Vom Leben im Torf

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Vom Leben im Torf
Netzwerk. Ein besonders dichter
Raster aus Trockensteinmauern
überzieht die Aran-Insel Inishmore.
Wildwechsel. Für seine Ponys und
Pferde ist Connemara weithin
bekannt geworden.
E
Vom Leben im Torf
Der Westen von Irland ist leer an Menschen und voll von Grün- und Brauntönen.
Mauern, Meer und Moore begleiten den Gemütsreisenden durch Connemara.
Text: Madeleine Napetschnig
32 Schaufenster
Fotos: Getty, Tourism Ireland /Anita Draycott
in Atlantikinsulaner lebt bescheiden: „Wir haben eine
Bank, einen Supermarkt, ein paar Pubs und einen
Pfarrer, der eingeflogen wird", erzählt der Busfahrer
seinen Hinterbänklern und meint, das müsste reichen. Seine Stimme knattert im Gleichklang mit dem
Fahrzeug, mit Nachdruck wiederholt er die letzten
Wörter im Satz: „Flying Prrriest“, „Arrran Islandsss“.
Nieselregen beschäftigt die knirschenden Scheibenwischer, der
Blick aus dem Fenster könnte keltischer Roman-Fantasy entspringen: mystisch, doch irgendwie betörend. Aus dem Nebel tauchen
alte Trockensteinmauern auf, geduckte Häuschen, ein Friedhof. Der
Wind pfeift, und die Besucher vom Festland ziehen die Kapuzen tiefer. Aber sie genießen dieses herbe Idyll. Später wird ihnen Kaminfeuer, Chowder (Fischsuppe) und Irish Coffee einheizen.
Seetang und Strickware. Man möchte es nicht glauben, dass dennoch über tausend Leute auf Inishmore, der größten der Aran
Islands, leben. Es waren früher um etliche mehr, als man sich mit
der Verarbeitung von Kelp (Seetang) über Wasser halten konnte.
Nach wie vor gehen die verbliebenen Einheimischen fischen und
stricken dicke original Aran-Pullover, aber sie verkaufen auch die
billigeren Maschinenfabrikate vom Festland, vermieten Fahrräder an Tagestouristen und bewirten sie
freundlich. Sonst pendeln die meist Gälisch sprechenden Insulaner aus in die Hauptstadt ihrer Grafschaft, Galway, was eine halbe Weltreise bedeutet
und nicht immer möglich ist, weil zwei bis drei
Wochen im Jahr die raue See den Verkehr zwischen
Inseln und Festland lahmlegt. Aber Galway mit seinen unzähligen urigen, überfüllten, lauten Pubs ist
nicht der schlechteste Ort, um hängen zu bleiben.
Wegen Strandleben und Schönwetter ist der IrlandUrlauber ohnedies nicht in den Flieger gestiegen und so weit wie
möglich nach Westen gefahren: „America would be the next step“,
schnarrt der Chauffeur. „America, next steppp.“ Die Idee von Übersee war in Irland stets naheliegender als der Rest von Europa.
Inishmore querfeldein zu durchstreifen wäre eine verlockende,
aber unmachbare Idee, weil der Wanderer alle paar Schritte vor
einer Steinmauer steht und kaum Wege durch dieses überdimensionale Schachbrett angelegt sind. Die Insel wurde komplett von Mauern benetzt, mehr als andere Gebiete von Connemara. Bauern
errichteten und erneuerten die Mauern im Laufe hunderter Jahre,
damit die Erde nicht weggeschwemmt oder -geweht wird, sie halten
Tiere darin, Schafe nicht nur für Pullover. Am archaischsten aber
mutet auf Inishmore das bronzezeitliche Steinfort Dun Aengus an.
In vier konzentrischen Halbkreisen wurde vermutlich 1500 vor
Christus ­— später als die Megalithkultur, an die sie erinnert — diese
Festung auf der höchsten Stelle der Insel angelegt. Mutig pflanzten
die Erbauer der meterdicken Steinreifen die Anlage genau an die
Kante, 87 kerzengerade Meter, darunter tost die See. Hütten sollen
hier gestanden sein, aber es ist schwer vorstellbar, dass dieser magische Ort nur so profanen Zwecken diente wie ständiger Behausung.
