bekommen, zu spielen, und dürfen auch Fehler
machen, wie Gideon Jung zum Beispiel, der
ein Riesenpotenzial hat. Man muss nur die
richtige Situation abpassen, um das wagen
zu können. Ich kann keinen jungen Spieler im Abstiegskampf verbrennen, der jede
Woche denkt: Wenn wir verlieren, sind wir
Letzter. Damit tue ich einem jungen Spieler
keinen Gefallen.
Und dann in Hamburg?
Nach kurzer Diskussion bin ich dann nach
Hamburg gezogen, musste noch mein Abi
machen. Unter Branko Zebec habe ich zunächst auf der Bank gesessen, wobei wir
ja nur 16 Spieler im Kader waren. Das war
die Erziehungsphase für mich. Horst Hrubesch, Felix Magath, Manni Kaltz, Ditmar
Jakobs – das waren meine Vorbilder. So bin
ich da hineingewachsen. Später kam Ernst
Happel, dann ging es relativ zügig. Der hat
mich reingeschmissen und immer gesagt:
„Spiel einfach Fußball.“ Und die Großen
haben mich geführt. Da hast du das getan,
was sie gesagt haben. Das war eine Frage
der Hierarchie.
Gibt es heute noch eine Hierarchie in der
HSV-Mannschaft, die so stark ausgeprägt
ist wie damals?
Ich glaube nicht. Die Hierarchie ist nach
meinem Empfinden relativ flach beim
HSV. Da hat man einen wie Emir Spahic,
Thomas von Heesen
bei dem hat man das Gefühl, der könnte
mal draufhauen und richtig vorweggehen.
Dann hat man auch Spieler, die sind relativ
lieb und nicht kantig genug. Doch wenn es
im Spiel richtig brennt, dann müssen auch
drei oder vier Spieler mal sagen: Pass mal
auf, bis hierhin und stopp.
Haben Sie ein Beispiel parat?
Zum Beispiel das 1:1 zu Hause gegen Ingolstadt. Wenn so eine Mannschaft kommt
und es in der Halbzeit heißt: Jungs, die
hauen uns hier auf die Füße. Dann muss
man mal mit vier, fünf Leuten sagen: „Bis
hierhin, aber jetzt ist Schluss. Wir nageln
volles Rohr dagegen, und hier in unserem
eigenen Stadion machen die heute nichts
mehr! Bumms.“ Da müssen wir noch abgezockter werden und mehr Präsenz zeigen. Das ist eine Frage der Entwicklung
von Führungsqualitäten. Ich bin ja auch
mal jung gewesen und bin auch Führungsspieler geworden. Und wenn ich selbst mal
Mist gespielt habe, musste ich trotzdem zu
anderen sagen: „Jetzt geh mal richtig hin
und geh mal drauf da!“
Daraus spricht auch der Trainer Thomas
von Heesen. In Horst Hrubeschs Biografie
kommt Franz Beckenbauer zu Wort, der
ihn oft gefragt habe, warum er nie Trainer beim HSV geworden sei. Hrubeschs
Antwort: „Weil ich nie gefragt wurde.“
Sind Sie schon mal gefragt worden?
Jein. Aber ich glaube, dass es keinen Sinn
macht, sich da reinzuquatschen. Das würde ich auch nie tun. Das ist immer situativ. Verantwortliche treffen ihre Entscheidungen immer mit vollster Überzeugung,
wenn sie einen Trainer oder Manager verpflichten. Sie müssen es dann auch verantworten. Zu der Zeit, in der es ein bisschen eng wurde, da habe ich auch an Horst
gedacht. Das ist ja noch gar nicht so lange
her. In dieser Phase mit Zinnbauer und Co.,
da gab es situativ einige Diskussionen.
Zur Person:
Und Bruno Labbadia?
Bruno war ein Topstürmer damals, hat
über dreißig Tore gemacht. Jetzt, in der
heutigen Zeit des HSV, spielt Bruno eine
ganz wichtige Rolle. Er macht das super. Er
lässt sich von außen nicht beeindrucken
und geht seinen Weg. Die Mannschaft hat
sich echt entwickelt, ist stabil geworden,
hat eine gewisse Frische und Aggressivität, auch wenn es immer mal wieder kleinere Rückschläge gibt, aber das ist n
­ ormal.
Insgesamt hat man den Eindruck, das
passt und die Mannschaft kann immer etwas bewirken im Spiel. Genau das ist der
nächste Schritt. Die Frage ist: Wenn Bruno
den nächsten Schritt machen will, ob ihm
das reicht mit diesen Mitteln und der Qualität der Spieler, um auch persönlich einen
Schritt weiterzukommen.
Bundesligaspiele für
Reizt es Sie selbst, noch mal einen
Trainer­job zu übernehmen?
Es gibt immer mal wieder Anfragen, auch
aus dem Ausland. Aber zu exotisch muss
es auch nicht sein:
China zum Beispiel würde
ich nicht machen. Es ist
immer problematisch,
wenn du
die Sprache nicht
kannst. Im
Moment bin
ich so glücklich, wie ich
jetzt lebe. Ich
bin ja auch keine 35 mehr. Für mich
steht auch die Familie im
Vordergrund, ich habe zwei
Töchter, die eine ist nahe dreißig
und die andere wird zwölf, übrigens
eine totale HSV-Anhängerin. Da gibt
es wichtigere Ansätze, als wenn ich
sagen würde, ich gehe jetzt als Trainer
nach China. |
Thomas von Heesen kam
1980 ablösefrei vom 1. FC
Paderborn zum HSV,
wo er zur Ikone wurde.
Nach Manfred Kaltz
(581) hat er die meisten
den HSV absolviert
(368), nach Uwe Seeler
(137 Treffer) die meisten
Tore erzielt (99). 1982 und
1983 wurde der offensive
Mittelfeldspieler mit dem
HSV deutscher Meis­ter,
1983 Europa­pokalsieger
der Landes­meister, 1987
DFB-Pokal­sieger. Nach
14 Jahren wechselte
der Leistungsträger,
Publikumsliebling und
HSV-Kapitän noch einmal
in seine ostwestfälische
Hei­mat zu Arminia
Biele­feld. Dort beendete
von Heesen 1997 sei­
ne Spielerkarriere. Als
Trainer oder Sportdirektor
arbeitete der heute
54-­Jährige unter anderem
bei Arminia Bielefeld,
Hannover 96, dem
1. FC Nürnberg, dem
Kapfenberger SV und
Apollon Limassol.
Foto: Witters
Bruno Labbadia ist unter Ihnen als
­Trainer von Arminia Bielefeld in die
­erste Liga aufgestiegen, damals als
Zweitliga-Torschützenkönig. Wie war
das seinerzeit?
Wir waren Vorletzter, alle im Stadium des
Deliriums, dann gab es nur eine Chance:
mit Vollgas in jedes Spiel, dann haben wir
alles weggebombt. Wir hatten eine Mannschaft, da war außer dem Torwart keiner
über 1,80 Meter. Ansonsten waren alle
zwischen 1,70 Meter und 1,78 Meter – und
die haben spielerisch alle auseinander­
gespielt. Ich weiß noch, wir haben damals
das alte Ajax-System 3-4-3 gespielt. Das
war unglaublich.
43
SPIELFELD
Grafik: Kirsten Semmler
Unsere Heimat
Zehntausende Fans pilgern Monat
für Monat zu den Heimspielen im
Volkspark. Aber wie viele finden
maximal einen Platz? Mit welcher
Lautstärke werden sie im Innenraum beschallt? Und wie groß ist
eigentlich so ein Fußballfeld?
Unsere Grafik verrät es.
Kapazität
10.000 Stehplätze
5500 Gästeplätze
47.000 Sitzplätze
5000 Businessplätze
50 Logen
75 Roll­stuhl­plätze
Dach
17 km Stahlseile;
Gewicht
80 Membranfelder
auf ca. 35.000 m²
Volkspark
Technik
2 Anzeigetafeln mit je 63 m²
Soundanlage 150 dB
Lauter als ein startendes Flugzeug
Flutlichtanlage 1500 Lux
Straßenbeleuchtung hat 10 Lux
Spielfeld
99,97 % Naturrasen
Tribüne
68 m
105 m
Neigungswinkel
max. 70 m
Entfernung zum Spielfeld
0,03 % Fiberfasen
min. 8 m
SPIELFELD
Interview: Mathis Paus
Die dunkle Seite
des Spiels
Nie war der Fußball größer und nie war das Image der weltweit
populärsten Sportart schlechter. Thomas Kistner, Sportjournalist und Autor
der Bücher „Fifa-Mafia“ und „Schuss: Die Geheime Doping-Geschichte
des Fußballs“, erklärt, warum Korruption im Profisport normal ist und er
trotz aller Abgründe ein Fußballspiel vor dem Fernseher genießen kann.
46
Fußballsumpf
Foto: ProMotion - Adobe Stock
47
SPIELFELD
Foto: Droemer Knaur / Markus Röleke
Doping und Korruption sind die Schwerpunkt-Themen von Sportjournalist Thomas Kistner.
Korruption, Geldwäsche, Spielmanipulationen, Doping: Hat der Fußball endgültig seine Glaubwürdig verloren, Herr
Kistner?
Jeder, der nicht nur aus der besinnungslosen Fansicht auf den Fußball schaut,
nimmt auch die Skandale abseits des Spielfeldes wahr. Der Sport hat seine Glaubwürdigkeit verloren, als er zur Milliarden­
industrie wurde. Denn im Kern geht es
nicht mehr um das reine Spiel, sondern
ganz einfach um Geld. Je höher man im
Fußball kommt, umso geschäftiger wird
es. Der Otto Normalzuschauer redet sich
dieses Gebaren schön – das geht mir ja
selbst auch so. Wenn ich ein spannendes
Spiel vor dem Fernseher schaue, dann interessiere ich mich nicht für die Schattenseiten. Ich habe gelernt, einen Trennstrich
zwischen dem Fußball und dem Geschäft
mit dem Fußball zu ziehen. Wer aber über
den Tellerrand hinausblickt, der muss zu
dem Schluss kommen, dass es nicht immer
mit rechten Dingen zugeht.
Dabei predigt der Fußball Werte wie Freiheit, Gleichheit und Fairness. Wie konnte
es dennoch so weit kommen?
Die Probleme im Fußball sind ­h istorisch
gewachsen. Die Strukturen eines
48
auto­nomen Verbandes außerhalb staatlicher Normen waren der Gründerzeit angemessen. Für den Amateursport mag
das auch heute noch seine Gültigkeit haben, aber es passt schon lange nicht mehr
zum Profisport. Denn dieser ist mittlerweile eine Unterhaltungsindustrie, die
kon­trolliert werden muss. Absurderweise darf der Sport weiter seine eigenen Kontrollsysteme etablieren. Willkür und einer
lächerlich. Es gibt de facto keine unabhängige Kontrollinstanz im Sport, und so tradiert sich eine Systematik des Betrugs
zwangsläufig. Für Funktionäre – ohne dass
ich diese in Schutz nehmen möchte – ist es
eine knallharte Charakterprobe. Überall
stehen die Geldtöpfe herum und die Frage ist nur, ob ich hineingreife oder nicht.
Wir kommen im Sport immer wieder zu
der Frage: Wie anständig sind die Akteure?
„Im Kern geht es nicht
mehr um das reine Spiel,
sondern um Geld.“
strukturellen Vetternwirtschaft sind damit natürlich Tür und Tor geöffnet. Das ist
dann so, als würden wir das Finanzamt
abschaffen und jeder würde von einem
Familien­m itglied die Steuer gemacht bekommen. Dann habe ich Einnahmen von
100 Euro im vergangenen Jahr. Davon führe ich 40 Euro an das Finanzamt ab und alles ist gut. Das ist natürlich vollkommen
Eine echte Kontrollfunktion gibt es nicht,
und dieser Umstand lädt zur Korruption
und zur Vetternwirtschaft ein. Und das
zieht sich durch.
Bekommt der Fußball zu viel Rücken­
deckung vonseiten der Politik?
Absolut, die Politik ist dafür verantwortlich zu machen, dass der Sport diese
Fußballsumpf
Autonomie über Jahrzehnte hat behalten
und vorantreiben können. Die Selbstbestimmtheit des Sports ist, wie bereits angedeutet, eine sinnvolle Geschichte. Wenn
wir aber über Spitzensport reden, reden
wir nicht über Sport, sondern über eine Industrie, die nur zufällig mit Sport zu tun
hat. Und diese Industrie gehört so knallhart kontrolliert wie jedes andere Gewerbe. Die personellen Verflechtungen von Politik und Sport sind enorm, und das bringt
eine regelrechte politische Schutzschicht
für den Sport. Denken Sie nur an die Bilder
von Politikern in der Kabine der Nationalmannschaft. Solange beide Seiten voneinander profitieren, sind Veränderungen nur
mühselig zu erreichen.
Sehen Sie in naher Zukunft Chancen auf
Besserung?
Schwierig, sehr schwierig. Was es braucht,
ist die Erkenntnis, dass ein Weitermachen
wie bisher den Fans und den Zuschauern
nicht mehr vermittelbar ist. Der Fußball
muss aufpassen, dass er sich nicht weiter
entfremdet: Spielergehälter in zweifacher
Millionenhöhe, exorbitante Ablösesummen und Fernsehgelder, die Milliarden
in das System pumpen – da kommen die
meisten nicht mehr mit. Es gilt, zur Besinnung zu kommen und sich nicht länger
von der nackten Gier leiten zu lassen. Solange Fans aber diesen Irrsinn mitmachen,
kann man es denjenigen nicht verübeln,
die vom System profitieren.
Die Fans haben offenbar kein Problem
mit der Glaubwürdigkeit des Fußballs,
denn die Stadien sind voll. Ist der Fan
naiv oder will er von den Missständen
nichts wissen?
Ich glaube, den Fan an sich gibt es nicht.
Man muss unterscheiden. Es gibt den
Fußballinteressierten, der allein schon
aus gesellschaftlichem Zwang nicht
umhin­kommt, sich mit dem Sport zu beschäftigen. Dann gibt es den Event-­
Zuschauer, der Fußball als große Party erlebt, und zu guter Letzt den echten Fan, der
auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal seines Vereins verbunden ist sowie im
Rhythmus mit dem Spielkalender lebt und
viel Geld in Tickets und Auswärtsfahrten investiert. Das ist die gesamte Bandbreite und es ist deutlich zu erkennen, wo
die Trennlinien gezogen werden. Je nach
Affärendichte im Fußball werden sich
Erstgenannte abwenden. Bevor sich die
echten Fans abwenden, wollen sie Beweise haben. Da zählt nicht die Logik, sondern
nur ein konkreter Fall. Erst dann gerät etwas in Schieflage.
Welche Rolle spielen die Medien in diesem Geflecht aus Macht und Korruption,
und warum lesen wir so wenig davon in
den Zeitungen?
Die Medien im Sport sind nicht zu vergleichen mit Medien in anderen Bereichen
wie beispielweise in der Politik oder in der
Wirtschaft. Der Sportjournalismus nimmt
eine Sonderrolle ein, und in der Summe leider eine schlechte. Es fehlt der Wille zur
Kontrollinstanz. Vor zwanzig, dreißig Jahren hat es vollkommen ausgereicht, wenn
Fußballreporter die Abseitsregel erklären konnten und ein wenig Ahnung von
Spielsystemen hatten. Das ist heute einfaches Basiswissen in dem Beruf, das setze ich voraus. Heutzutage ist der Fußball
weit mehr als eine nette Freizeitbeschäftigung. Der Sport ist zu einem Gesellschafts­
phänomen geworden, dessen Auswirkungen in Politik, Wirtschaft und Medizin
zu spüren sind. Diese Komplexität gilt
es in der Berichterstattung widerzuspiegeln. Ich muss das nicht alles studiert haben, aber ich muss den Willen haben mich
in die Themenbereiche einzuarbeiten. Es
gibt leider Defizite in Ausbildung und Bildung, sodass kritischer Journalismus nur
selten zu finden ist. Während der Sport im
Laufe der Jahre immer professioneller geworden ist, hat sich die Sportberichterstattung kaum weiterentwickelt. Viele Sportjournalisten sind Fans geblieben, die es
über die Absperrung geschafft haben und
nun selbst ein Teil des Showbetriebs sind.
Das ist sexy, das ist geil. Der Sport ist eine
große Familie. Da gehört man dazu oder
nicht. Und wenn man dazugehört, dann ist
Blut dicker als Wasser. Durch meine sportjournalistische Karriere begleitet mich ein
Satz: Niemand sägt an dem Ast, auf dem er
selbst sitzt. Dass bei dieser Denke eine kritische Berichterstattung auf der Strecke
bleibt, versteht sich von selbst.
Können Sie trotz Ihrer Arbeit noch entspannt ein Fußballspiel anschauen?
