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Nr. 07 – Juli 2016 – 182. Jahrgang
Sicherheit Schweiz
«GOTTARDO 2016»
WEA: Überführung Miliz
Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
«Global War on Terror»
Editorial
3
SOG Vorstand
Stefan Holenstein
Andreas Bölsterli
33
BODLUV unbestritten
Aktuelles
Wirtschaft / Rüstung
Irène Thomann-Baur
4
36 Gotthard zwischen Payerne
und Alpnach
Peter Müller
«Schweizer Soldat» –
90-jähriges Bestehen
34
Wechselbad der Gefühle
Peter Wanner, Davide Serrago
5
Luftwaffe
Ein ganz Grosser geht
Christian Trottmann
Sicherheitspolitik
36
Thomas A. Müller
6
9
40
USA und Saudi-Arabien
André Blattmann
11
Andreas Bölsterli
Kommunikation des IS
Jürgen Hübschen
«SIE sind die Luftwaffe»
SOG
43
Das Wort des CdA
Gotthard zwischen Payerne
und Alpnach
Herzlich willkommen!
Heino Matzken
12
12 Möglicher Dammbruch
im Irak
Möglicher Dammbruch
im Irak
Heinrich L. Wirz
15
Michael Arnold
44
Kaderausbildung
Bericht aus dem Bundeshaus
Forschung und Lehre
Jonas Vollenweider
16
Höhere Kaderausbildung
«Global War on Terror»,
2001–2011
Tibor Szvircsev Tresch, Thomas Ferst
47
«Sicherheit 2016»
Eugen Thomann
18
Wie kommen wir zu neuem
Kampfflugzeug?
Internationale Nachrichten
48
Pascal Kohler, Henrique Schneider
Einsatz und Ausbildung
Vermischtes
Eduard Hirt
20
Integriertes Risikomanagement
Alexander Kohli, Martin Munz,
Philipp Gerster
26 Friedensförderung
im Kosovo
22
«Zernierung»
53
Dieter Kläy
Bücher
56
Andrea Grichting-Zelenka
Andrea Jaeggi
26
Friedensförderung im Kosovo
Intelligence
Hans Wegmüller
28
Member of the European
Military Press Association
(EMPA) – ISSN 0002-5925
Nachrichtendienstliche
Entwicklung
Weiterentwicklung der Armee
Germaine Seewer, Beat Dalla Vecchia
30
Titelbild
Übung «LANZE»,
Inf Br 5
Foto: Inf Br 5
Personelle Überführung
der Miliz
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
1
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2
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Editorial
Eine zeitgemässe Armee muss also heutzutage kämpfen, schützen und helfen können. Dieses breite SpekWelche Fähigkeiten trum ist anspruchsvoll und verlangt von den Kadern
braucht eine moderne und ein breites und umfassendes Wissen und von den Verzeitgemässe Schweizer Ar- antwortlichen die Einsicht, dass die richtigen Mittel
mee? Die Entwicklung von beschafft werden. Der Nachrichtendienst muss mit seineuen Technologien bringt nen Sensoren und seinem Netz die Risiken erkennen
neue Mittel, Möglichkei- und der Doktrin damit die Grundlagen für die Erarten und Kompetenzen. Die beitung der Einsatzgrundsätze und der zugehörigen
Diskussion, ob uns die ge- Reglemente liefern können. Diese Grundlagen müsfährlichste oder die wahr- sen an die Kader so vermittelt werden, dass diese in der
scheinlichste Gefahr in un- Lage sind, ihre Einheiten gezielt auszubilden, damit sie
seren Gedanken leiten soll, bewegt uns auch schon seit in der anspruchsvollen Risikowelt von heute in mögJahren – sie wird wie viele andere Diskussionen auch, lichst allen Lagen bestehen können.
häufig zu akademisch geführt.
Eine zu einseitig ausgerichtete, ausgerüstete und
Am Schluss muss die Fähigkeit da sein, der Aggres- ausgebildete Armee hilft in diesem hybriden und
sion eine adäquate Antwort gegenüberstellen zu kön- anspruchsvollen Gefahrenbild langfristig nicht weinen. Heute spielen Staater – es braucht neben
ten eine untergeordnete
dieser Einsicht aber auch
Rolle, andere Player sind
«Eine einseitig aufgestellte Armee Entscheide aller politiebenso wichtig geworden:
schen Ebenen, die diese
hilft im hybriden Gefahrenbild
Ethnien, transnationale
Ausrichtung ermöglichen
Gruppierungen, terrorisund mittragen.
langfristig nicht weiter.»
tische Organisationen bis
Darum freut mich die
hin zur organisierten KriHaltung unseres Parlaminalität und grossen Migrationsströmen bilden neben ments – die Mehrheit hat die Zeichen der Zeit erNationalstaaten das Bild der hybriden Gefahren. Dass kannt – sie ermöglichen die Bereitstellung von Mitdas Profil der Bedrohungen breit ist, zeigen verschie- teln im Rahmen der Rüstungsprogramme und der
dene Berichte und Feststellungen der letzten Wochen. Finanzplanung und damit die Entwicklung einer
Einerseits schreibt die Zeitung Nordwestschweiz zeitgemässen Armee – zu der auch ein neues Kampfam 4. Juni unter dem Titel «Die neue Angst vor Pu- flugzeug und eine bodengestützte Fliegerabwehr
tins Panzern», dass die Schweizer Armee wieder ver- (BODLUV) gehört. Einer Armee, die Antworten auf
mehrt auf schweres Geschütz setze. Und wir lesen die aktuellen und die kommenden Gefahren hat.
Die Kader der Schweizer Armee danken für diese
über die Verlegung von Truppen der NATO ins Baltikum. Es gehe nicht um eine Bedrohung, man werde Unterstützung.
und wolle weiter den Dialog führen. Aber dennoch –
was geschähe, wenn Russland ähnlich wie auf der Krim
und in der Ostukraine mit Geheimdienstmethoden
die Baltischen Staaten unterlaufen würde? Auch dann
würde, wie bereits gesehen, ein Krieg ohne KriegserAndreas Bölsterli, Chefredaktor
klärung geführt und die Resultate dieses Konfliktes
[email protected]
gewissermassen eingefroren, ohne dass noch etwas geschieht und ohne dass Armeen im klassischen Sinne
und gemäss den aus früheren Zeiten bekannten Bildern eingesetzt werden müssten.
Andererseits hat die Gruppe der sieben grossen Industriestaaten (G7) an ihrem Gipfel Ende Mai in Japan
Cyber-Attacken einem bewaffneten Angriff gleichgestellt. Staaten sollen sich auf das Recht zur Selbstverteidigung berufen können und gewaltsam gegen mögliche Angreifer vorgehen können.
Liebe Leserin, lieber Leser
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
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Aktuelles
Der «Schweizer Soldat» –
seit 90 Jahren Partner der Armee
Mit einer staatsmännischen Rede, einem programmatischen Rück- und Ausblick
und einer speditiv abgewickelten Traktandenliste feierten die Genossenschafter
in Biel das 90-jährige Bestehen ihres «Schweizer Soldaten».
Irène Thomann-Baur*
1926 setzten Bürger dieses Landes eine
Vision in die Tat um, gründeten die Verlagsgenossenschaft und damit die Trägerschaft für die Militärzeitschrift «Schweizer Soldat». Nach 90 Jahren brennt die
Fackel noch im gleichen Geist für Armee,
Demokratie und Freiheit.
Das Erfolgsmodell Schweiz
Menschen, die den Milizgedanken und
Gemeinsinn leben, stehen für das Erfolgsmodell Schweiz, wie Oberst i Gst Mathias
Müller, Berner Grossrat und Vorstandsmitglied der Genossenschaft, betonte.
Nicht bei den niederschwelligen Problemen solle man sich
aufhalten, sondern
überlegen, wie die liberalen Werte gegen
Aggression und Hass
zu schützen seien.
Dabei gilt es, einen
Mathias Müller
Mittelweg zu finden:
Keine Berufsarmee
und keinen Polizeistaat, aber auch keine
Willkommenskultur; denn Radikale lassen sich nicht umpolen.
Bereitschaft und Schlagkraft
Es braucht Instrumente, die rechtzeitig
reagieren können. Man mag die geplante
Verkleinerung der Armee bedauern, räumte Müller ein, aber die Weiterentwicklung
der Armee (WEA) verbessert Ausbildung,
Mobilmachung und Ausrüstung. Was nützen einer Eishockeymannschaft drei Linien, wenn die Spieler beim Wechsel immer
wieder Stöcke und Schlittschuhe tauschen
müssen? Zwei stets einsatzbereite Angriffslinien taugen mehr. Der Nachrichtendienst
(ND) muss Grundlagen liefern, damit die
sicherheitspolitischen Instrumente den
richtigen Bereitschaftsgrad erstellen. Die
verschärfte Bedrohungslage hat ein Um-
4
denken ausgelöst, das Parlament verpasste dem ND ein neues Gesetz helvetischen
Zuschnitts.
Die Migration mit der grössten Flüchtlingsbewegung seit dem 2.Weltkrieg beschäftigt alle. Bund und Kantone präzisierten ihre Notfallplanung. Eine Unterstützung des Grenzwachtkorps durch die
Armee wird möglicherweise nötig. Müller rief seine Zuhörer auf, den Armeeangehörigen, die zu einem solchen subsidiären Einsatz verpflichtet würden, moralisch beizustehen.
Koordinatennetz der Werte
Oberst Peter Forster stellte in militärischer Manier den dreifachen Auftrag an
den Anfang seiner Festrede. Der «Schweizer Soldat» tritt unentwegt, mutig, manchmal auch gegenWiderstand für Unabhängigkeit und Freiheit ein. Wehrwille, Souveränität und Neutralität der Schweiz werden hochgehalten. Über das militärische
Geschehen im In- und Ausland soll sachkundig und verständlich informiert werden. Einzuhalten sind, wie der Chefredaktor als dritten Punkt hinzufügte, die berufsethischen Regeln, wozu Respekt und
Wertschätzung gehören. Das Koordinatennetz der Werte
soll wegweisend sein,
ungeachtet des Zeitgeistes. Aus dem Wertekodex der Inf OS
von Colombier zitierte Dr. Forster, selPeter Forster
ber Jubilar mit zehn
Jahren Chefredaktion, Leistungswille und Disziplin; ohne sie
erscheint keine Zeitschrift pünktlich und
vollständig.
An sicherheitspolitischen Nachrichten
geizten die letzten Jahre nicht. Grenzverschiebungen, Besetzung von Territorien,
Terrorismus, Migration, die innenpolitische Auseinandersetzung um die WEA
und ihrer Finanzen, sie alle wollen im be-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
schränkten Umfang einer Militärzeitschrift
abgehandelt werden.
Das E-Paper
Einzig Verantwortliche, die vorwärts
schauen, können den Fortbestand einer
Zeitschrift garantieren. Einen ganz wichtigen Schritt wie seinerzeit die Grossauflage, die den Übergang vom Vereinsheft des SUOV zur
modernen Fachzeitschrift einläutete, bedeutete das Aufschalten des E-Papers MitRobert Nussbaumer te April. Damit ist
Fotos: ASMZ der «Schweizer Soldat» jeden Monat im
Massstab 1:1 digital auf mobilen Endgeräten lesbar, was vor allem junge Kader
begrüssen dürften. Als weiteren Höhepunkt des Jubiläumsjahres verkündete Robert Nussbaumer, langjähriger Präsident
der Genossenschaft, die elektronische Erfassung aller Nummern seit 1926, ein Projekt der Bibliothek am Guisan-Platz und
der ETH Zürich. Der Zuwachs an Abonnenten und Inseraten von Militärlieferanten runden die positive Bilanz ab.
Prominente Grussbotschaften
Ihre enge Verbundenheit zum «Schweizer Soldaten» drückten der Berner Sicherheitsdirektor Hans-Jürg Käser und Br
Daniel Keller, Kdt Zentralschule, aus.
Der Präsident der SOG, Oberst i Gst Stefan Holenstein, fühlte sich besonders berufen, dem «Schweizer Soldaten» zu gratulieren, sind doch 30 Prozent der Genossenschaftsscheine im Besitz von Offizierskreisen. Seinen guten Wünschen
zum Kurs auf das 100-jährige Jubiläum
schliesst sich die ASMZ an.
■
* Journalistin, Hptm, zuletzt im Info Rgt1, ehemals
Generalsekretärin der SOG, Winterthur.
Aktuelles
Ein ganz Grosser geht
Am 31. Mai 2016 war es soweit. Chefadjutant Pius Müller, zugeteilter
Stabsunteroffizier (ZSU) CdA, hat sich nach fast vierzig Jahren ein letztes
Mal in den Dienst gemeldet und wurde dann von Korpskommandant
André Blattmann im Rahmen einer würdigen Feier aus dem Instruktionskorps entlassen.
tensive und spannende berufliche Phase
erlebt zu haben. Für mich als Dein Kdt
Während seiner langen erfolgreichen
war es eine Zeit, die mir positiv in ErinDienstzeit hat er mit sehr vielen gedient.
nerung bleiben wird.»
Und so erstaunt es nicht, wenn sich mehreNach den ersten militärischen Erfahre Persönlichkeiten gerne
rungen zog es Müller nach
geäussert haben:
Rom und er diente dort in
KKdt André Blattmann,
den Jahren 1978 –1980 als
«Mit grosser Dankbarkeit blicke ich auf
Chef der Armee: «Bei einiHellebardier in der kleinsgen Menschen erhält man
die vergangenen Jahre mit Pius Müller zurück.» ten Armee der Welt, der
das Privileg, dass man sich
Päpstlichen SchweizergarKKdt André Blattmann, Chef der Armee
zu 100% auf sie verlassen
de. Selbst bis zum heutikann. Solche Menschen
gen Tag ist Chefadj Mülsind selten. Chefadjutant
ler mit der SchweizergarPius Müller ist der Inbegriff dieser Ver- petenten, zielstrebigen und bescheidenen de verbunden. Oberst Christoph Graf,
lässlichkeit. Mit grosser Dankbarkeit bli- Diener im Dienste der Sache und dies Kommandant der Päpstlichen Schweicke ich auf die vergangenen Jahre mit Pius immer und jederzeit. So bleibt es nicht zergarde schilderte dies wie folgt: «Mit
Müller zurück.»
nur bei Worten des Dankes. Blattmann grosser Überzeugung, Begeisterung, Moäusserte sich abschlies- tivation und auch mit Humor instruiersend zu seinem Gehil- te Pius die Grundsätze der Führung sofen: «Pius vereint all die- wie die Befehlsgebung. Mit seiner reise Eigenschaften, wel- chen Erfahrung stand er dem Kommanche wir gerne auch für do auch als kompetenter Berater zur Veruns in Anspruch neh- fügung.»
men würden.»
Diese Treue blieb nicht ohne Wirkung
Bevor Müller als zu- und so äusserte sich Graf: «Einmal Gargeteilter Stabsunterof- dist – immer Gardist: Eine Aussage, die
ficier (ZSU) des Chefs man Chefadj Pius Müller zuordnen kann.
der Armee diente, Auch nach über 35 Jahren seit seinem
stand er dem damali- Weggang von der Päpstlichen Schweizergen Kdt Mil Sich und garde ist in ihm noch immer diese tiefe
jetzigen Regierungsrat, Verbundenheit mit der Garde, mit dem
Urs Hürlimann, zur Vatikan, mit der Katholischen Kirche und
Seite. Regierungsrat mit seinem Oberhaupt, dem Heiligen VaHürlimann hielt fest: ter, zu spüren.»
■
«Du verkörperst in unPius Müller als Fähnrich bei der Verabschiedung von BR Maurer
übertrefflicher Art und
als C VBS.
Bild: VBS
Brigadier
Weise das Bild eines
Peter Wanner
Adj der Schweizer ArChef Internationale
Dieser Inbegriff von Verlässlichkeit mee in Reinkultur. Ich hatte das Privileg,
Beziehungen V
schilderte Blattmann im Rückblick auf Dich als persönlichen Führungsgehilfen
Armeestab
die gemeinsamen Dienstjahre mit den des Kdt Mil Sich in meinem Stab zu
3003 Bern
Worten:
haben.»
Hauptmann
«Ein Auftrag, der in seinen Händen lanDer ehemalige Mil Sich Kdt verwies
Davide Serrago
dete, wurde erledigt. Pünktlich und qua- auf die Zuverlässigkeit und KameradInternatoniale
litativ einwandfrei. Immer und jederzeit. schaft von Müller und schloss mit den
Beziehungen V
So ist es denn auch nicht verwunderlich, wertschätzenden Worten: «Nun trittst
Armeestab
dass sich Pius Müller sowohl im Vatikan Du von der Brücke, lieber Pius … Ich
4600 Olten
als auch im Bundeshaus – und zuvor an bin unendlich dankbar, mit Dir eine inPeter Wanner, Davide Serrago
unzähligen Schulen der Armee – äusserst
rasch das Vertrauen seiner Chefs erarbeitete.»
Der Chef der Armee beschrieb Müller als einen loyalen, arbeitsamen, kom-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
5
Sicherheitspolitik
Blut und Bytes: Die Kommunikation
des Islamischen Staates
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gestaltet ihre
Kommunikation hoch professionell. Bereits ihr Name ist eine klare
Botschaft. 2014 benannte sie sich um. Aus dem «Islamischen Staat
im Irak und in Syrien (ISIS)» ging der «Islamische Staat» hervor.
Unübersehbar: Der Fokus ist nicht mehr regional, sondern global.
Thomas A. Müller
Wie lässt sich das vereinbaren: einerseits mittelalterlicher Ur-Islam, andererseits modernste Kommunikationskonzepte und -mittel? Der deutsch-syrische Arabienspezialist Bassam Tibi spricht von
einer «halben Moderne». Das besagt, dass
Islamisten die technologischen Errungenschaften der Moderne bestens im Griff
haben, ja brillant mit diesen umzugehen
wissen, und dass sie gleichzeitig Werte der
Moderne wie Demokratie, Säkularisierung
und Individualismus verachten und deren Vertreter bis aufs Blut bekämpfen. Als
Widerspruch empfinden sie das nicht.
Vielmehr nutzen sie die Schlagkraft dieser Kombination – radikal, tabulos, mörderisch.
Wie ein Unternehmen
Der IS ist mit einem Unternehmen vergleichbar. Dafür sprechen allein schon die
Millionen von Dollars, die aus dem Ölund Kunsthandel, aus Erpressung, Spenden und Abgaben in seine Taschen fliessen. In der Kriegskasse lagen 2015 geschätzte zwei Milliarden Dollars. Damit
lässt sich Krieg führen. Das Schlüsselgelände: zuerst Konfliktgebiete wie Irak und
Syrien, immer mehr auch die westliche
Welt. Nach den militärischen Rückschlägen vor Ort begleitet die Kommunikation den global ausgerichteten Terror.
Der IS ist zudem wie ein Unternehmen
in einer Weise aufgestellt, die seine Strategie widerspiegelt. So gibt es in seiner
Ordre de bataille nicht nur einen «Schura-Rat», einen «Rat der Weisen», eine
«Scharia-Kommission» und andere Organe. Vielmehr existiert auch eine «Medien-Kommission». Die Kommunikation
scheint den IS-Verantwortlichen wichtig
zu sein. Sie hat es in die obersten Führungsgremien geschafft. Kein Wunder, ver-
6
fügt der IS mit Abu Mosa auch über einen
Pressesprecher.
Die «Medienkommission» beschäftigt
von allen IS-Organen am meisten westliche Anhänger. Sie umfasst rund 30 Untereinheiten und betreibt die interne wie die
externe Kommunikation. Sie veröffent-
«Die Kommunikation scheint
den IS-Verantwortlichen
wichtig zu sein.
Sie hat es in die obersten
Führungsgremien geschafft.»
licht regelmässig Online-Formate, darunter auch Blogs, und betreibt unter anderem Radiostationen.
Das Al-Hayat Media Center ist für den
Grossteil der IS-Medien verantwortlich,
die in Englisch, Deutsch, Französisch und
Russisch produziert werden. Damit ist es
mehr auf das Ausland ausgerichtet. Auf
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
den arabischen Raum zielen andere Unterorganisationen der Medienkommission. Das Al-Hayat Media Center ist virtueller Natur und bezieht sein Rohmaterial
aus Videos von IS-Kämpfern, aus zugesandten Berichten und anderen Dokumenten. Schnitt, Postproduktion, Betitelung und andere Arbeiten erfolgen an
weltweit verteilten Orten – eine Referenz
ans Guerillakonzept des Dezentralismus.
Verherrlichung der Gewalt
Die Kommunikation des IS dient mehreren Zielen. Es geht darum,
• neue Gefolgsleute zu rekrutieren;
• Fundraising zu betreiben;
• den inneren Zusammenhalt zu fördern;
• die Radikalisierung zu beschleunigen;
• terroristisches Know-how zu vermitteln;
• den Westen einzuschüchtern.
Die Videos des IS sind auf Effekt hin
angelegt. So treten seine Kämpfer in heroischer Pose auf. Sie sollen Lockerheit
und Souveränität ausstrahlen. Zudem
sind sie praktisch immer im Kollektiv zu
sehen. Diese Gruppen sollen Kameradschaft und die Ausrichtung auf das gemeinsame Ziel verkörpern. Befehle braucht
es keine. Jeder weiss,
was er zu tun hat. Die
Stimmung ist kameradschaftlich. Explizit
wiedergegebene Gräuel sollen junge Menschen dem Dschihad
zuführen. Ein Clou
gelang den Propaganda-Profis mit Gerhard
Cuspert: Sie liessen
den 1975 in Berlin geborenen und 2015 in
Sicherheitspolitik
Syrien gestorbenen Rapper alias Denis los in den Welten von Youtube, InstagMamadou als radikaler Dschihadist auf- ram und Twitter, von Whatsapp und Aptreten. Von solchen Anleihen aus der plikationen für Android. Der IS verfügt
westlichen Kultur verspricht sich der IS mittlerweile gar über ein Pendant zu Faceviel. Ein Widerspruch? Mitnichten: Der book. Sein Name «Kilafahbook» nimmt
Zweck heiligt die Mittel.
Bezug auf das arabische «kilafah» für «KaEs geht in der Kommunikation des IS lifat». Es ist auch schon – nicht belegt –
auch darum, die eigenen Reihen noch von der Spielkonsole Playstation 4 die
enger zu schliessen und die Radikalisie- Rede gewesen.
rung zu beschleunigen.
Seine Videos bieten
über drei «T» Identifikation und Kohärenz
an: «Tarnfleck, Tanklaster und Testosteron»1. Die pausenlosen Litaneien des Hasses führen dazu, dass
selbst übelste Exzesse
der Gewalt als normal
empfunden werden. So
wird eine Stimmung
heraufbeschworen, die
sich an keine geographischen oder moraBild: Wikipedia
lischen Grenzen hält. Titelbild IS Magazin.
Der salafistische Ingenieur in London sieht sich in der gleiDie Geheimhaltung ist manchmal beschen, global agierenden Gemeinschaft ser, manchmal schlechter gewährleistet.
aufgehoben wie ein des Schreibens und Aber man arbeitet äusserst flexibel. Den
Lesens unkundiger IS-Kämpfer im Irak westlichen Geheimdiensten liefert man ein
oder in Syrien. Allen gemeinsam ist auch Katz-und-Maus-Spiel. Es bietet sich auch
das Zeichen des IS: Der nach oben ge- das Darknet an, die «dunkle», rechtsfreie
streckte Zeigefinger ist ein universaler Gegenwelt zum Internet. Immer häufiger
Code geworden, lesbar als Verweis auf schalten Anbieter von social media terrorverdächtige Accounts ab. Doch innert weGott, aber auch als Drohgebärde.
Von der Gewaltbereitschaft bis zur Tat nigen Stunden sind neue im Netz. So versoll es nur ein kurzer – und vermeintlich kündet ein IS-Anhänger: «Ich bin zurück
leichter – Weg sein. Entsprechende An- nach der zweiten Sperrung meines Kontos
regungen und Anleitungen der IS-Kom- innerhalb von weniger als 48 Stunden.»
munikation betreffen u.a. Anschläge mit Hinzu kommt: Wer über eine SatellitenSprengstoff, Schusswaffen und Messern. schüssel und die entsprechende Software
Hinzu kommt, Leute mit dem Auto zu
überfahren, sie aus hohen Gebäuden zu
werfen oder zu vergiften. Diese geballte
Gewalt soll den Westen einschüchtern, ja
in Panik versetzen. Der IS sagt es konkret:
Den Eiffelturm, den Big Ben, das Weisse
Haus, aber auch Städte wie Rom oder Paris
hat er schon lange im Visier. Freilich stellt
sich die Frage, wie der IS seine Adressaten
erreichen will.
Katz-und-Maus-Spiel
Der IS kommuniziert über eine ganze
Zahl von Online-Plattformen. Damit will
er den einzelnen Zielgruppen gerecht werden. Die Kommunikationsspezialisten beherrschen die Klaviatur der social media
nahezu perfekt. Sie bewegen sich problem-
Twitter-Auszug.
Bild: Anonymous IS
verfügt, kann nahezu überall die Arbeit
wieder aufnehmen.
Ein amerikanischer Think tank, das
Washington Institute, hat im November
2015 Zahlen publiziert, die aufhorchen
lassen. Innerhalb einer Woche soll der IS
123 Botschaften in sechs Sprachen verschickt haben, 24 davon in der Form
von Videos. Im Zusammenhang mit den
social media spricht das Institut von rund
50000 Accounts, über welche die IS-Anhänger allein auf Twitter verfügen. Eine
andere Agentur bezieht sich auf die Enthauptung von 22 syrischen Soldaten im
Dezember 2014. Die IS-Spezialisten hätten über eine professionelle, rund 200000
Dollar teure Videotechnologie verfügt. Es
soll wie in einer Hollywood-Produktion
einen Regisseur, einen Produzenten und
einen Drehbuchautor gegeben haben. Die
Zeit der verwackelten, akustisch mangelhaften und mitunter verworrenen Videos
ist vorbei.
«Kreuzzügler» und «Märtyrer»
So vielfältig die Kanäle der IS-Kommunikation sind, so klar folgt diese einer
übergreifenden Logik. Die Helden und
Opfer, so der Grundtenor, kommen aus
den Reihen des IS. Die Schurken und
Täter sind die «Kreuzfahrer» – die westlichen Länder, allen voran die USA. Die
zynische Folgerung der IS-Strategen: Jeder
Bürger eines solchen Staats kann getötet
werden, denn er hat schliesslich seine Regierung gewählt und lebt im entsprechenden Land. Die Regierenden selbst werden
buchstäblich ins Visier genommen. In gewissen Videos überdecken rote Fadenkreuze die Gesichter von Frankreichs Präsidenten François Hollande und des britischen
Premiers David Cameron.
Demonstrativ veröffentlicht man Material zu Anschlägen. Nach den Pariser Attentaten verbreitete der IS ein 17-minütiges Video, in dem die Täter porträtiert
wurden. Unmissverständlich sind Aufnahmen wie jene eines jordanischen Piloten,
der bei lebendigem Leib verbrannt wurde.
In einem anderen Film stehen IS-Kämpfer in einer disziplinierten Reihe. Jeder
führt einen vornübergeneigten syrischen
Soldaten und nimmt ein Messer aus einer
Kiste, um vor laufender Kamera sein Opfer zu enthaupten. Die Choreographie ist
perfekt. Da wird nichts dem Zufall überlassen. In anderen Sequenzen sagen die
IS-Schergen auswendig gelernte Sätze auf
oder lesen sie von Kärtchen ab. Wie elaboriert solche Propaganda sein kann, zeigen
IS-Filme auf Youtube, z.B. «The Flames
of War» vom September 2014.2
Die Krux: Solche Aufnahmen verbreiten sich wie ein Lauffeuer in der Gemeinde der social media. Jeder will sie gesehen
haben, und die westlichen Medien berich-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
7
Sicherheitspolitik
ten ausführlich darüber. Dieser – notabene kostenlose – Bekanntheitsgrad ist wohl
mit Geld gar nicht aufzuwiegen. Das ist
pointiert beschrieben worden: «Man kann
sich immer wieder die Frage stellen: Können sich Coca-Cola, BMW und Apple gemeinsam so viele Headlines und so viel
Medienfläche kaufen wie der Islamische
Staat mit einer gezielten Terroraktion? Ob
das jetzt grausame Morde sind oder die
Zerstörung von Weltkulturdenkmälern?»3
Der IS zeigt sich nicht nur von der brutalen Seite. Vielmehr schildert er ausführlich die Segnungen für die Gebiete, die
er unter seine Kontrolle gebracht hat. Da
sind Spitäler und Schulen zu sehen. Es
kommen Dinge zur Sprache, die von der
Aufbauarbeit des IS zeugen sollen: Die
Gehälter werden wieder ausgezahlt. Die
Läden sind geöffnet. Die Menschen können sich frei bewegen. Die Gesellschaft
kommt wieder auf die Beine. Der IS zielt
mit der Kommunikation solcher Verhältnisse darauf ab, seine narrative durchzusetzen. Diese gipfelt in der Behauptung,
die Utopie einer gerechten Weltordnung
sei hier Wirklichkeit geworden. Und das
kostet die Gegenseite Opfer. Der mutmassliche Anführer einer belgischen IS-Zelle
sagte in einem Interview: «Ich bitte Allah,
die fruchtbringenden Taten der Märtyrer
zu akzeptieren, welche die Kreuzzügler
Amerikas, Frankreichs, Kanadas, Australiens, Deutschlands und Belgiens terrorisierten.» Um den Postulaten Nachdruck zu
geben, stellt der IS gar Kinder vor die Kamera, die über den Dschihad dozieren.
Hochglanz und «Militärporno»
Aus den elektronischen Formaten sticht
das Online-Magazin «Dabiq» hervor. Es
kannibalisiert die andern Elaborate nicht.
Vielmehr ist es als Ergänzung gedacht und
trägt zur Redundanz der Kommunikationsmassnahmen bei. Das Magazin lehnt
sich an die 2010 gegründete Al-KaidaPostille «Inspire» an. Doch sie lässt diese
handwerklich weit hinter sich. Formal entspricht das Magazin westlichen JugendFormaten. Das entsprechende Zielpublikum kann parallel auf youtube Musik hören, u. a. von einem «DJ NASHEED –
Salil Sawarim».4 Es gibt mittlerweile auch
den Begriff des «Dschihad-Pop». Ein Terrorismusexperte hat die Sache auf den
Punkt gebracht: «Der heutige Dschihad»,
schreibt er, «ist Pop, Barbarei und Mord.»5
Die Optik des Magazins, so der sächsische
Verfasssungsschutz, liege «irgendwo zwischen Filmplakat, Computerspiel, Mili-
8
tärporno und recht gut gemachter Schülerzeitung».6
Der Name «Dabiq» ist gezielt gewählt.
Er verweist auf den gleichnamigen Ort
zehn Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. In islamischen Prophezeiungen ist davon die Rede, dass hier beim
«Der IS wird als Erfolgsstory
dargestellt, mit der es
Allah gut meint. Gibt es
Rückschläge, so sind das
Prüfungen, die er auferlegt.
Gräuel werden religiösrechtlich legitimiert.»
Weltende der Kampf zwischen den Muslimen und den Ungläubigen stattfinden
werde. Mohammed soll gesagt haben:
«Die letzte Stunde kommt erst, wenn die
Schlacht geschlagen ist.» Abu-Mus’ab alZarkawi, dem 2006 bei einem US-Luftangriff getöteten Al-Kaida-Führer, wird
die Aussage zugeschrieben: «Der Funke
ist hier im Irak entstanden, und seine
Hitze wird zunehmen, bis sie die Armeen
der Kreuzfahrer in Dabiq verbrennt.» 7
Vor diesem mythischen Hintergrund äussert sich «Dabiq» zu fünf zentralen Themen: Einheit, Methodik, Migration, Heiliger Krieg und Gemeinschaft.
Das rund 50-seitige Online-Hochglanzmagazin erscheint in Arabisch, Englisch,
Französisch und Deutsch. Gezielt werden
Fachkräfte in ihrer Muttersprache angegangen. So sucht der IS deutsche Ingenieure. An Indoktrination mangelt es
nicht. Es geht um drei Themen: die endzeitliche Bedeutung des Orts Dabiq, die
Legitimität des IS-Kalifats und die Strategie des IS. In diesem Zusammenhang
wird ein fünfstufiges Modell für den langfristigen Erfolg der Terrorbewegung postuliert. Dieses umfasst
• die Auswanderung der Mujahidin an
einen sicheren Ort, um sich zu konsolidieren;
• gezielte Attacken gegen den Feind;
• das Schaffen von Chaos;
• die Besetzung von Gebieten;
• das Ausrufen des Kalifats.
Ein grüner Teil in der Mitte des Magazins vermittelt religiöse Inhalte, ein blauer gilt, so der Originalton, dem Thema
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
«Der Islamische Staat in den Worten seiner Feinde». Die Blattmacher verweisen
noch und noch auf den Koran. Es sind
Teile von Suren, aber auch einzelne Wörter aus Versen, die dem Leser die Lehre des
IS einhämmern sollen. Auch hier wird versucht, die eigene Deutungshoheit durchzusetzen. Der IS wird als Erfolgsstory dargestellt, mit der es Allah gut meint. Gibt
es Rückschläge, so sind das Prüfungen, die
er auferlegt. Gräuel werden religiös-rechtlich legitimiert. Das war bei der Hinrichtungsart des Verbrennens der Fall oder bei
der Ächtung von Leuten, die wie der deutsche Salafistenprediger Pierre Vogel vom
rechten Kurs abweichen und Freiwild werden. Eine menschenverachtende Logik
verbanden die IS-Leute mit jesidischen
Frauen, die sie zu Sexsklavinnen machten. Laut Scharia gelte zwar für unverheiratete IS-Kämpfer das Keuschheitsgebot,
Sex mit Sklavinnen sei allerdings erlaubt.
Man sieht: Der Wahnsinn hat Methode.
■
1 Katharina Pfannkuch: Propaganda-Blatt lockt
Deutsche in den Dschihad. In: Cicero. Magazin
für politische Kultur. 31.10.2014. Abgerufen am
25.05.2016 unter www.cicero.de/weltbuehne/
magazin-dabiq-islamistische-hochglanz-propa
ganda/58414.
2 Analysis: Flames of War, New ISIS Video Released. In: The Alex Jones Channel vom 20.09.
2014. Abgerufen am 25.05.2016 unter https://
www.youtube.com/watch?v=Sai2gqP2tJU.
3 Gestohlene Symbolik, Propaganda, Terror. Das
Online-Magazin «Dabiq» – und der Widerstand.
In: Das Erste. Titel Thesen Temperamente vom
07.02.2016. Abgerufen am 25.05.2016 unter
http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/islamischer-staat-magazin-dabiq100.html.
4 https://www.youtube.com/watch?v=7pUWjkc
8RrA.
5 Asiem El Difraoui in «Die Welt» vom 16.10.2014.
Abgerufen am 26.05.2016 unter http://www.
welt.de/videos/article133294581/Der-heutigeDschihad-ist-Pop-Barbarei-und-Mord.html.
6 Phänomenübergreifende Betrachtungen – Jugendliche im Fokus von Extremisten. In: Sächsischer
Verfassungsschutzbericht 2014. Abgerufen am
25.05.2016 unter http://www.verfassungsschutz.
sachsen.de/download/VSB_2014_phaenom_
uebergreifendJugend.pdf.
7 Why Islamic State chose town Dabiq for propaganda. In: BBC News World vom 17.04.2014.
Abgerufen am 25.05.2016 unter http://www.bbc.
com/news/world-middle-east-30083303.