Marmor und Torf. Auf den Aran Islands stehen die Häuser auf Kalk,
Geologen wiesen nach, dass sich die außergewöhnliche Karstformation des Burren von Galway bis zu ihnen hinaus erstreckt. Sonst sitzt
die wildromantische, ja mystische Landschaft der Region Connemara auf dem berühmten grünen Marmor und zu
einem großen Teil auf Torf – quasi auf Heizmaterial,
das die Bewohner systematisch abbauen. Überall
sieht man Torfstiche und getrocknete Moorpackungen in Haufen. „Das ganze Gebiet ist wie ein riesiggroßer Komposthaufen, der schiefgegangen ist“, sagt der
Guide Eckhard Gogsch, ein Deutscher im irischen
Exil. Von einem Haufen könne ein Haushalt einen
Winter lang heizen. Daher kümmert es die Bewohner
wenig, wenn sich die Regierung mittlerweile gegen
den Torfabbau stemmen will.
Was außer Moor und Moos sollte den vielen Niederschlag in Connemara sonst aufhalten? Kaum wo – das gilt auch für den Rest von
Irland – existiert mehr der frühere Eichenwald, Aufforstungsprojekte mit Flachwurzlern werden kritisch gesehen. Und die Rhodo- »
Die Landschaft
funktioniert wie
ein Schwamm:
Regen wird
Moor.
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Energiepolitik. Traditionell heizt
man in Irland mit Torf. Die Regierung will den Abbau eindämmen.
01 Herumfahren. Die Reize von
Die alten
Steinhäuser
dürfen verfallen
und wieder zu
Natur werden.
hiskey und Wildlachs. Die meisten Reisenden durch Connemara
W
führt der Weg von Galway über die einsame Straße Richtung Clifden, einer hübschen Kleinstadt mit nicht einmal 2000 Einwohnern,
von dort weiter in den Nationalpark mit seinen höchsten Erhebungen (730 m), den „Twelve Bens“, und mit einem Abstecher bei dem
wunderhübschen neogotischen Kylemore Abbey. Dabei durchkreuzt man eine moorige, dann wieder heideartige Landschaft mit
kleinen Seen und nackten Hügeln und Bergen. In dem Idyll sind die
Dörfer kaum als solche erkennbar, weil die Gegend weit zersiedelt,
aber kaum bewohnt ist. Auch hier, im Abseits des einstigen „Keltischen Tigers“ ist vor den Krisenjahren gern gebaut worden, „weit
mehr Häuser als Haushalte“, rechnet Guide Eckhard vor. So häufen
sich die „For sale“- oder „To let“-Schilder im Laufe der Spazierfahrt.
Könnte man hier leben? Und wovon? Für einen Wirt dürfte die Rechnung wieder so recht und schlecht aufgehen, die Pubs erfreuen sich
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regen Zuspruchs. Doch das dunkle Bier und der echte
irische Whiskey fließen gepflegt, nicht mehr so in
Strömen wie vor der Wirtschaftskrise, als das Geld
ganz locker saß. Es bleibt gemütlich. Manchmal spielt
eine Liveband, die Musik ist stets mehrheitsfähig. Um
kurz nach elf macht der Wirt gern Schluss.
Als Lachsfischer könnte man sein Auslangen mit bester Qualität und größeren Ambitionen finden. Die
Entscheidung, links von der schmalen Hauptstraße
bei Clifden auf einen noch schmäleren Weg abzubiegen, führt hinaus auf die flache Halbinsel von Ballyconneely, die von
Stränden gesäumt ist, wie man sie viel weiter im Süden verorten
würde. An einem Pier liegt das „Connemara Smokehouse“, ein Familienbetrieb und einer der wenigen Arbeitgeber in der Gegend, hier
wird Lachs in die Welt exportiert, auch nach Österreich. Graham
Roberts Arbeit ist am Nachmittag bereits getan, er nimmt sich Zeit
für Kunden, die den weiten Weg für ein paar Kilo in Kauf nehmen:
„Born in the wild, lives in the wild“ – Graham hat sich entschieden,
mindestens 50 Prozent Wildlachs zu fangen und zu verarbeiten. Der
Rest fällt auf „organic“, den er sechs Kilometer draußen im Meer
züchtet, auf eigentlichen Zuchtlachs setzt der Fischer nur wenig.