Problemlos. Fußball war immer Teil meines Privatlebens. Seit der D‑Jugend habe
ich in sechs Vereinen gespielt, und auch
heute noch spiele ich in meiner Freizeit
Fußball. Ich trainiere sogar eine Jugendmannschaft. Diese Perspektive ermöglicht
mir einen gelassenen Blick auf ein Fußallspiel. Da kann ich berufliches und privates gut trennen. Es gibt für mich also keinen Grund, befangen an ein Spiel vor dem
Fernseher heranzugehen. Dann würde
mir der Sport auch keinen Spaß mehr machen. Aber es gibt Spiele, bei denen man
sehr genau hinschaut, weil die Parameter
im Umfeld – besondere Paarung, Schiedsrichteransetzung – darauf hinweisen, dass
hier etwas passieren könnte. Da denke ich
schon: Was ist da los? |
Info:
Thomas Kistner, geboren
1958, ist Redakteur der
„Süddeutschen Zeitung“.
Er wurde unter anderem
mit dem Theodor-WolffPreis ausgezeichnet, war
2006 „Sportjournalist
des Jahres“ und ist international einer der renommiertesten investigativen Journalisten im
Bereich Sportpolitik und
organisierte Kriminalität im Sport. Schwerpunkte in Kistners Arbeit sind die Themen
Doping und Korruption
im Fußball.
49
SPIELFELD
Heimat
beim Berg
BU
50
FC Hamburger Berg
Text: Alexander Nortrup · Fotos: Roman Pawlowski
2014 haben Kiez-Türsteher in Hamburg zum Spaß einen Fußballverein
gegründet. Inzwischen trainieren dort fast 300 Flüchtlinge, einer
ihrer Trainer hat einst bei Ernst Happel gelernt. In dem Verein finden die
Flüchtlinge aber mehr als nur eine sportliche Heimat.
51
SPIELFELD
Wer kann was? Casting für die zweite Mannschaft.
Voller Engagement bei der Sache: Trainer Hery Cortez.
FC Hamburger Berg
D
er Mann im Trainingsanzug wird langsam ungeduldig. Mit einer Plastiktüte in
der Hand steht er mitten auf
dem Aschenplatz an der Altonaer Memellandallee, gestikuliert wild
und zischt energische Kommandos in einer Sprache, die wie selbst erfunden klingt.
Gleich hinter einem Tor rauschen Autos auf
der vierspurigen Kieler ­Straße vorbei, doch
Hery Cortez hat nur Augen für das Geschehen auf dem Spielfeld. Und er schimpft wie
ein Rohrspatz, weil er sich nicht so ausdrücken kann, wie er es gern täte: „Ich spreche Spanisch, Französisch, Italienisch und
Deutsch“, flucht der 69-Jährige in Richtung
seines neben ihm stehenden Neffen, der
die Pfeife im Mund hat, auf einem Ball herumtritt und mit einem Auge das Trainingsspiel beobachtet. „Nur Englisch kann ich
absolut nicht.“
Genau das bräuchte der Bolivianer aber.
Denn seine im grauen Abendhimmel von
Flutlicht erleuchteten Spieler haben so unterschiedliche Muttersprachen, von Arabisch bis Hausa, von Suaheli bis Farsi, dass
nur Englisch, so mangelhaft es alle Beteiligten auch beherrschen, sie irgendwie zusammenführt. Hoffentlich. Arne,
ein langer Kerl mit modischer Sportbrille
und 22 Jahren Vereinsfußball-Erfahrung,
hat heute Abend längst aufgegeben: „Ich
schreie einfach ab und zu laut und hoffe,
dass mich jemand versteht und den Ball
weitergibt“, grinst er gütig. „Es sind einfach viele neue Spieler dabei, das muss sich
alles erst noch finden.“
Coach Cortez hat indes Schwerstarbeit zu
leisten: In Hamburgs Flüchtlingscamps
hat sich inzwischen herumgesprochen,
dass man in seinem Klub, dem FC Hamburger Berg, auf gutem Niveau Fußball trainieren und bei entsprechender Leistung
auch Punktspiele absolvieren kann. Heute Abend ist Casting: Viele Spieler sind gekommen, die gern Teil der zweiten Mannschaft sein wollen. Doch ihr Spiel bringt
den kräftigen Südamerikaner an den Rand
der Verzweiflung: „Die meisten von denen
haben durchaus Potenzial“, sagt der Trainer. „Aber im Augenblick laufen sie wie
ein Hühnerhaufen herum.“
Dass seine Spieler ganz grundlegender Einweisungen bedürfen, schreckt den Bolivianer nicht – im Gegenteil. Er hat in seiner
sportlichen Biografie schon an vielen Orten vielen Kickern das Konzept der Viererkette erklärt: Cortez erwarb Trainerlizenzen in Bolivien und Frankreich, hospitierte
in den Achtzigerjahren mehr als neun Monate bei Trainerlegende Ernst Happel, erlebte in einem anderen Praktikum Bernd
Schuster als Barça-Spieler.
Zwei Gemeinsamkeiten: Sie sind
Flüchtlinge und mögen Fußball
Vor dreißig Jahren kam der hauptberufliche Musiker nach Deutschland. Er hatte gerade einen Plattenvertrag mit seiner
Anden-Folklore-Combo unterschrieben,
bei der er Gitarrist, Sänger und Flötist ist,
und blieb schließlich bei einer Europatournee in Hamburg hängen. Der Platz an der
Seitenlinie blieb seine zweite, wenn auch
meist gering entlohnte Leidenschaft, und
so führte Cortez Kreisklasseklubs sensationell in die Landesliga. Nun steht der Weitgereiste auf ebenjenem Aschenplatz in
Altona und kommandiert knapp 25 Spieler, die nur zwei Dinge miteinander gemeinsam haben: Sie sind als Flüchtlinge in
Hamburg gestrandet. Und sie wollen unbedingt Fußball spielen.
Fußball, Deutschland, Hamburg – der Klang
dieser Worte lässt Daniel immer noch ungläubig staunen. Der Linksverteidiger mit
Rastafari-Locken und eisenharter Wadenmuskulatur war 18 Jahre alt, als er aus seinem Heimatland, dem westafrikanischen
Ghana, nach Libyen zog. In dem politisch
turbulenten, aber wirtschaftlich dank des
Öls boomenden Land gab es Arbeit und Geld,
ganz im Gegenteil zu seinem Heimatdorf
nahe Ghanas Hauptstadt Accra. Doch 2011
kamen der Bürgerkrieg und die Milizen, täglich hörten die Arbeitsmigranten in ihrem
Lager Maschinengewehrsalven. Die Angst
wuchs, die Hoffnung auf den Absprung
nach Europa auch.
Eines Tages folgte ­Daniel
schließlich einer Gruppe zum Hafen von Tripolis und sprang in eines der
voll besetzten Schlauchboote. „Die See war auf unserer Überfahrt sehr ruhig,
„Die See war
ruhig – wir hatten
großes Glück.“
Daniel: „Du kannst nicht nur Fußball spielen. Du
brauchst einen Job, um dich als Mensch zu fühlen.“
es war genügend Benzin da – wir hatten
großes Glück“, sagt der 28-Jährige heute.
Die geglückte Flucht endete auf Lampedusa, es folgten sechs Monate in Italien, drei
Jahre in Griechenland, zwei Monate Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich,
schließlich endete die Odyssee über Frankfurt am Main in Hamburg. Bald bekommt
er seine Aufenthaltserlaubnis und freut
sich, dann endlich arbeiten zu dürfen: „Du
kannst nicht nur essen, schlafen, spazieren
gehen, Fußball spielen. Du brauchst einen
Job, um dich ganz als Mensch zu fühlen.“
Alles begann mit einem
Klub von Hobbykickern
Der Höllentrip mit glücklichem Ausgang
lässt Daniel nachts immer noch regelmäßig schweißgebadet wach werden. Doch
seit knapp zwei Jahren gibt es noch etwas,
das ihn in seinen Träumen begleitet: seine
Fußballkarriere. Denn Daniel spielt beim
FC Hamburger Berg, diesem ganz und gar
nicht gewöhnlichen Klub.
Erst 2014 haben ihn ein paar Freunde gegründet, die rund um die Kneipen­meile an
der Straße Hamburger Berg gearbeitet haben, nicht weit von der Reeperbahn entfernt. „Als Gästeselektierer“, sagt Vereinspräsident Ralph Hoffmann, 42, und grinst
bubenhaft. Als Türsteher, könnte man
auch sagen. Die durchtrainierten Männer gründeten einen Klub, um sich auch
jenseits der Arbeit zu sehen und gemeinsam zu kicken. „Als Verein bekommt man
53
SPIELFELD
Trainingszeiten und kann sich mit anderen Sportverrückten messen. Das war unsere Motivation“, sagt Hoffmann. Und
so entstand der FC Hamburger Berg im
August 2014 aus höchst eigennützigen
Gründen.
Kaum dass der Klub allerdings gegründet
war, flatterte eine Mail herein – mit dem
Appell, Migranten beim Training zuzulassen, weil die Nachfrage so riesig sei. Und so
öffneten die einstigen Türsteher die Pforten ihres nagelneuen Vereins für viele junge Männer, die auf ihrer Flucht aus Westafrika und Libyen in Hamburg gelandet
waren. Bald wurde aus einem Verein, in
dem auch Flüchtlinge spielten, ein Flüchtlingsverein. Von anfangs knapp zwanzig
Mitgliedern wuchs er auf inzwischen fast
300 an. Mancher afrikanische Spieler beherrscht inzwischen mit feinem französischem Akzent durchsetztes Hochdeutsch
und spricht wie selbstverständlich zärtlich
von seiner „Mudder“. Andere sprechen erst
seit Kurzem ein wenig Deutsch, viele noch
gar nicht. Integration verläuft nicht gleichförmig, Coach Cortez kann ein Lied davon
singen.
Nicht nur alles
Friede, Freude, Eierkuchen
Die Entwicklung des Vereinsprojekts ist
bei allem Schönen nicht nur eine romantische Erfolgsgeschichte: „Eine Handvoll“ Gründungsmitglieder sei gegangen,
sagt Hoffmann, weil sie mit dem neuen
Kurs nicht einverstanden gewesen seien.
Amir: „Hier sieht man in uns Fußballer,
keine Flüchtlinge.“.
54
„Fußball verbindet
mein altes und
neues Leben.“
Größeren Streit habe
es nicht gegeben, allerdings habe er auch nicht
versucht, sie umzustimmen: „Die dürfen doch
denken, was sie wollen.“
Aus anfänglicher Euphorie wurde schnell
harte Arbeit: Hoffmann besorgte zu Beginn Essen und Schlafplätze, kam später
mit zu Asylanhörungen, organisierte einen Weltrekordversuch im Nonstop-Fußballspielen, um Geld zu sammeln für
seine Jungs. Der Organisator, der viele seiner Flüchtlingskicker wie ein väterlicher
Freund beim Training begrüßt und für sie
Schuhe, Stutzen und Schienbeinschoner
organisiert, trainiert nach wie vor regelmäßig mit – wenn er seinen Stammplatz
in der zweiten Mannschaft inzwischen
auch an einen jungen Verteidiger aus dem
Flüchtlingslager verloren hat. Die Hinwendung zu der neuen Zielgruppe war für ihn
anfangs überhaupt nicht absehbar: „Ich
kannte Flüchtlinge nur aus der ‚Tagesschau‘. Und plötzlich standen die alle vor
uns. Wir wollten doch eigentlich nur zum
Spaß ein bisschen Fußball spielen.“
Letztlich kann Hoffmann, der Mann mit
dem Bürstenhaarschnitt und hauptberuflicher Webdesigner, seine Begeisterung nicht verhehlen: „Die Jungs sind einfach geil. Ich weiß gar nicht, wie man es
lassen könnte, denen zu helfen.“ Die Trainierenden strahlen eine unbändige Lust
auf Bewegung und Wettkampf aus. Und
doch: „Hurra schreien ist genauso grundverkehrt. Man muss genau hinsehen und
klare Regeln haben.“ Wer in Hoffmanns
Teams etwa rumpöbelt, fliegt raus. Und
darf nicht wiederkommen. Punkt.
Von Libyen über Lampedusa
und Paris nach Hamburg
Daniels Mannschaftskollege Amir ist damit nicht gemeint. Viel zu groß ist seine Leidenschaft für Fußball. Stundenlang
läuft er an der Alster und bolzt Kondition. Am Liebsten, sagt Amir, wäre er Fußballprofi, was sonst. Auch der junge Mann
aus Niger arbeitete einst in Libyen, auch
er floh vor dem Krieg nach Lampedusa,
schlief in der U-Bahn in Rom und machte vor Hamburg Station in Paris, Malta,
Belgien.
Weil er ein Kind mit einer deutschen Frau
hat, darf auch Amir vermutlich auf Dauer
bleiben. Er schuftet täglich als Küchenhilfe
in einem albanischen Restaurant, gibt
dazu Fitnesskurse und will sein Geld künftig nur mit dem Sport verdienen. „Ich habe
schon als Zweijähriger Fußball gespielt“,
sagt er. „Es ist das, was mein altes und
mein neues Leben verbindet.“
Einen festen Halt in der neuen Heimat
können Daniel und Amir gut gebrauchen:
Amir hat seine Familie seit fünf Jahren
nicht gesehen, Daniel sogar seit neun. Ihre
zweite Familie, der Berg, spielt zwar bislang nur unterklassig, ein Heimspiel ging
kürzlich mit 0:11 verloren, weil der Torwart fehlte. Das Wichtigste aber, die Lust
darauf, nach vorn zu schauen, haben die
Neubürger bereits gewonnen: „Wir wollen
den Berg groß machen“, sagt Amir. „Denn
hier sieht man in uns Fußballer, keine
­Flüchtlinge.“ |
Unterstützung:
Wer die ehrenamtliche Arbeit vom
FC Hamburger Berg unterstützen
möchte, kann für 5 Euro im Monat
Fördermitglied werden. Infos gibt
es im Netz auf der Seite
www.fc-hamburger-berg.de unter dem Menüpunkt „Verein“/­
„Refugees welcome“. „Die Flüchtlinge freuen sich auch immer über
gebrauchte Fußballschuhe, Sportkleidung und Bälle“, sagt Vereinspräsident Ralph Hoffmann. Auch
hierzu ist über die Website eine
Kontaktaufnahme möglich.
FC Hamburger Berg
Begeistert von seinen Jungs:
Vereinspräsident Ralph
Hoffmann (Mitte, stehend).
Auch wenn es noch eine 0:11-Pleite hagelt:
Die Flüchtlinge wollen den Berg groß machen.
SPIELFELD
Text und Fotos: Andreas Kloß
30.12.2015, Eishockey, Oberliga Nord,
EHC Timmendorfer Strand 06 – HSV 3:4
(1:3, 1:0, 1:1)
Einen Wahnsinns-Jahresabschluss boten
uns unsere Eishockeyjungs in Timmendorfer Strand. Nicht nur, dass die Abteilung einen Fanbus spendierte, auch das Spiel hatte es in sich. Nach dem zwischenzeitlichen
3:1 für Timmendorfer Strand drehten wir
in den letzten sieben Minuten das Spiel
und gewannen kurz vor Schluss mit 4:3!
Richtig geil!!
Überlebenstraining! Rund 150 HSV-Fans
waren über die zehn Tage verteilt präsent.
Bei mir im Hotel waren noch rund 15 weitere HSV-Fans.
Das erste Testspiel gegen Ajax Amsterdam
– Endstand 1:3 (0:1) – fand in der relativ großen Gloria-Arena in Belek statt und lockte
einige Hundert Zuschauer, auch von anderen Vereinen. Nervig waren ein paar Rostocker, die dauerhaft pöbelten. Sportlich
lief es gegen den niederländischen Tabellenführer mittelprächtig, erst zum Ende es
Spiels konnten wir durch Hunt noch auf
1:3 verkürzen. Wenn man schon mal da ist,
kann man ja auch ein „richtiges“ Fußball-
das Antalyaspor unter Trainer Samuel Eto’o
mit 1:0 (1:0) für sich entschied. Wir passten
uns indes an und futterten Sonnenblumenkerne, das ganze Stadion war voll mit den
Schalen – nicht nur von uns!
An meinem Geburtstag am 12. Januar hatte der HSV sein zweites Testspiel gegen RotWeiß Erfurt angesetzt, das der Drittligist
mit 1:2 (0:1) gewann. Nach dem Spiel fand
der traditionelle Fanabend im Spielerhotel statt. Rund hundert HSV-Fans sowie der
komplette Kader und Betreuerstab hatten
sich zu meiner Geburtstagsfeier eingefunden. Didi Beiersdorfer nahm dies dann tatsächlich zum Anlass, mir auf der Bühne ein
Auf Achse mit
dem HSV
Mehr als fünfzig HSV-Spiele sämtlicher Sportarten hat Andreas Kloß in den letzten drei
Monaten besucht. Im Türkei-Trainingslager
gab’s für ihn sogar ein Ständchen der Spieler.
