Bewegter Deutschunterricht – wie kann man Deutsch mit Hand und

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Bewegter Deutschunterricht – wie kann man Deutsch mit Hand und
SYLWIA DENKA
Bewegter Deutschunterricht – wie kann man Deutsch mit Hand und
Fuß lernen?
Viele Lehrer und Lehrerinnen an verschiedenen Schulen bemühen sich darum, den eigenen
Unterricht zu vervollkommnen, indem sie nach der optimalen Methode suchen. Aus meiner
langjährigen Erfahrung als Grundschullehrerin geht hervor, dass ein sehr wichtiges Kriterium
die Berücksichtigung der emotionalen Seite des Schülers ist. Eine gute Unterrichtsmethode
sollte also dazu beitragen, dass die Schüler mit Lust und Freude lernen. Der sog. Bewegte
Deutschunterricht scheint den oben angeführten Anforderungen Rechnung zu tragen. Im
Folgenden versuche ich den Bewegten Deutschunterricht zu definieren und den Einsatz dieser
Methode zu begründen.
In den Nürnberger Empfehlungen zum frühen Fremdsprachenlernen lesen wir: „Das frühe
Fremdsprachenlernen soll einen wichtigen Beitrag zur Gesamtentwicklung des Kindes leisten
und dadurch seine emotionalen, kreativen, sozialen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten
gleichermaßen fördern.” (Nürnberger Empfehlungen: Ziele, 2.4., S.7).
Wie wir ja sehen können, werden bei dem frühen Fremdsprachenlernen mehr als nur der
sprachliche und der kognitive Aspekt berücksichtigt, die bei dem Erwachsenenunterricht
ausschlaggebend sind. Der Bewegte Deutschunterricht erfüllt die in den Nürnberger
Empfehlungen erwähnten Kriterien, indem es den Tanz, die Musik und Theater in den
Sprachunterricht mit einbezieht. Der Bewegte Deutschunterricht ist nämlich Theater-, Musikund Tanzunterricht zugleich.
Mit dem Theater hängt sehr eng der Begriff des Dramas zusammen, wobei wir uns mehr auf
den aus der Psychotherapie übernommenen Begriff des „Psychodramas“ beziehen. In der
Psychotherapie stellen die Patienten auf diese Weise Probleme und Konfliktsituationen dar,
um mit ihnen fertig zu werden. Das (Psycho-)Drama findet im Unterricht Anwendung, wenn
wir Bewegung in den Unterricht einführen. Bewegung heißt hier Mimik, Gestik und die
übrige Körpersprache. „Bewegung wird als „Brücke“ benutzt, das unbekannte Ufer, den
fremden Satzrhythmus, zu erreichen.“ (Dieling 1992: 29).
Musik spielt neben der Bewegung auch eine wichtige Rolle. „In Musik und Lied soll der
ganze Körper miteinbezogen werden. Der emotionale Inhalt eines Liedes wird mit Mimik,
Gestik, Pantomime intensiver aufgenommen als durch das bloße Verbalisieren (...)“ (Cortis
1995: 9). Die Kinder singen gern, weil es ihnen einfach Spaß macht. Und durch Singen lernt
man sogar ganz schwierige Texte.
Der Einsatz von Musik bedeutet konsequenterweise auch den Einsatz von
Musikinstrumenten. „Sie üben eine magische Anziehungskraft auf die Schüler aus, mit ihnen
lässt sich das Sprechtempo bestens vorgeben und halten.“ (Fischer, A. 1995: Video: Tempo).
Dem durchschnittlichen Grundschullehrer stehen nicht immer richtige Instrumente zur
Verfügung. Dies ist auch nicht notwendig. Für dieselben Zwecke können andere Dinge
verwendet werden: es eignet sich alles, was klappert, rasselt, klingelt und klingt, also
Bleistifte, Topfdeckel, die Hände zum Klatschen und Klopfen.
Musik ist eng mit Tanz verbunden. Unter Tanz verstehe ich verschiedene Bewegungsspiele
im Unterricht. Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren zeichnen sich normalerweise durch
Spontaneität, Bewegungsfreude, Bewegungslust, und Spiellust aus. Wir unterrichten nicht,
sondern wir fördern einen natürlichen Vorgang. Wir steuern diesen Vorgang. Der Unterricht
wird zu einem „handlungs-, erlebnis-, erfahrungsorientierten Spracherwerb.“(Dufeu u.a. 1993:
204) Dies entspricht der Auffassung, dass es in der Primarstufe eher die Rede von dem
gesteuerten Fremdsprachenerwerb als vom Fremdsprachenunterricht sein sollte. Dieser
Fremdsprachenerwerb sollte ein Prozess sein, der die ganze Persönlichkeit des Kindes
gleichermaßen anspricht.