Major a D
Thomas A. Müller
Dr. phil.
ehem. C Medien/Stv C
Kommunikation Log Br 1
8703 Erlenbach ZH
Sicherheitspolitik
USA und Saudi-Arabien – ein zunehmend
verhängnisvolles Bündnis
Dient das enge Zusammengehen der USA mit Saudi Arabien der Stabilität
der Nahmittelost-Region oder ist es aktuell eher mit Risiken für diesen Raum
verbunden? Gelegenheit für eine nähere Betrachtung.
Jürgen Hübschen
Der aktuelle Besuch von Präsident Obama in Saudi Arabien und seine Gespräche
mit König Salman und später auch noch
mit einigen anderen Potentaten der Arabischen Halbinsel ist ein passender Anlass, um einmal über das seit dem Ende
des 2. Weltkriegs bestehende Bündnis zwischen Washington und Riad nachzudenken und kritisch zu hinterfragen, ob diese
Allianz ein stabilisierendes Element für
die Nahmittgelost-Region darstellt oder
ein archaisches System stützt, das zunehmend hegemoniale Eigeninteressen verfolgt und damit Stabilität und Frieden in
der Region gefährdet.
Kurzer historischer Rückblick der
amerikanisch-saudischen Allianz
Am 14. Februar 1945 trafen sich der
amerikanische Präsident Roosevelt und
König Ibn Saud, der Gründer des saudischen Königreichs, um über einen amerikanischen Stützpunkt in Dahran und
auch über eine saudische Öl-Pipeline zum
Mittelmeer zu verhandeln. Der Vertrag
kam zwar nicht zustande, kann aber als
Beginn einer Zusammenarbeit verstanden werden, in der Militär und Öl die entscheidenden Faktoren waren und auch
heute noch sind, obwohl die Rolle des
Öls auf Grund der amerikanischen Eigenförderung an Bedeutung verloren hat. Am
1. Januar 1950 schloss die saudische Regierung mit der «Arabien-American Oil
Company» (ARAMCO) einen Vertrag ab,
in dem festgelegt wurde, dass beide Partner sich nach Abzug der amerikanischen
Steuern den Netto-Gewinn teilen. Heute
steht in Dahran der Computer, über den
die gesamten Ölströme dieser Welt gesteuert werden. Als sich die Briten Ende
der 60er Jahre ihre Truppen aus der Region abzogen, sah sich Washington mit der
Gefahr konfrontiert, dass die Sowjetunion
die Gelegenheit nutzen würde, um einen
Fuss auf die Arabische Halbinsel zu setzen.
Um das zu verhindern, entwickelte man
in den USA die so genannte «Twin Pillar
Strategy», eine U.S. Policy «to promote
Iran and Saudi Arabia as local guardians
of U.S. interests in the Persian Gulf region».
Die Säule Iran hatte Bestand bis zum Sturz
von Schah Pahlewi und der Machtübernahme durch Ayatollah Khomenie und
die spätere Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran. Jetzt war die Policy sozusagen einbeinig geworden.
Washington setzte danach auf den Irak
unter Saddam Hussein als neue zweite
Säule. Diese wurde durch den Überfall
des irakischen Herrschers auf das Emirat
Kuwait im August 1990 zum Einsturz
gebracht. Bereits vor dem offiziellen Beginn der «Operation Desert Storm» wurden amerikanische Truppen nach SaudiArabien verlegt und US-Fallschirmjäger
landeten in Dahran, um den ARAMCOComputer zu sichern.
Königreich. Allein zwischen 2010 und
2014 hat Riad für 90,4 Milliarden Dollar
Waffen in den USA bestellt. Nach einem
aktuellen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI beträgt der
jährliche Verteidigungshaushalt des Wüstenstaates rund 81 Milliarden Dollar. Riad
steigerte seine Importe zwischen 2011 und
2015 um 275 Prozent und ist damit nach
Indien der zweitgrösste Waffenimporteur
der Welt.
Die saudische Politik seit der
iranischen Revolution von 1979
Nach dem Sturz des Schahs und der Etablierung eines schiitischen Gottesstaates
im Iran, sieht sich das wahabitische Königshaus in Riad als eine Art Schutzpatron
der sunnitischen Muslime in der ganzen
Welt. Konsequenterweise unterstützte
Saudi-Arabien den irakischen Herrscher
Saddam Hussein in
seinem Krieg gegen
den Iran, zwar nicht
mit Waffen oder eigenen Truppen, aber
ganz erheblich finanziell. Hintergrund war
weniger eine Sympathie für den sunnitischen Diktator, sondern seine Rolle als
Bollwerk zum Iran
des schiitischen Ayatollah Khomenie, der
ja de facto die Gegenküste des PersischPräsident Obama und King Salman, 29. April 2016, Riad.
Arabischen Golfes beBild: yahoo/AFP Photo/Jim Watson
herrschte und damit
auch die Strasse von
Seit dem irakischen Überfall auf Ku- Hormuz kontrollieren oder gegebenenwait haben die USA in dieser Weltregion falls sogar sperren konnte. Nach dem
– neben Israel – mit Saudi Arabien nur Überfalls Saddam Husseins auf Kuwait,
noch eine Säule, auf die Washington sich distanzierte sich Riad von Bagdad und
geostrategisch abstützen kann. Um die- suchte einen noch engeren Schulterse Säule zu erhalten, liefern die USA seit schluss mit den USA, weil das saudische
Jahrzehnten modernste Waffen in einem Königshaus befürchtete, die irakischen
unvorstellbaren Umfang an das saudische Truppen würden über die lange, gemeinAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
9
Sicherheitspolitik
same Grenze auch ins Königreich einmarschieren.
Mit Beginn der 90er Jahre begann Saudi-Arabien, sunnitische Gruppen im Ausland zu unterstützen und versuchte gleichzeitig, den erzkonservativen sunnitischen
Wahabismus zu exportieren. Auf dem Balkan schossen von Riad finanzierte Moscheen aus dem Boden, und es gab immer
wieder Hinweise auf eine finanzielle Unterstützung muslimischer Kämpfer durch
das saudische Königshaus. Dabei zögerte
Riad ganz offensichtlich auch nicht, radikale sunnitische Gruppen im Ausland zu
unterstützen. Zum ersten Mal wurde diese Politik in einem erschreckenden Masse
am 11. September 2001 bei den Anschlägen auf das World Trade Center der ganzen Welt vor Augen geführt. Von 19 identifizierten Attentätern stammten 15 aus
Saudi-Arabien.
Osama bin Laden, der Gründer des Terrornetzwerks Al Quaida, war ebenfalls ein
Saudi, und auch bei den späteren weltweiten Terroranschlägen, wie z.B. in Madrid, London oder Bali, führten die Hintergründe der Islamisten in die radikalen
Wahabiten-Schulen in Saudi Arabien.
Im Kampf gegen den IS gibt es seit Jahren den begründeten Verdacht, dass Riad
diese sunnitische Terrororganisation finanziell unterstützt hat und möglicherweise
immer noch mitfinanziert.
Ein immer entscheidender Faktor der
saudischen Politik ist die anti-iranische
Haltung des Herrscherhauses. Riad sieht
sich mit einem schiitischen Halbbogen
konfrontiert, der von Teheran über die
schiitisch dominierte Regierung im Irak
und den alawitischen Herrscher Bashar
Al Assad in Syrien bis zur schiitischen
Hisbollah im Libanon reicht.
Deshalb setzt der saudische König immer noch alles daran, das syrische Regime
zu stürzen und hat deshalb z.B. im März
2016 dem Libanon eine zugesagte Hilfe
in Höhe von vier Milliarden Dollar zur
Strafe dafür gestrichen, dass die libanesische Hisbollah die syrischen Streitkräfte
unterstützt.
Im Jemen kämpft eine sunnitische Allianz unter Führung Saudi-Arabiens gegen
die Huthis und den ehemaligen jemenitischen Präsidenten Saleh. Riad behauptet,
die Huthis würden von Teheran unterstützt mit dem Ziel, den Jemen unter iranische Kontrolle zu bringen und sich auf
diesem Wege auf der Arabischen Halbinsel festsetzen.
Auch die Schiiten in Bahrain werden
nach saudischer Lesart von Teheran unter-
10
stützt, was im März 2011 als Begründung
für den Einmarsch saudischer Truppen in
das benachbarte Königreich diente.
Seit dem Atomabkommen mit dem Iran
konstruiert Riad immer intensiver eine
angebliche iranische Bedrohung, weil das
Königreich seine angestrebte Vormachtstellung in der Region gefährdet sieht.
Die aktuelle Politik Saudi-Arabiens
wird seit Januar 2015 von einer neuen
Führung unter König Salman bestimmt,
der alle wichtigen Posten neu besetzt hat.
Im Innern wird die konservative Richtung, abgesehen von einer immer noch
sehr zögerlichen Beteiligung der Frauen
an der Politik und dem gesellschaftlichen
«Saudi-Arabien ist sich
darüber im Klaren, dass es
für Washington in der
Region keine Alternative zur
Allianz mit Riad gibt.»
Leben, konsequent fortgesetzt. Die Scharia ist die islamische Begründung für Massenhinrichtungen, die im Januar 2016
zu einem Abbruch der diplomatischen
Beziehungen mit dem Iran führten, der
sich Bahrain und Kuwait bald darauf anschlossen.
Die wirtschaftliche Lage des Landes ist
auf Grund des niedrigen Ölpreises schwierig geworden, der Staatshaushalt bereits
im zweiten Jahr hintereinander defizitär.
Trotzdem lehnt Riad eine Kürzung der Ölfördermengen ab.
Die internationale Rolle des Königreichs in der Region und auch in der Welt,
vor allem aber auch gegenüber den USA,
wird durch die neue Führungsriege in Riad
wesentlich offensiver vertreten, was die aktuelle saudisch-amerikanische Allianz entscheidend beeinflusst und für den Rest der
Welt verhängnisvoll werden könnte.
Die Bewertung der
saudisch-amerikanischen Allianz
Saudi-Arabien ist sich darüber im Klaren, dass es für Washington derzeit in der
Region keine Alternative zur Allianz mit
Riad gibt. Die enge Zusammenarbeit in
der Vergangenheit und die «gemeinsamen
Leichen» im Keller, um es einmal profan
zu formulieren, scheinen die beiden Länder zu einem Schulterschluss zu zwingen,
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
der nicht nur den Frieden und die Stabilität in der Region gefährden kann.
Als der UN-Sicherheitsrat nach dem
Überfall Saddam Husseins auf Kuwait
am 29. November 1990 auf Betreiben der
USA eine Resolution verabschiedete, die
auch den Einsatz von Militär genehmigte … 2. Authorizes Member States co-operating with the Government of Kuwait, unless Iraq on or before 15 January 1991 fully
implements, as set forth in paragraph 1
above, the above-mentioned resolutions, to
use all necessary means to uphold and
implement resolution 660 (1990) and all
subsequent relevant resolutions and to
restore international peace and security in
the area …, ging es Washington nicht in
erster Linie um die Wiederherstellung
der Souveränität Kuwaits, sondern mehr
um die Sicherheit Saudi-Arabiens und
die amerikanische Ölversorgung.
Die Verabschiedung der UN-Resolution 678 wurde in der dargestellten Form
nur möglich, weil die amerikanische PRAgentur Hill and Knowlton zwei Videos
erstellt hatte, deren Inhalte nicht der Wahrheit entsprachen.
Im ersten Video berichtete, wie sich erst
später herausstellte, die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA von
irakischen Soldaten, die angeblich in einem
kuwaitischen Krankenhaus Neugeborene
aus Brutästen genommen und auf die Erde
gelegt oder geworfen hatten. Dieses Video
wurde wohl bereits im August 1990, also
zu einem Zeitpunkt erstellt, als sich die
kuwaitische Herrscherfamilie im Exil in
Saudi-Arabien befand. Im zweiten Video
berichtet eine junge Frau von einer besonders brutalen Vergewaltigung durch irakische Soldaten, die nicht stattgefunden hatte, sondern eine von Hill and Knowlton
erfundene Story war. Insider behaupten,
es habe sich bei der angeblich Vergewaltigten um die Tochter von Prinz Bandar
Ibn Sultan gehandelt, der von 1983 –2005
saudischer Botschafter in Washington war.
Prinz Bandar hatte ein derart enges Verhältnis zum damaligen US-Präsidenten, dass
dieser ihn oft «Bandar Bush» genannt hat.
Bandar war über Jahrzehnte die entscheidende «Relais-Stelle» in der saudischamerikanischen Allianz. Nach seiner Zeit
als Botschafter war er Generalsekretär des
Nationalen Sicherheitsrates seines Landes
und später Chef des saudischen Geheimdienstes. Er hat die amerikanisch-saudische Zusammenarbeit geprägt wie kein anderer und war bei vielen CIA-Operationen der finanzielle Drahtzieher im Hintergrund.
Sicherheitspolitik
Auf Grund seiner engen Beziehungen
zum damaligen US-Präsidenten Bush war
es ihm am 11. September 2001 trotz der
Sperrung des amerikanischen Luftraumes
gelungen, noch zwei voll besetzte Passagiermaschinen mit saudischen Staatbürgern ausfliegen zu lassen.
Dieser 11. September 2001 könnte jetzt
erneut ein Beispiel dafür werden, dass die
US-Regierung auf dem saudischen Auge
blind ist/bzw. blind gemacht wird …
Der Kongress plant nämlich aktuell ein
Gesetz, das eine Untersuchung ermöglichen würde, ob die saudische Regierung
in die Anschläge auf das World Trade Center verwickelt war. Riad reagierte umgehend und liess durch seinen ehemaligen
US-Botschafter und jetzigen Aussenminister Adel Al-Jubair (54!) bei dessen Besuch in Washington im April 2016 signalisieren, dass das Königreich für den Fall
einer Genehmigung einer solchen Untersuchung Kapital/Investitionen/Beteiligungen in Höhe von 750 Milliarden $ aus den
USA abziehen würde. Zeitgleich bot Riad
den USA an, neun jemenitische Gefangene aus Guantanamo in Saudi Arabien aufzunehmen. Im gleichen Zeitfenster wurde berichtet, dass die USA auch weiterhin Aufklärungsergebnisse, geheimdienst-
«Auf jeden Fall
wird der Strom
amerikanischer Waffen
auf die Arabische Halbinsel
nicht versiegen.»
liche Erkenntnisse und militärische Beratung für den saudischen Krieg im Jemen zur Verfügung stellen würden, einem
Krieg, in dem auf Seiten der Saudis fast
ausschliesslich von den USA gelieferte
Waffensysteme zum Einsatz kommen.
Inzwischen ist der Jemen de facto zweigeteilt, mindestens 7000 Menschen sind
gestorben und 14 Millionen Menschen des
ärmsten Landes auf der Arabischen Halbinsel haben nicht mehr genug zu essen.
Und das alles, weil Riad behauptet, Teheran bedrohe durch sein bis heute nicht bewiesenes Engagement im Jemen die Sicherheit des Königreiches.
Mit einer Gefährdung dieser eigenen
Sicherheit hatte Saudi-Arabien schon den
Einmarsch seiner Truppen in das Königreich Bahrain begründet, und Washing-
ton hatte dazu weitgehend geschwiegen,
weil die 5. US-Flotte in Bahrain stationiert
ist. Auch die saudischen Massenhinrichtungen im Januar 2016, bei denen auch
der schiitische Scheich Nimr ermordet
worden war, wurden von Washington ausgesprochen halbherzig verurteilt.
Anfangs hatten die USA und Saudi-Arabien versucht, den IS für einen Sturz des
syrischen Präsidenten Assad zu instrumentalisieren und die Terrorganisation finanziell und durch Waffenlieferungen unterstützt. Während die USA, zumindest offiziell, diesen Irrsinn eingesehen haben,
bleibt die Rolle Saudi-Arabiens auch in
diesem Punkt dubios. Unter der Decke
setzen allerdings auch die USA mit Hilfe
der CIA im Rahmen der Operation «Timber Sycamore» die Unterstützung radikaler Kräfte in Syrien fort, während Riad,
wie schon so oft in der Vergangenheit, die
Kosten dafür übernimmt.
Riad wirft Washington vor, durch das
Atomabkommen mit dem Iran, die Sicherheit Saudi Arabiens aufs Spiel gesetzt zu
haben und setzt die USA mit dieser konstruierten iranischen Bedrohung äusserst
wirkungsvoll unter Druck. So hat Präsident Obama bei seinem aktuellen Besuch
in Saudi Arabien noch einmal die Bedeutung der saudisch- amerikanischen Allianz
unterstrichen und vielleicht König Salman
sogar zugesichert, dass es auch in Zukunft
keine Untersuchung einer möglichen saudischen Beteiligung an den Anschlägen
vom 11. September 2001 geben wird.
Auf jeden Fall wird der Strom amerikanischer Waffen auf die Arabische Halbinsel nicht versiegen.
Neben den 780 Milliarden saudischen
Dollar in den USA sei abschliessend daran
erinnert, dass die USA trotz der eigenen
Ölförderung täglich noch immer eine Million Barrel aus Saudi-Arabien importieren.
Insgesamt entsteht zunehmend der Eindruck, dass die USA auf Grund der vielen saudischen «Gefälligkeiten» und einer
nicht unerheblich wirtschaftlichen Abhängigkeit, erpressbar geworden sind, und das
stellt sicherlich nicht nur eine Gefahr für
den Frieden und die Stabilität in der Nahmittelost-Region dar, sondern für die Welt
insgesamt.
■
Oberst i Gst aD
Jürgen Hübschen
Beratung für
Friedenssicherung und
Sicherheitskonzepte
D-48268 Greven
Das Wort des CdA
Geschätzte Kader
unserer Armee,
geschätzte Leserinnen
und Leser der ASMZ
Die ETH Zürich hat letzten Monat ihre jährliche Sicherheitsstudie
veröffentlicht. Erfreut
können wir feststellen, dass die Armee
darin die höchsten Zustimmungswerte
seit über 20 Jahren erzielt. 84% (2015:
80%) der befragten Personen erachten
unsere Armee als notwendig.
78% (2015: 73%) erklären sich damit einverstanden, dass die Schweiz eine sehr
gut ausgebildete Armee unterhalten soll.
Zu diesem Umfragewert passt auch, dass
nur noch 31% der Befragten das Budget
der Armee reduzieren würden. Dies ist der
tiefste Wert seit Beginn der Studienreihe.
Es wäre aber falsch, wenn wir diese Resultate als Erfolg feiern würden. Es ist
wohl primär Ausdruck der zunehmend
schlechter werdenden Sicherheitslage
und zeigt auf, dass unsere Aufträge in
der Bevölkerung ernst genommen werden. Europol hat im vergangenen Jahr
in Europa 211 Terrorpläne erfasst. Nicht
alle konnten vereitelt werden. Paris und
Brüssel sind uns allen noch in deutlicher
Erinnerung. Für mich ist deshalb wichtig, dass wir unsere Leistung jederzeit
zuverlässig erbringen können und unsere Bevölkerung Vertrauen in ihre Armee
haben kann.
Auch diesbezüglich gibt die Sicherheitsstudie Auskunft:
Der Umfragewert zur Frage «Wie zufrieden sind Sie mit der Leistung der Schweizer Armee» ist in den vergangenen acht
Jahren stetig und deutlich gestiegen. Dies
ist eine echte Anerkennung für die Miliz.
Bravo und Danke.
Sollte sich die Lage nun so entwickeln,
dass wir die zivilen Behörden – zum Beispiel an der Grenze – unterstützen müssen, so werden wir dies zuverlässig und
mit grosser Ernsthaftigkeit tun.
Ich weiss, dass sich unsere Bevölkerung
auf unsere Miliz verlassen kann und wünsche Ihnen allen einen sicherheitsmässig hoffentlich ruhigen Sommer. Denjenigen, welche Dienst leisten, wünsche
ich viel Erfolg und vor oder nach der
Dienstzeit eine erholsame Ferienzeit.
Korpskommandant André Blattmann
Chef der Armee
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
11
Sicherheitspolitik
Möglicher Dammbruch im Irak
droht IS-Katastrophe zu bagatellisieren!
Die 35 Millionen Iraker sind wirklich nicht zu beneiden. Ein Terrorregime
löst das andere ab und zu allem Überfluss droht der Region im Norden des
Irak nun auch noch eine riesige Naturkatastrophe.
Heino Matzken
Der grösste Staudamm des Landes, der
Mossul-Damm, 1984 als Prestigeobjekt
Saddam Husseins errichtet, läuft Gefahr
zu brechen. Eine 20 Meter hohe Flutwelle könnte dann die zweitgrösste Stadt des
Landes, die Zwei-Millionen-Metropole
Mossul, ebenso wie die flussabwärts gelegenen Städte Tikris und Samara überschwemmen. 1,5 Millionen Menschen
seien entlang des Tigris bedroht, so Experten. Die Welle könne sogar die 400
Kilometer südlich gelegene Hauptstadt
Bagdad erreichen.
Historischer Streit
überschattet Risiko
Ein Horrorszenario, welches den 1920
künstlich geschaffenen Staat an Euphrat
und Tigris erneut auf die Probe stellt. So
kämpft Bagdad neben dieser drohenden
Naturkatastrophe bereits heute mit diversen schwerwiegenden, bislang nicht gelösten Problemen. Nach der Entmachtung des sunnitischen Diktators Saddam
Hussein durch die US-Invasion 2003,
sucht das Land weiter nach einer einenden Hand. Der neuen schiitischen Regierung unter Premierminister Haider
al-Abadi gelang es bislang nicht, die beiden muslimischen Glaubensrichtungen
zu versöhnen. Diesen historischen Zwist,
das entstandene Machtvakuum sowie die
Enttäuschung ihrer sunnitischen Glaubensbrüder nutzte die Terrororganisation
Islamischer Staat, um grosse Teile des Iraks
unter seine Kontrolle zu bringen. Nach
jüngsten handfesten Auseinandersetzungen der Parlamentarier, hervorgerufen
durch die Absicht Al-Abadis, das korrupte politische System zu reformieren – was
ihm nicht nur Freunde eingebracht hat –
steht dieses kurz vor dem Zusammenbruch
und bringt den gemeinsamen Kampf gegen den IS in Gefahr. Die Integrität des
aus den drei damaligen osmanischen Provinzen Bagdad, Mossul und Basra zusam-
12
mengesetzten Staates ist durch die unterschiedlichen Interessen der drei grossen
Bevölkerungsgruppen der Sunniten (60
Prozent der Einwohner), Schiiten (25 Prozent) und Kurden (15 Prozent) aufs Äusserste bedroht. Besonders das bereits heute existierende und gut funktionierende
kurdische Autonomiegebiet im Norden
wird sich in Zukunft nur schwer – wenn
überhaupt – durch eine Regierung aus
Bagdad führen lassen.
Fehlende Lebensgrundlage
Die leidgeplagte irakische Bevölkerung
sieht sich nach 13 Jahren Bürgerkrieg und
unzähligen, meist religiös motivierten Attentaten einer stark beschädigten Lebensgrundlage gegenüber. Der Krieg gegen
Luftaufnahme Stausee mit Talsperre.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
die amerikanischen Invasoren, zwischen
Schiiten und Sunniten sowie gegen den
IS haben das wirtschaftliche Leben fast
zum Stillstand gebracht. Ein Hoffnungsschimmer erschien Anfang 2014, als die
Ölproduktion mit 3,6 Millionen Barrel
(ein Barrel entspricht 159 Liter) täglich
sogar über dem «Vor-Saddam»-Rekordniveau in den Siebzigern lag. Doch der
achtjährige Konflikt gegen den Iran und
die anschliessenden Golfkriege gegen den
Westen verhinderten eine strategische
und notwendige Investitionspolitik in
die Erdölindustrie. Darüber hinaus haben die explosionsartige Ausbeutung vorhandenen Schieferöls – die USA ist seit
2015 dank der neuartigen Fördermethode «Fracking» der weltweit grösste Produzent des schwarzen Goldes – und das Abklingen des globalen Wirtschaftswachstums den Preis ins Bodenlose fallen las-
Sicherheitspolitik
sen. Innerhalb von nur 18 Monaten sank
der Kurswert um fast 70 Prozent. Und genau diese Einnahmen fehlen dem Land
mit den weltweit fünftgrössten Ölreserven, um nötige Investitionen in die Zukunft des Staates und seinen Einwohnern
zu tätigen. In den letzten Jahrzehnten gelang es der Zentralregierung in Bagdad,
die Separationsbemühungen der drei Bevölkerungsgruppen – Sunniten, Schiiten
und Kurden – durch umfangreiche «Ausgleichszahlungen» im Zaum zu halten.
Doch diese, z.B. auch in Saudi-Arabien,
angewandte und funktionierende Taktik
droht in Zeiten der sozialen Unsicherheit
und interner wie externer Konflikte seinen stabilisierenden Einfluss zu verlieren.
Karte Irak, Mossul Damm im Norden.
4000 m
3000 m
2500 m
2000 m
1500 m
1000 m
750 m
500 m
400 m
300 m
200 m
100 m
0
Da könnte eine Katastrophe mit Hunderttausenden von Opfern den Tropfen
auf den heissen Stein bedeuten und den
Irak zerbrechen lassen.
Sanierung dringend nötig
Die aktuelle Warnung diverser Ingenieure sowie des US-Generals Sean MacFarland, Kommandeur der westlichen Allianz
gegen den IS, vor einem möglichen Bruch
des baufälligen sogenannten «SaddamDamms» kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die im Februar einsetzende Schneeschmelze in den türkischen Bergen liess die Wassermassen des
Tigris anschwellen und erhöhte den Druck
auf den Damm immens. Sollte das «worst
Bilder: Wikipedia
case»-Szenario eintreten und die Staumauer
(auch ohne Gefechtseinwirkung) aufgrund
ihrer geologischen Besonderheit bersten, wären die humanitären
Folgen enorm. Selbst
die grösste Ölraffinerie des Landes in Baidschi würde der dann
mindestens vier Meter
hohen Welle zum Opfer fallen. Die 1986 von
einem deutsch-italienischen Konsortium
fertiggestellte MossulTalsperre ist 3,6 Kilometer lang und staut
einen See mit über
370 Quadratkilometern Oberfläche. Wasser hat den auf Kalkstein gebauten Staudamm bereits früh ausgehöhlt und konnte ungehindert durch
die in den wasserlöslichen Gesteinen wie
Mergel, Kalkstein, Gips und Tonstein entstandenen Löcher, Spalten und Risse hindurchfliessen. Lange Zeit injizierten die
Ingenieure ein Betongemisch in den Untergrund des Damms, um die Risse und
Spalten bis in 25 Meter Tiefe zu verschliessen. Diese notwendigen Arbeiten
ruhen jedoch seit August 2014, nachdem
der Islamische Staat die Gegend mitsamt
dem Staudamm kurzfristig unter seine
Kontrolle gebracht hatte.
Experten der amerikanischen Streitkräfte bezeichneten ihn schon 2007 als «gefährlichsten» Damm der Welt und schlugen ein Sanierungsprojekt im Werte von
27 Millionen Dollar vor. Die Regierung in
Bagdad führte die Reparaturen aber nicht
durch und stellte selbst die Wartungsarbeiten im August 2014 ein. Der IS kontrolliert das Zementwerk, welches das nötige Betongemisch herstellt, und nutzt,
mit weiteren Staudämmen in seiner Gewalt, «Wasser als Waffe».
Der stellvertretende Direktor der Mossul-Talsperre bestätigte: «Die Verbindungen an den beiden Haupttoren haben sich
vertikal und horizontal verschoben, was
zum Zusammenbruch des Damms führen könnte, aber wir wissen nicht, wann
dies geschehen wird.» Zu allem Übel verzeichnete die Region auch immer wieder
leichte seismische Aktivitäten. Trotzdem
bekräftigte die Zentralregierung in Bagdad – wahrscheinlich aus Zweckoptimismus –, dass keine Gefahr bestehe.
Das Staubecken fasst etwa elf Milliarden Kubikmeter Wasser. Lediglich
acht Milliarden könnte man ablassen.
Die restlichen drei Milliarden – der grösste schweizerische Speichersee «Grande
Dixence» fasst zum Vergleich maximal
400 Millionen Kubikmeter Wasser – liegen
unterhalb der Auslassrohre. Der Schutz
des grössten Erddammes des Landes, 40
Kilometer nördlich Mossuls, obliegt mittlerweile dem italienischen Trevi-Konzern.
Die Baufirma schloss im Dezember vergangenen Jahres mit Bagdad einen Vertrag über mehr als 1,8 Millionen Euro
über die Durchführung von Instandhaltungsmassnahmen. Damit die Arbeiten
überhaupt möglich werden, kündigte Ministerpräsident Matteo Renzi im Januar
die militärische Unterstützung des Iraks
an und plant, 450 Soldaten zum Schutz
der Arbeiter an den Damm zu schicken.
Die in Betracht gezogene Möglichkeit,
auf halbem Weg zwischen der Talsperre
und Mossul eine neue Staumauer bei Badusch zu bauen, um die gravierendsten
Folgen eines möglichen Dammbruchs abzuwenden – voraussichtliche Kosten von
10 Milliarden Dollar – steht derzeit nicht
auf der Agenda. Dort hatten jugoslawische Ingenieure bereits in den 80er Jahren
mit entsprechenden Arbeiten begonnen.
Regionale Interessen
verhindern Sanierung
Seit Sommer 2014 befindet sich die bedrohte Millionenstadt Mossul unter Kontrolle des IS. Kurzzeitig konnte die Terrormiliz auch den Damm in ihre Gewalt
bringen, bevor ihn kurdische Peschmerga-Milizen, aus der Luft von US-Kampfflugzeugen und am Boden von der iraki-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
13
Sicherheitspolitik
schen Armee unterstützt, zurückeroberten. Kurdische Kämpfer bewachen derzeit
den Staudamm. Damit kontrollieren sie
auch die Stromversorgung sowie die Bewässerung in weiten Teilen des gesamten
Iraks. So halten die Peschmerga, «die dem
Tod ins Auge Sehenden», eine weitere
Schlüsselposition auf dem Weg in eine vermeintliche Unabhängigkeit in ihrer Hand.
Für die Kurden rückt möglicherweise ein
Jahrhunderte alter Traum in greifbare
Nähe. Als 1923 der Vertrag von Lausanne
die Errungenschaften des Vertrages von
Sèvres kurz nach dem Ersten Weltkrieg
revidierte – darin war ein unabhängiges
Kurdistan in Aussicht gestellt worden –,
schienen die Hoffnungen der Kurden für
lange Zeit begraben zu sein. Ein selbstständiger Staat für die fast 30 Millionen
Menschen dieser westasiatischen Ethnie
auf dem ehemaligen Gebiet des Osmanischen Reiches blieb für das folgende Jahrhundert eine Utopie. Doch der gemeinsame internationale Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak aber auch in Syrien
verlieh den Kurden Auftrieb. Unterstützt
von den USA konnten die kurdischen
«Volksverteidigungseinheiten» (YPG) im
letzten Jahr dem IS neben der Grenzstadt
Kobani grosse Geländeteile an der syrischtürkischen Grenze entreissen. Die Gelegenheit für das grösste Volk ohne eigenen
Staat ist günstiger denn je. Während die
Weltöffentlichkeit auf die russische Intervention in Syrien und terroristische Anschläge in Europa gerichtet ist, schaffen
Masud Barzani und Co. Fakten. Der Präsident der autonomen Region im Norden
des Irak stärkt seit 1970 kontinuierlich
die begrenzte Selbstverwaltung seiner ethnischen Volksgruppe. Der damalige Vizepräsident Saddam Hussein gründete im
Märzmanifest die «Kurdische Autonome
Der Staudamm im irakischen Mossul gilt als
einer der am meisten gefährdeten der Welt.
Wenn der Tigris im Frühjahr anschwillt,
droht der Damm zu bersten. Bild: Spiegel.de
Region» (2005 umbenannt in «Autonome Region Kurdistan»). Verhandlungsführer war Mustafa Barzani, Vater des
heutigen Präsidenten der Region Masud
Barzani. Dank eines seit Jahren wirtschaftlichen Booms und der militärischen Ausweitung des kurdischen Gebiets durch die
Peschmerga unter Ausnutzung des momentanen Chaos in Bagdad, exportierte
Begeisterung?
«Mobil, digital und
persönlich.»
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Was immer Sie vorhaben. Wir sind für Sie da.
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Sicherheitspolitik
die Regionalregierung in Erbil erstmalig
Öl auf eigene Rechnung. Seit Mai gelangt das schwarze Gold über eine neue
Pipeline in die Türkei. Ankara spricht von
Einnahmen für die Kurden in Höhe von
93 Millionen US-Dollar. Eine Kontrolle
und wirtschaftliche Nutzung des «Saddam-Staudamms» und seiner Kraftwerksleistung von 750 Megawatt des Hauptkraftwerks, weiteren 200 MW des Pumpspeicherkavernenkraftwerks sowie 60 MW
der Flussregulierungsstaustufe kämen einem «Kurdistan» sicher gelegen. Der für
die Sicherheit verantwortliche Peschmerga-Kommandeur Jamal Mahmoud berichtete im Februar von gelegentlichen ISAngriffen auf seine Stellungen am Damm.
Darüber hinaus vermutet er, dass die örtliche Bevölkerung mit dem IS kollaboriere. Das Zurückdrängen der Kämpfer unter dem schwarzen Banner aus der Gegend
käme Erbil sehr gelegen.
Doch auch Bagdad hat ein Interesse an
der Rückeroberung der Region um die
Millionenstadt Mossul. Beflügelt durch
den Erfolg bei der Rückgewinnung Ramadis plant die irakische Armee nun einen
Angriff auf die IS-Hochburg am Tigris.
Hauptziel sei zwar die Unterbrechung der
Nachschublinien der Terroristen, doch ein
erneuter Sieg würde ebenfalls einen Prestigegewinn für die Armee bedeuten. Eine
Offensive, die Daesh (Akronym der arabischen Entsprechung von «Islamischer
Staat im Irak und der Levante») schwächt,
könnte die Terrororganisation dazu verleiten, die 40 Kilometer nördlich von
Mossul gelegene Talsperre erneut unter
ihre Kontrolle zu bringen und sie dann
als letzte Waffe gegen die vorrückenden
Truppen und die Zivilbevölkerung einzusetzen.
Irak bleibt
im internationalen Fokus
Die schiitische Regierung unter dem
seit August 2014 amtierenden Premierminister Haider al-Abadi sieht sich einer
Reihe von Problemen gegenüber. Besonders der interne muslimische Konflikt
hält das Land an Euphrat und Tigris seit
Jahren auf Trab. Der ehemalige schiitische Premierminister Nuri al-Maliki baute nach der Wahl 2010 seine Macht systematisch aus. Er brachte als Oberkommandierender Armee und Polizei unter
seine Kontrolle und ging mit Haftbefehlen gegen diverse sunnitische Politiker vor.
Eine weitere Spaltung des Landes war die
Folge. Die Sunniten fühlten sich poli-
tisch entmachtet und mehr und mehr in
die Enge gedrückt. Diese Unzufriedenheit
führte dazu, dass sich in der Provinz alAnbar viele Stammesführer von der Regierung abwandten. Ein ideale Gelegenheit für den Islamischen Staat, im Irak Fuss
zu fassen, wie sich herausstellen sollte.