Ein Auszug aus seinem HSV-Tagebuch.
Illustration: Franko Schiermeyer
6.1.–16.1.2016, Wintertrainingslager
in Belek (Türkei)
Groß war der Jubel, als der HSV verkündete, das Wintertrainingslager in der Türkei
abzuhalten – denn preislich waren zehn
Tage Urlaub im Fünf-Sterne-Hotel in Belek durchaus in einem vertretbaren Rahmen. Mein Hotel lag zwei Kilometer Luftlinie vom Spielerhotel entfernt: am Strand
entlang circa dreißig Minuten Fußweg;
wobei ich bei meinem ersten Strandgang bei Hochwasser und hohem Wellengang mehrfach bis zum Knie im Sand
und Schlamm versunken bin und länger
als eine Stunde unterwegs war. Gefühltes
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spiel gucken: Antalyaspor gegen Tuzla­spor
im türkischen Pokal. Zu fünft wagten wir
uns in das Verkehrschaos von Antalya. Hier
mit dem Auto zu fahren stellte sich als gar
nicht so einfach heraus: Wenn sich die Straße beispielsweise von drei Spuren auf eine
Fahrbahn verengt, wird trotzdem munter weitergefahren, als gebe es nach wie
vor drei Spuren. Da wir auch nicht die richtige Zufahrt zum Stadion fanden, parkten wir an einem Krankenhaus und liefen zwei Kilometer – unter anderem durch
das Krankenhaus – zum Universitätsstadion. Rund tausend Zuschauer waren gekommen und sahen ein grauenvolles Gekicke,
paar Fragen zu stellen und den Saal „Happy
Birthday“ singen zu lassen. Ein wenig unangenehm war mir das schon, trotzdem natürlich eine sehr nette Geste.
Am letzten Tag des Trainingslagers gab es
noch ein Testspiel gegen die Young Boys
Bern. Nach zuvor zwei Niederlagen waren wir unter Zugzwang. Die Schweizer,
immerhin Tabellendritter, machten uns
das Leben aber schwer. Trotz einiger guter
Möglichkeiten ging es mit 0:1 in die Pause. Richtig turbulent wurde es dann in der
Schlussphase: erst der Ausgleich durch
Rudnevs (76.), dann vergab Müller frei stehend keine fünf Meter vor der Torlinie (89.).
Tagebuch
Die letzte Ecke verwandelte Bern zum
1:2 (90.)!
Sportlich war das Trainingslager nicht
wirklich erfolgreich, insgesamt aber
trotzdem mal wieder eine verdammt
schöne Woche HSV-Urlaub mit vielen Eindrücken, neuen Freunden und viel Spaß!
Auf ein Neues!
16.1.2016, Testspiel,
HSV (A) – TSV Havelse 1:1 (0:0)
Frisch aus dem Flieger ging es direkt weiter zum Testspiel der Amas gegen Havelse. Ich war schon auf dem Weg nach Norderstedt, als ich erfuhr, dass das Spiel auf
den neuen Kunstrasen im Volkspark verlegt worden ist. Also raus aus der U-Bahn
und kehrt marsch. Im immer dichter werdenden Schneetreiben nur mit Regen­
jacke und zwanzig Grad kälter als die Woche in Belek wahrlich (k)ein Genuss …
24.1.2016, Futsal Final Four, Halbfinale
Rückspiel, St. Pauli – HSV 6:3 (3:0)
Zwei für mich neue HSV-Sportarten an
einem Tag: Los ging es in Wandsbek mit
dem Futsal Final Four. Nach dem deutlichen Hinspielsieg (8:4) gegen die ach so
anderen wurde es zwischenzeitlich doch
recht knapp, aber wir erreichten trotzdem das Finale!
24.1.2016, Badminton, Oberliga,
SG FTV/HSV/VfL 93 – SV Veldhausen 07 5:3
Vor dem Finale ging es aber noch zur
nächsten Sportart, Badminton! Echt
krass, wie schnell und dynamisch dieser Sport ist – ich selbst bin ja nur Federball spielen aus der Kindheit gewohnt.
Bei zwei gleichzeitig stattfindenden Spielen ist es zwar nicht immer ganz einfach,
dem Spielgeschehen zu folgen, aber mein
letzter Besuch war es sicher nicht!
24.1.2016, Futsal Final Four, Finale,
Hamburg Panthers – HSV 7:4 (3:2)
Zurück ging es dann nach Wandsbek
zum Finale! Gegen den hohen Favoriten
führten wir recht schnell mit 2:0, mussten dann aber eine Sekunde vor der Pause die Führung der Panthers hinnehmen.
Die zweite Halbzeit war überwiegend offen, aber am Ende verloren wir das Finale trotzdem etwas zu deutlich mit 7:4!
Trotzdem Glückwunsch, Jungs! Hat Spaß
gemacht!
24.1.2016, Eishockey, Oberliga Nord,
HSV – Hannover Scorpions 1:2 n. P.
(0:1, 0:0, 0:0, 1:0, 0:1)
Der Tag war aber noch nicht zu Ende,
denn es ging noch mal rüber zum Eis­
hockey in der Hagenbecktraße. Hier war
uns nicht nur eine Verlängerung, sondern auch noch ein Penaltyschießen gegönnt, welches wir aber leider verloren.
30.1.2016, VfB Stuttgart – HSV 2:1 (0:0)
Die Ansetzung des Spiels am Sonnabend
um 18.30 Uhr ermöglichte uns, vorher
noch ein weiteres Spiel im Süden zu sehen. Wir entschieden uns für die Partie
VfR Aalen gegen die Stuttgarter Kickers.
Ohne Probleme erreichten wir dann den
Gästeblock beim VfB Stuttgart. Fußballerisch war hier wie so oft mal wieder
mehr drin.
31.1.2016, Testspiel,
HSV (A) – Heider SV 6:1 (1:1)
HSV-Testspieltag heute. Den Beginn
machten die Amas gegen den S-H-Ligisten Heider SV. Dieser zeigte sich am Anfang hoch motiviert und hatte mehrere
Torchancen zur Führung, am Ende gab es
aber einen standesgemäßen Sieg für den
kleinen großen HSV.
31.1.2016, Testspiel,
HSV III – Nyborg G & IF (DK) 1:2 (0:0)
Weiter ging es in Ochsenzoll mit einem
internationalen Testspiel der Dritten gegen Nyborg aus Dänemark. Leider konnte keiner genau sagen, in welcher Liga die
spielen, vermutlich in der vierten Liga.
Am Ende gab es eine nicht unverdiente Niederlage. Hoffentlich wurde an ein
Rückspiel gedacht! Europapokal!
31.1.2016, Basketball, Oberliga,
BG Hamburg-West II – HSV 76:82 n. V. (27:43)
Der Tagesabschluss wurde dann doch
spannender als zwischenzeitlich gedacht,
denn trotz einer deutlichen Halbzeitführung mussten sich unsere Basketballer
am Ende durch zwei (!) Verlängerungen
zum Sieg kämpfen!
13.2.2016, Basketball, Oberliga,
HSV – Rist Wedel III 80:71 (40:21)
Geplant war, unsere Handballer im Abstiegskampf zu unterstützen. Das Spiel
fiel aber aus, weil die Sporthalle verschlossen war. Kein Scherz. Also ab ins
SPIELFELD
Auto und rüber zum Basketball, wo das
Topspiel Dritter gegen Erster anstand!
Unsere Jungs legten los wie die Feuerwehr und lagen früh deutlich vorn. Ein
richtig starker Heimerfolg gegen den
Tabellenführer!
14.2.2016,
HSV – Borussia Mönchengladbach 3:2 (2:1)
Im Volkspark erlebten wir mal wieder ein
mitreißendes und spannendes Spiel, das wir
nach frühem Rückstand noch vor der Pause
drehten und am Ende gewannen. Gegen die
guten Mannschaften können wir es irgendwie immer besser – warum eigentlich?
20.2.2016, Tischfußball,
Freundschaftsspiel, HSV – St. Pauli
In Pinneberg stand die Einweihung des
neuen HSV-Tischfußball-Leistungszentrums an. Durch TV und Presseinterviews
sowie die Zugverspätung einiger HSV-Spieler verzögerte sich das Spiel gegen die ach
so anderen leider so lange, dass ich mit dem
ersten Ballwechsel los musste zum nächsten HSV-Spiel.
20.2.2016, Basketball, Bundesliga,
BG Hamburg (HSV) – Mainhatten
Skywheelers (Frankfurt) 79:54
Immer wieder krass, was die „Rollis“ leisten können. Gegen die Mainhatten Skywheelers gab es vor circa achtzig bis hundert Zuschauern einen nie gefährdeten
Heimsieg in der neuen Sporthalle im Inselpark Wilhelmsburg.
58
21.2.2016, Landesliga Hammonia,
SC Alstertal-Langehorn – HSV II 1:2 (0:0)
Aufgrund des strömenden Regens wurde das Spiel auf Kunstrasen verlegt. Nach
der torlosen ersten Halbzeit ging der HSV
mit 2:0 in Führung, sodass ich beruhigt
ein paar Minuten früher abhauen konnte
– und so den Anschlusstreffer von ­SCALA
verpasste …
21.2.2016, Handball, Hamburg Liga,
Hamburg Nord II – SG BSV/HSV 28:22 (13:12)
Handball stand noch auf meinem Tagesprogramm. Unsere Jungs mussten in Poppenbüttel bei Hamburg Nord II antreten.
Die erste Halbzeit war noch ausgeglichen,
im zweiten Abschnitt machten wir uns
das Leben mit (zu) vielen Zeitstrafen selbst
schwer.
21.2.2016, Eishockey, Oberliga,
HSV – FASS Berlin 3:4 (2:1, 0:2, 1:1)
Von Poppenbüttel ging es dann noch weiter zur Hagenbeckstraße zum Eishockey.
Wichtiges Spiel gegen einen der Mitkonkurrenten gegen den Abstieg. Leider boten
wir heute kein gutes Spiel und mussten
uns am Ende mit 3:4 geschlagen geben. So
wird es immer schwerer, die Abstiegsrunde zu vermeiden …
24.2.2016, Alte Herren Kreisklasse,
HSV – TuS Hemdingen/Bilden 9:1 (7:1)
Einige ehemalige Spieler der Dritten haben
vor Saisonbeginn die Alten Herren wieder
auferstehen lassen – und da ich nicht Nein
sagen kann, besuchte ich die „Jungs“ heute
auch mal. Schön, einige der alten Recken
mal wieder spielen zu sehen!
2.3.2016, FC Schalke 04 – HSV 3:2 (1:1)
Unter der Woche nach Gelsenkirchen zu
fahren ist kein Geschenk, trotzdem ging es
frühzeitig mit der Botschaft los – und kurz
vor Osnabrück ging dann erst mal nichts
mehr: mehrere Unfälle mit Verletzten und
Vollsperrung. Rund zehn Krankenwagen,
zwei Notärzte und zehn Abschleppwagen fuhren in zweieinhalb Stunden an uns
vorbei. Erst um 19.15 Uhr waren wir am
Stadion, schlängelten uns durch die Zuschauermassen („Jetzt bitte nicht von der
Autokupplung rutschen“) und machten die
Botschaft gar nicht erst auf. Das Spiel begann, und irgendwie hatte man das Gefühl, dass wir nach dem 0:1 nach drei
Minuten direkt aufgehört haben, mitzuspielen. Mit etwas mehr Mumm wäre hier
mehr drin gewesen.
4.3.2016, Eishockey, Oberliga Nord,
EHC Timmendorfer Strand 06 – HSV 5:3
(2:2, 2:0, 1:0)
Es ging um alles oder nichts, die Mannschaft spendierte einen Fanbus an die Ostsee. Der HSV spielte gut mit, vergaß aber
leider das Toreschießen. Nun müssen wir
also in der Abstiegsrunde um den Verbleib
in der Oberliga kämpfen!
5.3.2016, Regionalliga Nord, HSV (A) – Eintracht Norderstedt 0:1 (0:0)
Rund 350 Zuschauer waren bei diesem Nachbarschaftsduell anwesend,
Tagebuch
vermutlich die Hälfte aufseiten der Gäste, triste Veranstaltung an der Hagenbeckstraße. Spielten die Amas in der ersten Halbzeit noch einigermaßen gut mit,
gewann Norderstedt das Spiel am Ende
verdient.
5.3.2016, Eishockey, Oberliga Nord,
Wedemark Scorpions – HSV 5:3 (1:0, 1:2, 3:1)
Direkt nach dem Spiel ging es weiter in die
Wedemark bei Hannover. Das letzte Spiel
vor der Abstiegsrunde. Es ging um nichts
mehr, und dementsprechend entspannt
waren auch das Spiel und die Atmosphäre
auf dem Eis.
6.3.2016, HSV – Hertha BSC 2:0 (0:0)
Weiter ging es zum Spiel gegen die „Alte
Dame“ aus Berlin. Vor enttäuschend wenigen Zuschauern spielte der HSV wie immer
gegen die Mannschaften aus dem oberen
Tabellendrittel sehr stark! Im Siegestaumel
kam direkt die Hamburger Arroganz hoch
und entlud sich in Gesängen wie „Ihr wollt
unsere Hauptstadt sein?“ oder „Hamburg
ist viel schöner als Berlin!“ – herrlich, einfach herrlich und verdient!
8.3.2016, Darts, zweite Liga,
HSV – DVNB 11:1
Nachdem ich das letzte Mal beim Ab-
„Das Spiel fiel aus, weil
die Halle verschlossen
war. Kein Scherz.“
6.3.2016, B-Jugend Bundesliga,
HSV – FC CZ Jena 0:1 (0:0)
Mal wieder ein Jugendspiel vor den Profis, diesmal die U-17-Bundesliga gegen den
Tabellenletzten aus Jena. Überschattet
von einer schweren Verletzung eines HSVSpielers (der Krankenwagen fuhr auf den
Kunstrasenplatz) nutzten die Gäste einen
direkten Freistoß zum Sieg. Bisher nicht
mein Wochenende: viertes Spiel, vierte
Niederlage …
stieg aus der ersten Liga anwesend war,
ging es mal wieder zum Darts. Am Ende
gab es aber einen deutlichen Heimsieg
für den HSV. Übrigens nichts für totale
Nicht­raucher …
18.3.2016, Regionalliga Nord,
SV Meppen – HSV (A) 1:1 (0:1)
An einem Freitag nach Meppen zu fahren ist wahrlich kein Geschenk, aber was
macht man nicht alles im Abstiegskampf!?
Vor allem im ersten Durchgang spielten
unsere Youngsters gut und zielstrebig nach
vorn. Mit Glück, Verstand und Hirzel konnten wir die Führung bis zur 82. Minute
halten, dann mussten wir leider den Ausgleich hinnehmen. Da Meppen mit dem
Punkt zufrieden schien, nahm der HSV
noch einmal Fahrt auf. In der Nachspielzeit gab es noch ein Abseitstor, einen Pfostentreffer und eine weitere Riesenmöglichkeit. Schade – das hätte ein wichtiger Sieg
im Abstiegskampf sein können!
20.3.2016, Landesliga Hammonia,
FK Nikola Tesla – HSV III 1:2 (1:0)
Etwa 150 Zuschauer, darunter vierzig
HSVer und Gojko Kacar (habe ich aber
nicht gesehen) sahen einen schlechten
HSV in der ersten Halbzeit und die verdiente Führung für Tesla. Nach dem Wechsel dann deutlich mehr Schwung im Spiel
der Rothosen, und begünstigt durch einen Platzverweis gegen den auffälligsten
Spieler bei Tesla und einen starken Torwart
­Haerting (Happy Birthday!) drehten wir
das Spiel! |
Info:
Einen Liveticker und Bilder von Spielen,
die Klößchen besucht, gibt es bei
twitter.com/kloesschen1887 und
facebook.com/kloesschenhsv
59
VEREIN
Mario Mosa
Text und Foto: Johannes Kühner
Tausendsassa
an den Töpfen
Der kocht auch nur mit Wasser. Aber er macht es gut: Seit einem Jahr
bereitet Mario Mosa die Mahlzeiten für Mannschaft und Trainerstab
zu. Schon vor seiner Zeit als HSV-Koch hatte der Sizilianer einen guten
Draht zu den Spielern – wenn auch mit einer anderen Aufgabe.
E
igentlich hat Mario Mosa gerade ein Bananenbrot im Ofen. Und er erwartet eine Lieferung: frische Ananas, Pilze, Gemüse, Eier.
Außerdem will er Schaschlik vorbereiten –
fürs Abendessen nach dem Heimspiel am
nächsten Tag gegen Ingolstadt.