Man muss noch anderes kosten: Seehecht, Thunfisch, Hering. Draußen kreischen die Möwen, ein Sonnenstrahl fällt schräg durch die
bleierne Wolkendecke auf die Schärenküste herab. Wieder so ein
kleiner Filmausschnitt, wie er einem hier so oft begegnet.
Und wie steht es mit einem Leben als Schriftsteller? Irland zog
immer schon Autoren „in residence“ an. Nun, es muss etwas dran
sein, an den atmosphärischen Schilderungen des so viel zitierten
„Irischen Tagebuchs“. Heinrich Böll schrieb es in den Fünfzigerjahren auf Achill Island weiter, das nördlicher, bereits im County Mayo
liegt, aber optisch eng verwandt scheint. Der Tagesausflug dorthin
lohnt sich — vorbei an der zersprenkelten Küste der Clew Bay, an
Orten wie Westport und Newport, um dann am Ende wieder in
einer baumlosen Wanderlandschaft zu stehen, wo runde Berge
den Weg lenken, große Surferwellen anrollen, Schafe weiden, und
verlassene Steinhäuser verfallen, bis sie aufgehen in der Landschaft. s
Sperrstunde. Letztlich hat die
Krise keinen Platz an der Theke – das Pub ist die irische Institution schlechthin.
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Fotos: Getty, Chris Hill, Tourism Ireland; Tourism Ireland/Stephen Power; Tourism Ireland/Holger Leue
» dendren, die sich regelrecht durch die Botanik fressen, sind für die Landwirtschaft eine Plage geworden,
so schön sie auch aussehen mögen.
Doch gerade diese großen grünen, baumlosen Flächen und die Zeichen der Erosion machen den
eigentlichen Reiz der Landschaft aus. Wenn sich
zudem das Wetter wendet — also ständig —, ergeben
sich aus den Konturen im Gelände immer neue Bilder, immer neue Grün- und Brauntöne. Zwischen den
Hügeln stehen oft kleine Steinhäuschen, sie wurden
zurückgelassen, verfallen und mutieren wieder zu Natur. Die
Romantik birgt Tragik: Kartoffelfäule und Preiswucher ließen Mitte
des 19. Jahrhunderts halb Irland verhungern oder auswandern. Man
sieht noch die „Lazy Beds“, die erhabenen Stellen im Gelände, auf
denen Erdäpfel angesetzt wurden. Über Land fahren, schauen, stehen bleiben, Füße vertreten, in ein Pub einkehren, weiterfahren,
weiterschauen, weitereinkehren. So ein moderates Reisetempo
wird dem leeren, rauen, traumhaft schönen Westen von Irland vermutlich am besten gerecht. Weitwandern oder Mehrtagestouren mit
dem Fahrrad sind die Alternative, wenn man die Zeit hat, mehr und
weiter in diese grüne Materie einzudringen.
Connemara eröffnen sich am besten
bei einer Rundreise in moderatem
Tempo. Ausgangspunkt ist Galway.
Abstecher auf die Aran Islands. Weiter
nach Clifden, Abstecher nach Ballyconneely zum Smokehose. Stops im
Connemara Nationalpark, Marsch
auf einen der Berge. Besuch von
Kylemore Abbey. Weiter bis Westport,
wo der „Gourmet Greenway“ und ein
Radweg nach Mulranny startet. Nach
Norden: von Newport nach Achill
Island und retour.
Info: Tourism Ireland, Halle A Stand
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02 Einkehren & übernachten. In
Galway gibt’s so viele Pubs, dass man
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