Maliki überwarf sich ebenfalls mit den
Kurden, wobei es vor allem um die kurdische Erdölförderung ging. Obwohl
Malikis «Rechtsstaat-Koalition» bei den
Parlamentswahlen im April 2014 mit 92
Mandaten erneut die stärkste Kraft stellte, gelang es Staatspräsident Fuad Masum, anstelle des poloarisierenden Malikis
den «moderateren», ebenfalls schiitischen
Haider al-Abadi mit der Regierungsbildung zu betrauen. Ihn erwartete mit der
Versöhnung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen bei gleichzeitigem Kampf
gegen Daesh eine Herkulesaufgabe. 2015
ergriff der 64-Jährige mit einem umfassenden Reformprogramm die Initiative.
Eine drastische Reduzierung der Regierungsmannschaft sowie Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Führung
des Staates zurückbringen. Sicherlich ein
nobler und guter Ansatz. Doch al-Abadi
muss Erfolge vorweisen, um das gespaltene und durch unaufhörliche Selbstmordattentate malträtierte Land vor der Implosion zu bewahren.
Ein militärischer Sieg gegen den IS, der
weiter grosse Landesteile im Norden und
Westen besetzt, wäre ein erster wichtiger
Schritt. Dann könnten auch die notwendigen Instandhaltungsarbeiten am «Saddam-Staudamm» durchgeführt werden
und so der Region eine wirtschaftliche
Perspektive bieten. Sicher wäre es auch
für die Weltgemeinschaft, die sich einer
nicht enden wollender Flüchtlingswelle
aus der Region gegenübersieht, eine Entlastung. Doch das kann nur mit weitreichender internationaler Unterstützung gelingen – militärisch, aber auch für den
darauf folgenden Wiederaufbau! Ob damit jedoch mittelfristig ein Auseinanderbrechen des Iraks verhindert werden kann,
bleibt in Anbetracht des Fortschritts des
«nation buildings» der Kurden sehr zweifelhaft.
■
OTL im Generalstab
Heino Matzken
Diplom Informatiker
Deutscher VtdgAttaché
in Belgien
1150 Woluwe St Pierre
Aus dem Bundeshaus
Berichtet wird bis einschliesslich zweite Woche der Sommersession 2016 mit Schwergewicht auf Ständerat
(SR) und auf «Armeebotschaft 2016» aus
drei Teilen (16.026).
Der SR als Erstrat lehnte Eintreten auf den
Entwurf des Bundesrates zum «Bundesbeschluss zum Zahlungsrahmen der Armee
2017–2020» von 18,8 Milliarden Franken
in der «Armeebotschaft 2016» vom 24. Februar 2016 ab (25:10:0). Hauptgrund
ist der vorgängige «Bundesbeschluss zum
Zahlungsrahmen der Armee 2017–2020»
von 20 Milliarden Franken, den das Parlament in seinen Schlussabstimmungen
vom 18. März 2016 verabschiedet hat.
Weitere Gründe sind die jährlichen Entscheide der Räte über die Finanzen für Betrieb, Beschaffungen und Bauten. Der SR
nahm den «Bundesbeschluss zum Rüstungsprogramm 2016» mit einem Gesamtkredit von 1,341 Milliarden Franken an (Gesamtabstimmung 35:6:0). Dieser umfasst
neben einem Rahmenkredit sechs einzeln
spezifizierte und nach Fähigkeitsbereichen
aufgeteilte Verpflichtungskredite: Nachrichtenbeschaffung in der Luft (Luftraumüberwachungssystem Florako, Werterhalt
Flores) und zu Wasser (Patrouillenboot 16);
Wirksamkeit im Einsatz (12cm-Mörser 16,
Schultergestützte Mehrzweckwaffen, Ersatzmaterial Kampfflugzeuge F/A-18 Hornet; Mobilität (Lastwagen und Anhänger).
Ebenfalls nahm der SR den «Bundesbeschluss zum Immobilienprogramm VBS
2016» mit einem Gesamtkredit von 572
Millionen Franken an. Es enthält insbesondere je in Frauenfeld den Neubau Rechenzentrum Campus sowie die Gesamtsanierung und Neubauten auf dem Waffenplatz.
Die Motion «Drogensuchtests in der Armee»
nahm der SR an (16.3053) und lehnte im
Gegensatz zum Nationalrat die Motion
«Schweizer Frischmilch für die Schweizer
Armee» ab (14.4265). In der Fragestunde vom 6. Juni ging es unter anderem um
die Patrouille des Glaciers 2018 und 2020
(16.5169) und um Lebensflugstunden des
F/A-18 Hornet (16.5193).
Oberst aD Heinrich L.Wirz
Militärpublizist/Bundeshaus-Journalist
3047 Bremgarten BE
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
15
Sicherheitspolitik
Erfolg und Misserfolg des
«Global War on Terror», 2001–2011
Am 11. September 2001 wurden die USA zum ersten Mal seit Pearl Harbour
auf ihrem eigenen Staatsgebiet angegriffen. Die Amerikaner genossen
breite Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft in der folgenden
weitreichenden aussenpolitischen Neuausrichtung in der Form eines
Global War on Terror (GWOT), der jedoch durch die Rhetorik von Anfang an
zum Scheitern verurteilt war.
Jonas Vollenweider
Der GWOT war überambitioniert;
weckte Erwartungen auf einen schnellen,
beeindruckenden Gegenschlag, obwohl
von Beginn an voraussehbar war, dass es
ein längeres Unterfangen werden würde;
und versetzte Präsident Bush in eine innenpolitisch prekäre Lage.
Die ersten zehn Jahre sahen nebst dem
Feldzug in Afghanistan auch eine Invasion Iraks, die aufgrund zwielichtiger amerikanischer Motivation bei weitem nicht
die gleiche internationale Akzeptanz fand,
und die, in Kombination mit Scheinheiligkeiten in den Bereichen Menschenrechte,
Demokratie und Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, weltweit zu
einem deutlichen Popularitätsverlust der
USA führte. Die amerikanische Wirtschaft
wurde ebenfalls schwer in Mitleidenschaft
gezogen: 25% der zusätzlichen US-Schulden, die sich in der ersten Dekade des
General Petraeus im Gespräch
mit Einheimischen von Hit, Irak, 2007.
21. Jahrhunderts anhäuften, sind dem
GWOT zuzuschreiben und sind indirekt
ein Mitgrund für die Wirtschaftskrise von
2008. Die Strategie des GWOT, die erst
zwei Jahre nach 9/11 publiziert wurde und
einer 4D-Methode folgte (Defeat, Deny,
«There would be no Isis
if we had not invaded Iraq.»
David Kilcullen
Diminish, Defend), welche im Folgenden
näher analysiert wird, definierte das Endziel als eine universelle Nichtakzeptanz
von Terrorismus als legitime Taktik. Dieses Endziel wurde offensichtlich nicht erreicht.
Defeat
Die USA machten vorerst einige Fortschritte mit direkten Angriffen, jedoch
waren deren Wirkung nie länger anhal-
tend. Die Taliban und Al-Qaida wurden
in der Folge von 9/11 ohne grosse Verzögerungen aus Afghanistan vertrieben, dessen ungeachtet nisteten sich beide Organisationen langsam aber sicher wieder in
Afghanistan ein, nachdem sich der US-Fokus auf Irak verlagerte. Die meisten hohen
Kader Al-Qaidas, Osama bin Laden eingeschlossen, wurden zwar in den ersten zehn
Jahren gefangen oder getötet, dies zog aber
nur einen kurzfristigen Propagandaerfolg
nach sich und die Lücken konnten schnell
gefüllt werden. Darüber hinaus hatten die
meisten terroristischen Organisation (TO)
in 2011, mithilfe der durch den GWOT
massiv gesteigerten medialen Aufmerksamkeit, viel an Status, Ressourcen, Einfluss, Statur und territorialem Besitz gewonnen, insbesondere im Nahen und
Mittleren Osten, wo die USA mit ihrer
heftigen Reaktion zu 9/11 in die Arme
von Al-Qaidas Zermürbungsstrategie gelaufen war. Im Fernen Osten wurden einige Erfolge erziehlt, z.B. in der Ausmerzung
der lokalen TO, Jemaah Islamiyya, durch
Mitglieder der ASEAN. Dies hatte aber
seinen Ursprung in den Anschlägen in Bali
2002 und nicht in 9/11, und einige Mitglieder, wie zum Beispiel die Philippinen,
machten deutlich, dass sie zwar Unterstützung durch die USA genossen, diese
aber nicht reziprok sei. Im Bereich Defeating konnte die USA somit erste Erfolge verbuchen, diese waren jedoch oft nicht
lange anhaltend oder nicht direkt mit dem
GWOT in Verbindung zu bringen.
Deny
Ähnlich den direkten Angriffen auf AlQaida waren die amerikanischen Bemühungen TO Zuflucht und Unterstützung
zu verwehren längerfristig von Misserfolg
gezeichnet. Die USA machten grosse Fortschritte in der internationalen Koopera-
16
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
tion von Nachrichtendiensten und Ordnungskräften, insbesondere im Bereich der
Massenvernichtungswaffen, und gewannen neue Verbündete in den jungen Regierungen von Afghanistan und Irak (doch
nur in den Regierungen). Der amerikanische Kurs hatte aber in vielen Ländern,
wie zum Beispiel in Nordkorea oder Iran,
einen gegensätzlichen Effekt auf den Willen im GWOT mitzuwirken und in anderen Staaten, die nur auf offizieller Ebene
den gleichen Kurs einnahmen, stiessen die
USA auf zusätzliche Schwierigkeiten, da Als sich Helfer zum Ort einer Explosion
unilaterale Operationen auf deren Ho- begeben, geht eine zweite Autobombe hoch,
heitsgebiet schwierig zu rechtfertigen wa- Irak, 2005.
ren und zuweilen zu tiefgreifenden Problemen führten. Pakistan beispielsweise war
offizieller Partner im GWOT, der pakis- besassen und US-Motive bezweifelt wurtanische Nachrichtendienst finanzierte den.Die Feldzüge des GWOT wirkten äusaber zugleich verschiedenste TO, um pa- serst destabilisierend im Nahen- und Mittkistanische Interessen in Kaschmir und leren Osten generell, und speziell in AfghaAfghanistan gegen Indien zu vertreten. nistan und im Irak, im letzteren durch
Zudem wurde Pakistan durch den innen- die Verfolgung ehemaliger Mitglieder der
politischen Unwillen der USA zu helfen Ba’ath Partei, der Auflösung der irakiund dem amerikanischen Druck und un- schen Armee und dem Versagen in der
genehmigten Operationen im pakistani- Bildung einer neuen stabilen Regierung.
schen Hoheitsgebiet weiter destabilisiert; TO konnten aus diesen Missständen und
soweit, dass sich die Regierung innenpo- aus dem Machtvakuum nach dem arabilitisch nicht mehr gegen TO durchsetzen
konnte. Die Kooperation mit willigeren
Ländern führte jedoch
auch gelegentlich zu
ungeplanten Rückschlägen, wie zum Beispiel in Usbekistan,
wo die USA, aufgrund
von finanzieller Kooperation mit einem
Land mit dürftigen
Menschenrechten, an
Glaubwürdigkeit verloren. Generell hatten
die amerikanischen Exfiltration von Soldaten der 10th Mountain Division in der
Bilder: Wikipedia
Bemühungen TO Zu- Daychopan Provinz, Afghanistan, 2003.
fluchtsstätten und Unterstützung zu verwehren gemischten Er- schen Frühling, der zunächst als Erfolg
folg, schlugen im Nahen und Mittleren im GWOT gefeiert wurde, Kapital schlaOsten fehl und wirkten in Schlüsselstaa- gen. Die USA konnten den Fokus dieten oft destabilisierend.
ser TO grösstenteils auf den Nahen und
Mittleren Osten lenken, aber diese Organisationen werden ihre Prioritäten wieDiminish
der neu ausrichten, sobald lokale UneinigDen grössten Misserfolg hatten die USA keiten bereinigt sind. Das amerikanische
in der Bekämpfung der Ursachen von Ter- Ziel, die Ursachen des Terrorismus zu elirorismus. Sie trug mit ihren Entscheidun- minieren, blieb unerreicht. Ganz im Gegen massgebend zu einer Steigerung von genteil: der GWOT destabilisierte den
Feindseligkeiten bei. Die Popularität der Nahen und Mittleren Osten und steigerUSA sank angesichts der Invasion in Irak te das Medieninteresse drastisch, was die
weltweit massiv, da sie kein UN-Mandat Situation noch verschlechterte.
Defend
Die USA waren grösstenteils erfolglos
in den ersten drei der 4D, aber zumindest
die ersten zehn Jahre des GWOT sahen
keine weiteren Terroranschläge auf amerikanischem Boden (ausgenommen Angriffe auf Uniformierte), nicht zuletzt
dank des neuen Ministeriums für innere
Sicherheit und besserer interministerialer
Kooperation. Die Strategie der USA nennt
aber auch die Verhinderung von Anschlägen auf Verbündete, was in mehreren Fällen fehlgeschlagen ist: zum Beispiel Madrid 2004 und London 2005. Daher war
die Verteidigung eigener und verbündeter
Zivilisten nur teilweise erfolgreich.
Fazit
Der GWOT unter Bush schlug fehl,
aber Obama gab den Bestrebungen eine
neue Richtung mit gesteigertem Multilateralismus und globaler Sicherheitszusammenarbeit, die mehr Erfolg hatte. Die USA
konnten ihre Bürger weitgehend schützen
und den Kampf auf fremdem Boden führen, aber Irak und Afghanistan waren nach
zehn Jahren GWOT noch weit entfernt
von Stabilität und hätten höchstwahrscheinlich in einem Bürgerkrieg geendet,
hätten die USA ihre Truppen 2011 abgezogen. Die amerikanischen Misserfolge,
die tiefliegenden Gründe für Terrorismus
zu vermindern (Diminish), hatten im Endeffekt alle Fortschritte im Besiegen (Defeat), Verwehren (Deny) und Verteidigen
(Defend) zunichte gemacht. Der GWOT
hatte sein Endziel in den ersten zehn Jahren bei weitem noch nicht erreicht. ■
Oberleutnant
Jonas Vollenweider
Masterstudent
ME13 8BY Faversham
(United Kingdom)
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
17
Sicherheitspolitik
Wie kommen wir zu einem neuen
Kampfflugzeug?
Nicht ob, sondern wie die Schweiz neue Kampfflugzeuge beschaffen
kann, beschäftigte jüngst eine Diskussionsrunde des Vereins
«Chance Schweiz» (www.chanceschweiz.ch). Die Analyse des ausgefeilten
Beschaffungsverfahrens zeigte: Schon wieder herrscht Zeitdruck!
Danach diskutierten der Referent Peter
Müller, zwei Nationalräte und der LuftDer Moderator, Oberst i Gst Dr. Die- waffenkommandant der Jahre 2008 bis
ter Wicki, stellte klar, den Absturz der 2012. Korpskommandant a D Markus
«Gripen»-Vorlage wolle er nicht ein wei- Gygax bekräftigte, zum Kampfflugzeug
teres Mal analysiert sehen. Dann kamen biete sich auf absehbare Zeit keine echte
drei Impulsreferenten zu
Alternative an: Der HeliWort: Der Volkswirtkopter ist schon für Luftschaftler und Major Dr.
polizeiaufgaben zu langPeter Müller, der 13 Jahsam. Die Drohne taugt
re als Stabschef der armaso wenig zur Luftpolizei
suisse diente und zur Rewie bodengestützte Mitdaktion der ASMZ zählt,
tel der Luftverteidigung
stellte den Beschaffungs(BODLUV). Der freisinprozess vor (siehe Kasnige Aargauer Nationalten) und klopfte ihn auf
rat Thierry Burkart forOptimierungspotenzial
dert die Luftraumsicheab. – Oberst i Gst und
rung als unentbehrlichen
dipl. Ing. ETH WolfTeil unserer Glaubwürdigkeit. Skeptisch begang Hoz, Chef Doktrin
der Luftwaffe, untersuchtrachtet er die vom Vorte die «Entwicklungsten- Pilotiert das NKF durch die ersten steher des VBS berufene,
denzen Luft» und zog da- Turbulenzen: Div Claude Meier,
aus Fachleuten, PolitiBilder: ASMZ
raus die für die Schweiz C A Stab.
kern, Vertretern der Vergeltenden Schlüsse. – Diwaltung und gesellschaftvisionär Claude Meier, selber Pilot des licher Gruppen zusammengesetzte «BeF/A-18, leitet als Chef des Armeestabes gleitgruppe für die Evaluation und Beauch die «Expertengruppe für die Eva- schaffung eines neuen Kampfflugzeugs»,
luation und Beschaffung eines neuen die auf keinen Fall politisch Einfluss
Kampfflugzeugs» (NKF); er blickte zu- nehmen dürfe. Darin pflichtete ihm der
rück auf die Geschichte unserer Luftrüs- Schaffhauser Thomas Hurter bei, Mittung und skizzierte den Gang des aktuel- glied der Sicherheitskommission des Nalen Projektes.
tionalrates, Vertreter der SVP und LiniEugen Thomann, Redaktor ASMZ
Schritte des Beschaffungsverfahrens
Zwischen der Planung und der Übernahme des Gerätes durch die Truppe liegen:
• Projektauftrag des VBS
• Botschaft des Bundesrates (Kredit für
Projektierung, Erprobung, Beschaffungsvorbereitung)
• Kommissions- und Plenardebatten beider Parlamentskammern
• Genehmigung des PEB-Kredites
18
•
•
•
•
•
•
Vorevaluation (Longlist)
Evaluation (Shortlist)
Truppentauglichkeit
Typenwahl
Beschaffungsreife
Botschaft des Bundesrates
(Rüstungsprogramm)
• Kommissions- und Plenardebatten beider Parlamentskammern
• Genehmigung des Rüstungsprogramms
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
enpilot. Er betonte, ohne Luftwaffe gebe
es keine Armee und die Luftüberlegenheit müssten wir mit eigenen Mitteln herstellen.
Neue Kampfflugzeuge
kaum je ohne harten Kampf
Kampfflugzeuge zu beschaffen, fällt der
Schweiz nie leicht. Mitunter misslingen
solche Rüstungsvorhaben ganz. Einen
kritischen Faktor bilden sicher die Kosten. Alsdann geht es um Hochtechnologie «für» wenige Spezialisten. Deren Notwendigkeit ist so schwer zu vermitteln
wie weiland der Eliteverband der Kavallerie des 19. Jahrhunderts oder ein paar
Jahrzehnte später die ersten Panzer.
Zu einem Skandal geriet der Kauf der
französischen «Mirages» 1964, und zwar
nicht nur wegen einer Kostenexplosion,
als deren Folge statt 100 bloss 57 Maschinen in der Schweiz landeten. Der Beschaffungsprozess krankte an Mängeln;
weil beispielsweise zu spät an den Tag
kam, dass die Leitwerke nicht in die
Kavernen passten, behalf man sich mit
einem Kippmechanismus samt Hebehydraulik des Frontfahrwerks. In der Folge verschwand die «Kriegstechnische Abteilung» aus der Armee. Sie bildete innerhalb des Departementes eine eigene
«Gruppe für Rüstungsdienste», woraus
nach Jahren einerseits das Bundesamt für
Rüstung, die «armasuisse», und anderseits
der privatrechtlich organisierte, aber vollständig der Eidgenossenschaft gehörende
Technologiekonzern RUAG entstanden.
1972 verzichtete der Bundesrat auf den
Kauf von 60 Kampfflugzeugen des amerikanischen Typs «Corsair II», nachdem
politischer Streit entbrannt war. Drei Jahre später kam der Kauf der ersten Tranche
«Tiger» zu Stande.
Als das Parlament 1992 die Beschaffung
von 34 «F/A-18» beschloss, regte sich Widerstand. Binnen weniger Wochen gelang
Sicherheitspolitik
Unbequeme Einsichten
Der langjährige frühere Kommandant der
Luftwaffe, KKdt Markus Gygax, überzeugte mit ein paar klaren persönlichen Aussagen:
Für jede Art von Konflikt brauchen wir 60
bis 70 Kampfflugzeuge.
Das Geld dafür ist in unserem reichen
Land vorhanden. Reden wir in der Kostendiskussion lieber über die geringen Bruttosozialprodukt-Anteile als über Milliarden!
Die Luftwaffe ist Teil des Gesamtsystems
Armee, und das Kampfflugzeug ist auf absehbare Zeit raison d’être der Luftwaffe.
Weltweit werden ungefähr 40 Prozent der
Verteidigungskosten für die Luftwaffe aufgewendet, und wir können uns glücklich
schätzen, mit zwei Teilstreitkräften auszukommen, keine teure Marine finanzieren zu müssen.
Die Schweiz muss sich auf ihre Wehrhaftigkeit besinnen. Dank ihr blieben wir von
verheerenden Kriegen verschont.
den Gegnern, weit mehr als die erforderlichen 100000 Unterschriften für eine
Verbotsinitiative zu sammeln. Das wiederum scheuchte die Befürworter auf.
So unterlag die Volksinitiative 1993 einer
Nein-Mehrheit von 57 Prozent. Indes begrub man geräuschlos den ursprünglichen
Plan einer zweiten Tranche.
Das Scheitern des «Gripen»-Fondsgesetzes in der Volksabstimmung von 2014
ist bekannt.
Das perfekte
Beschaffungsverfahren?
Die Referate und die Diskussion orteten wenige Ansätze zum Verbessern oder
Straffen der Abläufe. Obenan steht das
Bedürfnis, Planungssicherheit herzustellen, wozu das Parlament jüngst einen vierjährigen Finanzrahmen von 20 Milliarden durchsetzte. Allerdings darf man sich
nicht täuschen; kraft der Budgethoheit
bleibt dem Parlament die Befugnis erhalten, jedes Jahr auf diese Absicht zurückzukommen.
Die Kriterien der Beschaffungsreife liessen sich flexibler gestalten, doch steigen
damit die Risiken. Angesichts der grossen auf dem Spiel stehenden Geldsummen warnte Meier davor. Eher fiele in
Betracht, künftig die am Anfang stehenden Bedarfsdefinitionen zu verschärfen,
des Luftraums» dartut. Jedoch muss das
NKF Teil eines Gesamtsystems bilden,
zumal das Vernetzen der verschiedenen
Mittel auch beim Schutz des Luftraums
den grössten Mehrwert verheisst. Nicht
ausser Acht bleiben dürfen die Fähigkeitsverluste, wie sie die Luftwaffe in
den letzten Jahrzehnten aus Spargründen
erlitt. Die vorhandenen Kampfflugzeuge
taugen kaum mehr zum Erdkampf und
zur Aufklärung, wären aber in beiden Rollen eigentlich vonnöten.
Die vorhandenen 31 F/A-18 erreichen
2025 das Ende ihrer Nutzung. Deren
Dauer liesse sich mit dem Aufwand von
500 Millionen um gerade fünf Jahre strecken. Das mit dem gleichen Flugzeugtyp
operierende Finnland denkt aus ökonomischen Überlegungen nicht daran. Übrigens würden solche Arbeiten die VerfügDie F/A-18-Staffeln waren erst sieben Jahbarkeit unserer kleinen Flotte gefährlich
re nach dem Zulauf der ersten Maschine
einschränken, so dass auf jeden Fall die
voll operationell.
ersten NKF 2025 verfügbar sein müssen.
Derzeit erarbeiten die Experten das
Schon ein Monat ohne KampfflugzeugGrundlagenpapier, damit der Bundesrat
flotte wäre für unsere Glaubwürdigkeit
eine Katastrophe.
2017 den PEB-Kredit – die Abkürzung
steht für Planung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung – dem Parlawas zwar einengt, jedoch vielleicht Zeit ment beantragen kann. In dieser Vorbespart.
reitungsphase erlebt Meier das ZusamAm meisten Anklang fand der Ruf, menwirken mit der «Begleitgruppe» als
«ab Stange» zu kaufen, mithin ein bereits bereichernd.
erprobtes Gerät. Dazu merkte der Chef
Der Typenentscheid sollte 2020 fallen,
worauf die nötigen
Gelder ins Rüstungsprogramm 2022 gehören.
So zeichnet sich ein
«sportlicher» Zeitplan
ab; Platz findet darin
eine allfällige Neuauflage der Verbotsinitiativen samt Abstimmung. Allein des Finanzrahmens wegen
ist er auf das Projekt
«Weiterentwicklung
Geniale Verbindung von Tradition und Moderne:
der Armee» angeSilvan Wegmann 1993 im «Nebelspalter».
wiesen. Ferner stellen
nennenswerte KürA Stab an, das früher beliebte «Helveti- zungen ihn sofort in Frage. Denn von den
sieren» durch grössere und kleinere Ein- jährlich fünf Milliarden dient ein Fünftel
griffe finde schon lange nicht mehr statt. den Investitionen. Schon das Kürzen von
10 Prozent entzieht wegen der vielen
gesetzlich gebundenen Kosten der RüsStand der Dinge
tung gleich 30 Prozent.
Zweifel am Bedarf nach einem NKF
Ausserdem erreichen ab 2020 einige
deutete niemand an. Kein System kann Grosssysteme der Armee ihr Nutzungsendas polyvalente Kampfflugzeug ersetzen, de. Zu ersetzen gilt es dann Kampfpanzer,
wie das vom Bundesrat 2014 verabschie- Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge.
dete «Konzept zur langfristigen Sicherung Aber das ist eine andere Geschichte. ■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
19
Einsatz und Ausbildung
Integriertes Risikomanagement –
das Wichtige richtig tun
In der Schweizer Armee wurde das Risikomanagement im Jahr 2004 mit dem
Reglement «Führung und Stabsorganisation der Armee (FSO XXI)» eingeführt.
Ursprünglich bloss als begleitende Tätigkeit für den Aktionsplanungs- und
Aktionsführungsprozess vorgesehen, wurde das Risikomanagement aufgrund
der tragischen Unfälle im Jungfraugebiet und auf der Kander im Jahr 2008
durch die Armeeführung zur entscheidenden Führungsaufgabe erhoben.1
Eduard Hirt
Seit 2014 verfügt die Armee mit der
«Führung und Stabsorganisation der Armee 17 (FSO 17)»2 über reglementierte
Führungsprozesse, die ein Risikomanagement vorsehen. Die Analyse des Reglements zeigt allerdings ein ernüchterndes
Resultat auf: Das Risikomanagement ist
weder vollumfänglich in die Führungsprozesse integriert noch wird es systematisch angewendet.
Führungsprozesse
Der Vergleich der Führungsprozesse
und der Phasen des Risikomanagements
der operativen und taktischen Grundlagen der amerikanischen 3, britischen 4
und österreichischen Armee 5 sowie der
NATO 6 mit denjenigen der Schweizer
Armee führt zur Erkenntnis, dass diese
praktisch identisch sind. Der Hauptunterschied besteht in der Beschreibung der
Integration des Risikomanagements in
die Führungsprozesse. Während in den
internationalen Reglementen das Risikomanagement als integraler Bestandteil
der Führungsprozesse beschrieben wird,
bleibt die FSO 17 in diesem Bereich unbestimmt.
Das Risikomanagement hat sich in den
Führungsprozessen der Schweizer Armee
nicht etabliert. So wurden in der FSO 17
Inhalte aus verschiedenen Quellen unreflektiert übernommen. Es ist nicht gelungen, zwischen dem Hauptteil und dem
Anhang 3 einen Zusammenhang herzustellen und die entsprechenden Inhalte
zu synchronisieren. Es werden keine konkreten Hinweise gemacht, wie die Werkzeuge des Risikomanagements in die Führungsprozesse integriert und systematisch
angewendet werden können. Weil diese
Vernetzung fehlt, können entsprechende
20
Synergien nicht aufgezeigt und folglich
auch nicht genutzt werden.
Der Begriff «Prozesse der Führung»8
wirkt kompliziert. Dargestellt werden vielmehr die Führungsprozesse, die auch als
solche bezeichnet werden können. Die
Kernprozesse sind falsch dargestellt: Es
gibt nur einen Kernprozess, das ist die
Aktionsführung bzw. die Durchführung
einer Aktion. Darauf haben sich alle übrigen Prozesse auszurichten.
Die Bedeutung des Risikomanagements, insbesondere für die Entschlussfassung und die Aktionsführung, wird
zu wenig erkannt und nur rudimentär
beschrieben. Für gleiche Tätigkeiten und
Sachverhalte werden teilweise unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Dies er-
«Das Risikomanagement
hat sich in den
Führungsprozessen
der Schweizer Armee
nicht etabliert.»
schwert die Verständlichkeit und führt
dazu, dass das Risikomanagement auf den
Leser wie ein Fremdkörper wirkt. Im Rahmen der Sofortmassnahmen wird das Risikomanagement nicht erwähnt. Dabei
wird verpasst, dass gerade durch das rasche Erkennen von Risiken und Chancen
sowie die folgende Umsetzung von wirkungsvollen Sofortmassnahmen wesentlichen Lageverbesserungen erzielt werden
können. Dies kommt daher, dass die Führungstätigkeiten vor dem Hintergrund der
Aktionsplanung und nicht der Aktionsführung beschrieben werden. Die Tatsache, dass die Führungstätigkeiten die
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Führungstätigkeiten 7 Bilder: Reglement FSO17
Grundlage sowohl der Aktionsplanung
als auch der -führung sind, wird zu wenig
erkannt. Ein Hinweis auf die Verbindung
zwischen der Risikoidentifikation, der
Problemerfassung und der Lageerfassung
fehlt. So bleibt es dem geneigten Leser
überlassen, herauszufinden, dass beispielsweise
• Risiken fortlaufend, mit Schwergewicht
während der Problemerfassung identifiziert werden;
• die Identifikation ausgehend vom Auftrag und den vorgegebenen Zielen der
vorgesetzten Führungsstufe durchzuführen ist;
• die Lageerfassung im Rahmen der Lageverfolgung der Problemerfassung entspricht und in beiden Führungstätigkeiten Risiken identifiziert werden;
• während der Beurteilung der Lage und
der Entschlussfassung die Risiken analysiert, bewertet und beurteilt werden;
• für einen Kommandanten vor allem diejenigen Risiken von Bedeutung sind, die
seine Auftragserfüllung gefährden.
Lageentwicklungsmöglichkeiten
Der Begriff «Entwicklung gegnerischer
Möglichkeiten» fokussiert sich zu stark
und zu isoliert auf einen Gegner. Vor dem
Hintergrund einer möglichen hybriden
Bedrohung macht eine ganzheitliche Betrachtung der Umwelt Sinn. Hierfür eig-
Einsatz und Ausbildung
net sich der Begriff «Lageentwicklungsmöglichkeit» besser, weil er umfassender
ist. Die gegnerischen Möglichkeiten sind
Teil der Lageentwicklungsmöglichkeiten.
Zudem macht die Unterscheidung von
taktischen und Unfallrisiken wenig Sinn
und entspricht nicht dem ganzheitlichen
Ansatz, den andere Armeen anstreben.
Die getrennte Darstellung der wahrscheinlichsten und der gefährlichsten gegnerischen Möglichkeit vermittelt einen
falschen Eindruck. Die Auswirkung und
die Eintrittswahrscheinlichkeit sollten immer gemeinsam betrachtet werden. Das
Risikomanagement bildet die Grundlage
zur Entwicklung der Lageentwicklungsmöglichkeiten. Das durch den Kommandanten bestimmte Szenario bzw. die Lageentwicklungsmöglichkeit zur weiteren
Bearbeitung umfasst eine Kombination
aus Elementen der Gefährlichkeit und
Eintretenswahrscheinlichkeit. In der Regel können weder die Eintrittswahrscheinlichkeit noch das Auswirkungsausmass
einfach mit Zahlenwerten belegt werden.
Beide Dimensionen werden aufgrund von
Erfahrungswerten geschätzt und müssen
Bezug zu einem Referenzsystem haben.
Lageverfolgung
Zwischen der Lageverfolgung und dem
Risikomanagement wird in der FSO 17
keine Verbindung hergestellt. Dies hat gravierende Konsequenzen, weil damit nicht
aufgezeigt wird, dass im Rahmen der Lageverfolgung erkannte Risiken permanent
überwacht und angeordnete Massnahmen
auf deren Wirksamkeit überprüft werden.
Allenfalls neu auftretende Risiken werden identifiziert und bei Bedarf die Phasen des Risikomanagements erneut durchlaufen.
Damit können Veränderungen im Umfeld erkannt, bestehende Risiken bei BeIn der zweiteiligen Artikelserie analysiert
der Autor im ersten Teil die FSO 17 vor
dem Hintergrund vergleichbarer internationaler Grundlagen und liefert Gestaltungshinweise für die Weiterentwicklung der FSO 17. Im zweiten Teil werden
dann konkrete Möglichkeiten für die Integration des Risikomanagements in die
Führungsprozesse aufgezeigt. Die Beiträge entsprechen einem Auszug aus
der Masterarbeit des Autors zum Thema
«Integration des Risikomanagements in
die Führungsprozesse der Schweizer ArBOA
mee».10
Beurteilung gegnerischer Möglichkeiten 9
darf neu beurteilt und neue Risiken frühzeitig erkannt werden. In der Regel können nicht alle Risiken erkannt und nicht
alle erkannten Risiken können mit geeigneten Massnahmen restlos bewältigt werden. Deshalb bleiben normalerweise Restrisiken bestehen. Für die Aktionsplanung
und -vorbereitung bedeutet dies, dass im
Rahmen der Eventualplanung vorbehaltene Entschlüsse erarbeitet werden müssen. Die Bereitstellung von Reserven ist
dabei notwendige Grundlage zur Aufrechterhaltung der Handlungsfreiheit.
Befehlsgebung
Angaben zum Risikomanagement in
der Befehlsgebung ermöglichen den unterstellten Kommandanten, sich von Anfang an auf machbare Lösungen zu fokussieren und keine ungewollten Risiken
einzugehen. Mit der Angaben der Risikohöhe in Form einer Handlungsrichtlinie
des Kommandanten wird der Handlungsspielraum der Unterstellten abgegrenzt.
In der Befehlsgebung kann das Szenario,
welches als Planungsannahme festgelegt
wurde, in der Orientierung im Rahmen
der Beschreibung der Lageentwicklungsmöglichkeiten aufgenommen werden.
Die Risikoliste kann den Befehl als Beilage ergänzen. Die Angaben zum Risikomanagement können bereits im Vorbefehl integriert werden. Damit kann direkt
dem Risiko begegnet werden, dass Unterstellte zu wenig Zeit zur eigenen Vorbereitung einer Aktion zur Verfügung haben. Gleichzeitig wird den Unterstellten
die Möglichkeit geboten, frühzeitig im
Gesamtrahmen mitzudenken und Vorbereitungen von Bewältigungsmassnahmen
mit erhöhtem Aufwand zeitgerecht auszulösen.
Fazit
Der Anpassungsbedarf der Probeausgabe FSO 17 ist ausgewiesen und im Hinblick auf die Ausgabe vom 1. Januar 2018
umzusetzen. Die Bedeutung des Risikomanagements, insbesondere für die Entschlussfassung und die Aktionsführung,
wird in der Probeausgabe zu wenig erkannt und nur rudimentär beschrieben.
Die fehlende Vernetzung der Führungsprozesse und des Risikomanagements
verhindert, dass entsprechende Synergien
genutzt und für die systematische Erarbeitung von Lageentwicklungs- und Lösungsmöglichkeiten genutzt werden können.
■
1 Befehl für die Schulung im Umgang mit Risiken des Chefs Führungsstab der Armee vom
02.10.2008.
2 Das Reglement dient der armeeinternen Ausbildung und Prüfung und gilt vom 01.07. 2014
bis 31.12. 2017.