Wäre da nicht dieser dringende Anruf gekommen. Ivo
Ilicevic braucht stabile Stollen für seine neuen ­Schuhe.
Also spaziert Mario Mosa durch den Pausenraum, an
der Mannschaftskabine vorbei in die Katakomben
unter der Osttribüne des Volksparkstadions, spannt
den ersten Schuh in einen Schraubstock, schleift die
Plastikstollen ab und befestigt welche aus Aluminium. Zwischendurch nimmt er den kurzen Weg durch
die Garage zurück in die Küche, wirft einen zufriedenen Blick auf das Bananenbrot im Ofen und beendet, zurück an der Werkbank, seine Arbeit an Ilicevics
Schuhen.
Der Italiener strahlt dabei eine unglaubliche Gelassenheit aus, lässt hier mal ein paar lustige Worte fallen
und erzählt da mal ein bisschen aus seiner Vergangenheit beim HSV. So sind sie halt, die Sizilianer: „Die Ruhe
in Person.“ Warum er heute die Schuhe macht – er sei
doch nicht mehr Zeugwart, sondern Koch? „Wir sind
ein Team“, antwortet er schlicht. „Früher habe ich ausgeholfen, wenn der Koch krank war.“ Heute ist es halt
mal andersherum.
Angefangen hatte er im Volkspark nämlich nicht am
Herd, sondern zunächst nebenberuflich als Security
während eines Freundschaftsspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden. Das war 1988. Zu dieser
Zeit machte er gerade eine Ausbildung zum Koch in einem Hotel, später sollte noch eine Ausbildung zum
Fleischer beziehungsweise Feinkost- und Konservenhersteller hinzukommen. „Ich habe das alles gemacht,
um Deutsch zu lernen.“ Denn erst 1986 war Mosa aus
Ravanusa auf Sizilien nach Hamburg gezogen.
Erst Security bei der Weltmeisterschaft 2006,
dann Betreuer der zweiten und ersten Mannschaft
Das Freundschaftsspiel öffnete ihm das Tor zum HSV:
Als Security wachte er fortan über Heimspiele, bei der
Weltmeisterschaft 2006 schaffte er es sogar zum Supervisor bei den beiden Italien-Partien im Volkspark
gegen Tschechien und die Ukraine. Es sollte seine letzte Amtshandlung als Security sein – denn schon am
26. April 2006 hatte er als Betreuer der zweiten Mannschaft begonnen, als sein Vorgänger in Rente ging.
„Mich kannten hier alle – und gerade in diesem Bereich
braucht man eine Vertrauensperson.“ Weitere anderthalb Jahre später war Mario Mosa dann schon Zeugwart der ersten Mannschaft.
Bis er sich vor zwei Jahren bei einem Sturz einen Trümmerbruch am Handgelenk zuzog. Schwere Kisten kann
er seitdem nur noch unter Schmerzen tragen. Wieder
wollte es der Zufall, dass gerade die Stelle des Kochs
frei wurde. Ein Arbeitsplatz, an dem täglich Essen für
bis zu sechzig Personen fertig werden muss. Kein Problem für Mosa: Bevor er zum HSV kam, arbeitete er
jahrelang in einer Polizeikantine. „Da konnte es vorkommen, dass wir von jetzt auf gleich für 5000 Leute
kochen mussten.“
61
VEREIN
Mario Mosa
Dennoch weiß Mosa um die Unterschiede zwischen
der Arbeit für Polizisten und der für Leistungssportler: „Selbst als gelernter Koch muss man sich da erst
mal reinfuchsen.“ Ein Beispiel: Regelmäßig bespricht
der Koch mit Trainer und Mannschaftsärzten, ob hartes Training ansteht oder eine Reha-Einheit. Im ersten
Fall gibt es Mahlzeiten mit vielen Kohlehydraten, um
die Kraftspeicher wieder aufzufüllen; im zweiten Fall
stehen leichte Gerichte auf der Speisekarte, die nicht
schwer im Magen liegen sollen. Auch zum Spieltag hin
gibt es häufiger Nudeln oder Reis, damit die Spieler auf
dem Feld genügend Reserven haben.
Vögel aus Apfelstücken
für den Spaß am Essen
Hinzu kommen die Befindlichkeiten der Spieler. Afri­
kaner mögen lieber Reis statt Nudeln – dann kocht
Mosa beides. Manch einer verträgt keine Laktose oder
isst kein Schweinefleisch – also bietet Mosa Alternativen an. „Pute gibt’s relativ häufig. Damit das nicht
langweilig wird, mache ich einfach Schaschlik draus –
und schon ist es wieder ein spannendes Essen.“ Aus Eiern formt er Mäuse, aus Apfelstücken einen Vogel. „Ich
mache viel fürs Auge, damit es appetitlich aussieht.“
Das Leibgericht der Mannschaft – ein Dauerbrenner –
sieht hingegen gar nicht so spektakulär aus. Auf Mosas Spaghetti mit Tomaten, Basilikum und Chili fahren
sie aber trotzdem alle ab. Prinzipiell setzt der Italiener
62
überwiegend auf mediterrane Küche. Und es scheint
zu schmecken: Nach Rückmeldungen muss Mosa gar
nicht erst fragen. „Es ist immer alles leer. Das ist Rückmeldung genug“, sagt er und schmunzelt zufrieden.
Sein Bananenbrot, das er gerade erst ofenfrisch in den
Mannschaftsraum gelegt hat, ist auch schon angeschnitten ... Und was macht er denn da gerade in der
Küche? Immer wieder schaut jemand rein zum „Sternekoch“ (Mosa zeigt auf den gelben Stern auf seinem
HSV-Trikot), wie früher in Mamas Küche.
In gewisser Weise ist der Mannschafts- und Pausenraum eben ein bisschen wie das Wohnzimmer der großen HSV-Familie. Hierhin ziehen sich die Spieler vor
und nach dem Training zurück, frühstücken zu festen Zeiten oder kommen zum Mittag- und Abendessen. Dann reden sie miteinander nicht nur über Fußball, sondern es geht auch um die Frage: „Was machst
du heute Abend noch?“ Da sind sie eben ganz normale
Menschen, die auch nur mit Wasser kochen.
Für Mosa ist heute Feierabend: Vor Heimspielen übernachtet das Team im Grand-Elysee-Hotel, Mosa schickt
einen Essensplan dorthin, im Stadion bleibt die Küche
kalt. Heute macht der Tausendsassa deshalb nur noch
schnell die letzten Schaschlikspieße für den nächsten Tag, dann geht’s ans Aufräumen. Gehört halt auch
zum Job. Mosa quittiert es mit einem Achselzucken:
„Ob ich jetzt Teller wasche oder Trikots – da wasche ich
lieber Teller.“ |
HSV-Netradio
Text: Lars Wegener
HSV unplugged:
Das Netradio
Seit dieser Saison bietet der HSV seinen Fans eine neunzigminütige
Live-Audioreportage von seinen Bundesligaspielen an. Die Renaissance
eines alten Mediums in der digitalen Welt.
D
ie gute alte Radio­reportage.
Mit ihr sind viele von uns
groß geworden. Samstag,
15.30 Uhr: Bundesligazeit.
Zeit, um – wenn man nicht
gerade im Stadion war – vor dem Radio
zu hocken. Alle Spiele live im Fernsehen?
Gab’s nicht! Sky (oder wahlweise Pre­m iere)
lief noch mit der Rassel um den Tannenbaum. Zu Hause, unterwegs oder – wie bei
mir – auf dem Campingplatz in der Lüneburger Heide lauschte man den Stimmen
aus dem Blechtransistor – meist natürlich auf NDR 2. Rolf-Rainer Gecks war einer
meiner ersten Stimmhelden. Heute wird
(fast) jede Minute live im Fernsehen übertragen. Radio? Eigentlich ein Medium von
gestern.
Oder doch nicht? Die Informationen, die
über die reine Akustikwelle übertragen
werden, sind mit die emotionalsten.
Immer am Ball, immer mitreißend und
neuerdings auch immer mit einer gehörigen Prise HSV.
Denn die Rothosen haben seit dieser
Saison ihr eigenes Radio. Netradio, um
genau zu sein. Im Web gibt es von jedem
Bundesligaspiel unserer Rothosen eine
neunzigminütige Livereportage. Ohne
elektronische Veränderungen. Rein
akustisch. Unplugged eben. Und das Beste:
Die Reportage ist kostenlos und überall
empfangbar. Das Internet (www.hsv.de/
netradio) und die HSV-App machen es
möglich.
Sicherlich sind hier und da noch Verbesserungen möglich. Ein Rolf-Rainer Gecks ist
auch nicht gleich vom Himmel gefallen.
Doch eins ist sicher: Die HSV-Brille ist bei
aller erstrebenswerter Objektivität auf
jeden Fall aufgesetzt. Blau-weiß-schwarze
Emotionen sowieso. Und so freuen wir uns,
das Stadionerlebnis in die Welt hinauszutragen und diesmal auf der anderen Seite
des Radios zu sitzen. |
Wie funktioniert’s?
Über www.hsv.de/netradio oder in der HSV-App
unter dem Menüpunkt „Netradio“ werden alle
Heim- und Auswärtsspiele des HSV in der Bundesliga kostenlos übertragen. Jeweils eine Viertelstunde vor Spielbeginn startet der Livestream, der
mit Betätigung des Play-Buttons auf dem Computer, dem Tablet oder dem Smartphone abgespielt
wird.
Wer berichtet?
Chefreporter ist Broder-Jürgen Trede. Broder kommentierte bereits vor einigen Jahren den ersten
Ableger des HSV-Radios und initiierte beim HSV
die Live-Audioreportagen für sehbehinderte Fans
im Stadion, die mittlerweile deutschlandweit und
sogar beim DFB umgesetzt werden. Der Ur-HSVer
wird von einem Komoderatoren-Team unterstützt.
In diesem sind René Koch (ehemaliger Fanbeauftragter), Philipp Langer (HSV total!) und Lars WegeImmer live vor Ort: Chefreporter Broder-Jürgen Trede (li.) und Lars Wegener auf der HSV-Pressetribüne.
ner (HSV.de) abwechselnd live am Mikro.
63
VEREIN
Fotos: Witters
Gänsehaut und
ein Versprechen
Keine Gefahr für die Rückzahlung der Fananleihe im Jahr 2019: Dieses
Versprechen gab Dietmar Beiersdorfer den 341 Anwesenden bei der
HSV-Mitgliederversammlung. Zudem gab es eine Abstimmung über
Satzungsänderungen – und einen Gänsehautmoment.
64
Mitgliederversammlung
Dr. Andreas Peters (Ehrenrat, v. l.), Jens Meier (Vereinspräsident), Henning Kinkhorst (Vizepräsident)
und Dr. Ralph Hartmann (Schatzmeister) informieren auf der Mitgliederversammlung.
Die Vereinsmitglieder stimmen über die
Satzungsänderungen ab.
M
it aller Kraft den Blick
nach vorn: Diese Aussicht gab Präsident Jens
Meier bei der ordentlichen Mitgliederversammlung des HSV e. V., zu der am 17. Januar insgesamt 341 stimmberechtigte
Mitglieder erschienen waren. Dort berichtete das Präsidium zunächst über seine Arbeit. Jens Meier stellte heraus, dass
das erste Jahr der Arbeit im Präsidium geprägt war von der Einarbeitung. Neben
strukturellen Anpassungen stand dabei
auch die Aufarbeitung verschiedener Themen der vergangenen Jahre im Fokus. Er
berichtete, dass diese Punkte auf den richtigen Weg gebracht sind; jetzt gelte der
Blick zukünftigen Aufgaben.
Vizepräsident Henning Kinkhorst ging
in seinem Bericht auf die sportlichen
Entwicklungen im HSV e. V. ein. Er stellte
unter anderen das im Sommer etablierte
Spitzensportkonzept vor und sorgte für einen Gänsehautmoment: Die Anwesenden
sahen einen kurzen Film zum Kino- und
Webprojekt „Die Norm“, welches neben
anderen die HSV-Beachvolleyballerinnen
Laura Ludwig und Kira Walkenhorst sowie Weitspringer Sebastian Bayer auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen
nach Rio 2016 zeigt.
Im Anschluss übernahm Schatzmeister
Dr. Ralph Hartmann das Wort und berichtete zu den Zahlen des HSV e. V. für das
Geschäftsjahr 2014/15 sowie zum aktuell laufenden Geschäftsjahr 2015/16. Hinsichtlich des Etatabschlusses für das Geschäftsjahr 2014/15 ging er darauf ein,
dass einige unvorhersehbare A
­ spekte
nach der Ausgliederung aufgearbeitet
werden mussten, die teilweise bis ins Jahr
2009 zurückgehen. Das operativ positive Ergebnis von 165.000 Euro wird daher
durch außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen – insbesondere
durch Steuerrückstellungen – auf ein negatives Ergebnis von aktuell 196.000 Euro
saldiert. Da die laufende Betriebsprüfung
für die Jahre 2009 bis 2013 noch nicht abgeschlossen ist, handelt es sich um ein
vorläufiges Ergebnis. Das Präsidium bat
daher darum, mit der Entlastung für das
Geschäftsjahr 2014/15 bis zur Mitgliederversammlung im Sommer zu warten. Für
das aktuell laufende Geschäftsjahr bewegen sich nach dem ersten Halbjahr Einnahmen und Ausgaben in Richtung der
aufgestellten positiven Planung.
Fußball AG: Keine Gefahr
für Fananleihe
Als nächster Tagesordnungspunkt folgte
der Bericht der HSV Fußball AG. Dietmar
Beiersdorfer blickte zurück auf die Hinrunde und freute sich über die sportlichen
Fortschritte. Er betonte jedoch auch, dass
er mit den 22 Punkten aus der Hinrunde
nicht zufrieden sei und warnte vor zu viel
Selbstgefälligkeit. Der HSV müsse schnell
besser werden, müsse auf- und überholen,
so Beiersdorfer. Als wichtigen Baustein
stellte er bei diesem Vorhaben den Nachwuchsbereich heraus. Auch hier wurden
Fortschritte erzielt, doch seien noch viele
weitere Schritte notwendig.
Als Beiersdorfer auf die Finanzen des HSV
einging, war es ihm ein wichtiges Anliegen, den Mitgliedern zu versichern, dass
eine Rückzahlung der Fananleihe im Jahr
2019 nicht gefährdet sei. „Wir können und
65
VEREIN
Dietmar Beiersdorfer (Vorstandsvorsitzender der HSV Fußball AG, links) und Karl Gernandt (Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG) nahmen die
Möglichkeit gern wahr, den Mitgliedern des e. V. von der HSV AG zu berichten.
werden unseren Verpflichtungen nachkommen und sind mehr denn je dabei, die
finanzielle Lage unseres Klubs zu stabilisieren“, unterstrich Beiersdorfer. Insgesamt sei die Finanzsituation auch in den
kommenden Jahren eine der wichtigsten
Aufgaben der HSV AG. „Wir sind in der Restrukturierung. Wir kennen unsere Zahlen. Wir haben alles schonungslos analysiert, Ableitungen getroffen und die
entsprechenden Maßnahmen umgesetzt.“
Suche nach Partnern und Investoren
Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Karl
Gernandt machte klar, dass die finan­
zielle Krise noch nicht ganz überwunden
66
sei. „Wir haben sie aber im Griff! Mit dem
Anspruch, hanseatisch zu schalten und
zu walten.“ Auch wenn bereits 38 Millionen Euro eingesammelt wurden, kündigte Gernandt an, weiterhin unermüdlich
­daran zu arbeiten, Partner und Investoren für den HSV zu finden – allerdings nur
solche, die zum Klub passen.
Insgesamt sieht Gernandt den HSV auf
dem richtigen Weg und nannte als Beispiele dafür, dass Interna mittlerweile intern blieben und auch auf Gremien­ebene
trotz zwischenzeitlicher Reibereien der
Teamgedanke im Vordergrund stünde.
Gernandt: „Der Weg hat begonnen – das
Ziel liegt noch vor uns.“
Es folgten der Bericht und die Entlastung
der Rechnungsprüfer für das Geschäftsjahr 2014/2015. Anschließend stellten der
Beirat, der Amateurvorstand, der Ehrenrat, die Abteilungsleitung Fördernde Mitglieder/Supporters Club sowie der Seniorenrat ihre Berichte vor.
Abstimmung über Satzungsänderungen
Danach ging es um die im Satzungsausschuss vorbereiteten Satzungsänderungen. Die stimmberechtigten ­M itglieder
verabschiedeten die Änderungen mit
218 Jastimmen, sechs Gegenstimmen und
fünf Enthaltungen. |
Mitgliederversammlung
Kommentar von Otto Gruhn
Mitgliederversammlung – neue Ausgliederung?
Lag es an meinem Alter – 65 plus –,
dass ich da hingegangen bin? Aus Tradition sozusagen? Wenn der HSV zweimal im Jahr zu einer MV einlädt, dann
geht man doch als vereinstreues Mitglied da hin.
