Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit

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Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit
Reich, Regionen und Europa
in Mittelalter und Neuzeit
Festschrift für Peter Moraw
Herausgegeben von
Paul-Joachim Heinig, Sigrid Jahns,
Hans-Joachim Schrnidt, Rainer Christoph Schwinges
und Sabine Wefers
Redaktion: Barbara Krauß
Duncker & Humblot · Berlin
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\Vider den :\lythos vom Sonden\·eg- die Bedingungen
des deutschen \Veges in die Neuzeit
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Wie wenige Historiker seiner Generation verbindet Peter Moraw hoch spezialisiertes Detailwissen über eine historische Landschaft, einen Zeitabschnitt
oder ein Sachproblem mit einem ausgeprägten Willen zur Interpretation. Dabei
fasst er zunehmend die europäische Gesamtentwicklung ins Auge und skizziert
"Entwicklungsunterschiede und Entwicklungsausgleich im deutschen und europäischen Mittelalter" 1 oder fragt in diachroner, auf die historisch-politische
Kultur der Gegenwart abzielender Perspektive nach den spezifischen Bedingungen. Strukturen und Abläufen der älteren deutschen Geschichte als Teil der europäischen Geschichte. Dabei geht es ihm einerseits, wie erst jüngst betont, darum. seinen nichtdeutschen Historikerkollegen eine Antwort auf deren irritierte
und irritierende Frage zu geben ... wie man denn dieses oder jenes historische
Einzelproblem flir Deutschland beurteilen solle, da doch bekanntlich dessen ältere Geschichte so schwierig sei und im allgemeinen flir Nichtdeutsche eigentlich unverständlich"c. Andererseits. und hier sind als Erste seine deutschen Historikerkollegen. die zum 19. und 20. Jahrhundert arbeiten, seine Adressaten,
will er aus einer flir diese in der Regel allzu entfernten und kaum noch wahrgenommenen Welt des hohen und späten Mittelalters aufklären über die Einheit
der deutschen Geschichte von ihren Anfangen bis zur Gegenwart, um die in der
Regel von älteren Erfahrungen abgehobene Debatte um den "Sonderweg der
de~tschen Geschichte" auf den Boden historischer Realitäten zurückzuholen, die
nicht erst 1871. 1806. 1648 oder 1495 entstanden sind, sondern über ein Jahrtausend hin.
Es ist daher davon auszugehen, dass die nachfolgenden Überlegungen zum
spezifisch deutschen Weg in die Neuzeit sowie zur Stellung des deutschen 17.
Jahrhunderts innerhalb der europäischen Geschichte in der Festschrift ftir einen
1
So der Titel seines Beitrages zur Festschrill fur Wolfgang von Stromer, "Hochfinanz. Wirtschaftsräume. Innovationen", Trier 1987. ßd. 2. S. 583-616. - Dem essayhaf:.
ten Charakter dieses Beitrages entsprechend. 1\ ird im Folgenden auf einen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat 1 erzichteL
2
Peter .\lorall'. Vom deutschen Zusammenhalt in älterer Zeit, in: Matthias Werner
(Hrsg. ). Identität und Geschichte. Weimar 1997. S. 27-59.
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Mediävisten mit dem Interessenprofil von Peter Moraw nicht als Fremdkörper
erscheinen werden. Das ist auch deswegen kaum zu erwarten, weil nicht wenige
Gedanken auf Diskussionen und Impulsen jenes Dezenniums fußten, das der
Autor als frühneuzeitlicher collega proximus in Gießen an der Seite des Jubilars
verbrachte. Sein Beitrag versteht sich auch und vor allem als Dank fllr diese
gute Zeit und Hommage an den Gießener Kollegen, der- das darf man trotzder
nicht geringen Bedeutung des dortigen Frühneuzeitlehrstuhls getrost sagen - im
letzten Vierteljahrhundert wie kein Zweiter die Geschichtsinterpretation Alteuropas bestimmt hat.
Das Spätmittelalter wird nicht eigens thematisiert. Es dürfte aber deutlich
werden, dass hinter den Ausfuhrungen ein Epochenverständnis steht, das Spätmittelalter und die ersten anderthalb oder zwei Jahrhunderte der frühen Neuzeit
als eine in vielem einheitliche Zeie des Wandels begreift beziehungsweise als
eine zusammenhängende Phase alteuropäischer Modemisierung - dieser heute
häufig diskreditierte Begriff sei gerade auch im vorliegenden Zusammenhang
gewagt, wird er auch von dem Mediävisten Moraw immer wieder mit Gewinn
4
angewendet •
I.
In einer Welt, in der "auch und gerade die fur ältere Zeiten, das heißt fllr das
Mittelalter und die frühe Neuzeit, zuständige Geschichtsforschung ... ohne
3
Näher ausgeführt in Hein:: Schilling, Die Reformation- ein revolutionärer Umbruch
oder Hauptetappe eines langfristigen reformierenden Wandels? in: W Speitkamp und H.
P. VIImann (Hrsg.), Konflikt und Reform. Festschrift ftir Helmut Berding, Göttingen
1995, S. 26--40; ders., Reformation - Umbruch oder Gipfelpunkt eines Temps des
Reformes? in: Bernd Moeller (Hrsg.), Die frühe Reformation in Deutschland als Umbruch, Gütersloh 1998 (= Schriften des Vereins ftir Reformationsgeschichte 199) S. 1334; ders., Die neue Zeit. Vom Christenheitseuropa zum Europa der Staaten. 1250 bis
1750, Berlin 1999 (=Siedler Geschichte Europas 3 ).
4
Auch diese begrifflich-theoretische Gemeinsamkeit hat wohl verwandte Wurzeln,
vor allem die gemeinsame Zeit, die Peter Morawals junger Professor und der Verfasser
des Beitrages als Assistent Anfang der 1970er Jahre an der damals noch jugendfrischen
Fakultät fllr Geschichtswissenschaften an der Universität Bielefeld verbrachten, in deren
Curriculum spätes Mittelalter und frühe Neuzeit als Epoche Alteuropas zusammengebunden waren. Leider haben sich daraus kaum Konsequenzen ftir die allgemeine Epocheneinteilung im deutschen Geschichtsstudium ergeben, in dem Mittelalter und Neuzeit
nach wie vor in streng getrennte Kästchen verpackt sind. Vgl. dazu Hein;: Schilling, Vita
religiosa des Spätmittelalters und frühneuzeitliche Differenzierung der christianitas _
Beobachtungen zu Wegen und Früchten eines Gesprächs zwischen Spätmittelalter- und
Frühneuzeithistorikem, in: Franz J Feiten und Nikolas Jasperl (Hrsg.), Vita Religiosa
im Mittelalter. Festschrift ftir Kaspar Elm zum 70. Geburtstag, Berlin 1999, S. 785-796.