Zum Schluss noch ein ganz wichtiger Aspekt dieser Unterrichtsmethode – der Gebrauch der
Stimme. Dies mag verwunderlich erscheinen, aber der Gebrauch der Stimme ist ein wichtiger
Faktor. Es ist die alltägliche Erfahrung eines jeden Lehrers, wie laut sich Kinder in der Pause
äußern und wie leise ihre Stimme im Unterricht wird. Es wird nicht gefordert, dass die
Schüler sich im Unterricht so wie auf dem Schulhof verhalten sollten, sondern, dass sie erst
die Möglichkeit bekommen, ihre Stimme zu gebrauchen. Das Prinzip lautet: wenn der Körper
voll aktiv ist, so stimmt auch die Stimme. Und wenn im Unterricht die Bewegung fehlt, ist die
Lust zum Sprechen auch oft weg. Durch den Einsatz von Reimen, Spielliedern und
Gedichten, die wir laut, normal und leise wiederholen lassen (man darf natürlich dazu die
Bewegung nicht vergessen!), gelingt es uns, die Stimme der Schüler in den Unterricht zu
involvieren. Kinderreime eignen sich sehr gut dazu: „Der Reiz der Kinderreime liegt in der
ständigen Wiederholung, die das Kind als Zuwendung und Bestätigung empfindet“ (Hanke,
Fischer u.a. 2000: 28) Das Prinzip des Stimmgebrauchs im obengenannten Sinne gilt auch bei
Jugendlichen (5., 6. Klasse). Dieses Prinzip wird auf dieser Stufe in den Rapps umgesetzt,
aber das ursprüngliche Vergnügen an der Verbindung von Sprechen und Bewegung bleibt.
Die Vorteile des Bewegten Deutschunterrichts liegen auf der Hand. Im Folgenden können sie
(nach Andreas Fischer) zusammenfassend und resümierend wiedergegeben werden:
„1. Das Einbeziehen von Hand und Fuß (Körpersprache, Gestik) und von rhythmischen
Begleitinstrumenten mindert oder verhindert sogar Verkrampfungen bei der Lautbildung in
der Fremdsprache.(...)
2. Die prinzipielle Anlage der „Sprechstücke” als Gruppendialog bezieht das „Wir” - Gefühl
(Wir haben hier mit dem sozialen Lernen zu tun): Es gibt kein Steckenbleiben, also keine
Blamage, es sei denn für alle. Die Angstschwelle sinkt gegen Null. Jeder kann mithalten. Die
Schnellen beflügeln die Langsameren. Mindestens die Hälfte der Gruppe ist jeweils aktiv
3. Die angeeigneten Sprechmuster stehen künftig zur Verfügung für deren individuelle,
kreative Anwendung (das kennen wir doch aus dem Bereich der Methodik unter dem Begriff
Transfer).
4. Die Selbstsicherheit nimmt zu.“(Fischer 1997: 9)
Die von Andreas Fischer genannten Vorteile sollten nach der Autorin in die Ziele des
Primarstufenunterrichts umdefiniert werden, z.B. nach dem Motto:
Ziel 1. - Verkrampfungen mindern; Ziel 2. - Das Wir-Gefühl fördern; Ziel 3.- Selbstsicherheit
fördern. Diese Ziele sollten neben den typisch sprachlichen Zielen gelten.
Aus diesen Gründen fühlt sich die Autorin berechtigt, für den Bewegten Unterricht zu
plädieren. Die Erfahrung zeigt, dass diese Art von Unterricht die affektive Seite des Kindes
anspricht, und der Grundsatz „Affektiv heißt effektiv!“ erscheint hier durchaus plausibel.
1. CORTIS, Julia, 1995. „Das Lied vom guten Ozon“. In: Primar. Zeitschrift für Deutsch als
Fremdsprache im Primarbereich, Heft 11, S.9
2. DIELING, Helga, 1992. Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch. München:
Langenscheidt.
3. DUFEU, Bernard; DUFEU, Marie; FELDENDLER, Daniel, 1993. Psychodrama und
Fremdsprachenerwerb. In: Materialien Deutsch als Fremdsprache. Heft 33, S.203-210
4. FISCHER, Andreas, 1995. Video: Tempo.
5. FISCHER, Andreas, 1997. Frühdeutsch – mit Hand und Fuß. Rhythmische Sprechstücke,
Tanzformen. Metz: Goethe Institut Nancy
6. HANKE, Eva, Fischer Andreas u.a., 2000. “Vom Fingerspiel zum Rap”. In: Primar.
Zeitschrift für Deutsch als Fremdsprache im Primarbereich, Heft 24, März 2000, S. 28-35
7. NÜRNBERGER EMPFEHLUNGEN ZUM FRÜHEN FREMDSPRACHENLERNEN,
1997. Köln: Dürr + Kessler [2. Aufl.]
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