3 Joint Operations (JP 3-0), Joint Operation Planning (JP 5-0), Risk Management (ATP 5-19).
4 Campaign Planning (JDP 5-00), Operations
(AP).
5 Operative Führung (BMLVS, OF).
6 Allied Command Comprehensive Operations
Planning Directive (COPD).
7 FSO 17, Abbildung 3.
8 FSO 17, Ziff. 213 –217.
9 FSO 17, Abbildung 9.
10 Masterarbeit im Rahmen des Lehrgangs MAS
ETH SPCM 2013 –2015.
Oberst i Gst
Eduard Hirt
Berufsoffizier
MA Defence Studies KCL,
MAS SPCM ETHZ
3653 Oberhofen
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
21
Einsatz und Ausbildung
«Zernierung» im Solothurner Bezirk Gäu
und im Oberaargau
Im Raum zwischen Walliswil, Oberbipp, Niederbipp und Bannwil sind mehrere
Objekte wie Waldhäuser, verlassene Gehöfte und entlegene Häuser in die
Hände von über 30 kampfwilligen Gegnern gefallen. Diese betreiben Ausbildung,
handeln mit Waffen und Munition und verunsichern die Bevölkerung.
Alexander Kohli, Martin Munz,
Philipp Gerster
Das Infanteriebataillon 20 (Inf Bat 20)
der Infanterie Brigade 5 (Inf Br 5) hat den
Auftrag erhalten, den Nachrichtenbeschaffungsraum «Längwald» zuerst aufzuklären und ihn anschliessend abzuriegeln, zu
durchsuchen und den Gegner darin zu
neutralisieren. Zwischen dem 22. und
24. Februar 2016 führte das Inf Bat 20
unter der Leitung des Kommandanten der
Inf Br 5, Brigadier Alexander Kohli, dreimal eine Zernierung mit jeweils einer unterschiedlichen Darstellung des Gegners
durch. Dabei lag das Augenmerk insbesondere auf der Synchronisation des
Sensor-Wirkungsverbundes mit den Zernierungskräften, den Hauptaktionskräften sowie auf dem Einsatz von Reserven.
Konzept der Volltruppenübungen
in der Inf Br 5
Jeweils in der dritten Woche des Wiederholungskurses wird mit allen Truppenkörpern in der Inf Br 5 eine zwei- bis drei-
tägige Volltruppenübung durchgeführt.
In der ersten WK-Woche absolviert der
Truppenkörperstab unter der Leitung des
Brigadekommandanten in einer eintägigen Stabsübung die Aktionsplanung, die
mit der Befehlsgebung an die Einheitskommandanten endet. Bis zur Volltruppenübung müssen die Einsatzvorbereitun-
Der Übungsablauf schematisch dargestellt
A Bezug des Bereitstellungsraumes ab WK-Raum
B Erster Übungsdurchgang
(Schwergewicht WEST)
C Erstellen der Ausgangslage
für den zweiten Durchgang
D Zweiter Übungsdurchgang
(Schwergewicht OST)
E Erstellen der Ausgangslage
für den dritten Durchgang
F Dritter Übungsdurchgang
mit Wechsel der Kompanien
und Chargen
G Bezug des WK-Raumes
nach dem Übungsabbruch
und den Besprechungen
22
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Der Kompaniekommandant der Infanteriekompanie 20/3, Oberleutnant Bieri, erläutert
dem Kommandanten Infanteriebrigade 5
die Umsetzung seines Auftrages im Gelände.
gen in den Bereichen Erkundung (z.B. von
Unterkünften und Objekten), Kriegsspiel
und einsatzbezogener Ausbildung abgeschlossen werden: Die Verbandsausbildung der ersten beiden WK-Wochen richtet sich konsequent an den gestellten Anforderungen der abschliessenden Volltruppenübung in der dritten WK-Woche aus.
Für die vier der Inf Br 5 unterstellten
Infanteriebataillone werden gegenwärtig
drei Typen von Volltruppenübungen unterschieden:
• Mit der Volltruppenübung «SPEER»
wird das Einsatzverfahren «Zernierung»
in den Zentren der Gefechtssimulation
WEST und OST trainiert. Dabei wird
der konzentrische Zugriff auf ein Punktziel (z.B. ein grösseres Schlüsselgebäude in gegnerischer Hand) geübt;
• «SCHILD» steht für das Gefechtsschiessen im scharfen Schuss mit sämtlichen
im Infanteriebataillon eingesetzten Waffen. Dabei steht im Rahmen der Zer-
Einsatz und Ausbildung
nierung der lineare Angriff auf ein Flächenziel (z.B. ein vom Gegner dominierter Weiler/Ortsteil) im Zentrum;
• Mit der Volltruppenübung «LANZE»
wurde ein Übungstyp und ein Szenario
geschaffen, welches erlaubt, im Echtgelände ausserhalb von Waffenplätzen
eine Zernierung auf Stufe Bataillon
durchzuführen. Dabei geht es um Kontrollen (z.B. durchsuchen von kleineren gegnerischen Objekten) und erweiterte Nachrichtenbeschaffung (zwecks
Informationsverdichtung) im Zernierungsraum.
Das Infanteriebataillon
im Einsatz «LANZE»
Der Kommandant des Inf Bat 20 hat
entschieden, ausserhalb des Zernierungsraumes die Kompanien dezentral bereitzustellen. Mit dem Sensor-Wirkungsverbund werden die Ein- und Austritte überwacht sowie mögliche Zugriffs- und Angriffsziele aufgeklärt. Weiter hat der Kommandant entschieden, den Zernierungsraum «Längwald» entlang einer durch den
Raum führenden Strasse zu teilen, um je
nach Verhalten des Gegners die Hauptaktionskräfte den Raum «WEST» oder
«OST» durchsuchen zu lassen oder allenfalls die Zernierungskräfte zu verstärken
oder zu entlasten. Dabei riegeln zuerst
zwei verstärkte Inf Kp den Zernierungsraum ab.
Ab dem frühen Montagabend melden
die Sensoren Informationen zu Tätigkeiten, Bewaffnung und Stärke der gegneri-
Der Kampfverlauf im Gelände – in ROT: Nachrichtenbeschaffungsraum Red Box
1. Aufbau Führungsunterstützungs-Logistikverbund → technische Grundplatte (Übermittlung,
Führung, Nachschub/Rückschub)
2. Aufbau Sensor-Wirkungsverbund → taktische Grundplatte (Minenwerfer, Scharfschützen,
Aufklärer)
3. Bezug dezentraler Bereitstellungsraum durch Manöververbände → Bereitstellung der
Infanterie-Elemente (in Zugs- und Halbzugsstärke)
4. Erbringen der taktischen Leistung durch Manöververbände → Manövrieren mit InfanterieElementen (abriegeln, angreifen, verhindern)
schen Akteure, sodass aufgrund der Nachrichtenlage der Bataillonskommandant
am frühen Dienstagmorgen die Zernierung mit dem Schwergewicht «WEST»
befehlen kann. Dann erfolgt die eigentliche Hauptaktion aus einem Angriff
durch eine weitere verstärkte Infanteriekompanie. Gegen den Mittag sind die
Objekte und der Raum durchsucht und
die Akteure des Gegners neutralisiert.
Trotz der Abriegelung ist es einzelnen Akteuren gelungen, den Raum unbemerkt
zu verlassen. Das Zurechtfinden im Gelände sowie das korrekte «Nehmen» eines
Objektes unter Ausnutzung des Geländes
erweisen sich als grosse Herausforderung
für das Inf Bat 20. Auch der Patientenweg bis zum «MSE-2 – Modularen sanitätsdienstlichen Element (Sanitätshilfsstelle)» ist nicht allen bekannt, was die An-
Begriffsbestimmungen
(aus dem Reglement 53.005.01, Einsatz der Infanterie, Teil 1: Führung und Einsatz des Bataillons)
Zernierung: Durch die Zernierung wird ein
Raum zeitlich beschränkt vom zivilen Umfeld
abgegrenzt, um in diesem militärische Gewalt zur Auftragserfüllung anzuwenden. Die
Kontrolle der Zugänge erfolgt physisch und
bleibt während der ganzen Aktion bestehen.
Zernierungskräfte: Alle im äusseren Ring
für das physische Schliessen der Zugänge
zum Zernierungsraum eingesetzten Kräfte
unter einheitlicher Führung. Mit dem Befehl zum Schliessen des äusseren Rings
aktiviert der Bataillonskommandant die
Redbox und signalisiert damit den Beginn
der Zernierung.
Hauptaktionskräfte: Alle für die militärische Hauptaktion im Zernierungsraum ein-
gesetzten Kräfte unter einheitlicher Führung. Durch Kontrolle und erweiterte Nachrichtenbeschaffung (Kombination von diskreter Raumüberwachung und offener Kontrolltätigkeit) soll gegnerisches Handeln
provoziert und kanalisiert werden. Durch
den konzentrischen Zugriff soll der Gegner
punktgenau neutralisiert werden (militärische Verbände schaffen Voraussetzungen,
Spezialisten sind Hauptträger der Aktion).
Durch den linearen Angriff sollen gegnerische Flächenziele vernichtet / zerschlagen
werden (militärische Verbände sind Hauptträger der Aktion).
Reserveverband: Die Bataillonsreserve
wird ausserhalb des Zernierungsraums bereit gehalten, um zu entlasten (Nachsorge,
Übernahme von Gefangenen am äusseren
Ring) und zu verstärken (Zuführen von Kräften mit Unterstellung ab Passieren des äusseren Rings), und/oder in einen abgeriegelten Raum anzugreifen oder einen Zugriff
zu ermöglichen.
Sensor-Wirkungsverbund: Die taktische
Grundplatte wird mit dem Sensor-Wirkungsverbund sichergestellt. Dieser umfasst das gesamte Netz der Sensoren, die
der Nachrichtenbeschaffung sowie der Feuerführung dienen. Der Sensor-Wirkungsverbund wird durch die Spezialistenzüge
der Unterstützungskompanie (inkl. Aufklärungszug) gebildet. Bei Bedarf werden
Sensoren der Infanteriekompanien einbezogen.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
23
Einsatz und Ausbildung
zahl der Ausfälle ansteigen lässt und die
logistische Koordination massiv erschwert.
Am Dienstagmittag erfolgt ein kurzer
Übungsunterbruch.
Die gegnerische Situation im Zernierungsraum wird durch die
Übungsleitung neu
gruppiert. Gleichzeitig
findet auf allen Stufen
eine kurze Zwischenbesprechung statt, aus Der Kommandant des Infanteriebataillons 20, Oberstleutnant im
welchen verschiedene Generalstab Xaver Sailer, erläutert auf der Führungsstaffel das
Verbesserungspunkte Zusammenspiel der Kompanien auf der Führungskarte.
herausgeschält werden. Beim zweiten Durchgang, aus den- kräfte und die Reservekräfte auszutauselben Bereitstellungsräumen und iden- schen, um die Ausbildungsintensität für
tischen Aufträgen wird durch die Auf- alle Kompanien hochzuhalten.
klärung ein gegnerisches Schwergewicht
«OST» festgestellt. Zusätzlich wird ein
Der methodische Ansatz:
Munitionsumschlagplatz des Gegners aufbesser 3×8h als 1×24h
geklärt. Der dritte Durchgang erfolgt am
Der methodische Ansatz der Übung
Mittwoch, diesmal wird jedoch nicht nur
die Darstellung des Gegners verändert, hat sich bestens bewährt. Mit drei Durchsondern der Bataillonskommandant er- gängen werden einerseits Wiederholungen
hält auch den Auftrag, die Hauptaktions- und somit stetige Verbesserungen mög-
24
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
lich, anderseits können bei zufriedenstellendem Verlauf Kompanien mit unterschiedlichen Aufgaben betraut werden.
Der Übungsleiter hat die Möglichkeit,
zwischen den Durchgängen kleine Anpassungen vorzunehmen, indem die gegnerischen oder neutralen Akteure gar nicht
oder nur in geringem Ausmass neu dargestellt werden, oder aber es kann eine
komplett neue Ausgangslage geschaffen
werden. Die Übung passt sich dem Lernfortschritt des Truppenkörpers an – somit wird der Grundsatz, dass die Übung
für den beübten Verband da ist und nicht
umgekehrt – eingehalten und aktiv gelebt.
Ebenfalls bewährt hat sich die Darstellung der gegnerischen und neutralen Akteure mit Rollenspielern aus dem Infanterie-Durchdiener-Kommando 14. Diese
Kader und Soldaten werden ebenfalls taktisch befohlen. Basierend auf dem Befehl
Führungskarte des Sensor-Wirkungsverbundes mit den Bereitstellungsräumen
(blau gestrichelt), den Nachrichtenbeschaffungsräumen (grün), den besonderen Nachrichtenbedürfnissen (rot)
sowie den Zielobjekten (braun).
Einsatz und Ausbildung
und den Ausbildungsvorgaben des Chefs
Rollenspieler, befielt der Zugführer nach
erfolgter Lagebeurteilung und Entschlussfassung seinen Zug. Mit der Einbindung
der Durchdiener kann der beübte Verband
vom Auftrag, ein Rollenspieler-Detachement auszuscheiden, entbunden werden
und somit die ganze Truppe für die eigene
Auftragserfüllung einsetzen.
Mit der Einsatzunterstellung eines «Modularen sanitätsdienstlichen Elementes
(MSE2)», welches aus der Sanitätsschule
42 gestellt wird, kann der Einsatz der Sanitätssoldaten und der ganze Bereich der
Selbst- und Kameradenhilfe realitätsnah
dargestellt werden. Sämtliche Kader und
Soldaten, auch die gegnerischen und neutralen Akteure, tragen ein Verletztenbild
bei sich. Sobald sie durch eine Waffenwirkung der Simulationsausrüstung getroffen werden, beginnt der Lauf gegen
die Zeit: Wenn der Patientenweg zu lange
ist, der Rettungsablauf nicht bekannt ist,
die Erste-Hilfe-Massnahmen unkorrekt
vorgenommen oder die Prioritäten falsch
gesetzt werden, steht das Leben des Verletzten auf dem Spiel.
Der Übungsleitungsstab
Der Übungsleiter führt über einen Chef
Regie, über verschiedene Schiedsrichterteams, über einen Chef Rollenspieler und
einen Chef Auswertung. Die Schiedsrichterteams setzen sich wie folgt zusammen:
• zwei Schiedsrichter pro Einheit;
• je ein Schiedsrichter für die Querschnittsbereiche Sanitätsdienst, SensorWirkungsverbund, Telematik und Logistik bzw. Rückwärtiges.
Mit dieser Organisation können dem
Übungsleiter anlässlich der Übungsleitungsrapporte genügend Resultate, bzw.
zu ergreifende Massnahmen aufgezeigt
werden. Zudem wird jede Aktion durch
einen Schiedsrichter beurteilt und die
Durchhaltefähigkeit ist über 24h sichergestellt. Die Einheiten werden bei Übungsunterbrüchen und nach Übungsabbruch
durch die Schiedsrichter besprochen, der
Truppenkörperkommandant und sein Stab
sowie die Einheitskommandanten durch
den Übungsleiter.
Insbesondere im Rahmen der Vorbereitungen ist es unerlässlich, eine ausführliche Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen.
So wurden im Vorfeld sämtliche umliegenden und direktbetroffenen Gemeinden und Forstämter schriftlich und mit
persönlichem Besuch orientiert, ebenso
Der Darstellung der gegnerischen und
neutralen Akteure durch die Rollenspieler
kommt eine zentrale Bedeutung zu.
Bilder: VBS
Landwirte und Anwohner, die unmittelbar in der Nähe einer Ein- oder Ausfallsstrasse wohnen. Die Objekte wie Waldhütten, Unterstände, Schiessstände und weitere Infrastruktur wurde für die Übungsdauer gemietet bzw. von den Besitzern zur
Verfügung gestellt.
Ausblick und Fazit
Aufbauend auf den Lehren, die anlässlich der Nachbearbeitung durch das
Übungsleitungsteam eruiert wurden, werden auch die beiden Infanteriebataillone 11 und 56 auf der Basis des Übungskonzeptes «LANZE» trainieren können.
Der Zernierungsraum wird allerdings kleiner und urbaner sein. Im Übrigen soll der
Übungsstart nicht bereits aus dem Aufbau
des Sensor-Wirkungsverbundes und der
Bereitstellung bestehen, sondern die Zernierung soll sich aus der Bewältigung der
Grundlast wie das Bewachen von Objekten und das Überwachen von Achsen und
Räumen ergeben.
Es zeigt sich, dass eine Übung im Echtgelände mit der Einbindung von Rollenspielern und unterstellten Verbänden wie
einem MSE-2 und dem übergeordneten
FU-Element zwar aufwändig ist, sich aber
bestens bewährt. So muss die taktische
Leistung in wenig bekanntem Gelände
erbracht werden. Die wiederholte, situationsgerechte, auf das Gelände bezogene
Anwendung der Taktik und Gefechts-
technik nimmt in der Übung eine zentrale Rolle ein und schult die taktischen Fertigkeiten der Kader. Das mehrmalige Repetieren ist eine Chance – die Lernkurven
zeigen auf allen Stufen nach oben. Zudem
stellen die Übungen im Echtgelände eine
sinnvolle Ergänzung zu den Gefechtssimulationen in den Ausbildungszentren
in Bure und Walenstadt/St.Luzisteig dar.
Die Truppe muss die erworbenen Kenntnisse vom bekannten Gelände auf den
Waffenplätzen in noch wenig bekanntem
Gelände anwenden können. Als positiver
und nicht zu unterschätzender Nebeneffekt darf die Präsenz der aktiven Truppe
ausserhalb von Waffenplätzen und somit
in der Öffentlichkeit beurteilt werden.
Die Inf Br 5 wird in den Jahren 2016 und
2017 auf ihrem bewährten Übungskonzept und -rhythmus aufbauen.
■
Brigadier
Alexander Kohli
Dr. sc. Techn. ETHZ
Kdt Inf Br 5
2540 Grenchen
Oberstlt i Gst
Martin Munz
USC Op (G3) Inf Br 5
5037 Muhen
Major i Gst
Philipp Gerster
BA in Staatswissenschaften ETHZ
C Op 1 (FGG3) Inf Br 5
8620 Wetzikon
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
25
Einsatz und Ausbildung
Friedensförderung im Kosovo –
Begleitung für die nächste Generation
Nach knapp 16 Jahren Einsatz im Kosovo haben sich nicht nur das Land,
sondern auch die Aufgaben der KFOR und somit die der SWISSCOY
gewandelt. Lag zu Beginn der Mission das Schwergewicht auf Nothilfe,
Wiederaufbau und aktive Sicherheit, so geht es heute immer stärker
um Überwachung der Entwicklung und Unterstützung der gewachsenen
zivilen Strukturen. Geführt wird die SWISSCOY im Einsatz vom Schweizer
nationalen Kontingents-Kommandanten (NCC).
Andrea Jaeggi
«Wir stehen permanent im Scheinwerferlicht, nicht nur im Einsatzraum in
der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung oder mit unseren internationalen
Partnern. Auch in der Schweiz wird unsere Arbeit beurteilt», sagt Oberst Georg
Kaufmann, NCC 33, zu den Herausforderungen eines Kommandanten.
Liaison and Monitoring Teams
Seit April 2010 betreibt die SWISSCOY Liaison and Monitoring Teams, sogenannte LMT. Das sind kleine Teams,
die mitten unter der Bevölkerung leben
26
«Was muss ich machen,
damit ich auch in
die SWISSCOY kann?
Ich gehe nächsten Monat
an die Rekrutierung.»
und der KFOR als Augen und Ohren dienen. Sie sind im täglichen Kontakt nicht
nur mit der Bevölkerung, sondern auch
mit Vertretern der Politik sowie zivilen Sicherheitsorganen. Das bedeutet, sie treffen auch in regelmässigen Abständen Bür-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
germeister, Kommandanten von Polizei
und Feuerwehr sowie diverse Politiker.
Aus all diesen Begegnungen und Treffen
sammeln sie Informationen, die sie dann
in täglichen Rapporten verarbeiten und
diese an die vorgesetzte Stelle weiterleiten. Es gibt LMT-Häuser in Mitrovica,
Prizren und Malisevo sowie ein Fieldoffice
in Zubin Potok. Das Haus in Mitrovica
liegt nördlich des Flusses Ibar, welcher die
Stadt in zwei Teile spaltet. Der nördliche
Teil ist mehrheitlich von Kosovoserben
bewohnt, während im Süden die BevölMilitärische Lagebeobachter der SWISSCOY
stehen täglich mit der kosovarischen
Bevölkerung in Kontakt.
Einsatz und Ausbildung
kerung vorwiegend kosovoalbanisch ist.
«Unsere Präsenz wird sehr geschätzt und
dank unseren guten Beziehungen, sowohl
zu den zivilen Behörden als auch zur Bevölkerung, können wir täglich wertvolle
Informationen gewinnen», meint Hptm
Marina Weber-Tinner, die als Hauskommandant in Mitrovica eingesetzt ist.
Man kennt die Schweizer
«Grüezi – Hoi!» Mit diesem Gruss
werden die Schweizer LMT-Angehörigen
im Süden, in Prizren, immer wieder von
Menschen aus der Bevölkerung begrüsst.
«Die Leute kommen auf uns zu», erzählt
Hptm Sandro Wälti, Hauskommandant
LMT-Prizren. «Man kennt die Schweiz
und die Schweizer Armee. Viele der Familien, die hier leben, haben mindestens
ein Familienmitglied im Ausland. Viele
davon in der Schweiz.»
Wie offen unsere LMT aufgenommen
werden, erleben wir, als ein junger Mann
sich an uns wendet und fragt: «Was muss
ich machen, damit ich auch in die SWISSCOY kann? Ich gehe nächsten Monat an
die Rekrutierung.» Es stellt sich heraus,
dass er in St.Gallen lebt und studiert und
gerade auf Besuch bei seiner Familie ist.
Die täglich gewonnenen Informationen
fügen die LMT zu Berichten zusammen,
die sie an die vorgesetzte Stelle weiterleiten.
Diese Informationen dienen dem Kommandanten der KFOR (COM KFOR)
zur Beurteilung der Lage. «Der wichtigste Punkt bei der Arbeit ist sicherlich das
Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.
Das bedeutet in erster Linie auch: zuhören», erklärt uns Wälti. «Wir spüren, dass
das Vertrauen in die staatlichen Organisationen nicht sehr gross ist. Doch uns,
den LMT, bringen die Leute Vertrauen
entgegen.»
Seit 2012 hat die Schweiz das Kommando über das Joint Regional Detachement North (JRD-N). Oberst Hansjörg
Fischer rapportiert in seiner Funktion als
COM JRD-N direkt dem COM KFOR.
«Die Arbeit der Schweizer wird sehr geschätzt» sagt Fischer, «das liegt vor allem
Wer Interesse an einem friedensfördernden Einsatz hat, kann sich bei SWISSINT
melden:
Kompetenzzentrum SWISSINT
Kasernenstrasse 8, 6370 Stans-Oberdorf
Telefon 058 467 58 58
E-Mail: [email protected]
www.peace-support.ch
an unserer Erfahrung als Bindeglied zwischen zivilen Behörden und dem Militär,
die wir aus unserer Milizarmee mitbringen. Auch werden wir dank unserer Neutralität von allen Gesprächspartnern gleichermassen akzeptiert.»
«Mir ist es wichtig, dass
meine Kameraden wissen,
dass sie jederzeit zu mir
kommen können. Denn viele
wissen bei medizinischen
Problemen nicht, wie ernst
eine Situation sein könnte.»
Obwm Beatrice Mathis
Logistische Unterstützung
Mit Personal und Material unterstützt
die SWISSCOY die multinationale Joint
Logistic Support Group (JLSG) sowohl
im Bereich Transport als auch mit Pionierleistungen. So hat das Kontingent 33
seit Beginn seines Einsatzes bereits über
500 000 Kilometer für Aufträge zu Gunsten der KFOR zurückgelegt.
Im weiteren umfasst die SWISSCOY
Spezialisten der Kampfmittelbeseitigung
(EOD), Militärpolizisten, Stabsoffiziere zu
Gunsten des Hauptquartiers der KFOR
sowie medizinisches Personal. Vier Pflegefachpersonen arbeiten im deutschen Einsatzlazarett (ELAZ) im Feldlager Prizren.
Schweizer und Österreichisches Fachpersonal
stellt die medizinische Versorgung der
Truppe sicher.
Bilder: PIO SWISSCOY 33
«Mir ist es wichtig, dass meine Kameraden wissen, dass sie jederzeit zu mir kommen können. Denn viele wissen bei medizinischen Problemen nicht, wie ernst
eine Situation sein könnte», erklärt Obwm
Beatrice Mathis, die als Stellvertretende
Chief Nurse für rund 120 SWISSCOYAngehörige im Raum Prizren und Malisevo zuständig ist. Drei weitere Pflegefachpersonen sowie ein bis zwei Schweizer Ärzte arbeiten im Medical Center im
Camp Film City in Pristina.
Zusätzlich stellt die Schweiz ein Lufttransportdetachement mit nachtflugfähigen Helikoptern. Seit Beginn des 33. Kontingentes ist es knapp 160 Stunden geflogen, wobei es über 770 Passagiere und
mehr als 20 Tonnen Material im Auftrag
der KFOR transportierte.
Seit sechzehn Jahren engagiert sich die
Schweizer Armee im Rahmen der KFOR
im Kosovo. Das Mandat der SWISSCOY
wurde bis Ende 2017 vom Parlament bewilligt. Vorbehältlich des politischen Entscheides über eine erneute Verlängerung
ist die SWISSCOY auf Schweizerinnen
und Schweizer angewiesen, die sich freiwillig für einen solchen Einsatz melden. ■
Fachoffizier
Andrea Elisabeth Jaeggi
Presse- und
Informationsoffizier
SWISSCOY Kontingent 33
5400 Baden
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
27
Intelligence
Sicht des Auslandes auf die nachrichtendienstliche Entwicklung in der Schweiz
Während die Schweiz vor einer Volksabstimmung über das Referendum
gegen das neue Nachrichtendienstgesetz steht, wird in europäischen
Fachgremien angesichts anhaltender terroristischer Bedrohung weiterhin
intensiv über Weiterentwicklung und Ausbau der Nachrichtendienste
und deren bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit nachgedacht –
mitunter auch unter Einbezug des schweizerischen Lösungsansatzes.
Hans Wegmüller
In der Schweiz zieht sich seit der Fusion des Inland- und Ausland-Nachrichtendienstes vor gut fünf Jahren die Diskussion um das neue NachrichtendienstGesetz mit an- und abschwellender Intensität dahin. Endgültig entschieden wird
voraussichtlich am 25. September dieses
Jahres in einer Volksabstimmung über das
Referendum, das gegen das vom Parlament
verabschiedete Nachrichtendienst-Gesetz
ergriffen wurde. Von der Öffentlichkeit
weitgehend unbemerkt, zeigen auch europäische Länder, allen voran Deutschland,
an den schweizerischen Bemühungen um
die Weiterentwicklung des Nachrichtenwesens durchaus Interesse. So wurde die
schweizerische Sicht der Dinge seit 2013
an verschiedenen internationalen Konferenzen angesprochen und dargelegt.
Künftige nachrichtendienstliche
Herausforderungen
Im September 2013 fand in Berlin eine
Konferenz zum Thema «Künftige Herausforderungen der Nachrichtendienste» statt,
die von der Zeitung «Der Behörden Spiegel» und dem Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V. organisiert
wurde. Zum Vergleich herangezogen wurden auch Standortbestimmungen aus Österreich und der Schweiz: Während der
Direktor des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zum Thema «Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat»
sprach, wurde der aktuelle Stand in der
Schweiz unter dem Titel «Die Entwicklung des schweizerischen Nachrichtenwesens im letzten Jahrzehnt» erläutert. Daneben traten zahlreiche Referenten aus
Deutschland, darunter der Präsident des
28
Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr.
Hans-Georg Maassen, und der Präsident
des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard
Schindler, sowie Vertreter diverser Regierungsstellen und zahlreiche deutsche Politiker jeglicher politischer Provenienz auf.
Kontrolle
der Nachrichtendienste
Im Oktober 2015 lud die Friedrich
Ebert Stiftung in Berlin zu einer Konferenz zum Thema «Zur Kontrolle der Geheimdienste im 21. Jahrhundert» ein. In
ihrer Einladung umschrieb die Friedrich
Ebert Stiftung die Ausgangslage wie folgt:
«Mit der Verbreitung neuer technischer
Möglichkeiten hat sich nicht nur die Bedrohungslage geändert, welcher der Staat
Rechnung tragen muss. Auch die Mittel der offenen und verdeckten Informationsbeschaffung durch Geheimdienste
sind erheblich erweitert worden. Internet,
«Die Mittel der offenen
und verdeckten
Informationsbeschaffung
durch Geheimdienste
sind erheblich
erweitert worden.»
Handys und vor allem Smartphones haben die technischen Möglichkeiten der
Aufklärung im In- und Ausland revolutioniert. Mit dem zukünftigen ‹Internet
der Dinge› wird noch einmal eine neue
Dimension möglicher Informationsgewinnung erreicht… Diesen neuen Mög-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Eröffnung der Globsec Konferenz durch
den slowakischen Staatspräsidenten
Andrey Kiska.
lichkeiten muss eine zeitgerechte Kontrolle der Geheimdienste gerecht werden.»
Auch hier wurde Wert auf eine vergleichende Betrachtung mit andern Ländern
gelegt, wozu Vertreter aus den USA, Frankreich, Israel und der Schweiz eingeladen
wurden. Was die Schweiz betrifft, so lag
die Betonung dem Konferenzthema entsprechend vor allem auf dem Kontrollmechanismus, wie er im neuen Nachrichtendienst-Gesetz vorgesehen ist.
Geheimdienste
in Deutschland
In Deutschland hält die Grundsatz-Diskussion im Nachgang zur NSA-Affäre in
der Politik und namentlich in Fachgremien auch im diesem Jahr weiter an, was
in der Praxis unter anderem bereits zu personellen Veränderungen an der Spitze des
Bundesnachrichtendienstes geführt hat.
Im Frühjahr dieses Jahres veranstaltete die
Konrad Adenauer Stiftung in Berlin ein
Expertengespräch zum Thema «Die Zukunft der Geheimdienste in Deutschland».
Wiederum waren Vertreter aus verschiedenen europäischen Ländern eingeladen,
um ihre nationalen Lösungsansätze zu
präsentieren, namentlich aus England,
Frankreich und der Schweiz. Angesichts
der Tatsache, dass in Deutschland, wo
gegenwärtig an einem neuen «Gesetz zur
Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes» und an einem
«Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der
parlamentarischen Kontrolle» gearbeitet
wird, ist kaum erstaunlich, dass das neue
schweizerische Nachrichtendienst-Gesetz
und die entsprechende Argumentation bei
Eintrittsreferat der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Bratislava 2016.
Bilder: Autor
Vertretern von Politik, Wissenschaft und
vor allem der «Intelligence Community»
in Deutschland auf reges Interesse stossen.
Nachrichtendienstliche Reform
in Europa
Das «Globsec Bratislava Security Forum» wurde 2005 auf slowakische Initiative gegründet und entwickelte sich aus
bescheidenen Anfängen zu einer bedeutenden internationalen Sicherheitskonferenz, die mehr und mehr den Anspruch
zu erheben scheint, als mitteleuropäisches
Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz zu gelten. Nahmen doch dieses
Jahr nicht weniger als 15 Aussen- und Verteidigungsminister und ca. 1000 Teilnehmer aus 70 Ländern teil. Eröffnet wurde die diesjährige dreitägige GLOBSECKonferenz durch den slowakischen Staatspräsidenten und die beiden Aussenminister der slowakischen und tschechischen
Republik, wobei die deutsche Verteidi-
gungsministerin, Ursula von der Leyen,
das Eintrittsreferat hielt.
Im Rahmen dieses Forums wurde unter
anderem eine Initiative zur Reform der
nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit
in Europa («The Globsec Intelligence Reform Initiative») an die Hand genommen,
welche zum Ziel hat, die bestehende äusserst komplexe und facettenreiche europäische Nachrichtendienst-Struktur zu
analysieren und Verbesserungsvorschläge,
insbesondere im Bereich der multilateralen Zusammenarbeit zur Bekämpfung
des Terrors, zu erarbeiten. Am zugehörigen Gespräch unter Experten verschiedener aussereuropäischer und europäischer
Länder war wiederum auch die schweizerische Sicht gefragt.
Die oben genannten Beispiele nachrichtendienstlicher Expertengespräche finden
vielfach unter der sogenannten «Chatham
House Rule» statt, wonach den Teilnehmern die freie Verwendung der erhaltenen
Informationen nur unter der Bedingung
gestattet ist, dass weder die Identität noch
die Zugehörigkeit von Rednern oder anderen Teilnehmern preisgegeben wird. Daher ist es durchaus verständlich, dass relativ wenig von diesen Aktivitäten an die
Öffentlichkeit gelangt. Deshalb anzunehmen, dass die Bemühungen der Schweiz
um die nachrichtendienstliche Entwicklung und deren Resultat von anderen
europäischen Ländern und insbesondere
auch von unseren Nachbarländern nicht
registriert, zur Kenntnis genommen und
entsprechend gewertet würden, wäre aber
falsch. Die Bonität eines Nachrichtendienstes hängt nicht zuletzt davon ab,
ob es der bestehende gesetzliche Rahmen
dem Nachrichtendienst erlaubt, nach geltenden internationalen Standards und
dem aktuellen «state of the art» zu arbeiten und zu kooperieren. Deshalb ist auch
die Zustimmung des Volkes zum neuen
Nachrichtendienst-Gesetz, das die dringend notwendigen Anpassungen an die aktuelle Bedrohungslage vornimmt, für die
zukünftige Effizienz des schweizerischen
Nachrichtendienstes und dessen Positionierung im internationalen Nachrichtenverbund von grösster Bedeutung.
■
HUNTER PRO
Oberst i Gst a D
Hans Wegmüller
Dr. phil.
Direktor SND 2001–2008
3110 Münsingen
VICTORINOX.COM
Weiterentwicklung der Armee
Personelle Überführung
der Miliz in die WEA
Das Personal ist bekanntlich die wichtigste Ressource einer Organisation.
Zum Start der WEA am 1. Januar 2018 wird die Armee in eine neue
Führungsstruktur überführt. Ein Grossteil der Stäbe und Truppenkörper
wird umgebaut, aufgelöst oder neu gebildet. Gleichzeitig werden das
Ausbildungs- und Dienstleistungsmodell verändert und neue rechtliche
Grundlagen eingeführt. Die personelle Überführung der Angehörigen der
Armee – eine Grossbaustelle und ein Schlüsselgeschäft der WEA.
Germaine Seewer, Beat Dalla Vecchia
Die Struktur der Armee (siehe Abb. 1)
wurde am 18.03.2016 von der Bundesversammlung gutgeheissen und damit unter anderem die personelle Überführung der Miliz initialisiert. Insgesamt
werden fünf Infanteriebrigaden (Inf-/
Geb Inf ) aufgelöst und die Anzahl Truppenkörper (Bataillone/Abteilungen) von
heute 177 (125 Aktive/52 Reserve) auf
109 reduziert und umgebaut. Der Chef
Abb. 1: Führungsstruktur ab Beginn
Umsetzung WEA.
Personelles der Armee (Pers A) nimmt
gegenüber dem Chef der Armee (CdA)
und der Armeeführung die armeeweite
Steuerungs- und Koordinationsaufgabe
wahr.