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Zweifel immer europäischer" 5 wird und die politische Union Europas sich anschickt, weit über den ursprünglichen Raum westlich der Eibe auszugreifen, ist
"Nationalgeschichte" keineswegs eine überflüssige oder gar "überwundene"
Aufgabe. Im Gegenteil, auch heute gilt - darauf hat Peter Moraw noch jüngst
energisch hingewiesen -, "wenn es um Lebensfragen und Verantwortung geht,
ist der Weltbürger etwas Illusionäres", und es ist den Wurzeln von Nationalstaat
und Nation nachzuspüren, und zwar auch den mittelalterlichen, will man die
"spezielle mittelalterlich-neuzeitliche Nationsproblematik" und ihre auch politi6
schen Belange begreifen . Andererseits ist aber auch offensichtlich, dass heute
moderne Nationalgeschichten nur noch in Rückbezug auf die Geschichte der
Nachbarländer und der Geschichte des Kontinents insgesamt möglich sind. Dieses allgemeine Postulat gilt flir die deutsche Geschichte des Mittelalters und der
frühen Neuzeit in einem besonderen Maße. Als Geschichte in der Mitte Europas
war deutsche Geschichte immer zugleich europäische Geschichte, wie umgekehrt viele Probleme der Nachbarstaaten und des europäischen Staatensystems
bestimmend in die deutsche Geschichte eingriffen, das zeigen Reformation und
Kar! V. ebenso unmissverständlich wie Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer
Friede. Ganz offensichtlich ist das in der Reformationszeit, als Kar! V. ein den
Kontinent und den Atlantik überspannendes Imperium beherrschte und in Europa eine überstaatliche Ordnung durchzusetzen versuchte, die auf einem universal verstandenen Kaisertum und damit auf dem Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation basierte.- Nicht anders sah es im 17. Jahrhundert aus: Der
Dreißigjährige Krieg war kein "Teutscher Krieg", sondern erstes neuzeitliches
Mächteringen in der Mitte des Kontinents. Der Westfälische Frieden schuf eine
europäische Staatenordnung, die Mitteleuropa nachgerade europäisierte.
Somit gilt bereits flir die ältere Geschichte Deutschlands das Apen;:u des bekannten italienischen Regisseurs Giorgio Strehler, dass nämlich Europa ein Gei7
steszustand sei, ein Land stets in Beziehung zu den anderen zu sehen • Für die
deutsche Geschichtsschreibung bedeutet das zweierlei: Erstens sind inhaltlichsachlich die Überschneidungen und wechselseitigen Beeinflussungen zwischen
den verschiedenen europäischen Nationalgeschichten hinreichend zu berücksichtigen. Zweitens ergibt sich daraus die methodische Notwendigkeit zur komparatistischen Perspektive, d.h. die frühneuzeitliche "Nationalgeschichte"
Deutschlands im Vergleich zu derjenigen der Nachbarn und vor der Folie gemeineuropäischer Strukturen und Entwicklungen zu erarbeiten.
In dieser vergleichenden, europäischen Perspektive wird deutlich, dass
Deutschland unter besonderen Bedingungen den Weg in die Neuzeit antrat, unter Sonderbedingungen, die den weiteren Gang der deutschen Geschichte im I 9.
5
Moraw, Zusammenhalt (wie Anm. 2) S. 27.
6
Ebd. S. 30.
7
Zitiert nach
FAZ vom 21.08.1984.
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und 20. Jahrhundert tief beeinflussten und auch heute noch die politische und
kulturelle Identität der Deutschen mitprägen. Das war kein "Sonderweg", jedenfalls nicht im Sinne jener Debatte, die Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts
darüber fuhrten, ohne einen vergleichenden Blick auf die vormoderne Entwicklung Deutschlands und der anderen europäischen Länder und Völker zu werfen.
Es waren spezifische Umstände historischer Entwicklung, wie auch andere europäische Länder, sagen wir Spanien und Frankreich, unter spezifischen, im
Vergleich zu Deutschland allerdings "leichteren" Umständen den Übergang von
der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Gesellschaft vollzogen.
Im europäischen Vergleich ist flir den deutschen Weg in die Neuzeit vor allem eines bezeichnend - das Schwergewicht des mittelalterlichen Erbes und die
daraus resultierende Langwierigkeil der Anpassung an die politischen, religiösen, sozialen und selbst ökonomischen Rahmenbedingungen des frühneuzeitlichen Europa. Begreift man diesen Wandel mit Max Weber als einen Prozess der
Versachlichung, der Rationalisierung und Modernisierung, dann war diese frühneuzeitliche Modernisierung in der Mitte Europas besonders lang gestreckt und
besonders komplex, weil wie eine schwere Endmoräne stets die Probleme des
Mittelalters mittransportiert und die neuen Wege schwer in mittelalterliches Urgestein hineingeschürft werden mussten. Das prägte wesentlich die Rhythmen
und Zeitstrukturen, aber auch die Inhalte der Geschichte Deutschlands in der
Frühneuzeit und darüber hinaus.
Nach den politischen Reformanläufen des 15. Jahrhunderts und dem geistigreligiösen Aufbruch der Reformation, der zugleich ein gesellschaftlicher, kultureller und politischer Aufbruch auf breiter sozialer Basis war, schien der Übergangs- und Anpassungsprozess mit dem großen Gesetzeswerk von 1555 weitgehend abgeschlossen. Denn dieses als "Augsburger Religionsfrieden" inhaltlich
nur unzureichend charakterisierte Reichsgrundgesetz brachte in gewisser Weise
die im späten Mittelalter eingeleitete Reichsreform zu einem Ende, besiegelte
die ebenfalls im Mittelalter wurzelnde Territorialverfassung des Reiches und
gab der aus der Reformation hervorgewachsenen realen Bi-Konfessionalität eine
reichsrechtliche Grundlage. Auf dieser Basis konnte die weitere Formierung des
Reiches und vor allem die Staatsbildung in den Territorien voranschreiten, und
zwar in engster Allianz mit der in den 1570er Jahren einsetzenden Konfessionalisierung8. Diese Konfessionalisierung war ambivalent- einerseits bedeutete sie
einen mächtigen Wandlungs- und Modernisierungsschub, vor allem hinsichtlich
der Formierung des frühmodernen Fürstenstaates mit seiner frühmodernen Untertanengesellschaft sowie der Herausbildung frühmoderner Mentalitäten und
8
Zuletzt umfassend Hein= Schilling, Das konfessionelle Europa. Die Konfessionalisierung der europäischen Länder seit Mitte des 16. Jahrhunderts und ihre Folgen für Kirche, Staat, Gesellschaft und Kultur, in: Joachim Bahlcke und Arno Strohmeyer (Hrsg.),
Konfessionalisicrung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und
17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur. Stuttgart 1999, S. 13--62.