Oder?
waren es immerhin noch etwas mehr als 300 und bei
der Abstimmung über Satzungsänderungen noch 229
von über 70.000 Mitgliedern. Endlos leere Stuhlreihen im Saal 3 des CCH. Im vorderen Teil die treuen Oldies. Junge Leute? Fehlanzeige. Das alles war schon
rekordverdächtig besonders.
Vielleicht war ich auch motiviert durch nostalgische
Erinnerungen an lebendiges Vereinsleben. Mit mehreren Tausend HSVern, die miteinander und gegeneinander um die besten Entscheidungen für unseren
HSV kämpften.
Besonders waren aber auch die Auftritte von Herrn
Beiersdorfer und Herrn Gernandt. Keiner von ihnen
war durch die neue Satzung verpflichtet, hier zu erscheinen. Sie taten es freiwillig. Und das an einem
Sonntag! Gemeinsam bemühten sie sich um ein Wirgefühl und die Entkräftung möglicher Kritikpunkte. „Es wird wieder mehr füreinander als gegeneinander gearbeitet“, „wir haben alles schonungslos
analysiert“, „haben alles im Griff“. Und zwischendurch immer wieder Beifall. Vielleicht beflügelte der
auch Herrn Gernandt zu folgenden Kernaussagen: Er
habe den Anspruch, „hanseatisch zu schalten und zu
walten“. Und: „Der Weg hat begonnen – das Ziel liegt
noch vor uns.“ Als solche und ähnliche Sprechblasen
kein Ende nahmen, ging ich zur Erbsensuppe. Andere
klatschten immer wieder Beifall.
Aber was schreibe ich da gerade: „für unseren HSV“?
Den gibt es doch gar nicht mehr. Nur noch die ausgegliederte Fußball AG und den HSV e. V. mit seinen
34 Abteilungen von Badminton bis Volleyball. Und
der hatte die HSV-Mitglieder zu der MV eingeladen.
Da nach unbelegten Schätzungen 99,34 Prozent der
über 70.000 Mitglieder wegen des Profifußballs in
den Verein eingetreten waren (ermäßigte Dauerkarten!), fehlten sie hier. Was interessiert sie das Gedenken an die Verstorbenen und die Berichte über irgendwelche Amateurabteilungen oder gar so ein
paar Satzungsänderungen? Vielleicht saßen sie zu
Hause auf dem Sofa und träumten von den „strategischen Partnern“ und dem „frischen Geld“, das ihnen
die Macher von HSV Plus versprochen hatten. Vielleicht waren sie aber auch frustriert, weil der HSV
auch nach fast zwei Jahren nach der herbeigesehnten Ausgliederung immer noch nicht in Richtung
Bayern-­Niveau unterwegs ist, sondern nach Einschätzung des HSV-Finanzchefs Frank Wettstein ein „Sanierungsfall“ ist.
So oder so: Die Zuhausegebliebenen verpassten eine
Mitgliederversammlung der besonderen Art.
Waren vor zwei Jahren im Januar noch über 7000
Mitglieder ins CCH gekommen und im Mai ins Stadion fast 10.000, kamen im Januar 2015 immer noch
rund 1000 und im Juni circa 500 Mitglieder. Diesmal
„Dann ist ja alles gut“, meinte Konstantin Rogalla, einer von zwei Kritikern, bevor er mehrere Fragen in
Richtung unnötige Geldverschwendung formulierte.
Seine Fragen wurden nicht beantwortet. Das mussten die Vertreter der Fußball AG satzungsgemäß auch
nicht. Das hätte auch die Friede-Freude-EierkuchenStimmung gestört.
Gegen Ende der Versammlung meinte der Vereinspräsident Jens Meier, man müsste mal überlegen, wie
man für die nächste MV wieder mehr Mitglieder aktivieren könnte. Aber wie will er das
erreichen? Warum sollten sie kommen,
wenn sie doch nichts mehr zu sagen
haben? Die Ausgliederung ist durch
und mit ihr sind sie – gewollt und freiwillig – auch ausgegliedert. |
67
VEREIN
Text: Stephanie Lehnert · Fotos: Witters, Matthias Scharf
300
Mehr als
Jahre im HSV
Mehr als 74.400 Mitglieder tragen derzeit offiziell die Raute im Herzen.
Einige von ihnen feierten unlängst besondere Vereinsjubiläen. Grund
genug, einen Blick auf vier von ihnen zu werfen – darunter zwei
HSV-Legenden und das Mitglied mit der längsten HSV-Zugehörigkeit.
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68
ie zählen zu den besten S­ pielern
der HSV-Vereinsgeschichte und
sind ihrem Verein außerdem seit
vielen Jahrzehnten treu: Uwe
Seeler und Manfred Kaltz. Anfang des Jahres feierten beide ein rundes
Mitgliedschaftsjubiläum: „Manni“ Kaltz ist
seit fünfzig Jahren im HSV, „Uns Uwe“ feierte sogar schon seine siebzigjährige Mitgliedschaft. Beide bringen es somit auf 120 Jahre im Verein. Ihre aktive Zeit in der ersten
Mannschaft steht zusammengezählt für
1057 Spiele und 480 erzielte Tore.
„Uns Uwe“ trat dem HSV mit zehn J­ ahren
bei. Schon früh zeigte er sein großes Talent. Später wurde er Deutschlands Fußballer des Jahres und der erste Torschützenkönig der neu gegründeten
Bundesliga. Die Identifikationsfigur bescherte dem HSV mit seinen Toren unter
anderem die deutsche Meisterschaft 1960
und den DFB-Pokal 1963.
„Manni“ Kaltz interpretierte seine Rolle
als rechter Außenverteidiger sehr offensiv und schaltete sich immer wieder ins
Angriffsspiel ein. Bekannt machten ihn
seine Bananenflanken, mit denen er zahlreiche Tore vorbereitete. Seinen größten
Erfolg feierte er 1983, als er mit dem HSV
die deutsche Meisterschaft feierte und im
selben Jahr den Europapokal der Landesmeister gewann.
Das Mitglied mit der längsten
Vereinszugehörigkeit
Viele besondere HSV-Momente hat auch
Oscar Algner gesammelt. Seit dem 17. Oktober 1930 ist er Mitglied im Hamburger
Sport-Verein. Damals war er sieben Jahre alt, spielte Fußball und war auch in der
Leichtathletik aktiv. Sein Vater, der ebenfalls Oscar hieß, war bereits 1909 beim
HFC dabei und hatte 1919 den Zusammenschluss der drei HSV-Gründervereine mitbegleitet. „Der HSV war bei uns immer
eine Familienangelegenheit. Schon früh
nahm mich mein Senior mit zu den Spielen am Rothenbaum. Und wenn die erste
Herren kein Spiel hatte, ging es nach Ochsenzoll zum eigenen Training.“
Mit 17 Jahren endete erst einmal die unbeschwerte Zeit mit seinem Verein: Im Dezember 1940 meldete er sich freiwillig für
den Militärdienst. Es folgten die schwersten Jahre für Oscar Algner – der Krieg in
Russland, ein monatelanger Aufenthalt
im Lazarett und nach Kriegsende vier Jahre Gefangenschaft.
Vereinstreue
Nach seiner Rückkehr 1949 baute er
sich mit Ausbildung und Familie sein
Leben neu auf, und natürlich war der
HSV weiter ein fester Bestandteil davon. Anfang der Sechzigerjahre erlebte Oscar Algner den Umzug vom Rothenbaum ins Volksparkstadion mit.
„Die Atmosphäre war sicher eine andere. Am Rothenbaum war es familiärer.
Im Volksparkstadion war alles größer
und distanzierter, aber die Stimmung
mit mehr als 70.000 Zuschauern war
unglaublich, vor allem bei den großen
HSV-Erfolgen“, berichtet der Jubilar.
Zur Jahrtausendwende folgte schließlich der Stadionumbau, und bis heute
ist der inzwischen 93-Jährige mit seiner Familie bei vielen HSV-Spielen dabei. „Zu meinem 85. Geburtstag waren
wir mit 28 Familienmitgliedern im Stadion. Auch wenn der HSV nur ein Unentschieden erreichte, war das ein toller Tag“, erzählt er stolz.
Außerordentliches
Engagement im Verein
Auch Gertraud „Traudel“ Diekhoff verbinden viele emotionale und intensive
Momente mit ihrem HSV. Die 94-Jährige
blickt inzwischen auf eine siebzigjährige Vereinszugehörigkeit zurück.
Traudels HSV-Geschichte begann einst
nach dem Krieg. Damals war die gebürtige Leipzigerin nach Hamburg gekommen und schnell beim HSV gelandet.
Die Leichtathletik hatte es ihr angetan.
1946 lernte sie dort ihren Mann Harry
kennen, den sie schon im darauffolgenden Jahr heiratete.
Gemeinsam engagierten sich Traudel
und Harry Diekhoff ehrenamtlich im
HSV und leiteten die Leichtathletikabteilung „weibliche Jugend und Schülerinnen“ bis 1972. Wenig später bauten
sie eine Mutter-Kind-Gruppe auf, die bis
1992 unter ihrer Führung stand. Zudem
bildete sich unter Traudel Diekhoff eine
Senioren- und Breitensportgruppe in der
HSV-Leichtathletikabteilung.
Für ihr außerordentliches Engagement im Verein bekam die 94-Jährige die höchste HSV-Auszeichnung:
die Ehrennadel in Gold. Außerdem erhielt sie 2012 für ihre ehrenamtlichen
Verdienste die „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes“ der Stadt
Hamburg. |
So lange wie Oscar Algner ist niemand sonst Mitglied im HSV. Zur 85-jährigen Mitgliedschaft überbrachten Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer und Vereinspräsident Jens Meier Glückwünsche,
Blumenstrauß und Jubiläumstrikot.
Gertraud Diekhoff blickt auf eine siebzigjährige HSV-Vereinszugehörigkeit zurück.
Die HSV-Fußballlegenden Manfred Kaltz (l.) und Uwe Seeler kommen gemeinsam auf 120 Jahre im HSV.
69
VEREIN
Text: Jan Walter Möller · Fotos: Witters
Alles gut bei
der Dino-AG?
Zwei Jahre sind vergangen, seit eine große Mehrheit der HSV-Mitglieder
für die Ausgliederung des Profifußballs gestimmt hat. Zeit für eine
Bestandsaufnahme – bei der ein Rückblick in die Historie unerlässlich ist.
N
ach knapp zwei Jahren HSV
plus und der damit einhergegangen und von der absoluten Mehrheit (88 Prozent)
der Mitglieder gewählten
Ausgliederung ist es Zeit für ein offenes
und ehrliches Fazit, um die Arbeit des aktuellen Vorstandes zu beurteilen. Man würde
aber den derzeitigen Amtsträgern und insbesondere den ausgeschiedenen und abgewählten Offiziellen nicht Rechnung tragen,
wenn nur diese überschaubare Zweijahresperiode betrachtet werden würde. Um tatsächlich die diversen Wechselwirkungen
und Hintergründe horizontal und vertikal
erkennen zu können, ist ein Rückblick bis in
die Anfänge der goldenen Ära bei unserem
Verein notwendig.
In der Zeit von 1976 bis 1983 holte die Mannschaft um Helden wie Ernst Happel, Horst
Hrubesch und Felix Magath insgesamt
sechs briefkopffähige Titel (drei Meisterschaften, zwei Europapokalsiege und einen
Pokalsieg). Eine unfassbare Bilanz innerhalb dieser sieben Jahre. Dazu kamen noch
drei zweite Plätze in der Bundesliga sowie
zwei verlorene Europapokalfinals. Der HSV
war in Europa das Maß aller Dinge. Heute
noch aktive Fans, welche schon damals den
Verein unterstützten, berichteten, dass einige Anhänger aus finanziellen Gründen
nicht zum Endspiel 1983 nach Athen gefahren sind mit der Begründung, „dass man
70
dann eben das nächste Jahr dabei wäre“.
Leider konnten die Macher des Erfolges um
Präsident Wolfang Klein diesen Zustand
nicht konservieren. Es folgte noch der Pokalsieg 1987, welcher als der letzte offizielle
Titel des HSV erwähnt wird und als letztes
Aufflammen dieser goldenen Zeit in Erinnerung bleiben wird.
Mit etwas mehr Geschick und glücklicheren Einkäufen hätte man sich dauerhaft einen Platz an der Sonne sichern können, was selbst Uli Hoeneß mehrfach
bestätigte: „Der HSV ist der einzige Verein, welcher von seiner Infrastruktur und
seinem Umfeld dem FC Bayern theoretisch hätte gefährlich werden können.“ Es
wäre mit Sicherheit ein Leichtes gewesen,
dem damaligen Senat das Recht abzuringen zur dauerhaften Nutzung der historischen Sportstätte und des ehemaligen Bundesligastadions „Rotherbaum“. Es wurde
schlicht nicht in Erwägung gezogen und so
wurde in einem sehr beschämenden Akt
für die Sportstadt Hamburg 1997 das Stadion abgerissen. Um die Bevölkerung etwas
zu beruhigen, verkündete der Senat unter
dem damaligen Ersten Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), dass dann zumindest
Sozialwohnungen gebaut werden sollten.
Die Realität sah aber anders aus: Vielmehr
entstanden Bürogebäude und Wohnungen in einem der exklusivsten Stadtteile
Hamburgs.
Die Neunzigerjahre begannen mit einem
Paukenschlag. Der sensationell spielende Thomas Doll, der erst 1990 vom BFC Dynamo Berlin transferiert wurde und schon
kurze Zeit später das Interesse von Lazio
Rom wecken sollte, wurde nach nur einem
Jahr für die damalige Rekordablöse von
15 Millionen Mark nach Italien verkauft.
HSV-Präsident Jürgen Hunke bewies großes kaufmännisches Geschick und sicherte dem Klub durch diesen Transfer die Zukunft. Ohne die italienischen Millionen
wäre der Verein in die Insolvenz gegangen.
Der erfolgreiche Unternehmer Hunke bewies Weitsicht und dachte darüber nach,
Sponsoren und Einzelpersonen an den HSV
in Form einer Aktiengesellschaft zu binden.
Leider funktionierte der Plan nicht. Zum
einen hatte der Fußball bei Weitem noch
nicht den Stellenwert in der Gesellschaft
wie heute. Zum anderen war der Ausgabepreis von 1000 Mark den meisten Fans
dann doch zu hoch.
Nachwehen von Arroganz der Vorjahre
Die letzte Dekade vor dem Jahrtausendwechsel war ein Sinnbild der Tristesse im
Hamburger Volkspark. Im Durchschnitt belegte man den zehnten Platz (eigentlich
war der HSV die graue Bundesligamaus).
Zwar war man mehrere Male im Europapokal vertreten, dennoch war es kein Fußball, der die Hamburger wieder zum HSV
HSV plus
bringen konnte. Fünfstellige Zuschauerzahlen waren eine Seltenheit. Zudem haftete der klebrige Eindruck der Arroganz am
Volkspark, Nachwehen der vorher beschriebenen Zeit.
1995 wurde der in- und externe Druck (unter anderem durch seinen Freund Franz Beckenbauer) auf die Vereinsikone Uwe Seeler
so groß, dass er sich in das Präsidium wählen ließ. So erfolgreich auch seine sportliche
Laufbahn war und die Identifikation mit
unserem Verein ist, so durchwachsen waren diese drei Jahre. Sportlich startete man
nach fünf Heimniederlagen in Folge auf
dem letzten Platz in das Jahr 1998, und nur
durch einen denkwürdigen Kraftakt erreichte man noch das rettende Ufer. Außerhalb des Platzes blieben erklärungswürdige
„Der HSV hätte dem
FC Bayern gefährlich
werden können.“
Geschäfte liegen; Stichwort Autowachs, Jutebeutel und Ostimmobilien. Letztere wurden dem HSV durch den damaligen Schatzmeister Jürgen Engel samt entsprechender
Provision (ein Betrag von knapp einer Million Mark fand sich auf Engels Konto) vermittelt, was mit einer Haftstrafe von zwei
Jahren auf Bewährung für den Meister der
Finanzen endete.
Das Ende dieser Jahre leitete am 30. Juni
1998 Uwe Seeler mit seinem Rücktritt ein.
Er musste einsehen, dass die Aufgabe, einen Bundesligaverein zu führen, für ihn zu
groß war und seine Stärken für den Verein
in Form von öffentlichen Auftritten und
als „gutes Gewissen und Sorgenmacher“
des Vereins besser zur Geltung kamen. Als
Meilenstein für unseren HSV wurde auch
71
VEREIN
durch die Person Uwe Seeler, aber insbesondere und federführend durch den leider viel
zu früh verstorbenen damaligen Geschäftsführer Werner Hackmann der Bau des neuen Stadions forciert und abgeschlossen.