Voraussetzungen
und Rahmenbedingungen
Basis für die erfolgreiche personelle
Überführung der Miliz ist eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen und eine
umfassende Befehlsgebung der Armee. Im
April 2016 hat der CdA mit dem Armeebefehl 2018 –2021 und dem Befehl für
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist im
Sinne einer Eventualplanung zu verstehen und vorbehältlich eines Entscheides bei einer allfälligen Referendumsabstimmung.
die Überführung WEA «TRASFERIMENTO DUE» die nötigen Grundlagen
befohlen.
Der Armeebefehl (gültig ab 01.01.
2018) ist Vorgabe an die Armee für die
nächsten vier Jahre und zeigt mittel- und
langfristig die Entwicklungsrichtung für
die Armee auf. Darin werden unter ande-
Chef der Armee
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Armeestab
EINSATZ
Kommando
Operationen
30
UNTERSTÜTZUNG
Logistikbasis
der Armee
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Führungsunterstützungsbasis
AUSBILDUNG
Kommando
Ausbildung
Weiterentwicklung der Armee
2016
MEILENSTEINE PROJEKT WEA
Die Projektorganisation WEA besteht aus verschiedenen Teilprojekten und Querschnittsbereichen
aus dem gesamten Bereich Verteidigung. Die Meilensteine WEA geben eine Übersicht zum Stand der
Inhalte und Arbeiten in den Teilprojekten.
QUARTAL 3
QUARTAL 4
PERSONAL MILIZ
Unter der Leitung der DU CdA finden die Mutationsrapporte der Grossen Verbände statt, an denen die weitere
Verwendung und Einteilung der höheren Milizkader
geplant wird.
AUSBILDUNG
Die Detailkonzepte und Ausbildungsvorgaben für die
Grund- und Kaderausbildung sowie die Fortbildungsdienste der Truppe werden fertiggestellt.
PERSONAL VERWALTUNG
Basierend auf den genehmigten Detailstrukturen werden die Stellenbeschreibungen der Führungsstufen 1
und 2 erarbeitet.
GESCHÄFTSORDNUNGEN (GO)
Die Geschäftsordnung Verteidigung und die Geschäftsordnungen der Direktunterstellten CdA werden
erarbeitet. (Genehmigung GO V 2. Quartal 2017)
PERSONAL VERWALTUNG
Die Stellenbeschreibungen der Funktionen ab
Führungsstufe 3 werden erarbeitet.
BEFEHLSGEBUNG
Auf der Basis der Organisationsbefehle der Direktunterstellen CdA werden die nachgelagerten Befehlsgebungen
2018 erarbeitet.
REGLEMENTE
Nach der FSO 17 wird mit der OF 17 ein weiteres
Führungsreglement erlassen.
WEITERE INFORMATIONEN ZUR WEA
www.armee.ch/wea und im Dossier WEA auf www.vbs.ch/wea
rem verschiedene Alimentierungsvorgaben
sowie die Priorisierung in der Alimentierung vorgegeben.
Der Überführungsbefehl beinhaltet
die technisch-organisatorischen Vorgaben. Unter anderem sind darin die Verantwortlichkeiten für die Vorbereitungsund Umsetzungsmassnahmen sowie die
Vorgaben für die zeitgerechte Vorbereitung und Implementierung definiert. Weiter werden im Überführungsbefehl die
nötigen Vorgaben zur Planung und Umsetzung der personellen Überführung der
Miliz in die WEA erlassen.
Personelle Überführung
der Miliz
In den vergangenen Wochen wurden
mit allen heutigen Direktunterstellten
des Chefs der Armee (DU CdA) und
Kommandanten der Grossen Verbände
(Kdt Gs Vb) Rapporte für die Initialisierung der Personellen Überführung der
Miliz durchgeführt. Bis im Januar 2017
werden nun das Pers A und die DU des
CdA sowie die Kdt Gs Vb eine Personalplanung bis auf Stufe Funktion/AdA erstellen. Im ersten Quartal 2017 startet die
gestaffelte Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit den Truppenkommandanten und dauert bis im Oktober 2017. Die
Überführung ist in zwei Teilprozessen vorgesehen (siehe Abb. 2):
• Die «Überführung der Formationen»
umfasst die Überführung der Mannschaft, der Unteroffiziere und der höheren Unteroffiziere aller Einheiten 1.
Das Pers A unterbreitet im WK 2017
den Truppenkommandanten einen
Umbauvorschlag auf der Grundlage der
in der Befehlsgebung des CdA formulierten Rahmenbedingungen. Die Eingaben der Truppenkommandanten werden anschliessend durch das Pers A validiert;
• Für die «Überführung der höheren Kader» sind die Kdt Gs Vb zuständig. Bis
im Januar 2017 werden alle Of, Fachof
und höheren Uof, die in Stäben eingeteilt sind, detailliert geplant. Das Pers A
stellt dabei sicher, dass alle Funktionen
(Sollbestandesplätze) armeeweit ausgeglichen alimentiert werden und die
durch den CdA vorgegebenen Kriterien2 für die personelle Überführung
der höheren Kader umgesetzt werden.
Der Bedarf für die Alimentierung der
höheren Stäbe der Armee ist ausgewiesen und in einer umfassenden Übersicht hinterlegt. Mit der Auflösung der
fünf Stäbe der Infanteriebrigaden (Inf-/
Geb Inf ) können auch diese Offiziere
ihre grosse Erfahrung in den höheren
Stäben der Armee einbringen. Ab Februar 2017 werden mit den designierten
DU CdA Mutationsrapporte durchgeführt und die personellen Detailplanungen bereinigt.
Ab dem zweiten Quartal 2017 werden
gestaffelt die Mutationen für alle AdA gestartet. Alle Angehörigen der Armee erhalten mit einem persönlichen Informationsschreiben ihre vorgesehene Einteilung und werden aufgefordert, ihr Dienstbüchlein einzusenden. Selbstverständlich
wird ein Referendum berücksichtigt – vor
einer allfälligen Volksabstimmung werden
keine Mutationen von Angehörigen der
Armee vorgenommen.
Gemeinsame Planung
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche personelle Überführung der Miliz
sind mit der detaillierten Überführungs-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
31
Weiterentwicklung der Armee
Abb. 2: Darstellung «Vorgehen der
Überführung Miliz WEA».
planung und der frühzeitigen Einbindung der Kommandanten aller Stufen
geschaffen. Mit dem persönlichen Gespräch durch die Kommandanten werden die Bedürfnisse der Armeealimentierung mit den individuellen Wünschen
der AdA abgeglichen. Die Armee kann
ihre Leistungen nur dann erfüllen, wenn
es gelingt, die richtigen Personen am rech-
ten Platz einzuteilen. Eine Leistung, die
nur gemeinsam zu schaffen ist. Wir zählen auf Sie!
■
1 Höhere Unteroffiziere, die in Stäben eingeteilt
sind, gehören zum Teilprozess «Überführung höhere Milizkader».
2 Beispiel: Ab einer Verweildauer von vier Jahren
zum Zeitpunkt der Überführung (01.01.2018)
ist, sofern vorhanden, dem Nachfolger Priorität
für die Besetzung einer OTF-Stelle einzuräumen.
Die bisherigen Funktionsinhaber sind, wenn
möglich, für die Besetzung von vakanten OTFStellen in höheren Stäben vorzusehen.
Brigadier
Germaine Seewer
Chef Personelles der Armee und Teilprojektleiter
Personelle Überführung
Miliz WEA, 3003 Bern
Beat Dalla Vecchia
Chef Armeeorganisation
und Bestandessteuerung /
Stabschef Personelle
Überführung Miliz WEA,
3003 Bern
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Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Strasse:
PLZ/Ort:
Datum/Unterschrift:
SOG Vorstand
Unbestrittene bodengestützte
Luftverteidigung
Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) fordert mehr
Informationen und Transparenz rund um die Sistierung des Projekts
BODLUV 2020 sowie die laufenden Untersuchungen. Die Arbeiten
im Projekt zwecks Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung
müssen baldmöglichst wieder aufgenommen werden.
Oberst i Gst Stefan Holenstein
Präsident SOG
Die Schweizer Armee muss sowohl den
Schutz des Schweizer
Luftraums als auch
die Abwehr von Bedrohungen aus der
Luft sicherstellen. Für
die luftgestützte Luftverteidigung sind die
F/A-18 Hornet und die zu ersetzenden
F-5 Tiger im Einsatz. Bezüglich der bodengestützten Luftverteidigung verfügt
die Luftwaffe heute in geringer Anzahl
über die drei Waffensysteme mittlere FlabKanone (Kaliber 35mm) sowie Rapierund Stinger-Lenkwaffen. Diese drei Systeme kurzer Reichweite (TRIO) stehen am
Ende ihrer Einsatz- und Lebensdauer. Sie
können heutige Angriffswaffen nur sehr
beschränkt abwehren.
Bedarf unbestritten
Das Projekt BODLUV 2020 hat zum
Ziel, die Grundlagen für die künftige bodengestützte Luftverteidigung zu erarbeiten und das entsprechende Flab-System
zu evaluieren. Die Projektierungs-, Erprobungs- und die Beschaffungsvorbereitungen waren in vollem Gange, als der Chef
VBS, Bundesrat Guy Parmelin, am 22.
März 2016 das Projekt überraschend sistierte.
Eine stringente und nachvollziehbare
Begründung für diese Sistierung ist bis
heute ausgeblieben, was weiteren Nährboden für Gerüchte und Mutmassungen
schafft. Mit der Sistierung setzte der Bundesrat eine Administrativuntersuchung in
Gang, die den Beschaffungsprozess durchleuchten soll. Des Weiteren führt die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission eine Inspektion durch. Parallel dazu
hat die Militärjustiz eine Strafuntersu-
chung wegen den Indiskretionen eingeleitet. Per 29. April 2016 wurde zudem
der Vertrag mit dem Generalunternehmer
Thales, welcher den Beschaffungsprozess
durchführen sollte, aufgelöst.
Informationsmanko
verstärkt Unsicherheit
Die SOG bedauert dieses Informationsmanko und zeigt sich unzufrieden,
dass sowohl über die Gründe der Sistierung als auch über das Thema bodengestützte Luftverteidigung generell bis zum
Abschluss der Administrativuntersuchung
«Eine Armee braucht
eine leistungsfähige
bodengestützte
Luftverteidigung.»
– voraussichtlich im September 2016 –
der Mantel des Schweigens gelegt wird.
Diese passive Informationsstrategie des
VBS fördert die Unsicherheit in Offizierskreisen und ist wenig vertauensfördernd.
Aus Sicht der SOG besteht deshalb
dringender Informations- und Aufklärungsbedarf gegenüber den Offizieren
und der Öffentlichkeit. Für die SOG ist
es unbestritten, dass es einen Ersatz für
das heutige, veraltete und in der Feuerkraft bereits stark reduzierte bodengestützte Luftverteidigungssystem braucht.
Es ist ein Schlüsselsystem für den Objekt- und Raumschutz. Ist dieser Schutz
vom Boden aus nicht gewährleistet, macht
es wenig Sinn, neue Kampfflugzeuge, neue
Artillerie oder leistungsfähigere Panzer zu
beschaffen. Diese kämen ohne einen effektiven und effizienten Schutz durch die
bodengestützte Luftverteidigung kaum
oder gar nicht erst zum Einsatz.
Fazit: Die Schweizer Armee braucht
eine bodengestützte Luftverteidigung für
kurze und mittlere bis grössere Einsatzdistanzen, die bei jedem Wetter sowie bei
Tag und Nacht ihre Leistung im Verbund
mit luftgestützten Mitteln und im Zusammenspiel mit den weiteren Sensoren
und Effektoren der Armee voll entfalten
kann.
Rasche Wiederaufnahme
des Beschaffungsprozesses
Es gilt nun, den Blick konsequent nach
vorne zu richten. Die Indiskretionen sind
zu eruieren und hart zu sanktionieren.
Auch dass die Beschaffungsprozesse in der
Administrativuntersuchung gründlich unter die Lupe genommen werden, um in
künftigen grossen Beschaffungen mögliche Fehler zu vermeiden, ist nachvollziehbar. Allerdings müssen diese Untersuchungen zügig durchgeführt werden.
Wichtig ist, dass das Projekt BODLUV
2020 zum Ersatz der heutigen, veralteten
bodengestützten Luftverteidigung unverzüglich und mit Nachdruck wieder aufgenommen wird.
Dabei ist auch die Politik gefordert.
Sie muss in absehbarer Zeit dafür einstehen, dass die Kreditreste, die im Rüstungsprogramm 2017 aufgrund der Projektverzögerung anfallen, zu einem späteren Zeitpunkt der bodengestützten Luftverteidigung wieder zugesprochen werden, allenfalls als Zusatzausgaben neben
anderen wichtigen grossen Beschaffungsvorhaben der Armee.
Schliesslich erwartet die SOG, dass das
VBS und die Armee offene Fragen im
Hinblick auf künftige, grosse Rüstungsvorhaben, wie z.B. neue Kampfflugzeuge, Artillerie oder Kampfpanzer, aktiver
kommuniziert. Nur so kann die Notwendigkeit für diese Beschaffungsvorhaben
verständlich gemacht und in der Bevölkerung nachhaltig verankert werden.
■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
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Wirtschaft / Rüstung
Wechselbad der Gefühle
Die Firmen der Luftfahrt-, Sicherheits- und Wehrtechnik in der Schweiz
nahmen im vergangenen Jahr mit Befriedigung von ein paar wichtigen
Verbesserungen ihrer Rahmenbedingungen Kenntnis. Diese Lichtblicke
befreien jedoch nicht von mehreren Sorgenfalten. Umstritten bleibt
die Offsetpolitik bei Rüstungsbeschaffungen.
Peter Müller, Redaktor ASMZ
Die diesjährige Gruppenversammlung
von SWISS ASD (The Aeronautics, Security and Defence Division of Swissmem)
fand am 22. April 2016 im «Musée de
l’Aviation Militaire de Payerne» statt. Bruno Giger, Präsident der Fachgruppe und
CEO von Thales Suisse SA, konnte rund
60 Teilnehmende und Gäste begrüssen.
Nach den statutarischen Geschäften standen die Offsetpolitik sowie die Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis
der Schweiz (STIB) im Fokus.
SWISS ASD
• The Aeronautic, Security and Defence
Division of Swissmem (= Fachgruppe Luftfahrt-, Sicherheits- und Wehr technik).
• Swissmem führt gegenwärtig 27 verschiedene Fachgruppen, welche sektorspezifische Themen behandeln.
• Beispiele: Erfahrungsaustausch, gemeinsame Marketing-Aktivitäten, Erarbeiten von Branchenkennzahlen,
Statistiken.
• Die Fachgruppe zählt gegenwärtig 56
Mitglieder-Firmen. Präsident ist Bruno Giger, CEO von Thales Suisse SA.
Mehrere Lichtblicke…
In seiner Berichterstattung strich Giger
ein paar erfreuliche Lichtpunkte des vergangenen Jahres hervor: Namentlich dürften die beiden Rüstungsprogramme RP15
sowie RP15plus der Schweizer Sicherheitsund Wehrtechnikindustrie in den kommenden Jahren ein Auftragsvolumen von
voraussichtlich über 1,3 Mia. CHF bescheren. Dieser Betrag setze sich aus direkten Investitionen in unserem Land sowie
aus den indirekten Offsetgeschäften zusammen. Das RP 16 sehe «stolze» Investitionen von 1,34 Mia. CHF vor; davon
dürften insgesamt 790 Mio. CHF wiederum der Schweizer Industrie zugutekom-
men. Da der Anteil der direkten Inlandbeschaffungen relativ hoch sei und etliches Material nicht als Kriegsmaterial gelte (z.B. Lastwagen und Anhänger), sei der
Offset-Umfang mit max. 150 Mio. CHF
diesmal jedoch eher bescheiden.
Erfreulich verlaufe auch die Weiterentwicklung der Armee, insbesondere was den
nun beschlossenen Zahlungsrahmen von
20 Mia. CHF betreffe. Die positive Bilanz
werde abgerundet durch die gute Zusammenarbeit mit dem grössten schweizerischen Auftraggeber der SWISS ASD, nämlich der armasuisse: Seit dem Amtsantritt
des neuen Rüstungschefs vor einem Jahr
Offsetgeschäfte
• Unter «Offset», auch Industriebeteiligung genannt, versteht man alle Arten von Kompensations-/Gegengeschäften in Zusammenhang mit Rüstungsbeschaffungen im Ausland. Solche Gegengeschäfte sind international verbreitet.
• Beschafft die Schweiz für eine bestimmte Summe Rüstungsgüter im Ausland,
so muss der ausländische Hersteller
(oder seine Partner) Verträge über den
gleichen Betrag mit schweizerischen Firmen abschliessen.
• Direkte Offsets sind Geschäfte, die
direkt mit der betreffenden Rüstungsbeschaffung in Verbindung stehen (die
34
schweizerischen Firmen sind dann Zulieferanten zum beschafften Rüstungsgut).
• Indirekte Offsets kommen vor allem
dann zum Zuge, wenn eine direkte Beteiligung weder möglich noch sinnvoll
ist. Sie beziehen sich folglich nicht direkt auf das zu beschaffende Rüstungsgut und sind in der Praxis häufiger.
• Das Offset-Büro Bern koordiniert die
Zusammenarbeit zwischen armasuisse
und der Industrie. Es unterstützt die
Firmen in der Erfüllung ihrer Offset-Verpflichtungen und prüft die Einhaltung
der Verträge.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
verliefen die Kontakte wieder strukturierter, unkomplizierter und transparenter –
trotz eines insgesamt nach wie vor schwierigen politischen Umfelds. Positiv gewürdigt werde schliesslich die Offsetpolitik,
namentlich das erfolgreiche Setup des Offsetbüros Bern nach den Holprigkeiten im
Umfeld der Gripen-Beschaffung.
… aber auch Schattenseiten
Mit der Aussage «die Allwettertauglichkeit des gegenwärtigen positiven Momentums ist nicht garantiert» leitete Giger
zu ein paar Sorgenfalten über: Die Armee brauche eine breite politische Abstützung. Befremdlich sei, dass zu deren
Zukunft nun ausgerechnet ein Kampf unter Armeebefürwortern stattfinde, Indiskretionen erfolgten und irreführende oder
gar falsche Meldungen in den Medien erschienen. Er vermisse diesbezüglich die nötigen Klarstellungen des VBS. Sorgen bereite ihm weiter der Umgang mit künftigen Sparpaketen des Bundes (Tatbeweis
von Bundesrat und Parlament zum Wert
der Sicherheit) und das harzige Bewilligungsprozedere von Rüstungsmaterialexporten durch den Bundesrat (massgeblich
geprägt durch das EDA). Nach der Sistierung des Projekts BODLUV sei fraglich, ob
genügend beschaffungsreife Vorhaben vorhanden seien, um die Ausschöpfung der
mühsam erkämpften Finanzmittel sicherzustellen. Der Frankenschock sei nach wie
vor nicht verdaut. Schliesslich sei irritierend, dass im neuen Sicherheitspolitischen
Bericht die ASD-Industrie nicht mehr erwähnt werde; dies gelte es zu korrigieren.
Voraussetzungen
für Offsetgeschäfte
Im ersten Gastreferat rief Per Magnus
Larsson, Offsetverantwortlicher bei armasuisse, ein paar wesentliche Rahmenbedingungen bei Offsetgeschäften in Erinnerung: Offsetverpflichtungen eines ausländischen Lieferanten verschaffen dem
einzelnen Schweizer Unternehmen keinen
Wirtschaft / Rüstung
Umstrittene Offsetpolitik
• 2007 unterzog die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Kompensationsgeschäfte bei Rüstungsbeschaffungen
einer Prüfung. Sie bemängelte das Fehlen einer klaren Strategie und das ungenügende Umsetzen der Gegengeschäfte.
• Die EFK formulierte acht Empfehlungen,
unter anderem die Optimierung des
Controllings und des Offsetmeldeformulars, das Einführen von Schwellenwerten, das Einholen von Offerten mit
und ohne Gegengeschäfte sowie die
Klärung der Nachhaltigkeit.
• Gestützt auf die Empfehlungen der EFK
verabschiedete der Bundesrat 2010 eine
überarbeitete Rüstungspolitik und eine
Industriebeteiligungsstrategie. Gleichzeitig gründete armasuisse zusammen
mit Swissmem und GRPM das Offsetbüro Bern.
• 2015 nahm die EFK eine erneute Überprüfung der Kompensationsgeschäfte vor.
Sie stellte mit Befriedigung verschiedene Verbesserungen fest. Gleichzeitig wies
sie auf Mängel in der Umsetzung hin und
formulierte sieben neue Empfehlungen.
Anspruch auf einen Auftrag. Die internationale Konkurrenzfähigkeit eines Schweizer Angebots ist zwingende Voraussetzung.
Über Offsetgeschäfte lassen sich weder Sozial- noch Strukturerhaltungspolitik betreiben. Wichtig ist ebenso, dass der ausländische Offsetverpflichtete zusätzliche
bzw. nachhaltige Geschäfte generiert. Das
«Die Allwettertauglichkeit
des gegenwärtigen
positiven Momentums
ist nicht garantiert.»
Bruno Giger, Präsident SWISS ASD
zweitgenannte Kriterium kann beispielsweise über Technologietransfer erfüllt werden. armasuisse prüft in jedem Fall den
anerkennbaren Wert der Offsetgeschäfte.
Sogenannte «Abatements», das heisst die
ganze oder teilweise Verrechnung von
gegenseitigen Offsetverpflichtungen zwischen zwei Ländern, könnten nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden.
Heinz König, Leiter des Offsetbüros
Bern, zog nach der knapp einjährigen
Neuorientierung eine positive Zwischenbilanz: Nach den Lehren aus den Offsetverhandlungen beim Gripen-Geschäft be-
• Sie äusserte sich in ihrem Bericht namentlich zu umstrittenen Punkten wie:
Einsatz von Multiplikatoren, Offsetverrechnungen zwischen zwei Staaten
(Abatements), Anerkennung von Geschäften vor Vertragsbeginn (Banking),
Schwellenwerte.
• Im internationalen Umfeld sind Offsetgeschäfte umstritten. Eine EU-Richtlinie von 2009 sieht Kompensationsgeschäft nur noch in engen Ausnahmefällen vor. Auch die Deutsche Regierung
setzt sich für eine Abschaffung der Offsetgeschäfte ein.
• Kritisiert wird an Offsetgeschäften namentlich, sie seien ordnungs- und wirtschaftspolitisch inakzeptabel, weil sie
den Wettbewerb verzerrten, die Beschaffung verteuerten, den Protektionismus förderten und den Dirigismus
unterstützten.
• Ziel müsse eine weltweite Abschaffung von Offsetverpflichtungen bei Rüstungsgeschäften sein (Bundesverband
der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie BDSV).
steht eine neue Organisationsstruktur sowie eine neue Vereinbarung zwischen armasuisse und der Industrie, letztere vertreten durch Swissmem und GRPM. Die
Finanzierung des Offsetbüros erfolgt weiterhin über das sogenannte Offsetpromille, welches durch die begünstigten Firmen zu entrichten ist. Gewisse Sorgen
bereitet jedoch die Zukunft der Offsetgeschäfte: Wegen der vergleichsweise tiefen Rüstungsprogramme der vergangenen Jahre, des hohen Anteils an DualUse-Gütern und direkten Beschaffungen
in der Schweiz befindet sich das (offene)
Offsetvolumen auf einem historisch tiefen Stand. Damit ist auch die Liquidität
des Offsetbüros tangiert.
Eine langjährige Pendenz
vor dem Abschluss?
Prisca Eichenberger, die Leiterin des
Fachbereichs Unternehmensprozesse bei
W+T von armasuisse, rief einleitend in Erinnerung, dass das Thema «Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB)» der Schweiz wohl in einigen
Dokumenten des Bundesrates verankert
ist (z.B. Rüstungspolitik, Industriebeteiligungsstrategie). Sie ist jedoch im neuen
Sicherheitspolitischen Bericht nicht mehr
erwähnt und es fehlt die explizite Umsetzung in der Rüstungsbeschaffung. Dort
geht es primär um Wirtschaftlichkeit und
Wettbewerb, nicht jedoch um Sicherheitsrelevanz. Strukturpolitische und beschaffungsrechtliche Massnahmen zur Sicherstellung der nationalen Sicherheit müssen
sauber begründet werden (können). Dazu
fehlen momentan noch die Grundlagen.
armasuisse ist seit rund sieben Jahren
bemüht, das entsprechende Dokument zu
erarbeiten. Im abgelaufenen Jahr ist man
wichtige Schritte weitergekommen: Zusammen mit der Armeespitze wurden die
sicherheitsrelevanten Bedürfnisse der Armee definiert. Diese wurden anschliessend gemäss internationaler Technologienomenklatur in einzelne Technologien
«übersetzt» und priorisiert. Der Bericht
schlägt 25 zwingende (Priorität 1) und
rund 90 wichtige (Priorität 2) Technologien/Anwendungen vor. Er befindet sich
gegenwärtig armasuisse-intern in der Vernehmlassung. Anschliessend erfolgt die
Bereinigung mit dem Bereich Verteidigung und dem Generalsekretariat VBS.
Der Abschlussbericht mit konkreten Anträgen sollte Ende September 2016 vorliegen. Die Überarbeitung und Aktualisierung der bestehenden STIB-Datenbank
soll 2017 erfolgen.
Sicherheitsrelevanz im Fokus
Zur späteren praktischen Umsetzung
bestehen aber noch zahlreiche offene Fragen. Einerseits geht es um den politischen
Stellenwert: Stehen beispielsweise der Bundesrat und die Industrie dahinter? Welche
Förderinstrumente stehen zur Verfügung?
Ist eine Fülle von über 100 hohen bis zwingenden Prioritäten überhaupt handhabund kommunizierbar? Themen wie Innovationsförderung oder bevorzugte Beschaffung im Inland sind noch ungeklärt. Die
zur Verfügung stehenden Gelder zur Innovationsförderung dürften nach Auskunft
des Rüstungschefs bescheiden ausfallen.
Die Relevanz von STIB jedoch wird
gross sein. Heinz Wegmüller, General Manager Air Defence bei RUAG, brachte als
Stimme aus der Praxis einen wichtigen Aspekt treffend auf den Punkt: Anstelle von
Diskussionen um direkte oder indirekte
Offsetgeschäfte müsse künftig die STIBRelevanz im Zentrum der Verhandlungen
mit ausländischen Lieferanten stehen. Anzustreben seien im Interesse einer robusten STIB «hochwertige» Aufträge, welche
sich weniger auf die Beschaffung selbst als
vielmehr auf den späteren Lebensweg des
betreffenden Rüstungsgutes fokussierten.
Hoffentlich wird die Botschaft gehört. ■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
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Luftwaffe
Der Gotthard
zwischen Payerne und Alpnach
Eine intensive Planungs- und Trainingszeit ging dem Einsatz «GOTTARDO 2016»
voraus. Aus der Ferne betrachtet, scheint der Einsatz ein ganz gewöhnlicher
zu sein. Doch die geografische Trennung und gleichzeitige Nähe der Haupteinsatzgebiete Nord/Süd machten «GOTTARDO 2016» für den Lufttransport und den
Luftpolizeidienst zu einem speziellen Einsatz.
Christian Trottmann
Irgendwo tief im Berg in der Zentralschweiz. Hier bereitet sich der Lufttransportverband LT 2 auf einen komplexen
Einsatz vor. Es ist der 31. Mai 2016, der
letzte Trainingstag vor «GOTTARDO
2016». Im Operation Center (OC) werden durch die WK-Soldaten sämtliche
Helikopter-Missionen in zwei Gruppen
geplant. Dies nach dem Grundsatz: Wer
heute plant, führt morgen den Einsatz.
Dieser Prozess garantiert maximale Missionskenntnis und minimalen Informationsverlust.
So koordinieren die knapp zehn Planer im
Planungs- und Führungsrhythmus direkt
mit den unterschiedlichsten Kunden und
erhalten nach Missionsende gleich ein
Feedback zur geleisteten Arbeit. Diese
Vielseitigkeit macht den Betrieb sehr dynamisch», meint Major Oliver Bachmann,
verantwortlicher Chef Einsatz.
F/A-18 in Payerne: Bereit für Mission
«GOTTARDO 2016».
Bilder: VBS
Leistungen für Polizei
und zivile Partner
In diesem Wiederholungskurs sind
nicht nur die Bedürfnisse des Bundessicherheitsdienstes für VIP-Transporte und
der Kantonspolizeien für Überwachung
und Transport von Interventionskräften
zu erfüllen, sondern noch weitere Begehren anderer militärischer und ziviler Begünstigter. Truppentransporte oder Flüge
zur Unterstützung des Grenzwachtkorps
(GWK) beispielsweise. «Wir verfügen im
Operation Center über sehr viel mehr
Kompetenzen als bei anderen Einsätzen.
36
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Training in Alpnach: Rund 20 Helikopter
stehen fast pausenlos im Einsatz.
Starke Miliz-Leistung
Sämtliche wichtigen Details wie Anflugkarten, Landeplätze und Koordinaten, Ansprechpersonen sowie Auf- bzw.
Abladeort werden im Mission-Dossier
zuhanden der Piloten zusammengefasst.
Was normalerweise die Crew-Mitglie-
Luftwaffe
der selbständig erledigen, bereiten im
Rahmen von «GOTTARDO 2016» die
Miliz-Armeeangehörigen für die Milizund Berufspiloten auf. Die gesammelten Informationen zur Mission ermöglichen ein hochwertiges und detailliertes
Flugbriefing und anschliessendes Debriefing.
Die Besonderheiten dieses Einsatzes,
welcher lediglich einen kurzen Höhepunkt des diesjährigen Wiederholungskurses bildet, sind vielfältig. Dieselben
Luft- und auch Bodenmittel, die üblicherweise am Jahrestreffen des WEF
in Davos zum Einsatz kommen, wurden auch für «GOTTARDO 2016» aufgeboten. Im Gegensatz zu Davos gilt es
hier, gleich zwei eingeschränkte Lufträume nördlich und
südlich der Alpen
gleichermassen mit
Sensoren und Effektoren abzudecken.
Rund 600 Soldaten
des Lufttransportverbandes 2 unterstützen vor und hinter
den Kulissen den sicheren Ablauf dieses
international beachteten Staatsakts.
«Die geografische Trennung Nord/Süd
und die damit verbundenen meteorologischen Einschränkungen aufgrund
des Gotthardmassivs zwingen die Helikopter-Operationen, mit noch grösserer Reserve als üblich zu planen. So
wurde beispielsweise wegen einer angekündigten Schlechtwetterfront bereits
Perfektes Zusammenspiel: WK-Soldaten
nehmen den Super Puma in Empfang.
Herausforderung Nord/Süd
einige Tage im Voraus entschieden, fünf
Helikopter mitsamt Crew, Soldaten und
Logistik koordiniert mit den letzten
Ausbildungen und Refreshern von Alpnach und Dübendorf in den Süden zu
verlegen», so der Kommandant des LT
Geschwaders 2, Oberstlt i Gst Jeremy
Faux.
Südseite Gotthard: Auch PC-7-Maschinen
patrouillieren für den Luftpolizeidienst.
Eine solch kurzfristige Verschiebung ist
ohne Gesamtkoordination und Mitteleinsatz des Operation Centers der Abteilung, kurz AbtOC, nicht möglich. Hauptmann Renato Turner, 30-jähriger Polymechaniker, ist mit seinem zwölfköpfigen Team verantwortlich für die Koordination aller logistischen Belange rund
um den Flugbetrieb am Boden. Er ist es,
der Zisternen zum Tagesstandort bringen
lässt, sich in Absprache mit dem Quartiermeister um die Verpflegung kümmert
und innert kürzester Zeit Scheinwerfer
für allfällige Nachtarbeit bereitstellt. «Dies
alles ist bei ‹GOTTARDO 2016› mit
verschiedensten Standorten nicht immer
einfach. Auch der Verkehr auf der NordSüdachse kann einem – je nach Dringlichkeit des Auftrags – das Leben erschweren», merkt Turner an. Aber letztlich sei dieser Einsatz am Gotthard für
ihn und seine Leute nicht viel anders als
der Betrieb eines ganz normalen Tagesstandorts – allerdings mit dem nicht zu
unterschätzenden Unterschied, alles zwei
Mal exakt gleich im Norden und Süden
zu betreiben.
Vorbereitung
für den Luftpolizeidienst
Während am Mittwochmorgen, 1. Juni,
in Alpnach das Briefing für die Helikopterpiloten abgehalten wird, laufen auf dem
Militärflugplatz Payerne die letzten Vorbereitungen für den Einsatz der Kampfjets im Luftpolizeidienst. Es ist 09 Uhr
24 Minuten und 57 Sekunden. Im JetBereich entscheiden Sekunden. Beginn
des Briefings der beiden F/A-18-Piloten «Schampus» und «Nemo» für deren
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
37
Luftwaffe
Unterwegs zur Flieger-Box: «Schampus»
(links) und «Nemo» (rechts) kurz vor Einsatz.
Eingespieltes Team: Die Jet-Mechaniker
an den letzten Checks.
Combat Air Patrol (CAP) im Rahmen
von «GOTTARDO 2016». Mission-Leader «Schampus» führt durch das komplexe
Briefing. «Wir wollen insbesondere das
Recognized Air Picture (RAP) möglichst
gut unterstützen, legen Wert auf gute
interne Kommunikation. Waffen sind
scharf – wichtig: sauber manipulieren»,
geht «Schampus», der über die Erfahrung
von rund 1400 militärischen Flugstunden verfügt, in kurzer, präziser Sprache
das Briefing Punkt für Punkt durch. Toleranz für Missverständnisse gibt es keine. Auf der Mission muss jedes kleinste
Detail klar sein. Sämtliche Aktionen und
Reaktionen passieren ausschliesslich auf
Befehl bzw. in Absprache mit dem Chief
Air Defense (CAD), stationiert in der Einsatzzentrale Luftverteidigung (EZ LUV)
in Dübendorf.
militärische Taktik, da sich auf der jeweiligen Höhe Kondensstreifen bilden und
damit das Kampfflugzeug sichtbar wird.
Aber nicht etwa nur die meteorologischen
Bedingungen in grösster Höhe, sondern
auch die unteren Luftschichten interessieren die zwei Piloten. Falls es nämlich
zu einer durch den CAD befohlenen Intervention käme, müssten die Jets auch in
tiefen Lagen navigieren.
Unterschieden wird zwischen drei Elementen beziehungsweise Eskalationsstufen – Überwachung, Identifikation und
Intervention. Während bei einer Identifikation ein sich in der gesperrten Zone
befindendes Luftfahrzeug visuell von den
Piloten der Schweizer Luftwaffe identifiziert oder fotografiert wird, kann eine
Intervention für fehlbare Flugzeuge weitreichendere Folgen haben. Sämtliche Szenarien werden im Briefing besprochen.
«Schampus» ist für diese Mission der
primär definierte Eyeball. Das heisst, er
wäre das vordere Flugzeug, welches in
einer ersten Phase im Abstand der international definierten 300 Meter den
potenziellen Eindringling identifizieren
würde. «Nemo» hinter ihm in Warteposition zur zusätzlichen Sicherung, allfälliger Relais-Funktion oder zur GeländeÜberwachung zu Gunsten des Leaders.
Zwischen Alpha 9
und Patrouille Suisse
Sämtliche für diesen Einsatz bestimmten F/A-18-Maschinen sind mit maximaler Anzahl Leuchtkörper (Chaff und Flare)
geladen. Über deren Einsatz sowie Flü-
Ready to scramble: Die beiden Militärberufspiloten warten im Cockpit auf den Einsatzbefehl.