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Verhaltensformen (Kirchenzucht, Sozialdisziplinierung). Andererseits konnte all
das nur durch ständig sich verschärfende Abgrenzung und Konfrontation der
konfessionellen Weltanschauungs- und Machtblöcke geschehen. Diese Ambivalenz zusammen mit anderen teils von der Konfessionalisierung beeinflussten,
teils ganz unabhängig davon entstandenen Problemen des späten 16. Jahrhunderts - greifbar in der Demographie, einem eingeengten Nahrungsspielraum,
dem Schub der kleinen Eiszeit, einer sozio-psychologischen Erregtheit mit Kometenglauben und Judenverfolgung, in einer gesteigerten Eschatologie und
schließlich in dem aufziehenden europäischen Staatenkonflikt- führte die 1555
eröffnete, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in vielen öffentlichen und
privaten Lebensbereichen vollzogene frühmoderne Formierung und Verdichtung noch einmal in eine Grundsatzkrise, greifbar in der Blockade der Reichsinstitutionen, in der Unfähigkeit zur Friedenssicherung und im Willen zur Konfrontation, der ins Chaos des großen Krieges einmündete. Die ein halbes Jahrhundert später am Verhandlungstisch in Münster und Osnabrück gefundenen
Lösungen entsprachen im wesentlichen den Tendenzen, die sich im späten Mittelalter angebahnt hatten.
So konnte sich erst seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der tatsächliche Aufbau jener frühmodernen Strukturen und Funktionen in Staat, Gesellschaft, Mentalität und Verhalten endgültig vollziehen, der sich bereits im "langen 16. Jahrhundert", vor allem seinen letzten Jahrzehnten, angebahnt hatte,
dann aber seit 1620 in der Krise des großen Konfessions- und Staatenkonfliktes
wieder in die Ferne gerückt war. Ohne die Brüche, Krisen und Diskontinuitäten
der deutschen Geschichte - insbesondere auch die Wendemarke des Westfälischen Friedens- zu leugnen, lässt sich somit im Falle Deutschlands von einem
zusammenhängenden, rund dreihundertjährigen Wandlungsprozess der werdenden Neuzeit sprechen. Nach dem Aufbruch im 15. Jahrhundert und in der Reformationszeit gipfelte er auf der Wende des 16. Jahrhunderts in einer ersten
Achsenzeit der Frühmoderne, die tiefgreifende Wandlungen und Formierungen
in Kirche, Staat, Gesellschaft sowie in der Mentalität, im Verhalten und in der
Lebensführung der Individuen und Gruppen in Gang setzte. Das 17. Jahrhundert
brachte den windungsreichen Weg der werdenden Neuzeit in Deutschland zu
Ende, indem nach einer weiteren Durchbruchskrise die Generationen nach 1648
auf einem nun nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellten Fundament das "Alte
Reich" aufbauen konnten. Gegenüber dem mittelalterlichen Reich war das kein
Neubau, aber es war ein renoviertes Reich, teilmodernisiert in politischstaatlicher, kirchlicher, gesellschaftlicher, religiös-kultureller und ökonomischer
9
Hinsicht sowie in den Mentalitäts- und Verhaltensdimensionen • Die Herausbil-
9
Dieser Beitrag wurde geschrieben, bevor die programmatische Neubewertung des
Alten Reiches von Georg Schmidt (Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in
der Frühen Neuzeit, 1495-1806, München 1999) vorlag. Eine Auseinandersetzung mit
diesem wichtigen Buch plane ich an einem anderen Ort vorzulegen. Der aufmerksame
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dung des frühneuzeitlichen Reichssystems war Ergebnis einer Teilmodemisierung, die auf verschiedenen Ebenen ablief - von der frühmodern formierten
Familie über Dorf und Stadt, die in ein neues staatlich-untertanengesellschaftliches Koordinatensystem eingefügt wurde, hin zu den deutschen Einzelstaaten
und dem Reich sowie dem System zwischenstaatlicher Beziehungen innerhalb
des Reiches und Europas insgesamt.
Bei der Teilmodemisierung des Reiches waren vier Kardinalprobleme zu
lösen:
Erstens, die Verfassungsfrage. Sie stellte sich mit nachgerade "naturwüchsiger" Macht, weil Deutschland anders als nahezu alle europäischen Nachbarn mit Ausnahme Italiens - die frühmoderne Staatsbildung nicht auf nationaler,
sondern nur auf territorialer Ebene vollziehen konnte. Die Staatsbildung in den
Territorien vollzog sich aber nicht so, dass man sie einfach als eine gleichsam
fragmentierte, vervielf<iltigte und verkleinerte Nationalstaatsbildung beschreiben
dürfte. Die frühmoderne Staatsbildung in Deutschland ist vielmehr als ein eigener, sonst nirgends in Europa anzutreffender Typus zu begreifen. Er war dadurch gekennzeichnet, dass einerseits das Reich als vorstaatlicher und natürlich
erst recht vornationalstaatlicher politischer Verband fortbestand und an der
frühneuzeitlichen Formierung und Verdichtung der politischen Ordnung und
ihrer Funktionen teilnahm, ohne jedoch zum Staat werden zu können. Andererseits bildeten die ebenfalls historisch gewachsenen territorialen und partikularen
Landesherrschaften immer mehr an frühmoderner Staatlichkeil aus, ohne nun
aber ihrerseits in der Lage zu sein, den letzten Rest vormodemstaatlicher Bindung an das Reich abzuschütteln und zur vollen Staatssouveränität voranzuschreiten. - Eigentlich war bereits Ende des 15. Jahrhunderts entschieden, dass
keine der beiden Traditionen - weder der Territorien noch des Reiches - sich
einfach ablegen ließ, sondern miteinander vereinbart werden mussten. Das daraus resultierende Problem betraf weniger die Landesherrschaft und die Territorien als das Reich. Denn es war nicht abzusehen, wie das Reich ohne Selbstzerstörung seine mittelalterliche Gestalt so würde umformen können, dass es auch
in der kirchlich, politisch, rechtlich und gesellschaftlich veränderten Welt der
Neuzeit die notwendigen transterritorialen Funktionen würde erfüllen können.
Zweitens, die Multikonfessionalität der Deutschen. Sie war aufs Engste mit
der doppelstufigen Staatsbildung verkoppelt, und wie jene war sie präsentes Erbe des Mittelalters. Die spätmittelalterliche Kirchenreform war ein gesamteuropäisches Phänomen. Angesichts der Verbindung des Reiches mit der Papstkirche stellten sich in Deutschland aber wiederum spezifische Probleme. Im 16.
Jahrhundert wurde Deutschland darüber hinaus Stammland der Reformation, die
Leser wird indes auch dem vorliegenden Beitrag die Unterschiede in Zeitrahmen und vor
allem in der Qualifizierung des Reiches entnehmen - als ..teilmodemisiertes Reichssystem" statt, wie Georg Schmidt prononciert ... komplementärer Reichs-Staat".
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die mittelalterlichen Konzepte einer universellen Kirchenreform sprengte und
daher vor allem in der Romania als Pesfis Germaniae galt. Eine protestantische
Nationalkirche der Deutschen war andererseits aber undenkbar. Denn das Heilige Römische Reich und sein Sacerdos-Kaiser trugen eine besondere Verantwortung ftir die Einheit der Christenheit und ftir die Reinheit des Glaubens, der
in diesem Kontext nur als römischer vorstellbar war.