Dieses war in seiner Architektur richtungsweisend in Deutschland und wird von vielen Anhängern, insbesondere auswärtigen,
immer noch als eines der schönsten ­Stadien
in der Republik betrachtet.
Große Lücke nach Beiersdorfer
Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends war geprägt durch das Eingewöhnen in das neue Stadion und insgesamt
acht Teilnahmen am Europapokal, darunter zweimal Champions League. Die Achse
dieses Erfolges war der jetzige Vorstands­
vorsitzende und damalige Sportchef Dietmar Beiersdorfer sowie Bernd Hoffmann,
der für das Kaufmännische zuständig war.
Diese Mischung agierte die ersten J­ ahre
überragend und erzielte durch kluge Transfers (van der Vaart, Boateng, Kom­pany),
eingeleitet vom Sportchef, dreistellige
Millionenumsätze.
Leider war auch dieser Erfolg nicht von
Dauer. Der damalige Vorstandsvorsitzende war zu beherrschend und konnte weder von seinen Kollegen aus dem Vorstand
noch dem damaligen Aufsichtsrat um HSVplus-Initiator Ernst-Otto Rieckhoff eingefangen werden. Die Folgen waren die vorzeitige Vertragsauflösung des Sportchefs
aus dem damaligen Vorstand im Sommer
2009 und eine nicht zu schließende Lücke,
die Beiersdorfer hinterließ und die maßgeblich für den sportlichen Misserfolg der
72
letzten Jahre stand (zwei Jahre später musste Bernd Hoffmann den Verein verlassen).
Verschiedene Glücksritter (Bastian Reinhardt, Frank Arnesen und Oliver Kreuzer)
versuchten sich an dem sportlichen Posten, mussten aber letztlich doch ihr Scheitern erkennen und wurden mit goldenem
Handschlag abgewählt. Über den jetzigen
Sportchef Peter Knäbel wird in den folgenden Jahren zu berichten sein. Hier tut man
keiner Seite einen Gefallen, wenn wieder
irgendwelche kurzfristigen Erfolge präsentiert werden müssen.
Die Akteure auf dem Platz waren und sind
natürlich die entscheidenden Personen des
Vereins und zu einem großen Teil verantwortlich für die Talfahrt der letzten Jahre. Der Marktwert der Spieler sank und
so wurde auf Druck der Berater öffentlich in den Zeitungen über höhere Gehälter
und andere Vereine diskutiert. Der Höhepunkt dieses unsäglichen und unwürdigen
Schauspiels war, dass sich mehrere Spieler
des HSV mit einigen Einsätzen in der Natio­
nal­mannschaft zum Ende der ersten Relegationssaison 2013/2014 noch wunderten,
dass Sie nicht mit zur WM nach Brasilien
fahren und dies brüskiert der schreibenden
Zunft mitteilten. Mangelhafte Selbstwahrnehmung oder getrieben von den Beratern?
Vermutlich beides.
Bevor wir zu dem entscheidenden ­Faktor in
einem Verein, den Fans, kommen, noch einen Gedankengang zu der Aufsichtsratsstruktur (bis 30. Juni 2014) vor der HSVplus-Welt: Wie dort teilweise gearbeitet
wurde, wie langjährige „Vereinsmeier“
des HSV die Geschicke bestimmten und
in regelmäßigen Abständen absolute Interna die Öffentlichkeit erreichten, hätte
mit notwendiger Konsequenz strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen können.
Insbesondere die Nähe und Vertrautheit einiger Kontrolleure zum Boulevard war unerträglich und einer der Haupt­gründe für
die schlechte Reputation des Vereins. Die
betreffenden Personen wissen selbst genau, dass sie gemeint sind, und sollten sich
selbst für den Tausch von Vereinsgeheimnissen gegen eine gute Presse und sonstige Gefälligkeiten für ihr weiteres Berufsleben neben dem HSV ein freiwilliges
Stadionverbot auferlegen. Ein Lehrstück,
wie es nicht laufen darf. Kompetenz und
Kontinuität statt Klüngel muss das Motto
sein. Heute werden, wie in einem normalen Wirtschaftsbetrieb, die normalen Kommunikationskanäle genutzt, dass heißt der
Vorstand oder der Pressesprecher informieren über Themen und Entscheidungen, welche für die Mitglieder und die Öffentlichkeit relevant sind.
Supporters Club:
Konzentration auf das Wesentliche
Der letzte Punkt gehört den Fans: Wenn
diese nicht in bedingungsloser Treue den
HSV unterstützt hätten, wäre dieser mit
großer Sicherheit nicht mehr in Liga eins
als Urgestein. Der Großteil hat die Demütigungen der letzten Jahre in stoischer Ruhe
ertragen, ein kleiner Teil hat sich freiwillig teils still, teils medienwirksam in Zeiten größter Not vom Verein abgewandt
und sich neue Ziele außerhalb des HSV gesetzt. Der Supporters Club selbst hat in der
HSV plus
Vergangenheit nicht immer eine glückliche
Figur abgegeben. Mehrfach hat man sich
instrumentalisieren und politisieren lassen für Zwecke, welche außerhalb der Fanbewegung stehen und bis in die Geschäftsführung des Vereins reichten. Als Folge
haben viele Anhänger dem SC den Rücken
zugewandt und nutzen ihn oft nur als Möglichkeit, um an Eintrittskarten zu gelangen. Hier gilt es, neues Vertrauen aufzubauen und für und mit den Fans zu arbeiten.
Um den SC in seinem jetzigen Wesen benei-
ihr Geld verdienen. Berücksichtigt Mitbürger, die dem HSV nicht wohlgesinnt sind.
Schnell wird aus einem Könnte und Wäre
ein Hat oder Ist. Gerade wenn es um Zahlen
geht, ist Vorsicht geboten. Da wird mit Fachbegriffen wie negatives Eigen­kapital, Cashflow, Verbindlichkeiten, Verschuldungsgrad
oder Drehung von Eigenkapital in Kapitalrücklage munter hantiert, teilweise komplett falsch und verwirrend. Informiert
Euch bei allen Themen, welche Euch interessieren, bei Talkrunden mit Offiziellen im
„Kompetenz statt Klüngel
muss das Motto sein.“
den uns sehr viele aktive Fans im In- und
Ausland. Wenn sich unter der neuen Abteilungsleitung von Timo Horn wieder auf das
Wesentliche konzentriert wird, dann wird
auch der SC wieder seinem Namen gerecht
werden und den Neuaufbau des HSV weiter
unterstützend begleiten.
Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt an
uns Fans gibt, dann dass man bitte nicht alles ungefiltert übernehmen möge. In Zeiten der sozialen Medien kann innerhalb
von Sekunden eine Masse an Un- und Halbwahrheiten sowie auch erwiesener Unfug
Tausende Fans erreichen. Überlegt, ob diese Nachrichten wirklich stimmen können,
denkt daran, dass insbesondere die professionellen Medien mit der Ware Nachrichten
Stadion oder Fanhaus, besucht die Talkrunden über den HSV im Sportpub Tankstelle,
ruft an und schreibt den Fanbeauftragten
und Offiziellen, nutzt die sozialen Medien
des Vereins. Hier erhaltet Ihr die Informationen aus erster Hand, die Ihr wissen wollt,
ohne künstliche Ergänzungen.
Bei Fragen die Finanzen betreffend, fragt
bei Bedarf Fachleute aus Eurem Umfeld
(Bänker/Steuerberater), die Euch die bilanziellen und finanziellen Zusammenhänge
erklären können. Diese Expertise ist nachweislich bei einigen Sportredaktionen
nicht vorhanden.
Wenn alle die genannten Gruppen an Spielern, Offiziellen, Fans (und vielleicht auch
in einem gewissen Maße die Presse) ihren
Teil dazu beitragen, dann kann der Plan
des Vorstands in die Tat umgesetzt werden, dass heißt in fünf Jahren im internationalen Geschäft wieder dabei zu sein.
Nach Adam Riese bedeutet das im Durchschnitt zwei Plätze pro Jahr und erscheint
realistisch.
Korrekturen dauern mehr als zwei Jahre
Um zum Anfang zu kommen und für den
HSV eine Bilanz zu ziehen, kann diese mit
den Fakten auf den letzten Seiten nur so
aussehen, dass man trotz Relegation 2015
und den fehlenden strategischen Partnern
noch im Soll ist. Es bedarf sehr viel Überzeugungsarbeit sowie sportlichen und finanziellen Sachverstands, um potenzielle
Investoren von einem Einstieg zu überzeugen. Mangelnde Kompetenz, Miss- und Vetternwirtschaf, Habgier und sonstige Unruhen der letzten drei Jahrzehnte lassen
sich nicht innerhalb von zwei Jahren korrigieren und die Öffentlichkeit ihre Wahrnehmung ändern. Auch wenn es vielen
Anhängern (den Autor eingeschlossen)
schwerfiel/-fällt, sich von der Vereinsstruktur zu lösen und auszugliedern. Nach heutigem Standpunkt war dieses Szenario,
um in den Worten unserer Bundeskanzlerin zu bleiben, alternativlos, um dauerhaft in der ersten Liga zu bleiben. Lasst den
Vorstand um Dietmar Beiersdorfer mit unser aller Vertrauen in Ruhe arbeiten und
uns über kleine Erfolge ohne die Hamburger Großmannssucht freuen. Dann werden
wir wieder bessere Zeiten für unsere Rot­
hosen erleben.
Haltet den HSV in Ehren! |
73
VEREIN
HSV-S
ERIE:
ALLE
AUSSES
FUSSI R
!
Text: Johannes Kühner · Fotos: Marco Kopp, Johannes Kühner und Oliver Peters
Base, Base, wir
brauchen Base!
Die Baseballer der HSV-Hanseatics und die Softballerinnen der HSVWildcats betreiben einen Sport, der Konzentration, Geschwindigkeit und
Taktik vereint. Und Barbecue. Geht nicht? ’türlich ’türlich, sicher, Digger.
N
eugierig beobachtet ein
kleiner Bub von gerade einmal elf Jahren, was diese
amerikanischen Soldaten
da schon wieder treiben.
Einer wirft einen Ball, einer trifft den
Ball mit seinem Schläger, plötzlich rennen alle los, einer schnappt sich den kullernden Ball vom Boden, wirft ihn einem
Mitspieler zu, der Schlagmann rutscht auf
eine weiße Bodenplatte zu, kurz bevor der
Ball dort ankommt, und als sich der Staub
gelegt hat, geht alles mit einem neuen
Schlagmann wieder von vorn los.
74
Der elfjährige Bub, Sebastian Müller heißt
er, ist fasziniert von diesem Sport, den die
amerikanischen Soldaten in ihrem ­L ager
in Amberg bei Nürnberg spielen, lässt
sich infizieren und ist dem Baseball bis
­heute – ein Jahrzehnt später – treu geblieben. Seit seinem beruflichen Umzug nach
Hamburg spielt Müller nicht mehr in der
bayerischen Kleinstadt, sondern bei den
HSV-Hanseatics.
Auch sein Abteilungsleiter, Oliver Peters,
verknüpft seine Baseballanfänge mit dem
Militär. 1994 ging er zur Bundeswehr, über
eine Freundin gelangte er an den Sport,
sein Hauptgefreiter war Trainer des Flensburger Baseballteams. So kam eins zum
anderen; mittlerweile ist Peters seit zwanzig Jahren am Ball.
Seine Begeisterung für den Sport ging so
weit, dass er 2003 die erste Baseballabteilung im HSV etablierte. Nur ein Jahr später fusionierten die Baseballer mit den neu
hinzugekommenen Stealers, die vier zusätzliche Herren- und drei Nachwuchs­
teams mitbrachten. Aus einem Hobby
wurde plötzlich Leistungssport, weshalb immer mehr Alteingesessene dem
Training fernblieben und 2010 ein neues
Baseball im HSV
Sebastian Müller kam mit elf Jahren zum Baseball.
Baseball und Softball unterscheiden sich zum Beispiel in der Wurfbewegung des Pitchers.
Hanseatics-Team gründeten, außerhalb des
HSV. Als die Stealers den Verein doch wieder verließen, kehrten die Hanseatics vor
einem Jahr zurück mit derzeit zwei Herrenteams (HSV-Hanseatics) und einer Damenmannschaft, die sich inzwischen in die bereits bestehenden HSV-Wildcats integriert
hat. Ein Nachwuchsteam ist in Planung.
Sebastian Müller ist seit Januar bei den Hanseatics. Von fünf Vereinen in Hamburg hat
er sich für den HSV entschieden. „Bei den
anderen hat man mehr oder weniger vorgespielt, wurde sozusagen gescoutet“, sagt er.
Darauf hatte er keine Lust – und traf beim
HSV auf offene Leute, keinen Konkurrenzdruck. Und: „Hier geht’s um Spaß.“
Aber was ist überhaupt so faszinierend an
dieser Sportart, die in den USA eine längere Tradition hat als Basketball und American Football? Diesem Spiel, das mitunter
Stunden dauert und von dessen Regeln zumindest in Deutschland nur wenige eine
genaue Vorstellung haben? Diesem Schlagspiel, das bei den Männern Base- und bei
den Frauen Softball heißt?
Für Peters macht’s die Mischung neben
und auf dem Feld: „In den USA ist es nicht
nur eine Sportveranstaltung – es ist ein
Event.“ Familie, Barbecue, Base- oder Softball schauen – ein perfekter Nachmittag.
Und auf dem Feld? Da wäre zum Ersten
das Laufen von Base zu Base, bevor der
Ball ankommt. 27 Meter liegen zwischen
zwei Bodenplatten, beim Softball sind es
18 Meter; wer schnell ist, schafft sogar die
doppelte Distanz. Und das immer wieder
während einer Partie. „Das ist schon echt
anstrengend.“
Zum Zweiten wäre da das Werfen. Auf eine
Entfernung von fast zwanzig Metern (beim
Softball: 13 Metern) muss der sogenannte
Pitcher den Ball durch ein gedachtes Quadrat werfen, das gerade mal die Größe eines
Turms beim Dosenwerfen hat. Gleichzeitig muss er versuchen, durch Wurftechniken zu verhindern, dass der gegnerische
Abteilungsleiter. Aber auch nichts, was so
viel Spaß macht, ergänzt der Neue beim
HSV, Sebastian Müller.
Außer vielleicht zum Vierten: das Fangen
mit dem großen Greifhandschuh, der wie
Schläger, Tiefschutz und Cap zur Ausrüstung gehört. „Im Outfield kann es sein, dass
eine halbe Stunde kein Ball kommt.“ Wenn
dann aber ein gegnerischer Schlagmann
einen fast perfekten Ball trifft, muss man –
im wahrsten Sinn – auf einen Schlag konzentriert sein, nach Bällen hechten, sie zu
seinen Mitspielern zurückbefördern – und
„Man hat von null auf
hundert gleich Action.“
Schlagmann den Ball erwischt. „Deshalb
ist der Pitcher eine spielentscheidende Position.“ Wenn’s gut läuft, wirft er sechzig-,
siebzig-, achtzigmal pro Spiel. „Da merkst
du abends, was du gemacht hast …“
Da wäre dann auch schon zum Dritten
das Schlagen, das Oliver Peters reizt. Fünfzig bis achtzig Stundenkilometer wird ein
gut getroffener Ball in der Liga schnell, die
Hand-Auge-Koordination ist die größte Herausforderung. „Es gibt nichts Schwierigeres, als einen Baseball zu treffen“, sagt der
Punkte der Gegner verhindern. Immer wieder faszinierend ist dabei, mit welcher Präzision die kleine, mit Leder ummantelte Kugel aus Kork von einer Hand zur nächsten
fliegt – über große Distanzen hinweg so genau, dass einem schnell klar wird, weshalb
die Hanseatics und Wildcats das Werfen im
Training so exzessiv üben.
Und nicht zuletzt geht es um Taktik. Hier
kommt der Catcher ins Spiel: der Mann, der
hinter dem Schlagmann kniet und auf den
ersten Blick nur dazu da ist, den Ball seines
75
VEREIN
Baseball im HSV
Baseball-Basics
Die Grundregeln im Base- und Softball sind ähnlich; hier sind sie exemplarisch am Männersport erklärt.
8
OUTFIELD
9
7
4
6
Fo
-L
ul
in
e
(9
0–
12
0 m
)
5
INFIELD
3
1
1
1
Abteilungsleiter Oliver Peters.