Identifikation mit Eyeball
Rückblick: Der Morgen des Staatsakts,
der 1. Juni, der Tag, an welchem der 57
Kilometer lange Gotthardbasis-Tunnel eröffnet wird. Die zwei F/A-18-Piloten prüfen die Meteo-Bedingungen und Wetterprognosen für die definierten Ausweichflugplätze Sion, Meiringen und Emmen.
Zudem sind Wind, Niederschlag, allenfalls Gewitterzellen und damit verbundene Risiken in sämtlichen Höhen des
Einsatzraumes relevant. Mittels Temperaturmessungen lassen sich wichtige Rückschlüsse auf Höhen und Wolken ziehen.
So hat beispielsweise die Tropopause, die
0-Grad-Grenze, einen Einfluss auf die
38
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Luftwaffe
Hochkonzentriert: «Nemo» installiert sich
für den Bereitschaftsgrad 4.
ge im Überschallbereich entscheidet der
CAD. In den Boxen warten zwei Hornets
auf ihren Einsatz im Rahmen von «GOTTARDO 2016». Insgesamt 16 Mal starten an diesem 1. Juni ab Payerne die Jets
zum CAP westlich der Nord-Süd-Luftstrasse Alpha 9. «Die Tatsache, dass wir
unseren Warteraum relativ nahe der bedeutenden zivilen Luftachse haben, macht
das Setting zusätzlich speziell. Gleichzeitig befinden sich noch die sechs Tiger
der Patrouille Suisse und das PC-7-TEAM
im Einsatzraum – dieser Verkehr erfordert
höchste Aufmerksamkeit», sagt «Schampus». Dank des Radars kennen die beiden
Piloten stets die aktuellen Positionen aller
relevanten Luftfahrzeuge.
Scramble mit Nachbrenner
Nun kann die Mission beginnen. Ein
letztes Update zu Lage und Wetter erhalten die Piloten im so genannten Step Brief.
Hier werden sie in einen höheren Bereitschaftsgrad versetzt. Noch kurz die Ausrüstung in der Garderobe fassen und los
geht’s zur Flieger-Box.
Interview mit Divisionär Bernhard Müller, Chef Einsatz Luftwaffe
Welches sind die wichtigsten Merkmale
des Einsatzes «GOTTARDO 2016»?
Bei diesem Einsatz handelt es sich um
einen High Visibility Event mit Teilnahme
mehrerer staatsrechtlich geschützter Personen aus dem Ausland an zwei in unterschiedlichen Geländekammern liegenden
Veranstaltungsorten. Um den notwendigen Schutz zu gewährleisten, jedoch die
Einschränkungen für die zivile Luftfahrt
möglichst gering zu halten, richteten wir
zwei unabhängige Flugverbots- respektive Flugbeschränkungsgebiete ein, die je
einzeln bewirtschaftet werden konnten.
Die Luftraumüberwachung wurde mit verschiedenen Systemen verdichtet. Wegen
der schwierigen Wetterlage mussten die
Luftfahrzeuge zeitgerecht vorpositioniert
werden. Dies erforderte mehr Mittel für
eine kurze Einsatzzeit, verglichen mit einer
Konferenzschutzoperation wie das WEF in
Davos oder eine politische Veranstaltung
in Basel oder Montreux.
Welche Besonderheit hat der TAFLIRStandort im Süden?
Das TAFLIR stand seit seiner Einführung
bisher lediglich einmal im Tessin im Einsatz, wurde seither jedoch nur noch
nördlich der Alpen eingesetzt. Wir hatten somit die einmalige Gelegenheit,
etwas «Neues» zu planen und umzusetzen, das nicht schon mehrfach erprobt
war.
Inwiefern haben die engen Raum- und
Zeitverhältnisse Auswirkungen auf den
Einsatz «GOTTARDO 2016»?
Um die luftpolizeilichen Massnahmen korrekt umsetzen zu können, braucht es genügend Raum und damit Reaktionszeit.
Je geringer die Ausdehnung, desto wichtiger ist ein umfassendes Lagebild und
umso grösser muss der Mittelansatz im
Einsatzraum sein. Da der Einsatz nur acht
Stunden dauerte, konnte dies ohne Probleme realisiert werden.
Startklar: Mit nur wenigen Sekunden Abstand
starten die beiden Jets in Richtung CAP.
Im Aufenthaltsraum nahe der Flugzeuge warten «Schampus» und «Nemo» zusammen mit vier weiteren Jet-Piloten auf
die Direktiven des federführenden CAD
in Dübendorf. Das Telefon klingelt. Rasch
und konzentriert marschieren die Piloten
zu den bereitgestellten Flugzeugen. Nun
machen sich die beiden bereit, nehmen
im Cockpit Platz und testen unter Aufsicht der verantwortlichen Mechaniker
sämtliche Systeme und Konfigurationen.
Von nun an bleiben die Kampfpiloten sitzen und warten auf den Scramble, den
Einsatzbefehl. Die Systeme werden ab
dieser Phase nicht mehr runtergefahren.
Innert nur drei Minuten nach Alarm sind
die Flieger in der Luft.
Nach rund 25 Minuten Wartezeit im
Flugzeug schickt der CAD die Piloten
schliesslich kurz nach halb zwölf Uhr vormittags auf den rund einstündigen Combat Air Patrol zum Schutz des Schweizer
Luftraums und zur Sicherheit der Feierlichkeiten «GOTTARDO 2016». Mit
Nachbrenner und Vollschub donnern die
zwei Hornets in den Himmel.
■
Oberstlt
Christian Trottmann
C Komm Stab Kdo Ei LW
ARGUS der Presse AG
8180 Bülach
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
39
Luftwaffe
«SIE sind die Luftwaffe»
Solos sind möglich, aber sie müssen sich in die Harmonie des Ganzen
einbringen. Dieses Bild einer modernen und in sich harmonischen Luftwaffe
wurde während des ganzen Info-Rapportes der Luftwaffe vom 12. Mai 2016
durch Beiträge des Jodler Sextetts TV alte Sektion Zürich – die älteste
Jodler Formation der Schweiz – sympathisch unterstrichen.
Andreas Bölsterli, Chefredaktor
Der Kommandant der Luftwaffe (LW),
Korpskommandant Aldo C. Schellenberg,
richtete seinen Rapport ganz auf die Zukunft aus, also die Rolle der Luftwaffe im
Rahmen der Weiterentwicklung der Armee (WEA). Dies, nachdem die letzten
Info-Rapporte der Geschichte (100 Jahre
LW, 2014) und der Gegenwart (Übung
STABANTE, 2015) gewidmet waren. Der
Kommandant (Kdt) gliederte seinen Rapport in zwei Hauptblöcke, einerseits in die
Würdigung der Leistungen des letzten Jahres und die Umsetzung der WEA in der
Luftwaffe und andererseits mit der Präsentation der Lage durch den Chef des Militärischen Nachrichtendienstes (C MND)
und den davon abgeleiteten Folgerungen
für Doktrin und Einsatz der LW. Diese Inhalte werden in der ASMZ zu einem späteren Zeitpunkt ein besonderes Thema sein.
Angereichert wurden diese Informationen durch Grussbotschaften von Regierungsrat Paul Winiker (Luzern) und
Nationalrätin Corina Eichenberger sowie
durch eine Sequenz mit dem Kdt der LW
auf dem «heissen Stuhl».
Fach Of Mike Müller als Moderator stellte
dem Kdt LW «heisse» und persönliche Fragen – hier ein kleiner Auszug:
Wie geht es ihnen?
Eigentlich gut, es ist aber nicht ganz einfach, wenn ein Projekt, das man als Chef
der Projektaufsicht verantwortet, sistiert
wird. Schwierig wird es aber dann, wenn
die Angriffe in den Medien persönlich werden und sogar die Familie betreffen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Medien, sind das die neuen Feindbilder?
Medien haben die Rolle des kritischen
Bürgers, sie sind ernst zu nehmen. Aber
es muss ein Anspruch auf Fairness bestehen, Berichte sollten objektiv und faktenbasiert sein – kein Thesenjournalismus.
40
Standortbestimmung
Der Bereich Einsatz LW ist weiter auf
dem Weg den 24 h Luftpolizeidienst einzuführen. Die Arbeiten schreiten gut
voran und beweisen, dass LW und Armee
ein komplexes Projekt gut steuern und
handhaben können. Eine besondere Mission war der unter absoluter Geheimhaltung abgelaufene Gefangenenaustausch
«Die Luftwaffe ist täglich im Einsatz
zugunsten der Sicherheit des Landes», so
begann der Kdt den Rückblick, «Milizorganisation und Berufsorganisation arbeiten dabei Hand in Hand und haben
im letzten Jahr grossartige Leistungen erbracht. Lehren aus der
Übung STABANTE KKdt Schellenberg und Fach Of Mike Müller im Gespräch.
wurden und werden
umgesetzt, wir optimieren unsere Fähigkeiten laufend.»
Im Einzelnen hat
der LW Stab das «daily
business» und die strategische Planung und
Entwicklung parallel
betrieben und die Prozesse zwischen Profiund Milizorganisation vereinheitlicht. Im
Rahmen des vergangenen WEF hat der Stab
erstmals das eigene Lageverfolgungszentrum betrieben und mit dieser Leistung
eine hohe Aussenwirkung erreicht.
Ist die Sistierung von BODLUV gewissermassen ein «Gripen-reloaded»?
Die Luftwaffe ist eine fantastische Organisation mit unterschiedlichen Leuten und
Meinungen. Wenn man Entscheide nicht
mittragen kann, ist es der falsche Weg, direkt zu den Medien zu gehen, es gibt auch
interne Wege und Stellen, an die man sich
zuerst wenden kann.
Wer macht das?
Ich nehme an, es ging nicht darum, der Armee zu schaden, vielleicht ist auch eine
gewisse Naivität nicht auszuschliessen.
Fakt ist, wenn man die Information nicht
intern halten kann, verliert man die Hoheit
darüber und wird zum Spielball der Medien. Noch einmal, ich gehe nicht von bösem Willen, sondern eher von Naivität aus.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
zwischen dem Iran und den USA – ein
eindrücklicher Beitrag an die globale Sicherheit wurde hier erbracht.
Das Fliegerärztliche Institut (FAI) ist
zwar klein, aber erbringt feine Leistungen,
von denen auch die zivile Medizin profitieren kann.
Der Lehrverband Führungsunterstützung 30 (LVb FU 30) hat im Bereich von
Verbandsausbildung und -führung zusammen mit Verbänden des Heeres eine tolle Qualitätssteigerung erreichen können.
Dadurch wird die FU-Doktrin in realistischen Bildern vorgestellt und erklärt.
Erstmals hat der Lehrverband Fliegerabwehr 33 (LVb Flab 33) auf dem Füh-
«Die Luftwaffe ist
täglich im Einsatz –
zugunsten der Sicherheit
unseres Landes.»
rungssimulator in Kriens den Systemverbund auch mit Formationen des Heeres im Rahmen der Übung CHATRANG
(Bericht in der ASMZ 04/2016) simuliert.
Kdt Luftwaffe, KKdt Aldo C. Schellenberg.
Dieses realitätsnahe Training auf dem Simulator wird in einem Drei-Jahres-Rhythmus weiter geführt (Planung – Simulation – Volltruppenübung).
Der Lehrverband Flieger 31 (LVb Fl 31)
hat seine (aller)letzte Tiger-RS durchgeführt. Überschattet wurde der Fliegereinsatz durch den Verlust eines FA-18 im
grenznahen Gebiet in Frankreich. Auch
wenn dieser Unglücksfall wirklich keinen
Höhepunkt darstellte, sind doch zwei
Punkte eindrücklich und erwähnenswert: Der Pilot ist gesund, fliegt heute
wieder und die Zusammenarbeit aller BeEinmarsch der Feldzeichen.
Bild: Autor
troffenen Stellen im In- und Ausland bei
der Bewältigung der Folgen dieses Absturzes war schlicht grossartig.
Die LW will die WEA
erfolgreich umsetzen
Dies ist das erklärte Ziel KKdt Schellenbergs. Zum Einstieg in die WEA-Thematik sprach der Kdt LW Klartext und
hob vier Punkte besonders hervor:
• Die Armee wird ab 2018 mit Beginn
der WEA auf einen Sollbestand von
100000 AdA konzipiert. Damit dieser
Bestand auch erreicht wird, werden effektiv 140000 AdA eingeteilt (Effektivbestand). Aktuell hat die Armee einen
Bestand von 129000 aktiven AdA und
29000 AdA Reserve – von einer Halbierung der Armee kann keine Rede sein,
man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen;
• Der in langwierigen politischen Diskussionen erreichte Finanzrahmen von 20
Mrd. ist mit der Gesetzesrevision verknüpft. Wenn das Referendum gegen
diese Revision Erfolg haben sollte, fällt
dieser Finanzrahmen weg, die Diskussionen beginnen von Neuem auf «Feld 1»;
• Die nun beschlossenen sechs WK à drei
Wochen ermöglichen es der Milizarmee,
auch komplexe Systeme ausbilden und
betreiben zu können;
• Und schliesslich ist die beschlossene
Ausbildungsgutschrift für junge Kader,
die sich militärisch weiterbilden lassen,
eine tolle Sache. Ein Leutnant erhält
nach seiner Ausbildung bis 13500 Franken auf ein Konto gutgeschrieben, das
er für seine Aus- und Weiterbildung gezielt einsetzen kann.
Schellenberg trat aber auch auf Ängste
und Sorgen seiner Kader ein, indem er sich
zur Kopfstruktur äusserte. Viele LW-An-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
41
Luftwaffe
gehörige meinen, dass die LW als Teil des
zukünftigen Kommando Operationen
marginalisiert werde und machen sich
deshalb Sorgen um die effiziente Erfüllung der Armeeaufgaben in der 3. Dimension. Er, KKdt Schellenberg, verstehe diese Ängste, aber es gehe letztlich
um Prozesse, Fähigkeiten und Kompetenzen, die erbracht werden müssen. Gerade in diesem Bereich werde sich nichts
ändern, die originären und die delegierten Aufgaben nimmt die Luftwaffe wie
bis anhin wahr und der Kdt LW werde
seine relevanten Beiträge auf allen Stufen
(strategisch – op) wie bis anhin einbringen. Der Kdt LW wird in allen Einsätzen
als Kdt Einsatzverband Luft (EVL) seine
Mittel führen. Auch wenn das im Organigramm beängstigend aussehen mag,
«ich stehe dahinter, die LW hat die selbe
Bedeutung wie heute» meinte Schellenberg.
Umsetzung WEA
und Steuerung von Projekten
Die LW steht vor einer anspruchsvollen Umsetzungsphase im Hinblick auf die
WEA mit Beginn ab 2018. Dies betrifft
sowohl die Strukturen wie auch grosse Beschaffungsprojekte.
So werden die Kompetenzen des LWStabes neu gegliedert und aufgeteilt. Es
wird eine Übergangsphase 2018 – 2020
nötig sein, um den Anpassungen RechNationalrätin Corina Eichenberger-Walther, Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats
(SiK-N) kommt auf Schlagzeilen zum Thema Sicherheit und Armee zu sprechen.
Auch wenn diese nicht immer positiv ausfallen, stellt sie fest, dass in den letzten
zwei Jahren die Grundwerte Sicherheit
und Freiheit einen neuen Stellenwert erhalten haben. Das Bewusstsein steigt,
dass die Sicherheit nicht einfach eine
Selbstverständlichkeit ist. Der Krieg ist
nah, Terroranschläge mit vielen Opfern
passieren in Nachbarländern und vertrauliche Daten werden von Hackern gestohlen. Eichenberger erwähnt die WEA als
wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Wichtig dabei ist eine gute und moderne
Ausrüstung, die eine Reduktion der Truppen mindestens teilweise kompensieren
soll. Dass die Luftwaffe eine (Zitat zu Kopfstruktur) «grosse Kröte zu schlucken habe,
die von der Politik entschieden wurde» ist
der Referentin durchaus bewusst. Wird
aber die WEA abgelehnt, haben wir einen
42
F/A-18 über den Alpen.
Bilder: VBS
nung tragen zu können (zum Beispiel
Neuerungen im Bereich LVb Flab 33).
Die Zielstruktur der LWab 2021 wird weitere Anpassungen mit sich bringen. Diese Veränderungen sprengen den Rahmen
dieser Berichterstattung und darum wird
die ASMZ den neuen Strukturen der LW
zu einem späteren Zeitpunkt einen besonderen Bericht widmen.
Im Hinblick auf die Zielstruktur 2021
sind aber auch Vorausmassnahmen nötig.
Dazu gehören auch Anpassungen und
Transfers beim Personal der LW. Im Moment laufen die Planungen und Vorbereitungen, und wenn alle – auch die politischen Voraussetzungen – erfüllt sind, werden allfällig betroffene Mitarbeiter durch
ihre Kdt direkt und persönlich informiert.
Dieser Umbau soll sozialverträglich und
schlechteren Zustand als heute. Die SiKPräsidentin fährt mit klaren Worten fort
(Zitat): «Nochmals zurück zur modernen
Ausrüstung; ... vor allem heisst es auch
einen guten Schutz von oben in der Luft.
Durch BODLUV und Kampfflugzeuge! Damit spreche ich Sie alle direkt an. Wir bürgerlichen Sicherheitspolitiker wollen und
wünschen uns, dass bald, … innert der
nächsten Jahre, neue Kampfflugzeuge unseren Luftraum schützen … Ich bin aber
etwas Gripengeschädigt und appelliere
an Sie, sich in der zugedachten Phase
einzubringen, aber dann, wenn der Entscheid, auch der Typenentscheid einmal
gefällt ist, diesen zu akzeptieren und in
geschlossenen Reihen für die Beschaffung zu kämpfen … Nochmals, ziehen Sie
am gleichen Strick für unsere Armee und
unser Land! Schüsse aus dem Hinterhalt
und von der Seite erträgt die heutige Situation nicht. Die Armee als Gesamtsystem braucht die Unterstützung der Bevölkerung und deshalb muss sie glaubwürdig handeln können.»
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
möglichst ohne Entlassungen vollzogen
werden. Der Kdt der LW will diese Arbeiten verantwortungsbewusst, offen, ehrlich
und transparent angehen.
Das Projekt BODLUV wurde durch
den Entscheid des Departementschefs
sistiert. Aus diesem Grund und auch aufgrund der laufenden Strafuntersuchung
«Wir müssen die Formation
geschlossen halten.»
machte Schellenberg keine weiteren Aussagen zu diesem Thema.
Der Beschaffungsprozess für ein neues
Kampfflugzeug wurde mit der Bestellung
von zwei Gruppen gestartet. Einerseits eine
Expertengruppe und andererseits eine politische Begleitgruppe, die alle Fragen auch
zuhanden der Expertengruppe aufwirft
und den Prozess begleitet. Mit diesen Vorgehen und nach Vorliegen einer Gesamtsicht der 3. Dimension werden die nächsten Schritte eingeleitet.
Der weitere Flugverlauf
Der Kdt zieht sein Fazit angelehnt an
das Bild eines FA-18 über den Alpen mit
eindringlichen Worten:
«Die LW geht die WEA aktiv an, die
Rahmenbedingungen sind nicht immer
einfach, aber wir sind im Steigflug – wenn
auch noch in relativer Bodennähe. Der
Flugweg ist rechts und links mit Vorgaben
beschränkt, aber es hat weniger Wolken als
auch schon. Wir müssen die Formation geschlossen halten. Es kann nicht sein, dass
man sich an Dritte wendet, wenn einem
etwas nicht passt – das ist schädlich für
das ganze System. Wir müssen die Reihen
schliessen – ich appelliere an ihre Ehre und
Professionalität, geschätzte Kader der Luftwaffe».
■
SOG
Herzlich willkommen!
Zwischen März 2015 und Juni 2016 wurden die untenstehenden
Angehörigen der Armee zu Leutnants brevetiert. Präsident
und Vorstand der Schweizerischen Offiziersgesellschaft sowie
Redaktion und Verlag der ASMZ gratulieren ganz herzlich und
wünschen diesen Offizieren viel Erfolg und Befriedigung in
ihrer Offizierslaufbahn. Wir freuen uns natürlich ganz besonders
darauf, dass viele von ihnen Mitglied einer Offiziersgesellschaft
und sehr bald zu regelmässigen Lesern der ASMZ werden. BOA
Aargau: Aebi Matthias, Ahmetovic Ismet, Buchser Nils, Diethelm Nathanael,
Dodaj Mergim, Gattlen Joel, Gavilán de
la Torre Florian, Gjoklaj Jeton, Isenegger
Timothy, Lerch Thomas, Marcella Massimo, Maurer Mike, Murer Dennis, Sandmeier Raphael, Schatzmann Sébastien,
Schmid Ramon, Schwarz Philip, Speiser
Kilian, Stöckli René, Weiss Cédric, Wiederkehr Claudio, Wüthrich Reto, Zimmermann Michael
Appenzell Innerrhoden: Broger Mario
Appenzell Ausserrhoden: Eicher Dominik, Pradella Moritz, Sandholzer Flurin,
Wirz Simon
Basel-Land: Aeppli Thomas, Akçasayar Evrim, Bösiger Kilian, Gerber Simon,
Harms Marvin, Jäggin Dominik, Jauslin
Lukas, Khare Ameya
Basel-Stadt: Frey Jonas, Gerster Etienne, Grütter Bodo, Micello Elia Kain
Bern: Andrist Michael, Biaggi Benjamin Leonardo, Boghossian Susanne,
Drück Rafael, Espina Luis, Grimm Michael, Grütter Jakob Niklaus, Hänggeli
Kai Pascal, Haudenschild Dimitri, Hesterberg Pascal Ives Nicola, Hobi David
Marco, Jaisli Yorick Ernest, Kunz Sandra,
Lehmann Matthias Simon, Mani Marco Walter, Marti Dominik, Mühlemann
Tiziano Nicolas, Romang Andrea, Rösti
Mario, Rütti Dominique Stefan, Schmid
Eliab, Stauffer Nicola, Steiner Dominik,
Süsstrunk Silvan, Thomi Ivan, Tschirren
Jonas, Vifian Basil Samuel, von Gunten Andreas, Winkelmann Simon, Wyss
Christian, Yao Nathan, Zaugg Michael
Mikhail
Freiburg: Abriel Michaël, Danniau Frédérique, Dévaud Frédéric, Kilchoer Brenainn, Nessensohn Marc, Schornoz William, Simon Ludovic
Genf: Allen John, Bürki Frédéric, Desjacques Achille, Gowen Niccolo, Islami
Valdrin, Lusso Umberto
Glarus: Becher Sandro
Graubünden: Adank Tony, Cortesi Silvano, Meyer Andreas
Jura: Theurillat Jérémy
Luzern: Bitterli Pascal, Bösch Janek,
Dahinden Silvan, Furrer Felix, Geissmann
Robin, Groenveld Quinten, Lindemann
Yannick, Schmid Lukas
Neuenburg: Glanzmann Dimitri, Sciboz Thomas, Zürcher Philippe
Nidwalden: Strässle Philipp
Obwalden: Fanger Robin, Petersen
Yannik
St. Gallen: Bänziger Claudio, Baumann
Mario, Broder Simon, Degani Umberto,
Dünki Gian Marco, Eisenring Andreas,
Frey Milo, Jud Simon, Lehmann Jaspar,
Manhart Christoph, Morscher Adrian,
Peyer Dominik, Reinmann Jeremy, Rüttimann Joshua, Schuler Ruben, Senti Raffael, Stähli Michel, Torregrossa Samuele,
Wiederkehr Matthias
Schaffhausen: D’Alonzo Jeaquimo Jeremy Dwight, Müller Jérôme, Sticher
Robin, Wehren Lukas, Zulauf Andreas
Christian
Solothurn: Miescher Felix, Ruchti Lukas
Schwyz: Furger Adrian Reinhold, Kunz
Benjamin, Schnidrig Joey Lucien
Thurgau: Bachmann Cedric, Bänziger
Fabio, Buff Dominic, Graf Mike, Kelterbaum Sascha, Leuzinger Fabian, Lu KaFai Anon, Müller Tobias, Saraiva Oliveira
Michael, Stenzel Jeroen, Zampieri Martin, Zwahlen Patrick
Tessin: Bassetti Federico, Castaneda
Bettini Jorge, Ducoli Matteo, Harlicaj
Eljon, Herklotz Ian-Allan, Jakupovic Admir, Lambrughi Alessandro, Majdak Mattia, Menozzi Selio, Minervino Giuseppe,
Odermatt Thomas, Pittet Ivanoè, Recchia
Tiberio, Rinaldi Luca, Scaramozza Paolo,
Sonanini Damiano
Waadt: Andersson Morgan, Basic Ernest, de Meyer Léo, Defferrard David,
Ferreira Gomes Nuno, Finaud Stanislas,
Grandchamp Kevin, Gross Yoann, Haxhiu Roni, Jacoby Sébastien, Keller Karin,
Maire Alexandre, Martin Pierre, Pelichet
Virginie, Pisani Dylan, Sikorskiy Valery,
Vollenweider Anthony
Wallis: Aymon Romain, Bonvin Jonas,
Buser Chris, Carron Gautier, Desgalier
Johanna, Ebiner Raphael, Remeslov Pavel, Tramaux Dylan
Zug: Bruhin Gregor, Hammer Elias,
Mächler Kim, Solenthaler Jennifer
Zürich: Aeschlimann Christian, Bättig Rik, Beeler Manuel, Brugger Robin,
Buff Kevin, Coens Vincent, Cohen David, De Nardo Daniele, Demuth Nicola,
Faist Olivier, Fankhauser Remo, Frutiger
Nicolas, Gähwiler Tom, Gallacher John,
Grossniklaus Jan, Haab Simon, Hänni
Gabriel, Herren Gregory, Hofstetter Daniel, Höpli Niels, Hutter Philip, Iselin
Oliver, Isler Patrick, Isler Rolf, Ivasovic
Frane, Krämer Manuel, Küng Moritz,
Lehmann Sven, Leuenberger Jan, Maag
Christian, Napolitano Claudio, Nussle
Nicolas, Ryser Fabio, Schmid Thomas,
Schmidlin Fabian, Schneider Cédric, Sigg
Adrian, Stankovic Stevan, Stoller Maximilian, Tunesi Dominique Marc, Ucar
Numan, Wagner Elias, Waldis Reto, Welzl
Christian, Wydler Fabian.
■
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
43
Höhere Kaderausbildung
Kaderausbildung: Solides Fundament –
grosse Herausforderungen
Im Grunde genommen ist unbestritten: Schweizer Milizoffiziere werden in
den Kaderschulen seit jeher gut auf ihre Funktionen vorbereitet. Das ist
gewiss keine Selbstverständlichkeit angesichts der äusserst kurzen Lehrgänge.
Doch es treten vermehrt Defizite auf: militärisches Vorwissen, aktuelles
Konflikt- und Bedrohungsbild, Vorstellung vom Gefecht bzw. Einsatz, Doktrin
und Taktik, Truppenführung – Bereiche, in denen wieder Fortschritte erzielt
werden müssen.
Michael Arnold, Stv. Chefredaktor ASMZ
Im September 2013 hielt das Schweizer
Stimmvolk nachdrücklich an der Wehrpflicht fest. Der Militärhistoriker Prof. Dr.
Rudolf Jaun schrieb dazu:
«Damit wird eine im globalen Gegentrend liegende Entwicklung fortgesetzt: Die
schweizerischen Streitkräfte werden weiterhin durch Staatsbürger gebildet, die durch
die Wehrpflicht zu Ausbildungsdiensten verpflichtet und erst nach einem Beschluss des
nationalen Parlamentes als Ganzes aufgeboten und für einen Einsatz bereit gehalten
werden können. Die Weiterführung einer
Wehrpflicht-Milizarmee bedeutet zugleich,
dass diese Streitkräfte weiterhin grossmehrheitlich durch Milizoffiziere kommandiert
und verwaltet werden. Damit wird ein tragendes Merkmal der Milizarmee weitergeführt, welches seit der Begründung von militärischen Bundesinstitutionen im frühen
19. Jahrhundert die schweizerischen Streitkräfte prägte.» 1
de Waffen und insbesondere die intensivierte Ausbildung im eigenen Einsatzraum
waren Schlüssel zum (letztlichen) Erfolg.
Helvetischer Pragmatismus
Was die Kaderausbildung betrifft, gilt
festzuhalten, dass sie Abbild ihrer jeweiligen Epoche war – und auch deren Führungsverständnis vermittelte. Den traditionell französisch geprägten Elementen
Hervorragende Kader-Ausbildungsinfrastruktur der HKA, das AAL. Bild: Archiv AAL
Erfolge
Erfüllte Aufgaben
Die Rekrutierung und Ausbildung der
Milizoffiziere – das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte – war immer eine zentrale Herausforderung. Schon
die Gründerväter der Zentralschulen 1819
in Thun erkannten, dass es trotz Milizsystem gelte, mit den führenden stehenden
Streitkräften bzw. Berufsarmeen ungefähr
auf Augenhöhe zu bleiben. Ein Anspruch,
dem man zwar nie oder höchstens verspätet gerecht wurde (Aufrüstung in Weltkriegen), der aber anspornte, das Beste
daraus zu machen. Insbesondere der Wille zur «Verteidigung», aber auch massgeschneiderte Kampfkonzepte, hervorragen-
44
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
der Ära General Dufours folgten unübersehbar preussisch-deutsch geprägte und
später amerikanische Elemente (NATO).
Unter dem «Helvetisierungszwang» eines
stolzen Milizsystems und vieler hervorragender Offiziere, insbesondere auch Berufsmilitärs, ergaben sich schlussendlich
immer recht erfolgreiche Lösungen. Das
gilt für die Führungsmethodik, die Taktik und die Truppenführung. Dieser Pragmatismus wurzelte wesentlich in der Erdung der Milizangehörigen in ihrem zivilen Beruf und in einer freiheitlichen
Höhere Kaderausbildung
demokratischen Gesellschaft – aber auch
in der Überzeugung, dass es die Armee
brauche.
den Investitionen und gesellschaftspolitischen Prämissen. Solide Ausbildung ist
weiterhin gefragt, doch die Limiten bezüglich Ausbildungszeit, Erfahrung, Professionalität und gesellschaftlicher Akzeptanz bleiben weiterhin ernsthafte Hypotheken.
zu den Landessprachen. Auf der anderen
Seite geht es um Erfahrungswissen aus
Schulen, Lehrgängen und Truppendiensten. Die «Entmilitarisierung der GesellGrenzen
schaft» sowie die abnehmende FührungsEinsatz- versus Ausbildungsarmee
praxis fördern den Trend, dass immer weEs wäre unzulässig verkürzt zu sagen,
niger vorausgesetzt werden kann, bzw. dass
dass hier von zwei gegenteiligen Konzepdas Eintrittsniveau in Lehrgängen sehr heten die Rede sei. Die Einsatzorientierung Materielle Lücken und Technologieniveau terogen sein kann. Dies belastet den Unist immer anzustreben. So leistet die ArNach 1989 setzte international im terricht und erschwert das Erreichen anmee jeden Tag Einsätze gemäss übertra- Zuge verschiedener Streitkräftereformen spruchsvoller Lernziele.
genem Leistungsprofil, sei es beispiels- ein massiver, meist finanziell getriebener
Massnahmen: Einerseits sind die entweise in der Wahrung der
sprechenden Lehrinhalte in
Lufthoheit oder in der Undie Lehrpläne aufzunehmen.
terstützung der zivilen BeDiese müssen gemäss Cur«Eine effiziente und wirksame Armee braucht
hörden. Der politische Einriculum auf verschiedenen
satzrahmen der Armee ist
Ebenen der KaderausbilChefs, welche entscheiden und führen,
aber strikt vorgegeben. Es
dung abgestimmt vermitund nicht Technokraten, welche anstreben,
ist eine Tatsache, dass unsetelt werden. Null-Lösungen
ren Armeekadern die eigegibt es nicht. Minimal sind
die Führung durch Prozesse zu ersetzen.»2
ne Erfahrung aus Kriegen
die Milizoffiziere z.B. im
Divisionär Daniel Roubaty, Kommandant HKA 2011–2013
und Konflikten weitgehend
Bereich Militärgeschichte
fehlt. Gott sei Dank! Wir
ausgewählt auszubilden, bedürfen das so weit wie mögziehungsweise es ist ihnen
lich kompensieren mit einer zwar auf die Schrumpfungsprozess und eine Neuaus- der Wert der eigenen Weiterbildung aufaktuellen Bedrohungen und Gefahren aus- richtung der militärischen Kräfte Rich- zuzeigen. Maximal gibt es angewandte Ungerichteten Armee, die sich aber grössten- tung Out of Area Einsätze ein. Für viele terrichtssequenzen wie z.B. in der Militärteils mit ihrer Ausbildung beschäftigen (Waffen-) Systeme der ehemaligen «Hei- geographie, die auch den Anschauungsmuss. Das kann auch eine Stärke sein, ba- matverteidigung» bedeutete das aus dok- unterricht im Gelände einschliesst: Lansierend auf sicherheitspolitischer Wach- trinalen oder finanziellen Gründen Liqui- desgrenze, Engnisse, überbautes Gebiet,
samkeit und Weitsicht, auf entsprechen- dation oder Nachrüstungsrückstand. Pa- kritische Infrastruktur. Die Möglichkeirallel dazu – oft als Kompensation – wur- ten des E-Learning müssen viel besser ande auf Technologie gesetzt. Wenn für geboten und die Offiziere besser dokueinen allianzfreien Staat wie die Schweiz mentiert werden. Das Erfahrungswissen
überhaupt verfügbar, bezahlt man Hoch- anderseits kann nicht mit Theorie subtechnologie teuer, handelt sich Abhän- stituiert werden. Seine Aneignung muss
gigkeiten ein und kommt teilweise deut- durch entsprechende Beförderungsvorlich über die Grenze der sogenannten schriften und anspruchsvolle Dienste im
Milizverträglichkeit hinaus. Zu all dem Truppenverband ermöglicht werden, als
sehen wir seit 2014 an den Rändern Eu- Voraussetzung für weitere Kaderschulen.
ropas plötzlich die ganze Palette militärischer Systeme mit Erfolg am Kämpfen. Aktuelles Konflikt- und Bedrohungsbild
Doch nach dem Reformmarathon steht
Es gibt zwei falsche Bilder: die noch
auch unsere Armee heute mit erheblichen weit nachwirkenden Vorstellungen aus
materiellen Lücken da, die mittelfristig dem Kalten Krieg mit grossen Kampfnoch gravierender werden könnten (Er- verbänden, die sich Schlachten liefern,
satz vieler Gross-Systeme um 2025). Kurz: und die ebenso einseitige Vorstellung, in
Eine Ausbildung, die den Kadern einen modernen – weil hybriden – Konflikten
immer länger werdenden Katalog von An- hätten Armeen und insbesondere schwenahmen (welche Systeme wir hätten) vor- re Waffen ausgedient. Letzteres käme erst
legen muss, wird auf die Dauer unglaub- noch billiger zu stehen… Tatsache ist,
würdig.
dass weltweit Konflikte eskaliert werden,
wo anfängliche Schutzaufgaben unter verstärkter
Drohkulisse plötzlich in offene
Probleme
Kämpfe übergehen können. Eine Armee
Militärisches Vorwissen
muss im Gegensatz zur Polizei auch dieUnter militärischem Vorwissen kann sen letzten Akt militärischer Aggression
man vieles subsummieren: Auf der einen parieren können.