Die beiden ersten Kardinalprobleme zusammengenommen, ist in vergleichend-europäischer Perspektive ein Dreifaches festzustellen: Erstens, dass die
Deutschen im Unterschied zu den meisten ihrer Nachbarn bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht in einem Staat, sondern in einem Reich lebten, und zwar in einem Reich, das in Konkurrenz zu einer Vielzahl von frühmodernen Staaten in
den Territorien stand, dass Deutschland somit zweitens politisch multiterritorial
organisiert war, und drittens, dass es multikonfessionell war, das heißt nicht eine, sondern zwei, ab 1648 drei religiös-kulturelle Identitäten entwickelte. Angesichts der in Alteuropa systembedingten Strukturverzahnung von Religion und
Politik, von staatlichen und kirchlichen Ordnungs- und Wandlungsprozessen,
die ich an dieser Stelle nur postulieren, nicht aber deduzieren kann 10 - angesichts dieses religionssoziologischen Sachverhaltes waren Verfassungs- und
Konfessionsfrage im 16. und 17. Jahrhundert engstens aufeinander bezogen und
haben in dieser Verschränkung den allgemeinen Gang der frühneuzeitlichen
Modernisierung im Reich wesentlich mitgeprägt
Drittens, die gestaltende Teilnahme am internationalen Mächtespiel. Die
Einfugung Deutschlands ins Mächteeuropa hatte von der Mitte Europas aus zu
erfolgen, zunächst noch unter dem Anspruch einer kaiserlichen Gesamtverantwortung ftir die Christenheit, dann aber nach dem Scheitern der universellen
Kaiseridee Karls V. auf der Basis eines partikularen Reiches der Deutschen und
seiner Teilstaaten. Auch diese Seite der politischen Modernisierung wurde aufs
Tiefste von dem religionssoziologischen Fundamentalprozess einer Konfessionalisierung des Reiches und Europas mitbestimmt.
Viertens, die Einstellung auf die neuzeitlichen Bedingungen der Wirtschaft,
die nun auf den Atlantik und die Ostsee statt auf das Mittelmeer bezogen war
und sich zunehmend zu einer transkontinentalen Weltwirtschaft entwickelte.
Auch das war eine Aufgabe ftir Generationen, die im 16. Jahrhundert nur in Ansätzen gelöst werden konnte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der schwere
Wunden geschlagen hatte, musste Deutschland, oder besser gesagt die deutschen Territorien, nicht nur den Wiederaufbau bewältigen, sondern damit zugleich eine Aufholjagd organisieren, um irgendwann Anschluss an das seit Mitte
des 16. Jahrhunderts sich mit rasanter Dynamik entfaltende System frühmoder-
10
AusfUhrlieh theoretisch und methodologisch begründet im allgemeinen, einfUhrenden Teil meines Buches ..Konfessionskonflikt und Staatsbildung", Gütersich 1981, S
15-39
46•
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ner, europäischer Weltwirtschaft am Atlantiksaum zu finden. Das war umso
schwieriger, als sich noch 1650 in Europa allenthalben das "Gesetz der Größe
und Fläche" bemerkbar machte, das den großen Einheitsstaaten mächtepolitisch
wie ökonomisch zugute kam, während Länder wie die deutschen Fürstentümer
mit geringer Einwohnerzahl, Fläche und sonstigen Ressourcen das Nachsehen
hatten und immer weiter zurückzufallen drohten.
II.
Aus dem deutschen Modemisierungssyndrom von Verfassungsmodernisierung, Multikonfessionalität, Eintritt in das Europa der Mächte und Anschluss an
die frühmoderne atlantische Weltwirtschaft soll im Folgenden nur der politische
Sektor, also die Verfassungsfrage und die internationale Politik, etwas genauer
ausgeleuchtet werden.
Was zunächst die Verfassungsfrage anbelangt, so haben wir es mit einer
"Modemisierung" zu tun. Denn anders als die Historiker des 19. und frühen 20.
Jahrhunderts wissen wir heute, dass sich nicht nur die Territorien, sondern auch
das Reich in der werdenden Neuzeit formierte und verdichtete, also so etwas
wie eine Teilmodemisierung erfuhr. Auf dem langen, gut zweihundertjährigen
Weg wurde das Heilige Römische Reich Deutscher Nation des Mittelalters zum
Alten Reich der Frühneuzeit, das formalrechtlich bis 1806 ein Römisches blieb,
filr das der Historiker in europäisch-vergleichender Perspektive aber die anachronistische Bezeichnung eines Deutschen Reiches wagen darf. Dieses "Deutsche Reich" des späten 17. und des 18. Jahrhunderts ragte als vor- und überstaatliche politische Institution - in den Worten Pufendorfs "einem Monstrum
gleich" - aus einer feudal, d.h. lehnsrechtlich, personenverbandsmäßig aufgebauten Vorzeit hinein in die europäische Frühmodeme, die zunehmend nach
transpersonalen, sachlichen Gesichtspunkten strukturiert wurde und nach rationalen Kriterien funktionierte. Dieser Lehnsverband "Reich" war alles andere als
trockenes Holz. Der Lehnseid der Reichsstände zählte bis zuletzt. Selbst in
Reichsitalien achteten Politiker und Reichsjuristen argwöhnisch auf die Sicherung der Iehnsrechtlichen Ansprüche des Reiches- aus Patriotismus gegenüber
dem Römischen Reich, aber auch zur Sicherung deutscher, vor allem österreichischer Bastionen im internationalen Mächtespiel 11 • Neben diesen Lehnsbindungen hatte das frühneuzeitliche Reich aber durchaus auch sachlich-funk1
1
Eine genaue Darstellung dieser Zusammenhänge ist ein Forschungsdesiderat
Wichtige Bemerkungen bei Kar/ Otmar Freiherr von Aretin, Das Reich. Friedensgarantie
und europäisches Gleichgewicht 1648-1806, Stuttgart 1986, Kapitel 1.2. Reichsitalien
von Kar I V. bis zum Ende des Alten Reiches. Die Lehensordnungen in Italien und ihre
Auswirkungen auf die europäische Politik, S. 76-159 und Kapitel 11.3. Der Heimfall des
Herzogtums Mailand an das Reich im Jahr 1700, S. 241-254 sowie S. 268-289. Vgl.
auch ders., Rcichspatriotismus, in: Aufklärung 4, Heft 2 ( 1989), S. 25-36, hier S. 26f.
\\'ider den \1ythos vom Sonderweg
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tionale Kapazitäten entwickelt, die es in den Stand versetzten, wichtige Aufgaben einer überterritorialen und überstaatlichen Politikorganisation zu erfl.illen.