Homebase
Pitchers zu fangen. Aber von wegen: Der
Catcher hat als einziger Spieler das komplette Feld auf einmal im Blick. „Schon vor dem
Schlag muss er wissen, an welche Base sein
Team den Ball als Erstes werfen soll.“
Baseball ist also „ein facettenreicher, taktischer und komplexer Sport mit vielen
Highlights“, fasst Sebastian Müller zusammen. „Und man hat von null auf hundert
gleich Action. Das sollte man sich einfach
mal anschauen.“
Und wer weiß: Vielleicht wird das Interesse beim Zuschauen so groß wie bei dem
einst elfjährigen Buben in Bayern, der bis
heute nicht mehr lassen kann von dieser
traditionsreichsten aller amerikanischen
Ballsportarten. |
Strike
Zone
Base
2
2
3
6
4
7
5
8
9
Mannschaften
die Defensive auf diese Weise drei Gegenspie-
Jedes Team besteht aus neun Spielern. Die De-
ler „out“ macht, wird die Offensive zur Defen-
fensivmannschaft befindet sich komplett auf
sive und umgekehrt.
dem Feld, die Offensivmannschaft beginnt
mit einem Schlagmann, der bei erfolgreichem
Duell Pitcher gegen Batter
Schlag zur ersten Base – oder noch weiter –
Der Pitcher muss den Ball durch die Strike
läuft (Runner); ihm folgt der nächste Offensiv-
Zone zu seinem Catcher (Fänger) werfen. Die
spieler als Schlagmann. Im Höchstfall können
Strike Zone ist ein gedachtes Viereck in der
vier Offensivspieler gleichzeitig beteiligt sein.
Breite der Homebase (43 Zentimeter) und der
Höhe von Brust bis Knien des gegnerischen
Info:
Die Saison der der Base- und Softballteams dauert von April bis September.
Beide Herrenteams haben ihre Heimspielstätte im Ballpark Bunny Hill,
Beim Saaren 9 (SC Europa) in HamburgMümmelmannsberg. Die Damen spielen auf dem Sportplatz Voigt-CordesDamm. Wer möchte, kann sich auf der
Website zum Probetraining anmelden;
dort stehen nach Bekanntwerden auch
die Trainings- und Spielzeiten:
www.baseball-und-softball-im-hsv.de
76
Spielablauf
Schlagmanns (Batter). Der Pitcher hat drei-
Jeder Offensivspieler kommt zunächst als
mal die Chance, durch die Strike Zone zu sei-
Schlagmann aufs Feld und versucht, den
nem Catcher zu werfen. Gelingt es ihm drei-
vom gegnerischen Pitcher (Werfer) geworfe-
mal, ohne dass der Schlagmann den Ball
nen Ball mit dem Schläger zu treffen und zur
trifft, ist der Schlagmann „out“. Gelingt es
nächsten Base zu rennen, bevor die gegneri-
ihm nicht, dürfen alle gegnerischen Runner
sche Mannschaft den Ball dorthin befördert.
kampflos eine Base weitergehen.
Erreicht ein Runner die Homebase, erzielt er
für sein Team einen Punkt.
Spieldauer
Für die Defensive gibt es verschiedene Mög-
Sobald jede Mannschaft einmal Offensive
lichkeiten, einzelne Gegenspieler aus dem
und einmal Defensive war, endet ein Inning.
laufenden Durchgang zu werfen, also „out“
Nach jedem Inning wird gezählt, wie viele
zu machen. Das ist zum Beispiel der Fall,
Spieler einer Mannschaft es geschafft haben,
wenn der Schlagmann den von der Defensi-
alle vier Bases abzulaufen. Eine Gesamtpar-
ve geworfenen Ball dreimal nicht trifft oder
tie besteht in den höheren Ligen aus neun sol-
ihn zwar trifft, aber die Defensive den Ball
cher Innings, in der Landesliga sind es sieben
aus der Luft fängt. Oder wenn der Ball vor ei-
Innings. Jedes Team ist also siebenmal in der
nem Runner an einer Base ankommt. Wenn
Offensive und siebenmal in der Defensive.
News
Neues aus dem Klub
Neu:
Beachsoccer
Mit einem Tryout hat das HSV-BeachsoccerProjekt Ende Februar seinen Startschuss erlebt. Knapp zwanzig Spieler kamen ins Beachcenter Hamburg, um ihre technischen
und sportlichen Fähigkeiten unter Beweis
zu stellen.
Auch das HSV-Präsidium, die Abteilungsleitung des HSV Supporters Clubs und Jörn
­Spuida, Geschäftsführer HSV e. V., waren zum
offiziellen Projektstart dabei, bei dem die
Spieler mehr als eine Stunde lang den Sand
bei verschiedenen Trainingsspielen ordentlich durchpflügten. HSV-Beach­soccer Trainer
Stefano Mari, ehemaliger HSV-Spieler und Rekordnationalspieler im Beach­soccer, zeigte
sich begeistert: „Die Spieler haben bereits ein
sehr hohes Niveau. Viele bringen bereits Sanderfahrung mit, und ich bin überzeugt, dass
wir hier ein schlagkräftiges Team zusammenstellen können.“
Das Training findet seit Anfang März einmal wöchentlich statt. Künftig sollen aber
noch weitere Trainingszeiten hinzukommen, um ideal vorbereitet in die Saison zu
starten. |
Erfolg für
Rollstuhlbasketballer
Mitte März haben die BG Baskets Hamburg
die Euroleague-Qualifikation in der Inselpark-Arena in Hamburg-Wilhelmsburg ausgetragen. Mit einem guten dritten Platz qualifizierte sich das HSV-Team vor heimischem
Publikum für den André-Vergauwen-Cup
2016 in Valladolid (Spanien). Gegner waren
die Rollstuhlbasketball-Teams von CD Ilunion
Madrid (Spanien), GSD Porto Torres (Italien),
Hyères Handi Basket (Frankreich) und Beit
Halochem Tel Aviv (Israel).
„Sportlich haben wir mit dem dritten Platz
das wichtigste Ziel, die Endrunde der Euroleague 2, erreicht. Wir waren nah dran an der
Endrunde für die höchste europäische Liga
und werden weiter an der Entwicklung des
Teams arbeiten, um den nächsten Schritt
Richtung internationale Topliga zu gehen“,
erklärte Jörn Spuida, Geschäftsführer des
HSV e. V. Weitere Informationen zu den Wettbewerben der IWBF Europe gibt es unter
www.iwbf-europe.org. |
Road to
Rio 2016
Jeder Hochleistungssportler träumt von den
Olympischen beziehungsweise Paralym­
pischen Spielen. Einige HSV-Athleten könnten
sich diesen Traum 2016 erfüllen.
Unsere Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig
und Kira Walkenhorst haben beste Chancen,
nach Rio zu fahren. In der Weltrangliste stehen die beiden auf einem sensationellen dritten Platz und haben rund 1500 Punkte Vorsprung auf die deutsche Konkurrenz.
Auch Sebastian Bayer möchte sich seine dritte Olympiateilnahme sichern. Bis zum 10. Juli
muss der Weitspringer die Norm von 8,15 Metern schaffen. Nadja Käther hat gleich zwei
Möglichkeiten, sich zu qualifizieren: Im Dreisprung und Weitsprung möchte sie die Norm
angreifen.
Für die Paralympischen Spiele haben sich
bereits drei Spielerinnen der BG Baskets Hamburg mit der Damen-Nationalmannschaft
qualifiziert. Zudem hat die HSV-Handbikerin
Dorothee Vieth dank ihrer zahlreichen Erfolge im vergangenen Jahr ihr Ticket für einen
Startplatz in Rio de Janeiro gelöst. |
Punkt um Punkt
Die Triathleten des Hamburger SV sammeln in der diesjährigen Winterpokal-Challenge des Rennrad-Forums Punkte mit Trainingseinheiten im Wasser, auf dem Rad und in Laufschuhen. Das fünfköpfige HSV-Team sammelte von November bis März in über 750 Trainingsstunden bereits mehr als 2400 Punkte und belegt einen achtbaren Platz unter den Top 150 von knapp 460 Mannschaften. Dabei haben die
HSV-Triathleten unter anderem auch den FC St. Pauli hinter sich gelassen. Alle fünf Winterpokal-Athleten arbeiten ganz nebenbei auch
an den Grundlagen für die anstehende Triathlonsaison. Neben der Triathlon-Landesliga Hamburg wirft bereits die 15. Auflage des „Ostseeman Glücksburg“ ihre Schatten voraus. Bei der Langdistanz mit 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und einem Marathon entlang der Flensburger Förde schickt die Triathlonabteilung des Hamburger SV zwei Einzelstarter und zwei Staffeln ins Rennen.
Weitere Infos unter www.facebook.de/hsv-triathlon und www.hsvtriathlon.de. |
77
VEREIN
Interview: Stephanie Lehnert ∙ Fotos: Christian Küch
Verwandlung
eines Teams
Die dritte Mannschaft des HSV steckt sich ehrgeizige Ziele. Trainer Felix
Karch spricht im Interview über seinen Wechsel vom Spieler zum Coach,
über Trainingskonzepte, die Fans – und den Aufstieg in die Oberliga.
V
or zwei Jahren spielten die
Fußballherren vom Hamburger SV III nach ihrem
Abstieg im Mittelmaß der
Hamburger Bezirksliga.
Dann übernahm der HSV-III-Spieler Felix Karch Ende 2014 unverhofft das Ruder– und brachte neuen Schwung in
die Mannschaft. Unter seiner Leitung
schaffte das Team direkt den Aufstieg in
die Landesliga Hammonia. Heute steht
der HSV III dort in der oberen Tabellenhälfte und träumt bereits vom nächsten großen Projekt: dem Aufstieg in die
Oberliga.
78
Du warst selbst Spieler beim HSV III und
kennst die Mannschaft aus dem Effeff.
Was macht den HSV III aus?
Wir sehen uns als große Familie. Das hilft
uns als Mannschaft ungemein, wichtige
Reserven bei Spielen zu mobilisieren. Viele Spieler unternehmen auch privat viel
zusammen. Sie können so viel besser einschätzen, woran es liegt, wenn andere
Spieler mal nicht so gut drauf sind oder es
insgesamt mal nicht so gut läuft. Dass ich
selbst einmal Spieler war, ist gut für meinen Job. Das gesamte Trainerteam wird
von der Mannschaft super angenommen.
Die Spieler stehen hinter unseren Ideen.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Du auf
die Trainerseite gewechselt bist?
Unser damaliger Trainer konnte aus Zeitgründen nicht mehr weitermachen. Ich
nahm als Spielertrainer mit zwei weiteren Spielern dann das Zepter in die Hand,
um die noch fünf ausstehenden Spiele bis
zur Winterpause der Saison 2014/2015 gut
über die Runden zu bekommen. Das funktionierte ausgesprochen gut, und wir gewannen alle Spiele zu null. Ein halbes Jahr
später waren wir in die Landesliga aufgestiegen. Allerdings merkte ich während
dieser Zeit auch, dass ich nicht gleichzeitig
Trainer und Spieler sein kann. Trotzdem
HSV III
machte ich noch bis zum Aufstieg in Doppelfunktion weiter. Dann traf ich eine Entscheidung im Sinne der Mannschaft und
der Perspektive und bin heute zufrieden
damit. Denn ich habe große Freude daran,
Trainer zu sein! Alles, was du investierst,
gibt dir die Mannschaft zurück.
Unter Dir als Trainer ist das Team unmittelbar in die Landesliga Hammonia aufgestiegen. Kannst Du die Zeit noch einmal ein wenig Revue passieren lassen?
Bevor ich den Posten des Coachs übernahm, hatten wir neun Punkte Rückstand
auf einen Relegationsplatz. Da ich von Natur aus optimistisch bin, stellte ich mich
dann als neuer Trainer vor die Mannschaft
und sagte zu den Jungs: „Wir werden am
Ende aufsteigen.“ Was die Mannschaft danach geleistet hat, war gigantisch. In Summe verloren wir lediglich ein Spiel, und das
zeigte das Potenzial dieser Mannschaft.
Das Team selbst hat sich diesen Erfolg erschaffen. Letzten Endes ist es so, dass es
nie mit „Müssen“ funktionierte, sondern
nur über das „Wollen“.
Gibt es eine Art Ritual, das Ihr zu jedem
Spiel zelebriert?
Nein, ich versuche, die Mannschaft stets
auf den Gegner einzustellen und sie auf
alle Eventualitäten vorzubereiten. Was in
der Kabine vor dem Spiel passiert, bleibt
das Geheimnis der Mannschaft. Die Ansprache im Kreis vor dem Spiel macht unser Kapitän. Sie endet mit den Worten „Mit
euch – am liebsten“. Und wir meinen es genau so.
Wie zufrieden bist Du mit der laufenden
Saison?
Ich denke, wenn du als Aufsteiger um
die oberen Tabellenplätze mitspielst
und nichts mit dem Abstieg zu tun hast,
kannst du schon sehr zufrieden sein. Dennoch wollen wir als Mannschaft natürlich mehr. Das Team hat enormes Entwicklungspotenzial. In dieser Saison haben wir
ein paar glückliche Punkte geholt, aber
deutlich mehr Punkte unglücklich verloren. Unser Trumpf ist, dass wir uns in
Schwächeperioden immer wieder aufrappeln, um zu alter Stärke zurückzufinden.
Auch die neuen Spieler haben sich schnell
in die Mannschaft integriert. Das Team
festigt sich und harmoniert. Ich denke, wir
Trainer Felix Karch schwört die Fußballer vom HSV III auf das anstehende Spiel ein.
sind eine Top-Landesliga-Mannschaft, und
die Jungs lechzen nach mehr.
Ihr habt die meisten Fans in der Liga.
Wie ist die Unterstützung für Euch vom
Spielfeldrand?
Dass wir so viel Unterstützung von den
Fans erhalten, ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal in der Liga. Das Team wird
gefeiert, und das zu sehen macht Spaß.
Ich denke, für die Fans sind unsere Spiele
toll, weil sie eine gute Mischung aus Fußball und Event bekommen. Fansupport ist
immer gut und wichtig für uns, wenn er
friedlich und sportlich fair läuft.
Sucht Ihr noch Spieler für Euer Team?
Wir als Mannschaft haben allein auf Facebook mehr als 4500 Follower. Das ist schon
unfassbar! Wöchentlich erhalten wir aber
zudem mindestens zehn Anfragen für
ein Probetraining aus ganz Europa. Jeder
muss an dieser Stelle verstehen, dass unsere Möglichkeiten für Probetrainings begrenzt sind. Was wir immer suchen, sind
Betreuer, wie beispielsweise einen Zeugwart oder jemanden, der sich um Sponsoren kümmert. Und wenn jemand in der
Regionalliga spielt und unser Team unterstützen möchte, laden wir denjenigen natürlich auch gern zum Probetraining ein.
Wir wollen ja immer besser werden. (lacht)
Ansonsten versuchen wir die Qualität der
Mannschaft aber größtenteils mit dem eigenen HSV-Nachwuchs zu erhalten. Wir
wollen den Amateuren, die im HSV keine
Aufstiegschance haben, eine Perspektive
geben, im Verein zu bleiben.
Gibt es etwas, das Ihr in der nächsten Saison auf jeden Fall anders machen wollt?
In der kommenden Saison wollen wir auf
jeden Fall auch gegen Mannschaften gewinnen, die derzeit in der Tabelle noch vor
uns stehen. Um das Ziel zu erreichen, wollen wir als Mannschaft noch selbstbewusster auftreten, uns noch mehr auf unsere eigenen Stärken konzentrieren und
noch variabler werden. Außerdem wollen
wir, dass uns die anderen Mannschaften
in der kommenden Saison noch stärker als
ungemütlichen Gegner wahrnehmen.
Was sind dann die längerfristigen Ziele,
die Du mit der Mannschaft anvisierst?
Wir wollen in zwei bis drei Jahren um den
Aufstieg in die Oberliga mitspielen. Dass
wir das schaffen können, davon sind wir
als Team überzeugt. In der nächsten Saison
wollen und müssen wir jedoch erst mal
unsere Leistung aus diesem Jahr bestätigen. Im zweiten Jahr ist das immer schwieriger. Schon allein deshalb, weil uns die anderen Mannschaften dann definitiv nicht
mehr unterschätzen werden. Aber wir
freuen uns darauf. |
79
SCHLUSSPHASE
VEREIN
Kolumne: Klaus Baumann · Fotos: Witters
Siebenmal
deutscher
Meister*
* Der Konsum dieses Beitrags kann bei Sympathisanten des FC Bayern
München zu gesteigerter
Arroganz und Überheblichkeit führen. Da diese Eigenschaften bei der
Mehrzahl bereits stark
ausgeprägt sein dürften,
sind jedoch keine negativen Auswirkungen auf
den Charakter und das
Verhalten zu befürchten.
Der Gewinn der letzten Meisterschaft liegt über dreißig Jahre zurück.
Um dieses großartige Gefühl trotzdem wieder zu spüren, hilft zurzeit
nur hinlegen, Augen schließen und träumen.
B
in ich jemals von meinem eigenen Fangesang geweckt worden? Früher bekam ich bereits
Ellenbogenstöße von der anderen Hälfte des Bettes, wenn ich
nur unregelmäßige Atemlaute von mir gab.