Massnahmen: Das aktuelle KonfliktSeite sind es Grundkenntnisse über Sicherheitspolitik, Armee, Reglemente, Militär- bild muss in möglichen Szenarien mit der
geographie, Militärgeschichte usw. bis hin entsprechenden Rolle der Armee (subsiAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
45
Höhere Kaderausbildung
diär oder originär) intensiv
ausgebildet werden. Die
Bedrohungen in allen Operationssphären sind dabei
zu nennen, insbesondere
auch im Cyber- und Informationsraum. Die Lehrübungen sind so zu gestalten, dass sie zur unité de
doctrine beitragen, insbesondere auch was die Vorstellung bezüglich Bedrohung und Gegner/Gegenseite betrifft.
Vorstellung vom Gefecht
beziehungsweise Einsatz
Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Kampf der
verbundenen Waffen ab
einer mittleren taktischen
Stufe weitgehend nicht
mehr beherrscht wird. Da
sind wir in Europa in guter Gesellschaft.
Bei einem völligen Übergewicht an nichtkombattanten Lehrgangsteilnehmern und
der äusserst bescheidenen Erfahrung der
kombattanten entsprechende Übungen
in der Kaderausbildung mit allen durchzuführen, grenzt an Überforderung. Anderseits ist das Pochen auf die Beherrschung des Führungsprozesses kein Ersatz für das tiefere Verstehen eines Einsatzes der Armee. Das Denken beginnt mit
der Analyse der Aufgabe, der Problemerfassung.
Massnahmen: Es ist zu überprüfen, wer
welches Niveau z.B. in der Schulung des
Kampfes der verbundenen Waffen erreichen soll und kann. Konkret: Was üben
z.B. die Infanterie-Kader? Ein Grundwissen für alle ist jedoch nicht zu bestreiten.
Dazu gehört auch die internationale Erkenntnis, dass immer tiefere Führungsstufen entscheiden müssen und dass die
Rolle Grosser Verbände sich relativiert hat
(Koordination der Mittel). Generell gilt,
dass alles daran gesetzt werden muss, das
Vorstellungsvermögen im konkreten Einsatzraum schulen.
Doktrin und Taktik
Gegenwärtig bestehen nebst der FSO17
ein sanktionierter Entwurf einer neuen
OF 17 sowie ein gründlich zu überarbeitender Entwurf einer TF 17. Aus der Generation Führungsreglemente der Armee
XXI warten einzig noch die Begriffe auf
eine Revision. Diese Reglemente sind für
die Ausbildung der Kader wichtig. Sie vermitteln Doktrin in einem gesamtheitli-
46
chen Blick. Tatsache ist aber, dass wesentliche Reglemente XXI noch gültig sind,
aber weiten Teils nicht mehr zutreffen, und
dass die meisten Reglemente 17 noch nicht
fertig bzw. gültig sind. Die Lehrgänge an
der HKA sind laufend aktualisiert worden und nehmen jeweils das Kommende
voraus. Das Dilemma ist eher theoretischer Natur, deswegen aber nicht weniger
gefährlich, weil es der Marginalisierung
der Doktrin Vorschub leistet.
Massnahmen: Es ist sicherzustellen, dass
der Schlussspurt der neuen Reglementsgeneration unter Leitung des Armeestabs/
Militärdoktrin gelingt. Ausgehend von
Best Practise hat die HKA signalisiert, dass
sie die neuen Reglemente für die Umstellung der Ausbildung ab Mai 2017 braucht.
Die Zeit bis dahin sollte genutzt werden,
um einen in sich stimmigen Reglementssatz 17 zu schaffen, dessen hohe Qualität
anerkannt wird wie seinerzeit jener der
Armee XXI (2004).
Schlussgedanken
Die Zeichen stehen gut, dass die gesamte Ausbildung in der Armee inhaltlich und organisatorisch besser als heute
gesteuert werden kann, ohne allerdings
der Überregulierung zu verfallen. Das vorgesehene Ausbildungskommando kann
die verlangte unité de doctrine mit der
entsprechenden unité de l’instruction
unterstützen bzw. ergänzen. Die Ausbildungsvorgaben sind derzeit in Bearbeitung, doch fundamentale Änderungen
sind nicht in Sicht. Der inhaltlich Rah-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Prinzipskizze der Einsätze von Bodentruppen.
Bild: Heeresstab/Heeresdoktrin
men der Ausbildung an der HKA bleibt
in etwa derselbe, nicht aber der organisatorische: Die Zentralschule ist auf dem
Weg, einen neuen integralen Truppenkörper-Lehrgang aufzubauen, ein Projekt,
das versucht, auch all die erwähnten Herausforderungen anzugehen.
Die HKA macht sich vehement stark
für drei Anliegen: Erstens dafür, dass Kaderausbildung nicht gleichzusetzen ist mit
einer Reduktion auf Führungsmethodik
(Prozesse). Charakter, Sinn und Rahmen
von Einsätzen der Armee gilt es zu verstehen. Erfolgreiche Taktik beruht neben
fundierten Kenntnissen über eigene und
gegnerische Mittel auch auf Phantasie.
Zweitens dafür, dass die Doktrin bekannt und berücksichtigt wird, z.B. die
Fähigkeitsreihenfolge kämpfen – schützen – helfen, dass sie aber nicht zur
Denkfalle wird. Deshalb werden Musterlösungen abgelehnt, genauso wie oberflächlicher Schematismus. Drittens dafür,
dass der Rahmen für eine vernünftige
Auftragstaktik gewahrt bleibt. Dies ist
leichter gesagt als getan, denn die Verlockungen des umfassenden Controllings
und Mikromanagements sind grösser
denn je.
■
1 Michael Arnold, Jacques Lörtscher, Walter Troxler: Führen lernen in der Armee – Geschichte der
Höheren Kaderausbildung der Armee, Verlag
Merker im Effingerhof, 2013; S. 9.
2 AaO, S. 361
Forschung und Lehre
«Sicherheit 2016» – pessimistische
Einschätzung der weltpolitischen Lage
In der aktuellen Studie «Sicherheit 2016», herausgegeben von der
Militärakademie an der ETH Zürich und des Center for Security Studies,
ETH Zürich, beurteilen Schweizerinnen und Schweizer die weltpolitische Lage so pessimistisch wie nie zuvor. Auch das allgemeine
Sicherheitsempfinden ist signifikant gesunken.
Tibor Szvircsev Tresch, Thomas Ferst
Erstmals wurde im Rahmen der aktuellen Studie die «Kriminalitätsfurcht» sowie das «subjektive Sicherheitsempfinden
im öffentlichen Raum» erfragt. Die Resultate zeigen, dass die Kriminalitätsfurcht gering ist und sich die Schweizer Stimmbevölkerung im öffentlichen Raum sicher fühlt.1
Ausgangslage
Das strategische Umfeld der Schweiz hat
sich durch die wirtschaftliche und politische Krise der europäischen Integration,
die neue Konfliktlage in Russland sowie
durch die Krisenlagen des Nahen und
Mittleren Ostens und den damit verbundenen eskalierten Migrationsbewegungen
nach Europa und einer erhöhten Terrorismusbedrohung verändert.2
Um das Sicherheits- und Bedrohungsempfinden der Schweizerinnen und
Schweizer differenzierter zu erfassen und
der aktuellen Sicherheitslage gerecht zu
werden, wurden in der Studie «Sicherheit
2016» deshalb zwei neue Fragen eingeführt, welche die regelmässig gestellten
Fragen zum Sicherheits- und Bedrohungsempfinden ergänzen.
In diesem Artikel werden die beiden
neuen Fragen «Kriminalitätsfurcht» und
«subjektives Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum» vorgestellt sowie die
Einschätzung zur weltpolitischen Lage
und das allgemeine Sicherheitsempfinden
der Bevölkerung diskutiert.
Kriminalitätsfurcht und
subjektives Sicherheitsempfinden
im öffentlichen Raum
Das allgemeine Sicherheitsempfinden
wird seit 1995 jährlich in der Studie «Sicherheit» erhoben und zeigt, wie sicher
sich Schweizerinnen und Schweizer im
Allgemeinen fühlen. Diese sehr allgemein
formulierte Frage gibt allerdings keine
Anhaltspunkte darüber, wie die Schweizer Stimmbevölkerung mit ihrem Sicherheits- bzw. Unsicherheitsgefühl umgeht.
Daher wurde im Rahmen der aktuellen
«Schweizerinnen und
Schweizer beurteilen
aktuell die weltpolitische
Lage in den nächsten
fünf Jahren insgesamt
signifikant und massiv
‹pessimistischer›.»
Studie die Angst vor Kriminalität (Kriminalitätsfurcht) erfragt. In der Forschung
hat sich der Standardindikator der Kriminalitätsfurcht «Wie sicher fühlen Sie sich,
wenn Sie abends allein in Ihrer Nachbarschaft unterwegs sind?» entsprechend etabliert.3 In der Schweiz wird dieser Standardindikator jeweils mit unterschiedlichem Wording unter anderem in vier
städtischen (Zürich, Bern, Luzern, St.Gallen) und zwei kantonalen (Luzern, Baselstadt) Sicherheitsbefragungen sowie in der
Studie zur Kriminalität und Opfererfahrung der Schweizer Bevölkerung erhoben.4
In der Studie «Sicherheit 2016» wurde der
Standardindikator der Kriminalitätsfurcht
leicht geändert, so dass nicht der Abend,
sondern die Dunkelheit im Mittelpunkt
der Frage stand («Wie sicher fühlen Sie sich,
wenn Sie nach Einbruch der Dunkelheit alleine zu Fuss in Ihrer Wohngegend unterwegs
sind?»).
Aufgrund der terroristischen Anschläge vom 13. November 2015 in Paris führ-
ten wir eine weitere Frage neu ein («Wie
sicher fühlen Sie sich an öffentlichen Orten,
wo es viele Leute hat? Zum Beispiel an Sportanlässen, Konzerten und Bahnhöfen?»),5 da
wir davon ausgehen, dass derartige Ereignisse einen Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen
Raum haben. Die beiden neu eingeführten Fragen messen zum einen das subjektive Sicherheitsgefühl und zum anderen das entsprechende Vermeideverhalten. Dabei wird die Annahme getroffen, dass Personen, welche sich vor Kriminalität fürchten, sich unsicher fühlen,
wenn sie abends allein in ihrer Wohngegend unterwegs sind. Personen, welche
sich an vielbelebten öffentlichen Orten
unsicher fühlen, meiden derartige Orte.
Während das allgemeine Sicherheitsempfinden das allgemeine Sicherheitsgefühl
der Befragten misst, messen die beiden
neu eingeführten Fragen zusätzlich den
entsprechenden Umgang mit der Sicherheit oder Unsicherheit in der jeweiligen
Situation.
Nun zu den Resultaten der Studie «Sicherheit 2016»:
Einschätzung der weltpolitischen
Lage und allgemeines
Sicherheitsempfinden
Die Einschätzung der weltweltpolitischen Lage wird mit der Frage «Wie sehen
Sie die Entwicklung der weltpolitischen Lage
in den nächsten fünf Jahren? Sehr optimistisch, eher optimistisch, eher pessimistisch
oder sehr pessimistisch?» gemessen. Schweizerinnen und Schweizer beurteilen aktuell
die weltpolitische Lage in den nächsten
fünf Jahren insgesamt signifikant und massiv «pessimistischer» (74%, +20%) als im
Vorjahr. 9 % (+5 %) geben an, die Entwicklung «sehr» pessimistisch und 65 %
(+15 %) «eher» pessimistisch zu betrachten. Ein Viertel, 25% (–20%) der Befrag-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
47
Forschung und Lehre
ten, beurteilt die weltpolitische Lage optimistisch, davon 24% (–20%) «eher» und
1% (±0%) «sehr» optimistisch.
Das seit 1995 regelmässig erhobene allgemeine Sicherheitsempfinden der Schweizerinnen und Schweizer verharrt über den
Jahresverlauf auf hohem Niveau. Der Vergleich zum Vorjahr zeigt aber, dass das Sicherheitsempfinden aktuell im Mittel signifikant gesunken ist. 2016 geben 86 %
(–5%) der Befragten an, sich sicher zu fühlen. Dabei fühlen sich 20% (–9 %) «sehr»
bzw. 66 % (+4 %) «eher» sicher. 14 %
(+5 %) der Befragten fühlen sich aktuell
unsicher. Hierbei geben 13% (+5%) an,
sich «eher» und 1% (±0%) «ganz» unsicher
zu fühlen.
Kriminalitätsfurcht
Bei der neu eingeführten Frage «Kriminalitätsfurcht» zeigt sich, dass sich
84 % der Schweizer Stimmbevölkerung
nach Einbruch der Dunkelheit sicher
fühlen (39 % «sehr» und 45 % «eher» sicher). Insgesamt geben 15 % der Befragten an, sich unsicher zu fühlen (13 % davon «eher» und 2 % fühlen sich «ganz»
unsicher). Die Kriminalitätsfurcht der
Schweizer Stimmbevölkerung fällt somit gering aus. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit jenen der Bevölkerungsbefragung der Stadt Zürich 2015 als auch
der schweizerischen Sicherheitsbefragung
2015. 85 % der Bevölkerung der Stadt
Zürich 6 als auch 85 % der Schweizer Bevölkerung geben bei dieser Frage an, sich
sicher zu fühlen, wenn sie abends alleine
im Dunkeln in ihrer Wohngegend unterwegs sind.7
Subjektives
Sicherheitsempfinden im
öffentlichen Raum
81% der Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich im öffentlichen Raum sicher. Dabei geben 22 % an, sich «sehr»
und 59 % sich «eher» sicher zu fühlen.
Insgesamt geben 18 % an, sich im öffentlichen Raum unsicher zu fühlen, davon
16 % «eher» und 2 % «ganz» unsicher.
Zusammenhänge
Das subjektive Sicherheitsempfinden
im öffentlichen Raum und die Kriminalitätsfurcht korrelieren stark (ρ = 0.34).
Personen, die sich sicher im öffentlichen
Raum fühlen, fürchten sich auch weniger
vor Kriminalität. Das allgemeine Sicher-
48
heitsempfinden und das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum
korrelieren ebenfalls stark (ρ = 0.38). Wer
sich im Allgemeinen sicher fühlt, fühlt
sich auch im öffentlichen Raum sicher.
Die Einschätzung der weltpolitischen Lage
und das allgemeine Sicherheitsempfinden
beziehen sich ebenfalls aufeinander: Wer
die weltpolitische Lage optimistischer betrachtet, fühlt sich tendenziell sicherer
(ρ = 0.34).
Diskussion
der aktuellen Resultate
Wir gehen davon aus, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die sicherheitspolitischen Ereignisse des Jahres 2015 einen
starken Einfluss auf die äusserst pessimistische Beurteilung der weltpolitischen Lage
ausübten. Es scheint aber, dass das allgemeine Sicherheitsempfinden weniger stark
durch die veränderte weltpolitische Lage
beeinflusst wurde. Zwar ist das allgemeine Sicherheitsempfinden aktuell signifikant gesunken, aber nicht in dem Aus-
«Zwar ist das allgemeine
Sicherheitsempfinden
aktuell signifikant
gesunken, aber nicht
in dem Ausmasse,
wie die weltpolitische Lage
als pessimistischer
eingeschätzt wird.»
masse, wie die weltpolitische Lage als pessimistischer eingeschätzt wird. Die Resultate zeigen weiter, dass sich jeweils eine
Minderheit von 14% im Allgemeinen unsicher fühlt, sich 15 % vor Kriminalität
fürchten und 18 % angeben, sich im öffentlichen Raum unsicher zu fühlen. Die
tiefen Werte des jeweiligen Unsicherheitsgefühls können als Indikatoren gedeutet
werden, dass das Sicherheitsgefühl in der
Schweiz, trotz der veränderten weltpolitischen Lage, hoch ist.
Generell gilt: Wer die weltpolitische
Lage optimistischer einschätzt, fühlt sich
im Allgemeinen sicherer, hat geringere
Kriminalitätsfurcht und fühlt sich im
öffentlichen Raum sicherer. Und umgekehrt: Wer die weltpolitische Lage pessi-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Die Studie «Sicherheit» dient der Ermittlung langfristiger Trends und Tendenzen
in der aussen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildung der
Schweiz. Die Erhebungsreihe basiert auf
Daten, die bis auf das Jahr 1976 zurückgehen. Die bevölkerungsrepräsentative
Befragung von 1211 Stimmberechtigten
wurde vom 4. Januar bis 23. Januar 2016
durch das Meinungsforschungsinstitut
LINK durchgeführt. Der Stichprobenfehler liegt im ungünstigsten Fall bei einem
Sicherheitsgrad von 95% bei ± 2,9 %.
Die Studie «Sicherheit 2016» kann auf
www.css.ethz.ch/publications/Sicherheit
heruntergeladen werden.
mistischer einschätzt, fühlt sich im Allgemeinen unsicherer, hat mehr Kriminalitätsfurcht und fühlt sich im öffentlichen
Raum unsicherer.
■
1 Szvircsev Tresch, Tibor; Wenger, Andreas; Ferst,
Thomas; Graf, Tiffany; Pfister, Sabrina; Rinaldo,
Andrea (2016). Sicherheit 2016. Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend. Center for Security Studies, ETH
Zürich und Militärakademie an der ETH Zürich.
2 Nachrichtendienst des Bundes NDB (2016). Sicherheit Schweiz. Lagebericht 2016 des Nachrichtendienstes des Bundes. Bern, S. 7.
3 Lange, Hans-Jürgen; Ohly, H. Peter; Reichertz,
Jo (2009). Auf der Suche nach neuer Sicherheit.
Fakten, Theorien und Folgen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 238.
4 Biberstein, Lorenz; Killias, Martin; Walser, Severin; Iadanza, Sandro; Pfammatter, Andrea (2016).
Studie zur Kriminalität und Opfererfahrungen der
Schweizer Bevölkerung. Analysen im Rahmen der
schweizerischen Sicherheitsbefragung 2015. Lenzburg, S. 34.
5 Die helvetistische Frageformulierung wurde bewusst gewählt, da die Interviews in der Deutschschweiz grösstenteils auf Schweizerdeutsch (Mundart) durchgeführt wurden.
6 Stadt Zürich, Stadtentwicklung (2015). Bevölkerungsbefragung 2015. Schlussbericht, S. 28.
7 Biberstein et al. (2016). Studie zur Kriminalität
und Opfererfahrungen der Schweizer Bevölkerung,
S. 34.
Tibor Szvircsev Tresch
Dr.
Dozent Dozentur Militärsoziologie
MILAK/ETH Zürich
8903 Birmensdorf ZH
Fach Of
Thomas Ferst
lic. phil.
Wissenschaftlicher Projektleiter MILAK/ETH Zürich
8903 Birmensdorf ZH
Internationale Nachrichten
Deutschland
A400M «auf der Kippe»?
Die im Wehrbericht 2015
festgestellten Mängel bei der
Bundeswehr greifen nun auch
auf den AIRBUS A400M
Transporter über. Das Flugzeug
weise dermassen viele Fehler
auf, dass es dabei offenbar um
nichts weniger als die Einsatzfähigkeit «des Bundes» geht.
Entsprechend nachvollziehbar
sind die kritischen Stimmen
aus der deutschen Armeeführung. Bereits zu Beginn des
letzten Jahres listete das Verteidigungsministerium über 160
Mängel auf: zu schwache Laderampe, Softwarefehler, fehlende Luftlandetauglichkeit
und fehlende Heizung im Laderaum bei grossen Flughöhen
Erneut auf dem Prüfstand, A400-Triebwerk.
sind nur einige davon. Deshalb wird nun, knapp 18 Monate später, über einen TotalAusstieg aus dem Programm
gemutmasst. Erst kürzlich rief
Bild: EADS
der Produzent AIRBUS zudem
die drei bereits gelieferten Maschinen zurück, nachdem bei
französischen A400 Risse im
Rumpf entdeckt wurden. Ge-
schätzte Reparaturzeit: 7 Monate pro Flugzeug. Auch die
Triebwerke müssen eventuell
neu konstruiert werden, jüngst
lösten sich Metallspäne aus verschiedenen Zahnrädern, was
bereits jetzt einen Wartungsintervall von 20 Stunden mit sich
führt. So ist nicht einmal mehr
klar, ob heuer noch weitere
Maschinen der vertraglich zugesicherten 53 Stück ausgeliefert werden. Sicher ist jedoch,
dass die A400M die überalterten TRANSALL-Maschinen ablösen sollen. Geschieht
das aber nicht bis 2020 – dem
Jahr deren Ausserdienststellung – wird es gemäss Bundeswehr «zu nicht mehr kompensierbaren Fähigkeitsverlusten kommen».
Rumänien
Raketenabwehrschild
operationell
Seit Mitte Mai scheint Europa ein wenig sicherer: die
erste «westliche» Raketenabwehrstation nahm in der rumänischen Südwalachei, nahe
dem Ort Deveselu, nach einer
fünf monatigen Testphase
ihren Betrieb auf. Die 700 Mio.
EUR teure Militärbasis wurde
von den USA finanziert und
wird durch Angehörige der US
Navy mit dem Ziel, Europa
vor einem ballistischen Raketenangriff zu schützen, betrieben. Die AEGIS ASHORE
genannte Anlage besteht aus
einem Radarsystem und zwölf
Raketenwerfern, welche mit
RIM 161 Standard Missiles
(SM-3) Abfangraketen bestückt sind. Die SM-3 ist eine
ursprünglich schiffsbasierte
Rakete gegen ballistische Kurzund Mittelstreckenraketen,
kann aber auch gegen Satelliten in tieferen Umlaufbahnen
eingesetzt werden. Sie wiegt
1,5 Tonnen, misst knapp 6,5
Meter und verfügt über eine
Reichweite bis 2500 Kilome-
ter. Die neue Sensor-EffektorStation entspricht in etwa dem
von der US Navy entwickelten
AEGIS-Programm, ein elektronisches Kampf- und Feuerleitsystem, welches derzeit insbesondere auf Lenkraketenzerstörern der USA, Australien,
Japan, Norwegen, Spanien und
Südkorea eingesetzt wird. Deveselu ist nun also die erste
landgestützte und bewaffnete
Station. Dem NATO-Abwehr-
AEGIS ASHORE-System in Deveselu.
schirm steht somit – geführt
aus Ramstein (Deutschland) –
nebst Spionagesatelliten, einer
Radarstation im türkischen Kürecik, und den AEGIS-Kriegsschiffen erstmals auch bodengestützte Raketenabwehr zur
Verfügung. Die Grundsteinlegung für eine weitere Station
im polnischen Redzikowo erfolgte zu Pfingsten. Dereinst
sollen sämtliche auf Europa abgefeuerten Raketen bei ihrem
Wiedereintritt in die Atmosphäre abgeschossen werden
können. Dass sich dabei Russland als Hauptaggressor verstanden fühlt, scheint offensichtlich. Dennoch erklärt der
NATO-Generalsekretär Jens
Stoltenberg, dass viele Länder ihre eigenen (Interkontinental-)Raketensysteme entwickeln würden und meint damit den Nahen Osten. Konkreter werden seine amerika-
Bild: U.S. NavyPhoto
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
49
Internationale Nachrichten
nischen Partner und zeigen auf
den Iran als Hauptaggressor.
So meinte denn auch der stellvertretende US-Verteidigungsminister Robert Work bei der
Inauguration der neuen Anlage: «Er wolle eines klar stellen – weder diese [rumänische] noch die Anlage in Polen werden die Kapazität haben, Russlands nukleares Abschreckungspotential zu untergraben.» Und Stoltenberg
unterstützte Work, in dem er
auf die zu geringe Anzahl und
falsche Positionierung dieser
Anlagen hinwies und meinte,
dass Russland hier kein Ziel
sei. Worauf sich der russische
Präsident Putin prompt per
Fernsehansprache meldete und
sagte, dass «das hier kein Verteidigungssystem sei», denn
der Abwehrschild «sei ganz klar
ein Teil der amerikanischen
Nuklearstrategie».
Israel
Iron Dome schützt
vor PTBS
Das 2010 in Dienst gestellte israelische C-RAM (Raketen-, Artillerie- und Mörserabwehr) Programm IRON
DOME des Herstellers Rafael
Russland
Nächste Generation
bodengestützter
Luftverteidigung: S-500
Anlässlich der siebten Ausgabe der jährlichen Treffen zwischen dem russischen Präsidenten, dem Verteidigungsminister und seiner obersten Führungsebene sowie den wichtigsten Vertretern der einheimischen Rüstungsindustrie in
Sochi anfangs Mai, steckte Putin sein (sicherheitspolitisches)
Betätigungsfeld neu ab. Es ging
dabei um die aktuellsten Verteidigungsfragen und besonders darum, wie die russischen
Waffenschmieden ihre Bereitschaft im Mobilmachungsfall
aufrecht erhalten werden. Auf
der Tagesordnung stand aber
auch das NATO/US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa.
Putin wirft den USA unilaterales aggressives Handeln,
Gesprächsverweigerung und
Vertragsbruch gegenüber dem
«Intermediate-Range Nuclear
Forces Treaty» (INF) vor.
Dieses, so der Präsident, nun
definitiv gestartete Auf- und
Wettrüsten werde aber ohne
Russland stattfinden. Man ginge seinen eigenen Weg und
prüfe derzeit andere Wege, um
die Sicherheit des eigenen
Landes zu garantieren. In diesem Sinne setzt der Kreml derzeit alles daran, in Kürze die
ersten Prototypen der S-500
PROMETEUS (auch 55R6M
TRIUMFATOR-M) genannten Luftabwehrraketen zu tes-
50
ten. Dieses neue System soll
fähig sein, ballistische Interkontinentalraketen (ICBM),
Hyperschallmarschflugkörper
und Flugzeuge schneller als
Mach 5 zu zerstören. Es soll
innert 4 Sekunden Reaktionszeit beispielsweise bis zu 10
ICBM gleichzeitig in einer
Reichweite von 2000 km erkennen und 600 km neutralisieren können, insofern also
auch bevor eine abgeschossene
Interkontinentalrakete wieder
in die Atmosphäre eintreten
würde. Triumfator-M ist laut
Experten dem aktuellen Stand
der Technik einer S-400 weit
überlegen. Hochmobil kann
es in kürzester Zeit eingesetzt
werden und erkennt respektive erfasst seine Ziele mittels
bestehenden, aber auch neuen
auf ballistische Raketen ausgelegte Radaranlagen und soll
mit einem gänzlich neuen abhör- und aufklärungssicheren
Führungssystem gesteuert werden. Die Einführung ist für
2017 geplant. Vorerst werden
zehn Batterien beschafft, wovon die ersten fünf bis 2020
operationell sind, erklärte Generalleutnant Viktor Vasilievich Gumennyy, stellvertretender Kommandant der russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte. Die S-500 werden
dannzumal in einem Luftabwehrschirm zusammen mit S400, den S-300 Varianten und
weiteren Effektoren den Schutz
des russischen Territoriums sicherstellen.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Iron Dome-Abschuss.
Bild: Rafael Advanced
Defense Systems Ltd.
Advanced Defense Systems
wartet mit einer weiteren Eigenschaft auf: es schützt auch
vor Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Eine
Studie der in Ramat Gan beheimateten Bar-Ilan Universität konnte nachweisen, dass
im Wirkungsraum von IRON
DOME die Häufigkeit von
PTBS reduziert wird. Der Gaza
Krieg 2014, bei welchem in
sieben Wochen mehr als 4500
Raketen auf Israel abgefeuert
wurden, diente als Forschungsobjekt. Herausgefunden wurde, dass IRON DOME zusätzlich zur physischen Sicherheit
offenbar auch eine psychologische Wirkung generiert. Bislang war bekannt, dass nach
einem erlebten Trauma bei
Menschen mit hoher (psychologischer) Resilienz die PTBS
Symptome normalerweise reduziert sind. Studienleiter Dr.
Yaakov Hoffman erklärte nun,
dass Resilienz aber auch durch
weitere Faktoren gestärkt werden kann. Bereits das Vorhandensein und der damit verbundene Glaube an die Wirksamkeit von IRON DOME reiche
aus, PTBS zu vermindern.
Demokratische Republik Kongo
Nordkorea
umgeht Sanktionen
Ein UN-Bericht enthüllte
im Mai, dass Polizei- und Militäreinheiten der Demokratischen Republik Kongo (DRC)
mit Waffen aus nordkoreanischer Produktion ausgerüstet
wurden. Gemäss einer von den
Vereinten Nationen durchgeführten Untersuchung wurde
festgestellt, dass bereits im Jahr
2014 etwa 30 nordkoreanische
(militärische) Ausbildner die
für eine Trainingssequenz zugunsten von Spezialkräften sowie der präsidialen Garde benötigten Pistolen und weiteres Gerät eigens importierten.
Dies unter Umgehung der ak-
tuellen UN-Sanktionen gegen
Nordkorea. In dem seit Jahren von Bürgerkrieg gezeichneten zweitgrössten Land Afrikas
stellt sich nun die Regierung
vehement gegen diese UNFeststellung und nennt den
von einem Expertenpanel der
vereinten Nationen verfassten
Bericht eine «unerhörte Lüge».
Regierungssprecher Lambert
Mende erklärte, dass seit der
Ermordung von Laurent Kabila (der Vater des aktuellen
Präsidenten) im Jahr 2001 keine Kooperation mit Nord Korea mehr stattgefunden habe.
In der DRC sind aktuell mehr
als 20000 Peacekeeper der Vereinten Nationen unter dem
Mandat der «Mission de l’Or-
Internationale Nachrichten
ganisation des Nations Unies
pour la stabilisation en République démocratique du Congo» (MONUSCO) vereint, um
den Friedensprozess voranzutreiben. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es interessant, dass nun einige der beschriebenen Waffen offenbar
bei Vertretern der kongolesi-
schen Nationalpolizei, welche
ihrerseits im UN-Friedensförderungseinsatz in der benachbarten Zentralafrikanischen
Republik im Einsatz stehen,
gefunden wurden. Dass andererseits Pistolen aus Nordkorea auf dem Schwarzmarkt
der kongolesischen Hauptstadt
Kinshasa auftauchten, mag fast
zu vernachlässigen sein, denn
im gleichen UN-Rapport wird
darüber berichtet, wie offenbar burundische Flüchtlinge,
die vor den aktuellen Unruhen im eigenen Land in den
Kongo flüchteten, offenbar
durch ruandische Offiziere rekrutiert, finanziert, ausgerüstet und für den Aufstand ge-
gen den Burundischen Präsidenten Nkurunziza ausgebildet wurden. Im Kongo stehen
2016 Neuwahlen an, anlässlich welchen Präsident Joseph
Kabila versuchen wird, eine
zusätzliche – von der Verfassung nicht vorgesehene – dritte Amtszeit antreten zu können.
Japan
«Hibakusha» erhalten
kein Sorry von Obama
US-Präsident Barack Obama besuchte Ende Mai 2016
als erstes Oberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika
die japanische Stadt Hiroshima. Zwar verurteilte er Krieg
und Gewalt und sprach von
den schlimmen Auswirkungen
des Abwurfes von Atombomben. Um Entschuldigung für
die USA bat er nicht.
Das hat auch fast niemand
erwartet. Eine Entschuldigung
sahen die offiziellen Protokolle gar nicht vor. Lediglich eine
Gruppe von Japanerinnen und
Japanern wünschten sich eine:
Die «Hibakusha», die Opfer der Atombombenabwür-
fe. Heute leben noch rund
180 000 – im Durchschnitt
über 80 Jahre alt – von ihnen.
Sie haben nämlich jahrzehntelang an amerikanische Präsidenten appelliert, die beiden
einzigen Städte zu besuchen,
die von Atombomben zerstört
wurden. Tausende Menschen
starben sofort, allein in Hiroshima insgesamt 140 000 im
Bild: Wikimedia
ersten halben Jahr danach, in
Nagasaki weitere 74000.
Seit Obamas geplanter Abstecher bekannt wurde, wurde
in Japan, den asiatischen Nachbarländern und in Amerika
heiss diskutiert, ob er sich für
das Leid, das sein Land mit den
Atombomben über Japan gebracht hat, entschuldigen sollte. Aus Washington wird dies
verneint. Ebensowenig war ein
Treffen mit Atombombenopfern vorgesehen.
Aus China und Korea, den
früheren Gegnern Japans im
Zweiten Weltkrieg, wurden
schnell kritische Stimmen laut,
dass Obamas Besuch Japan nur
helfe, sich als Opfer zu fühlen
und zu gerieren. Sie argumentieren, dass dies Japan erlauben
würde, sich der Verantwortung
für eigene Gräueltaten im Krieg
zu entziehen. In Südkorea hatten die Japaner zum Beispiel
im grossen Stil junge Frauen in
Soldatenbordelle gezwungen,
in China hatten sie in der Stadt
Nanking ein Massaker an Zivilisten angerichtet, bei dem
Zehntausende umkamen.
Milliarden US-Dollar Schulden auf sich geladen hat und
dabei grössere Summen über
mehrere ausländische Banken
verschoben worden sind. Dabei sollen Milliarden veruntreut worden sein.
Singapur hat ein angespanntes Verhältnis zu Malaysia. Malaysia selber kehrt jegliche Berichterstattung über 1MDB un-
ter den Teppich. Um das Nachbarland nicht herauszufordern,
hat die Regierung Singapurs
die lokale Presse angefragt,
nicht bzw. nur das notwendigste zum BSI-Skandal zu berichten. Zwar verlor die Bank ihre
Lizenz in Singapur, aber es ist
nicht damit zu rechnen, dass
die Behörden der Löwenstadt
sich den Fall weiter vornehmen.
Hibakusha machen in den USA auf ihre Anliegen aufmerksam.
Malaysia – Schweiz
Malaysia – Schweiz
Ein Bankenskandal beeinflusst die Sicherheitspolitik.
Mit der Eröffnung eines Strafverfahrens durch die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen
BSI und dem Lizenzentzug in
Singapur tritt der Skandal um
den malaysischen Staatsfonds
1 Malaysia Development Ber-
had (1MDB) in eine neue
Phase.
Allerdings ist das Dickicht
um 1MDB auch nach wochenlangen Untersuchungen
von Ermittlungsbehörden in
mittlerweile sechs Staaten weiterhin nur teilweise durchschaubarer geworden. Sicher
ist hingegen, dass 1MDB zwischen 2010 und 2015 rund 42
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
51
Internationale Nachrichten
Eurasische Union
Verstärkte Kooperation
mit Singapur
Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) und Singapur
haben sich über eine Wirtschaftskooperation verständigt.
Ein diesbezügliches Memorandum unterzeichneten der Leiter des Kollegiums der Eurasischen Wirtschaftskommission (EWK), Tigran Sarkisjan,
und der singapurische Premier
Lee Hsien Long.
Das Dokument sieht unter anderem die Zusammenarbeit in den Bereichen regionale Wirtschaftsintegration, Zolladministration, technische Regulierung, Sanitärmassnahmen, Finanzen, Verkehrswesen, Energetik, AgrarIndustrie-Komplex, Industrie
sowie Informationstechnologien vor.
Zuvor hatte die EWK derartige Dokumente bereits mit
Kambodscha, Peru, Chile und
USA
der Mongolei unterzeichnet.
Laut Sarkisjan schlägt das Memorandum ein neues Kapitel
in den Beziehungen zwischen
den beiden Seiten auf. Der
singapurische Premier sagte
dazu, dass das Dokument neue
Horizonte in der Zusammenarbeit eröffne sowie «unseren geschäftlichen und politischen Kreisen ermöglichen
wird, einander kennenzulernen».
Eine militärische Kooperation ist derzeit nicht angebahnt.