Allgemein gesprochen waren die Konsequenzen, die sich aus der Fortexistenz des Reiches ergaben, ambivalent. Die funktionalen und strukturellen Probleme des Alten Reiches sind bereits von den Zeitgenossen kritisiert worden,
was die Macht- und Nationalstaatshistoriker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
natürlich in ein generelles Verdammungsurteil über das schwache, kuriose
Reich steigerten. Die Richtung der Kritik lässt jedoch aufhorchen, so etwa der
Stoßseufzer des Reichspublizisten Johann Jakob Maser: "Wenn Gott ein Volk
wird strafen wollen, so wird er es künftig mit deutscher Freiheit heimsuchen" eine Charakterisierung der deutschen Verfassung, die mit derjenigen von Gottfried Wilhelm Leibniz übereinstimmt, der das Reich als Ort größter ständischer
12
Freiheiten in Europa bezeichnete .
Von der Machtstaats-Obsession älterer Generationen befreit, beurteilen heute
die meisten deutschen Historiker die Leistungen des frühneuzeitlichen Reichssystems positiver als ihre Vorläufer: Das Reich hatte im 16. Jahrhundert als
Friedens-, Rechts- und Verteidigungseinheit eine neue Realität erlangt, die es
auch im Angesicht territorialer Staatlichkeil und selbst des preußischösterreichischen Mächtedualismus bis 1806 zu wahren wusste. Das war zwar
keine Staatsbildung nach Art der west- und nordeuropäischen Nationalstaaten,
wohl aber ein Wandel, eine Teilmodernisierung hin zu einem funktionsfähigen
föderalen System eigenständiger Prägung.
Das Reich besaß eine ganze Reihe von Institutionen, die im Innern den Frieden und den Ausgleich zwischen den einzelnen Territorien sowie den Schutz der
kleinen Reichsstände gegen die Wolfsnatur der Großen garantierten und nach
außen die Verteidigungsfähigkeit des Gesamtverbandes sicherstellten: Die beiden obersten Reichsgerichte in Wien und Speyer bzw. Wetzlar waren als eine
Art Schiedsinstanzen tätig und begrenzten dadurch einerseits das einzelstaatliche Gewaltpotential und garantierten andererseits den Rechtsweg zur Sicherung
von Grund- und Freiheitsrechten der Untertanen in Stadt und Land gegen Willkür der Obrigkeiten. - Die Reichskreise nahmen als korporative Zusammenschlüsse benachbarter Territorien eine ganze Reihe grenzüberschreitender öffentlicher Aufgaben wahr. In einigen Kreisen, vor allem im Süden, wo übermächtige Mitglieder fehlten, entwickelte sich darüber hinaus ein überterritoriales Verfassungsleben, das nicht auf der Dominanz des Stärksten basierte, sondern auf einen Interessensausgleich zugunsten aller ausgerichtet war. - Der
1648 restituierte Reichstag, der seit 1663 als immerwährender Gesandtenkongress in Regensburg tätig war, arbeitete nicht als Parlament im modernen Sinne,
12
Moser-Zitat nach Gustav Schmal/er, Deutsches Städtewesen in älterer Zeit, Bonn
!922, S. 244. Zu Leibniz vgl. Notker Hammers/ein, Leibniz und das Heilige Römische
Reich Deutscher Nation, in: Nassauische Annalen 85 (1974), S. 87-102, hier S. IOOf.
708
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wohl aber als Forum der öffentlichen Diskussion und des Interessenausgleichs.
Die Reichsstandschaft Dänemarks und Schwedens, später auch Englands
machten die Regensburger Versammlung zugleich zu einem europäischen Forum. Trotz mancher Unzulänglichkeiten kann der deutsche Reichstag daher
durchaus als historisches Vorbild fiir moderne überstaatliche Institutionen der
Konfliktschlichtung und des friedlichen Interessenausgleichs gelten.
Die womöglich interessanteste Institution des Alten Reiches ist aber sein
Wehnvesen 13 . Denn die Reichswehrverfassung wirft neues Licht auf das heikle
Problem der militärisch-kriegerischen Traditionen der Deutschen. Der viel diskutierte und kritisierte Militarismus ist eine Erscheinung der Territorialstaaten,
nicht des Reiches. In den territorialen Partikularstaaten und später dann im Nationalstaat des 19. und 20. Jahrhunderts war die Wehrverfassung aggressiv, offensiv, unterdrückend nach innen wie nach außen. Für den preußischen Militärstaat ist das allbekannt; es gilt aber genauso fUr den habsburgischen Militarismus und flir manchen der deutschen Mittelstaaten, besonders beunruhigend im
Fall Hessen-Kassels, das Preußen auf schmaler Grundlage imitierte. Dagegen
war die militärische Räson des Reiches ganz und gar defensiv und auf Konsens
angelegt, sowohl hinsichtlich der sie tragenden Kräfte als auch in der Zielsetzung. Es war reichsgrundgesetzlich festgelegt, dass das Reich friedfertig war
und keine außenpolitische Expansionsdynamik entwickelte. Trotz aller daraus
resultierenden Schwierigkeiten, die vor allem die Militärs ungeduldig machten,
war die Verteidigungsfahigkeit des Alten Reiches Jetztlieh immer gesichert.
Was die territoriale Staatsbildung anbelangt, so war vor allem ihre Kleinräumigkeit folgenreich flir die weitere Gesellschaftsgeschichte und die historischpolitische Kultur der Deutschen. Denn dadurch war der Fürstenstaat seinen Untertanen besonders nah. Das bedeutete keineswegs in erster Linie Omnipräsenz
und Übermacht des absolutistischen Obrigkeitsstaates. Im Gegenteil, dieses Stadium staatlich-politischer Verdichtung haben die meisten der allein im Südwesten nach Dutzenden zählenden semistaatlichen Gebilde von Minderstaaten und
Punktherrschaften nie erreicht. Nicht die immer wieder klischeehaft beschworene Duodez-Willkür, die es natürlich durchaus gab, war das Prägende, sondern
die Tatsache, dass die große Mehrzahl der Deutschen den frühmodernen Staat in
den Mittel- und Kleinterritorien in erster Linie als Fürsorge- und Beamtenstaat
erlebte. Das hatte Konsequenzen fiir die politische Mentalität: Die Deutschen
gewöhnten sich daran, dass der Fürst und seine Beamtenschaft in einer bald alles umfassenden "Policey"-Gesetzgebung fiir das "Gemeine Beste" und die geistige und materielle Glückseligkeit der Untertanen Sorge trugen. In Holland und
England war das ganz anders. Dort nahmen breite Schichten das Gemeine Beste
13
Die Reichswehrverfassung ist nicht-deutschen Historikern besonders schwer verständlich zu machen. Jean Berenger hat dem durch eine kenntnisreiche Darstellung Abhilfe geschaffen, vgl. Lucien B1Hy. Jean Berenger und Andre Corvisier, Guerre et paix
dans I' Europe du 17• siecle, 2. Auflage, Paris 1991, S. 269ff.
Wider den :--1)1hos vom Sonderweg
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in die eigene Hand. und es entwickelten sich frühliberale Gesellschaftstheorien.