Aber an diesem eiskalten Samstagmorgen
im Februar erwache ich eingemummelt
im Bett und höre mich singen: „Siebenmal
deutscher Meister, dreimal Pokalsieger, immer erste Liga, HSV!“
Wie paralysiert gehe ich ins Bad, ­blicke
in den Spiegel und sehe, dass ich über
das ganze Gesicht grinse. Ich sehe glücklich aus. Irgendwas muss in dieser Nacht
passiert sein. Als ich in die Küche weiterschlurfe, in Richtung Kaffeemaschine, frage ich mich: „Wieso siebenmal deutscher
Meister?“
Dann flackern die ersten Bilder in meinem
Kopf auf. Ich habe in meinem Traum kurz
in die Zukunft sehen dürfen. Als ich an
meinem Kaffee nippe, sehe ich es plötzlich
wieder vor mir: Unser Team steht auf dem
Hamburger Rathausbalkon und ich direkt
darunter. Bruno reckt die Schale dreimal
in die Luft und ruft: „Heeey, heeey, heeey!“ Wir, Tausende Schwarz-Weiß-Blauen – nicht nur vor Freude trunken – reißen
mit ihm die Arme in die Luft. Unser Kapitän Djourou, der in der Tat eine Kapitänsmütze trägt, die ihm kurz zuvor auf dem
Balkon „uns Uwe“ überreichte, stimmt mit
heiserer Stimme zum gefühlt hundertsten
80
Male „Siebenmal deutscher Meister …“ an.
Glücksgefühle durchströmen mich, ich
will sie festhalten. Ich eile zum Schreibtisch, fahre mein Notebook hoch und haue
alle Erinnerungen an diesen wundersamen Traum zügig in die Tasten, damit kein
Detail verloren geht.
Auf dem Platz steht der jüngste
HSV-Kader der Geschichte
Zwei Wochen vor Beginn der Saison
2016/2017 sorgt der HSV für einen Paukenschlag: Auf einer spontan einberufenen
Pressekonferenz berichtet Didi – den Tränen
nahe –, dass die HSV Fußball AG erhebliche
Liquiditätsengpässe habe. Unser Vorstandsvorsitzender stammelt sichtlich gerührt
von einem Schuldenberg und erdrückenden Zinsen. Man sei gezwungen, zahlreiche Leistungsträger zu veräußern, um zumindest noch bis Jahresende durchhalten
zu können. (An dieser Stelle des Traumes
müsste ich eigentlich nervös gezuckt haben.) Der hanseatische Oligarch Kühne hatte sich zuvor geweigert, finan­zielle Mittel
bereitzustellen. In einem Interview – geführt während einer Greenpeace-Mitgliederversammlung – erklärte er, dass seine
Geduld aufgebraucht sei und er entschieden
habe, künftig in sinnvollere Projekte zu investieren. Der HSV müsse ohne ihn wieder
auf die Beine kommen.
Vor versammelter Presse nennt Didi erste Spielernamen, die den Verein noch vor
Beginn der Saison verlassen müssen:
Lasogga, Müller, Holtby, Ilicevic, Kacar,
Hunt, Drmic, Sakai und Ostrzolek stehen
auf seiner Streichliste. Ein Raunen geht
durch den überfüllten Presseraum im
Volksparkstadion. In Befragungen des „Kickers“ unter den 18 Bundesligatrainern gilt
der HSV von nun an als Abstiegskandidat
Nummer eins.
Doch dann kommt der erste Spieltag. Schon
wieder müssen wir gegen die Bayern die
Saison eröffnen. Es scheint, als wolle uns
die DFL bereits zu Beginn der Spielzeit systematisch demoralisieren. Aber diesmal
läuft alles ganz anders. Auf dem Platz steht
der jüngste HSV-Kader der Bundesligageschichte. Fünf Spieler, die allesamt aus dem
eigenen Nachwuchs stammen, sind jünger als zwanzig. Spekuliert wird an diesem
Freitag im August nur noch darüber, ob es
zweistellig wird. Vor Anpfiff grölt der Bayern-Pöbel durch die Arroganz-Arena: „Keine Kohle, keine Punkte, HSV.“ Die Bayern jedoch scheinen Ancelottis Italodeutsch nicht
verstanden zu haben, verblüffen mit hoher Fehlpassquote und bleiben immer wieder im Abwehrbollwerk des HSV hängen.
Die Abwehr ist das, was dem HSV geblieben ist: Adler, Cléber und Djourou in der Innenverteidigung, Dieki spielt rechts hinten. Links hinten wirbelt neuerdings ein
17-Jähriger aus der HSV-Reserve. Ich meine mich aus den Tiefen meines Traums zu
erinnern, dass dieser Jungspund ein Enkel
Kolumne
einer HSV-Größe aus den glorreichen Achtzigern war.
Bis zur neunzigsten Minute steht es 0:0.
Eine Minute wird nachgespielt. Dieki
sprintet in seiner unkopierbaren Manier
über rechts und lässt Lahm stehen wie einen Schuljungen. Er flankt gezielt nach innen, direkt auf den harten Schädel von
Spahic, den Bruno zwangsläufig zum Stürmer umfunktionieren musste: Mit Rudi
Rudnevs war nur noch ein gelernter Angreifer im Kader verblieben. Rudi hatte
sich bereit erklärt, die gesamte Saison über
auf sein Gehalt zu verzichten, und durfte somit bleiben. Der eisenharte Kopfstoß
von Spahic aus fünf Metern landet auf
dem Scheitel von Neuer, von dort springt
der Ball unter die Latte – und plötzlich
liegt er im Netz. Dann ist Schluss. Als die
fast zehntausend HSV-Anhänger im Stadion singen „Keinen Torwart, keine Punkte, Bayern-Pack“ schwenkt die Sky-Kamera
auf die Tribüne, wo Uli Hoeneß sich zurück
in den Knast wünscht.
Plötzlich klingelt es an meiner ­Haustür. Ich
denke „Mist“, doch nicht jetzt. Mein Briefträger, der Bayern-Bernd, immer mit einem
abstoßenden Bayern-­München-­Stirnband
unterwegs – eine Zumutung, dass die Deutsche Post solche schweren Geschmacksverirrungen überhaupt ihren Kunden zumutet
– drückt mir das neue „HSV live“-Magazin in die Hand. Ironisch lächelnd sagt er:
„Hier ist Dein Relegationsmagazin.“ Voller
Überzeugung entgegne ich: „Ach, Bernd.
Du hast weder von Stirnbändern noch von
Fußball eine Ahnung. Nächste Saison seid
Ihr fällig!“ Sprachlos zieht er von dannen,
überrascht von meinem resoluten Tonfall. Als er in seinen gelben Bulli klettert,
ruft er zurück: „Du Träumer!“ Wie recht er
doch hat.
Zurück am Schreibtisch haben sich meine
Erinnerungen – dank Bayern-Bernd – nahezu in Luft aufgelöst. Irgendwie gelingt
steigen einige bruchstückhafte Erinnerungen wieder in mir empor. Ich kippe den
doppelten Espresso zügig hinunter und
haste zum Notebook, um diesen Traum lückenlos weiter zu dokumentieren.
Jürgen Klopp zurück als
Cheftrainer in Dortmund
Es ist eine der größten Gesten seit Gründung der Bundesliga: Jürgen Klopp setzt
Bruno Labbadia am 34. Spieltag nach Spiel-
„Bruno reckt die Schale
in die Luft und ruft:
‚Heeey, heeey, heeey!‘“
es mir nicht mehr, meinen Glückstraum zu
rekonstruieren. Erneut gehe ich in die Küche, um mir einen doppelten Espresso zu
machen. Irgendwie muss ich doch die trägen Gehirnwindungen noch mal aktivieren können. Als ich auf den Kühlschrank
blicke, fällt mir ein „Mopo“-Zeitungsausschnitt ins Auge, den ich im letzten November nach dem grandiosen 3:1-Sieg gegen Dortmund ausgeschnitten und mit
vier Rautenmagneten angeheftet hatte:
„11 Superhelden putzen den BVB“. Plötzlich
schluss die berühmte Pöhler-Kappe auf,
nimmt ihn fest in die Arme und flüstert
ihm irgendwas ins Ohr, sodass beide kräftig grinsen müssen. In Liverpool wegen
Erfolglosigkeit entlassen, macht ihn der
BVB vor dem letzten Spieltag mit einer völlig überraschenden Rückholaktion erneut
zum Cheftrainer. Obwohl Tuchel das Wunder vollbracht hatte, die Borussen 33 Spieltage souverän an der Tabellenspitze zu beherbergen, muss er gehen: Er hatte über
Wochen zu offensiv mit dem FC Barcelona
81
SCHLUSSPHASE
Kolumne
Foto: privat
geflirtet, weil er sich mal wieder zu Höherem berufen fühlte. Watzke und „Susi“ Zorc
mussten zuvor mitansehen, wie infolge der
Wechselabsichten Tuchels in Dortmund
große Unruhe entstand und das komfortable Zehn-Punkte-Polster auf die Sensa­
tionsmannschaft aus Hamburg immer
weiter schmolz. Dortmund verlor Punkt
für Punkt, während sich der HSV mit unbändigem Willen und undurchdringlicher
Abwehr Sieg für Sieg erkämpfte und immer näher an die Dortmunder heranrückte. Nach dem 33. Spieltag platzt Watzke und
Zorc die Hutschnur und Tuchel wird vom
Hof gejagt.
Rathausbalkon
für die Meisterfeier
Am letzten Spieltag im Volkspark kommt
es schließlich zum großen Showdown gegen Jürgen Klopp: Das jüngste Team der
Liga steht nur zwei Punkte hinter dem BVB
und kann aus eigener Kraft noch deutscher
Meister werden. Als Peter Knäbel den Rathausbalkon für eine Meisterfeier anfragt,
lästert der Senat, ob er noch alle Zettel im
Rucksack habe.
An diesem Samstag im Mai bebt der
Volkspark. Wenige Minuten vor Schluss
steht es 3:3. Bruno wechselt den spindeldürren Rudi ein, der zuletzt sogar an der Essensausgabe verschiedener Tafeln gesehen
82
worden sein soll. Der Gehaltsverzicht zeigt
Wirkung. In der 93. Minute geschieht dann
das Unglaubliche: Spahic, mittlerweile Torschützenkönig der Liga, wird erneut per
Flanke von Dieki bedient und verlängert per
Kopf auf Rudi. Rudi stoppt den Ball mit der
Brust, schwebt plötzlich leicht wie eine Feder waagerecht in der Luft und zirkelt den
Ball per Fallrückzieher hinter den perplexen
Torwächter der Gelb-Schwarzen, der jetzt
Manuel Neuer heißt, in die Maschen. Neuer
wurde von den eigenen Fans nach dem Bock
am ersten Spieltag verspottet und hatte um
eine Vertragsauflösung gebeten. Dann hatte er unweit seiner Heimat Schalke in Dortmund angeheuert.
Wenige Sekunden später ist das Spiel beendet: Klopp steuert auf den hüpfenden Bruno zu und kürt ihn würdevoll zum Pöhler. Er säuselt ihm zu: „Ihr habt eine geile
Saison gespielt und Euch die Schale verdient. Und außerdem: Hauptsache, nicht
Bayern.“ Der Volkspark rastet völlig aus
und seit heute weiß jeder in Deutschland,
wer zum siebten Male die Schale in welche Stadt geholt hat. Die Ruuuuuuudneeeeeeeeeeevs-Rufe („Whoomp there it is“)
dringen bis nach München. Die Bayern
spielen die schlechteste Saison seit Jahrzehnten und verschleißen in der laufenden Spielzeit drei Trainer. Der Zuschauerschnitt sinkt auf 12.000. Der blasierte
Bayern-Fan will Siege sehen. Auch das letzte Heimspiel gegen Rote Birne Leipzig, zu
dem nur noch 7396 Menschen im Stadion
gezählt werden, geht verloren. Die Bayern
verpassen knapp die Qualifikation für die
Euro-League. Hoeneß, mittlerweile wegen
des Verdachts auf Gammelfleisch in seiner Wurstfabrik im Visier diverser Behörden, ist außer sich vor Wut und droht dem
HSV in einem Live­i nterview, dass er gegen
diesen Titelgewinn gerichtlich vorgehen
wolle. Indes wird er vor laufender Kamera verhaftet. Während des Handgemenges mit den Zivilbeamten fallen glibberige
Fleischreste aus den Taschen seines roten
Vereinssakkos.
Als ich die letzte Zeile dieses wirren,
­abstrusen Traumes niedergeschrieben
habe und meine Erinnerungen sich nun erschöpfen, fahre ich das Notebook herunter.
Zufrieden und beseelt lege ich mich auf das
Sofa und beginne zu dösen. Ich hoffe auf
einen Tagtraum und darauf, diesmal mit
„viermal Pokalsieger“ wieder zu erwachen.
Aber so lange „immer erste Liga“ steht, ist
auch alles gut. Ich bin eben unbayerisch
genügsam. |
Foto: Witters
HSV kompakt
HSV kompakt
Supporters Club
Ihr erreicht uns wie folgt:
Hamburger Sport-Verein e. V.
Supporters Club
Sylvesterallee 7
22525 Hamburg
Telefon: 040/41 55-15 00
Fax: 040/41 55-15 10
Internet: www.hsv-ev.de
E-Mail: [email protected]
SC-Stand
Der Stand befindet sich in der Ebene 4 der
Nordtribüne. Er ist an Heimspieltagen bis
15 Minuten vor Anpfiff und nach dem Spiel
geöffnet. Hier könnt ihr Euch mit SC-Merchandiseprodukten eindecken.
Öffentliche
Abteilungsleitungssitzung
Das genaue Datum und den Ort der öffentlichen Abteilungsleitungssitzung veröffentlichen wir jeweils rechtzeitig auf unserer
Internetseite www.hsv-ev.de. Jeder ist
herzlich eingeladen, vorbeizuschauen und
zuzuhören oder auch mitzudiskutieren.
Montagstreff der
Gemeinschaft der Senioren
Der Seniorenrat veranstaltet an jedem
ersten Montag im Monat eine nicht öffentliche Versammlung. Beginn ist um 19 Uhr
im Hotel Elysée, Rothenbaumchaussee 10,
20148 Hamburg.
Onlinestore
Unter www.hsv-tickets.de könnt Ihr Karten
und Fahrten für Auswärtsspiele des HSV
bestellen.
Die Kollektion des Supporters Clubs könnt
Ihr unter www.hsv-sc-shop.de bestellen.
Botschaft des SC
Auch an der Botschaft des Supporters Clubs
könnt Ihr bei Heim- und Auswärtsspielen
des HSV Artikel aus der Kollektion des Supporters-Merchandise erwerben (Hinweis:
Verkauf nur an Mitglieder gegen Vorlage
des Mitgliedsausweises). Die Botschaft steht
bei Heimspielen des HSV im Stadion auf
der Westplaza. Der jeweilige Standort bei
Auswärtsspielen wird im Vorfeld des Spiels
auf www.hsv-ev.de und in der „Unterwegs“
veröffentlicht.
Ticketservice
Heimspielkarten können über die HSVBestellservice-Hotline unter 040/41 55-18 87,
im Internet unter www.hsv.de, im ServiceCenter im Stadion oder in einem der HSVFanshops gekauft werden.
Auswärtstickets und -fahrten können im
Internet unter www.hsv-tickets.de, im
Service-Center im Stadion oder in den HSVFanshops gekauft werden. Bitte beachtet
auch die Ankündigungen und Informationen im Internet unter www.hsv.de.
HSV-Museum/
Stadionführungen
Das Museum befindet sich neben dem
Restaurant „Die Raute“ im Nord-Ost-Bereich
des Stadions. Die Öffnungszeiten des Museums sind täglich von 10 bis 18 Uhr*.
Stadionführungen** finden täglich statt. Mitglieder erhalten auch hier einen Rabatt. Für
Gruppen gibt es auf Anfrage auch Sonder­
tarife und Führungen zu anderen Zeiten.
Weitere Informationen gibt es telefonisch
unter 040/41 55-15 50 oder online unter
www.hsv-museum.de.
* Bei Heimspielen ist der Zutritt ab zwei Stunden vor Spielbeginn nur mit Eintrittskarte für das Spiel möglich.
** An Spieltagen oder anderen Veranstaltungstagen entfallen die Stadionführungen.
OFC-Gründungen
Alle Informationen hierzu findet Ihr im
Netz unter www.hsv-ofc.de.
Mitgliederwesen
Bei Umzug, Namens- oder Bankverbindungsänderung steht Euch das Mitgliederwesen genauso wie bei allen anderen
Fragen rund um die Mitgliedschaft im
HSV zur Verfügung. Das Mitgliederwesen
erreicht Ihr per Telefon (040/41 55-15 01), per
E-Mail ([email protected]) und per
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