Aber das Memorandum sieht
eine Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie
vor. Auch Polizei- und Nachrichtendienste werden mehr
miteinander zu tun haben,
denn die Zoll- und Informationstechnologiekomponenten
im Memorandum touchieren
beide Dienste.
Der EAWU gehören Armenien, Weissrussland, Kasachstan, Kirgistan und Russland an.
Floppy-Disks im Einsatz
terium, das System bis Ende
2020 komplett auszutauschen.
Auch im Finanzministerium
würden noch vollkommen veraltete Systeme benutzt, heisst
es in dem Bericht weiter. Die
Rechnungsprüfer beklagen vor
Die Atomstreitkräfte der
USA benutzen teilweise noch
vollkommen veraltete Computerhardware und Software
sowie Floppy-Disks. Dies moniert der US-Rechnungshof in einem
Bericht. So laufe im
Verteidigungsministerium ein Kommando- und Kontrollsystem auf einem IBMComputer der Serie 1,
die aus den 1970erJahren stammt. Im
Pentagon hiess es, das
System bleibe in Gebrauch, weil es noch
immer funktioniere.
Die Floppy-Lauf- So sehen IBM-Floppy-Disks aus. Bild: IBM
werke würden allerdings bis Ende 2017 ausge- allem, dass die Kosten für den
tauscht. Die Modernisierung Erhalt der überalterten Techlaufe wie geplant weiter. Laut nik hoch seien und dass stattdem Rechnungshof-Bericht dessen besser in moderne Sysplant das Verteidigungsminis- teme investiert werden solle.
Venezuela
Das Regime
und die Armee
Der venezolanische Staatspräsident Nicolas Maduro reagiert auf die katastrophale
Wirtschaftslage und Oppositionsproteste: die Regierung
Venezuelas hat per Dekret
ihre Befugnisse deutlich erweitert. Die neuen Vollmachten erstrecken sich auf den Sicherheitsbereich, die Rationierung von Lebensmitteln sowie
die Energieversorgung. Diese
Sondervollmachten sehen auch
die Mobilisierung der Armee
zur Sicherstellung der Stabilität und Ordnung im Landesinneren vor.
Örtliche Bürgerwehren haben nunmehr das Recht, die
Armee und die Polizei «bei der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung» zu unterstützen. Die Armee erhält das
Recht, sowohl Polizei als auch
52
Proteste gegen die Regierung in Venezuela.
örtliche Bürgerwehr einzusetzen. Unternehmer, Firmen und
Nichtregierungsorganisationen
mit Verbindungen ins Ausland
werden verstärkt kontrolliert;
ihre Vermögen könnten eingefroren werden. Der Zugang zu
Gütern der Grundversorgung
kann unter staatliche Kontrolle gestellt werden, Enteignungen werden ermöglicht.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Bild: Wikimedia
Die Ermächtigung an die
Streitkräfte könnte auch bedeuten, dass Unternehmen am
Ende zur Produktion gezwungen werden. Genauer: Der
Präsident könnte von nun an
die Armee einsetzen, um Unternehmen zu Produktion zu
zwingen.
Venezuela durchlebt eine
der schlimmsten Wirtschafts-
krisen der vergangenen Jahrzehnte. Das Land ächzt unter
einer dreistelligen Inflationsrate, die Konjunktur befindet
sich auf Talfahrt, Verbrauchsgüter und Strom sind knapp.
Besonders macht Venezuela, das über die grössten bekannten Ölreserven der Welt
verfügt, der massive Verfall
des Ölpreises sowie eine lang
anhaltende Dürreperiode zu
schaffen.
Das politische Leben ist
durch einen erbitterten Machtkampf zwischen Regierung
und Opposition beherrscht.
Die rechtsgerichtete Opposition versucht seit Monaten,
Maduro über einen Volksentscheid aus dem Amt zu jagen.
Sie befürchtet der Präsident,
wolle sie mit seinen neuen Vollmachten mundtot machen.
Pascal Kohler,
Henrique Schneider
Vermischtes
Rolle und Bestand des Grenzwachtkorps
Ende Mai hat der Bundesrat den Bericht «Rolle und zukünftiger Bestand des Grenzwachtkorps» in Erfüllung eines
Postulates der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats verabschiedet. Der
Bericht dient als Grundlage für
die weiteren Arbeiten und soll
unter Berücksichtigung der
neuen Herausforderungen an
der Grenze und der sich ändernden Rahmenbedingungen
den Auftrag des Grenzwachtkorps (GWK) und den zu dessen Erfüllung notwendigen Bestand prüfen. Die Berichter-
stattung erfolgt unter Berücksichtigung der temporären
Wiedereinführung von Grenzkontrollen einzelner EU-Staaten; sich verändernder Flüchtlingsrouten; der Entwicklung
der Bundesfinanzen (Stabilisierungsprogramm 2017–2019);
der Anforderungen an den Zoll
(zusammenwachsende Wirtschaftsräume in den Grenzregionen); von Rekrutierungsschwierigkeiten (Vergleiche der
Lohn- und Arbeitsbedingungen für das GWK mit ähnlichen Berufen/Aufgaben) und
der Möglichkeit des Einbezugs
Brigadier Wanner neuer Verteidigungsattaché in Washington
Bild: VBS
Der Bundesrat hat Brigadier
Peter Wanner per 1. Oktober
2016 zum Verteidigungsattaché in Washington ernannt.
Gleichzeitig wird ihm für die
Dauer seines Einsatzes der
Grad eines Divisionärs verliehen. Der 54-jährige Wanner ist nach der Ausbildung
zum Primarlehrer am Staatlichen Seminar Hofwil und
nach drei Jahren Berufserfahrung 1985 in das Instruktionskorps der Versorgungstruppen eingetreten. Von 1986
bis 1995 wurde er als Einheitsinstruktor und Klassenlehrer
in den Rekruten-, Unteroffiziers- und Offiziersschulen
der Versorgungstruppen eingesetzt. 1996/97 war Brigadier
Wanner zugeteilter Stabsoffizier des Inspektors der Logistiktruppen und anschliessend
bis 1999 Mitglied des Kernteams Armee XXI. Nach dem
Senior Course im NATO Defense College in Rom wurde er
im Jahre 2000 zum Chef des
Kernteams Armee XXI ernannt. Auf den 1. Januar 2003
wurde Wanner Stabschef des
Generalstabschefs und ab 1. Januar 2004 Stabschef des Chefs
der Armee. Per 1. Januar 2008
wurde er vom Bundesrat in
der Funktion Stabschef Chef
der Armee zum Brigadier befördert. Berufsbegleitend hat
Wanner 2009 den «Executive
MBA mit Vertiefung in Public
Management» an der Berner
Fachhochschule für Wirtschaft
und Verwaltung mit Erfolg abgeschlossen. Auf den 1. Januar 2011 wurde Brigadier Wanner vom Bundesrat zum Verteidigungsattaché in Italien
und Israel mit Sitz in Rom ernannt. Per 1. August 2013 erfolgte die Ernennung durch
den Bundesrat zum Chef Internationale Beziehungen Verteidigung.
dk
der Armee zur Unterstützung
des GWK (Assistenzdienste).
Mit der Fragestellung wird die
Arbeit des GWK in den Gesamtkontext der Leistungen
der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) eingebettet und
in Beziehung zur gesamten Sicherheitslandschaft Schweiz gesetzt werden. Im Fazit kommt
der Bericht zum Schluss, dass
Bevölkerung und Politik vom
GWK eine effektive Filterwirkung an der Grenze erwarten
und ihm diese auch zutrauen.
Das GWK hat in den letzten
Jahren unter Beweis gestellt,
dass es mit mehr personellen
Mitteln auch mehr Leistung
erbringt. Es hat sich den technischen Entwicklungen gestellt
und zusammen mit den zentralen Supportstellen der EZV
grosse Investitionen in seine
Ausrüstung und die technischen Hilfsmittel getätigt. In
einigen spezialisierten Bereichen hat es Kompetenzzentren
geschaffen und dabei die Stäbe
schlank gehalten.
dk
www.parlament.ch
(Postulat 16.3005)
Echo aus der Leserschaft
Offiziersgesellschaften –
quo vadis?
Wer sich für die Offizierslaufbahn entscheidet, der leistet
mehr – wer sich aktiv in einer
Offiziersgesellschaft (OG) engagiert, der leistet noch mehr!
Die primäre Aufgabe einer OG
sollte, nebst Pflege von Kameradschaft und Networking,
der praxisbezogene Austausch
von militärischem Wissen und
Können sein. OG’s sind das einzige Gefäss, in dem aktive und
nicht mehr dienstpflichtige
Offiziere zu aktuellen Themen
aus- und weitergebildet werden können. Junge Milizkader
können von den Erfahrungen
ihrer älteren Kameraden profitieren und diese gewinnen
den Bezug zur militärischen
Realität, weil sie die aktuellen Themen und Veränderungen, z.B. in der Ausbildung,
kennen.
Hier können unsere OG’s tatsächlich (wieder!) aktiver werden. Dies sage ich nicht als
ehemaliger Forumsleiter der
AOG Zürich, sondern auch als
Berufsoffizier. Unseren Kadern
sollen in den OG’s praxisbezogene, aktuelle Ausbildungsinhalte vorgeführt werden. Jeder Anlass könnte mit Ent-
schlussfassungsübungen ergänzt werden, um das vielerorts verlorene taktische Denken zu fördern und fordern.
Neben den vorhin genannten Inhalten wie Doktrin und
Taktik wären auch praktische
Führungsbeispiele, basierend
auf dem Dienstreglement sinnvoll, auch mit Fokus auf Militärethik.
Ja, es ist nötig, dass sich die
Offiziersgesellschaften nicht
nur als «Networkingverein»
sehen, sondern sich in Ausbildung und Führung einbringen. Dabei sind möglichst viele ältere Kameraden zu integrieren, so verlieren sie den
Bezug zu unserer aktuellen
Armee nicht.
Unsere Armee – unsere Sicherheit. Wir, aktive und nicht
mehr dienstpflichtige Offiziere haben die Pflicht, diese mitzugestalten und zu führen. Dabei danke ich allen, die sich
in ihrer Freizeit aktiv für die
Offiziersgesellschaften einsetzen.
Oberst i Gst Karl Heinz Graf
Ausbildungszentrum Heer
Kdt Lehrgänge und Kurse
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
53
Vermischtes
Keine Zusammenlegung der zivilen und der militärischen Dienststellen
für Immobilien
Der Bundesrat hält an der
heutigen Spartenlösung für die
Immobilen der zivilen und der
militärischen Bundesverwaltung fest. Eine Zusammenlegung zu einer einzigen Dienststelle wäre aus Gründen der
Kundenorientierung sowie
der Führbarkeit und Effizienz
nicht sinnvoll, wie ein Prüfbericht in Erfüllung eines Postulats aus dem Parlament zeigt.
Bestehende Synergiemöglichkeiten werden bereits heute genutzt.
Im Auftrag des Parlaments
hat der Bundesrat in einem
ausführlichen Bericht die Organisation des Bau- und Liegenschaftswesens des Bundes
überprüft. Diese besteht seit
der Regierungs- und Verwaltungsreform von 1997 aus drei
separaten Dienststellen für
die Immobilien der ETH sowie der zivilen- und der militärischen Verwaltung. Diese Organisationsform wurde gewählt, um eine optimal auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtete, effiziente und sparsame Verwaltung
der Immobilien sicherzustellen.
Aufgrund eines Postulats
aus dem Parlament wurde nun
eine Zusammenführung dieser Dienststellen geprüft. Der
Bundesrat hält in seinem Analysebericht fest, dass die Gründe für die 1997getroffene Spartenlösung auch heute noch
Gültigkeit haben. Laut Bericht
bestehen nach wie vor grosse Unterschiede hinsichtlich
Kerngeschäft, Herausforderungen, Strategien, Objekttypen, Portfoliosegmentierung
und geographischer Verteilung
der Objekte. Infolgedessen zeigen sich auch Unterschiede bei
der Ausgestaltung der Organisationen, Prozesse und Dienstleistungen.
Bestehende Synergiepotenziale werden bereits heute genutzt. Die Einheitlichkeit und
Kostentransparenz würden
durch eine Zusammenlegung
der Dienststellen nicht gesteigert werden. Aufgrund dieser
Analyse beschloss der Bundesrat an seiner heutigen Sitzung, die Immobilienstellen
für die zivile- und die militärische Bundesverwaltung wie
bisher getrennt weiterzuführen.
dk
Unterstützung der Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthard-Basistunnels
Mit Sicherheits- und Unterstützungsleistungen hat die
Armee die Eröffnungsfeier des
Gotthard-Basistunnels vom
1. Juni unterstützt. Der subsidiäre Sicherungseinsatz dauerte vom 30. Mai bis 5. Juni
2016 und umfasste auch Einschränkungen im Luftraum.
Bis zu 2000 Armeeangehörige leisteten einen Assistenzdienst-Einsatz. Die Armee unterstützte gemäss Bundesrats-
beschluss die Sicherheitsmassnahmen der Kantone Uri und
Tessin für die Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthard
Basistunnels. Zu den Sicherheitsleistungen der Armee gehörten Objekt- und Personenschutz, die Sicherung des
Luftraumes, Luftaufklärung
und -transporte sowie Sanität und Verkehrsleitung. In
insgesamt sieben Tagen waren maximal 2000 Armeean-
gehörige im Assistenzdienst.
Die Einsatzverantwortung lag
bei den Kantonspolizeien von
Uri und Tessin, die einen gemeinsamen Einsatzstab bildeten.
Über diesen subsidiären
Sicherungseinsatz hinaus unterstützte die Armee die Eröffnung des Gotthard Basistunnels ab 3. Mai mit weiteren
Leistungen wie Materialtransporten, dem Auf- und Abbau
der Festinfrastruktur, Bahnperrons und Bodenabdeckungen.
Diese Leistungen im Umfang
von rund 2100 Manntagen erfolgten aufgrund der «Verordnung über die Unterstützung
ziviler oder ausserdienstlicher
Tätigkeiten mit militärischen
Mitteln» (VUM), welche die
Möglichkeit von militärischer
Unterstützung für Anlässe von
nationaler oder internationaler Bedeutung vorsieht.
dk
Geschichte und Bedeutung des Unteroffiziers
Am 27. Mai wurde in der Bibliothek am Guisanplatz «Das
Rückgrat der Armee. Die Unteroffiziere der Schweizer Armee und ihr Wirken von 1798
bis heute. Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz No
61. Bern 2016.» vorgestellt.
Auf Initiative von Chefadjutant Pius Müller wurde in
kurzer Zeit ein Werk zusammengestellt, das erstmals Geschichte und Bedeutung des
Unteroffiziers darstellt. Die 16
Beiträge zeigen auch die Vielfalt der Schweiz: so sind alle
Landesprachen, Männer wie
Frauen, Werktätige wie Pen-
54
sionierte, alte und junge Menschen, Miliz- wie Berufsunteroffiziere vertreten.
Das Werk wird eröffnet mit
einer Gesamtschau zur Entwicklung des Unteroffiziers von
der Antike bis zur Gegenwart.
Zwei Beiträge befassen sich mit
der Entwicklung in der Schweiz
von 1798 bis heute, einerseits
mit Aufgabe, Stellung und Auswahl der Unteroffiziere und
anderseits mit den Uniformen
und Gradstrukturen. Den Küchenchefs und Fourieren ist
ebenso ein besonderer Artikel
gewidmet wie auch dem Feldweibel.Weitere besondere Ein-
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Waffenrock eines Wachtmeisters
der Scheinwerfer Pioniere
Ordonnanz 1914/17.
Quelle: Buch S. 208
satzgebiete der Unteroffiziere
sind Friedensförderung oder
Gebirgsdienst, die beide auch
beschrieben werden.
Dem Berufsunteroffizierskorps, eine wesentliche Stütze
in der Ausbildung, wird ein
Artikel gewidmet, der dessen
Rolle im Rahmen der Entwicklung der Armee darstellt.
In verschiedenen Bereichen
sind Miliz- wie Berufsunteroffiziere gemeinsam tätig, beispielsweise bei den Wettkämpfen der Schweizerischen Unteroffizierstage oder in der Internationalen Vereinigung der
Unteroffiziere.
Vermischtes
Der Chef der Armee, Korpskommandant André Blattmann, beehrte einerseits die
Autorinnen und Autoren an
der Vernissage und anderseits
verfasste er das Schlusskapitel
des Buches. Darin stehen auch
die Worte «Rückgrat der Armee», was damit begründet
wird, dass der Unteroffiziere
Schlüsselpositionen besetzt.
Vor allem, weil er der Truppe,
dem Soldaten, am nächsten
steht oder als Feldweibel und
Fourier Verantwortung für die
ganze Kompanie zu übernehmen hat.
Mit diesem Werk wurde
das vielfältige Wirken der Unteroffiziere zu verschiedenen
Zeiten in den verschiedens-
ten Funktionen auf sehr eindrückliche Art und Weise dargestellt. Daher deckt es auch
ganz verschiedene Interessen
ab und bietet eine interessante
und abwechslungsreiche Lektüre.
Tr
Schweizer Luftwaffe in Spanien
Die Schweizer Luftwaffe hat
mit rund 50 Mitarbeitenden
– davon 14 Piloten – an der
internationalen Luftverteidigungs-Übung TigerMeet 2016
in Zaragoza (Spanien) teilgenommen. Neben der Schweizer
Delegation mit vier F/A-18C
Hornet plus einem Reserve-Jet
nahmen 20 Staffeln aus 14 Europäischen Ländern teil. Die
Teilnahme an solchen Übungen dient als Ergänzung des
Luftverteidigungstrainings, das
in der Schweiz aus Rücksicht
auf die Bevölkerung nur eingeschränkt geflogen werden
kann. Die Übung in Spanien
bot die Gelegenheit, Trainings
im Bereich Luftverteidigung
gegen ausländische Teilnehmer zu fliegen, Einsätze im
Verbund zu üben, sowie die
Verfahren der Schweizer Luftwaffe in einem internationalen Umfeld zu überprüfen. Das TigerMeet 2016 ist
die grösste Luftwaffenübung
2016 in Europa und das bisher grösste TigerMeet überhaupt. Die rechtliche Grundlage für das TigerMeet 2016
bildet ein technisches Abkommen (technical arrangement)
zwischen der Schweiz und Spanien.
dk
RUAG zur Zertifizierung in Russland
zugelassen
RUAG Aviation hat die
vollständige Zertifizierungszulassung für in Russland registrierte Zivilflugzeuge erhalten.
Die erteilten Zulassungen sind
auf unbestimmte Zeit für die
Service-Zentren der RUAG in
München (D) und Genf (CH)
gültig. Sie umfasst Business Jets
der Flugzeugfamilien Bombardier Challenger/Global, Embraer Legacy/Lineage und Dassault Falcon sowie der Hersteller Beech und Pilatus. «Unsere
Fokussierung im osteuropäischen Business-Aviation-Sektor ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Wachstumsstrategie. Studien deuten darauf hin,
dass in der Region rasch und in
zunehmendem Masse in die
Zivilluftfahrt investiert wird»,
erklärt Volker Wallrodt, Senior
Vice President Business Jets,
Dornier 228 & Components,
RUAG Aviation. «Dies erfahren wir auch in unseren europäischen Service-Zentren, wo
wir diese wichtige und wachsende Kundenbasis betreuen.
Die RUAG verfügt nun über
die uneingeschränkte Zulassung, Kunden mit in Russland
registrierten Zivilflugzeugen
umfassende Lösungen und
Zertifizierungen anzubieten.
Dies erstreckt sich auf sämtliche Dienstleistungen, von kleineren Checks und AOG-Services bis hin zu Heavy-Maintenance-Checks, Modernisierungen und System-Upgrades.
Dies stellt für die RUAG Aviation ein wichtiger Meilenstein
dar und bestätigt die Qualität
der Dienstleistungen, die wir
im Namen unserer Kunden erbringen.»
dk
www.ruag.ch
Die ASMZ ist eine sehr interessante Zeitschrift,
findet auch mein Enkel. Oberst i Gst HP. Ruch
Kredit für den Werterhalt von Polycom
Das Sicherheitsfunksystem
Polycom soll bis 2030 weiter
betrieben werden. Der Bundesrat beantragt dem Parlament für werterhaltende Massnahmen einen Verpflichtungskredit von 159,6 Millionen
Franken. Gleichzeitig beschloss
er, die Vernehmlassung über
eine Änderung der Alarmierungsverordnung zu eröffnen.
Mit der Änderung soll die Teilerneuerung und die Aufteilung
der Kosten von Polycom eine
solidere rechtliche Abstützung
erhalten. Das Sicherheitsfunknetz Polycom wird täglich intensiv genutzt und ermöglicht
den Funkkontakt zwischen
den Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit der Schweiz sowie dem
Nationalstrassenunterhalt und
den Betreibern von kritischer
Infrastruktur. Zwischen 2001
bis 2015 haben sich dem System alle Kantone angeschlossen. Damit Polycom bis ins Jahr
2030 genutzt werden kann,
muss das System technologisch
überholt werden. Nur so werden die Nutzer ihre Basisstationen (Antennen), die ihre Le-
bensdauer erreicht haben, ersetzen können. Eine Ablösung
von Polycom durch ein anderes System macht weder wirtschaftlich, technisch noch betrieblich Sinn. Der Auftrag für
die Werterhaltung von Polycom erging an die bisherigen
Hersteller und Lieferanten, da
diese die erforderlichen Lizenzen als geistiges Eigentum besitzen. Die Gesamtausgaben
für den Werterhalt von Polycom werden sich bis 2030 auf
500 Millionen Franken belaufen. Davon beantragt der Bundesrat dem Parlament einen
Verpflichtungskredit von 159,6
Millionen Franken. Für die
ab 2018 anstehende Teilerneuerung des Sicherheitsfunksystems Polycom und die Aufteilung der Kosten soll über
eine Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzschutzgesetzes eine solidere rechtliche Abstützung geschaffen
werden. Da dies ein paar Jahre
in Anspruch nimmt, hat der
Bundesrat die Vernehmlassung über die Änderung der
Alarmierungsverordnung eröffnet.
dk
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
55
Bücher
Thomas Biller
Claudia E. Graf-Grossmann
Templerburgen
Marcel Grossmann
Darmstadt: Zabern, 2014, ISBN 978-2-8053-4806-5
Zürich: Römerhof Verlag, 2015, ISBN 978-3-905894-32-5
Über den Mythos der Tempelritter und der Templerburgen wurde viel geschrieben und
vieles wurde falsch interpretiert.
Gleich zu Beginn des Buches
bricht der Autor mit der Tradition und hält sich an die sprichwörtlich harten Fakten – in
Form von Burgen. Wir erfahren, dass es entgegen allen Behauptungen in Mitteleuropa
praktisch keine Templerburgen
gab. Wir erfahren, dass die Burgen der Templer dort lagen, wo
sie gebraucht wurden, nämlich
in den Kreuzfahrerstaaten in
der Levante und in anderen
Kreuzzugsgebieten, vor allem
in Spanien und Portugal. Ausserdem wird detailliert darauf
eingegangen, wie der Templerorden in Mitteleuropa organisiert war und wie die zivile Verwaltung mit der militärischen
kooperierte.
Der Grossteil des Buches befasst sich aber eben mit den Burgen des Templerordens. Hier
merkt man schnell, dass der
Autor ein versierter Experte in
Archäologie und Architektur
ist. Grundrisspläne und Detailfotos ergänzen den historischen und militärischen Kontext und den architektonischen
Aufbau mancher Templerburg.
Caesar hat Gallien erobert,
Katharina die Grosse hat die
Krim unterworfen, Dunant
hat das Rote Kreuz gegründet,
Einstein ist der Vater der Relativitätstheorie: Vereinfacht und
zugespitzt mag das alles so stehen bleiben. Aber eben: Vereinfacht und zugespitzt. Denn
Caesar hat ja seinen Titus Labienus gehabt, Katharina ihren
Gregor Alexandrowitsch Potemkin, Dunant wäre wohl
ohne General Dufours Organisationstalent und Vernetzung
heute ein Name, den niemand
mehr kennt, und Einstein hatte seinen Freund Marcel Grossmann. Dessen Enkelin weiss
um die Kraft der idées reçues,
sie hat der Biographie ihres
Grossvaters weise das Faksimile von «Entwurf einer verallgemeinerten Relativitätstheorie
und einer Theorie der Gravitation» beigegeben. Das Werk
stammt aus dem Jahr 1913 und
hat zwei Autoren: «I. Physikalischer Teil von Albert Einstein
in Zürich II. Mathematischer
Teil von Marcel Grossmann in
Zürich». Der in Budapest geborene, hochbegabte Grossmann wurde von der liberalen
Schweizer und Zürcher Gesellschaft jener Tage offen auf-
Dass dabei, oftmals auch wegen fehlenden Quellen, nicht
auf alle Burgen detailliert eingegangen werden kann, versteht sich von selbst.
Durch das grosse Format
des Buches gerät man in Versuchung, das Buch als Bildband
abzustempeln. Dies ist es aber
bei Weitem nicht. Dank dem
Format sind die Fotos der Burgen dermassen gut präsentiert,
dass der vielseitige und informative Text umso mehr Anreiz
zur Lektüre bietet.
Im aktuellen politischen
Kontext ausserdem interessant:
Viele Templerburgen liegen im
heutigen Syrien. Die genaue architekturgeschichtliche Analyse dieser Bauten ist womöglich
für lange Zeit die einzige wissenschaftliche Publikation zu
diesem Thema. Je nach dem sogar für immer.
In diesem Sinne ist das Buch
für geschichtlich interessierte Templerfans, für Fachleute
und für Architekten gleichermassen empfehlenswert. Der
Text ist grösstenteils massentauglich und süffig geschrieben, so dass niemals die Lust
am Lesen vergeht.
Daniel Ott
genommen (er war Professor
an der ETH, Präsident der
Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft, Mitglied
der Gesellschaft zur Constaffel)
und heute noch veranstalten
Physiker und Astronomen alle
drei Jahre ein Marcel Grossmann Meeting zu neuen Forschungen auf den Gebieten Allgemeinen Relativitätstheorie,
der Gravitation und der relativistischen Feldtheorien. Höchste Zeit für eine neue Biographie dieses bedeutenden Mannes, dessen Familiengeschichte
Frankreich, die Schweiz und
Ungarn berührt und der ein
Beispiel ist für jene weniger bekannten grossen Geister, denen
wir einen guten Teil unserer
modernen Wissenschaft verdanken, die wir trotz aller Skepsis nicht missen möchten. Man
schenke das Buch Lehrern und
Lehrerinnen, vielleicht wird
dann wenigstens eine der Aussagen in der einen oder anderen Klasse etwas relativiert: Caesar hat Gallien erobert, Katharina die Grosse hat die Krim unterworfen, Dunant hat das Rote
Kreuz gegründet, Einstein ist
der Vater der Relativitätstheorie…
Jürg Stüssi-Lauterburg
Jürgen Kilian
Wehrmacht und Besatzungsherrschaft im Russischen Nordwesten 1941–1944
Praxis und Alltag im Militärverwaltungsgebiet der Heeresgruppe Nord
Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2012, ISBN 978-3-506-77613-6
Das eroberte Land ernährt
die erobernden Armeen. Diese Maxime der deutschen Besatzungsmacht während des
Zweiten Weltkrieges wurde
nicht nur für den mittlerweile
beinahe erschöpfend erforschten sowjetischen Raum unter
dem Regime der Heeresgruppe Mitte angewendet, sondern
auch für denjenigen in der Verantwortung der Heeresgruppe
56
Nord. Dabei arbeiteten Wehrmachtsverbände, Schutzstaffel
(SS) und Zivilverwaltung mit-,
aber auch gegeneinander. Jeder
Okkupationsapparat war ausgestattet mit unterschiedlichen
Befugnissen und Aufträgen,
nicht immer klar abgegrenzten
Kompetenzen und legte teilweise gegenläufige Absichten
an den Tag. Zwei Schwerpunkte
galten als absolut prioritär: die
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016
Sicherung des rückwärtigen
Heeres- bzw. Armeegebietes sowie die wirtschaftliche Ausplünderung von Land und dessen
Bevölkerung. Für die Einwohner resultierte daraus ein Leben
unter ständigen Repressalien,
geprägt von Unterernährung
und bedroht durch Willkür
der Besatzer und Partisanen.
Kilians Untersuchungsraum umfasst die rückwärti-
gen Gebiete der Heeresgruppe Nord, südlich und südöstlich des eingeschlossenen Leningrads. Ergiebig sind die
Quellenauswertungen zu den
verschiedenen Instanzen, Kommandoebenen, Befehlssträngen und Dienststellen, die in
das Geschehen involviert waren.
Philippe Müller
Bücher
Rudolf Jaun, Michael M. Olsanksy, Sandrine Picaud-Monnerat, Adrian Wettstein (Hg.)
An der Front und hinter der Front
Der Erste Weltkrieg und seine Gefechtsfelder
Nr. 07 – Juli 2016
Das Interesse am Ersten
Weltkrieg erreichte in den letzten beiden Jahren einen nie dagewesenen Höhepunkt, die Literatur zum Krieg ist unüberschaubar geworden. Eine Herangehensweise, welche neue
Erkenntnisse generieren kann,
muss sich somit klar über die
reinen politisch-strategischen
und militärisch-operativen
Aspekte hinaus bewegen. Die
Herausgeber des vorliegenden
Werkes umreissen deswegen
nicht nur einen Rahmen des
Ersten Weltkrieges aus globaler Perspektive (inkl. Schweiz),
sondern gehen darüber hinaus
der Perzeption der «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts» nach.
Das Werk beschäftigt sich also
auch gleich mit dem kollektiven Gedächtnis einer Auswahl
der beteiligten Staaten. Die abgedeckten Themenfelder sind
beeindruckend. Ein gewichtiger Teil der Beiträge beschäftigt sich mit Doktrinen, dem
Material und Rekrutierungsformen; im Endeffekt mit den
Auswirkungen der modernen
Mittel auf die Kampfführung.
Die Kampf- und Kriegserfahrungen und deren Deutungen
in den beteiligten Staaten, inklusive der Schweiz, in der
Nachkriegszeit sowie die Debatte um den «Totalen Krieg»
zeichnen nachfolgend mehrere Autorinnen und Autoren
182. Jahrgang
Impressum
Baden: Hier und Jetzt, 2015, ISBN 978-3-03919-345-5
nach. Die Beschäftigung mit
der Erinnerungskultur zum
Ersten Weltkrieg rundet das
Gesamtbild des Bandes ab.
Spürbar ist die Absicht, das
Thema Erster Weltkrieg aus
militärhistorischer Sicht zu betrachten, den Bogen darüber
hinaus aber auch auf die Industrie-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte zu lenken. Bei
diesem hohen Anspruch und
breiten Themenfeld müssen
Lücken bleiben. Es kann gar
nicht der Intention der Herausgeber entsprochen haben,
ein umfassendes Werk zum
Ersten Weltkrieg abzuliefern.
Philippe Müller
Präsident Kommission ASMZ
Christoph Grossmann, Oberst i Gst a D,
Dr. oec. HSG
Chefredaktor
Divisionär Andreas Bölsterli (BOA)
Redaktionssekretariat
ASMZ c/o Verlag Equi-Media AG
Postfach 732, CH-8604 Volketswil
Telefon +41 44 908 45 60
Fax +41 44 908 45 40
E-Mail: [email protected]
Stellvertreter des Chefredaktors
Oberst i Gst Michael Arnold,
lic. phil. II (AM)
Redaktion
Oberst i Gst Andreas Cantoni (ac)
Andrea Grichting Zelenka, lic. phil. (ga)
Oberst Dieter Kläy, Dr. phil. I (dk)
Oberstlt Pascal Kohler (pk)
Hptm Christoph Meier (cm)
Major Peter Müller, Dr. rer. pol. (pm)
Hptm Daniel Ritschard, lic.oec.HSG (DR)
Henrique Schneider, Prof. Dr. (Sc)
Major Markus Schuler (M.S.)
Oberstlt Jürg Studer (St)
Oberstlt Eugen Thomann, lic. iur. (ET)
Major Walter Troxler, Dr. phil. (Tr)
Herausgeber
Schweizerische Offiziersgesellschaft
Hans Utz
Eine Fussnote der Geschichte
Verlag
Verlag Equi-Media AG, Postfach 732,
Brunnenstrasse 7, CH-8604 Volketswil
Französisches und baslerisches Birseck, 1792–1833
Verleger: Christian Jaques
Liestal: Verlag des Kantons Basel-Landschaft, 2015, ISBN 978-3-85673-287-5
Geschäftsführung
Regula Ferrari, Telefon +41 44 908 45 60
E-Mail: [email protected]
Hans Utz’ aus den Quellen
schöpfende Monographie des
Birsecks (Gemeinden Arlesheim, Reinach, Aesch, Pfeffingen, Oberwil, Therwil, Ettingen, Allschwil, Schönenbuch)
zeigt eine im schweizerischen
Kontext selbst für die Revolutionsjahre ungewöhnlich bewegte Geschichte. Das Birseck
war Teil des Fürstbistums Basel, des französischen Satellitenstaats Raurachische Republik, des Departements MontTerrible, des Departements
Haut-Rhin, dann eidgenössisch, zuerst als Teil des Kantons Basel und schliesslich des
Kantons Basel-Landschaft. Mit
Sympathie für Frankreich geschrieben – «die gute Erinnerung an die französische Zeit»
hat praktisch das letzte Wort
(183) – gestattet das gediegene
Werk auch einem skeptischeren Leser, einen guten Über-
blick zu gewinnen. Besonders
bemerkenswert ist, wie Hans
Utz Vertreter der schlecht dokumentierten flottanten Bevölkerung zu Wort kommen
lässt. Das Schicksal der als Analphabetin mit einem Kreuz
unterschreibenden Elisabeth
Ries und ihrer brutalen Behandlung (Gefängnis, weil sie
die Avancen eines Therwiler
Zollbeamten zurückwies) berühren. Nicht, dass die Oberschicht gegen die Gefahren
des Daseins in einer unruhigen Zeit gefeit gewesen wäre.
Im Trennungskrieg gegen die
Stadt forderte, nach einem
Ohrenzeugen, Oberst Jakob
von Blarer («Vater Schaggi»),
mit Erfolg, die Birsecker Milizen auf: «Macht alles nieder,
was ihr erwischt! Wer mir einen Gefangenen bringen sollte, und wenn es mein eigener
Bruder wäre, den würde ich
mit dem Säbel niederhauen!
Denn jetzt ist es einmal genug!» (176) Zu den Toten des
August 1833 gehörte auch
der Reinacher Gemeindepräsident Franz Joseph Feigenwinter, er hatte die falschen
Ansichten beziehungsweise er
hatte sie zur unrechten Zeit.
So werden vier Jahrzehnte bewegten Lebens sichtbar, bis hin
zur Frage von Ehescheidungen und Hypotheken, Festessen und einem aus Russland
nach Hause gebrachten Säbel.
Wer über die grosse politische
und militärische Geschichte
hinaus sich jener Zeit so annähern will, wie sie Menschen
tatsächlich erlebt haben, wird
den Band mit grossem Gewinn
zur Hand nehmen, weit über
das evidente regionale Interesse hinaus.
Jürg Stüssi-Lauterburg
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Auflage: Druckauflage 19500
Druck: galledia ag, 9230 Flawil
© Copyright
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der Redaktion und Quellenangabe
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Nächste Ausgabe: 2. August 2016
Schwergewicht:
• Interview mit Projektleiter WEA
• Das System Artillerie heute
• Neues nukleares Wettrüsten
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