In Theorie und Praxis ging es bei unseren Nachbarn bereits froh nach der Maxime, die ein holländisches Pamphlet volkstümlich formulierte: "Eine Kuh, die
im Morast zu versinken droht, packt nur der Bauer selbst an dem schmutzigen
Schwanz, um sie herauszuziehen" 1 ~. In den deutschen Territorien verkümmerten
dagegen ältere gleichgerichtete Ansätze durch die Omnipräsenz des ftirstlichen
Fürsorgestaates. den Vorläufer des modernen Sozialstaates. Der alteuropäische
Bürgergeist, der im 15. und 16. Jahrhundert in den deutschen Städten wie nirgendwo anders geblüht hatte, wurde weniger gebrochen, als dass ihm der Atem
abgedrückt wurde.
In der kleinteiligen Welt des Alten Reiches war dasjenige besonders stark
ausgeprägt, was die jüngere Forschung das "Nichtabsolutistische im Absolutismus" (Gerhard Oestreich) nennt. Gemeint sind alteuropäische Freiheits- und
Mitbestimmungstraditionen, die selbst in Frankreich, dem Musterbeispiel des
furstlichen Absolutismus, nicht restlos verloren gingen. Diese alteuropäischen
Rechts- und Freiheitstraditionen sind inzwischen in das Bild vom frohneuzeitlichen Deutschland eingearbeitet worden, und zwar nicht nur die Auf- und Widerstandsbewegungen, sondern auch die alltägliche Selbstbehauptung ständischgenossenschaftlicher Kräfte sowie die Verrechtlichung und Vergerichtlichung,
die Untertanen in Stadt und Land sehr wohl zu nutzen wussten, um sich der
Willkür ihrer Fürsten und Herren zu erwehren. Man spricht in diesem Zusammenhang vom fürstlich-ständischen Dualismus, von "Kommunalismus" (Peter
Blickle) oder ,,alteuropäischem Stadtrepublikanismus" (Heinz Schilling). Letzterer war bis ins I 7. Jahrhundert hinein in der politischen Kultur des Reiches
breit vertreten, weil er die Ordnungsvorstellung des in Deutschland besonders
starken Stadtbürgertums ausmachte - in den Reichsstädten ebenso wie in den
nach Hunderten zählenden Landstädten. Erst Mitte des 17. Jahrhunderts verengte sich dieser Stadtrepublikanismus im Falle der Reichsstädte auf ein Dutzend ökonomisch und politisch potenter Mittel- und Großstädte, im Falle der
Landstädte sogar auf eine kleine Handvoll "Autonomiestädte" (Otto von Gierke), die sich der Unterwerfung unter den Fürstenstaat erfolgreich widersetzt
hatten.
Zu dem neuen Bild von der historisch-politischen Kultur im frohneuzeitlichen Deutschland gehört schließlich auch die Neudeutung der Rolle Luthers und
des Luthertums. Angesichts der engen Verbindung, die das Luthertum des 19.
Jahrhunderts mit dem preußisch-deutschen Reich einging, wurde lange Zeit
1
~ Unübertreffliche Verbildlichung der niederländischen Interessen-Lehre bei Pie/er
de Ia Court, Consideratien van Staat ofte Politike Weegschaal, 4. Auflage, Amsterdam
\626, S. 660. Vgl. zur Situation in Deutschland Hein:: Schilling, Der libertär-radikale
Republikanismus der holländischen Regenten. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen
Radikalismus in der frühen Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft I 0 ( \984 ), S. 498555. vor allem S. 523fT., 530f.
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Heinz Schilling
Luther selbst und das frühneuzeitliche Luthertum als Mitbegründer des Obrigkeits- und Gewaltstaates diskreditiert. Dabei wirkten die Thesen der klassischen
Religionssoziologie fort, die Calvinismus mit Demokratie und Freiheit, das Luthertum dagegen mit Gehorsam und Untertanengeist gleichsetzten. Dem hält die
jüngere Reformations- und Konfessionalisierungsforschung entgegen, dass Luther und das frühneuzeitliche Luthertum alles andere als obrigkeitshörig waren.
Selbst die theologisch begründete Widerstandslehre, die in Westeuropa so einflussreich wurde, war keine Erfindung der Calvinisten. Vielmehr übernahm sie
Theodor Beza aus dem Magdeburger Bekenntnis, mit dem Mitte des 16. Jahrhunderts orthodox lutherische Prädikanten die Opposition gegen den Kaiser begründeten.
All dies und weitere Erkenntnisse der jüngeren Frühneuzeitforschung zusammengenommen, treten neben den Linien, die in Deutschland den Obrigkeitsstaat und die Mentalität des Untertanen im Sinne des 19. Jahrhunderts hervorbrachten, immer deutlicher das Freiheitsbewusstsein und der Partizipationsanspruch hervor, die den ständischen und stadtrepublikanischen Bewegungen
ebenso Kraft verliehen wie den zahlreichen bäuerlichen Widerstandshandlungen.
Auch die Mächtepolitik, die Reich und Territorien im internationalen System
der frühen Neuzeit betrieben, wurde entscheidend von der Fortexistenz des mittelalterlichen Reiches, dem Mit- und Gegeneinander der sich zu Staaten verdichtenden Territorien, schließlich auch von der Konfessionalisierung und Multikonfessionalität mitgeprägt In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war es
vor allem die auf das mittelalterliche Römische Reich gestützte, aber neuzeitlich
umformulierte, universale Kaiseridee Karls V., die nicht nur theoretisch, sondern auch realpolitisch die Stellung Deutschlands in Europa maßgeblich prägte.
In dieser ersten Phase war das internationale System der Neuzeit charakterisiert
durch eine spannungsreiche Gleichzeitigkeit von imperial-universalistischer
Einheitsidee, die die neue zwischenstaatliche Ordnung noch als ein gradualistisches, d.h. geistig nach Rang abgestuftes hierarchisches System ansah, und der
bereits im späten Mittelalter vor allem in Westeuropa zum Durchbruch gelangten historischen Wirklichkeit der Partikularität prinzipiell gleichberechtigter
Einzelstaaten. Während diese westeuropäischen Einzelstaaten längst dazu i.ibergegangen waren, die eigene Staatsräson zur Leitlinie ihrer Außenpolitik zu machen und kein überstaatliches, diese Interessen relativierendes Ordnungskonzept
mehr akzeptierten, war der "außenpolitische" Handlungsspielraum Deutschlands
noch wesentlich durch die Real- und Idealexistenz des Reiches geprägt. Das gilt
fllr das Reich selbst und seine Rolle im internationalen System, aber auch f!lr
die Reichsstände und ihre sich herausbildenden Territorialstaaten, die sowohl
untereinander als auch im europäischen Rahmen neben den neuzeitlichen
Staatsinteressen immer auch das ältere Einheitsprinzip des Reiches zu berücksichtigen hatten.
Wider den M)thos vom Sonderweg
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Nach der Abdankung Karls V., die zugleich das Scheitern seines universalen
Europakonzepts besiegelte, wurde diese Einengung Schritt fiir Schritt beseitigt,
und die deutschen Einzelstaaten erhielten schließlich weitgehende Handlungsfreiheit in Europa, begrenzt allein durch die interpretationsfähige Pflicht, nicht
gegen Kaiser und Reich zu handeln. Zwei Kräfte waren hierfilr verantwortlich die in der Reformation aufgebrochene religiöse Dynamik, die in der gesamtgesellschaftlich formierenden Konfessionalisierung auch die Außenpolitik und das
internationale System erfasste, und die Tatsache, dass die außerhalb des Reiches
zur Geltung gelangte Staatsräson-Politik auch innerhalb des Reiches zur Maxime wurde, und zwar sowohl im Verhältnis zum Kaiser als auch zwischenterritorial und bei den Beziehungen zu europäischen Mächten.
In der Politik des lutherischen Herzogs und späteren Kurfürsten Moritz von
Sachsen 15 kam das neue Muster paradigmatisch zum Durchbruch: Im ersten
Schritt agierte er als sächsisch-albertinischer Interessenpolitiker, ermöglichte
dem Kaiser den Sieg über die schmalkaldische Opposition protestantischer
Stände und errang seinem Haus die Kurftirstenwürde zusammen mit der territorialen Basis fiir eine zukünftige Machtstaatsposition. Im zweiten Schritt trat er
dann aber als protestantischer Konfessionspolitiker auf, setzte sich an die Spitze
der Fürstenopposition und zwang den Kaiser, die politischen und religiösen Bedingungen der Protestanten anzuerkennen und damit zugleich das Scheitern seiner universalen, anti-partikularstaatlichen Ordnungsvorstellungen zu besiegeln.
Indem 1552 der Vertrag von Chambord zwischen den protestantischen Fürsten
und Heinrich II. von Frankreich deutsche, reichsständische und europäische,
nationalstaatliche Partikularinteressen zu einer gemeinsamen Front gegen das
universelle Kaiserkonzept zusammenschloss, bahnte sich Mitte des 16. Jahrhunderts auch bereits jene Konstellation an, die spätestens Mitte des 17. Jahrhunderts zur Grundkonstante des neuzeitlichen europäischen Staatensystems wurde.
In engster Verschränkung mit der Herausbildung des frühneuzeitlichen Mächteeuropa entfaltete sich in Deutschland ein eigenes Mächtespiel der Reichsstände und ihrer Territorien, mit einer janusköpfigen Konsequenz ftlr die Stellung
15
Zum folgenden: Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von
Sachsen, bislang 3 Bde., der letzte, von Johannes Herrmann und Günther Wartenberg
edierte Band, Berlin 1978 umfasst die Zeit vom I. Januar 1547 bis 25. Mai 1548; Günther Wartenberg, Landesherrschaft und Reformation. Moritz von Sachsen und die albertinische Kirchenpolitik bis 1546, Gütersloh 1988 (= Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, Bd. 55); Alfred Kahler, Das Reich im Kampf um die Hegemonie
in Europa, 1521-1648, München 1990 (=Enzyklopädie Deutscher Geschichte 6) S. 6769. Die innerstaatliche Seite fand jüngst eine weitausgreifende vergleichende Analyse.
die umso wertvoller ist, als sie vor allem die sonst wenig beachteten ostmitteleuropäischen Beispiele behandelt: Gottfried Schramm, A period of armed conflicts in
East Central Europe: Protestant noble opposition and catholic royalist leagucs, 16041620. in: T Thomas und R. J. IV Evans (Hrsg.), Crown, Church and Estates in Ccntral
Europe, 1526-1711. London 1990.
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Heinz Schilling
Deutschlands im internationalen System: Weil die Gewichtsverteilung innerhalb
des Reiches wesentlich von der Kräftekonstellation in Europa abhing, mussten
Kaiser und Reichsstände ihre Außenbeziehungen nicht nur innerhalb des Reiches, sondern stets auch auf Europa hin organisieren. Und da umgekehrt Form
und Gestalt des Systems ganz entscheidend von der Machtverteilung innerhalb
des Reiches abhing, verfolgten die europäischen Großmächte die Entwicklung
im Reich genauestens, um nötigenfalls macht- und militärpolitisch einzugreifen.
Diese Offenheit Deutschlands flir Interventionen, vor allem von Westen, war
bereits 1552 als Folge des Vertrages von Chambord am Horizont aufgezogen;
ohne dass die Zeitgenossen sich natürlich bereits eine Situation wie zur Zeit
Ludwigs XIV. hätten vorstellen können: Nachdem der französische König Heinrich II. im April 1552 vertragsgemäß die Reichsstadt Metz besetzt hatte, zog er
weiter nach Westen iiber Straßburg hinaus in die Oberrheinebene, so dass zum
ersten Mal seit der Karolingerzeit eine westfränkische bzw. französische Armee
bis zum Rhein gelangte 16 •
Im Westfälischen Frieden wurde diese Europabezogenheit des Reiches bekanntlich zum reichsgesetzlich festgeschriebenen Strukturprinzip erhoben.
Diese besondere Europabezogenheit der deutschen Geschichte, die im Westfälischen Frieden durch das Bündnisrecht der Reichsstände bekanntlich nochmals akzentuiert wurde, wurde durch die 1555 festgeschriebene Multikonfessionalität und die wenig später einsetzende Konfessionalisierung zusätzlich befestigt. Um 1600 verlieh die konfessionelle Internationalität der Außenpolitik des
Kaisers ebenso wie der Reichsstände eine neue, spezifische Dynamik, und zwar
insbesondere auf Seiten der katholischen und calvinistischen Stände. Der Eintritt der deutschen Einzelstaaten in das europäische Mächtesystem vollzog sich
im Zeichen dieser konfessionellen Internationalität. Das europäische Mächtesystem baute sich in dieser Phase in einer bipolaren Spannung auf, die konfessionell bestimmt war - um einen katholischen Gravitationskern in Spanien und einen calvinistisch-protestantischen in den Niederlanden 17 . Zusammen mit diesem
16
Darauf hat bereits hingewiesen: Gaston Zeller, La Reunion de Metz
(1552-1648), Bd. I, Paris 1926, S. 419f.
17
a Ia France
Dass sich das Internationale System im konfessionellen Zeitalter und parallel zu
den Religionskriegen herausgebildet hat, ist eine Binsenweisheit. Die strukturellen und
funktionellen Zusammenhänge sind aber noch kaum untersucht. Dazu einige Beobachtungen (mit ausführlichen Literaturhinweisen) bei Heinz Schilling, Konfessionalisierung
und Formierung eines internationalen Systems während der frühen Neuzeit, in: Hans
Guggisberg und Gottfried Krodel (Hrsg.): Die Reformation in Deutschland und Europa:
Interpretationen und Debatten, Gütersloh 1993, S. 597--6 13; ders., Die konfessionellen
Glaubenskriege und die Formierung des frühmodernen Europa, in: Peter Herrmann
(Hrsg.), Glaubenskriege in Vergangenheit und Gegenwart, Göttingen 1996 (= Veröffentlichungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft e.V. der Wissenschaften Harnburg 83) S.
123-137; ders., La confessionalisation et systeme international, erscheint in Lucien Bely,
L'Europe des traitcs de Westphalie, Paris 2000.
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'om Sonderweg
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frühen bipolaren europäischen Mächtesystem erlebte die soeben im Augsburger
Religionsfrieden freigesetzte neuzeitliche deutsche Staatenwelt im Dreißigjährigen Krieg ihre erste Krise, die zugleich ~atharsis und Wandel zum postkonfessionalistischen, säkularen und polyzentrischen Mächtesystem der späten Frühneuzeit war.
Die besondere Offenheit des Alten Reiches fllr Europa und nach Europa hin
ist somit kein "Störfall" der deutschen Geschichte; sie war auch nicht vorrangig
das Ergebnis der geopolitischen Lage "mitten in Europa". Auch sie war die Folge der besonderen histo~!schen Traditionen des mittelal_terliche_n R~ic~es~ die im
verlaufe des 16. und frühen 17. Jahrhunderts durch dte Multtterntonahtät und
Multikonfessionalität weiter verstärk-t und neuzeitlich formiert wurden. Dasselbe gilt im Prinzip auch fur den Westfälischen Frieden selbst, der das historisch
konsequente Ergebnis der seit dem späten Mittelalter in Mitteleuropa wirksamen
Wandlungsprozesse war, und zwar sowohl in Bezug auf die verfassungsmäßige
und gesellschaftliche Struktur des Reiches als auch fllr das europäische Mächtesystem.
Es war ein europäischer, prä-nationalstaatlicher Typus von internationalem
System, der aus dem WestHilisehen Frieden hervorging. Die Regeln des deutschen und europäischen Mächtespiels und die Art und Weise, wie das Reich und
die deutschen Einzelstaaten daran teilnahmen, dürfen daher nicht mit modemoder nationalstaatliehen Kriterien beurteilt werden. Das gilt auch und vor allem
fUr die Beziehungsgeschichte zwischen Deutschland und Frankreich, und zwar
selbst für die ohne Zweifel aggressive Politik eines Ludwig XIV. Rheinbundpolitik und Pfälzer Krieg waren keine Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten, jedenfalls nicht im nationalstaatliehen Sinne. Sie waren Teil des europäischen Mächtespiels auf dem Boden des Reiches. Die militärische Besetzung
Straßburgs war Gewalt und Rechtsbruch, aber keine nationale Offensive der
Franzosen und schon gar keine nationale Schande fllr die Deutschen. Denn der
Fall" Straßburgs muss historisch mit den gleichen Kategorien beschrieben
~erden, wie die Einnahme der Reichsstadt Düren durch die Herzöge von Jülich
im 16. Jahrhundert, die gewaltsame Integration der Reichsstadt Donauwörth in
den Wirtelsbacherstaat Anfang des 18. Jahrhunderts oder die etwa gleichzeitig
mit der Unterwerfung Straßburgs erfolgte militärische Besetzung der Freistädte
Erfurt und Braunschweig durch ihre Landesherren. Das gehörte zur frühmodernen Staatsbildung, die zumindest im Reich noch prä-nationalstaatlich war. Die
soziologische Globalkategorie "nation state building" differenziert nicht historisch und verleitet ftir die frühe Neuzeit leicht zu falschem, weil anachronistischem Urteil.
Man mag einwenden, dass in den letzten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts eine mächtige Welle des Patriotismus Deutschland durchzog- ausgelöst von der französischen Reichspolitik, speziell dem "Fall" Straßburgs, und
von der etwa gleichzeitigen Ttirkenabwehr, die in gewisser Weise ja auch ein
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Heinz Schilling
Schlag gegen Ludwig XIV. war. Ich will nicht bestreiten, dass dieser Patriotismus ähnlich wie das Deutschlandbewusstsein der Humanisten und die nationale
Heilsgewissheit der Lutheraner im 16. Jahrhundert auch einen Keim dessen beinhaltete, was später im 19. Jahrhundert dann deutsche Nationalidentität wurde.
In der Zeit selbst, also auf der Wende des 17. Jahrhunderts, war dieser von Türken- und Franzosengefahr ausgelöste Patriotismus aber in erster Linie nicht
18
Deutschland-, sondern Reichspatriotismus • In diesem Zusammenhang von
deutscher Nation oder deutschem Nationalbewusstsein zu sprechen und dieses
mit entsprechenden Phänomenen in den westeuropäischen Staaten gleichzusetzen, fuhrt komparatistisch in die Irre. Denn dadurch werden die Besonderheiten
des Reiches und der deutschen Frühneuzeit verwischt, statt sie mit der Absicht
komparativer Erkenntnisförderung zu markieren.
Auch und gerade vor dem Hintergrund der hier nur skizzierten Neubewertung
des Alten Reiches durch die deutsche Spätmittelalter- und Frühneuzeitforschung
nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt Helmuth Plessners erhellendes, auf das 19.
und frühe 20. Jahrhundert bezogene Wort von der "verspäteten Nation" gültig.
Denn in vergleichend europäischer Perspektive ist es offenkundig, dass die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Eliten Deutschlands seit dem 19.
Jahrhundert die Nationalstaatsbildung hektisch vorantrieben und dabei das vornationalstaatliche Ringen im frühneuzeitlichen Mächteeuropa nochmals aggressiv aufrollten, weil sie sich in einer Aufholjagd mit den etablierten Nationen und
Nationalstaaten wähnten. Ganz entscheidend war, dass diese deutsche Nationaistaatsbildung anders als die voranlaufende englische oder französische eben
nicht mehr im alteuropäischen Rahmen von Ständegesellschaften und höfischen
Allianzkriegen ablief, sondern unter den neuen Bedingungen eines internationalen Systems, das wesentlich mitgeprägt wurde durch mondiale Wirtschaftsinteressen sowie durch Strukturen und Mechanismen der "nationalen" Massengesellschaften.
18
Das Problem ist näher erörtert bei Rudolf l"ierhaus . .. Patriotismus". Begriff und
Realität einer moralisch-politischen Haltung, in: ders., Deutschland im 18. Jahrhundert.
Politische Verfassung, soziales Geflige, geistige Bewegungen. Ausgewählte Aufsätze.
Göttingen 1987, S. 96-1 09; in dem von Günter Birtsch herausgegebenen Themenheft
"Patriotismus" der Zeitschrift ,.Aufklärung" 4 ( 1991 ). mit in unserem Zusammenhang
einschlägigen Beiträgen von Günter Birtsch, Michael Stolleis. Kar! Otmar Freiherr von
Aretin sowie - von germanistischer Seite - Conrad Wiedemann. Gonthier-Lois Fink
(Hrsg.), Cosmopolitisme, Patriotisme et Xenophobie en Europe en Sieeie de Iumieres.
Straßburg 1987.

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